[Widmung]
[1] ERNEST RENAN
deßen »ANTECHRIST« für den Verfaßer bei
Ausarbeitung seines Buches von tiefer
und nachhaltiger Anregung war
Ihm und seinem Andenken
sei das nachfolgende Werk mit dankbaren
Empfindungen gewidmet.
[1][3][1] ERNEST RENAN
deßen »ANTECHRIST« für den Verfaßer bei
Ausarbeitung seines Buches von tiefer
und nachhaltiger Anregung war
Ihm und seinem Andenken
sei das nachfolgende Werk mit dankbaren
Empfindungen gewidmet.
[1][3]Personen.
Ach! – ich hab' dir doch gesagt, du kanst mit Hexametern hier nichts machen! ... Laß doch den alten Homer schlafen! ... Nimm das bukolische Maas ...
Heil Kypris! Der Schaumgeborenen! Der dem Meer Entstiegenen ... Laßt sie umschlingen! ... Laßt sie die Welle umkosen! ... Sie blikt die Herumsizenden mit liebeserfülten Bliken an.
Nu fängt Die wieder an! ... Kind, ich sag' dir, wenn jetzt noch einmal den Mund auftust, übergebe ich dich, weiß' Juno! dem Gladjator zur Züchtigung! ...
Mein leztes Wort! – Zu Lukanus. Wir können derartige feine Stoffe – wie soll ich sagen?: – nicht lüsterne, sondern in Lust getauchte, in Wonne und Heiterkeit lebende Stoffe, derartig heikle Materjen, sozusagen in durchsichtige Gewänder eingeschloßene Materjen, nicht mit diesem breiten, ermüdenden Versmaas mehr geben ... die Richter ermüden ja! ... ich hätte als Richter Phrynen auch nicht freigesprochen – wenn ich erst ellenlange, motivirende Hexameter hätte mitanhören müßen ...
Ja, dann kann ich es nicht machen! ... ich kann nicht mit einem solch' komplizirten Stoff mich in ein neues Versmaas hineinarbeiten ...
Gib 'mal her! – Was hast du denn geschrieben? – Lukanus reicht ihm die Rolle – liest. – – wär' ganz gut! – die Gedankenfolge ist ganz gut – nur dieses Prügelversmaas von Hexameter! ... es erschlägt Einen förmlich ... Mit einem plözlichen Entschluß. Also! – Zu Terpnus. kanst du ein paar Akorde einlegen? ...
... ich laße also den Eingang weg, und beginne, wo Hy perides seine Verteidigung geendet, und die Richter, wie es scheint, unbewegt, in düsterem Schweigen verharren ... nur um die Stimmung anzudeuten, die über dieser ganzen, fast keuschen Szene liegt ... Er gestikulirt mit der rechten Hand. [8] nur und mit einem schmeichelnden, anschmiegenden Versmaas dieser ganzen zauberhaften Situazjon gerecht zu werden: – Auf den hintern Polstern erheben sich Einige, Andere lauschen in halb-liegend-aufgereckter Stellung. –
– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
und unberührt, in eisigem Schweigen,
verharren die Richter.
So ungefähr – meine ich – könte man den Vorwurf behandeln – ohne irgend Etwas vorschreiben zu wollen – ohne mich auf ein bestimtes Versmaas kapriziren zu wollen – sei es nun das Bukolische, sei es das Asklepiadeïsche – nur den Hexameter – meine ich – könte man vielleicht – gerade in diesem Fall – umgehen – oder ihn doch nicht für die entscheidende, mit dem ganzen Entusiasmus einer himmelentstiegenen, Kraft-erfülten Szene in Anwendung bringen wollen ... Akte, ein junges Mädchen, lange, schlanke Figur, ganz in Weiß, mit schwarzen Haaren, ist während der letzten Rede im Hintergrund von Rechts aufgetreten, und lehnt traurig und verkümmert an der rechten Säule des Eingangs. – Man hat sie beobachtet, Alles schaut auf sie hin, und es wird plözlich ganz still. ... – Was ist? – Was gibt's? – Sich umwendend, Akte gewahrend. Akte! – mein Mäuschen, – komm! was fehlt Dir? – Akte kommt mit den Allüren einer der Furcht noch nicht ganz entratenen, ehemaligen Sklavin, die rechte Hand an die Wange gelegt, langsam näher, sezt sich von rückwärts auf das Polster links neben Nero, an den sie sich vertraulich anschmiegt. – Ja, das ist mit diesen Kindern! ... [10] hat die Liebe erst ihr Herz berührt, dann flattern sie freudig, wie Schmetterlinge, gegen die Sonne, – und hat sie die Liebe verlaßen, dann laßen sie die Flügel hängen, und der Flug wird matt und träg, wie in der Dämmerung ... Zu Akte. sei fröhlich, komm', wende dich, sieh her: bekränzte Knaben, bekränzte Gespielinnen ... Vertraulicher. – nicht immer bleiben Herzen beisammen, – man tauscht, man verändert sich ... du Närrchen! ...
Zäsar, du hast mich mit Kleidern und Kostbarkeiten beschenkt, hast mir ein Landhaus und Sklaven zur Verfügung gestelt, hast mich, die Sklavin, zu dir erhoben, mich deiner Liebe gewürdigt ... du hast mir nie einen Wunsch abgeschlagen! ...
Hemme die Strafen! – Laß der Qualen genug sein!: Plözlich mit aufschreiendem Schmerz hinausdeutend. – draußen bren nen lebende Menschen auf hohen Standarten – das bläuliche Talg fließt von ihren Gliedern – und unten stehen ihre Brüder und Schwestern – um die verkohlten Teile zu sammeln – und deine Wächter jagen sie fort – wie man die Geier vom Aase jagt ... Sie bricht in wimmerndes Schluchzen aus.
Ja, sind denn Die noch nicht fertig? – Zu Akte. Aber, Kind, was geht denn das dich an? Bist du denn eine Christjana? – Akte verneint heftig kopfschüttelnd. – Zu den Tischgenossen. diese Sklavenart läßt halt nicht von ihresgleichen ... Er erhebt sich; Alle stehen auf; die Stimmung ist plözlich umgeschlagen; auch Akte hat sich erhoben und geht schluchzend zur Seite. – Ruft nach hinten. – He da! Zenturjo! – Zenturjo tritt ein. – Ist denn die Illuminazjon nicht zu Ende? –
[11]Die Fakeln solten unterhalten werden bis nach Schluß des kaiserlichen Banketts, – damit die Herrschaften nach Hause finden.
Na, was hast du denn? – heraus!Auf den Tisch zeigend. ich habe hier Maßen zu korrigieren! – Du hast etwas! – Also los! –
Zäsar, ich werde alt – Fährt sich über den Kopf. die Gedanken wollen mir nicht mehr recht Stand halten – bin müd'! – du hast mich mit Gunstbezeugungen überhäuft – ich passe für das moderne Leben nicht mehr – die Verantwortung ...
Geht das wieder auf ein Demißjons-Gesuch hinaus? – dann mach' die Sache kurz! – Ärgerlich. beim Herkules! ich bin doch wahrhaftig nicht dazu da, um jeden Tag vor meinen Ministern auf den Knieen zu liegen und sie um der heiligen Roma willen zum Bleiben zu bewegen? – Seneka macht eine [13] feierlich-sich-verwahrende Bewegung. – Alles hab' ich dir bewilligt! Alles zugestanden! Die drükendsten Forderungen erfüllt, nur um deine kostbare Anwesenheit mir zu erhalten ...Seneka lehnt das Alles weit von sich ab. – und jetzt immer noch nicht genug? – komst jetzt mitten in der Nacht! – zu meiner besten Zeit! – und störst mich, – und ärgerst mich! ... Was soll ich noch tun? – Ärgerlich. ich kann den Staat nicht in eine stoïsche Gelehrtenrepublik verwandeln! ... Seneka erscheint schwer getroffen. – Meinst du denn, daß wir unser Leben in Aerger und Kummer verbringen wollen? – Das Volk will Freude, will Lustbarkeit! – – – Holt eine der Papierrollen vom Tisch. da lies! Das neue Gedicht von Vatinius – man singt es in allen Gassen! – es ist – es ist gar nicht von ihm! – es ist nach einem alten Gaßenhauer von Vatinius zurechtgezimmert – aber nach Strofen, die direkt im Volk umhergehen – wie das schnalzt! wie das schreitet! – 'n Bischen pöpelhaft, 'n Bischen lasziv, wie die Leute ohne das nicht auskommen – aber das Ganze voll Behangen, voller Lebenslust ... Schmunzelnd, sich entschuldigend. zum Beispiel: die Wendung, wo der Kaiser als Vater des Vaterlandes auch in dem höheren, erhabenen Sinne aufgefaßt wird, daß er der Vater der meisten unehelichen Kinder sei ... na ja, beim Zeus! es ist 'n Bischen kräftig – – und dann die zierliche Wendung: es möchten die künftigen Kinder Rom's sich beeilen, den Kaiser sich als Vater auszusuchen ... aber das Ganze! – die Stimmung, die über dem Ganzen liegt Gibt ihm die Rolle; Seneka prüft nur oberflächlich. – das ist der Ausdruk des Volkes! – das ist direkt der Ausdruk der Volksseele! – das Volk will genießen, es will sich freuen, – es versteht Nichts von eurer Selbstmord-Filosofie ... Seneka wendet sich finster ab. –Ärgerlich. es ist ja wirklich wahr! – – Plözlich zu einem andern Gedanken übergehend. das Volk liebt mich! – [14] das Volk hängt an mir, – ich weiß das! ich fühl' das ... das sieht man ja doch, wenn man durch die Straßen geht, was künstlicher Entusjasmus ist, was herzliche, aufrichtige Zustimmung ist ... erinnere dich an das rote Gesicht von dem Fleischer Galba gestern – das glühte ja wie Wassermelone – und wie der jauchzte und mit den Blutwursthänden aplaudirte! ... ja, das sieht man gleich, das ist herzliche Zustimmung – so 'was können unsere Klakörs nicht machen ... Zornig. Wolt ihr mir das Volk abspenstig machen? ... Seneka verwahrt sich hoch und heilig. – Na ja, – also um was handelt es sich? –
Die Massenhinrichtungen der Christjani – im Zirkus – und in deinen Gärten – haben böses Blut allenthalben gemacht! –
Ja – ja ja – ich dacht' mir's doch! –Ernst. das war ganz unvermeidlich! – das war durchaus notwendig! – das war der Ausfluß einer wolüberlegten, tiefdurchdachten Regierungspolitik ... das nehm' ich auf mich! –
Wenn Die in ihren transtiberinischen Bezirken nur nichts Schlimmeres gerochen haben als Menschenfleisch! ... Nach der andern Seite deutend. und wenn nur die Herren Aristokraten auf ihren Besizungen endlich ihre pestilenzialischen Sümpfe austroknen wolten, statt mir bei meinen Straßenbauten, und bei meinen Versuchen, das Meer zu gewinnen, bei jeder Gelegenheit den Weg zu verlegen – dann wollte ich ihnen gern die Christjani bei lebendigem Leibe überlaßen! ... Soll ich vielleicht noch verantwortlich sein, daß der Ostwind nicht eingefallen ist? ...
[15]Schon die Hinrichtung der vierhundert Sklaven im vorigen Jahr bei Ermordung des Pedanius hat tiefe Verstimmung hervorgerufen! ...
Ja, das ist aber die Vorschrift des Gesezes! – das Gesez verlangt, daß bei Ermordung eines freien Bürgers seine sämtlichen Sklaven für den einen Uebeltäter aufkommen.
Die Juden? – Die Juden sind mir die verläßigsten Staatsbürger. Sie sind willig, erfahren, geschikt, zu Allem brauchbar, laßen sich überall verwenden, rufen unsere Götter an, opfern unsern Göttern, schiken sich in die Verhältniße, sind fleißig, streben nirgends über ihren Stand hinaus – während diese Christjani mit ihrem unheimlichen Blik, ihrem anmaasenden Dünkel, ihren magischen Zusammenkünften in den finstern Löchern unter der Erde, ein subversives, umstürzendes Element bilden – einen Staat im Staate – die stets bereiten Truppen einer revolutzjonären Bewegung! – Diese Leute müßen ausgerottet werden – stinkt es dabei, um so schlimmer! ... Burrus, dunkelbärtig, großgewachsen, mit zwei Bewafneten tritt ein. Ah, da ist Burrus! – Burrus winkt die Bewafneten ab. – Zu Burrus. Sieh' mal!: ich soll hier Rede stehen, daß ich diese Geheimbündler, diese Christjani, für die ungeheuren Laster und Verbrechen, die sie angehäuft haben, endlich zur Rechenschaft gezogen habe ... Seneka verwahrt sich gegen diese Wendung.
Diese Hinrichtung war notwendig! – Das Volk verlangte sie! – Es hat überall den besten Eindruck gemacht. – Man atmet wieder auf[16] und fühlt sich von einer schweren, verhängnisvollen Last befreit.
Herr! Erlaube, daß ich mich entferne ... noch heute ist Senatssizung, wo ... wichtige Beratungen ... meine Anwesenheit ...
Ah, diese Stoïker! – diese Weltfilosofen mit ihrer Verbrüderung und Menschenliebe ... ich möchte einen dieser Weisheitskrämer nur einmal einen Tag an meinem Plaze sehen ... das Unglück ist ...
... er hat nur zu viel Anhänger im Volke! ... die Leute glauben wahrhaftig, diese Gelehrten, die gelegentlich über die Götter schreiben, hätten die Gottheiten selbst in ihrem Sak ...
Er ist ein Ateïst, wie die andern Alle ... und tut schön ... und opfert ... um das Volk glauben zu machen ...
Das Schönste ist: tust du etwas Gutes, übst du Milde, begnadigst du, dann heißt es: er folgt Seneka's Spuren; seht den treflichen Lehrer und seine Prinzen-Erziehung! ... Tust du Etwas, was dem Volk misfält, dann murren sie, laufen zu Seneka und schimpfen über dich! ...
So weit wird es wol nicht kommen! – Er ist alt und – vor ehrgeizigen Plänen sicher; auch behagt ihm sein Einsiedlerleben auf seinem suburbanichen Landsiz unter seinen Büchern besser, als die politischen Veleïtäten an einem so stürmischen Hof ...
Er hat es nicht überwinden können, daß ich mich von seiner Staatskunst emanzi pirt [17] habe ... daß ich ihm über bin! ... Jetzt kramt er mir diese Christensekte aus ... er, der an keine Unterwelt noch an eine Götterwelt glaubt! ... der die magischen und augurischen Künste verachtet ... dessen Intelekt sein einziger Gott ist ...
Das heißt: die Massenmezelungen der Christjani – in diesem Umfang – haben im Volk Nero nimmt gereizt Stellung. – Einlenkend. wenngleich der politische Schachzug als solcher berechtigt erscheinen mag – Betonend. haben im Volk Verwunderung und Unwillen erzeugt!
