290. Die Herren von Rüdt.

Hänle u. Spruner Handbuch für Mainreisende S. 148. L. Braunfels Mainufer S. 305.


Nach dem Erlöschen des Geschlechtes der Cuglenberg kam ihre Burg an die Herren von Rüdt, welche sich seitdem Rüdt von Kollenberg nannten. Von diesem Geschlechte geht eine Familiensage, die häufig wiederkehrt. Einer der Ahnen dieses Hauses war kinderlos. Darüber war er voll Grimm und Unmuth, so daß er rauh und mißgünstig wurde, und die Armen mißhandelte. Einst kam ein Bettelweib mit sechs Kindern vor seine [279] Thüre und flehte um eine Gabe; er aber hetzte sie mit Rüden von der Burg. Da fluchte ihm das Weib: Weil du so geizig bist, so möge dir dein Weib ein ganzes Dutzend Kinder auf einmal gebären, auf daß sie all das Deine verzehren und vernichten! Und siehe, die Rittersfrau gebar ihrem Gemahl wirklich zwölf Söhnlein auf einmal. Da nahm der geizige Herr eilf von den Kindern und befahl seinem Jägersknechte, er solle ihm diese eilf Rüden in's Wasser werfen. Allein sie wurden wunderbar erhalten, kehrten als Männer in's väterliche Haus zurück und lösten durch fromme Thaten den Fluch der Bettlerin. Sie nannten sich aber Rüden zum Angedenken des Tages, wo man sie in's Wasser warf. Andere erzählen, die Rittersfrau selbst habe jene Bettlerin abgewiesen, und nach ihrer Niederkunft die eilf Knäblein in den Main zu werfen befohlen; der Ritter habe jedoch die That vor der Ausführung entdeckt und die Kinder bis zum einundzwanzigsten Jahr in der Fremde erziehen lassen. Alsdann habe er sie auf's Schloß geführt und die Mutter gefragt: Welche Strafe eine Mutter verdiene, welche ihr Kind ermorde? Da sagte die Frau: Man soll ein Faß mit langen Nägeln rundum beschlagen, sie hineinwerfen, und den Berg hinunterrollen. Da holte der Ritter seine Söhne herbei, gab sie der Frau zu erkennen, und gebot, die angegebene Strafe an ihr selbst zu vollziehen. Allein die Fürbitte der Söhne rettete die Mutter, die sich schon lange Jahre in Reue verzehrt hatte.

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TextGrid Repository (2012). Schöppner, Alexander. Sagen. Sagenbuch der Bayerischen Lande. Erster Band. 290. Die Herren von Rüdt. 290. Die Herren von Rüdt. TextGrid Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-F818-0