[58] 76. Die Speisekammer bei Brunshaupten.
Zwei Leute aus Unterhagen zogen eines Tages ihre langen Furchen mit den Haken um einen auf der Feldmark von Brunshaupten liegenden Hügel, dessen eine steile Seite gewöhnlich ›die Speisekammer‹ genannt wird. Daß es an diesem Orte allemal nicht recht geheuer sein soll, ist Allen wohl bekannt, die dort zu schaffen haben, und hält sich besonders zur Mittagszeit zwischen 12 und 1 Uhr nicht gern Jemand in der Nähe auf. Auch unsere Hœker wissen das und horchen emsig, damit der Ton der Betglocke ihren Ohren nicht entwische. Trotzdem haben sie die Glocke diesmal doch nicht gehört. Eben kommt der Eine nach der Speisekammer, da verbreitet sich dort ein gar lieblicher Geruch, wie von guten Speisen herkommend. ›Ach,‹ ruft er dem Anderen zu, ›hier riecht's nach prächtigem Essen, davon möchte ich wohl Etwas haben‹. Er blickte dabei nach dem Ort, woher der Geruch kam, und siehe, da steht eine Schüssel mit appetitlicher Speise und zwei Löffel darinnen. Der andere Hœker kommt auf den Ruf des ersten herbei. Beide stehen voll Staunen und betrachten das dampfende Essen, bis sie sich endlich durch den lieblichen Geruch desselben einladen lassen, die Schüssel bis auf den Grund zu leeren. Nach gehaltener Mahlzeit sprach der Eine sein ›Danke!‹ und legte einen Schilling in die Schüssel; der Andere aber, ein roher Mensch, nahm den Schilling heimlich wieder heraus und verunreinigte dieselbe noch obendrein. Der Undankbare aber entging seiner Strafe nicht. Von Tag zu Tag wurde er kränker und elender, und wie die Tage vergingen, so schwand auch seine Lebenskraft. Der Dankbare dagegen genoß nicht allein Gesundheit und Frohsinn, sondern wurde mehr und mehr reich an irdischen Gütern.
Vgl. Fr. Schulz bei Niederh. 3, 199 ff.; Müllenhoff Nr. 392.