... als politische Maasregel gutgeheißen!Sehr bestimmt, wenn auch vorsichtig. da das Volk den Anstifter jenes fürchterlichen Brandes, der zwei Drittel Rom's in Asche legte, im kaiser lichen Palast vermutete, so mußte Etwas geschehen, um seinen Gedanken eine andere Richtung zu geben ... Nero steht betroffen, blikt Burrus direkt an. – aber in dieser Ausdehnung! –Mit großer Geste nach hinten weisend. – zwei Miljen weit leuchtend die Fakeln bis nach Kampajen – als wenn wir die Saturnaljen-Feuer angezündet hätten! – und wenn man dann frägt: was da brent? – und hört: lebende Menschen! – Christjani! – dann erfaßt troz des Haßes, der an diesem Namen haftet, die Leute ein Grausen ... die Feuer- Garben rufen ihnen den ersten großen Brand der Stadt in die Erinnerung – und, wie das geht, fragen sie jezt wieder nach einem Brandstifter! ...
Herr, ich konte es nicht über mich gewinnen, die Posizjon eines Mannes in deiner Gegenwart [18] zu stärken, der deine Gnade verloren hatte, und dessen Abtreten vom Schauplaz nur eine Frage der Zeit ist ... so wenig ich vermocht hätte, vor ihm die neuesten Vorgänge im Senat Weist auf eine Rolle, die er in der Hand hat. zu erörtern Mit gemachter Betonung. die dein Ansehen zu schmälern geeignet sind und einer dringenden Abhülfe bedür fen ...
... äh ... Anti stius – du kenst ihn! – ein frecher Patron – der schon damals, vor fünf Jahren, als die Klaköre der Schauspieler im Gefängnis lagen, in seiner Eigenschaft als Tribun deren widerrechtliche Freigebung befahl ... ein Mensch, der sich auf sein Dichter-Talent Unmäßiges einbildet – und dabei seine Amtspflichten versäumt – hat in einem pöpelmäßig gemeinen Libell »das Leben eines Zäsar« dich – du kannst dir denken wie? – verherrlicht, – Leiser. deine geheimsten Beziehungen an den Pranger gestelt – und das Ganze im Kreis tafelnder Freunde – meist Prätoren und liederliche Juristen – unter Hohngelächter vorgetragen. – Er wurde denunzirt, und die Sache kam an den Senat. – Die Angelegenheit war nun soweit ganz glatt: einschlägig war der Paragraf des Zwölf-Tafel-Gesezes »si quis occentavisset sive carmen condidisset ...« 1 und die Strafe war: bei eingezwängtem Hals und entblößtem Leib zu Tode gepeitscht zu werden. – Nun erhob sich unter den Reihen der Senatoren ein Sturm der Entrüstung: Zäsar werde doch nicht dieses veraltete Gesez gegen einen so armseligen Dilettanten zur Anwendung bringen, – gerade Zäsar, der kaiserliche Sänger und Bruder Apoll's, werde einen so armseligen Kläffer, [19] der in Trochäen kakt, mit Verachtung von sich stoßen, und niemals gutheißen, eine so maaslose Strafe zur Anwendung zu bringen, und damit etwa dem Verbrecher noch eine dichterische Bedeutung zu vindiziren ...
... hätten einfach die Strafe nach dem Gesez aussprechen sollen, und dann zusehen, was meine Milde beschließt ...
Das sagte ich auch! – aber Thrasea – du kennst ihn – einer der Wütendsten der stoïschen Schule, der natürlich die Gelegenheit gekommen glaubte, seine Menschheits-Ideale leuchten zu laßen, meinte: du würdest es übel nehmen, in deinem Namen, oder in deinem Betreff wegen eines Schmähgedichts die Totesstrafe auszusprechen ... ein so gütiger Kaiser! ...
Gütiger Apollo! – es sind Hexameter: man glaubt einen Mezgerkarren die Appische Straße herunterkollern zu hören ... kaum wert, dir für die nächste halbe Stunde dein feines Gehör für Silbenmaas zu verderben ...
... Es beginnt mit deiner Jugend – spricht von den rohen, trunksüchtigen Anlagen deines Vaters, von der Lasterhaftigkeit deiner Mutter – und erzählt von den ungünstigen Vorzeichen, die bei deiner Geburt gewaltet haben, – es meint, daß es schon zu Beginn ein Beweis von der Unverbesserlichkeit deiner schlimmen Eigenschaften gewesen sei, daß [20] selbst eine so sorgfältige Erziehung, wie die Seneka's, nichts über dich vermocht hätte, – Erregter. es sagt, daß du den Britannikus vergiftet, um den rechtmäßigen Tronerben aus dem Wege zu räumen, und der Lokusta, der Giftmischerin, Straflosigkeit für ihre übrigen Schandtaten für den Fall des Gelingens zugesichert habest, – daß du den Tanzlehrer Paris aus Zorn über deine eigene Ungeschiklichkeit im Tanzen habest zu Tode quälen laßen – daß du als Roßkutscher verkleidet dich Nachts in Kneipen und Vordellen herumtriebest, um mit den Leuten Händel anzufangen, oder an Frauen, die in Begleitung ihrer Ehemänner seien, unzüchtige Anträge zu stellen, – daß Julius Montanus, ein Mitglied des Senats, der bei solcher Gelegenheit sich gegen dich gewehrt, sich habe die Adern öffnen müssen, um nicht eines Majestäts-Verbrechens angeklagt zu werden – Er spricht sich immer mehr in Patos und gestikulirt gegen Nero so, daß das Referat über das Schmähgedicht allmählich den Charakter einer fulminanten Anklage annimt. – daß du deine Mutter ermordet, nachdem es dir zweimal mißglükt, durch eigens herbeigeführte Umstände sie das einemal erschlagen, das anderemal auf dem Meer Schiffbruch leiden zu lassen – daß du dann Dank- und Freudenfeste habest abhalten lassen, darüber, daß es dir geglükt, den angeblichen Anschlägen deiner gemordeten Mutter auf dein kostbares Leben zu entgehen, – daß du dir die Köpfe der Legaten Sulla und Paulus aus Gallien und Asien habest holen lassen, nur weil der eine den Namen eines berühmten Revolutionärs getragen, der andere durch seine glänzenden Siege sich dir verdächtig gemacht, – daß du bei den obszönen Festen am Agrippi nischen See die senatorischen Frauen genötigt habest, sich deinen Sklaven und Freigelassenen preiszugeben, nur um deine fixe Idee von griechischer Sinnenlust und freier Liebe zu verwirklichen, – daß [21] du wie ein Kitaröde und Bäkelsänger ganz Griechenland durchzogen, und diese doch von Rom abhängige Provinz, ihre Bürgerschaften und Munizipalitäten gepreßt habest, dir für deine Stümpereien auf der Harfe und deine gaumige Altstimme Siegeskränze – ich weiß nicht: ich glaube in der Höhe von 1800, zu verleihen, womit du dann einen Triumf in Rom abgehalten, – daß du den alten und verdienten Finanzminister Pallas in den Tod getrieben, nur weil er ein Freund deiner Mutter gewesen, und um sein unermeßliches Vermögen einzuheimsen, – daß du Italien und die Provinzen durch willkürliche, unerhörte Steuerauflagen schröpfest und das Land dem Verderben entgegenführest, – Steigert sich neuerdings, mit großer, innerer Teilnahme. daß du die liebenswürdige, 20-jährige Kaiserin, den Abgott des römischen Volkes, erst habest des Ehebruches bezichtigen laßen, dann der Verbanten heimlich die Adern öffnen, und sie endlich im heißen Bade habest erstiken laßen, nur um die abgefeimte Buhlerin Pop päa Sabina ehlichen zu können ... Burrus atemlos.
Dann der Brand! – Er weist nach hinten. – der Brand! – das Feuer! – das Feuer! – wenn man Menschen hinrichten wolle, könne man sie erdroßeln, oder zum Tarpejschen Felsen hinabstürzen – aber verbrennen! – lebendig verbrennen – aus Illuminazjonsgründen – als Feuerwerkskörper – das prözelnde Menschenfleisch! – das Geschrei nach Jesus! – der Geruch! ...
... Einer solchen furchtbaren Schmähung gegenüber [22] ziemte es einzig dem Senat, die volle Strenge des Gesezes walten zu laßen. Ein Verhaftsbefehl gegen Antistius ...
Es ist gut! – Da Burrus verhart. – Es ist gut! Wir werden in dieser Sache unsere Entschlüße dem Senat wißen laßen! – Burrus zögert, verbeugt sich, dann nach rechts ab. – Nach einer Pause sich umkehrend, in voller Faßung, mit wilder Gewalt nach Hinten schreitend, mit gebalter Faust. Ha, Kanalie! ... ist das die Art, wie Ihr mir komt!? ...
Ich will Plaz – ich will Raum haben! – ich muß wehren können. – Fort mit diesen schlangenhaften Kreaturen! – Noch immer nach Hinten drohend. diese Senatoren sollen sich nicht zwischen mich und das Volk stellen! – ich will selbst zum Volk, mich direkt an das Volk wenden ... Zu Tigellinus. Eile in den Senat, dem Burrus die Entsezung von dem Komando der Prätorjaner anzukünden! – Laß das Volk wißen, daß ich große Zirkusspiele und Pantomimen für die nächsten Tage angesetzt habe ...
Verteile sämtliches Getreide gratis an das Volk. – Sag' ihm, daß mein Herz ihm freudig entgegenschlägt – daß ich nur ruhig bin, wenn ich mein geliebtes römisches Volk glüklich weiß! ... Du übernimst von heute an das Komando der Prätorjaner-Kohorten. Jedem der Prätorjäner zahle sofort 4000 Sesterzien aus – sage ihnen: als Ausdruck meiner kaiserlichen Fürsorge für sie und aus Freude über [23] deine Ernennung ... Kündige dem Volk große Tierhazen und Wettrennen an: ich selbst werde den Rennwagen besteigen und um die Gunst und den Beifall meines geliebten Volkes kämpfen ... Eile, eile! Tigellinus nach Links ab. –Nach Rechts sich wendend, nochmals die Faust ballend. Ha, Kanalje!! ...
Sie wurde von ihrem Vater weggerißen. Dann warf sie sich dem Zen turjo in den Weg. Als man sie losmachen wolte, wurde sie mit der Manipel handgemein. So wurde sie mitgenommen.
Laßt mich sie sehen! Laßt mich sie umarmen, sie küßen! Sie drängt sich in den Kreis; wird aber von den Mädchen gewaltsam zu ihrem Plaz zurükgeführt.
Sezt sie zur Domitilla! Sie geht mit der Lampe voraus, zwei Fakelträger folgen, dann die zwei Leichenträger mit der Leiche; Mädchen und Frauen, die Schmuk und Kräuter von dem Sarkofag genommen, mit ihren Lampen zum Schluß; sie beschreiten den linken, seitlich abgehenden Stollen, wo sie verschwinden. Erste Christjana bleibt mit Mädchen und Frauen zurück. – Andere gehen mit ihren Lampen in andere Stollen.
Man kann die Leichen nicht abnehmen; sie brennen noch; und der Geruch erstikt die Leute Sezen die Leichen ab. –
Es sind zwei Männer, aber unkentlich. Bart und Gesicht verkohlt. Einige sagten: es sei Melchiades, Vater und Sohn. Sie waren an einem Pfahl ... Man hört schluchzen. –
Sezt sie zu Vitalis, – übereinander! Sie heben die Leichen auf; Mädchen mit Lampen gehen voraus; der Transport schwenkt rechts ab; Mädchen mit Kräutern folgen.
Es ist Demetrius! – Er war mit Melania versprochen! – Sie solten heute zusammengegeben werden. Schluchzt.
Dort glüht noch Alles. – Die Brüder wurden erst später entzündet, erst gegen Mitternacht, und sind jetzt noch in voller Glut ... doch können dort die Leichen in nächster Nacht gefahrlos geholt werden: der kaiserliche Präfekt ist unser Freund, und will uns wol ...
Es braucht noch Raum für über Zweihundert – die aus den Gärten – die vom Zirkus – die aus den Aemiliani'schen Grundstüken – zusammengenommen: über Zweihundert; – ohne die, die schon beigesezt sind ... die Brüder sind schon bestelt ...
Er ist auferstanden! – Christ ist erschienen – Klaudius ist auferstanden! – Kallistus ist auferstanden! – Mein Bruder ist auferstanden! – Mein Verlobter ist auferstanden! – Meine Schwestern sind alle auferstanden! – Sie kommen Sie deutet hinaus, woher sie gekommen. auf [29] weißen Roßen – sie leuchten wie die Sonne – ihre Lippen sind wie Rubin – ihre Kleider glänzen wie der Schnee auf dem Libanon – in Gloria und Herlichkeit – Hosianna! – Hosianna! ...
Sie sah ihren Verlobten auf dem Pfahl – in den Gärten – halb erstikt – sie wollte ihn herunterreißen – sie wollte mitverbrennen – schrie in Einem fort seinen Namen – durch die Nacht – lief bis zum Morgen in den kaiserlichen Gärten herum – immerfort den Namen des Verlobten rufend ...
... Der Kaiser befahl Stillschweigen – er wolte ruhen – die Wächter brachten sie nach Hause – sie schrie wol die halbe Nacht – fantasierte – heute Morgen ist sie entflohen – die beiden Schwestern suchten sie durch ganz Rom ...
... Komm, meine Taube! – du Tochter Jephtas – ergöze dich mit mir! – Sie betrachtet entzückt die Andern. wie schön ist dein Gang in deinen Schuhen! – Sehet: mein Freund ist gekommen in seinen Garten, daß er eße von seinen Früchten – komt, liebe Schwestern, süße Braut, komt in meinen Garten – ich habe Myrren gebrochen und Würzen in meinen Kleidern – Sie einladend. komt Alle zur Hochzeit! ...
Sei ruhig, meine Tochter – der böse Geist hat dich umnachtet – und die Zartheit deiner Sinne in wilden Wahnwiz verkehrt – er gehet umher, wie ein brüllender Löwe – und suchet, den er verschlinget – er hat die Herzen der Heiden verstokt und ihre Sinne dem Bösen zugewant – er hat auch dich umfangen und Täuschung in deine reine Seele gegoßen – Tritt einen Schritt zurük. Weiche von ihr, böser Geist, und befreie die Seele von ihrem Wahn – du hast keinen Teil an ihr! ... Geht nach einer Pause auf sie zu, streichelt sie; – zu den Uebrigen. Bringt sie nach Hause! – Gebt sie den Schwestern! – Sie sollen auf sie Acht haben! – Sie wird heil werden! ...
...Annia in ihren Sinnen verwirt! – Die Schwestern geflüchtet! – Viele in ihren Schlupfwinkeln verhungert – Alle zersprengt und gehezt! ... Allgemeines Schluchzen und Klagen.
»Diese sind es, die gekommen sind aus großer Trübsal – und haben ihre Kleider gewachsen – und haben ihre Kleider helle gemacht im Blut des Lammes ...«
»... Sie wird nicht mehr hungern noch dürsten; – es wird auch nicht auf sie fallen die Sonne, oder irgend eine Hize .....«
»... Wer überwindet, dem will ich geben mit mir auf meinem Stuhl zu sitzen ... Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. So Jemand meine Stimme hören wird, und die Türe auftun, zu dem werde ich eingehen ...«
Ist das das Ende? – Das lezte Ende? – Alles tot! – Unsere Brüder tot! – Unsere Lieben alle erschlagen und gemordet Die Zunächstsizenden beruhigen ihn, er sinkt zurück und schluchzt krampfhaft weiter. –
»... Wer überwindet, der soll mit weißen Kleidern angetan werden – und ich werde seinen Namen nicht austilgen aus dem Buch des Lebens – und will seinen Namen bekennen vor meinem Vater, und vor seinen Engeln ...«
»... Siehe, ich sende Euch wie Schafe mitten unter die Wölfe – und müßet gehaßet werden von Jedermann, um meines Namens willen ...«
»... Fürchte dich vor Keinem, das du leiden wirst: Sei getreu [33] bis an den Tot, so will ich dir die Krone des Lebens geben ...«
»... Und Er wird sie weiden und leiten zu den lebendigen Wasserbronnen – und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen.« Er blikt Alle feierlich und freudig an.
