126. Das wilde Heer zu Eichstädt.

Von J. Heß.


Ich weiß ein schmuckes Städtlein dir
In einem lieben Thal,
Ein stilles Wasser fließt dafür,
Sein Bett ist tief und schmal.
Schon mürb und grau von Wind und Sturm
Steht an des Wassers Rand
Ein Thor, ein alter dicker Thurm,
Das Ostenthor genannt.
Und kommst du einmal da hinein,
So schau zur rechten Hand,
Da siehst ein Loch, nicht eben klein,
Hoch oben an der Wand.
Einst fuhr in mancher schwarzen Nacht –
So sagt die Wundermähr', –
Wenn Blitz auf Blitz im Wetter kracht,
Durch's Thal das wilde Heer.
Es kam herab vom Eichenhorst
Und zog den Fluß entlang,
Es schallt, als ob der Himmel borst,
Gebell und Hörnerklang.
Bald fliegt's hinauf im Wirbelwind,
Und wimmert weit umher,
Bald streicht es über'n Weg geschwind,
Und heult so bang und schwer.
Am Klösterlein, am Berg vorbei,
Da mag es wohl nicht gern,
Da singt man schon beim Hahnenschrei
Den Lobgesang des Herrn.
Und hebt das Mettenglöcklein an
Im stillen Gotteshaus,
Dann flieht das Heer, nimmt seine Bahn
Zum Ostenthor hinaus.
Da tobt es durch mit Hundgebell,
Daß Thurm und Bogen kracht,
Und drob des Thores Wächter schnell
Vom süßen Schlaf erwacht.
Im Thurme hält es keiner aus,
Wer möcht' auch wachen hier,
Und auch der Schelm, der Meister Klaus
Büßt theuer die Begier.
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Er zieht im alten Stübchen ein,
Wo mancher schon gehaust,
Zu warten, bis am Fensterlein
Das Heer vorüber braust.
Ihm pocht das Herze laut und schwer,
Ihm möcht' die Lust vergeh'n,
Doch will er baß das wilde Herr
Mit eignen Augen seh'n.
Schon wird's am Morgenhimmel grau,
Schon tönt der Hahnenschrei,
Da saust es rüber von der Au,
Bei St. Walburg vorbei.
Da ruft des Glöckleins Silberklang
So freundlich in der Fern';
Ruft fromme Frauen zum Gesang,
Zum Lob und Preis des Herrn.
Wie vor dem Kreuz der Feind entflieht,
Mit Ingrimm schnell entweicht,
So, wenn ertönt der Frauen Lied,
Das wilde Heer entfleucht.
Es tobt in Wuth der Geister Chor,
Und naht in wilder Flucht,
Und stürmt heran zum Ostenthor,
Wo es den Ausgang sucht.
Und Meister Klaus das Köpflein hebt,
Gar flink vor's Fensterlein,
Da saust, daß Thurm und Bogen bebt
Die schwarze Schaar herein.
Und Meister Klaus er hat's geseh'n
Und schaut es nimmermehr,
Will nimmermehr an's Fenster geh'n,
Wann kommt das wilde Heer.
Ihm wuchs das Köpflein, sonst so fein,
Zum größten Schädel an,
Darob er aus dem Fensterlein
Nicht vor noch rückwärts kann.
Da half kein Poltern, kein Geschrei,
Er sitzet nagelfest,
Bis man mit Kreuz und Klerisei
Den Pfarrer holen läßt.
Da brach der Kreuzstock endlich los,
Und Klaus zieht sich hinein,
Doch muß sein Kopf noch lang so groß
Wie der in Passau sein.
Vom Thurme zog er schleunig aus
Zu aller Welt Gespött,
Verschworen hat es Meister Klaus,
Daß er's wohl nimmer thät.

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TextGrid Repository (2012). Schöppner, Alexander. Sagen. Sagenbuch der Bayerischen Lande. Erster Band. 126. Das wilde Heer zu Eichstädt. 126. Das wilde Heer zu Eichstädt. TextGrid Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-FC1E-2