513. Zetel.

a.

Die Zeteler hatten früher bei ihren Nachbarn den Scheltnamen Zeteler Dewe. Es hausten dort nämlich eine zeitlang sieben Räuber, die trieben ihr Unwesen mit Raub, Mord und Brand. Wer in ihre Hände fiel, den töteten sie, indem sie ihm geschmolzenes Blei in die Ohren gossen, sodaß niemand die Gewaltsamkeit des Todes bemerken konnte. Auch überfielen sie die Bauernhäuser, plünderten sie aus und steckten sie in Brand. Meistens kündigten sie ihr Vorhaben vorher an, indem sie mit Kreide oder Tinte Drohungen an die Tür schrieben: sie wollten den roten Hahn durchs Haus jagen etc. An Hobbies Haus schrieben sie einmal:


Wenn de Wind nich keem ut Süde-West,
Wull ick di driwen ut dat Nest.

[283] Sie verschonten es also des Windes wegen. Der Pastor war der einzige, der es wagen durfte, nach acht Uhr abends auszugehen, und wenn er aus mußte, empfahl er sein Besitztum der Obhut eines Hauptspitzbuben, der dann auch redlich dafür Sorge trug. Als es der Pastor einmal unterließ, fand er alle seine Kisten und Kasten ausgeleert. Zuletzt bot man alle benachbarten Ortschaften auf, und es gelang, die Räuber einzufangen, die dann an einem Galgen zwischen Neuenburg und Marx aufgehängt wurden. – Davon, daß die Räuber den Zetelern auf Zetteln, die sie an die Türen klebten, ihre Forderungen unter Drohungen zustellten, haben die Zettelempfänger den Namen Zeteler und das Dorf die Benennung Zetel empfangen.

b.

Der Pfarrer zu Zetel fuhr einst spät in der Nacht von einem Krankenbesuche nach Hause zurück. Unterwegs sah er die große Türe eines Bauernhauses weit offen stehen. Er ließ halten und ging in das Haus hinein. Da fand er mehrere Bewohner des Hauses getötet und die Magd im Unterhause am Stricke hangen, doch hatte sie eine Hand zwischen Hals und Strick geschoben und sich so vor dem Erwürgen geschützt. Er schnitt sie sofort ab und fragte sie, wer die Mörder gewesen seien, worauf sie unter großer Anstrengung nur die Worte hervorbrachte: »Wie mich dünkt, ist des Pastoren Knecht mit dabei gewesen.« Der Pastor fuhr zu Hause und traf seinen Knecht beim Feuerherd sitzend an. Auf die Frage, warum er noch nicht zu Bette sei, erwiderte derselbe, er habe geglaubt, der Herr werde ihn noch brauchen. »Das ist gut«, sagte der Pastor, »gehe in den Keller und hole mir eine halbe Kanne Bier.« Der Knecht gehorchte, der Pastor schlug aber sogleich die Kellertür hinter ihm zu und verschloß sie. Dann ging er zum Ortsvorsteher und veranlaßte ihn, den Landsturm aufzubieten, damit er den Knecht gefangen nehme und dessen Helfershelfern nachspüre. Als nun der Keller geöffnet wurde, war nicht nur der Knecht darin, sondern die ganze, vierzehn Mann starke Bande, und alle zusammen wurden gefangen genommen. Sie gestanden, daß sie sich in dieser Nacht an dem Pastoren hätten rächen wollen, weil er sie in ihrem Unternehmen gestört hätte.

c.

In dem Gehölze, das die Hasenweide heißt, finden sich noch die Überreste einer alten Burg, und bei dem Burggraben liegt ein großer Stein, der Löwenstein genannt, weil ehemals ein Löwe daran angekettet gewesen sein soll.

[284] d.

Das Schloß Neuenburg ward im Jahre 1462 von dem Grafen Gerhard dem Mutigen gegen die Friesen erbaut. Als er den ersten Stein dazu legte, warf er seinen Handschuh darunter, und rief (was sein gewöhnlicher Fluch war): »Daß die Friesen der Bammel schlag! sie sagen allezeit, ich wolle auf das Ihre bauen, nun lege ich doch den ersten Stein auf das Meine!« (Hamelmann, Chronik, S. 260). 1 – In Neuenburg geht der Teufel als Hund: 194l.

In den Schweinebrücker Fuhrenkämpen ist eine Donnerbuhle. – Eine Sage vom Bau des Ellenserdammes 151a.Bohlenberge (die Leute sprechen Bullenbarg) hat seinen Namen erhalten von einem Bullen oder Stier, welcher bei einer Flut auf einem Heuhaufen dort angetrieben ist. – Ellens ist einst bei einem Ausbruch der Jade ganz überflutet und verwüstet. Ein Mann von dort, der während des Unglücks auswärts gewesen, hat bei der Rückkehr immerzu gesagt: »O Elend! o Elend!« Daher der Name Ellens. Man zeigt bei Ellens noch einen ehemaligen Kirchhof zum Beweise, daß der Ort früher bedeutender gewesen.

Fußnoten

1 Ob Bammel Hammer bedeutet? Dann könnte man versucht sein, folgende Stelle aus Schiphowers Chronik (bei Meibom, II. S. 180) heranzuziehen, in welcher unseres Grafen Tapferkeit in der Schlacht beim Sidenforde im Jahre 1463 gerühmt wird: Archi-Comes Gerhardus tam fortiter aemulos insequebatur et tam viriliter cum magno nalleso bellico, quem in itinere invenit, hostes suos prostravit, quod multi de sua fortitudine mirabantur, dicentes, se nunquam talia vidisse, et multi ibidem interfecti sunt, et Gerhardus obtinuit triumphum et in signum victoriae ibidem creatus fuit in militem in conspectu omnium. Bei Kantzow, Pomerania, ed. Kosegarten, I, S. 19-24, soll eine Bammeltrud, Tochter des dänischen Königs Siewert vorkommen.


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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Strackerjan, Ludwig. 513. Zetel. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-27D7-4