[70] Dem Andenken Huttens
Oskar Panizza
Das Liebeskonzil
Eine Himmelstragödie in fünf Aufzügen
[Widmung]
[Motti]
»Es ist got gefellig gewesen in unsern tagen kranckheiten zu senden (als wol zu achten ist) die unsern vorfaren unbekant seint gewesen. Da bey haben gesagt die der heiligen geschrift obligen, das die blatteren uß gotz zorn kumen seint, und got damit unsere bösen berden straffe und peynige.«
Ulrichen von Hutten, eins teutschen Ritters
»Von den Frantzosen oder blatteren« 1519
»Dic Dea, quae causae nobis post saecula tanta insolitam peperere luem? ...«
Fracastoro
»Syphilis sive de morbo Gallico« 1509
[70]Personen
Personen.
- [71] Gott Vater
- Christus
- Maria
- Der Teufel
- Das Weib
- Ein Cherubim
- Erster Engel
- Zweiter Engel
- Dritter Engel
- Helena
- Phryne
- Héloise
- Agrippina
- Salome
- Rodrigo Borgia, Alexander VI., Papst
- Girolama Borgia, vermählt mit Cesarini
- Isabella Borgia, vermählt mit Matuzzi (Mutter unbekannt)
- Pier Luigi Borgia, Herzog von Gandia.
- Don Giovanni Borgia, Graf von Celano.
- Cesare Borgia, Herzog von Romagna.
- Don Gioffre Borgia, Graf von Cariati.
- Donna Lucrezia Borgia, Herzogin von Bisaglie (von der Vanozza).
- Laura Borgia, noch minderjährig.
- Giovanni Borgia, noch minderjährig (von Julia Farnese, vermählte Orsini).
- Die Vanozza
- Julia Farnese, vermählt mit Orsini
- Alessandro Farnese, ihr Bruder, Kardinal.
- [72] Donna Sancia, Schwiegertochter des Papstes, vermählt mit Don Gioffre.
- Adriana Mila, Vertraute des Papstes, Erzieherin seiner Kinder.
- Francesco Borgia, Erzbischof von Cosenza
- Luigi Pietro Borgia, Kardinal-Diakon
- Collerando Borgia, Bischof von Monreale
- Rodrigo Borgia, Kapitän der päpstlichen Garde
- Giovanni Lopez, Bischof von Perugia
- Pietro Caranza, Geheimkämmerer
- Juan Marades, Bischof von Toul, Geheimer Intendant
- Giovanni Vera da Ercilla, Mitglied des heiligen Kollegiums
- Remolina da Ilerda, Mitglied des heiligen Kollegiums
- Burcard, Zeremonienmeister des Papstes.
- Ein Priester.
- Erster Edelmann.
- Zweiter Edelmann.
- Dritter Edelmann.
- Pulcinello
- Colombina
- Eine Kurtisane.
- Der Heilige Geist, Erzengel, ältere und jüngere Engel, Amoretten; – Maria Magdalena, Apostel, Märtyrer, Barmherzige Schwestern, ein Bote; – Tiere, Fratzen, Gestalten von Toten; – Geistliche Würdenträger, päpstliche Hofbeamte, Gesandte, römische Damen, Kavaliere, Kurtisanen, Schauspieler, Sänger, Kämpfer, Soldaten, Volk.
- Gestalten aus dem Totenreich
- Kinder des Papstes
- Mätressen des Papstes
- Neffen des Papstes
- Vertraute des Papstes
- Schauspieler
1. Akt
1. Szene
Erste Szene
Seid froh! Dieses Gehust', dieses wasserblaue Geglotz', dieses Schleimfließen, Fluchen, Spucken den ganzen Tag – man kommt zu keinem gesunden Augenblick.
Dummes Gänschen! Weil hier sowieso alles aus dem Leim geht und lidschäftig wird, Götter und Möbel, Franzen und Tapeten.
Die war im Nebenzimmer; – aber die Türe war halb offen; – da kam ein großer, alter Mann herein; – die Mutter hatte gesagt, ich sollte alles geschehen lassen; der Mann sei der Rektor der Schule und sei sehr streng; – und wenn ich in allem gehorsam sei; – käme ich unter die ersten; – und der große, alte Mann –
Er erdrückte mich und vergiftete mich, und bespie mich mit seinem heißen Atem, und wollte in meinen Leib eindringen ...
... ich weiß es nicht mehr; ... sie waren schon im Nebenzimmer ... ich hörte noch die Zahl fünfhundert ...
... die Mutter kam herein ... sie sagte, nun hätten sie viel Geld, und könnten lustig und vergnügt für immer leben ... Die Gedanken gehen ihm aus.
ER kommt! – ER kommt! – Ist alles parat? – Die Drei fahren auseinander und machen sich an die Arbeit.
Fußnoten
1 Bekannte Schulgrammatik.
2. Szene
Zweite Szene
Helft! – Helft! – Wo fehlt's? – Wo fehlt's? – Göttliche Majestät, wo fehlt's? – Er stirbt uns! – Holt Maria! – Holt den Mann! – Helft! – Helft! –
[81]
3. Szene
Dritte Szene
Nein, ich werde nicht wieder besser werden! Ausbrechend. Gott, ist das schrecklich, alt zu sein! – Gott, wie ist das schrecklich, als Alter auch noch ewig leben zu müssen! – Gräßlich, ein blinder Gott zu sein!
Nein, ich werde nicht wieder sehend werden! – Ich werde immer älter, zerbrechlicher und elender! Gott, wenn ich sterben könnte!
... Ach, meine Glieder, sie sind gekrümmt, verschwollen, wassersüchtig, kontrakt, verdorben ... Streicht die Knie hinab.
Deine Glieder sind gekrümmt, – sind geschwollen, – sind wassersüchtig, – sind kontrakt, – sind verdorben ... Ach! – Ach! –
Deine Füße sind vergichtet, – sind verknorpelt, – sind brennend vor Schmerzen, – zucken und sind zerrissen ... Ach! – Ach! –
4. Szene
Vierte Szene
Herr, ich komme aus Italien; aus Neapel; Gräßliches muß ich Dir berichten; der Pfuhl der Sünde stinkt bis da herauf; alle Bande der Sittlichkeit sind gelöst; man hohnlacht Deiner heiligen, am Berge Sinai von Dir selbst gegebenen Gebote; die Stadt, vom Franzosenkönig belagert, ergibt sich den entsetzlichsten Greueln; Weiber laufen mit entblößtem Busen frech-lüstern durch die Straßen; die Männer funkeln wie Böcke; ein Laster folgt dem andern; das Meer brandet bis in ihre Gassen; die Sonne hat sich schon verdunkelt; aber sie achten weder irdischer noch himmlischer Zeichen; die Unterschiede der Stände sind aufgehoben; der König bricht ins Lupanar; und der Facchino dringt zu den feilen königlichen Metzen in den Palast; Hunde und Spielhähne haben ihre Brunstzeit, aber die Neapolitaner sind das ganze Jahr Tiere; die ganze Stadt ein kochender Kessel der Leidenschaft; Italien ist das liebes-wahnwitzigste unter den Völkern Europas; aber Neapel ist in Italien, was Italien unter den Völkern; die Belagerung hat den Rausch der Geschlechter bis zum Wahnsinn gesteigert; kein Alter wird geschont, keiner Jugend sich erbarmt; Zeugungs-Glieder in unermeßlicher Größe werden als Gottheiten in festlichem Aufzug durch die Straßen geführt, von Reigen junger Mädchen begleitet, und wie allmächtige Idole angebetet. Und in Deiner Kirche sah ich den Priester vor dem Altar mit einer feilen Dirne ...