Nein! – Beim Herkules, nein! Nein, ich bin nicht zufrieden. Ich schlafe schlecht – mög' mich Jupiter strafen: seit Wochen weiß ich nicht mehr, was gesunder Schlaf ist! ...
Träume, – Ahnungen, – schrekhafte Unterbrechungen ... aber auch bei Tag! – nein, nein, – es ist nicht in Ordnung ... ich bin müde, abgespant, verlezt, verbittert ... sag' mal: gibt es Träume bei Tag?
... ich meine: Zustände, Anwandlungen, die die Kräfte des Geistes, die bei Nacht wirken, bei Tag auslösen – sie – äh – gegen unsern Willen zur Entfaltung bringen ... uns ärgern, molestiren? ...
... Und Andere, – Nebenmenschen – die das in Einem zu Wege brächten ... die uns auf solche Weise zu nahe treten könten? ...
Nein! – Sicherlich nicht! – Und dann: wer würde es wagen, bei Dir, Zäsar, solches zu unternehmen? ...
... Na ja! – Dann sag' mal: – weshalb ich dich eigentlich rufen ließ: ... das Grabmal der Agrippina – ist das in Ordnung? –
... ist in Auftrag gegeben, – wird herlich ausgeführt ... Komt zu sich. Blumen sollen das ganze Jahr, – das ganze Jahr, – stets in schönstem, frischestem Schmuk dort prangenKurio verneigt sich. – das Beste und Schönste! –Kurio wie oben. – dann: die Manen sind versöhnt? – die Opfer gebracht? – Wein und Wolgerüche nicht gespart? ...
... der Tag der Feralien 6 nicht verabsäumt? ... Kurio wie oben. – Sich selbst verteidigend. man kann ja nicht mehr tun! – die Lemu ren an ihrem Festtag 7 versöhnt? ... die Lustrazjonen dargebracht? ...
... Dann: die Totenopfer für meinen geliebten Pallas? – für den gewesenen Finanzminister Pallas? – Kurio bestätigt. – sind ebenfalls besorgt? ... für Monta nus? – Kurio wie oben. – der arme Mensch, – 'tut mir leid! – warum mußte er mir auch Nachts begegnen! ... Auf den Kaiser einzuhauen! – auf seinen Kaiser einzuhauen! ... Kurio macht eine begütigende Bewegung. – ja, Unwissenheit schüzt eben hier nicht! ... Dann: was haben wir noch für Leichen?: – den guten Britannicus ... dessen Denkmal möchte ich besonders prächtig herausgerüstet wissen! – weil er [37] doch sehr nahe mit mir verwant war – und an Epilepsie litt! – der Aermste! ... seine Büste ist im Tempel der Minerva aufgestelt? – Kurio bejaht. – bekränzt?! – Kurio wie oben. – Wieder auf- und abgehend. dann: die eben beiden Halunken Plautus und Sulla ...
... da haben wir nur die beiden Köpfe ... und wo die hingekommen sind? ... na, ich will auch hier ein Uebriges tun, und für die Bei den Aschenurnen aufstellen ... es ist ja jammerschad!: solch' vorzügliche Feldherrn-Talente, solch' mustergültige Truppenführer ... aber, dabei bleibt es nicht, und dann wächst der Ehrgeiz, und dann sehen sie diese Maße Menschen zu ihrer Verfügung, und sehen Kränze und Diademe! ... und wenn man auch nie etwas Gewißes erfährt, – die Staatsräson muß hier vorbauen, muß hier eingreifen! ... also Zum Kurio. ich will für diese Beiden die Libazjonen bringen wie für jeden AndernKurio wie oben. ... dann: unsere liebe, gute, süße Oktavia Fängt zu weinen an. ... das herzige Kind, es tut mir wirklich leid! – Schluchzt, wischt sich ab. erst zwanzig Jahre alt! ... Zum Kurio. also hier soll Nichts gespart werden! ... Pentelischer Marmor zu deiner Verfügung, so viel du willst! ...
Leider gehört die Insel nicht zu meinem Bezirk! – die Kaiserin liegt auf Pandataria 8 bestattet ... doch will ich durch meinen Kollegen ...
Ja, tu' das! die Sache liegt mir am Herzen! – Dann: damit wir Nichts vergeßen ...für Poppäa habe ich blutige Tränen geweint – die ewigen Götter wißen es! Blikt schmerzvoll gen Himmel. und unendliche Klagegesänge angestimt! ... selbst gedichtet! ... Er ist schmerzlich ergriffen. ... die beste Kaiserin ist auf [38] ihren Wunsch nach jüdischem Ritus bestattet – ihr Sarkofag auf's glänzendste geschmükt ... hier ist Alles geschehen, was geschehen konnte ... dann: der arme Doryphorus, Tor quatus Silanus, der Tanzlehrer Paris ... Ärgerlich. beim Herkules! ich kann nicht an Alles denken, ich habe selbst den Kopf voll! ... morgen soll ich in den »Trojanern« auftreten, – hier Auf die Rolle zeigend. hat mir Luka nus ein Manuskript zum Korrigiren geschikt ...
Für diese und für alle Andern soll auf's Beste gesorgt werden; – die Totenopfer und Lustrazjonen werde ich selbst persönlich überwachen ... nach dieser Seite solst Du ruhig schlafen können, Zäsar – ein allgemeines Totenopfer soll außerdem die Manen aller Derjenigen besänftigen, deren Erinnerung Dir zu nahe treten könte, oder deren Namen du vergeßen haben soltest ... verlaß dich auf mich, Herr! ...
Und, nicht wahr, mein lieber, süßer Klaudius, du komst hie und da zu meinen kleinen Gesellschaften! – du solst die Ziter so gut schlagen – wir brauchen einen vierten Ziterschläger – Terpnus ist immer krank – und wir möchten nächstens eine kleine Pantomime »Bachus auf Naxus« aufführen ... nicht wahr, du komst! ...
Mein kaiserlicher Herr, was ich auf der Ziter verstehe, geht über das geringe Maas dilettantischen Könnens nicht hinaus, und ...
Das macht nichts! – Im Chor wirst du dich leicht anschließen ... du tust mir einen großen Gefallen ... und – äh – du verstehst: ich kann nicht Jeden zu mir ziehen – bei der eigentümlichen[39] Stellung, die ich einnehme, und – äh – bei der ungemeßenen Sucht Vieler, sich neben mir als Künstler auszuzeichnen ... muß ich so vorsichtig wie möglich sein ...
Und mit den Totenopfern und Versöhnungen werden die lieben und teuren Schatten, die von uns gegangen sind, unsere Absicht erkennen und ...
Die ewigen Götter bliken mit neidlosem Wohlgefallen auf jede unserer guten Taten und auch der düstere Fährmann, der die Seelen geleitet, ist nicht unversöhnlich! ... Er verabschiedet sich. Ab links.
Leb' wol, mein lieber Klaudius! – Die Götter schüzen dich! Wirft dem sich Entfernenden eine Kußhand nach; – komt zurück, bleibt plözlich stehen, legt die Hand an die Stirne, schmerzlich. Ach, diese Leiden! – dieses ewige Zuken! – diese Qualen! – und keine Ruhe ...
Laß sehen!Zenturjo öffnet den Sack, zeigt ihm den Kopf. –Zurückfahrend, von Schauder ergriffen. Oh! ...Zum Zenturjo. du mußt die Köpfe wa schen! ...das geht nicht! – man muß Alles richtig ausführen! ... ich sehe Menschenköpfe nicht ungern, – aber sie müssen sauber sein! – Der Tot hat etwas Rührendes, – in seiner wachsbleichen Starrheit etwas Friedliches, Versöhnendes – aber man darf den künstlerischen Eindruck nicht stören, – ihn nicht durch Schmuzfleke beeinträchtigen! ...Tritt neuerdings näher. Laß sehen! ... Zenturjo zeigt ihm neuerdings den Kopf. ... Die Nase ist auffallend lang; – Schmerzlich. es war ein prächtiger Mann! – aber zu lebhaft, viel zu lebhaft! ...Zum Zenturjo. Wie benahm er sich? –
Als ich kam, ihm den Tot anzusagen, schien er keineswegs bestürzt – nur die Frauen, die um ihn waren, und die Freunde, ergingen sich in lebhaften Klagen und Verwünschungen ... Bur rus schalt sie und frug: ob das die Grundsäze seien, die er stets hochgehalten, ob das die Lehren seien, die er ihnen stets gepredigt, – ob eine solche Haltung sich für Diejenigen zieme, die ... die ... zur Filosofie Er besint sich, scheint die Materje nicht ganz zu beherschen. ... er sprach von einer ge wißen Filosofie! ...
... er reichte dann ruhig die Hände hin und ließ sich die Adern öffnen ... wir hatten den Arzt gleich mitgebracht ... da aber das Blut in Folge seiner Erregung und Beklommenheit nur langsam zu fließen begann, so öffnete Chirurg auch die Adern an den Füßen und Kniekehlen ... so brachte man ihn dann in das heiße Bad, wohin ihm alle Freunde und die Freigelassenen mit Weinen und Klagen folgten ... von dort besprengte er dann die Umstehenden und sagte: er weihe diese Tropfen Jupiter, dem Befreier! ...
... da er aber nur langsam sich entkräftete, – und der Tribun mit der Meldung der vollzogenen Hinrichtung zurückzukehren sich zu beeilen schien – so tauchten ihn die Soldaten einigemale unter – dann hieben wir ihm den Kopf ab – den man uns dir zu bringen befahl ...
... Der Körper soll sofort bestattet werden – den Kopf gib hinzu – er mag ihn der Unterwelt gebrauchen können – und die Exsequien in der feierlichsten Weise abgehalten werden, auch die Opfer und Totenmahle auf meine Kosten in unverkürzter Weise dargebracht werden – wie für einen Mann, der durch zufällige und unglückliche Weise dem Staat und sich Verderben brachte, und so für seine früheren Verdienste nicht belohnt werden konte! ... Zenturjo ab.
Es ist mir leid um den Mann ... einen solchen Präfekten bekomme ich nicht wieder! ... aber er übermaas seine Kräfte – er übermaas seine [42] Kräfte .... Er sezt sich rechts vorn, in der Nähe der Grotte, in einen Gartenstuhl, und vertieft sich in die Rolle, deren Inhalt er mit Riken und Gestikulazionen begleitet.
Herr, Tigellinus und Epa phroditus kommen in großer Eile den Parkweg herauf – Soldaten und ein Teil der Prätorjaner folgen – es scheint etwas Wichtiges vorgefallen zu sein ...
... Vielleicht die parthische Gesandschaft mit Tirida tes, die wir jeden Tag erwarten, in Rom angelangt ... Berührt schmerzlich seine Stirne, für sich. mein armer Kopf! – ich bin nicht in der richtigen Verfassung ... die Leute haben uns besiegt, – und es gilt große Schlauheit ...
Herr, es scheint etwas Dringlicheres ... Ti gellinus ist außer Atem – – und weiter hinten kommen neue Truppen – neue Befehlshaber ...Nero wendet sich neuerdings nach hinten, bleibt in der Mitte der Bühne erwartungsvoll stehen. – hier ist Tigellinus selbst! ...
... ein unerhörtes Verbrechen! ... Zäsar! – ein Anschlag auf Dein Leben! ... seit Wochen vorbereitet – ist durch einen glücklichen Zufall an's Tageslicht gekommen – Mit warmen Patos, zugleich sich an die hinten Truppen wendend. die ewige Roma hat das Haupt ihres göttergleichen Schüzlings vor Mörderhänden bewahrt! ... Fortuna, die allgütige Göttin hat auf's Neue den stärksten Beweis von der Unersezlichkeit des allgeliebten Nero für Rom, für den Weltkreis geliefert! ... Er zieht sein Schwert. Heil, Zäsar! – Heil! ...
[43]Heil, Zäsar! – Heil! – Heil! – dem Liebling der Götter! – dem besten Kaiser, – Heil! Heil dem Woltäter des römischen Volkes ... Sie gestikuliren und unterhalten sich während des Folgenden lebhaft.
Gut!: Gestern komt Milichus, einer seiner Freigelassenen, ein entschlossener Bursche, und erzählt in großer Herzensangst, sein Herr treffe die merkwürdigsten Vorbereitungen: er habe sein Testament aufgesezt, vielen seiner Sklaven die Freiheit geschenkt, habe mit denselben in rührendster Weise getafelt und gezecht, viel von unbestimbaren Schicksal gesprochen, und deutlich, trotz sichtbarer Verstellung, zu erkennen gegeben, daß große und verzweifelte Gedanken und Pläne, über deren Ausgang Unsicherheit herrsche, sein Inneres bewegten. Ihm, Milichus selbst, habe er in sehr geheimnisvoller Weise den Auftrag gegeben, Verbandstoffe und blutstillende Mittel in Bereitschaft zu halten, und ein Dolchschwert, welches aus einem Fortuna-Tempel in Etrurien stamte und stets sorgfältig gehütet worden war, zu schleifen und mit scharfer Spize zu versehen. Er, Milich us, obwol seinem Herrn die Freiheit verdankend, könne es nicht über's Herz bringen, einen so schweren Verdacht und bei der großen Misliebigkeit, die in den höchsten Kreisen gegen Nero bestehe Allgemeiner Unwillen bei den Soldaten. unausgesprochen zu lassen ... Wir erstaunten Er weist auf Epaphroditus. auf's äußerste über eine solche, für den Beklagten wenig wahrscheinliche Meldung. Doch [44] ließ ich in Eile Sklävinus sogleich vorführen und seinem Freigelassenen, wie dieser selbst wünschte, gegenüber stellen. Ruhiger. Sklävi nus erzählt im wolwollendsten Ton, das Meiste beruhe auf Wahrheit, und er müsse in der Tat seine Verwunderung darüber ausdrüken, wie man ihm, dessen Neigung zu Tafelfreuden in ganz Rom bekant seien, aus einem Zechen mit seinen Hausgenossen einen Vorwurf machen könne; ein paar Sklaven schenke er jedes Jahr die Freiheit, dies sei nichts außergewöhnliches; auch revidire er jährlich sein Testament und mache kleine Zusäze, da er in einem Alter sei, in dem man daran denken müsse, daß die Natur bald ihr Recht werde fordern können. Auch das Schleifen des Dolchmeßers erklärte er auf die behaglichste Weise: es gehöre zum Spargelstechen, wovon er, wie bekant, ein großer Freund und Züchter sei: er erlege nämlich die Spargeln wie ein Fechter Macht Bewegung. mit einem Schwertstoß; das sei eine Liebhaberei von ihm; daß das Dolchmeßer aus einem Fortuna-Tempel stame und ein Votivstük sei, richtig; aber er benüze eben für alle Vorkomniße im Leben mit Vorliebe Gebrauchsstüke der Glüksgöttin; denn auch zum Spargelstechen gehöre eben Glück. Aber ein Punkt, nämlich, daß er Vorbereitungen für Wunden und zur Herrichtung blutstillender Mittel angeordnet habe, – des sei eine faustdike Lüge des undankbaren Freigelassenen, der wol gewußt habe, daß ohne diese Hinzutat sein ganzes Lügengebäude in Nichts zerfallen werde ...Wieder den vorigen Ton aufnehmen, schneller. Dies ward mit so sicherem Ton vorgetragen, daß wir bereits im Begriffe waren, Skävinus zu entlaßen, und Milichus in Haft zu nehmen, als die Frau des Milichus erschien und ihren Mann daran erinnerte, daß ja Sklävinus den vorhergehenden Tag in eifriger, geheimnisvoller Unterredung mit Natails gesehen worden sei. Bei dem[45] Namen Natalis kommen mir neue Bedenken, ich heiße alle Anwesenden dableiben, und schike einen Tribun zu Natalis, der ihn scharf inquirirt und ihm auf den Kopf zusagt: Skävinus habe ihn als Verschwornen angegeben. Zusammenfaßend. Natalis, überrumpelt, ge steht und gibt auf Zusicherung der Straflosigkeit weitere fünfzig Senatoren und Ritter an!! Große Bewegung und Beglükwünschung bei allen Gruppen. ... Als der Tag zum Losschlagen war das Zeresfest ausersehen! Zu Deinem Nachfolger war Piso designirt! Ich eile hieher, um Dir, Zäsar, – in Gegenwart dieser Getreuen Er verweist auf die Truppen und ihre Anführer. ...
