1.
Fußnoten
Die Idee zu dem Gedichte, von dem wir hier einige Zeilen mitgetheilt haben, bekam der Dichter am Feste der Thronerhebung St. Petri, oder vielmehr des Abends, wo er einsam in den ungeheuern Räumen der St. Peterskirche die Nacht einbrechen sah. In wenigen Augenblicken war ihm die ganze Einrichtung aufgestiegen, und es sollte folgendermaßen ausgeführt werden.
Der Dichter befindet sich auf dem Hügel des Venustempels vor dem Colosseum. Er redet den Orion an, und erinnert sich dabei so vieler süßer und schmerzlicher Täuschungen seines Lebens. Noch hat er nicht gelernt, sie zu vergessen, auch unter den Denkmalen altrömischer Größe erinnert er sich noch der Erschütterungen in seiner Vergangenheit. Da tritt er ins Colosseum ein. Eindruck der ungeheuern Trümmermassen und historischen Bilder. Schon hat er seine kleinen bittern Erfahrungen aus dem Gedächtniß verloren. Jetzt erscheint ihm in einem niederwerfend erhabenen Gesichte der Geist der Geschichte unter den nächtlichen furchtbaren Gewölben des Vespasianischen Wunders. Dieser, wie er ihn zu Boden stürzte, hebt ihn mit stärkender Weihung wieder empor, und öffnet ihm das Auge zum Schauen der Geister. Der Dichter taumelt aus dem Colosseum, geht durch den Triumphbogen des Titus, und kommt an den Fuß des Palatin. Hier erscheint ihm der Geist des Romulus. Er erkennt ihn. In allen Tempeln belebt sichs, die via sacra ziehen die Vestalen und Priester hin, das Forum ersteht aus dem Schutt und bildet sich heran, das Capitol verändert seine jetzige Gestalt und der Tempel des Jupiter Capitolinus steigt düster und erhaben empor. Die Geschichte Roms und seiner Weltherrschaft, selbst sein fabelhafter Ursprung wird lebendig. Der Dichter ist hingerissen von Schauen, und wagt kein Wort. Romulus aber spricht Worte voll tiefen Sinns, und nun beginnt der Dichter zu klagen über den Zustand seines eigenen Volkes, da der König der Römer selbst das seinige beweint. Aber er wird, als er zu weit gehen will, gebieterisch von ihm zum Schweigen ermahnt und der Geist ruft ihm die Größe Deutschlands durch das Herrscherhaus der Hohenstaufen zurück. Diese sollst du ehren, sagt er ihm, diesen dein Leben weihen, darum siehst du diese Nacht die höchsten Schrecken des Staats, der Religion und der Kunst.
So verschwindet der Heros und der Dichter sieht sich dem Campo Vaccino entrückt und vor der Riesenbasilike der katholischen Christenheit, dem St. Peter. Er tritt hinein in die gigantischen Hallen, die Thüre reißt ihm der Sturm auf, und ein zweites entsetzliches Gesicht wirft ihn zu Boden. In Einer Reihe sitzen alle Päbste vom Ersten bis zum Letzten um die vier Säulen über dem Grabe St. Petri. Christus, der Herr selbst, steht in einfacher Schönheit am Altar, und die Glorie umgiebt ihn. Der Dichter wagt kaum sein Aug' empor zu heben, er erkennt einige besonders ausgezeichnete Päbste, und schildert sie. Da ertönt ein gewaltiger Donner aus der Kuppel herunter, so daß das Gebäude bebt, die Welt zu stürzen droht, die Kolossen der Apostel und Heiligen wanken, und auf einmal fallen alle Päbste unter dem furchtbaren Hallen des Donners ins Nichts zusammen, nur ihre Kronen und Goldgewande bleiben noch leer und inhaltslos auf der Erde liegen, aber aus manchen kriechen Schlangen, Krokodille und schreckliche Thiere hervor. Christus allein steht noch