Die dreiundvierzigste Fabel.
Von S. Peter und einem Mönch.

Ein grauer mönch, ein observant,
Welch in der welt sind wol bekant,
Denn jetzt schier niergend ist ein stat,
Da man sie nit für heilgen hat,
Derselb pflag vons ministers wegen
Zu visitieren, wie sie pflegen.
Da wart man auf in in den klostern;
Wo er hinkam, so war es ostern;
Die bürger trugen zu mit haufen,
Hub sich ein freßen und ein saufen,
Da ward alltag vollauf geschöpft:
Davon der mönch war wol gekröpft
Mit überfluß und guten tagen,
Mit einschenken und voll auftragen.
Also casteit sich manches jar,
Daß er so ser verfallen war,
Daß im sein hals sahe wie ein schlauch,
Und im so runzlet war sein bauch,
Von vilem fasten also gletzt,
Man het ein meßer drauf gewetzt;
Sein farb war im so gar entsunken
Wie eim baurn, der ein ort vertrunken,
Daß er abnam und so verdarb,
Fiel in ein krankheit, daß er starb.
[237]
Bald sein gesellen mit im nimt,
Von stund hin vor den himel kümt:
Denn wie man sagt, allzeit bei parn
Die mönch von mund zu himel farn.
Er klopfet an in vollem saus;
Sanct Peter kam zuhand heraus.
Da sprach der mönch: »Botz heilger tauf
Wie tut ir mir so langsam auf!
Schleicht gleich wie eine schneck daher,
Ob ir nit wisten, wer ich wer!«
Darab sanct Peter sich entsatzt,
In wundert, daß der man so trotzt,
Blieb lang besten und sahe in an,
Sprach: »Was bist vor ein wetterhan?
Du stest noch haußen vor der pfort
Und gibst gereit solch hönisch wort?
Gehe hin, verdau zum erst den wein!
Man leßt kein trunkenbolzen rein;
Allein die nüchtern, stillen, frommen
Und demütigen in himel kommen.
Auch bist so wunderlich gekleidt,
Dergleich ich in der christenheit
Mein lebtag nie gesehen hab,
Du bist zumal ein wüster knab;
Umb fasnacht pflegen sich die heiden
Dem abgott Jano so zu kleiden,
Wenn sie mit larven und mit butzen
Wie narren auf einander stutzen;
Und hast umb deinen leib ein seil,
Dabei man fürt die ochsen feil,
Und bist gleich wie ein narr beschorn,
Mit einer kappen one orn.
Wenn du nit hetst eins menschen stimm,
Ich sprech, du werst ein wunder grimm,
Die man bringt aus Taprobana
Und feht sie dort in Lybia.
[238]
Zwar, gibstu nit ein beßern bricht,
Du komst zwar heut in himel nicht;
Mit solchem bochen und getümel
Fert man zwar leichtlich nit gen himel.
Sag an, was bistu vor ein gsell,
Oder stoß bald hinab zur hell,
Da das heulen und zäneklappern;
Da hilft kein bochen, gschwetz noch plappern.«
Der mönch erschrack, sprach: »Bitt dich doch,
Warumb fragstu so fleißig nach,
Weil ich doch bin von heilgen leuten,
Die in der welt vor langen zeiten,
Da sanct Franciscus und die andern
Pflagen die ganze welt durchwandern,
Von armen, reichen, jung und alten
Wurden vor heilge leut gehalten?
Auch derhalben ein mönch bin worden
Und gangen in den strengen orden,
Und so ein heiligs leben gfürt,
Auf daß ich dadurch selig würd.«
Sanct Peter sprach: »Du rümst dich hoch!
Billch muß ich weiter fragen noch.
Sag an, was ist gewest dein leben,
Daß man dir sol den himel geben?«
Er sprach: »Ich hab gelebt vorwar
Jetzt bei den sechs und dreißig jar
In harter, strenger observanz:
Das bdeut auf meinem haubt der kranz,
Und so ein heiligs leben gfürt,
Allzeit mir einem strick gegürt,
Ein grauer rock mein kleit ist gwesen,
Mit murren, beten, singen, lesen,
Mit sauer sehen, knien, bucken
Und all der gleich geistlichen stucken;
Trug holtschen und zerschnitten schuch,
Kein hosen, nur ein leine bruch,
Und aß allzeit aus hölzem gfeß;
Ein eichen bret war mein geseß.
[239]
Ich rürt auch kein denarium,
Het stets ein seckeldarium,
Der vor mich tet die zerung ab,
Wo man mir nit umb Gottswilln gab;
Lag auch auf keinen federbetten
Bei armen leuten, dies nit hetten.
Wenn mich die herrn luden zu in,
So gieng ich auch dest lieber hin.
Wenn mich sonst etwan in der stadt
Ein armer man zu gaste bat,
Dorft ich mich des nit han vermeßen
Und außerhalb dem kloster eßen,
Daß ich dardurch nit wurd vermerkt,
Als der ir weltlich wesen sterkt.