Ja, so, – richtig, – ich hab' vergessen;vollends auf den Thron zurücksinkend. das Erschaffen ist ja vorbei; – ich bin zu alt; – und meine Kinder können es nicht. –
Beruhige Dich, göttlicher Greis! – Du wirst Dein drohendes Gesicht aus den Wolken zeigen und den Neapolitanern eine Zornes-Rede halten; sie werden dann schaudern.
Sie werden nicht schaudern! – Sie verlachen mich ja! – Sie wissen, daß ich nur reden kann. Sie wissen, daß sie da unten unter sich sind; freien, lieben und hassen können, und mich nicht mehr brauchen. – – Auffahrend. Aber Du Zum Boten. rufe mir meine Tochter, die allerseligste Jungfrau, – und auch meinen Sohn magst Du rufen, – und die Cherubim und Würgengel mögen sich für meinen göttlichen Befehl bereit halten; – und auch dem Teufel laß ich vermelden, er möge sich zu mir bemühen: wir wollen ein Konzil halten, und beraten, was in dieser gräßlichen Sache zu tun ist.
[85]
5. Szene
Fünfte Szene
Das ist der schönste, der zarteste, der zuckrigste Mann; der einzige Mann im Himmel; das ist der Mann.
Wir haben Euch hieher berufen, um Euren Rat in einer schweren, entsetzlichen Sache zu vernehmen. – Die Menschen haben sich, meine Gebote mißachtend, in götzendienerischer, selbst-zerstörender Weise den schrecklichsten Ausschweifungen, den fürchterlichsten Greueln hingegeben. In einer Stadt – in Asien – in – in – wo war es nur gleich? ...
In Neapel haben sie unter gänzlicher Verschiebung der die Scham garantierenden Kleider sich wie Tiere, mit rücksichtsloser Verachtung der für die fleischlichen Instinkte gesetzten Schranken und Vorbehalte, vermischt, und so den göttlichen Zorn ...
Ja, ich kenne die Affäre. Der Bote war zuerst bei mir ... Hält sich plötzlich den Mund zu, als wolle sie's zurücknehmen.
... Dann seid Ihr alle orientiert. Kämpft noch längere Zeit mit seiner Erregung. – – Die schrecklichste Strafe haben Wir bei Uns beschlossen ...
Müssen Wir sie haben? – Ich will sie ausrotten, diese Scheusale. – Will – will – will wieder eine schöne Erde haben mit Tieren im Walde ...
Die Begattung müssen wir ihnen schließlich lassen. – Ein Stückchen Wollust muß man ihnen gönnen – sonst hängen sie sich am nächsten Baum auf. Der Alte schaut immer zorniger, sprühender herüber. Bei der Nacht! Bei der Nacht! – Im Frühjahr! – Zu gewissen Zeiten! – Wenn der Mond scheint! – Mit Maß und Ziel!
Ich will sie erschlagen wie zwei geile Hunde – in ihrem schönsten Rausch! ... Große Bewegung in der Versammlung. Die jüngeren Engel blicken sich staunend an.
Ja, und trotzdem werden Wir da heroben immer elender und schwächer! – Es ist entsetzlich! Hüstelt. Mich essen sie, und werden wieder gesund und sündenfrei. Und Wir gehen immer mehr zu Grund. Erst fressen sie sich drunten mit Sünden voll, bis zum Platzen, und dann genießen sie mich, und gedeihen, und werden sündenfrei, und dick und fett; und Wir werden mager und elend. Ah! diese vermaledeite Rolle! Ich möchte einmal den Spieß umkehren und mich satt essen, und sie darben lassen!
Mein Gott, mein Sohn, vergiß nicht, Du bist unverletzlich, göttlich, unaufzehrbar, in alle Ewigkeit derselbe! Legt sein Haupt an ihre Brust und liebkost ihn.
Die Christen, heiliger Vater. Deine Gläubigen, göttlicher Meister; Deine Kinder, die auf Dich hoffen; die Frommen, die Katholischen, die alleinseligmachende Kirche, Deine Priester, die Bischöfe, der Papst!
Ja, das wollen wir uns einmal ansehen! Zu Christus. Komm, mein Sohn, wir wollen uns das einmal ansehen, das wird Dich zerstreuen!
Bringt Uns die Räucherbecken und Kohlenpfannen und erzeuget in Uns Allwissenheit und Allgegenwärtigkeit! –
2. Akt
1. Szene
Erste Szene 1
Der Spanier hat Seine Heiligkeit auch nicht verstanden; er predigte immer zu; und Seine Heiligkeit gaben doch deutliche Zeichen der Unzufriedenheit.
Er kommt aus Valencia; die Kerle sind dort so bocksteif; wenn Einer anfängt, hört er nimmer auf; jede Empfindung wird eine Rakete, jedes Wort ein Knüppel.
Nein, Kinder, das ist es nicht! Ihr dürft lachen und scherzen, Perlen tragen und Konfetti essen. Aber ich sah einige Dominikaner unter ihnen sitzen; es sind Florentiner von San Marco, Schüler des Savonarola, dieses Ruhestörers. [95] Sie wiegeln mir das Volk auf, und schwatzen, und machen geisterhafte Augen ...
Oho, sind wir hier auch schon so weit, daß man den Frauen Schmuck vom Körper reißt, auf einen Haufen wirft und verbrennt?
Der Mediceer schützt ihn. – Lorenzo ist bußfertig geworden, er fragt täglich bei Savonarola an, ob er noch Aussicht habe, in den Himmel zu kommen.
Es ist gegenwärtig immer gefährlich, nachts den Vatikan zu verlassen, einerlei in welchem Zustand ... besonders, wenn man der Gemahl der schönen Lucrezia ist.
Ich meine, daß der Herzog von Bisaglie gestern abend in Gegenwart seiner Gemahlin Lucrezia und ihres Bruders Don Cesar erdrosselt wurde. –
Rühren von einem Überfall her, den vor vier Wochen eine Bande Maskierter auf ihn am Petersplatz [96] machte, und von denen der Herzog die Unverschämtheit hatte, genesen zu wollen.
Sie ist ein Kind! Seine Heiligkeit machte sie diesen Morgen zur Fürstin von Nepi und schickte ihr einen großen Korb mit Konfetti.
Er wird eine Seelenmesse für den in den Tiber gefallenen Herzog lesen, und den Fürsten von Ferrara benachrichtigen, daß Lucrezia frei ist. –
Wo stecken unsere Buffoni! – Laßt sie herein! – Und Wir, Wir lassen uns hier niederNach links weisend, wo die Plätze sich befinden; zu Lucrezia. Komm, mein Kindchen!
Mein Herzchen, Du hättest eigentlich heute einen Trauertag; Dein schöner Herzog ist so plötzlich gestorben.
Eure Heiligkeit, die Vesper hat in der Kapelle begonnen; die Kirche ist gedrängt voll und das Volk erwartet am Ostertag Euren Segen!
Wir wollen das Spiel sehen; auch hat Uns der Tod Unseres lieben Schwiegersohns zu plötzlich erschüttert. – Man öffne Auf die Galerie weisend. dort die Fenster, und sage dem Volke, daß ich von der Loggia dort der Vesper beiwohne.Der Zeremonienmeister ab.