Heil, Zäsar! – Heil, dem besten Kaiser! – dem Beschüzer des Volkes ... dem Beschüzten der Götter! – Heil! –
... um Dir die wunderbare Rettung aus Mörderhänden ... das Walten der großen Fortung, die so sichtlich über deinem Haupte seit deinen ersten Lebenstagen gestanden, zu melden ...
Die Hunde! – ist das der Dank für meine Fürsorge – für meine Opfer – für meine Geschenke! ... dem Staat schenkte ich sechzig Miljonen Sesterzjen ... Landgüter, Häuser, Gärten, Fischwaßer, Monopole habe ich diesen Leuten zu Duzenden an den Kopf geworfen! ... Zitternd vor Aufregung. ich selbst zu Grunde gerichtet – mein Kopf erschöpft in Sorge und Arbeit für den Staat – Fängt zu weinen an.
... wir haben alle Hände voll zu tun! – Angeberei folgt auf Angeberei – man hört immer frische Namen – es gilt die ganze Bewegung mit einem Schlag in unsere Hände zu bekommen ...
Enorme Vermögen kommen in Betracht. – Piso allein mit fünfhundert Miljonen Sesterzien. – Es gilt, auf's Eiligste den Testamenten zuvorzukommen und alles Besiztum der Verdächtigen für den Staatsschaz einzuziehen – der Prätor hat über zweihundert Verhaftungen vornehmen laßen. – Konsul Vestinus ist mitverwikelt, ein mehrfacher Miljonär; Flavus ist kompromittirt; Sulpizius Asper ist kompromittirt; Late ranus ist schwer belastet; Mit Betonung. Rufus, – der Komandant deiner Garde, ist mit Piso wahrscheinlich das Haupt der ganzen Bewegung! – Ich habe die Tibermündung sperren, die Mauern besezen laßen; die ganze Etrurische Küste wird bewacht! – Wir müssen enorme Belohnungen für unsere Getreuen aussezen; dem Volk prachtvolle Unterhaltungen bieten – das Volk ist entrüstet über die Vorgänge! – dies Alles verlangt die Heranziehung aller irgendwie erhältlichen Vermögen ... Er ist außer Atem.
Mögen die Götter dir in deinem Werke beistehen! – geht alles gut, laße ich deine Bildsäule im Tempel der Fortuna aufstellen ... das Volk soll den Woltäter Rom's kennen lernen und wißen, daß mein keiserlicher Dank die Verdienten zu finden weiß ...
Noch Etwas!: Der Armenische König ist angekommen, um sich durch mit Armenien belehnen zu laßen. Seine Gesanten sind hieher auf dem Wege, um dich zu begrüßen. Es wäre nüzlich, diesen Fremdem von den inneren Vorgängen des Staats nichts wißen zu laßen. Auch ist Tirida tes ziemlich [47] hochmütig und scheint nichts von seinen Hoheitsrechten preisgeben zu wollen. Er ließ sich nur schwer dazu überreden, sein königliches Abzeichen zunächst abzulegen und es erst aus deiner Hand wieder zu empfangen. Die Besprechungen über das Zeremoniell sind noch im Gang. Nach Allem, was man hört, war unsere Niederlage doch empfindlicher, als die ersten Berichte lauteten. Die römischen Legjonen wur den bei Arsomosata unter das Joch geschikt! Und Pantus hat sich als ein gänzlich unfähiger, rein persönlich-ehrgeiziger Feldherr erwiesen, dem einen Triumf zuzuerkennen über das Maas alles Erlaubten ging ... Sieh, wie du mit den Leuten fertig wirst! ...
Wo es liegt? – das weiß ich nicht! – Ich glaube, irgendwo in Asien ... ich kann ja einen der Befehlshaber, die die Expedizion mitgemacht haben, fragen ...
Der Schwiegervater heißt Bolo gaeses und ist er Parther König ... doch will, soviel ich weiß, Tiridates davon selbst nicht viel hören und besteht auf seine Unabhängigkeit und seine selbsterworbene Herrschaft ...
Soviel ich weiß, bringen Dir die Gesanten, die deinen Kunstsinn kennen, wertvolle Gastgeschenke mit; – und wenn Du den einen oder andern Wunsch äußern soltest, wird man sich beeilen, Dir zuvorzukommen ... doch sei vorsichtig, diese Armenejer sind schlau, sie wißen zu handeln – ein Armenjer gilt zehn Juden! – und am Ende kämen die armenischen Götterbilder dem römischen Staate teuer zu stehen ... was die armenischen Götter leisten, leisten unsere auch ... Er ist inzwischen mit Nero in der Nähe der Truppen angelangt, nimt jezt wieder patetische Haltung ein, laut. Und so danken wir Alle denn nochmals mit aufgehobenen Händen den ewigen Göttern und der gütigen Fortuna, daß sie uns das Leben des götlichen Kaisers vor den Mordstahlen dieser gemeinen, verbrecherischen Buben bewahrt ...
Heil Zäsar! – Heil dem Beglüker des Volkes! – Heil dem Schüzling der Götter! – dem göttlichen Nero – dem Woltäter der Soldaten – Heil! – Heil! –
Eine schöne Affäre! ... Um ein Haar, und diese Mordgesellen hätten ihr Ziel erreicht! ... In wenigen Tagen war das Fest der Zeres ... Was helfen Uns nun Unsere Garden, wenn Verrat auf allen Seiten lauert und selbst in den Reihen der Prätorjaner seine Helfer findet?! ...
Das Volk bleibt Dir zugetan; es verehrt Dich, es trägt Dich auf den Händen – es verurteilt auf's Heftigste diese subversiven Neigungen der Gebildeten und Filosofen, – und gewiß werden schon die nächsten Tage Dir Gewißheit darüber geben, wie das Volk über Dich denkt.
[49]Ja, auf wie lange? – man kann nicht immer Getreide geben, Wagenrennen veranstalten, diese Unsummen ausgeben – einmal komt ein Hungerjahr, oder eine Laune erfaßt sie, oder eine neue Idee – und dann macht diese ganze Maße Kehrt! ...
... Ich hab' heute Nacht so schlecht geschlafen! ... mein Kopf ist ganz auseinander ... und jezt diese Affäre in der Hauptstadt! – Ausbrechend. diese Undank barkeit! ... Nach einigem Zögern. bringen sie Gastgeschenke? –
... eine Ziter? – dann laß' sie herein! Nymphidius mit Epaphroditus ab, die Gesanten einzuholen. – Geht mit schmerzlichem Gesichtsausdruck, die Hand an den Kopf gelegt, im Vordergrund auf und ab, spricht halblaut mit sich. ... Ziter – bin begierig ... diese Barbaren! ... – Lukanus, Terpnus, Eukärus – keiner von diesen Leuten da, wenn man sie braucht! – mit seinen elenden Hexametern, dieser Lukanus – 's ist zum Lachen! nein! ich werde keines dieser Gedichte nehmen – Lukanus ist ein Stümper! – ist nicht modern ... Seneka, ja, ja – es wird ihm an den Kragen geh'n, ich hab's ihm immer gesagt – der alte Fuchs, mit seiner Weltweisheit – nun hokt er im Eisen! – keine Gnade! ... 50 Miljonen – seine Samlungen ... und dieser [50] Piso – wer hätte das geglaubt? so reich, so unabhängig – so ein seiner Mensch – kann ihm nicht helfen: wer sich seinem Fürsten vergreift, greift in die götliche Weltordnung ... Wird gestört, bricht ab.
Die Abgesanten des armenischen Königs bitten, dem göttlichen Nero untertänigen Gruß darbringen zu dürfen.
Im Auftrage meines Königs komme ich, dem mächtigen Kaiser dem Schuzherrn der asiatischen Völker, untertänigen Gruß zu bieten. Mein Herr bittet den Zäsar, diese Geschenke als Ausdruck seiner Freundschaft annehmen zu wollen.
Er befindet sich in Rom, in Deinem Palaste, und freut sich der vielen Aufmerksamkeiten, die ihm von Deinen Offizieren und dem römischen Volke erwiesen werden.
Der Ruhm Deines Namens, mächtiger Kaiser, als der eines großen Künstlers, ist durch ganz Asien gedrungen, und mein Herr glaubte, dein Wolgefallen zu erringen, indem er Dir einige Saiteninstrumente des Landes mitübersante. Es befinden sich in unserem Gefolge einige Jünglinge, welche es sich zur Ehre machen werden, dir die Ma gadis vorzuspielen.
Schikt sie mir heraus, das wird mich freuen! Auch einige tanzende Mädchen ... Habt Ihr Götterbilder mitgebracht?
Es ist Agdistis, die große Götter-Mutter, und Men, der Herr des Himmels und der Erde, der König der Könige, der allgewaltige Herrscher über alles Sichtbare und ...
Ja, ja, das sind sie Alle! ... Aber bringt mir sie. – Ich habe eine Samlung ... Korrigirt sich. ich meine: ich – äh – verehre die Gottheiten der mir befreundeten Völkerschaften und stelle sie in die Tempel von Jupiter Stator und Minerva ... es sind Alles mächtige Gottheiten ... und oft wendet man sich zu Diesen und oft zu Jenen ... [52] alle Gottheiten sollen sich unter Rom's mächtigem Schuz wolbefinden – ich habe viel von den parthischen Gottheiten gehört – doch nie welche gesehen – sie sollen sehr schön und mächtig sein – bringt sie mir! – sie sollen mir willkommen sein ... Die Gesanten verbeugen sich. – Zurüktretend. Grüßt mir Euren König! ... seine Geschenke haben große Freude gemacht ... Die Feier seiner Installierung werden wir in kürzester Frist mit großer Feierlichkeit von Statten gehen laßen ... Mismutig. wichtige Privatgeschäfte und – Krankheit halten Uns momentan von Rom zurük ... inzwischen mag es Eurem Könige wolgeh'n! ...
In Wahrheit, Zäsar, sprichst Du geläufig und prunkvoll! – Die Gesanten waren hingerissen von Deiner Erscheinung.
Und doch bin ich nichts weniger, wie disponirt; – dieses ewige Kopfweh! ... diese Nachtwachen ... diese Schmerzen, die Schlaflosigkeit ... Er geht wieder seufzend auf und ab.
Die Zahl der Verhaftungen hat 800 überschritten. Wir wissen nicht mehr, wohin mit den Leuten. Die Bewegung hat ganz ungemeßene Dimensionen angenommen. Die Schuldigen werden aus dem Senat, sobald sie verurteilt, in größter Eile auf den Richtplatz für Sklaven geschlept und dort kurzweg zusammengehauen – wir können nicht anders! – Der erste [53] Konsul, Lateranus, mußte, um ihn der Volksjustiz zu entreißen, fast auf offenem Marktplaz niedergemezelt werden. Der zweite Konsul, Vestinus, ein Mann ruhigster Gemütsart, aber von einem der Verschwornen angegeben, versuchte gar keine Verteidigung, er rekte, als der Prätor bei ihm eintrat, ohne ein Wort zu sagen, ruhig die Arme hin und ließ sich die Adern öffnen ...
Beim heiligen Jupiter, was wollen die Leute von mir? ... Bin ich nicht ein guter Kaiser? ... Ist das Heil des römischen Staates nicht Tag und Nacht meine eifrigste Sorge? ... Habe ich nicht mein halbes Vermögen geopfert, um das arme Volk mit Getreide zu versorgen, – gab ich ihm nicht Spiele, Wagenrennen, Triumfgesänge? ... In äußerster Verzweiflung. Was will man von mir? – Hat unter Tiberius, ja hat unter Augustus ein Volk in solchem Glük, in solchem Wolstande gelebt? ...Er geht in heller Verzweiflung auf und ab. ... Epaphroditus ihm nach, sucht auf ihn einzureden.
Der ganze Park wird mit einer dreifachen Reihe Soldaten umgeben. Einlaß wird Jedem verweigert, der nicht zu dem persönlichen Dienst des Kaisers, zu seiner täglichen Umgebung gehört. Auch Offizieren. Der hintere Eingang bei den numidischen Löwen wird mit zwei Kohorten aus den germanischen Legjonen besezt. Die umliegenden Villen sind zu observiren und von der Stadt- Seite dort Eintretende genau zu überwachen! Zenturjonen in verschiedener Richtung ab. ... Nach Vorn kommend, zu Nero. Ein großer Teil der von ihren Mitschuldigen im Laufe der Nacht Angegebenen wurden hier, in Deiner nächsten Umgebung, auf ihren Villen heute Morgen aus den Betten geholt und hieher in Gewahrsam gebracht. In Rom sind die Gefängniße überfült. Der Senat hatte sich als Gerichtshof für die [54] ganze Nacht in Permanenzerklärt. Ganze Züge gefangener Ritter und hoher Beamten durchkreuzten heute Morgen die Stadt. Das Volk steht bestürzt vor dieser Erscheinung und bricht in Verwünschungen auf die Uebeltäter aus ...
... Es lief zu den Tempeln, brachte Dankopfer der Fortuna und dem Jupiter, und bekränzte Deine Statuen auf dem Forum und auf dem Kapitol ... Ein Teil des Volkes und der Senat sind auf dem Wege hieher, Dich zu beglükwünschen, Dir die Hände zu küßen ...
