269. Die Saalnixe.
Mündlich.
Am grünen Ufer der Saale saß eine liebreizende Nixe, beschäftigt, mit ihrer Angel Fischlein zu fangen. Diese sah von weitem ein Jäger und ward entzückt von der Schönheit des Angesichts und dem Liebreize der Gestalt. Schnell eilte er hinunter in's Thal und gesellte sich zur anmuthigen Fischerin. Er bewunderte ihr Geschick, die Fischlein zu angeln und schmeichelte ihr mit schönen Worten. Das Mägdlein aber lächelte schalkhaft und meinte, daß sie wohl noch bessere Angeln als diese verwahre: wer damit gefangen werde, der könne sich nimmer entledigen. Das verstand der Jäger gar wohl, denn er merkte bereits, daß er selbst mit seinem Herzen an dieser Zauberangel gefangen worden. Indessen schätzte er sich glücklich, die Liebe der holdseligen Wasserjungfrau gefunden zu haben und wollte ihr eben den ersten Kuß auf die Lippen drücken – als in [262] demselben Augenblick die Nixe in den Fluthen der Saale verschwand. Da stand nun der arme Liebesjäger und sah der Treulosen nach, und erzählte den Erlen und Saalweiden sein Herzeleid. Und noch heute wandelt der Jäger einsam das Thal auf und ab und klagt in vernehmbaren Tönen sein Schicksal.