De profundis clamavi ad te Domine; Domine exaudi vocem meam; Fiant aures tuae intendentes in vocem deprecationis meae; Si iniquitates observaveris Domine, quis sustinebit? Speravit anima mea in Domino; A custodia matutina usque ad noctem; quia apud Dominum misericordia et copiosa apud eum redemptio. Et ipse rediniet nos ex omnibus iniquitatibus nostris 2.
Du hättest mich im Fegfeuer nicht länger brennen lassen als hier, santo papa!Erneutes Gelächter, in das der Papst miteinstimmt.
Der französische König, Eure Heiligkeit, ist, von Neapel zurückkehrend, im Anmarsch auf Rom und nur noch wenige Meilen entfernt.
Zum Teufel! – Auf nach Orvieto! – Die Spanier und Katalanen sollen Uns begleiten! – Nehmt Unsere Kassen und Kostbarkeiten mit! – Die Damen sollen sich rüsten; auf Gepäck und Maultiere verzichten; [102] wir reisen alle zu Pferd! Pallavicini bleibt als Gouverneur der Stadt mit einem Teil der Truppen zurück. Er empfange den König mit allen Ehren, aber drohe ihm in Unserem Namen, als einem ungehorsamen Sohn der Kirche, den Bannfluch an, wenn er länger als vierundzwanzig Stunden auf Unserem Gebiet verweilt. – Cesare übernimmt die Bedeckung Unseres Zuges. – Vergeßt die goldenen Meßgeräte nicht! Fort! Alles in großer Erregung ab.
Fußnoten
1 Burcardi, Zeremonienmeister Alexanders VI., »Diarium«, nouvelle edition par Thuasne, 3 vols., Paris 1885.
2 Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu Dir; Herr, höre meine Stimme; laß Deine Ohren merken auf die Stimme meines Flehens; So Du willst, Herr, Sünde zurechnen, Herr, wer wird bestehen? Meine Seele wartet auf den Herrn von einer Morgenwache zur andern; Denn bei dem Herrn ist die Gnade, und viel Erlösung bei ihm; Er wird uns erlösen von allen unseren Sünden.
3 Eine berühmte Hetäre ihrer Zeit, die später hingerichtet wurde.
4 Karl VIII. von Frankreich, der kurz vorher Neapel eingenommen hatte.
5 Battaglie d'amore, Liebeskämpfe, hießen diese Schauspiele am Hofe Alexanders VI.
6 Komm, Heiliger Geist, und entsende himmelher den Strahl Deines Lichts. Komm, Vater der Armen, Geber der Güter, Erleuchter unserer Herzen. Ohne Deine Klarheit sind wir Menschen leer, nichtig und schuldbeladen. Wasche uns rein von Sünden; Erfrische die, die da vertrocknet sind; Und heile die Verwundeten. O göttliches Licht, erfülle die Herzen Deiner Frommen!
3. Akt
1. Szene
Erste Szene
Freund, Wir haben Dich rufen lassen. – Es handelt sich um einen speziellen Auftrag, der ... Stockt. ... besondere Geschicklichkeit erheischt; – – ich weiß, Du denkst viel – Teufel verbeugt sich. – könntest Du nicht ...Stockt. ... es handelt sich, ä ... ein Wesen, ä ... ein Ding, welches ... ä, ein Einfluß, – der imstande wäre, – die – Uns in ihrem Begehren anekelnde, gänzlich verwahrloste Menschheit – Teufel macht eine verständnis-innige, vornehm-bedauemde Bewegung. ... ä, wieder auf den Pfad der Tugend ... ä, und der wahren Sittlichkeit ... in empfindlich-strafender Weise zurückzuführen, ... ä, so daß ... ä ... Zu Christus gewendet. mein lieber Sohn, sag' Du's ihm; – Ich kann mit Worten nicht recht umgehn; – Ich habe immer nur gehandelt, – nie viel Worte gemacht. –
Mein Herr! – – Wir gedächten Ihre Hilfe in Anspruch zu nehmen – in einer Sache, – – die Ihnen ebenso großen Vorteil einbringen soll, wie uns selbst, – – ich meine, – die Ihnen die Menschheit – hinsichtlich ihrer irdischen Sphäre keineswegs entfremden soll, – ich sage dies ausdrücklich, um jeden Verdacht bei Ihnen nach dieser Richtung hin gleich von vornherein zu zerstreuen – Teufel macht eine verbindlich-abwehrende Handbewegung, als sei ihm ähnliches nie in den Sinn gekommen. – im Gegenteil, die – Ihnen diese Sphäre in noch ausgiebigerer Weise als bisher – unterwerfen soll: – es handelt sich um einen Kompromiß, – um ein Übereinkommen hinsichtlich der Verschiebung der Grenzen – unserer beiderseitigen, bisherigen Gewalten, – die keinem der beiden kontrahierenden Teile zu nahe treten soll, – und wobei Wir auf Ihre bewährte Geschicklichkeit, Ihren Scharfsinn, Ihren Takt, Ihr – versöhnliches Entgegenkommen, [105] Ihre – Bildung, – Ihre – Ihre – –
Schon Dich, mein Sohn, – Du sollst nie reden, – Du wirst schlechter, – Du bist leidend, Zum Teufel gewendet, verbindlich. mein lieber Freund, wir bedürfen Deiner Hilfe, – es ist ja nicht nötig, daß man erfährt, daß Du es bist, der die Sache inszeniertDer Teufel macht eine abwehrend-beruhigende Bewegung. – bitte, steh' uns bei, – es soll Dein Schade nicht sein Zwinkert ihn an. – Du verstehstWinkt gegen Gott Vater ab, in dem Sinne, daß dieser taub, alt und gebrechlich, und ihr nichts in den Weg lege – der Teufel verbeugt sich. – es handelt sich in Kürze um folgendes: Durch eine unglückliche Einflüsterung Zeigt auf den Alten hin. bewogen, wohnten wir einer Szene im päpstlichen Palast zu Rom bei, in den Gemächern des Papstes ... wie heißt er gleich ...
... Ich bitte ... unter diesen Umständen ... darf ich wohl verzichten, ... fernerhin hier ...Will sich, nach rückwärts schreitend, zurückziehen.
Nein, nein! – Also nochmals nein! – Es war nicht so; ... es fuhr Uns heraus ... die alte Gewohnheit ... Ich vergaß ...
Nein, nein, mein Freund, Du bist der Unsere; von Verstimmung kann keine Rede sein; Wir bedürfen Deiner Hilfe zu notwendig; und Sehr laut zum Alten hinüber, anzüglich. eine Beleidigung Unseres viellieben Vetters, Unseres Alliierten, Unseres freundlich geliebten Bruders, werden Wir in keiner Weise zulassen Teufel verbeugt sich sehr verbindlich. – mit einem Wort also, die Sache ist die: Von einer an höchster Stelle Hinüberdeutend. in Aussicht genommenen gänzlichen Vernichtung des Menschengeschlechts aus höheren Gründen absehend, haben Wir beschlossen, eine empfindliche, sündflutartige Rache zu nehmen, und brauchen daher jemand, ein Ding, einen Einfluß, eine Gewalt, eine Person, ein Gift, ein Etwas, welches die Unflätigkeit der Menschen, besonders der Neapolitaner und Römer, in geschlechtlicher Beziehung – ah, fi donc! – Gießt etwas Eau de Cologne auf ein Spitzentuch, und hält es sich vor, – scheint leise zu schnupfen – schielt über dem Taschentuch zum Teufel hinüber. – ah! es wird mir besser Fortfahrend. – welches die Bestialität der Männer und Weiber in jenen lediglich der Fortpflanzung dienenden, und nur in dieser Begrenzung ihnen gewährleisteten Beziehungen und nötig erscheinenden Berührungen und Vermischungen – ah, c'est terrible! Schnupft wieder Eau de Cologne. – enfin – eindämmen soll! – Du verstehst!