Skävinus und Vita lis sind tot! Piso öffnete sich, als er die Soldaten auf sein Haus zukommen sah, die Adern. Den Seneka gab Vitalis sterbend als Mitwißer an. Die Eparchis, eine verkommene Person, die schon vor vierzehn Tagen die Mannschaften auf Deinen Schiffen zur Untreue verleiten wolte, und seitdem in Haft behalten worden war, wurde heute Nacht drei Stunden gefoltert, um sie zu einem Geständnis zu bewegen, und erhängte sich zulezt am Marterpfosten, um nicht ihre Mitwißer angeben zu müßen ... In diesem Augenblik wird im Hintergrund der Garde-Tribun Subrius Flavus als Gefangener eskortirt. – Auf ihn hinweisend. – sogar in die Reihen Deiner Garde hat sich der Verrat geschlichen und Leute, die unter ihrem heiligen Eid zu Deinem Schutz designirt waren, haben Dir die Treue gebrochen und sich zu Deinen Feinden geselt! ... Zu Flavus, der von den Soldaten hereingestoßen. Jezt [55] sprich, Ehrloser, wenn du den Mut hast, die Stimme zu erheben; was trieb dich zum Verrat an deinem gütigen Kaiser? – –
Undankbarer, den ich mit Woltaten überhäuft, wonach gelüstete es dir, als du zu meinen Feinden übergingst? ...
... Ich bin nur Soldat – und kann nicht viel Worte machen! ... ich war meiner Pflicht treu – und habe für Dich gegen die Parther geblutet, solange ich wußte, daß Du der glorreiche Vertreter unseres gemeinsamen, teuren Vaterlandes warst ... Geschrei der Umstehenden, die auf ihn einbringen. – Zu den ihn Haltenden, wütend. Greift mich nicht so roh an! diese Arme haben Triumfkränze getragen! ... Zu Nero, spukend. doch verachtete ich Dich, als Du zur Memme wardst – das Schwert mit der Ziter vertauschtest – statt der Feinde Deine Verwanten hinschlachtetest ...
Macht nicht viel Federlesens! – Eine Grube außerhalb des Parks ausgehoben – den Kopf voraus – den Rumpf hintennach – und zugeschüttet!
Er verblutete diesen Morgen ... Wartet. ... wir waren kaum von ihm erwartet, – und doch schien er nicht im Mindesten bestürzt ...
Danke, danke! – Verbitte mir ein für allemal diese rührseligen Erzählungen! ...[58] Tiraden! – kann mir schon denken, daß er noch zwei Reden gehalten hat, – und noch den Entwurf zu einem Traktat »über die Unsterblichkeit« losgelaßen hat – Ausbrechend. dieses Geschwäz habe ich zwölf Jahre mitanhören müßen! – Wischi-Waschi! – Kling-Klang! – Profeßorenfrasen! ... und dabei hübsch gegen das Staatsoberhaupt konspiriren ... oh, diese Filosofen! – diese Retoren! – diese Aristokraten des Geistes! ... Er geht heftig hin und her. –
Zenturjo macht eine Bewegung, um sich zu entfernen. – Ja, ist schon gut! – Zenturjo ab. – Bei steigender Erregung, spricht mit sich selbst. ... Wieder Einer – und wieder Einer! – und das hört nicht auf, das wächst nach wie bei der Lernäischen Schlange, sezt sich fort auf Kind und Kindeskind, auf Enkel, auf Gattin und Schwester – stekt an wie eine Idee, wie Feuer um Feuer frißt ... Wartet. Sie wollen nicht! – wollen nicht! – wollen sich mir entgegenstemmen! ... Überlegt. Aber, kann ich das helfen? – Kann ich da etwas machen? – Kann ich? ... Bleibt stehen. Nein! – Sie müßen! Geht weiter. – Sie müßen! – Haben Mir die Götter dieses Reich gegeben, um es verkommen zu laßen? – Soll Ich diese Welt, die Mir in den Schoos fiel, zu einem Spielball für Ande re werden laßen? – Bin Ich nicht der Talentir teste für dieses Imperjum? – Wachen in Meinen Kopf nicht die Blize des Gedankens, die Fakeln des Schenies? – Warum haben Mir, gerade Mir, hierZupft an seiner Toga. diesem Fleisch, diesem Blut, diesen Adern die allheiligen Götter dieses Reich gegeben? Mußten sie nicht wißen, daß Ich der Gemeßenste bin? Oder, für den Fall nicht, daß Ich den gemeßensten Gebrauch machen werde? – Warum wurde Burrus nicht Kaiser? – Warum nicht Seneka? – Warum mußte Britannikus sterben? – Agrippina den Dolchen der Mörder erliegen? – Warum [59] hielten sie das Alles nicht auf? – Betonend. Nein, – sintemal Ich hier bin, von der kaiserlichen Glorie umflamt, von den ewigen Göttern hiehergesetzt, will Ich herrschen, sol len die Andern gehorchen, müß-en die Andern gehorchen, und wenn es Senatoren-Köpfe regnen solte! ... Erfrischt; wischt sich den Schweis ab. –
... Bitter nikend. Diese Spizbuben von Senatoren – diese Halunken von Potifizes – diese – ah, dieses ganze gehaltshungrige, auszeichnungsbdürftige Gesindel mit seinen kleinen Gedanken, soll Ich das arbeiten laßen? – Diesen bunten Haufen heruntergekommener, hinaufgeturnter Beamten, die für einen gnädigen Blik Alles, – Alles unternehmen – soll Ich Die wirtschaften laßen? ... Mit entschiedener Handbewegung. Nein, diese Meute muß zusammengekoppelt werden, die Guten und die Bösen, – die Guten zur Aufmunterung, die Bösen zur Knebelung – diese Leute wollen das Halsband, brauchen das Halsband, fühlen sich wol im Halsband, sind bestimt für das Halsband –Ausbrechend. ah, ja ja: die Freiheit, die römische Freiheit, die alte, römische Freiheit – ja, das mißt Ihr nicht, daß die nicht mehr kommen kann! – daß dieses mächtige, koloßale Imperjum nicht mehr mit dem tribunizischen Veto, mit der konsularen Tatkraft, mit der Geschiklichkeit eines Szipio Af rikannus übersehen werden kann! – die Freiheit ist hier Deutet auf den Fußboden. – hier ist die römische Freiheit versammelt – die römischen Freiheiten steken in meinen Kopf – hier Deutet auf seinen Kopf. sind die römischen Freiheiten versammelt! Er argumentirt in die Luft. Alles könt Ihr haben – Lust, Freude, Vergnügen, Pantomimen, Flöten-Konzerte, Gerichtsverhandlungen, Tierhezen, Gottesdienste, Sarturnalien – aber durch Mich – hier Strekt weit die Hände hinaus. durch diese Hände – von Mir gehen alle diese Strahlen aus, die Euch [60] erleuchten, Euch erwärmen – Ich will Euch erleuchten und erwärmen, Euch glücklich und froh machen – aber ich will es, muß es, kann es – versteht doch Euren Kaiser! – Ich teile das Alles aus – hierhin und dahin – gerecht und billig – wie es die allewigen Götter befehlen – denn der, durch den die allewigen Götter zu Euch sprechen, bin Ich! ...
Er geht langsam und schwerfällig zu dem Tische rechts, läßt sich, mit dem Gesicht gegen das Proszenium, erschöpft nieder, und stüzt müde den Kopf auf. Und doch – und doch! – doch ist dieser Kopf in einer grauenhaften Zerrüttung –Langsam. doch weiß Ich oft nicht, woher diese Gedanken kommen, – wohin sie gehen – Fängt zu weinen an. Ihr dreimal heiligen Götter, was habt Ihr in diesem Kopf beschloßen, das ich nicht ergrübeln kann? ... Ruhig und ernst. bin Ich ein Mißetäter? – bin Ich ein Schuft? – bin Ich ein Mörder? – – hat man Mich nicht zum Aeußersten getrieben? – hat das Staatswol nicht die Opfer verlangt? – haben nicht die Götter durch Mich gehandelt? – kann Ich ein Mißetäter sein? – kann Ich ein Mörder sein? – Leiser und betonend. kann – Ich – Schuft sein? ... Noch leiser, paßt auf. woher diese lemurenhaften Geräusche? Start hinaus. – woher diese Einflüsterungen? – – woher diese Verdächtigungen? – sind das Meine Gedanken? – – kann Ich denn ein Schuft sein? – sind es frem de Gedanken? – wie kommen sie dann in Meinen Kopf? – – Nachdenklich. hab' Ich nicht die Manen versühnt? – Weint. der Mutter dreifach heiliges Opfer gebracht? – die Schatten zwanzigfach besänftigt? – die Magier heilige Sühnopfer bringen laßen? – 60,000 Sesterzien für ihr Grabmal ausgeschüttet – ihre Bildsäule zu den Göttern gestelt – es mit Rosen und Blumen umkränzt – Betonend den Finger erhoben. für etwas, was das heiligste Staatswol erforderte![61] – Sinkt wieder zurük, leiser. Alles getan! – Noch leiser. Alles ... Er start mit gläsernen Augen vor sich hin.
Wer? – Ich! – Warum? – – Erwacht ganz. Ich Götter! – Tollheit! – das kann ja nicht sein ... Springt auf. He, Haloo! – Zenturjo! – Halunken! – wo seid Ihr? ... Läuft nach Hinten.
Warst du? ... Wo warst du? – Ohne die Antwort abzuwarten, redreßirt sich. Ach, natürlich! – Tollheit! – Du warst drüben Deutet nach dem Hintergrund. auf der Wache! – Natürlich! – Was willst du? – Ja so! – Na, geh' nur hinüber Inzwischen ist ein zweiter Soldat mit entblößtem Schwert hereingestürzt. – geht nur Alle Beider hinüber! – Was wolt Ihr eigentlich? Er wendet sich ab. – Die beiden Sklaven ziehen sich verduzt und langsam zurük. – Er fält nach wenigen Schritten auf dem Polster zusammen, wo er schluchzend das Gesicht in der Toga verbiegt. Was ist geschehen? – Was ist geschehen? ...
Ha, Hexe, du bist es! – Zauberin! – Lemure! – was wilst du? – Du warft es! – Du warst es! ... Kanalje, sag': Scheu-ßaaal! sag': Scheu-ßaaal! Dringt auf sie ein.
[62]... solch niedrig Wort ist nie über meine Lippen gekommen! – Töte mich, Zäsar, wenn es Dir Gewinn bringt, wenn es Dich glüklich macht – aber erniedrige mich nicht, erniedrige nicht diejenige, die Du einst zu Dir erhoben – – Zäsar, ich beschwöre Dich bei Deinem goldenen Herzen, bei Deiner Herzensgüte, die ich gekostet, und die das Volk anbetet ... Nero beruhigt sich. – Springt auf, umschlingt ihn. – was hast Du? – sag' mir, was hast Du – kann ich Etwas tun? – ich will mein Landgut verkaufen, meine Sklaven verschenken, die Kostbarkeiten, die Du mir einst zu Füßen gelegt, hieher bringen, wenn ich eine Minute der Nachtruhe Dir erkaufen kann ... Er sieht von der Seite zu ihr hinüber und trift ihr Auge. – sag', Du kleiner, dummer Junge, was ist das mit Dir? – was hast Du, mein Kind? – Sie troknet ihm die Stirne. beim Herkules, Du bist ja in tausend Totes-Aengsten Ordnet ihm die Haare. – bist ja wie gefoltert – Sie gehen zusammen nach Rechts zu einem der Wandpolster. ...
Ich komme vom Kapitolinischen – wo ich für Dich gebetet habe – und wo sich plötzlich eine furchtbare Angst meiner bemächtigte ...
O, Zäsar, ich liebe nicht den Herrn der Welt in Dir – ich liebe in Dir den guten Menschen, der mich aus dem Staub geholt, mich von der Gaße genommen, mich, die Sklavin, geküßt, vor aller Welt geehrt, mir sein Herz geschenkt – sein – Herz – ge- schenkt ... Sie schluchzt auf seinen Knieen.
Was hast Du? – Sag' mir! – Du brauchst mich nicht mehr zu lieben! ... Sag' mir, wo Dein Gefühl verwundet ist – Alles ist ja tot um Dich, was Dir hätte nachstellen können: Britanni ... Er fixirt sie scharf, und die verstumt. – – Schmeichelt. Zäsar! – mein Junge! – sag' mir, wo ich Dir helfen kann ... was Dir fehlt ... Ganz Rom rüstet sich, zum Dank für Deine Errettung aus Mörderhänden den Göttern heilige Opfer darzubringen, und, Du allein bleibst kalt, tot, mutlos, verdroßen! –
... Mein Gehör ist so scharf geworden ... ich höre Dinge, die ich beßer nicht hörte ... es ist fatal, Alles in der Welt hören zu müßen ...
[64]... Es ist Folge meiner Anstrengung, – in diesem großen Verwaltungskörper – Alles genau – er-hören, er fahren zu wollen – die Folge Er wischt sich über das Gesicht, wie um den richtigen Gedanken zu erhaschen. – eines Bedürfnißes, in alle Poren dieser Welt einzubringen ...
Komm, Zäsar – laß dich aufheitern! – hol' Terpnus, – er hat 'ne neue Harfe bekommen – laß das dumme Zeug – sei wieder der Alte! ...
Nein, laß' Kind! – es ist vorbei! – man lebt nicht eine Sache zweimal – Geh und flehe zu den Manen der Verstorbenen – um Vergebung. – Sie haben sich nach Hinten gewant. – Geh! – Da sie zögert, gebieterisch. Geh! – Sie wirft sich ihm zu Füßen, faßt seine Hände, küßt sie, weint; – steht dann auf, und geht, ohne ihn nochmals anzusehen, nach Hinten, zulezt langsam, nach Rechts ab.
Er ermordet uns! – Er rast! – Eil' auf die [65] Wache! – Nach Links zeigend. Dort hinaus! Hier begegnen wir ihm! – Er komt! ... – Beide nach links ab.
Ha, Ihr Halunken – Ihr Mörder! – Diebsgesindel – Ihr Einbrecher! Wagt Ihr so mit dem Herrn der Welt zu sprechen? – Fahrt zum Hades! – An den Galgen mit Euch! – Jammer- – Jammer- – Jammergestalten! ... Er betrachtet in Verzweiflung sein Zerstörungswerk; scheint unsicher über sich; wirft den Dolch weg; jammert und flucht; retirirt endlich voll der furchtbarsten Angst nach Links, wo er sich auf ein Polster flüchtet, die Beine nach oben zieht und mit gespanter Haltung, keuchendem Atem, gänzlich verwirtem Blik die verdächtige Tapetenwand im Auge behält.
Beim dreimal heiligen Genius der Pferdswäscher und Roßbollensamler, ist das eine Aufführung für einen Kaiser? – Laß Dir doch einen thrazischen Ofen kommen! ...
Gütiger Mars! Da spionier' ich das Reich aus und hole ihm die gefährlichsten Köpfe bis aus Gallien und Asien – und er ergibt sich hier der Furcht! ... Weißt du, daß, wer das Handwerk eines Kaisers ergriffen hat, niemals, nie, für eine Sekunde, aus der Pose des Gottes Strekt sich, macht eine hoheitsvolle Bewegung. fallen darf ... sonst ist er verloren! ... Schauspieler, wie Wir, dürfen nie aus der Rolle fallen, sonst Macht eine droßelnde Bewegung am Hals. pfeift man uns aus! ...
