Fünfter Auftritt.
Wagner, Mad. Wagner.
MAD.
WAGNER. Nun, wie stehts? hast du Geld?
WAGNER.
Wo soll ich's hernehmen?
MAD.
WAGNER. Das geht mich nichts an.
WAGNER.
Aber, liebste Frau!
MAD.
WAGNER. Aber, liebster Mann! – Ich muß heute durchaus Geld haben – durchaus. Schaff' Rath.
WAGNER.
Gedulde nicht nur zwölf Tage – dann bekomm' ich die letzten tausend Gulden für mein Haus. Für das Haus, in welchem ich geboren ward; dessen Thüre jedem Bedrängten offen stand, und das ich nur aus Mitleid des Käufers noch ein halbes Jahr bewohnen darf.
MAD.
WAGNER. Dank sei es deiner Nachlässigkeit, deiner Faulheit, daß das Haus hin ist; daß es uns an den ersten Nothwendigkeiten des Lebens mangelt!
WAGNER.
Louise! versündige dich nicht. – Wer zwang mich gleich nach unsrer Heirath, die Handlung aufzugeben?
MAD.
WAGNER. Ich; aber du hättest aufrichtiger sein – dich vor der Heirath nicht für reicher ausgeben sollen als du warst.
WAGNER.
Ich liebte dich! –
MAD.
WAGNER. Und für diese Liebe muß ich nun darben.
WAGNER.
Wer zwang mich, das Landgut zu kaufen?
MAD.
WAGNER. Ich; aber du hättest klüger sein sollen.
WAGNER.
Wer zwang mich, da ich den Rest meines Vermögens wieder zur Handlung anwenden wollte, Tausende im Lotto zu wagen?
MAD.
WAGNER. Ich; aber du hättest klüger sein sollen.
WAGNER.
Wer zwang mich – doch, du hast ja nur eine einzige Antwort für das alles!
MAD.
WAGNER. Es wäre freilich vernünftiger, anstatt deine Thorheiten entschuldigen zu wollen, daß du dich zu dem Käufer des Hauses bemühtest, um die rückständigen tausend Gulden zu erhalten.
WAGNER.
Du hast ja seine Antwort gelesen.
MAD.
WAGNER. Ei was! – Ein halbes gesprochenes Wort ist besser, als hundert geschriebene. – Aber die Bequemlichkeit! die Bequemlichkeit!
WAGNER.
Liebe Louise! der Mann hat zu eigennützig gehandelt, als daß er ohne merklichen Abzug vor der Zeit bezahlen sollte.
MAD.
WAGNER. Nun, was thut's wenn man auch etwas fallen läßt! – Weißt du was? schreib ihm, daß du es mir überließest, mit ihm einig zu werden.
[63]WAGNER.
Aber –
MAD.
WAGNER. Aber und tausendmal aber – Ich muß durchaus noch heute Geld haben, sonst steht mir der entsetzlichste Schimpf bevor.
WAGNER.
Wenn du nicht zu viel bedarfst, könnt' ich Sivers ansprechen –
MAD.
WAGNER. Den gemeinen, hochbrüstigen, sauertöpfischen Kerl? durchaus nicht. Ueberdieß muß ich fünfhundert Gulden haben, und wie kämen Sivers und fünfhundert Gulden zusammen?
WAGNER.
Fünfhundert Gulden?
MAD.
WAGNER. Den Grobian ansprechen! – Vor acht Tagen that ich, als wenn ich mich nicht nach meinem Zimmer bemühen wollte, und sprach ihn in einem nachläßigen hingeworfenen Tone und vierzig Ducaten an – der Flegel! – Ich habe kein Geld zum Verleihen, war seine Antwort.
WAGNER.
Er ist ein ordentlicher Mann, und hat leider nicht viel übrig.
MAD.
WAGNER. Darum ist er auch dein Freund. Gleich und gleich gesellt sich gern. – Aber, ich hab' ihm die Wahrheit gesagt er hat sich auch seit der Zeit nicht wieder sehen lassen.
WAGNER.
Mein Kind! wenn du jedem die Thüre weisen willst, der dir Geld verweigert, so –
MAD.