– Dann – müßte man den Stachel, – das Gift, – ä – dasEtwas den Finger wie zum Hindeuten erhebend. – in die Sache selbst, – in die – hm! Sich anzüglich räuspernd. – in die Beziehung selbst legen! –
Nein, nein! – Nicht den Samen; nicht das [108] Ei; – sonst würde die Nachkommenschaft darunter leiden, und, verschlechtert und gewitzigt, nicht mehr zu haben sein! – Die soll aber auch dran kommen! – Nein, Samen und Ei sollen unberührt bleiben, damit die Erzeugung der Menschen ruhig weitergeht. – Aber der Täter, der sorglos mit seinem Instinkt drauflos Fahrende, soll durch ein kleines Neben-Produkt vergiftet werden, durch ein Etwas, welches gleichzeitig mit Samen und Ei produziert wird, und welches, wie bei den Schlangen, nicht mehr auf den Besitzer, aber auf seinen Gegenpart, auf sein Vis-à-vis in der sexuellen Française – pardon! – wenn ich mich so ausdrücken darf, –Maria hebt zum Zeichen des Verständnisses die Augenbrauen hinauf. ansteckend wirkt; – so daß der Mann das Weib, oder das Weib den Mann, im günstigsten Fall sie sich beide infizieren können, – nichts ahnend, – ganz im Taumel verloren, – ja in der Täuschung des höchsten Glücks – Macht eine Handbewegung zu Maria, ob er verstanden sei, die diese mit dem Spitzentuch freudig und verständnisinnig aufnimmt. – so daß sie lallend wie Kinder in die scheußliche Brühe hineintappen!!!
Gut! Aber unter einer Bedingung. Was Du auch mit den Menschen anfängst, sie müssen erlösungs-bedürftig bleiben! –
Erlösungs-fähig, – nachdem ich sie vergiftet, – auf besonderen Wunsch vergiftet, – das dürfte kaum sein. –
Ja, dann ist die ganze Sache umsonst! – Wenn wir die Menschen nicht mehr erlösen können, was soll denn dann die ganze Einrichtung?! –
Oh, – so so! – Nicht besser, – aber auch nicht gerade schlechter! – Mein Gott Auf sein kurzes Bein schlagend. – der wird nicht mehr anders! – Miesemaschin'! –
Voyons! Voyons! mein Freund, Du mußt doch etwas machen können, was die Menschheit vergiftet, ohne sie ganz zugrunde zu richten! – Wir wollen sie dann wieder erlösen! – Nicht wahr, mein Sohn?
Der Auftrag ist dann zu kompliziert! – Es soll unflätig und liebenswürdig und giftig zu gleicher Zeit sein! – Wenn ich sie in ihren geheimen, amorosen Beziehungen sogleich und heftig treffen soll, und sie in diesem Moment vergiften soll, dann muß die Seele auch mit! – Denn die Seele steckt da mit drin! –
Wir – ä erschaffen jetzt nicht mehr. – Wir sind müde! – Auch gehört dies Gebiet des Irdischen und der Sinnlichkeit in Deine Sphäre. – Also besinne Dich, wie Du es anrichtest; beflecke die Seele, aber sie muß wieder herstellbar sein!
Suche in Deinem Hexenkessel! Es ist ja allerlei Zeug darin; in Deiner Hölle hast Du so manches aufgespeichert; bist doch ein Meister in solchen Kompositionen! – Kreiere, braue, zeuge, mische 'was zusammen! –
Lüstern und zerstörend soll es zugleich sein, sagt Ihr? – Und doch die Seele nicht definitiv zerstörend?
Halt, da hab' ich 'was! – Will mal mit der Herodias reden! – Halblaut für sich. Lüstern und zerstörend zugleich! – Laut. Ich bring' etwas! –
[112]
2. Szene
Zweite Szene
Da hockst du nun, Hund, wieder allein, und heimgekehrt zu dir; weltverlassen und verachtet; zurückgekehrt von der Audienz; Ahnenloser Geselle ohne Respekt und Reputation; und hast wieder einmal gesehen die goldausgelegten Gemächer der Hohen und Vornehmen. [113] Und du bist immer und bleibst der Lump, der Spitzbub, der krumme Kerl. Und die da droben, die dürfen tun, was sie wollen, es mag noch so platt, niedrig oder gemein sein, es ist immer edel und vornehm, weil es in den Gemächern des Nobeltums passiert. Und du magst tun, was du willst – und wenn du mit dem Kopfe dich bis zum andern Ende der Erde wühltest, – es ist immer niedrig und gemein und schuftig. – Pause, überlegt. Wenn du ein Graf wärest, dann wäre auch dein krummes Bein gräflich. Und wenn du nur ein Türsteher da droben wärest, dann wären auch dein Kopf und deine Gedanken himmlisch und engelhaft, wie dein Kleid, das du dann trügest. Aber so bist und bleibst du ein Hund! – Nur wenn du für sie was tun sollst, was sie selbst nicht können, oder was für sie zu schmutzig ist, dann lächeln sie dir und sagen: »Mein Freund! Mein Freund!« Aber wenn die Audienz vorbei, mußt du wieder herunter in Staub und Kot, und dann heißt's »Pfui Deifel! Pfui Deifel!« – Und so bist du ein erdgeborener, gebückter und verzerrter Kerl dein Leben lang, und humpelst herum mit deinem Fuß, und frissest Ärger und Grimm in dich hinein! Und doch! Und doch bist du mehr! Bist mehr als diese Firlefanz-Leute in ihrem Glück und Wolkenbau! Steckst mitten in der Welt; und in deinem Kopf stecken die Gedanken der Erde! Und wenn du hier allein bist, allein mit deinem Erdgeruch, und dein Kopf sich illuminiert, dann entsteht in diesem vergrämten Kopf, mitten in der Verzweiflung, ein Funken, ein Gift, eine Kraft, die wie ein Blitz, zündend und wetternd, durch die Welt fährt, und die Hülsenköpfe in ihrem Wolken-Heim erbeben macht. – Und brauchst keine Tiaren zu tragen, keine Ambrosia noch Sekt zu trinken, und scheppernd und glänzend dich zu zeigen, um glücklich zu sein. Bist so glücklich; glücklich, wie die andern nicht glücklich sein können! Glücklich in diesem Erdenloch, in diesem kostbaren Tunnel, diesem Hauch von Irdischkeit und Würze, diesem Welt-Geruch, der dich kräftigt und stählt, und Gedanken erzeugt, und zur Arbeit zwingt. – Und brauchst keine Ahnen und Vergangenheits-Register; bist blank und sauber; darfst von neuem, beginnen; brauchst nicht nichts [114] zu tun; die Arbeit sind deine Ahnen! Deine Ahnen produzierst du in die Zukunft! – Arbeit! Arbeit! – Springt auf. Also denn auf zur Arbeit! Er geht längere Zeit auf und ab, bleibt wiederholt stehen und sinnt nach. Also verführerisch soll es sein, das Ding, – na natürlich, sonst beißen sie nicht an; – »etwas Frauenzimmerartiges«, sagte Maria; – sehr gut! – Die Frauenzimmer kennen ihr Geschlecht immer am besten. – Aber giftig soll es auch sein; darin liegt ja die Strafe; und sie sollen das Gift nicht merken, es hinunterschlucken wie Sirup; – sehr gut! – das läßt sich machen. – Aber es soll dabei Seele und Leib vergiftet werden; aber nicht definitiv; nur bis zur Verzweiflung, bis zum Wahnsinn; sie wollen also sehen, wie sich die Menschheit krümmt und bricht; wie sie ihre Seelen ausleeren, wie einen Magen; – ich verstehe; – die Seele soll aber wieder reparierbar sein, – »erlösungsfähig«, wie sie sagen; – na, die Freude kann ich ja ihnen fürs erste lassen; ihnen