II. Sudzauber.

Gar häufig wendet man den Sud- oder Siedzauber, Nordisch: seidr. an, um die Liebe oder Treue des geliebten Gegenstandes zu gewinnen.

Es wird dazu unter gewissen Sprüchen ein Stückgebrauchter Kleider oder Haar in einem neuen Geschirre gesotten, so kommt über die spröde Person plötzlich die Liebe mit solcher Gewalt, daß sie dahin laufen muß, wo die Liebe gesotten wird, und zwar um so schneller, je stärker das Wasser im Topfe wallt; und kann sie es nicht erlaufen, muß sie sich zu Tode rennen; kein Hinderniß auf dem Wege ist so stark, das nicht überwunden werden wollte.

1.

Erzähler dieses aus Tiefenbach arbeitete einst im Felde. Mit einem Male kam es ihm an, daß er nicht[131] mehr bleiben konnte, Alles liegen und stehen ließ, und vom Felde weg zu seiner Geliebten lief.

Diese gestand ihm dann, daß sie ihn hatte kommen lassen, indem sie ein Stückchen seiner Kleidung sott.

2.

Ein Soldat aus einer Abtheilung, die durchs Dorf zog, that es in dieser Weise einem Mädchen an, so daß es ihm unverweilt nachlaufen mußte.

Auf dem Wege ritt ein Reiter gegen sie und frug, warum sie solche Eile habe? »Ich weiß selbst nicht warum, ich muß halt laufen,« entgegnete sie. Da merkte der Reiter, was hier im Spiele sey, und rief ihr zu, das Schurzband zu lösen. Das Dirnlein aber in seiner Hast zu laufen verstand ihn nicht, sondern eilte athemlos vorüber. Da holte er sie ein und löste selbst das Band, und siehe – das Schürzchen ward augenblicklich in der Luft hinweggeführt. Das Mädchen kam zur Ruhe und kehrte wieder nach Hause. Waldmünchen.

3.

In Eschelkam stand ein Küfnergeselle mit einem Mädchen in trautem Verhältniß; er mußte auf die Wanderschaft, bat daher das Mädchen um ein Andenken, und wäre es auch nur ein Haar von ihrem Haupte. Sie hatte aber gehört, man solle kein Haar hergeben, wollte indessen doch die Bitte nicht abschlagen und ging hinaus, um aus dem Milchsiebchen ein Haar zu nehmen, wofür sie ein golden Ringlein erhielt.

Es waren etwa drey Tage verstrichen, als sie eine unendliche Sehnsucht nach dem Geliebten ergriff: es war ihr, als sollte sie zum Fenster hinaus. – Auf einmal sah sie das Milchsiebchen zur Thüre hereinkommen und [132] zum Fenster hinausfliegen. Nun kam sie zur Ruhe. Der Geliebte aber wartete in einem entfernten Dorfe des Mädchens; statt dessen flog ihm das Siebchen zu. – Später gestand er, wie er zu einer Hexe gegangen sey und das Haar habe besprechen lassen, daß wer es getragen, ihm nachlaufen müsse. Neubäu.


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TextGrid Repository (2012). Schönwerth, Franz. 2. Sudzauber. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-EB15-E