in seiner seligen Klarheit und Einfalt am Altare, und bricht das Brod, und hält den Kelch. Siehe da erdröhnt ein anderer Schlag aus der Kuppel, noch fürchterlicher als der erste, und die titanischen Pilaster, die das Gewölbe wie einen Himmel tragen, schwanken und wollen zerfallen. Da verschwebt auch Christus und öde grauenvolle Nacht umgiebt den Dichter. Schon ist er der Verzweiflung nahe, als sichs in der unermeßlichen Kuppel über ihm zu lichten beginnt, ein sanfter linder Rosenschein erhellt sie himmlisch und eine tiefe, stille, liebende, selige Stimme spricht aus ihm unter entzückenden Akkorden: Ich bin dein unsichtbarer Gott – ich bin all ein! Und nahe und immer fernere Engelstimmen erklingen, und verschweben allmählich hinüber, und der Dichter flieht aus dem Tempel. Jetzt empfängt ihn eine majestätische Gestalt, die Muse. Aber es ist jene Muse, die nur die höchste Begeisterung entzündet. Mit stolzer anmuthsvoller Sprache empfängt sie ihn, und schildert ihm die Größe jener unsterblichen Seelen, die nur Sie geliebt, und die sie zum höchsten Rang erhoben. Zum Zeichen ihrer Macht reckt sie die Hand aus, und Michel Angelo's jüngstes Gericht sieht der Dichter mit schauenden Augen in dem Nachthimmel sich ausbreiten und entfalten. Schilderung des fürchterlichen Gesichts und Eindruck auf die Seele des Dichters, der fast zernichtet ist. Da führt ihn die gütige Muse, die ihn nur läutern aber nicht zerstören will, durch die Hallen und Gänge des ninifeischen Wunders, des Vaticans, und er sieht sich vor der Verklärung Raffaels. Feier dieses Augenblicks und Höchstes der Kunst. Da erscheint der Geist des Jünglings in seiner ganzen Liebenswürdigkeit, und redet mit dem Dichter, ihm tiefsinnige Worte über Harmonie und Schönheit sagend, und ihn zu bescheidenem, reinem, und vernünftigem Streben aufmunternd. Noch aber sagt ihm die Muse strafende und befeuernde Worte, und er sieht, plötzlich auf den grünen Pinienhügel des Janus zu Tasso's Grab versetzt, die Sonne glorreich über das ewige Rom emporsteigen.
Man sieht leicht, daß wir uns viel vorgenommen hatten, und sogar mehr, als wir damals auszuführen im Stande waren. In der Begeisterung des Abends im St. Peter dünkte uns alles leicht und schon wie herausgegangen aus dem Innern in reifer und gediegener Vollkommenheit. Allein mein Zimmer ist kein St. Peter; ich ward sogleich durch abenteuerliche Begegnisse gestört, konnte nicht fortfahren, das Carneval erschien, und in ihm schien mir wie die ganze Welt so auch mein angefangenes Gedicht närrisch zu sein, so unterbliebs. Freilich kann man sagen, daß der Dichter auch nicht nöthig gehabt hätte, das Maul so voll zu nehmen, weiß der Himmel was für ein erhabenes Ding zu versprechen und am Ende gar nichts zu geben, als eben das Versprechen. Aber man weiß ja, wie die Dichter sind, und wie sie gleich sich in Brand und Feuer setzen. Mein Wille übrigens und mein Ernst war allerdings etwas ganz vorzüglich Erhabenes zu erfinden und auszuführen, ja etwas so Ernsthaftes und Sublimes, daß man gar keinen Verleger dafür gefunden hätte. Allein es blieb einmal Fragment. Sollte nun jemand gar, wenn er das Bruchstückchen gelesen, der Meinung sein, daß es kein Schaden um das Uebrige sei, und daß ich gescheidt daran gethan, aufzuhören, so ist mir das fast das Angenehmste, was ich mir wünschen kann.