und ihnen; – vom Leib haben sie nichts gesagt; sehr gut! – Als ob sich das trennen ließe! – Wenn ich den Leib toll und voll verseucht habe, und der ganze Kerl zum Teufel fährt – ah pardon – kaputt geht, dann möchten sie die Seele, nachdem sie schon auf dem Weg zu mir ist, noch erlösen! – Die Barmherzigkeit! – Na, das wird sich ja finden. – Geht wieder schweigend und nachdenklich auf und ab. Was soll das nun aber für ein Gift sein? Welches ruiniert, und doch wieder nicht ruiniert? – Mit organischen und chemischen Giften komm' ich da nicht aus! – Auch kann ich da nicht quantitativ vorgehen. Die schluckten ja und schluckten das Zeug hinunter – besonders, da es so süß ist – und pardauz lägen sie da! Ich kann da nicht dosieren. Ich kann doch kein ellenlanges Rezept an die Bettlade kleben: pro dosi soundsoviel! – Das muß also ein feines, neues und ganz besonderes Gift sein! – Welches weder den Geber noch den Nehmer sogleich vergiftet! – Das muß dann ein feines, schleichendes, langsam wirkendes Ding sein, welches sich ruhig weitervererbt, und in einigen lebenden Exemplaren immer frisch zu haben ist! – Dann – soll das Gift sich an das höchste Entzücken des Menschen anschließen, an den Liebestaumel, an das [115] naivste und köstlichste Glück, welches sie besitzen: damit es sicher zu allen dringt! – Ja, das heißt, das war eigentlich mein Gedanke! – Keine Verschiebung des geistigen Eigentums! – Na ja! – Wie nun weiter? – Woher nimmst du das Gift? – Überlegt, bleibt stehen. Na, aus dir. – Kühl. Gibt es denn etwas Giftigeres, die Adern Durchdringenderes, als du selbst? – Sehr gut! – Was weiter? – Wie wirst du's nun anstellen? – Überlegend, sehr langsam, mit vorgestrecktem Zeigefinger sich vordiktierend. Du mußt das Gift, welches an sich vielleicht zu stark ist und tödlich wäre, erst organisch abschwächen, und dann in einer lebenden Person verwirklichen!Patscht in die Hände. Hoppla, das ist's – Noch einmal: Du mußt das Ding erst organisch so mild machen, daß es ihre Mägen und Leber zunächst gut vertragen, und es gleichzeitig in einem Lebewesen, das ihnen gleich sei, personifizieren! – Sackerlot! – Und zweitens: dieses Lebewesen muß ein Weib sein! Und das Gift muß durch die bekannten Schläuche geleitet werden! – Und drittens: dieses Weib muß schön sein; und ich ihr Vater! – Sapristi! Reibt sich die Hände. Kommen wir auch einmal zum Zeugen! – Geht lange erregt auf und ab. ... Nun, und wenn ich dies Kunstwerk fertig bringe, was krieg' ich dann dafür? – Freund, nimm dich in acht! Diese Gelegenheit kommt nicht wieder! Jetzt hole die lang aufgespeicherten Speisezettel deiner Wünsche hervor! – Besinnt sich. – – Diese Stiege da Schaut nach oben. muß er mir reparieren. Das Gerümpel. Wenn ich da 'mal ausgleite, und breche mir den Fuß, dann bin ich ein ganzer Krüppel. – Dann, diese Falltüre da oben, die ist meiner unwürdig. Da stoß ich mich schon lange daran. Das soll ein schöner, freier Zugang werden, mit einem Geländer daran, und ein paar Teppichen. – Dann, diese Audienzmeierei habe ich ebenfalls schon lange satt. Wird der Zugang oben frei, muß ich auch freien Zugang haben! Ich muß stets unangemeldet kommen können. – Er kann ja auch stets unangemeldet zu mir herunter. – Dann Sehr bestimmt. muß Er mir meine Bücher frei drucken lassen, und ihre breiteste Zirkulation im Himmel und auf Erden erlauben. Das muß ich unbedingt haben. Ohne das gehe ich gar nicht an die Arbeit, Ausbrechend. Wenn jemand denkt, [116] und darf seine Gedanken nicht mehr andern mitteilen, das ist die gräßlichste aller Foltern. – Dieses reinste Entzücken, dieser Tropfen Lust, der Fässer voll Bitterkeit genießbar macht, daß andere das nachdenken, was du vorgedacht hast, – ist das so schwer zu begreifen?! – Also das ist Numero eins! – Dann – muß hier die Ventilation besser werden. – Glotzt lange an der Decke herum. ... Eigentlich könnt' ich mir das Ding hier mit Goldleisten ausschlagen lassen. – Ach, – es wird doch nicht heller ... Wie wär's, wenn Er mich zum Graf machte? – Graf Miraviglioso! Oder gleich ganz italienisch Conte di Miraviglioso; Signor Conte di Miraviglioso. – Pfui, schäm' dich! Hast du nicht gesagt, du willst ein ehrlicher Kerl bleiben? – Nun ja; ich wollte ja nur auf ganz kurze Zeit das tolle Empfinden haben, ganz ohne Grund etwas zu sein. Nur auf acht Tage. – Ich kann ihn ja dann meinem Ausgeher schenken. – ... Ein paar Orden könnt' ich mir bei dieser Gelegenheit geben lassen! – Dazu ist es wieder nicht hell genug da herunten. An der Beleuchtung fehlt es hier überhaupt. – Was noch? – Etwas bessere Garderobe! Dieses spanische Kostüm trag' ich nun schon seit Philipp II. Es ist unerhört. Und nur meine ganz außerordentliche Peinlichkeit erlaubt mir noch, überhaupt oben zu erscheinen. – Dann, um Gottes Willen, etwas Mobiliar. Ein paar Pfund Roßhaar werde ich doch noch wert sein. Und ein paar warme Decken. – Weiter! – Etliche Borten an meine Kleider; wenigstens Leutnants-Rang! – Dann: Einreihen, wenigstens in die letzte Hofrangklasse; mein Gott, ich helfe doch den Leuten in ganz außerordentlicher Weise. – Femer: ein kleines »von« –, und die Möglichkeit einer standesgemäßen Verbindung mit einer der Engel-Klassen; Gott, so ein zartes Geschöpfchen, neben mir, 's wär' ja zum Entzücken; sie mag so dünn und jung sein, wie sie will; ich richt' sie mir schon her! – Was noch? – Ein goldenes Portepee, 'n Kammerherrntitel, ein kleines Krönlein, 'n Herzogskragen oder ...Hält plötzlich inne, greift sich mit beiden Händen an die Stirn und schreit in tierischer Weise hinaus. Äh, – äh! – Bleib' fort! Er hält die Hände weit von sich wie um etwas wegzustoßen, das auf ihn eindringt, und weicht zurück. Äh! – Es kommt! – Es hat [117] mich! – Du Hund, hab ich dir nicht gesagt, wenn du über die Schnur haust, packt es dich! – Pfui Teufel! Spuckt aus, wie um etwas aus seinem Innern zu entfernen. Pfui Deifel! Es kommt! – Der Ekel, – er hat mich! – Pfui! – Pfui! – Oh, es ist zu spät! – Ekel! Ekel! Verdammte Sauce! – – Teufel, weißt du nicht mehr? – Weißt du nicht, daß du nur in der Entbehrung, im Finstern, nur unter der Marter gedeihst? – Und dann will der Kerl stolz sein! – Ah, – ah – Er macht Würgbewegungen, schleppt sich bis zu seinem Lager, wirft sich dort auf den Bauch, wälzt sich in Krämpfen, reißt aus der Matratze Stroh heraus, macht einen Knebel und steckt ihn sich mit in grimmigem Behagen in den Mund; – wird dann allmählich etwas ruhiger, liegt bewegungslos da, und scheint zu schlafen. – Lange Pause.
