35.

Von Siechtum wird namentlich das Glied befallen, mit welchem jemand gesündigt hat. Eine Lähmung, einen Bruch, einen Knochenfraß im Arme hört man nicht selten auf einen Meineid oder auf Mißhandlung von Vater oder Mutter zurückzuführen. Wenn Kinder mit verkrüppelten oder verstümmelten Gliedern geboren werden, so haben die Eltern die Sünde begangen. Einer, der ohne Vorderarm mit verkrüppelten Fingern gleich am Oberarm geboren war, trug dieses Unglück, weil sein Vater einen falschen Eid geschworen hatte (Rastede). Einem Kinde, das Vater oder Mutter geschlagen hat, wächst nach dem Tode die Hand aus dem Grabe. Das Stück Land, auf welchem ein Verbrechen begangen ist, wird unfruchtbar und wüst. Wenn von einem Obstbaume die ersten Früchte gestohlen werden, so trägt er nie wieder (Delmenhorst, Friesische Wede) oder doch erst in 7 Jahren wieder (Münsterland).

a.

Auf dem Kirchhof zu Esenshamm war bislang ein Grabkeller, dessen eine Wand nicht stehen wollte. In dieser Wand steckte ein verdorrter Menschenarm, verdorrt, weil sein ehemaliger Träger einen Meineid geschworen hatte. »Wir Kinder holten den Arm oftmals heraus und warfen damit herum, haben ihn auch wohl beim Ballspiel als Klitzholt (Schlagholz) benutzt.«

b.

In Wenken Haus zu Buttel, Kirchspiel Neuenhuntorf, befand sich eine ausgetrocknete Menschenhand, die von einem Meineidigen herstammte. Die Hand war von ihrer Stelle nicht fortzubringen; so oft man es versuchte, war sie am andern Morgen wieder da. Zuletzt hat man sie im Unterschlage eingemauert.


Vgl. 175a, 176e.

[45] c.

In der Neuenhuntorfer Kirche verwahrte man in einem Bretterverschlage eine verdorrte Menschenhand. Einer hatte seinen Vater erschlagen, und wie er selbst gestorben war, da wuchs ihm die Hand aus dem Grabe, und wie oft sie auch mit Erde bedeckt wurde, immer wuchs sie wieder heraus, bis man sie endlich dort wegnahm. Aus der Kirche hat sie sich nicht entfernen lassen, so oft man sie fortbrachte, so oft kam sie wieder (Hude).

d.

Jan van Kleverns war ein so mißratener Sohn, daß er seine eigene Mutter schlug. Deshalb ließ ihn Fräulein Marie nach Jever holen und hinrichten. Er liegt in Jever unter einem großen Grabstein an der Nordseite der Kirche begraben. Aus seinem Grabe wuchs nachher die Hand hervor, welche sich an der Mutter vergriffen, und zum Wahrzeichen dessen war bislang auf dem Grabsteine die Hand noch zu sehen.


Vgl. 588c.

e.

In der Nähe von Märschendorf, Kirchspiel Bakum, soll früher ein Bauer um ein Stück Land einen falschen Eid geschworen haben. An der Stelle, wo dies geschehen, wuchs seitdem trotz aller guten Bearbeitung und reichlichen Düngens keine Frucht, nicht einmal ein Grashalm. Es waren zwei Stellen so groß wie ein Stuhl, auf der einen soll der Richter gesessen, auf der andern der Bauer gestanden haben.

f.

In Südlohne an der Chaussee nach Damme stand früher ein Haus, in dem Blutschande getrieben sein soll. Alle Leute, die später dort gewohnt haben, sind vom Unglück verfolgt worden, bis zuletzt niemand mehr die Behausung hat beziehen wollen. Darauf ist das Haus abgebrochen.

g.

Früher wohnten zu Elmendorf und zu Kaihausen, Kirchspiel Zwischenahn, zwei Brüder, reiche und mächtige Edelleute. Dieselben gerieten in Streit, und einer erschlug seinen Bruder auf der Kreuzwiese, die zwischen Elmendorf und Kaihausen am Zwischenahner Meere liegt. Der Mörder floh nach dem Münsterlande, wo noch jetzt Nachkommen von ihm leben sollen. Auf der Kreuzwiese wächst an der Stelle, wo der Brudermord geschehen, seitdem kein Gras mehr.


Vgl. 526a.

h.

Zu Burgforde, Kirchspiel Westerstede, hat ehemals eine Burg Wittenheim gestanden, aber sie ist nur von kurzer Dauer gewesen, und man sieht von ihr nur noch die Reste der Burggräben. Ein Amtmann, der als Eigentümer auf der Burg wohnte, hat einmal zwei Judenknaben wegen eines Verbrechens, [46] an welchem sie ganz unschuldig waren, ergreifen und hinrichten lassen. Seitdem ist das Glück von der Burg gewichen, dieselbe ist nach und nach verfallen und endlich ganz abgetragen.


Vgl. 508c.


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TextGrid Repository (2012). Strackerjan, Ludwig. 35. [Von Siechtum wird namentlich das Glied befallen, mit welchem jemand]. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-23CB-D