215.

Was von Hexen herkommt, ist verderblich für den, der es an seinen Leib nimmt oder gar verzehrt. Daher soll man von unbekannten Gebern kein Geschenk und namentlich kein Essen annehmen; vielleicht verwandelt letzteres sich einem im Leibe in allerlei giftige und ekelhafte Tiere. Äpfel und Birnen pflegen die Hexen am liebsten zu geben, und Kröten und Frösche sind es meist, in welche das Obst verwandelt wird. Doch sind auch andere Sachen nicht selten von Hexen irgend wohin praktisiert, um Schaden zu stiften.

a.

Einst schenkte eine Hexe einem Kinde einen Apfel, der war so schön, daß ihn das Kind nicht gleich essen mochte, sondern ihn in eine Mucke (gehenkelter irdener Becher), die an einem Brett an der Wand hing, hineinlegte, um ihn dort aufzubewahren. Mit einem Male aber fing die Mucke an zu springen, und als man hineinsah, war statt des Apfels ein großer Frosch drin. (Ovelgönne, Brake.)

b.

In K. im Jeverlande kam eine nicht gut berufene Frau zu einer Mutter, welche grade ihr Kind an die Brust legen wollte. Sie sagte: »Myn Kind, wultu Titi hebben?« und strich der Mutter über die Brust, dann schenkte sie dem Kinde einen Apfel; denn es kommt wohl vor, daß Kinder noch an der Brust liegen und schon Obst zu essen bekommen. Die Mutter aber fürchtete jene Frau und gab ihrem Kinde den Apfel nicht, sondern legte ihn in ein Glas. Das Kind aber nahm seitdem die Brust nicht mehr an und magerte sichtlich ab. Nicht lange hernach war der Apfel verschwunden, und statt seiner saß eine Kröte im Glase. Da war es klar, daß jene Frau eine Hexe war und das Kind mit dem Apfel hatte vergiften wollen. Der Mutter gelang es, das Kind durch vorsichtige Behandlung zu erhalten, und dasselbe ist zu einem erwachsenen Manne geworden und lebt noch.

c.

Ein Bursche im Kirchspiel Visbek wollte ein Mädchen heiraten, aber ihm wurde hinterbracht, es sei keine gute Person, [377] sondern eine Hexe; darum zog er sich ganz von demselben zurück. Eine Zeit lang nachher wurde er krank, da ging das Mädchen hin ihn zu besuchen, zeigte großes Mitleid mit ihm, versicherte ihn seiner aufrichtigen Liebe und Treue und gab ihm endlich drei schöne Äpfel, die solle er nur gleich aufessen, denn sie seien schon ganz mürbe. Er versprach dies auch, aber als das Mädchen fort war, befiel ihn ein Fieber, so daß er die Äpfel nicht gleich essen konnte; er legte sie daher in den Schrank und ging zu Bette. Als seine Mutter nach Hause kam, erzählte er ihr, daß seine alte Braut bei ihm gewesen sei, sie habe ihm so freundlich zugesprochen und viel Mitleid gezeigt, ihm auch drei schöne Äpfel gegeben; sobald er nur wieder essen möge, wolle er sie verzehren. Als er nun etwa drei Tage nachher zu seiner Mutter sagte, sie möge ihm einen von den Äpfeln aus dem Schranke holen, ging sie auch gleich hin, aber wie sie den Schrank öffnete, stieß sie ein Geschrei aus, denn es waren statt der Äpfel drei große Kröten in dem Schranke. Hätte er einen von den Äpfeln gleich aufgegessen, so hätte er unfehlbar daran sterben müssen.

d.

In Halter fuhr ein Bauer Plaggen, und als er mit dem ledigen Wagen fuhr, ging des nämlichen Weges eine Frauensperson, welche einen Korb auf dem Arme trug; sie klagte, daß sie müde sei und gern mit auf den Wagen wolle. Da er denselben Weg und auch noch eine gute Strecke fuhr, so nahm er sie auf den Wagen. Als er nun an die Stelle kam, wo er aufladen wollte, und still hielt, gab ihm die Frauensperson eine wunderschöne Birne, welche sie im Korbe hatte, und sagte, die möge er gleich aufessen, denn sie habe einen sehr lieblichen Geschmack. Der Bauer tat dies auch, aber als er nun Plaggen aufgeladen hatte und wegfahren wollte, bekam er Leibschmerzen, welche bald so überhand nahmen, daß er nicht gehen konnte. Er faßte sich daher hinten am Wagen an und ließ sich, so gut er konnte, fortschleppen. Auf einmal befiehl ihn ein starkes Erbrechen, so daß er nicht anders glaubte, als daß er ersticken müsse, bis zuletzt ihm ein großes Stück aus dem Halse kam, wodurch er erlöst wurde. Aber als er es näher besah, war es eine lebendige Kröte, welche ihm aus dem Halse gekommen war. –


Vgl. noch 238e.

e.

Ein Kind erhielt einmal von einer Hexe einen Apfel und aß denselben sofort auf. Da verwandelte sich der Apfel in dem Leibe des Kindes in einen Frosch, der nun aus dem [378] Leibe des Kindes heraus allerlei Befehle gab: »Ick will Pannkoken äten! ick will ditt un datt hebben.« Endlich gab man dem Kinde ein Mittel ein, da fuhr es wie eine große Feuerflamme aus dem Munde des Kindes, und das Kind war genesen. (Ovelgönne.)

f.

