Adler und Lerche
Könnt' ich steigen,
Dem Adler gleich,
Der kommenden Sonn' entgegen,
Die Brust getaucht
In Morgenrot,
Badend in Glanz des Äthers,
Weil in Tiefen
Die Nacht noch träumt,
Dem erwachenden
Auge der Welt
Den ersten Blick entsaugen!
Oder fliegen,
Der Lerche gleich,
Nach, der scheidenden Sonne nach,
Über der stillen Schöpfung,
Angeglühet
Vom letzten Strahl,
Die Seel' im Liede verhauchend,
Verschwebend,
Verschwirrend
In Ätherduft,
Nie mehr wieder
Zur Erd' hernieder!
[31]
Aber ach!
Der Adler, der
Der Sonn' ins Angesicht geschaut,
Senkt den Fittich
Aus Himmelsglanz,
Um in dunkeler Tiefe
Nach der Beute des Tags zu spähn,
Und die Lerche
Aus den Wirbeln
Ihres Himmelsgesanges
Sinkt ermattet
Zum Boden wieder,
Wo sie das Nest für die Nacht gebaut.
Kann kein erdegeborner,
Flügelbegabter
Heldensinn,
Sängergeist
Den Banden der niedren Mutter
Ganz entfliehn,
Dem edlen Vater
Lichte zu?
Liebe setzte die Schwingen
Der Begeisterung
An mein Herz,
Und es flog
Der Sonne zu,
Bis die Fittiche
Schmolzen,
Seinen Höhen
Entstürzend
Es ins Meer der Beschämung sank.
Und es klagte.
Doch die Liebe
Sprach, die Schwing' ihm erneuend:
»Andre geb' ich
[32]Dir, die schwache,
Aber himmlische
Freundin, nicht.
Stärkre, die nicht
Wieder schmelzend
Noch Erneuung bedürfend,
Sicheren Flugs dich
Allen Sonnen
Vorüber tragen
Der höchsten zu,
Gibt mein stärkerer
Zwillingsbruder
Tod dir einst.«