Erste Szene
GERHILDE
zu höchst gelagert, dem Hintergrunde zurufend, von wo ein starkes Gewölk herzieht.
Hojotoho! Hojotoho!
Heiaha! Heiaha!
Helmwige! Hier!
Hierher mit dem Roß!
HELMWIGES STIMME
im Hintergrunde.
Hojotoho! Hojotoho!
Heiaha!
In dem Gewölk bricht Blitzesglanz aus; eine Walküre zu Roß wird in ihm sichtbar: über ihrem Sattel hängt ein erschlagener Krieger. Die Erscheinung zieht, immer näher, am Felsensaume von links nach rechts vorbei.
GERHILDE, WALTRAUTE UND SCHWERTLEITE der Ankommenden entgegenrufend.
Heiaha! Heiaha!
Die Wolke mit der Erscheinung ist rechts hinter dem Tann verschwunden.
ORTLINDE
in den Tann hineinrufend.
Zu Ortlindes Stute
stell deinen Hengst:
mit meiner Grauen
grast gern dein Brauner.
WALTRAUTE
hineinrufend.
Wer hängt dir im Sattel?
HELMWIGE
aus dem Tann auftretend.
Sintolt, der Hegeling!
[630]SCHWERTLEITE.
Führ deinen Braunen
fort von der Grauen:
Ortlindes Mähre
trägt Wittig, den Irming!
GERHILDE
ist etwas näher herabgestiegen.
Als Feinde nur sah ich
Sintolt und Wittig!
ORTLINDE
springt auf.
Heiaha! Heiaha! Die Stute
stößt mir der Hengst!
Sie läuft in den Tann. – Gerhilde, Helmwige und Schwertleite lachen laut auf.
GERHILDE.
Der Recken Zwist
entzweit noch die Rosse!
HELMWIGE
in den Tann zurückrufend.
Ruhig, Brauner!
Brich nicht den Frieden!
WALTRAUTE
auf der Höhe, wo sie für Gerhilde die Wacht übernommen, nach rechts in den Hintergrund rufend.
Hojoho! Hojoho!
Siegrune hier!
Wo säumst du so lang?
Sie lauscht nach rechts.
SIEGRUNES STIMME
von der rechten Seite des Hintergrundes her.
Arbeit gab's. –
Sind die Andren schon da?
SCHWERTLEITE UND WALTRAUTE
nach rechts in den Hintergrund rufend.
Hojotoho! Hojotoho!
Heiaha!
GERHILDE.
Heiaha!
Ihre Gebärden sowie ein heller Glanz hinter dem Tann zeigen an, daß soeben Siegrune dort angelangt ist. Aus der Tiefe hört man zwei Stimmen zugleich.
GRIMGERDE UND ROSSWEISSE
links im Hintergrunde.
Hojotoho! Hojotoho!
Heiaha!
WALTRAUTE.
Grimgerd' und Roßweiße!
SCHWERTLEITE.
Sie reiten zu zwei!
In dem blitzerglänzenden Wolkenzuge, der von links her vorbeizieht, erscheinen Roßweiße und Grimgerde, ebenfalls auf Rossen, jede einen Erschlagenen im Sattel führend. – Helmwige, Ortlinde und Siegrune sind aus dem Tann getreten und winken vom Felsensaume den Ankommenden zu.
HELMWIGE, ORTLINDE UND SIEGRUNE.
Gegrüßt! Ihr Reisige!
Roßweiß' und Grimgerde!
[631]ROSSWEISSE UND GRIMGERDES STIMMEN.
Hojotoho! Hojotoho!
Heiaha!
Die Erscheinung verschwindet hinter dem Tann.
DIE SECHS ANDEREN WALKÜREN.
Hojotoho! Hojotoho!
Heiaha! Heiaha!
GERHILDE
in den Tann rufend.
In Wald mit den Rossen
zu Rast und Weid!
ORTLINDE
ebenfalls in den Tann rufend.
Führet die Mähren
fern voneinander,
bis unsrer Helden
Haß sich gelegt!
Die Walküren lachen.
