Der erste Auftritt.
Juliane, Cathrine.
JULIANE.
Hier, Cathrine, nehmet meinen Fächer weg, und laßt meinem Kutscher sagen, daß er nicht anspannen soll.
CATHRINE.
Wie? gnädige Frau, so gehen sie nicht auf den Ball.
JULIANE.
Nein! ich bin nicht wohl, Cathrine.
CATHRINE.
Nicht wohl! das könnte seyn. Aber wenigstens sind sie doch nicht krank.
JULIANE.
Ich bin so verdrüßlich, Cathrine. Was nehme ich vor, das mich nur ein wenig aufmuntern könnte.
CATHRINE.
Was verlangen sie denn?
JULIANE.
Ich weiß es nicht. Fragt mich nicht.
CATHRINE.
Wollen sie eine kleine Arbeit vornehmen?
JULIANE.
Nun ja! gebt mir nur was.
CATHRINE.
Ich weiß noch nicht, was für kleine Arbeiten sie lieben. Es ist ein so wildes wüstes Leben, wenn man erst verheyrathet ist. Man thut nichts, als sich liebkosen, und es ist, als ob man sich einmal für allemal auf seine ganze Lebenszeit liebkosen wollte.
JULIANE.
Gebt mir, was ihr wollet. Es ist alles gleich viel.
CATHRINE.
Oder wollen sie was lesen.
JULIANE.
Gebt mir nur was aufgeräumtes.
CATHRINE.
Ich fürchte, daß wir kein Buch haben werden. Ich muß eines bey ihrem Herrn holen.
JULIANE.
Nein! geht nicht weg von mir.
CATHRINE.
Ja! so werden sie aus Noth die Verse lesen müssen, die man auf ihre Hochzeit gemacht hat, so viel ihrer noch nicht zu Papilloten verbraucht sind.
[322]JULIANE.
Nein! darinnen sind so viel Prophezeyhungen, so viel thörichte Prophezeyhungen von Glückseligkeiten, die man vergebens hoffet.
CATHRINE.
Wollen sie Thee trinken.
JULIANE.
Ich weiß nicht, was ich will. Ja! gebt nur her.
CATHRINE.
Das wüste ich wol. Der Thee hat bey dem Frauenzimmer eine gewisse Kraft die Grillen zu vertreiben, wie bey den Mannsleuten der Wein. Sie sollen gleich Zeitvertreib haben.
JULIANE.
Nein! bleibt hier, Cathrine. Ich bin so melancholisch, wenn ich allein bin.
CATHRINE.
Darf ich mich wol unterstehen, gnädige Frau, zu fragen, was ihnen fehlt.
JULIANE.
Ihr könnt mir doch nicht helfen.
CATHRINE.
Es wird ihnen schon ein wenig helfen; wenn sie es nur heraus sagen.
JULIANE.
Es ist betrübt, wenn man so gar ohne Umgang ist, daß man seine eignen Bedienten zu Vertrauten machen muß. Aber ich werde meine Noth doch nicht verbergen können. Derjenige, der sie mir verursachet, schonet mich so wenig, daß bald alle Welt Zeuge davon seyn wird.
CATHRINE.
Und derjenige, der ihnen die Noth verursachet? ist – – –
JULIANE.
Ach! warum soll ich ihn nennen. Ihr werdet es längst gemerkt haben.
CATHRINE.
Es ist wahr! meine Frage war unnöthig. Wenn jemand klagt, daß er Noth hat; so versteht sichs meistentheils von sich selber, daß es von seinem lieben Ehegenossen herrühret.
JULIANE.
Diesen Augenblick, Cathrine, hat er mir eine ganz neue Einrichtung angekündigt. Ich werde nicht anders als von aller Welt abgesondert, und gänzlich unter seinem Beschlusse leben müssen.
CATHRINE.
Wie? eine neue Einrichtung. Was will er damit. Wir sind schon eingerichtet genug.
JULIANE.
