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Die Verfehmung, welche früher auf dem Scharfrichter und seinem Gehülfen lastete, der Umstand, daß ihr Nebenamt, die Ausübung der Chirurgie, es mit sich brachte, mit Geheimmitteln, Zaubereien u. dergl. sich zu beschäftigen, mußte dazu führen, daß das Volk sie als halbe oder ganze Teufelsverbündete ansah. Ungern ging der gewöhnliche Mann abends oder nachts des Weges, wo die einsame Wohnung des Henkers lag, nur widerwillig ließ er sich mit ihm in ein Gespräch ein. Noch 1800 konnte es geschehen, daß für das verstorbene Kind des Vechtaer Amtsschließers Maus beim Begräbnisse keine Träger zu bekommen waren. Der Schwiegervater des Maus trug den Sarg, und der Vater mußte allein die Leiche begleiten. Der Abdecker bei Cloppenburg hatte 1797 ein Haus gebaut, es wurde von der Nachbarschaft niedergerissen, und als es wieder hergestellt war, niedergebrannt. Am 18. Juli 1791 starb die Frau des bei Cloppenburg ansässigen Abdeckers Hartmann. Die Nachbarn waren nicht zu bewegen, wie gebräuchlich, [453] die Leiche auszukleiden und zu Grabe zu tragen. Um Aufsehen und Spektakel zu vermeiden, wurde dem Hausvogt vom Amtsrentmeister Mulert aufgegeben, für Geld und gute Worte Leute zum Auskleiden und Tragen zu dingen. Es hatte keinen Erfolg, niemand war zu haben. Der Amtsrentmeister schrieb an die Regierung und bat um Verhaltungsmaßregeln. Bevor von dort die Antwort einlief, hatte sich ein gewisser Harbers aus Stapelfeld gefunden, der erbötig war, gegen eine Gebühr von 2 Rthrn. 14 Schillingen, die Leiche einzuscharren. Mulert war froh, einen Mann gefunden zu haben, wartete die Antwort aus Münster nicht ab, sondern acceptierte das Gebot und die Beerdigung konnte vor sich gehen. Am 6. Oktober 1766 starb auf dem Amthause in Cloppenburg der Schließer Dieken. Die Schließer waren wie die Abdecker Gehülfen des Henkers bei Folterungen und Hinrichtungen der Delinquenten. Die Nachbarn wurden angegangen, die nachbarliche Pflicht zu tun. Sie verhielten sich weigerhaft, und als am Morgen des 9. Oktobers die Geistlichen erschienen, um die Leiche aufzuholen, fanden sich nur ein paar Träger ein und ohne Bahre. Die Geistlichen mußten unverrichteter Sache wieder abziehen, der Sarg blieb auf dem Amthause stehen. Da eine Observanz vorlag, indem die verstorbenen Kinder des Dieken von den Nachbarn ausgekleidet und zu Grabe getragen waren, so wandte sich der Rentmeister nach Münster und bat um scharfe Maßregeln gegen die Opponenten. Die Antwort lautete dahin, man solle bei fortgesetzter Weigerung die pflichtigen Nachbarn gefänglich einziehen. In der Nacht vom zum 15. zum 16. Oktober (so lange stand schon die Leiche in der Wohnung des Dieken) erschienen vermummte Gestalten, brachten den Sarg mit der Leiche des Dieken zum Kirchhof und senkten ihn in das für ihn bestimmte Grab. Der Bürgermeister Dumbstorf wurde nach Münster geladen, um sich zu verantworten, weil er im Verdacht stand, die Bewegung veranlaßt oder gefördert zu haben. Auf seine Einrede, er könne als Posthalter schlecht abkommen, stand man von einer neuen Ladung ab, belegte ihn aber mit einer Geldstrafe von 5 Rthrn. Die pflichtigen Nachbarn, welche bestellt gewesen, aber sich weigerhaft verhalten hatten, mußten jeder 1 Rthr. Brüche zahlen. Die paar Träger, welche sich beim Trauerhause eingestellt hatten aber ohne Bahre, kamen jeder mit 1 Schill. Strafe davon. (Jahrbuch für die Geschichte des Herz. Oldenburg XII. B. 1903.)
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