Guter Freund, Du bist ja wieder in Deinem grenzenlosesten Stadium! ... Ruft nach Hinten. He da! – Seine zwei Begleiter kommen. –Auf die Wand weisend. Das hier in Ordnung bringen! und ... dem Hauspräfekten sagen laßen, diese Wand neu zu stüzen – bevor dem geheiligten Haupte des Herrschers Gefahr droht! ... Die Diener bringen rasch die Polster in Ordnung und entfernen sich auf einen befehlenden Wink Tigellinus' wieder. – Pointirt. diese Leute sindmir ergeben, aber – wenn dich so ein Prätorjaner sieht – in zehn Tagen ist Galba Kaiser! Nero erschrikt. – Ja, beim Herkules, wer mit Anderer Leute Köpfe spielt, muß den seinen beisammen haben! ...
Jezt gehen wieder die Totenregister an! ... Ärgerlich. Britannikus ist tot! – Agrippina ist tot! – Seneka ist tot – Piso [67] ist tot – Soranus hingerichtet – Sulpizius und Torquatus erdroßelt – die Köpfe von Plautus und Sulla habe ich Dir persönlich überbracht! ... soll ich Dir den Fährmann aus der Unterwelt holen? er würde Dir bestätigen, daß diese Leute über den Acherusischen See gefahren, und er sein Trinkgeld bekommen ...
Die Manen von Leuten, die dem Kaiser nach dem Leben getrachtet haben, haben kein Recht auf sühnende Opfer und Kränze.
Lemuren sind Kinderpoßen für Minderjährige, die in den Bädern noch kein Entrée zahlen ... Kaiser glauben nicht an Lemuren – Pferdehändler glauben nicht an Lemuren – Leute, die mit Blut umgehen, Mezger und Kuttelhändler glauben nicht an Lemuren ... wo kämen die Leute hin? ... schon das Handwerk verbietet derartige Dinge ...Macht eine verzweifelte, verächtliche Bewegung und wendet sich ab.
Ja, und der Hühnerbuljon – Ärgerlich, leise. beim Jupiter, wenn man derartige Zustände hat, bleibt man nicht in der Haupstadt – man geht auf sein Landgut – und macht es wie die Weiber, die sich nur im schönsten Glanze zeigen, und ihre geheimen Zustände im Stillen abmachen, und die Krämpfe verbergen.
Ja, er soll Dir zum Schlafen geben – und Dich restauriren ... Geht nach hinten, winkt seinem Bewafneten und gibt ihm einen Befehl. Bewafneter ab.
Den Kopf Tharsea's müßen wir noch haben ... Wir brauchen jezt freie Bahn! ... Er steht an zu wichtiger Stelle! ... Sein Einfluß im Senat ...
Ah, Charmis! – gut, daß du komst ... Sie tauschen hinten Grüße; – auf Nero verweisend, kopfschüttelnd. Eine merkwürdige Indisposizion! ... Ab mit seiner Begleitung. – Die übrigen Soldaten und Begleiter halten sich eine Zeit lang hinten auf, verschwinden während des Folgenden.
[70]Heil, mein lieber Charmis, Heil! – Wie geht's? Was machen die lieben süßen Kinderchen? Wie geht's in der Familie? ...
Ich bin krank, mein lieber Charmis, krank! – Komm' her! Sez' dich! – Mach' dir's bequem! – Ich muß mit dir reden! – Ach, beim großen Jupiter, was ich durchgemacht, ich kann es Dir nicht sagen: seit zwanzig Nächten hab' ich nicht geschlafen! ...Charmis macht große Augen – im Folgenden kompleter Scharlatan. – Ja, ja! – Sie sezen sich an den Spieltisch. – hör' mal, mein lieber Charmis, – sag' 'mal: komt es vor, daß – Mauern Er deutet an die Wand. – Wände, Tapeten – reden?
Nicht für gewöhnlich. – – Aber wer könte innerhalb einer Wand – aus einer Tapete – reden, wenn es vorkäme? –
Nun, beim Jupiter! nur ein Gott kann in übermenschlicher Weise sich der Wand bedienen, um Unaussprechliches zu künden – nur ein Dämon, der Großes oder Schmerzliches verkünden will, kann durch die Wand, durch Luft, Felder, Bäume, Gras, reden; – nur die Manen eines Verstorbenen können sich so aussprechen wollen...
... nur die Manen eines Verstorbenen, dem früh, zu früh, die irdische Zunge verschloßen ward – und, der Wichtiges verkünden will.
Laß das! – Mit wegwerfender Handbewegung, leise. Schwindler! – Lauter. Um was handelt es sich? – Was hört Zäsar? –
Ich höre Mich beschimpft, meinen Namen beflekt, wie der geringste Sklave Mich nicht nennen würde! – – Verhült das Haupt. »Scheußaal!« – schreit es durch den ganzen Palast – durch alle Räume – durch die Gärten – aus allen Löchern – jede Flamme schreit: »Hund!« – jede Tapete keucht ein Schimpfwort ... Weint.
– – Aeh – hast Du genau nachgesehen, daß auch kein abgerichteter Spizbube Dich äft? – Daß kein Sklave Dich nart? – Kein bestochener Schelm dich ängstigt! –
Ich peitsche die Sklaven – sie wißen nichts – sie wißen nichts – sie hören nichts – ich höre, nur ich – der Kaiser Schluchzt. –
von – äh – Schnipft mit den Fingern. zu heftigem Blutgang – äh – Blutandrang gegen den Kopf – äh – Ueberbeschäftigung der Sinne – äh – die der Erregung nicht gewachsen – äh – in ihrer Weise antworten ...
Und warum Schimpfreden? – Auffahrend. warum die gemeinsten Schimpfreden zwischen dem Ape nin und Sizilien? –
Oh ... Scherze! – – der Kopf, der den ganzen Tag Staatsgeschäfte und heiligste Dinge – sozusagen: die Arbeit eines Gottes verrichtet hat, – erholt sich – spaßt – scherzt – justement! – und taucht nun erst recht in der Goße unter ... Lacht troken. hehe ...
Ich weiß nicht, ob ich frischen Extrakt bei mir habe ... es wird sehr viel verlangt, – es ist auch Abortiv-Mittel ...
Ich denke, Zäsar, mein Famulus wird es wol finden – Im Begriff nach Hinten zu gehen. Verzeihung ... Geht nach Hinten und spricht mit einem seiner Diener.
Du verpflichtest mich, Charmis, in ganz außerordentlicher Weise Charmis verbeugt sich tief. – tritst in die Reihe Unserer Freunde und Genoßen ein Charmis wie oben. – der Dank des Zäsar wird nicht ausbleiben! ...
Dem götlichen Zäsar – dem Sproß aus dem erlauchten Hause des Augustus – dem Vater des Vaterlandes – Spielt seinen höchsten Trumf aus. dem gotbegnadeten Künstler – seine Dienste zu weihen, ist das höchste Glük für den Größten wie Geringsten im Volke ...
Wie geht es Dir sonst? – Was machen Deine Olivenpflanzungen? – Du treibst jezt große Baumzucht, habe ich gehört? ... Hat der Frost dieses Frühjahr nicht geschadet?
[74]Ja – diese numidischen Fürsten zahlen – zahlen gut – und bringen ihre prächtigen Leberkrankheiten mit ...
Hier dein [76] Beutel, gleichzeitig Dein Honorar – Mit Humor. wenn es verspielt ist, kommen Deine Gärten dran.
Sklavenseele, – ist das der Lohn? – – Zauberer, verfluchter! – – ist das Dein Dank? – habe ich Dich deshalb aus Gallien kommen laßen, – Dich mit Woltaten überhäuft, – Wütend. Dich an meinen Busen genährt – Du Schlange! – daß Du mich jeztSchreit. vergiftest? – mit Stimmen vergiftest? – gotteslästerliche Magie treibst? – Wände sprechen läßt? – Menschen sprechen läßt, ohne daß sie die Lippen bewegen? – mich beschimpfst? – Kanalje! ... Hund Du! ... Er dringt wie wütend auf ihn ein; Charmis, in höchster Angst, retirirt nach rechts hinten; Tisch und Stühle fallen um; von hinten eilen zwei Bewafnete mit entblößten Schwertern herbei; [79] die sich auf Charmis stürzen wollen. – Halt! Laßt Mir die Fliege! ... wozu hätte Ich im Ringkampf den Siegespreis davon getragen Er geht auf ihn los.
Stirb, elender Magier! – Er hat ihn nach kurzem Ringkampf überwältigt, drängt ihn auf die Polsterreihe rechts, wo er sich auf ihn wirft und ihn erdroßelt – hält lange auf ihm aus; – dann zurüktretend, zu den Bewafneten. Holt Tigellinus. Eilt zum Prätor! – Ruft den Senat zusammen. – Eine große, neue Veschwörung hat sich aufgetan! – Bewafnete ab.
Wir sind etwas an die Dreihundert; – der größere Teil sizt drinnen Deuten auf die Schänke. – machen ein Spielchen ...
Ist gut! Ist gut! – Sieht sich nach den Andern um. – ich möchte nur haben, daß sich alle eingeprägt halten, daß ... Einige gehen hinein, um ihre Kollegen zu holen. ... ja, holt die Leute heraus! – bleibt beisammen! ... Er wartet einen Moment, schaut sich um, daß die Maße des Volks nichts zu hören bekomt; – eine weitere Gruppe Augustjani komt aus der Schänke; sie sammeln sich um ihn. ... ich sage: ich möchte nur haben, daß sich Alle eingeprägt halten, daß es heute einen wichtigen Tag gilt, und daß Alles darauf ankomt, daß Alle mit ganzem Herzen zusammenarbeiten, um dem götlichen Nero eine Freude zu machen ...
Ja, ja – da wird es nicht fehlen! – er wird uns auf unserem Plaze finden! – Du kanst beruhigt sein! ...
... Der große König Tiridates, welcher über das Land Armeni en herscht, welches in Parthien liegt – oder vielmehr: welcher über das Land Armenien herschen soll, sobald er vom götlichen Nero die armenische Krone aufgesezt erhalten hat – wie sagte ich?: der große König Tiridates, welcher über Armenien herscht, wird mit großem Gefolge da sein, – worunter sich viele Künstler befinden sollen – und wird Zeuge sein von der großen Beliebtheit, deßen sich der götliche Nero bei seinem Volke erfreut – es ist dies nämlich eine große Wichtigkeit, und es hat einen politischen Hintergrund – der fremde König [82] soll also deutlich fühlen, daß der götliche Nero der Abgott seines Volkes ist – besonders nach den lezten traurigen Ereignißen, von denen Ihr wol Alle gehört habt – und die ich Euch hier nicht weiter zu erklären brauche – da sie der Ausdruck des graßesten Undanks sind, – denn der götliche Nero ist der größte Woltäter des römischen Volkes ... Die Augustjani, die bisher schon die breiten Darlegungen mit verschiedentlichem Gemurmel und Ausrufen begleiten, brechen hier in lauten Beifall aus. ... also – demnach – ist es von der größten Wichtigkeit, daß der fremde König merke, wie beliebt der götliche Nero bei sei nem Volke ist! ... denn der fremde König, wenn er nach Hause komt, erzählt davon – wie Solches natürlich ist – und von dem, was er erzählt, und von dem Eindruck, den er empfangen hat, hängt das Verhältnis von Armenien zu dem römischen Reich ab – und das Verhältnis von Parthien, welches an das armenische Reich grenzt! – Die Sache ist also von der größten Wichtigkeit, – denn sie hat einen politischen Hintergrund! Teils beifälliges, teils über die Endlosigkeit der Darlegungen misfälliges Gemurmel bei den Augustjani. – – und komme jezt zu Dem, was ich eigentlich sagen wolte Erneute Aufmerksamkeit der Leute, die sich neuerdings um ihn gruppiren. – es ist nämlich möglich, daß der götliche Nero ein Liedchen singt – teils, um dem Volke eine Freude zu machen, – teils, um die fremden Künstler, die sich im Gefolge des ar menischen Königs befinden, auszuste chen! »Ah!« »Ah!« – bei den Augustjani. – hier ist es nun von Wichtigkeit, daß Ihr Eure Kunst ganz in die Erscheinung treten laß't! – singt nämlich der götliche Nero – es ist dies aber zweifelhaft, denn der Kaiser ist sehr krank, schläft schlecht, sieht schlecht aus, wird von Träumen geplagt und ist sehr geärgert ... ich sage also: singt der götliche Nero, was immerhin zweifelhaft ist, – dann genügt heute nicht einfaches Hoch-[83] Rufen und Markiren von volksmäßigen Freudenlärm, – sondern dann muß aplaudirt werden – hier auf öffentlichem Plaze – ganz wie im Teater oder auf der Rennbahn – Beifälliges Gemurmel. – und dazu genügt nicht unser gewöhnlicher »Hohlziegelton« Er klopft mit gehöhlten Händen ein paar mal aufeinander und erzeugt einen dumpfen, topfähnlichen Laut. wie wir ihn in geschloßenen Räumen, oder vorne an der Orchestra, anwenden, – sondern dann muß mit dem hellen kräftigen »Scherbenschall« eingegriffen werden Er patscht mit flachen Händen aufeinander. – macht das 'mal! – um die Wirkung im freien Raum zu probieren! ... Die Augustjani aplaudiren a tempo mit hellem, patschendem Geräusch. – 's ist zu egal! – das macht Verdacht! – es muß durcheinander gegriffen werden – wie das Volk, wenn es, je nachdem es sein Herz gerührt findet, bald Dieser, bald Jener, einzugreifen begint ... noch 'nmal! – und mit fettem, pastösem Klang! ... Sie aplaudiren kräftiger und durcheinander. ... war beßer! – bedenkt auch die Streke hinüber bis zu jene Säulen! Er deutet auf den Tempel. – und die Maße Leiber, die dazwischen gedrängt sind, und Alles einschluken ... Mit Betonung. auch das helle Patschen der Kinderhändchen nicht zu vergeßen! ...singt aber der götliche Nero nicht! Er hebt Finger. dann beschränken wir uns auf den großen, unisonen Beifall – doch müßen alle Sparten der Gesellschaft, – die süßen Stimmchen der Frauen, und die weichen Laute der Kastrirten, der helle Diskant der Knaben, wie die ranzigen Kehllaute der Mezger – in gehöriger Abtönung zur Verwendung kommen ... Abschließend. Ihr wißt: zwei Tausend Sesterzien der Mann, zwei Tausend fünfhundert für den Verheirateten – die Kinderchen bekommen Geschenke – aber nur wenn Alles klapt und der götliche Nero sein kaiserliches Herz gerührt findet – Im Abgehen nach Links. ... ich muß noch hinüber zu den Alexandrinern [84] wegen des harmonischen Beifalls im übermäßigen Dreiklang – damit nichts Unpaßendes zusammenkomt, und Jedes an seiner Stelle einsezt – also: nehmt Euch zusammen! Ihr wißt: die Zeiten sind schwer, und – die Sache hat einen politischen Hintergrund! ... Er geht, begleitet von dem teils beifälligen, teils höhnischen Gemurmel der Augustjani, mit vielen komischen Attitüden und überflüßigen Fisematenten nach Links ab und verliert sich im Gedränge. –
Schlimm sieht er aus, der junge Mann! – Vor acht Jahren sah ich hin, hier, an derselben Stelle, als den ersten Flaumbart dem Gott als Opfer brachte, – frisch wie eine Knospe – ... und jezt! ...