HELMWIGE
während die anderen lachen.
Der Helden Grimm
büßt schon die Graue!
Die Walküren lachen.
ROSSWEISSE UND GRIMGERDE
aus dem Tann tretend.
Hojotoho! Hojotoho!
DIE SECHS ANDEREN WALKÜREN.
Willkommen! Willkommen!
Willkommen!
SCHWERTLEITE.
Wart ihr Kühnen zu zweit?
GRIMGERDE.
Getrennt ritten wir,
und trafen uns heut.
ROSSWEISSE.
Sind wir alle versammelt,
so säumt nicht lange:
nach Walhall brechen wir auf,
Wotan zu bringen die Wal.
HELMWIGE.
Acht sind wir erst:
Eine noch fehlt.
GERHILDE.
Bei dem braunen Wälsung
weilt wohl noch Brünnhild'.
WALTRAUTE.
Auf sie noch harren müssen wir hier;
Walvater gäb uns
grimmigen Gruß,
säh ohne sie er uns nahn!
SIEGRUNE
auf der Felswarte, von wo sie hinausspäht.
Hojotoho! Hojotoho!
In den Hintergrund rufend.
Hieher! Hieher!
Zu den anderen.
In brünstigem Ritt
jagt Brünnhilde her.
[632]DIE ACHT WALKÜREN
alle oben auf der Warte.
Hojotoho! Hojotoho!
Brünnhilde! hei!
Sie spähen mit wachsender Verwunderung.
WALTRAUTE.
Nach dem Tann lenkt sie
das taumelnde Roß.
GRIMGERDE.
Wie schnaubt Grane
vom schnellen Ritt!
ROSSWEISSE.
So jach sah ich nie
Walküren jagen!
ORTHILDE.
Was hält sie im Sattel?
HELMWIGE.
Das ist kein Held!
SIEGRUNE.
Eine Frau führt sie.
GERHILDE.
Wie fand sie die Frau?
SCHWERTLEITE.
Mit keinem Gruß
grüßt sie die Schwestern!
WALTRAUTE
hinabrufend.
Heiaha! Brünnhilde,
hörst du uns nicht?
ORTLINDE.
Helft der Schwester
vom Roß sich schwingen!
HELMWIGE, GERHILDE, SIEGRUNE, ROSSWEISSE.
Hojotoho! Hojotoho!
ORTLINDE, WALTRAUTE, GRIMGERDE, SCHWERTLEITE.
Heiaha!
Heiaha!
Gerhilde und Helmwige stürzen in den Tann. – Siegrune und Roßweiße laufen ihnen nach.
WALTRAUTE
in den Tann blickend.
Zu Grunde stürzt
Grane, der Starke!
GRIMGERDE.
Aus dem Sattel hebt sie
hastig das Weib.
ORTLINDE, WALTRAUTE, GRIMGERDE UND SCHWERTLEITE.
Schwester! Schwester!
Was ist geschehn?
Alle Walküren kehren auf die Bühne zurück; mit ihnen kommt Brünnhilde, Sieglinde unterstützend und geleitend.
BRÜNNHILDE
atemlos.
Schützt mich, und helft in höchster Not!
DIE ACHT WALKÜREN.
Wo rittest du her
in rasender Hast?
So flieht nur, wer auf der Flucht!
BRÜNNHILDE.
Zum erstenmal flieh ich,
und bin verfolgt:
Heervater hetzt mir nach.
[633]DIE ACHT WALKÜREN
heftig erschreckend.
Bist du von Sinnen?
Sprich! Sage uns!
Verfolgt dich Heervater?
Fliehst du vor ihm?
BRÜNNHILDE
wendet sich ängstlich, um zu spähen, und kehrt wieder zurück.
O Schwestern, späht
von des Felsens Spitze!
Schaut nach Norden,
ob Walvater naht.
Ortlinde und Waltraute springen auf die Felsspitze zur Warte.
Schnell! Seht ihr ihn schon?
ORTLINDE.
Gewittersturm
naht von Norden.
WALTRAUTE.