WAGNER. Laß doch dein Moralisiren; es kleidet sich so schlecht – und schreib das Billet.
WAGNER.
Soll denn das Wenige noch –
MAD.
WAGNER. Ich weiß nicht, was du seit einigen Tagen für einen Widersprechungsgeist hast! Ist es nicht genug, daß ich dir die Mühe erspare, selbst hizugehn?
WAGNER.
Ich fürchte nur, er wird dir zu viel abziehn?
MAD.
WAGNER. Ja, wenn ich so leicht zu übertölpeln wäre, wie du.
WAGNER.
Und unsere Umstände –
MAD.
WAGNER. Unsre Umstände sind so übel noch nicht. Vielleicht ist der Vetter von Lissabon schon gar unterweges.
WAGNER.
Und wenn er kommt, sind wir seiner Hülfe gewiß?
MAD.
WAGNER. Steht nicht ausdrücklich in dem letzten Briefe, daß er uns arm wünschte, um sein großes Vermögen mit uns zu theilen? Sind wir nicht seine nächsten Verwandten? Und was soll er mit seinem Gelde anfangen?
WAGNER.
Er kann sich verheirathen; oder Arme unterstützen, die es ohne ich Verschulden sind.
MAD.
WAGNER. Das bin ich mit meinen Kindern. – Aber was soll das unnöthige Plaudern? Setz dich, und schreib.
WAGNER
setzt sich zum Schreibtische.
O Gott!
MAD.
WAGNER. Schreib, schreib! – Wenn es auch etwas kostet; der Vetter von Lissabon macht alles gut.
WAGNER.
Ich bin am Ende meiner Hofnungen.
MAD.
WAGNER. Ich wollte, du wärst am Ende deines Moralisirens, und schriebst.
WAGNER.
Wenn ich durchaus muß – Er schreibt.
MAD.
WAGNER. Endlich. Für sich. Was man für Plage mit den [64] Männern hat, die wie Kinder müssen geängelt werden! Laut. So recht! einmal dazu geseufzt! – Ja, es ist keine kleine Arbeit, zwei Zeilen zu schreiben.
WAGNER.
Wenn man voraus sieht, daß man sie theuer bezahlen muß. Gibt ihr das Papier. Da! handle nach deinem Gewissen, und denk' an mich und unsre Kinder.
MAD.
WAGNER. Du weißt, daß ich schon lange keiner Lehren bedarf; drum spare die Mühe. Nun sage mir, wie steht es mit dem Kanzleirathe? Ihr habt ja gestern eine lange Unterredung gehabt – hat er sich erklärt?
WAGNER.
Nicht bestimmt. Aber ich vermuthe, seine Absichten gehn auf Sophien.
MAD.
WAGNER. Da käm' er mir recht! – Nimmermehr! ich lasse meine Charlotte nicht zurücksetzen. – Ueberdies hab' ich dein Versprechen – da ich dir den Betrug verzieh, durch den ich deine Frau ward – daß meine Tochter vor der Deinigen sollte versorgt werden.
WAGNER.
Sie sind beide meine Töchter; und du schwurst, Sophiens Mutter zu sein.
MAD.
WAGNER. Kurz, er soll Charlotten heirathen.
WAGNER.
Du bist ja nicht Herr über die Neigungen eines freien Mannes. Wenn er Charlotten nicht liebt –
MAD.
WAGNER. So ist er ein Narr; und dann wird er auch deine Tochter nicht glücklich machen.
WAGNER.
Wahrscheinlich wird ihn unsere Armuth von beiden abschrecken.
MAD.
WAGNER. Was? du hast ihm unsere Umstände entdeckt?
WAGNER.
Nein; aber er schien sie erforschen zu wollen. Er muß auch von dem Verkaufe des Hauses gehört haben –
MAD.
WAGNER. Das hat er, und von mir. Ich sagte ihm, daß wir es darum veräußerten, weil es nicht Bequemlichkeit genug hat, den Vetter von Lissabon zu beherbergen. Ich hab' ihm sogar aufgetragen, sich nach einem größern, schönern zu erkundigen.