Ah! – Ihr seid mir vorausgeeilt, Gedanken! Betrachtet lange mit Entzücken die Szene. Ihr habt Euch verwirklicht, meine guten Gedanken! – Und die gemeinen sind mir in den Magen gefahren, und haben mich krank gemacht; – so ist's recht! – – Du hast gebüßt, – und bist jetzt wieder ein ehrlicher Kerl! – Legt sich, noch immer etwas erschöpft, wieder in eine mehr ruhende Stellung zurück, aber so, daß er die Szene im Auge behält – matt und langsam. Welche von diesen wähl' ich mir jetzt aus als Mutter für mein glorioses Geschöpf? – ... Schön! – Verführerisch! – Sinnlich! –[118] Giftig! – Hirn und Adern verbrennend! – Ahnungslos! – Tollpatschig! – Grausam! – Berechnungslos! – Seelenschmutzig! – Naiv! – Lange Pause. Er erhebt sich dann zum Sitzen und ruft mit halblauter, aber klarer Stimme, in sanftem Ton. Helena – von Sparta – des Paris Geliebte – Trojanische Königin! – – Im Hintergrund erhebt sich aus der Reihe der Schlafenden langsam eine Gestalt mit langem schleppendem Mantel, der um die Taille durch einen Strick gleicher Farbe zusammengehalten, kommt langsam, wie schlaftrunken, mit geschlossenen Augen, den Lichtschimmer, der ihr aus dem Totenreiche anhaftet, beibehaltend, nach vom und bleibt vor dem Teufel stehen.
Du bist damals mit dem jungen Laffen, dem Trojaner-Prinzen, auf und davon, und hast deinen Mann, den König, zurückgelassen; rein aus Verliebtheit? – Helena verneint schwerfällig mit dem Kopfe. Was? Nicht einmal verliebt? – Aus Neugierde? – Sie scheint sich zu besinnen; nickt dann wie schlaftrunken. – Nur, weil es dir gefallen hat? – Helena nickt. – Ohne etwas zu denken? –Nickt. – Justament? Wartet und nickt dann. – Und als dann der Krieg ausbrach, da dachtest du? –Nickt mechanisch, besinnt sich aber dann und verneint. – Dachtest dir: Es ist nun einmal so!Nickt und betont. – Geh', leg' Dich wieder schlafen – armes, dummes Ding! –
Phryne – aus Athen – glatteste aller Hetären – komm'! Von dem Totenfeld erhebt sich aus einer andern Reihe ein Weib im gleichen Anzuge wie die erste und kommt näher. Blasseste aller Zauberinnen, du hast Tausende von Männern in dein Garn gelockt, sie arm und elend gemacht, ihnen Geld und Gedanken geraubt, – hast Philosophen genarrt, – Richter bestochen, – Staatsgesetze umgestoßen, – Krieg angezettelt, – Reichtümer angehäuft, – hast dich als Göttin geriert, – dich anbeten lassen, – hast dein Vaterland verhöhnt, – wolltest deinen Namen wie eine schmutzige Reklame auf die Mauern Thebens setzen – und dafür bezahlen, – hast dich nackt [119] vor allem Volk gezeigt, – in Korinth die Tempel und Statuen bauen lassen, – hast fortgehurt, bis deine Haare weiß wurden – und wurdest schließlich in einem Tempel, in den du dich geflüchtet, wie ein unreines Tier erschlagen?Nickt wiederholt stumm auf alle Fragen. – Warum? – Aus Liebe? Verneint. – Aus Leidenschaft? Verneint. – Aus Laune? – Nickt. – Weil du schöner und blasser warst, als alle andern? Nickt. – Hast gar nichts dabei gedacht? – Verneint. – Ließest den Dingen ihren Lauf? – Bejaht. – Geh', du harmloses Kind, du bist unschuldig! –
Héloise, – Äbtissin von Paraclet – Latinistin des 12. Jahrhunderts! – Eine dritte Gestalt erhebt sich aus dem Totenfeld und kommt im gleichen Anzug, wie die vorigen näher. Du hast studiert, – und hast geliebt, – und hast Kinder gebracht, – und hast deinen Lehrer, Abaelard, die Leuchte des Jahrhunderts, verführt, – und deine Familie in Spott und Schande gejagt, – bis sie dir deinen Geliebten zum Kapaun machten, – und dich zur Nonne, – und hast dann deinen verschnittenen Abaelard fortgeliebt, – und ihm brünstige Briefe geschrieben – bis man dich zur Äbtissin machte; – und als Äbtissin hast du weiter studiert, und ihn weiter geliebt, und weiter – wenigstens in der Phantasie – Kinder gebracht, und mit deinem längst abgekühlten Freund imaginative Scheußlichkeiten begangen, die man selbst in der Hölle nicht sagen darf, – und hast ihm geschrieben: lieber wollest du des Abaelard Hure als des Kaisers rechtmäßige Gattin sein; – und als er starb, hast du dir seine Leiche kommen lassen, und hast ihn immer noch geliebt, und ihn mit deinen eigenen Händen begraben; – und dann hast du ihn noch zwanzig Jahre auf Kosten deiner Phantasie weiter geliebt; – bis du selbst starbst? – Hat zu allen Fragen stumm genickt. – Warum? – Aus Liebe? – Bejaht heftig. – Aus reiner Liebe? – Bejaht intensiv. – Kind, du bist ja schon für den Himmel reif! – Halte dich parat, wenn die Posaune ertönt, kommst du zuerst dran! – Inzwischen geh', und schlaf weiter! –
Ich hab' doch verdammt wenig Grandioses in der Hölle; muß mir 'mal 'n Scheusal holen! – Besinnt [120] sich, dann nach einer Pause. Agrippina, – Mutter, Gemahlin und Mörderin von Kaisern, – und Gemordete eines Kaisers, – komm'! – Eine Gestalt erhebt sich aus anderer Gegend. – Du hast etwas viel auf dem Kerbholz, Freundin; – mit 14 Jahren heiratetest du deinen Mann, und läßt dich herbei, ihm nach neun Jahren eines der größten Scheusale, den Nero, zu gebären? – Dafür kannst du nichts! – Tröste dich, wir haben jetzt eine Schule, die dir nachweist, daß du auch für die anderen Sachen nichts kannst; nur ist diese Lehrmeinung noch nicht bis zum Himmel gedrungen. – Du vernachlässigst also deinen Mann, und gibst dich dem Lepidus hin; – das war damals so Sitte! – dann verbindest du dich mit deinem Freier, um deinen Bruder, den Kaiser Caligula, zu ermorden; – es gelingt nicht! – dafür kannst du wieder nichts, – d.h. du warst nicht geschickt genug! – Endlich wird aber Caligula doch ermordet, – wie das damals so Sitte – und du wirst wieder hoffähig; – du versuchst dann vergeblich einige andere vornehme Römer zu kapern, bis sich endlich der reiche Advokat Passimus – den ich für gescheiter gehalten hätte – herbeiläßt, und mit dir eine zweite Ehe eingeht; du vergiftest ihn dann, und beerbst ihn! – doch das haben schon andere vor dir gemacht; das war damals so Sitte! – dein folgendes Stückchen war dagegen schon viel origineller: du spielst so geschickt hinterm Vorhang – von deiner Villa aus – daß du die Kaiserin Messalina von ihrem Gemahl, dem Kaiser Claudius, abschlachten lässest, heiratest dann selbst den Kaiser Claudius und wirst Kaiserin! – Was dann folgte, der von dir inszenierte Selbstmord