Starkes Gewölk
staut sich dort auf!
DIE WEITEREN SECHS WALKÜREN.
Heervater reitet
sein heiliges Roß!
BRÜNNHILDE.
Der wilde Jäger,
der wütend mich jagt:
er naht, er naht von Norden!
Schützt mich, Schwestern!
Rettet dies Weib!
SECHS WALKÜREN
ohne Ortlinde und Waltraute.
Was ist mit dem Weibe?
BRÜNNHILDE.
Hört mich in Eile:
Sieglinde ist es,
Siegmunds Schwester und Braut: –
gegen die Wälsungen
wütet Wotan in Grimm;
dem Bruder sollte
Brünnhilde heut
entziehen den Sieg:
doch Siegmund schützt ich
mit meinem Schild,
trotzend dem Gott; –
der traf ihn da selbst mit dem Speer:
Siegmund fiel;
doch ich floh
fern mit der Frau;
sie zu retten,
eilt ich zu euch –
ob mich Bange auch
[634] Kleinmütig.
ihr berget vor dem strafenden Streich!
SECHS WALKÜREN
ohne Ortlinde und Waltraute.
Betörte Schwester,
was tatest du?
Wehe! Brünnhilde! Wehe!
Brach ungehorsam
Brünnhilde
Heervaters heilig Gebot?
WALTRAUTE
von der Warte.
Nächtig zieht es
von Norden herab.
ORTLINDE
ebenso.
Wütend steuert
hierher der Sturm.
ROSSWEISSE, GRIMGERDE, SCHWERTLEITE.
Wild wiehert Walvaters Roß!
HELMWIGE, GERHILDE UND SIEGRUNE.
Schrecklich schnaubt es daher.
BRÜNNHILDE.
Wehe der Armen,
wenn Wotan sie trifft:
den Wälsungen allen
droht er Verderben! –
Wer leiht mir von euch
das leichteste Roß,
das flink die Frau ihm entführ?
SIEGRUNE.
Auch uns rätst du
rasenden Trotz?
BRÜNNHILDE.
Roßweiße, Schwester,
leih mir deinen Renner!
ROSSWEISSE.
Vor Walvater floh
der fliegende nie.
BRÜNNHILDE.
Helwige, höre!
HELMWIGE.
Dem Vater gehorch ich.
BRÜNNHILDE.
Grimgerde! Gerhilde!
Gönnt mir eu'r Roß!
Schwertleite! Siegrune!
Seht meine Angst!
O seid mir treu,
wie traut ich euch war:
rettet dies traurige Weib!
SIEGLINDE
die bisher finster und kalt vor sich hingestarrt, fährt, als Brünnhilde sie lebhaft – wie zum Schutze – umfaßt, mit einer abwehrenden Gebärde auf.
Nicht sehre dich Sorge um mich:
[635] einzig taugt mir der Tod. –
Wer hieß dich Maid
dem Harst mich entführen?
Im Sturm dort hätt ich
den Streich empfahn
von derselben Waffe,
der Siegmund fiel:
das Ende fand ich
vereint mit ihm!
Fern von Siegmund –
Siegmund, von dir! –
O deckte mich Tod,
daß ich's denke!
Soll um die Flucht
dir Maid ich nicht fluchen,
so erhöre heilig mein Flehen: –
stoße dein Schwert mir ins Herz!
BRÜNNHILDE.
Lebe, o Weib,
um der Liebe willen!
Rette das Pfand,
das von ihm du empfingst:
Stark und drängend.
ein Wälsung wächst dir im Schoß!
SIEGLINDE
erschrickt zunächst heftig; sogleich strahlt aber ihr Gesicht in erhabener Freude auf.
Rette mich, Kühne!
Rette mein Kind!
Schirmt mich, ihr Mädchen,
mit mächtigstem Schutz!
Immer finsteres Gewitter steigt im Hintergrunde auf.
WALTRAUTE
auf der Warte.
Der Sturm kommt heran!
ORTLINDE
ebenso.
Flieh, wer ihn fürchtet!
DIE SECHS ANDEREN WALKÜREN.
