[42] Ein Lebewohl

Fahr wohl, fahr wohl, mein Dichterbild!
Noch einmal laß mich dich umstricken,
Noch einmal dir in's Antlitz blicken,
Dann laß uns scheiden, ernst und mild.
Das Auge himmelwärts gewandt,
Steh' ich, mit heißen Schmerzen ringend
Und dennoch ein Triumphlied singend
Wie Märtyrer im Flammenbrand.
O dieses Abschied's herbe Pein,
Sie ist mit Seligkeit im Bunde
Und unser Schmerz die sichre Kunde
Von unserm ewigen Verein.
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Was bangst du vor der Trennung Leid?
Wie magst du vor der Zukunft zagen?
Was eine Stunde uns getragen
Ist Saat für ferne Ewigkeit.
Es heb' dich über Schmerz und Qual,
Es ebne dir die Sturmeswelle,
Jedwedes Grau'n der Nacht erhelle
Dir jener Stunde Sonnenstrahl. –
So fahr denn hin, du goldnes Licht
Auf dunkler Wetterwolken Grunde!
Den Dolch zieh' ich aus meiner Wunde
Und reich ihn dir: »Es schmerzet nicht.«

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Paoli, Betty. Ein Lebewohl. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-6BBA-2