Der Sohn eines Landmanns zu Nordenholz, Ksp. Hude, pflügte für eine »nicht gut gehaltene« Witwe und bekam Essen und Trinken zu. Wenige Wochen darauf verspürte er große Übelkeit und Beklemmung. Ein zu Rate gezogener Arzt gab ihm Brechmittel ein, und der Kranke spie eine Menge häßlicher Tiere aus, die lebend vor ihm herumkrochen. Die Frau hatte sie ihm mit dem Essen in den Körper geschafft.

g.

Ein Bauernknecht brachte einer alten Frau, die für eine Hexe gehalten wurde, ein Fuder Torf. Die Frau hatte ihm einen Pfannkuchen gebacken, den er verzehren sollte, während sie den Torf ablud. Der Pfannkuchen war aber so fest, daß er ihn nicht reißen noch schneiden konnte. Da rollte er ihn zusammen, steckte ihn in die Tasche und nahm ihn mit nach Hause. Dort zeigte er ihn seinem Herrn, und als sie ihn untersuchten, fand es sich, daß er voll Würmer war. Der Bauer ging hin zu der Frau und brachte vor, sei Knecht sei krank an Leibschmerzen; was sie dem zu essen gegeben habe? Sie sagte, sie möchten ihm nur süße Milch zu trinken geben. Als der Bauer nun zu Hause kam, gossen sie süße Milch auf den Pfannkuchen, da regte und bewegte sich alles von Würmern. Der Bauer ging nochmals hin und sagte, es sei viel schlimmer geworden. Da gab sie den Rat, sie möchten Pferdebohnen kochen, und das Wasser, worin sie gekocht, ihm zu trinken geben. Sie aber nahmen das Wasser und gossen es auf den Pfannkuchen, da waren alle Würmer tot. (Stedgn.)

h.

Die vierzehnjährige Stieftochter eines Wirtes zu Warfleth litt seit langer Zeit an übergroßen Leibschmerzen. Immer war es ihr, als mache ein Tier in ihrem Leibe die Wanderung von oben nach unten. Viele Ärzte wurden zu Rate gezogen und alle Apotheken der Umgegend durchgegangen, nichts wollte helfen. Endlich ließ man eine weise Frau von Bremen kommen, aber auch diese konnte anfangs nichts ausrichten, nur das sprach sie aus: die Tochter habe im Leibe ein lebendiges Tier, das auf irgend eine Weise hineingekommen sei. Man dachte nach und erinnerte sich, daß die kranke Tochter einst von einer übelberüchtigten Nachbarin einen schönen Apfel zum Geschenk bekommen [379] und aufgegessen habe. Nun wußte die weise Frau genug; sie gab der Kranken etwas ein und rief das Tier an: »Willst du nun fort oder bleiben?« »Ich will ausfahren,« klang es aus dem Leibe, und gleich darauf entsprang dem Mädchen (ex pudendis) ein stark behaartes Tierchen und verschwand in ein Mauseloch. Bald nachher war das Mädchen ganz gesund.

i.

Wenn man etwas findet, z.B. ein Stück Speck, Fleisch, Eier oder dgl., draußen auf dem Hofe oder sonst auf den Gründen, so darf man dies nicht mitnehmen, sondern muß es gleich von seinen Gründen entfernen, sonst erlangen die Hexen, die es heimlich hergebracht haben, Macht über Menschen und Vieh. Ein Mann im Kirchspiel Goldenstedt fand bei seinem Hause ein Stück Fleisch, welches gehörig geschnitten und eingebunden war. Er dachte, es müsse das einer verloren haben, nahm es mit in sein Haus und sagte es allenthalben, aber niemand wußte davon. Nach drei Tagen lag seine Kuh tot im Stalle. – – Im Kirchspiel Visbek war einer, der fand auf seinem Hofe einen Streifen Seitenspeck, der ebenfalls gehörig eingebunden war und etwa fünf Pfund wog. Er nahm ihn mit ins Haus, weil auch er glaubte, ihn müsse jemand verloren haben, aber es meldete sich niemand. Es dauerte nicht lange, so kam allerhand Unglück über das Vieh, es starben mehrere Schweine, acht Kühe und zwei Pferde in Zeit von einem Jahre.

k.

In einem Hause an der Kurwickstraße zu Oldenburg war seit undenklichen Zeiten Bierbrauerei betrieben worden. Nun war vor längeren Jahren eine Magd, die lange im Hause gedient hatte, wegen Kränklichkeit und Alters ihres Dienstes entlassen. Unzufrieden hiermit, hatte sie die Brauerei dermaßen behext, daß durchaus kein Bier mehr zum Gähren zu bringen war. Sämtliche Bottiche und Geräte wurden daher genau untersucht und gereinigt, und bei dieser Gelegenheit wurde denn auch ein alter Pantoffel gefunden. Man vermutete daß in diesem die Hexerei stecke und verbrannte ihn. Nachher kam die Brauerei wieder in Ordnung.


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TextGrid Repository (2012). Strackerjan, Ludwig. 215. [Was von Hexen herkommt, ist verderblich für den, der es an seinen]. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-2DDB-8