Fort mit dem Weibe,
droht ihm Gefahr!
Der Walküren keine
wag ihren Schutz!
SIEGLINDE
auf den Knien vor Brünnhilde.
Rette mich, Maid!
Rette die Mutter!
BRÜNNHILDE
mit lebhaftem Entschluß hebt Sieglinde auf.
So fliehe denn eilig –
und fliehe allein!
Ich bleibe zurück,
biete mich Wotans Rache:
an mir zögre ich
[636] den Zürnenden hier,
während du seinem Rasen entrinnst.
SIEGLINDE.
Wohin soll ich mich wenden?
BRÜNNHILDE.
Wer von euch Schwestern
schweifte nach Osten?
SIEGRUNE.
Nach Osten weithin
dehnt sich ein Wald:
der Niblungen Hort
entführte Fafner dorthin.
SCHWERTLEITE.
Wurmes Gestalt
schuf sich der Wilde;
in einer Höhle
hütet er Alberichs Reif!
GRIMGERDE.
Nicht geheu'r ist's dort
für ein hilflos Weib.
BRÜNNHILDE.
Und doch vor Wotans Wut
schützt sie sicher der Wald:
ihn scheut der Mächt'ge
und meidet den Ort.
WALTRAUTE
auf der Warte.
Furchtbar fährt
dort Wotan zum Fels!
SECHS WALKÜREN.
Brünnhilde, hör
seines Nahens Gebraus!
BRÜNNHILDE
drängend.
Fort denn eile,
nach Osten gewandt!
Mutigen Trotzes
ertrag alle Müh'n. –
Hunger und Durst,
Dorn und Gestein;
lache, ob Not,
ob Leiden dich nagt! –
Denn Eines wiss'
und wahr es immer: –
den hehrsten Helden der Welt
hegst du, o Weib,
im schirmenden Schoß!
Sie zieht die Stücken von Siegmunds Schwert unter ihrem Panzer hervor und überreicht sie Sieglinde.
Verwahr ihm die starken
Schwertesstücken;
seines Vaters Walstatt
entführt ich sie glücklich.
[637] Der neu gefügt
das Schwert einst schwingt,
den Namen nehm er von mir:
Siegfried erfreu sich des Siegs!
SIEGLINDE
in größter Rührung.
O hehrstes Wunder!
Herrlichste Maid!
Dir Treuen dank ich
heiligen Trost!
Für ihn, den wir liebten,
rett ich das Liebste:
meines Dankes Lohn
lache dir einst!
Lebe wohl!
Dich segnet Sieglindes Weh!
Sie eilt rechts im Vordergrunde von dannen. – Die Felshöhe ist von schwarzen Gewitterwolken umlagert; furchtbarer Sturm braust aus dem Hintergrunde daher, wachsender Feuerschein rechts daselbst.
WOTANS STIMME.
Steh, Brünnhild'!
Brünnhilde, nachdem sie eine Weile Sieglinde nachgesehen, wendet sich in den Hintergrund, blickt in den Tann und kommt angstvoll wieder vor.
ORTLINDE UND WALTRAUTE
von der Warte herabsteigend.
Den Fels erreichten
Roß und Reiter!
ALLE ACHT WALKÜREN.
Weh, Brünnhild!
Rache entbrennt!
BRÜNNHILDE.
Ach Schwestern helft,
mir schwankt das Herz!
Sein Zorn zerschellt mich,
wenn euer Schutz ihn nicht zähmt.
DIE WALKÜREN
flüchten ängstlich nach der Felsenspitze hinauf; Brünnhilde läßt sich von ihnen nachziehen.
Hieher, Verlorne!
Laß dich nicht sehn,
schmiege dich an uns,
und schweige dem Ruf!
Sie verbergen Brünnhilde unter sich und blicken ängstlich nach dem Tann, der jetzt von grellem Feuerschein erhellt wird, während der Hintergrund ganz finster geworden ist.
Weh!
Wütend schwingt sich
[638] Wotan vom Roß!
Hierher rast
sein rächender Schritt!