Damals war noch die Mutter an seiner Seite! – und Burrus – und Seneka – und Pallas – und Montanus – – und die liebliche Oktavia ... und jezt Alles tot – Alles tot! ...
Wenn es wahr ist, daß die Seelen Gemordeter aus dem Hades heraufsteigen und einem das Herzblut austrinken, dann wundert mich seine Gesichtsfarbe nicht Er deutet gegen den Tempel. der Mann sieht aus wie Mörtel! ...
Er soll kein Auge die Nacht zutun – läuft herum und schreit – man weiß nicht, mit wem? – antwortet auf Fragen, die kein Mensch hört – holt die Priester und Magier – läßt beschwören und exorziren ... es ist ein Jammer! ...
Ich sag' Euch: der Mann hat Leichengift getrunken! – legt's Euch aus, wie Ihr wolt ... sprecht von Lemuren, oder von den Klagen [86] der Ruhelosen, der erbarmungslos Gemordeten, die von dem schwarzen Fluß aufsteigen, bis herauf in unsere Seele ... so 'was tötet! das saugt das Blut aus! ...
Habt Ihr gehört: Thrasea hat auch geblutet! Beide erstaunt. – es ist zu Ende mit ihm! – Er sante ihm 'ne Manipel mit dem Zenturjo hinaus, und die nahmen den Chirurgen gleich mit Macht je eine schneidende Bewegung über jedes Handgelenk. ... Thra sea soll nur gesagt haben ...
Beim Herkules! Leute, nehmt Euch in Acht!: nicht nur die Majestätsbeleidigung, – auch das Reden über die Majestätsbeleidigung ist Majestätsbeleidigung – und überliefert Euch dem Liktor! ...
Im Festestrubel mit dem fremden Monarchen ist Manches nicht an die Oeffentlichkeit gekommen: noch immer fahndet man fleißig nach Verschwornen; der Senat sagte gestern wieder bei militärisch beseztem Haus von Früh bis gegen Mittag: Thermus wurde hingerichtet, Petronius und Soranus wurden zum Tote verurteilt, und selbst des Soranus achtzehnjährige Tochter mußte sich die Adern öffnenDie beiden Andern fahren erschroken zurük. ... weil sie vor Verurteilung ihres Vaters die Zauberer um einen Wahrspruch bat, ob der Vater wol werde zum Tote verurteilt werden! ...
Gestern fand sich an Seiner Bildsäule im Miner va-Tempel ein Sak mit Steinen um den Hals gehängt; das solte heißen: Muttermörder werden nach dem Gesez ersäuft! ...
Was kann mer da sagen? – Galba is ä vornehmer Mann – er is ä freindlicher Mann – er is beliebt bei die Soldaten ... warum soll er nicht sein freindlich gegen die Juden? –
Was kann mer da sagen? – Wenn Vindex will, – und Galba will – und das Heer, was am Rhein steht, will auch – dann wollense alle drei – und wenn sie sich dann beeilen, dann werdense reüßiren ...
's is schad' – und is net schad! – Er war ä guter Mann – er hat Geld ausgegeben – aber zulezt wollen die Völker wechseln ihre Regenten ...
Ich weiß es! – Vindex weiß es auch! – Weißte, was er gesagt hat? – Er hat [88] gesagt: wer mir den Kopf Nero's bringt, bekomt den meinen. –
Sicherlich nicht. – Und wenn die Garantieen gegeben werden, und das Vertrauen bei den [89] Befehlshabern zurükkehrt, kann Alles sich noch zum Besten wenden.
Welche Garantieen sollen gegeben werden? – Die Solde wurden regelmäßig ausbezahlt, der Wechsel in den Stellen, das Avançement, hat sich ordnungsgemäß vollzogen, die Truppen sind gut furaschirt, in gesunden Quartieren, nicht überanstrengt, was will man? worüber beschwert man sich?
Was heißt das: die algemeine Lage? – Soll das heißen: man will sich in die kaiserliche Politik mischen? – Fühlen die Herrn Befehlshaber an der Spize so großer Heeresmaßen sich plözlich den Kopf schwindeln! – Ist es der alte Jammer Rom's, daß kein Legat von draußen heimkehren kann, ohne daß es ihm in den Fingern jukt, ein Wenig Rom erobern zu kommen? ...
Darf ich mich meines offiziellen Charakters entkleiden und einen Augenblik als Privatmann sprechen, und nicht zum ersten Ratgeber des Kaisers, sondern zum ehemaligen Kameraden aus den brittanischen Winterquartieren?
Der Kaiser ist krank! kränker, als die Meisten glauben oder auch nur ahnen. Er braucht Ruhe. Er ist erschöpft von den aufreibenden Dankfesten und heiligen Zeremonien in Folge jener unglükseligen Verschwörung. Die Festlichkeiten zu Ehren des Armenjer-Königs haben ihm den Rest gegeben. Er will nichts mehr hören und sehen. Er vergräbt sich in sein Privatkabinet ... Noch wälzen sich ungeheure Projekte in seinen reichen [90] Geiste ... Die Durchstechung des Istmus bei Korint, – die Verbindung des Averner See's mit der Tiber – der Ausbau derdomus aurea ... die halbe Welt lauscht gespanten Ohres den Offenbarungen dieses außergewöhnlichen Ingenjums, um das uns die Welt beneidet! ... Da hat Er wahrhaftig nicht Welt beneidet! ... Da hat Er wahgrhaftig nicht Zeit, sich den weltvergeßenen Klagen einiger unzufriedener Provinzler abzugeben – Betonend. Er weiß sich sicher in den Herzen seines Volkes. Dies genügt ihm. Betonend. Und dies ist »die allgemeine Lage!« ... Laß also den Kaiser ganz aus dem Spiel! –
... Mag sein, daß die Furcht draußen größer gesehen wird, als sie in Wahrheit ihren Grund haben mag – aber seit den Tagen Palutus' und Cornelius Sulla's fühlen sich die auswärtigen Feldherrn ...
Plautus' Absichten waren in seiner asiatischen Provinz genügsam ruchbar geworden, um seinen Kopf zu fordern, und Sulla, ein verschmizter Heuchler, wäre sicher eines Tages aus seinem aufrührerischen Gallien uns zuvorgekommen, wenn – nicht wir ihm zuvorgekommen wären ... Auch hat der Senat beide Hinrichtungen gebilligt.
... Ich will nicht auf die zahllosen Totesbefehle in Folge der jüngsten gegen das geheiligte Haupt des Zäsar gerichteten Verschwörung zu sprechen kommen ...
... Dazu fehlte wol auch einem Unterbefehlshaber in Spanien jede Möglichkeit der Uebersicht und damit jedes Recht, ein Urteil zu äußern ...
Herr, wenn ich nicht unter Abstreifung meines militärischen Charakters, sozusagen[91] als Reisender aus der Provinz, hier meine Meinung äußern darf ...
... aber daß Thrasea bluten mußte, diese Vorbild jedes tapferen, hochgemuten Römers, Fast weinend. hat die Graßheit der kaiserlichen Morde ...Tigellinus wendet sich drohend gegen ihn. – Er wagt nicht zu vollenden. – hat Furcht und Entsezen hervorgerufen ...
... immer Thrasea, immer dieser Thrasea! ...: es geht nicht, diese abstrakten Ideologen und falschen Staatskonstruktöre erhobenen Hauptes hier in Rom herumlaufen zu laßen! ... mögen sie so tapfer und edelmütig in ihrer Brust sein, wie immer ... diese Tugendboldhaftigkeit verwirt unreife Gemüter und dieses Prozen mit persönlicher Intaktheit sezt kaiserliche Minister in's Unrecht – es gibt auch Staatsverbrecher aus Tugend, und sie sind die gefährlicheren, weil sie die Fikzion erweken, als könne ein solches Weltreich mit Tugend schlechtin regiert werden! ... wir leben nicht mehr in der Zeit der Gracchen, wo man mit einer guten Advokaten-Rede und persönlicher Unbescholtenheit den Straßenpöbel zur Revoluzion treiben konte! ...übrigens hat Thra sea durch fortgesezte Misachtung der kaiserlichen Wünsche und durch konsequente Abwesenheit bei allen Kulthandlungen des kaiserlichen Hauses sich schwer vergangen und ist recte vom Senat verurteilt worden!
Die Aussprüche des Senats waren es auch, die immer noch die Zweifelnden zurükhielten, sich den schlimmsten Erwägungen hinzugeben.
Und doch hat die Nachricht, daß die liebliche Servilja, das kaum mündige Geschöpf, die aus Angst wegen des des Staatsverrats angeklagten Vaters die Magier um Hülfe anrief, an's Meßer mußte Tigellinus wendet sich unwillig ab. selbst die härtesten Soldaten-Naturen im Lager schwer ergriffen ... man wurde an die rührende Geschichte der Lukrezia und Anderes erinnert ...
... meist ganz entsteltes Geschwäz, welches das Stadt-Gerede müßiger Leute auf seinem Weg in die Provinz zu grausigen Moritaten aufbauscht! ...
... und doch ist es Tatsache, daß der Henker selbst vor dem Ungeheuerlichen nicht zurükgeschrekt, und das junge Geschöpf, um dem Gesez Genüge zu tun, welches Hinrichtung einer Jungfrau verbietet, noch vor der Hinrichtung im Gefängnis entehrt hat! ...
Wenn Soldaten erst wegen einer wimmernden Jungfrau solche Geschichten machen, dann ist es freilich nicht zu verwundern, wenn sie vor jeder Nachricht, wie vor einem Gespenst, zusammenfahren, – dann möchte ich die Leute erst einmal vor dem Feind sehen, – dann ist es kein Wunder, wenn die Schlachtreiben wanken – mögen dann die Parter kommen und sich Rom's bemächtigen! ...
Herr, verzeiht, – es ist mit der Stimmung in einem Militärlager, bei Leuten, die aus solcher Entfernung zusammenzogen, auf sich allein angewiesen sind, und mit brennender Begierde die Nachrichten aus Rom erwarten, eine eigen Sache ...
Ich sag' es ja: jede Milje von hier bis zu Euer Legjon sezt jeder Nachricht neue Hörner auf, bis als grausiges Gespenst dann endlich bei Euch anlangt!
[93]Und doch hat das Alles nicht jene wahnsinnige Furcht vor dem Kommenden erzeugt, als die Hinrichtung Korbulo's.
Viele kanten ihn als früheren Kameraden. Als die Nachricht eintraf, daß Korbulo, der siegreiche Feldherr gegen die Parter, der der unwandelbaren Gunst des Zäsar sich zu rühmen wußte, nach zwanzigjähriger Dienstzeit aus Asien nach Griechenland gelokt und dort ...
Korbulo war am Ende seiner Laufbahn! ... Man konte ihn nicht an der Spize des ungeheuren Heeres nach Italjen kommen laßen! ... Es waren genügend Anzeichen vorhanden, daß in seiner Seele der Funke des Verrats längst Plaz gegriffen hatte ...
Das ist es, Herr, was Galba fürchtet: daß man in seiner Seele den Funken des Verrats früher entdeke, als er ihn selbst entdekt!
Was soll die Rede?! – – Bleiben wir in den Schranken, die der kaiserliche Dienst vorschreibt! ... Welches ist ohne Umschweife die Situazion in den gallischen Provinzen?
Vindex ist im Begriff, sich zu erheben. Sicherem Vernehmen nach will er nach Spanien, um Galba an der Spize der beiden Heere zum Kaiser auszurufen. Die Stimmung der beiden Herre ist dem Projekt nicht ungünstig. Wie die germanischen Legjonen am Rhein sich zu der Sache verhalten, [94] weiß man nicht. Galba hält dem Kaiser Treue und ist bereit, nach dieser Richtung die unbedingtesten Garantieren zu geben. Aber seine Lage zwischen Vindex hier, und Rufus, den dieser vom Rhein zu Hülfe gerufen, ist prekär. Und die Nötigung, angesichts des unmittelbar eintreffenden gallischen Befehlshabers zu heucheln, und so eines Doppel-Spiels zwischen Vindex und dem Kaiser bezichtigt zu werden, erscheint ihm als die äußerste Gefahr! ...
... dann wäre es das Einfachste, sogleich nach Gallien abzureisen, Vindex unter der Vorspiegelung eines vollzogenen Kaiserwechsels sicher zu machen, und ihn zu veranlaßen, sich und sein Komando auf Befehl des Senats dem Galba zu unterstellen ... wo selbst sogleich seine Verhaftung bewerkstelligt werden könte ...
... das wäre mit der höchsten Gefahr für den Boten verbunden, da die Befehlshaber in der Provinz längst gewöhnt sind, derartige Mißjonen aus Rom mit geheimen Totesbefehlen bei sich anlagen zu sehen! ...
... mit nicht geringerer Gefahr für den boten, da selbst lang-gediente, bewährte und erprobte Feldherren auf diese Weise sich dem Tote verfallen sehen mußten ...
... daß, sobald ich angelangt bin, und das Geringste von meiner Mißjon ruchbar geworden, ich von der einen oder andern Seite wahrscheinlich zusammengehauen werde, – nur um sicher zu sein, daß ein von mir zu überbringender Totesbefehl nicht ausgeführt werden könne ...
[95]Ich laße den Kaiser bitten, mir sogleich auf einige Momente Gehör zu schenken ... Wo ist der Kaiser? –
... zu Ehren der Kaiserin ... seit Sabina tot, – vollzieht er die heiligen Waschungen nach fremdem Ritus, – die sie auch vollzogen ... Überlegt. ... oder, er opfert der syrischen Göttermutter ...
... der syrischen Göttermutter? ... Geh' rasch, und melde ihm, ich ließe dringend bitten ... ich wartete hier ... Zenturjo rechts ab. – Ihm nachrufend. und bringe mir Meldung! ... Er geht langsam, und in tiefes Sinnen versunken, nach Vorn, geht dort einige Zeit nachdenklich auf und ab, – sezt sich dann vorn rechts an den Tisch.
Zäsar! – beim Herkules! – bist Du das? ... Reich und Tron sind in Gefahr! – Die gallischen Legjonen rüken an! – Es gilt zu handeln! – Noch [96] sind Galba und Rufus treu geblieben, und warten auf ein Zeichen, um in Gallien einzufallen! – Hebe einige Legjonen aus, ziehe die illyrischen und afrikanischen Besazungen an Dich, organisire die Seesoldaten, seze Dich an die Spize ... und in wenigen Monaten ist der ganze Putsch niedergeschlagen? ...
Die Anzeichen sind nicht günstig! ... ein Lorberbaum im Tempel des Apoll ist abgestorben! ... in der Bildsäule des Herkules hat sich ein Bienenschwarm festgesezt! ... meine Statue – meine goldene Statue – wurde vom Bliz getroffen und – zerschmolz! ...
