704. Pflanzen.

1.

Die Wallfahrtsleute aus Ertingen und der Umgegend pflegen auf der Heimfahrt von Einsiedeln Stechpalmenzweige auf dem Hut zu tragen. Dieselben werden im »Hörnli« gebrochen, in Einsiedeln geweiht und in der Heimat der Wallfahrer am Kruzifixbild im Tischwinkel aufgehängt, oder an Haus und Scheuer angenagelt. Den Grund, warum, gibt uns das alte Kräuterbuch von Lonicerus an S. 71: »Der gemeine Mann glaubt, daß die geweihten Zweige dieses Baumes, über die Thür gelegt, das Haus vor dem Donner bewahren soll.«

2.

Will man Jemand auf die Ferne hin schädigen und[489] schlagen, benütze man hiezu eine Haselgerte, welche man sich im Walde vor Sonnenaufgang schneidet, und zwar an einem Dienstag, an welchem gerade Neumond sein muß. Mit dieser Gerte schlägt man zu Hause auf ein Kleidungsstück des Betreffenden, oder in Ermangelng eines solchen auf die Thürschwelle unter Nennung des entsprechenden Namens. Jeder Hieb trifft den Gemeinten 1.

Tettnang.

Fußnoten

1 Vgl. Schönw. III. 201. § 3.

3.

Wer unverdanks einen vierblättrigen Klee findet, wird bald reich.

4.

Ehedem schüttete man gleich nach Ostern denOstertauf an die Bäume des Feldes, damit sie gut gedeihen 1.

Rottenburg.

Fußnoten

1 Vgl. Dr. Schreibers Taschenbuch S. 330 (v. Albthal).

5.

Geweihte Kräuter band man um dieselbe Zeit gleichfalls um die Bäume, damit sie gut Obst bringen.

Daselbst.

6.

Der Odermennig (acrimonia Eupatoria L.)vulgo »Haldəmändl ‰«, ist in seiner Herbstblüte für den Bauer ein Zeichen, wie er säen soll, bald oder spät, oder in der Mitte von beiden, je nachdem die Traubenblüte unten oder oben oder in der Mitte engstehend ist.

Ertingen.

7.

Der Teufel wird oft an Schmellengras (aïra caespitosa) gebannt. Das hat er gern, weil er von da in's Vieh und wieder von da in einen Menschen gelangen kann. Bei Biberach ist er in ein Kind gebannt.

8.

Die welken Kapseln der Herbstzeitlose (colchicum autumnale), welche gewöhnlich ein bräunliches Pulver enthalten und durch einen Stoß es von sich geben, heißt man [490] in Ertingen Teufelsküche, in Biberach Hexenfurz, in Wurmlingen Hexenfürzle, und wird im Zunder bei Blutungen als Schutz-und Heilmittel gebraucht 1.

Fußnoten

1 Die Herbstzeitlose, in Oberschwaben»Spind.lwûzə« genannt. Was das bräunliche Pulver enthält, ist nicht die welke Kapsel des colchicum autumnale L., sondern ein Boletus-Pilz, der oft gruppenweise auf den Matten wächst.

9.

Das »Arau« (Arum maculatum) ist das ganze Leiden Christi, wie im Hechtskopf. Man sieht zuerst eine Roggenähre, welche braun ist, sodann eine Weintraube, welche den Schwamm darstellt, dann andere Aehren im »Bluescht«. Gibt's viel »Arau«, gibt's viel Frucht. Der »Arau« vor der Blüte gesammelt, hilft wider den Husten bei den Säuen.

Erbstetten.

10.

Mit Haselstauden kann man die giftigen Nattern zu todt schlagen.

Hohenstatt, Alb.

11.

Wenn eine Stute ein Füllen geworfen, so muß man die »Richte« nehmen und an einen Nußbaum hängen, wenn die Thiere gesund bleiben sollen.

Baisingen.

12.

Die erste Frucht eines jungen Baumes soll man nicht essen. Sie bringt den Tod und gehört dem Teufel.

Ertingen.

13.

Die Blumen soll man im zunehmenden Monde säen, so werden sie gefüllt werden.

Hertfeld.

14.

Mit den »Roßrippen« (Farrenkraut), welche auf einem Schelmenwasen gewachsen sind, kann man sich unsichtbar machen.

Ertingen.

15.

Der Roggen blüt deshalb rot, weil Kain den Abel in einem Roggenfeld erschlagen hat.

Albers.

[491] 16.

»Kraut« soll man »stupfen« an St. Gertraudentag, und »setzen« im Zwilling.

Ertingen.

17.

Im Schützen soll man kein Kraut setzen, sonst schießt es aus.

Ertingen.

18.

Alle Wurzelgewächse, wie Rettige, Zwiebel etc. müssen, weil sie hinunterwachsen, im abnehmenden Mond, die andern, welche nach oben wachsen, im zunehmenden Mond gesäet werden.


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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Birlinger, Anton. 704. Pflanzen. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-0135-D