[262] Siegfried's Jugend

Romanze.


In frühen Kindestagen,
Aus Trutz und frevlem Muth,
Entlief der Burg zu Santen
Siegfried, ein Recke gut.
Er kam nach vielem Irren
In einen fernen Wald,
Sah da die große Schmiede,
Ein trat der Knabe bald.
Hier wohnt' mit seinen Künsten
Mimer, ein Held bekannt,
Der mit vielen Gehülfen
Schmiedete schön Gewand.
[263]
Er wirkte edle Schwerdter,
Panzer und Schilde breit,
Die kauften werthe Recken
Und Kön'ge hoch erfreut.
Er war ein Held gewaltig,
Zu ihm trat Siegfried ein,
Und wollt' im grünen Walde
Mimers Gehülfe seyn.
Als größer ward der Knabe
Zeigt' er viel bösen Sinn,
Er droht' und plagte alle,
Der Meister furchte ihn:
Er stellt' ihn an die Arbeit
An einem Sommertag,
Da nahm Siegfried den Hammer
Und that so kräftgen Schlag,
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Daß er den Ambos spaltete
Und schlug ihn in den Grund,
Darob sie all erschraken
Und wünschten zu der Stund,
Er wäre nie gekommen,
Sie hatten sein nicht Noth,
Sie furchten daß der Große
Sie alle schlüge todt.
Ein giftiger Linddrache
Dort in dem Walde was,
Vor dessen grimmen Rachen
Der Kühnste nicht genas.
Mimer in seinen Listen
Dachte mit klugem Sinn:
Der Knab' wird sich nicht fristen;
Sandt' ihn zum Wurme hin.
[265]
Da folgt der Jüngling kühne
Dem anbefohlnen Werke,
Ohn' Waffen in der Grüne,
Nur in selbsteigner Stärke.
Der Drache schoß im Grimme
Aus seiner Höhle wild,
Den jungen Ritter schirmten
Baumzweige wie ein Schild.
Damit kämpft' er so kräftig
Und schlug das Ungeheuer,
Dann aß er in dem Walde
Und zündete ein Feuer,
Im Drachenblut er badete,
Hürnen ward seine Haut,
Kein Waffen ihm nun schadete,
Wie scharf es auf ihn haut.
[266]
In sehr grimmigen Muthe
Riß er vom Wurm das Haupt,
Und rennt durch Waldesdunkel,
Als schon der Meister glaubt
Er sey im Wald erstorben.
Da schreien die Gesellen:
Wir sehen Siegfried kommen,
Der wird uns alle fällen!
Er trägt das Wurmhaupt blutig
Wie einen Schildesrand!
Siegfried trat ein wildmuthig,
Sie flohn zur Steineswand.
Mimer ging ihm entgegen,
Er sah des Jünglings Wuth,
Um Gnade bat der Degen,
Harnisch und Schwerdter gut
[267]
Versprach er fleh'nd dem Werthen:
Siegfried nichts sagte wieder,
Das Haupt warf er zur Erden
Und schlug den Meister nieder.
Auf saß er dann zu Rosse,
Und nahm ein Sturmgewand,
Nicht sucht' er die Genossen,
Weit fuhr er durch das Land.

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TextGrid Repository (2012). Tieck, Ludwig. Gedichte. Gedichte. Erster Teil. Siegfried's Jugend. Siegfried's Jugend. TextGrid Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-5385-C