[210] Die dreiunddreißigste Fabel.
Vom Bauren und seinem Wunsch.
Die leut erstmals vil götter hetten,
Davon vil schreiben die poeten;
Under den war ein, die Ceres hieß,
Die korn und weizen wachsen ließ.
Die bat ein baur, daß sie wolt laßen
Das korn wachsen der gstalt und maßen,
Daß die strohalmen und die äher
Möchten wachsen fein schlecht daher
On die scharpfen stachleten spitzen,
Die eim in henden bleiben sitzen,
Daß sich die schnitter nit drein stechen,
Oder den dreschern dhend zerbrechen.
Dem gschahe also; da es zeitig wart,
Kamen die vögel nach irer art,
Denn da war gut zum korn zu kommen,
Weil im die stacheln warn benommen.
Die kleinen vögel fraßens auf.
Da sprach der baur: »Mich reut der kauf.
Ich wist nit, daß ichs het so gut:
Der vorwitz mir den schaden tut,
Daß ich hab umb ein kleinen gwin
Ein großen vorteil geben hin.«
Wir sollen nicht umb kleinen gwin
Ein großen vorteil geben hin;
Es tut der vorwitz oft verschaffen,
Daß wir auch Gott sein werk wölln strafen
Und meinen, daß wir alle sachen
Auch beßer denn Gott wöllen machen,
Des wir doch haben keinen frummen
Und oft zu großem schaden kummen,
Höchlich damit erzörnen Gott
Und sein gescheft halten vor spott.
Desselben sollen wir uns maßen,
Gottes werk ungetadelt laßen,
[211]Richten nicht mer, denn wir verstünden
Und nit wol beßer machen künden,
Daß man nit sag: schuster, far schon,
Laß urteil übern schuh nit gan.