des Lucius Silanus, die Verbannung seiner Schwester Junia und die Verbannung der Lollia Paulina, deren Kopf du dir nachträglich aus der Verbannung zurückholen lässest, waren mehr Nebenabfälle; du folgtest darin den Sitten deiner Zeit. – Dann verschaffst du dir den Beinamen ›Augusta‹, die Heilige, lässest deinen Sohn Nero von deinem neuen Gemahl, Kaiser Claudius, adoptieren, lässest ihn dann mit der Tochter dieses Kaisers Claudius, Octavia, vermählen, ververgiftest dann diesen Kaiser, deinen Gemahl, und rufst deinen Sohn Nero zum Kaiser aus. – Das war nämlich damals ganz neu! – Du vergiftest dann noch ein paar [121] Konsuln, Prokonsuln und Nebenbuhlerinnen, und wirst letztlich von deinem eigenen Sohn Nero ermordet! – Die Gestalt hat auf alle Fragen stummnickend geantwortet. – Hör' mal, Agrippina, du bist eine ganz scharmante Person, aber ich vermisse in deinem ganzen Tun den eigentlich künstlerischen Impuls – die Naivität; – alles hängt ab von deinem maßlosen Ehrgeiz! – Das ist krankhaft! – Das wird auf die Dauer langweilig! – Wir fassen die Sachen jetzt anders auf! – Nicht ein schöner Mord in deiner ganzen Geschichte! – Ich kann dich wirklich nicht brauchen! – Geh' nur und leg' dich wieder schlafen! – Schlaf sanft!
Jetzt hab' ich noch eine Nummer, die Herodias; – aber halt, ich nehm' statt der Mutter lieber die Tochter!Ruft. Salome, – schöne, junge Tänzerin, – komm' zu mir! – Weit hinten erhebt sich eine schlanke, jugendliche Erscheinung, und kommt näher, eine freundliche, heitere Erinnerung auf ihrem Gesicht. – Sag' mir einmal, mein hübsches Kind, du warst damals auf dem Bankett bei Herodes zugegen? – Bejaht. – Und da tanztest du? – Bejaht. – Warum tanztest du? – Sie weiß es nicht. – Nun, du tanztest eben, weil junge hübsche Mädchen überhaupt gern tanzen, – und weil du Tanzstunde gehabt hattest? – Bejaht. – Und du fandest Beifall? –Nickt. – Und Herodes sagte dir, du solltest dir 'was schenken lassen? – Nickt. – Und du ließest dir einen Kopf schenken? – Nickt. – Einen Menschenkopf? – Bejaht. – Einen lebenden Menschenkopf? – Bejaht. – Weshalb? – Sie weiß es nicht. – Zum Spielen? – Sie zaudert und bejaht schließlich. – Und Herodes schickte dich mit dem Henker ins Gefängnis, und der schneidet dir dort einen Kopf ab? – Nickt. – Das war der Kopf des Johannes? – Bejaht gleichgültig. Der ward dir auf eine Platte gelegt, und du kamst dann damit herein in den Bankett-Saal? – Nickt. – Das Blut lief wohl in der Platte herum, – und machte sie schließlich ganz voll? – Nickt. – Es netzte deine Finger? – Bejaht lebhaft. – War dir das angenehm, oder unangenehm? – Bejaht. – Ja, was? – Angenehm oder unangenehm? – Sie reibt die Hände gegeneinander. – Es kitzelte dich? – Bejaht sehr deutlich. – Du hast wohl sehr feine Finger? – Keine Antwort. [122] – Und dann, – dann schenktest du den Kopf deiner Mutter? – Bejaht. – Warum? – Zuckt mit den Achseln. – Er war eben schon tot? – Nickt traurig. – Und du wolltest doch einen lebenden haben? – Bejaht. – Ja, die abgeschnittenen Menschenköpfe halten sich nicht lang! – – Sag mal, hast du einen von den Leuten gern gehabt, was man sagt, lieb? – Weiß nicht, was sagen, und verneint schließlich. – Den Herodes? – Verneint. – Den Johannes? – Verneint. – Deine Mutter? – Zuckt mit den Achseln und verneint. – Aber deinen abgeschnittenen Kopf, den hattest du gern? –
Kind, du bist mein Fall! – Geht auf sie zu. Aus dir läßt sich noch 'was machen! – Er schließt sie, halb von rückwärts kommend, leicht in seine Arme. Du sollst mir heut' in mein Schlafgemach folgen!
Wir haben große Dinge mit dir vor! – Du sollst die Ahnin eines grandiosen Geschlechtes werden, an das kein Aristokrat hinankann! – Deine Nachkommen werden weder blaues noch rotes, sondern weit merkwürdigeres Blut in ihren Adern führen. – Und du wirst die Mutter sein. – Deine Qualitäten sind einzig in meinem großen, ungeheuren Reich! – Selbst oben, bei Hof, sieht man unsere Verbindung mit gnädigem Wohlwollen! – Er verschwindet mit ihr; die Stimme klingt immer entfernter. Morgen schon darfst du zu deinen Schwestern zurück! – Unser heißes Temperament läßt Schaffen und Entstehen sich in unglaublich kurzer Zeit vollenden! – Zeugen und Gebären rückt durch unsere Gewalten in wenige Stunden zusammen! – Komm', mein Kind, komm'! –
4. Akt
1. Szene
Erste Szene
»... Agilulf, der König der Longobarden, befestigte, gleich seinen Vorgängern in Pavia, der Hauptstadt der Lombardei, seinen Thron durch Vermählung mit Teudolinga, der Witwe Auterichs, der ebenfalls König der Longobarden gewesen war. Diese Gattin war sehr schön, verständig und ehrbar, der aber dennoch ein Liebhaber einst einen schlimmen Streich spielte. Als nämlich durch die Tapferkeit und den Verstand des Königs Agilulf der lombardische Staat glücklich und ruhig geworden war, geschah es, daß ein Reitknecht der genannten Königin, ein Mensch, was die Abstammung anbetrifft, von höchst ärmlichen Umständen, sonst aber über sein schmähliches Geschäft hoch erhoben, und von Person schön und groß wie der König, sich über alle Maßen in die Königin verliebte. Da jedoch sein niedriger Stand ihn keineswegs verhinderte einzusehen, daß diese seine Liebe außer allen Grenzen der Möglichkeit und Schicklichkeit liege, so offenbarte er sich als ein verständiger Mann niemandem und wagte nicht einmal, sich der Königin selbst nur durch einen Blick zu entdecken. Obgleich er nun gänzlich hoffnungslos war, so tat er sich doch bei sich selbst etwas darauf zugute, daß er seine Gedanken so hoch hatte steigen lassen und, vom Liebesfeuer ganz entzündet, gab er sich Mühe, es allen seinen Kameraden in allem, von dem er glaubte, daß es der Königin gefallen könnte, zuvor zu tun. Dadurch geschah es, daß die Königin, wenn sie ausritt, weit lieber das Pferd ritt, das dieser wartete als ein anderes, und dies rechnete sich jener zur höchsten Gnade, ging alsdann nicht vom Steigbügel weg, und schätzte sich glücklich, wenn er ihre Kleider berühren durfte. – Aber wie wir dies häufig sehen, daß die Liebe um so stärker wird, je mehr sich die Hoffnung verringert ...«
[125]Das ist schrecklich lang; kann man denn da nichts überschlagen? Läßt sich das Buch geben. – Na, ich glaube, jetzt wird's etwas lebhafter. Lies 'mal zu!
