Karl Wilhelm Ramler
Ausgewählte Gedichte

[27] An den Vulkan

Bei Einweihung eines Kamins in einem Gartenhause.


Dir, o Sohn der Juno! sey dieser Marmorheerd heilig,
Herrscher der Feueressen in Lemnos,
Der du mit flammender Lohe den aufgebläheten Xanthus
Halb verraucht in sein Lager zurück zwangst,
Daß du den Boreas hier und sein kaltes Gefolge verjagest.
Dankbar weih' ich dir täglich ein Opfer,
Ein unsträfliches Blatt, von der schönen Elvire geschrieben,
Der Vermählten des mürrischen Balbus.
Daß kein böser Verdacht die muntere Freundin entehre,
Lodre dir, eifersüchtigem Gatten
Der süß lächelnden Cypria, sonder Reue dies Opfer,
Wann ich am Morgen vor deinem Altare
Die geröstete Frucht des Arabischen Kaffeebaums trinke,
Und ein blaues Ambrosienwölkchen
[27]
Mir die Stirn umwirbelt, gleich einem der seligen Götter;
Oder am Abend den Fürsten der Deutschen
Weine versuche, den einst er reiche Patricier Ulfo
Feierlich schwur so lange zu schonen,
Bis ihm ein lachender Sohn entgegen lallte; der aber,
Dreißig Jahre sein Weibchen bewachend,
Ohne Sohn verstarb und ohne den sorgsam bewahrten
Festwein, dessen Erlösung anhebt.

[28] [32]An die Könige

Soll wieder eine ganze Welt vergehen?
Bricht wieder eine Sündfluth ein?
Und sollen wieder alle Tempel und Trophäen
Berühmte Trümmer seyn?
Und alle Künste spät aus Asch' und Moder
Und Todtengrüften aufersteh'n,
Und aus der Nacht des regellosen Zufalls oder
Auf ewig untergeh'n?
Wenn nun die weise Vorwelt ausgestorben,
Das unerzogne Kindeskind
Ein Räuber ist; die nicht zu Räubern angeworben,
Armsel'ge Pflüger sind? – –
O ihr, verderblicher, als der entbrannte
Vesuv, als unterirdische
Gewitter! ihr des magern Hungers Bundsverwandte,
Der Pest Verschworene!
Die ihr den schnellen Tod in alle Meere
Auf Donnergaleonen bringt,
Und von Lisboa bis zum kalten Oby Heere
Zum Wechselmorde dingt!
[32]
Und ach! mit Deutschlands Bürgern Deutschlands Bürger
Zerfleischet, einen bessern Held,
Der Brennen weisen König zu betrüben, Würger
Der Welt und Afterwelt!
Wenn eurer Mordsucht einst ein Friede wehret,
Der jedem das geraubte Land
Und seine bangen Feste wieder gibt, – verheeret,
Entvölkert, abgebrannt:
Ihr Könige, wie wird es euch nicht reuen,
(Wo nicht die fromme Reue fleucht,
Durch Wollust, falsche Weisheit, lauter Schmeicheleien
Des Höflings weggescheucht)
Daß euer Stahl unmenschlich Millionen
Urenkelsöhne niederstieß:
Daß keiner, satt des Unglücks, seine Legionen
Das Blutfeld räumen hieß,
Und lieber, schuldlos, tapfer, durch die Wogen
Des stillen Oceans den Pfad
Gesuchet, eine Welt entdeckt, ein Volk erzogen,
Wie Manko Kapak that,
[33]
Der neue Schöpfer seiner Vatererde:
Er theilte Feld und Binsenhaus
Und Weib und Kleid und Zucht und Götter einer Heerde
Zerstreuter Wilden aus;
Und hieß dem frommen Volk ein Sohn der Sonne,
Gleich milde, wachsam so wie sie,
Und so wie sie des neugebornen Landes Wonne,
Und ewig jung wie sie.

[34] [46]An den römischen Kaiser Joseph den Zweiten

1769.