Ich zittere, wenn ich denke, wie unser künftiger Umgang beschaffen seyn wird, da seine Liebe so bald aufhören können. Er hat mir hundertmal wiederholet, daß ihm weder mein Wesen noch meine Art zu denken, noch meine Aufführung, noch das geringste an mir gefiele.
CATHRINE.
Das ist ein verzweifeltes Compliment. Er muß einen sehr verdorbenen Geschmack haben.
JULIANE.
Daß ich mich ganz umkehren müste, wenn er mich nicht hassen sollte.
CATHRINE.
Hassen! das ist stark! Aber das werden sie nicht hindern können, wenn sie sich auch änderten.
[323]JULIANE.
Warum?
CATHRINE.
Gewisse Leute hassen alles, was nach dem Ehestande schmeckt.
JULIANE.
Gleichwol, Cathrine, will ich mich nach ihm richten. Wäre es auch nur ihn zu überzeugen, daß er Unrecht hat.
CATHRINE.
Wie wollen sie das einen Menschen überzeugen, der sich einbildet, daß eine Frau niemals Recht haben kann, weil sie eine Frau ist.
JULIANE.
Sagt mir doch, Cathrine, ihr habt mehr Frauen gedient. Ist denn mein Bezeigen so unrecht Findet ihr was an mir, das wider meine Pflichten ist, weil er mir doch immer von Pflichten vorredet.
CATHRINE.
Das sollte man mit der ganzen Welt Brillen nicht finden können. Sie sind aufgeräumt, das sollte ihn vergnügen.
JULIANE.
Das nennet er leichtsinnig, und das wird bald von sich selbst aufhören.
CATHRINE.
Wenn er sie nicht mehr leichtsinnig nennen kann, so wird er sie eigensinnig nennen.
JULIANE.
Sollte ich ihm aber nicht entdecken, daß Nicander und Philinte mir von Liebe vorreden.
CATHRINE.
Um des Himmels willen, sagen sie ihm nichts, sonst haben sie eine Quaal mehr. Alles, was man solchen Leuten saget, das' wird zur Marter für uns selber.
JULIANE.
So werde ich doch den Leuten keinen Zutritt mehr bey mir verstatten müssen.
CATHRINE.
Ach! der arme Philinte. Er ist doch der einzige Mensch, der uns manchmal aufgeweckt macht.
JULIANE.
Ich schäme mich noch dazu, daß ich ihn vermeiden soll. Denn ich bin ihm Verbindlichkeit schuldig.
CATHRINE.
Wenn es nichts mehr ist, das ist sonst allemal die gültigste Ursache, einen Menschen zu vermeiden.
JULIANE.
Ihr müßt sehen, daß ihr eine bequeme Stunde trefft, meinen Mann um etwas von den Geldern zu bitten, die er mir versprochen hat
CATHRINE.
Das ist eine schwere Sache. Die Leute haben immer ihre Zeit so eingetheilt, daß sie keine bequeme Stunde zum Geldgeben übrig haben.
JULIANE.
Ihr müßt sie suchen. Philinte hat mir bey einer Gelegenheit, die meinem Manne selber Ehre machte, meinen Geldmangel vor einer Person verbergen helfen, die nichts für eine größte Schande hält, als kein Geld zu haben. In was für verdrießliche und kitzliche Umstände ist man nicht gesetzt, wenn man gezwungen ist, mit seinem eignen Manne behutsamer und fremder zu verfahren, [324] als mit Leuten, die uns gar nichts angehen. Ich kann eher nicht von meinem bisherigen Umgange mit Ehren Abschied nehmen, bis ich ihm wenigstens keine Verbindlichkeit mehr habe. Hätte ich wohl geglaubt, daß ich so jung allen Lustbarkeiten, allem Scherz, allen Bekanntschaften gute Nacht geben sollte. Meine Jugend, meine Freude, alles muß ich aufopfern, um nur noch einige Ruhe in meinem Hause zu erhalten. Und ich will mich noch glücklich schätzen, wenn ich damit nur einen Theil seines Herzens wieder erkaufen kann.
Sie weint.