Die siebenundzwanzigste Fabel.
Von einem Schneider.
Ein schneider kauft ein tuch von Lunden,
Nams undern arm zun selben stunden;
War schon geschorn und zubereit:
Draus im selb machen wolt ein kleit;
Trugs heim; auf seinen tisch legts nider,
Maß, überschlugs, legts hin und wider
[198]Und richtet zu, den rock zu schneiden,
Nam el und maß, zeichnets mit kreiden
Und legts dreifach zum vorder gern,
Der doch nur zwen von nöten wern,
Ergriff gar bald ein scharpfe scher
Und schnit daselben fluchs durchher.
Da wurden aus drei gleiche stück:
Eins warf er hinder sich zurück,
Daß man dasselb solt sehen nit,
Hub auf und sang dazu ein liet.
Das sahe sein knecht, der bei im saß,
Sprach: »Meister, warumb tut ir das?
Habt euch versehen in dem meßen,
Oder seit ir sonst so vergeßen?
Ists doch eur eign, habts selber kauft.
Ist, daß euch etwas überlauft,
Vor wem wolt ir dasselb verhelen,
Daß ir eur eigen gut wolt stelen?«
Er sprach: »Gott geb dem brauch die ritt!
Was tut die lang gewonheit nit!«
Wer sich sein selber nicht kan maßen,
Von böser gwonheit abelaßen,
Den muß man in ein kloster globen,
Zun dörren brüdern hoch dort oben,
Da man mit leitern steigt ins chor.
Darumb sehe sich ein jeder vor
Und sich für böser gwonheit hüten,
Sonst wirds im meister Hans verbieten.