Von deinen Siegen, Cäsar Germanicus,
Singt mein gerechtes Loblied den ersten Sieg:
Wie du, zu groß dem Eifergeiste,
Preußens erhabenen König aufsuchst,
In Landen aufsuchst, welche sein Schwert, sein Glück,
Sein Recht vom Erbe deiner Erzeugerin
Getrennt, in ihm den weisen Vater
Ehrend, den biedersten Freund eroberst
Und seiner Feldherrntugenden höchste dir
Erstrebst, dein weites Reich zu befestigen,
Ihn selber nimmer zu bekämpfen:
Josephs des Volkererhalters Eidschwur.
O, deiner Thaten erste strahlt herrlicher
In eines Gottes Augen, als Ilions
Und Babylons Eroberungen,
Oder die Schlachten der Zingiskane,
[46]
Geh' nun in deiner rühmlichen Laufbahn fort,
Und leuchte künftig (unter der glänzenden,
Gekrönten Reihe deiner Ahnherrn,
Groß in den Künsten der Triumphirer,
In allen Friedenskünsten der größere,)
Gleich dieses Erdballs Sonne bei tausenden
Des grenzenlosen blauen Aethers
Sichtbar allein und allein erwärmend.

An die Venus Urania

Berlin, den 2. November 1770.


Göttin Liebe, dir weiht heute dein Agathon,
Unsers Cineas Sohn, seinen vollendeten
Tempel: Zeuch in dein Haus, Venus Urania,
Erstgeborne des Himmels, ein!
Freude hüpfe voran, Unschuld begleite dich,
Unauflöslich vereint folge dir, Arm in Arm
Holde Sanftmuth, und nie täuschende Wahrheit und
Unbestechliche Treue nach.
[47]
Keine reinere Hand brachte dir Weihrauch dar
Als dein Diener und Freund, mit ihm Arsinoe,
Ihm an Tugenden, ihm gleich an erhabenem Geist,
Ihm an beiderlei Grazien.
Keinen heiligern Sitz beut dir ein sterblich Paar:
Ihn wird schaudervoll, ihn ewig die schmeichelnde
Aftergöttin, nach dir fälschlich genannt, und ihr
Unholdinnengefolge flieh'n:
Frechheit, Blutlos von Stirn, Reue mit schlafender
Natter, Falschheit verlarbt, Eifersucht immer wach,
Und mit rasendem Dolch und mit Medeischen
Becher Rach' und Verzweiflung;
Wann der schädliche Trupp aus den Hesperischen
Myrten, oder von dir, eitles Lutetien,
Auszeucht, oder den Weg aus dem Aucanzien-
Hain der heißen Iberer nimmt,
Durch Teutonien irrt, dort ein beglücktes Volk
Zu verderben, das noch sittsame Töchter zeugt,
Noch vom besseren Blut Siegmars entsprossene
Biederherzige. Söhne nährt,
[48]
Aber täglich begrüßt dich die Gerechtigkeit,
Die nun unter uns bleibt, dich die tief forschende
Weisheit, leichtes Gesprächs, dich die verschwiegene
Freundschaft, deinen Huldinnen gleich.
Immer wechselnd besucht jede der Musen dich:
Und zur glücklichen Zeit eilet die helfende
Muttergöttin herbei, welche die Lieblinge
Deines Busens verewiget.
Nimm dein Heiligthum ein, Tochter des Himmels! hier
Sey dein erster Altar! wohne bei diesem Stamm,
Bis im Jahrbuch der Welt Friedrich, der Brennen Stolz,
Und am Himmel die Sonne stirbt.

[49] Schlachtgesang

1778.


Auf, tapfre Brüder, auf in's Feld!
Gerecht ist unser Krieg;
Uns führet Deutschlands größter Held:
Uns folget Ehr' und Sieg.
Ihr Feinde zittert! unser Heer
Hat Kriegeskunst und Muth,
Ist schneller mit dem Mordgewehr,
Und hegt der Väter Blut.
Wir streiten noch den alten Streit:
Ein Mann verjaget vier.
Wir fragen nicht, wie stark ihr seyd;
Wo steh'n sie, fragen wir.
Auf, Brüder, schlagt den stolzen Feind,
So kehrt ihr früh zurück:
Wer starb, wird dann mit Recht beweint,
Wer lebt, hat Ruhm, und Glück.
Der Knabe wünscht sich seinen Stand,
Das Mädchen blickt ihn an:
»Der schützt als Krieger unser Land,
Der schütz' auch mich als Mann!«
[50]
Hört ihr der Stücke Donnerschlag,
So grüßt ihn mit Gesang;
Euch lohnet diesen einen Tag
Der Friede lebenslang.
Die Kugel treffe, wer sich bückt
Und scheu zurücke fährt!
Und wer zur Flucht den Fuß nur rückt,
Deß Nacken treff' ein Schwert!
Nein! eh' ich fliehe, stürz' ich hin
Mit Waffen in der Hand.
Seyd Rächer, wenn ich treulos bin,
Gott, König, Vaterland!