Denn wie die evangeli deuten,
Hat Christus selb bein heilgen leuten
Verdient nit allzu großen dank,
Daß er mit sündern aß und trank.
Sonst hab ich auch gar vil erlitten,
Gar heftig wider dketzer stritten,
Wider den Luther, der diser zeit
Verfürt die einfeltigen leut
Und sagt, man sol allein Gott trauen,
Auf keine werk noch frumkeit bauen,
Welchs ich mit fluchen, schelten, schenden
Stets widerfacht an allen enden;
Hab aber nit wider in gschrieben,
Nur ein ding mich zurück hat trieben:
Er war mir in der schrift zu glert,
Damit er all sein tun bewert;
Wenn Scotus bei im etwas golten,
So wolt ich in han baß gescholten.
Er hat auch etlich unser sect
Mit seiner ler also erschreckt
Und so erlegt mit seinem schreiben,
Daß sich jetzt nit mer an in reiben.
Sonst hab ich gstrenge penitenz
Getan in harter abstinenz,
[240]
All weltlich leben gar vermitten
Und umbs himelreichs willn verschnitten.
Denn ich hiengs durch ein wagen nab
Und ließ dort niden schneiden ab,
Was man zur not sonst nit bedürft
Und man sonst vor die hunde wirft;
So gar von frauen gsundert ab,
Auch meinr mutter die hand nit gab.
Wenn man mich het zu gvattern gbeten
Zum kind, und bei die tauf zu treten,
Eußert ich mich derselben leut,
Wie solchs die regel hart verbeut.
Mit fasten hab mich emßig geübt
Und stets die nüchternheit geliebt.
Auch hab ich mich in trübnus, jamer,
In armut und in großem kummer
Genert der almos und der brocken,
Sie weren weizen oder rocken,
Nach inhalt meiner heilgen regel:
Ist herter denn ein masren schlegel;
Ermlicher denn der Lazrus glebt:
Drumb ir mir billch den himel gebt.«
So bald sanct Peter hort die wort,
Da ward er zwar bewagen hart,
Daß im schier all sein kraft versunken;
Doch het er an dem man misdunken
Und dacht: mit solchem frommen schein
Pflegt wol ein schalk bedeckt zu sein,
Denn man allzeit den freunden leugt,
In gutem glauben dleut betreugt;
Und sprach: »Fasten und abstinieren
Und so ein strenges leben füren,
Die machen so kein vollen balk.
Mich dunkt, du seist ein heilger schalk,
Wilt dich mit solcher list eindringen:
Ei nein, es wird dir nit gelingen:
[241]
Die wort sein gut; ja, wenns so wer!«
Und rief: »Bring bald ein meßer her!
Ich mag solch gleißnerei nit leiden«,
Und gunt den mönch bald aufzuschneiden,
Sein dicken bauch und feißten wanst,
Und sprach: »Laß sehen, was du kanst;
So das inwendig das außen bwert,
Billich wird dir der himel bschert.«
Ja wol, da er ward aufgeschnitten,
Het schier die halbe pein erlitten,
Da war der mönch so voll, so voll:
Hüner und wiltprät, gbraten wol,
Fisch, eierkuchen, semeln, wein,
Und was sonst gute bißen sein.
Sanct Peter sprach: »Seht, lieben freund,
Welch ein fauler und voller schlund!
O wie hast mir jetzt vorgelogen
Und so vil jar die welt betrogen
Mit deinen heuchelischen listen
Bei den, die solchs nit beßer wisten!
Kuntst dich dazu so vil nit maßen,
Daß dus dabei hetst bleiben laßen:
Betreugest auch Gott und sein heiligen.
Aus, aus mit solchen unseligen,
Auf daß er seine schalkheit büß!
Komt her und bindt im hend und füß,
Werft in in dfinsternis hinab!
Solch lon er vor sein arbeit hab!«
Was die erdichte geistlichkeit
Und gleißend falsche heiligkeit,
Mit was betrug und falscher ler
Uns bei der nasen gfürt bißher,
Wie vil dieselben heuchelbuben
Gefürt han in verderbens gruben,
Unsr gelt und gut als zu sich kratzt
Und oft mit irem ban gefatzt,
Ist jetzt offentlicher am tag,
Denn mans schreiben oder sagen mag.
Es zeigt auch an ir weltlich macht,
Ir gbeu, hoffart und stolzer bracht,
[242]
Daß sie ir triegen, rauben, stelen
Auch lenger können nit verhelen.
Drumb wir Gott hoch zu danken han,
Der uns die augen auf hat tan,
Und bitten, daß er uns nit baß
In ire netze fallen laß
Und uns mit iren teufelstücken
Nit mer hin ins verderbnus rücken.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Waldis, Burkhard. Fabeln. Esopus. Zweiter Theil. Das vierte Buch. 43. Von S. Peter und einem Mönch. 43. Von S. Peter und einem Mönch. TextGrid Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-8DE2-3