.. Je mehr sich die Hoffnung verringert, so geschah es auch bei diesem armen Reitknecht, der sein verborgenes Verlangen, das von keiner Hoffnung gelindert war, kaum mehr ertragen konnte, und oft, da er sich von dieser Liebe nicht losmachen konnte, den Entschluß faßte, zu sterben ...«
Wer ist diese Person? – Als keine Antwort erfolgt. Wer hat Dich herein gelassen? – Woher kommst Du? – Kommst du von drunten? – Bist Du eine Gestorbene? – Oder 'was Besseres? – Eine Heilige? – Was willst Du hier? – Mir Konkurrenz machen? – Mit welchem Recht ...? Fängt zu zittern an.
Gefallen? – Nein, dazu ist sie zu schön. Dieses Biest schlägt alles im Himmel und auf Erden. – Ich erwartete ein Scheusal.
»Gnäd'ge Frau! – Gnäd'ge Frau!« Ich bin die Immerwährende Jungfrau und Allerseligste Gottesmutter! – Merk' Dir's! Mit einem Blick auf das Weib.
Ja, ja! – Ganz richtig! – Jawohl! – – Aber warum so blendend? – Das reine Entzücken! Zum Teufel gewendet halblaut. Kann man sich hier 'was vergeben?
Gewisse Geheimnisse Unserer Fabrikation können Wir nicht mitteilen; – indes – die Mutter kann ich Dir nennen.
Eine gewisse Salome, – die schöne Köpferin, – die sich mit einer Schnellung ihres Tanzbeins einen warmen Menschenkopf holte.
Und dieses keusche Entzücken, dieses unvergleichliche Auge, dieser Impuls voll überirdischer Lust, dieser Gedanke von übermenschlicher Güte und Mitleid soll die Menschen, sagst Du, vergiften und verderben?
Kann es das? – Ich sag Dir, das in ihr verschlossene Gift ist so stark: nach vierzehn Tagen soll der, der sie berührt, mit Augen wie Glasklicker in die Welt schauen; seine Gedanken gerinnen ihm, und er schnappt nach Hoffnungsluft, wie ein trocken gewordener Fisch; nach sechs Wochen betrachtet er seinen Körper und fragt: Bin das ich? die Haare fallen ihm aus, die Wimpern fallen ihm aus, die Zähne fallen ihm aus; Gebiß und Gelenke werden wackelig; nach drei Monaten ist er an seiner Menschenoberfläche durchlöchert, wie ein Sieb, und er spekuliert an den Schaufenstern herum, ob man etwa eine neue Menschenhaut kaufen kann; die Verzweiflung rinnt ihm nicht nur im Herzen zusammen, sondern läuft ihm stinkend auch zur Nase heraus; die Freunde begucken sich gegenseitig, und wer in der ersten Phase der Vergiftung ist, lacht den aus, der sich in der dritten oder vierten befindet; nach einem Jahr fällt ihm die Nase in den Suppenteller, und er läuft zum Kautschukhändler, um eine neue zu kaufen; dann verzieht er, geht an einen andern Ort, wechselt sein Handwerk, wird mitleidig und sentimental, tut keinem Tierlein 'was zuleide, entwickelt [128] moralische Gesinnungen, spielt mit den Mücklein in der Sonne und beneidet die jungen Bäume im Frühling; er wird katholisch, – wenn er protestantisch war; und protestantisch, – wenn er katholisch war: nach zwei, drei Jahren liegen ihm die Leber und die großen Drüsen wie Mörser im Leib und er denkt auf lockere Speisen; dann gimpelt's ihm im einen Aug', nach einem weiteren Vierteljahr ist es zu; nach fünf, sechs Jahren beginnt ein Zucken und Schießen im Körper auf und ab, wie ein Feuerwerk; er geht noch spazieren, und fleißig sieht er nach, ob die Füße noch unter dem Leib hervorkommen; noch etwas später zieht er es vor, im Bett zu bleiben; er liebt die Wärme; nach acht Jahren etwa nimmt er sich eines Tags einen Knochen aus dem eigenen Gebäu, beriecht ihn, und schmeißt ihn voll Grausen in die Ecke; er wird dann fromm, frömmer, am frömmsten; er liebt die Maroquin-Bände mit Goldschnitt und einem Kreuz darauf; und nach zehn Jahren liegt er schlank dort, ein verwelktes Skelett, mit gähnend gegen den Plafond aufgesperrtem Maul, das »Warum« fragt und stirbt. – – Die Seele gehört dann Euch! –
Nein, niemand soll herein! – Nachdem sie vor der Türe die Kommenden erblickt. Nein, mein Sohn soll nicht herein, kann nicht herein, darf nicht herein; Zurückkehrend, wild. Schaff' mir das Weib aus dem Haus! – Tu' mit ihr, was Du willst; aber fort, fort! – Augenblicklich! –
Liebe Maria, Immerwährende Jungfrau, Allerseligste Gottesgebärerin, ich hätte noch einige Wünsche, [129] ich denke, ich verdiene doch, ... Du weißt ...
Freund, Du denkst nur viel zuviel! – Ich will mir's überlegen, was ich befürworten kann; – aber jetzt fort! –
5. Akt
1. Szene
Erste Szene
Hoc est enim Corpus meum 1. – Das Flüstern und Zischeln geht weiter. – – Hic est enim Calix Sanguinis mei, novi et aeterni testamenti; mysterium fidei; qui pro vobis et pro multis effundetur in remissionem peccatorum 2.
Fußnoten
1 Denn dies ist mein Leib.
2 Denn dies ist der Kelch meines Blutes, des neuen und ewigen Bundes – das Geheimnis des Glaubens – welches für euch und für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden.
3 Die reine Hostie, die heilige Hostie, die makellose Hostie.
4 Das heilige Brot des ewigen Lebens und den Kelch des immerwährenden Heils.
5 Von Ewigkeit zu Ewigkeit.
6 Lamm Gottes, das du trägst die Sünden der Welt ...
7 Erbarme dich unser! –
8 Lamm Gottes, das du trägst die Sünden der Welt, schenk' uns Frieden.
9 Der Herr sei mit Euch.
10 Und mit deinem Geist.
11 Soviel wie: die Messe ist vorbei.
2. Szene
Zweite Szene
Jetzt zu den Kardinälen! Dann zu den Erzbischöfen! Dann zu den Gesandten! Erst zu den Gesandten der italienischen Staaten; dann zu den fremdherrlichen Gesandten! Dann zum Camerlengo! Dann zu den Neffen des Papstes! Dann zu den Bischöfen! Dann durch alle Klöster durch! Dann zu dem übrigen Menschenpack! – Tummle dich und halte die Rangordnung ein! – Weib langsam ab.
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- TextGrid Repository (2012). Panizza, Oskar. Dramen. Das Liebeskonzil. Das Liebeskonzil. TextGrid Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-6706-B