[51] Rede am Geburtsfeste des Kronprinzen Friedrich Wilhelm, regierenden Königs von Preußen

(Gehalten von einer Schauspielerin auf dem Königlichen Nationaltheater, den 3. Aug. 1787.)

Sey gegrüßt an dem Tage, der dich der Preußischen Welt gab,
Erster Königssohn! auf welchen die zärtlichen Augen
Eines Volkes gerichtet sind, das mit dem redlichsten Eifer
Seinen Beherrschern dient, und gleich den alten Teutonen
Nicht im Staube kriecht, wie die trägen Sklaven, die unter
Heißerer Sonne glühen. – Heil dir, o Prinz! der du jetzt noch
In der glücklichen Zeit lebst, wo du von eigenen Sorgen
[52]
Frei, die Sorgen der Könige kennen lernst, die Gefahren
Kennen lernst, die fern und nah die Thronen umgeben;
Wo du, geführt von der Klugheit und Redlichkeit, und von der eignen
Wissensbegierde getrieben, von allen Schriften der Weisen,
Gleich der Biene, die feinsten Blumen geniessest, und alle
Höhere Künste lernst, die den künftigen Staatsmann und Feldherrn
Bilden, aber auch nicht der vaterländischen Muse
Unterricht verschmähst, die die feinsten Lehren oft lachend
Den mitlachenden gibt, auch voll richtenden Ernstes
Durch die Thaten der Vorwelt lehrt, heroische Tugend
Zur Nacheifrung aufstellt. – Deinem Herzen noch theurer
Hast du das neue nicht fabelhafte Vorbild, den großen
Friedrich, wie vormals Octavian den erhabenen Cäsar,
Den er Degen und Feder gleich glücklich führen sah, dem er
Selbst so nahe verwandt war, wie du dem vergötterten Friedrich,
Dessen Degen und Feder den nordischen Himmel jetzt ausschmückt. –
Und noch hast du das lebende Muster desPreussischen Titus,
[53]
Deines allgeliebten Vaters. Wer unter den Fürsten
Diesen Namen trägt, ist der Gottheit wahrestes Abbild.
Einst und lange sey du es der Nachwelt! die Tugenden alle
Leiten deine Schritte, du Liebling des Volks! und von allen
Die Verehrerin Gottes Eusebia, deine Vertraute!
Gehe denn deine Laufbahn fort, o Borussiens Hoffnung!
Alle, die dich lieben, – und o! wer wird dich nicht lieben?
Stimmen an mit mir: Es lebe Borussiens Hoffnung!
Chor

Lebe, Borussiens Hoffnung!
Deines Vaters Freude,
Deiner Mutter Stolz!
Lebe, Borussiens Hoffnung,
Wonne der künftigen Welt!
Deine Schritte begleite
Aller Tugenden Chor!
Alle freundlichen Künste
Folgen jauchzend dir nach!
[54]
Feiert den seligen Tag,
Der ihn dem Lande gegeben,
Glückliche Söhne der Enkel,
Feiert den seligen Tag!
Lebe, Borussiens Hoffnung!
Deines Vaters Freude,
Deiner Mutter Stolz!
Lebe, Borussiens Hoffnung!
Wonne der künftigen Welt.

Notizen
Ramlers Gedichte wurden vermutlich zuerst in Zeitschriften und als Einzeldrucke veröffentlicht. Erstdruck als Sammlung: Lyrische Gedichte, Berlin 1772.
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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Ramler, Karl Wilhelm. Ausgewählte Gedichte. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-8C19-8