Anzeichen?! ... Sein Schwert ziehend. hier sind die Zeichen, in denen Du siegen wirst! ... Nero, vollständig apatisch, sieht sich ängstlich im Saale um; er scheint den Wänden nicht zu trauen. – Verzweiflungsvoll gegen sich ausbrechend. Ihr heiligen Götter, ist das das Amt, das mir zulezt übrig geblieben ist, eine Leiche lebendig zum Sarg zu geleiten? ... ist das ruhmvollen Herrschaft ruhmloses Ende? ... Zu Nero. hab' ich deshalb mit Dir von Kindesbeinen an Mühe Gefahr, Ruhm und Glük geteilt, daß wir jezt wie Feiglinge untergehen, von gallischen Kohorten erschlagen werden?! – Sind deshalb unsere Bildsäulen in den Tempeln aufgestelt worden und wir zu Göttern avanßirt, um jezt wie numidische Sklaven abgetan zu werden?! – Wurde deshalb Mord auf Mord gehäuft und mit übermenschlicher Anstrengung Hekatomben von Senatoren und Adligen geopfert, damit mir jezt selbst unsere Hälse hinreken sollen?! ...
Die Götter sind gegen unser Unternehmen, – sie zürnen und senden schrekende Zeichen, – Geheimnisvoll. im Traum sah ich vergangene Nacht das Meer – rot, rot wie Blut – es [97] hob sich, und schwoll, – drängte die Tiber herauf, und überflutete das Forum! ... In steigernder Erregung, gestikulirend. ... vor dem Teater des Pompejus – die Bildsäulen – sie stiegen herab – die Helden und Feldherrn Roms kamen herunter von ihren Postamenten, – umringten mich, drohten mir – nirgends ein Ausweg! Er erhebt wie hülfeflehend die Arme. ... vom Grabmal der Agrippina schalten Klagelaute, – schrill – jammernd – hülfeflehend! ... Zu Tigellinus. versöhnet die Gottheit! – holet den pontifex! – rufet die Magier! – eilet! – schnell! – versöhnt die Schatten! – besänftigt die Manen! ... Er bleibt in seiner gespanten, wie angstvoll horchenden Haltung stehen.
Das ist sein Anfall, wie nach dem Tot der Agrippina! – der kann wochenlang dauern, wer kann dies wißen! ... Bitter. das sind diese Künstlernaturen: nach jeder Blutaffäre werden sie sentimental und rufen die Götter an! ... wenn sie dann wieder gesund sind, soll man parat stehen! ... inzwischen kann Alles verloren sein Geht verzweiflungsvoll nach Hinten.
Bereits sind Gerüchte unangenehmster Art in's Volk gedrungen – es heißt: Der Kaiser laufe schreiend Nachts im Palast herum und kämpfe mit unsichtbaren Personen – die längst vergeßenen Schmählieder werden wieder auf offener Straße gesungen und die Büsten des Kaisers mit Unrat beschmiert – die alten Profezeiungen vom Untergang des Julischen Hauses werden wieder hervorgeholt und überall kolportirt – man hält die Priester und Haruspizes auf er Straße an, und fragt: was das für eine neue Krankheit sei, und: ob denn die Bluturteile bei den vielen Verschwörungen gegen des Kaisers [98] Leben nicht zu Recht ergangen seien? ... Stimmungen, die das Allerschlimmste befürchten laßen.
Zäsar, ich beschwöre, Dich, behalte Deine Faßung! ... im Volke sind allerlei Gerüchte verbreitet ... auf dem Forum laufen sie zusammen, sezen Freiheitsmüzen auf und tuscheln mit verdächtigen, höhnischen Mienen! ... ein kleiner, unglüklicher Zufall, und diese ganze Menge erhebt sich wie im Sturmwind! ...
Die Manen der Erschlagenen wachen im Dunkeln .... der finstere Fährmann steht am Fluß und wartet auf die Seelen ... sie reichen ihm den Obolus – und zeigen starr auf ihre Wunden ... sie erheben flehend die Hände und bitten um Rache! ... Er blikt starr vor sich hin und geht dann schleppend nach Vorn links, wo er sich niederläßt.
Ein Späher, wenn ich recht sehe, verlangt zu Dir: er komme aus der Senatssizung, und bittet um Gehör; er habe Wichtiges zu melden.
Ein neuer Bote, Herr, scheint aus Gallien angelangt zu sein. Doch wurde er, da inzwischen die Verhaltung des Hasta bekant geworden, abgefangen, und in den Senat gebracht: Darnach ist Vindex von den ger manischen Legionen besiegt und hat sich den Tod gegeben Freudiges Erstaunen bei Allen, außer Nero. ... der Bote wurde mit neuen Briefschaften versehen und sogleich aus Rom hinausgeleitet ... zugleich hat der Senat aus eigener Machvollkommenheit die Aushebung jüngerer Mannschaften in den italischen Provinzen angeordnet und will auch die Regimenter aus Apulien und Sizilien an sich ziehen! ...
[99]Damit haben wir den ersten Akt einer angemaasten Gewalt des Senats, und wenn es nicht jezt noch gelingt, diese offenbaren Rechts- Verlezungen mit blutiger Strenge zu unterdrüken, so stehen wir vor der Revoluzjon! ...
Die Senatoren sind vielfach von Bewafneten umgeben und ein großer Teil ihrer Freigelaßenen, scheint es, sind ebenfalls mit Waffen versehen worden!
Auch bin ich der Prätorjaner nicht sicher. Und so lange Auf Nero weisend. Zäsar sich nicht persönlich dem Volke zeigt, vermag ich nichts ... Mit sich kämpfend, in äußerster Entschloßenheit, zu Nero eilend. Wenn ich noch Etwas über Dich vermag, und Du diese lezte und kostbarste Minute ausnüzen willst, um Dich und Deinen Tron zu retten, so steh auf, gürte Dich, lege die toga praetexta an mit den kaiserlichen Ehrenzeichen, und gehe hinaus auf das Forum, und zeige Dich dem Volke ... noch stehen die Prätorjaner zu Deiner Seite, – die germanischen Legjonen halten Treue, – noch ist Nichts verloren ...
... rettet den römischen Staat ... fleht zu den Göttern! ... Geheimnisvoll. besänftigt die Schatten ... versöhnt die Verstob'nen ...
... Rettet den Staat! – Rettet die ewige Roma! ... Er erblikt Niemand, schaut sich schrekenerfült um, geht bis in die hintere Gallerie. Tigellinus! – Tigellinus! – Nymphidius! ... He da!: Prätorjaner! – Prätorjaner! ... Komt geknikt und abgeschlagen zurük, schlept sich nach Vorn und läßt sich kraftlos auf seinen Siz zusammensinken.
... abgefallen wie die Andern – Kindlich, mit Handbewegung. der Palast ist leer – die Türen stehen offen – Alles ist fort Weint. ...
Und Du, mein Herzensjunge? – Hast Du Deinen Kaiser nicht verlaßen? – Bist Du der Einige, der mir treu geblieben? Er drükt ihn mit großer Wärme an sich.
... Phaon schikt mich! – er rät zu dringender Eile! – ein kleines Landgut, zwischen hier und den Serviljanischen Gärten, ist zu Deiner Aufnahme bereit gehalten ... bis beßere Zeiten anbrechen ...
... bis beßere Zeiten anbrechen ... ja, mein Junge, wir wollen fort, wir eilen zu den Göttern ... zu den heiteren, ewigen, glükseligen Göttern ... die beßer unsere Kunst und unser Menschentum verstehen, als diese Barbaren, die nur Neid und Tüke für die Auserwählten der Götter haben ... eilen wir nach Griechenland – überall werden sich offene Arme mir entgegenstreken – die Städte werden sich rüsten, uns festlich zu empfangen ... Sporus fängt zu schluchzen an. ... Egipten hat mir seine Herrschaft angetragen – die Parter wollen mich auf ihren Tron erheben – Juda hoft mich als König zu erlangen – alles strekt die Hände nach mir aus und will mich zum Fürsten haben – doch wir fliehen zu den Göttern, zu den Göttern Griechenlands, zu den Unsterblichen ...
Eile! – es ist keine Zeit zu verlieren! ... die Prätorjaner haben Dich verlaßen – in den Tempeln werden Deine Bildsäulen umgestürzt[102] – die Menge rast auf dem Forum ... im SenatEr schluchzt und kann nicht weiter sprechen.
Nimm die Harfen mit – und die Siegesgesänge! – und Terpnus soll folgen – und Lu kanus – und Vatinius – und der Flötenspieler ... und alle die Mädchen und Knaben ...
Dringendste Eile ist vonnöten! – Auf Phaon verweisend. dieser Treueste hat ein verborgenes Landhaus in der Nähe der Tiber, wo er Dich unterbringen will! – Pferde stehen bereit! – Eilet! ... Nero wird mit Mühe vorwärts gebracht.
Ich kann nicht weiter! ... [103] Wir müßen hier bleiben! ... Epaphroditus sieht sich um. – oh, die Hunde sind dem Edelwild auf der Fährte ...
O, Ihr dreimal heiligen Götter, war das Ende, das Ihr über Euren Liebling, über Euren Schüzling, den Auserwählten vor Tausenden, den besten Kaiser beschloßen! ... Dringend. hör', Epaphroditus, – und auch Du, Spor us, – die par Worte müßt Ihr meinem lieben Volke überbringen, sie ihm jeden Tag vorsagen, – sagt ihm! – sagt ihm!: was ich Alles mit ihm vor hatte, – wie es der Gegenstand meiner höchsten Liebe, meiner zärtlichen Sorgfalt, meiner glücklichsten Fantasieen – Verzweifelnd. o welch' ein Künstler stirbt in mir! – meiner glüklichsten Fantasieen gewesen – sagt ihm, was ich Alles für es getan, welche Kampfspiele und Wettfahrten ich ihm bereitet, welche Bäder ich gebaut, welche Zirkuße ich aufgeführt, für seine Freude besorgt, – wie ich selbst in die Rennbahn getreten, die Roße gelenkt, in Siegeswagen gestürmt, – nur um es zu beglüken, um es zufrieden zu machen, – hörst Du, Epaphroditus? – hörst Du, Sporus? – Zu Epaphroditus. Du mußt das Alles aufschreiben und es laut vorlesen: alle meine Künste, meine Herrschertugenden, meine Stimme, die mir Apoll verliehen, meine Melodieen, habe ich für das Volk, für das heilige, römische Volk vergeudet, dahingegeben, – die achtzehnhundert zweiunddreißig Siegeskronen, die ich in Griechenland erbeutet, habe ich für das Volk, für den Ruhm des römischen Namens, ersungen und errungen ...Er hat sich außer Atem geredet, will zusammenbrechen, – immer schluchzender. – ich war mir Nichts, das Volk war mir Alles! – Hätte man mir gefolgt! – Ist das – die Treue? – Ich hätte diesem Volke den [104] Erdkreis er obert! – o, Apollo, vermagst Du es mit anzusehen? – welcher Undank! – ich hätte diesem Volk die Welt wie einen Spielball zu Füßen gelegt! – o jammervolle Verblendung! – welch' eine Schöpfung, welch' eine Mischung göttlichster Eigenschaften, welch' gottbegnadeter Künstler geht mit mir zu Grunde! ...
Zäsar! rette Dich! Sie kommen! – Der Senat hat Dich nach dem Zwölf-Tafel-Gesez verurteilt! – Dich trift die Strafe als Feind des Staates! –
Beim Herkules, Du hast sie selbst gegen den Dichter Antistius verhängt! ... bei lebendigem Leibe zu Tode gepeitscht werden ...
Ihr Götter, ist denn Niemand hier, hier der mich dieser äußersten Schmach entzieht? – Holt mehrere Dolche aus der Toga. Hier, – hier sind Dolche! – Nehmt! – mein Arm zittert – o Ihr Götter, ist denn Keiner hier, der mir den Selbstmord vormacht? – Seid Ihr Stoïker, seid Ihr Filosofen? – Sporus! herziger Junge, habe ich Dich deshalb aus Griechenland geholt, Dich mit Woltaten und Zärtlichkeiten überhäuft? ... kanst Du jezt nicht für Deinen Kaiser sterben? – ist denn kein Tropfen Helden-Blut in Euren Adern? –
Ich fürchte, er hat uns die 60,000 Sesterzien, die auf seinen Kopf gesezt sind, vom Maule weggeschnapt. Betritt das Gebüsch.
Verhaftet Beide! Phaon und Epaphroditus werden ergriffen. – Zum zweiten Zenturjo. Eile, dem Senat zu melden: daß Nero hier, auf dem Landgut des Phaon, tot gefunden wurde ...Inzwischen haben andere Befehlshaber und Soldaten das Gebüsch betreten. – Zum ersten Zenturjo, der zurükkomt. – ist er tot? ...
... daß Nero hier auf dem Landgut des Phaon tot gefunden wurde – anscheinend gab er sich selbst den Tot – Phaon und Epaphroditus seien dabei verhaftet worden ... Zenturjo ab.
Ich hätt' ihn nicht für so fett gehalten ... Soldaten schleppen den Sporus aus dem Gebüsch herbei. – Da ist noch so ein Jüngelchen!
Nero ist tot! – Galba zum Kaiser ausgerufen! – Auf das Gebüsch verweisend. Da liegt das Scheusal – halbnakt – wie ein Wildschwein im Wald gefält! ...
Ein Teil bleibt hier zur Wache! – Die Uebrigen mit mir! – Mit dem größten Teil der Soldaten rechts ab.
1 Statt des lateinischen Textes kann der betreffende Schauspieler auch sagen: »über die Abfassung von Schmähgedichten«.
2 Siehe für diese Darstellung: Kraus, F.X., Roma sotterranea, 2. Aufl., Freibung i./B. 1878.
3 Die »s« müßen hier, da nur Flüsterlaute in das Publikum dringen, scharf betont werden.
4 Siehe das bekante Abendmals-Bild Lionardo's.
5 Die Agape, das »Liebesmal«, welches hier dargestelt werden soll, war nicht etwa das den späteren Jahrhunderten angehörende »Abendmal«, sondern eine gemeinschaftliche Malzeit profanen Charakters, wenn auch unter den strengen Vereins-Verboten der römischen Kaiserzeit und durch die dadurch gebotene Heimlichkeit einer gewissen Feierlichkeit und Herzlichkeit nicht entbehrend, und ging aus dem jüdischen Totenmal hervor. Das Sich-gegenseitig-den-Bißen-in-den-Mund-Schieben simbolisirt den komunistischen Charakter der Gleichheit und Brüderlichkeit, unter dem die ersten christlichen Gemeinden lebten.
6 Feralien, Feralia, das Fest der Verstorbenen am 2. Februar.
7 Die Lemuren, Lemures, die als wandernd gedachten Seelen Verstorbener, die die Lebenden molestirten, bei ihnen Wahnsinn erzeugten, und die man sich durch Sühngebräuche ferne hielt. Ihr Festag am 9. Mai.
8 Kleine Felseninsel an der Kampanischen Küste.
9 bekante Fischart.
10 geschäzte Weinsorte.
11 Die Morra, das uralte Finger-Spiel, welches die Römer von den alten Egiptern übernahmen, und das auch heute noch das verbreiteste Glüks-Spiel der Italjener ist, besteht in dem plözlichen und a tempo-Vorstreken irgend einer Zahl Finger zweier sich direkt gegenüber sizender, sich fest im Auge behaltender Spieler, die gleichzeitig und ebenfalls a tempo die Zahl der Finger des Gegners durch lautesRufen zu erraten suchen; derart, daß z.B. der eine Spieler drei Finger vorstrekt und gleichzeitig laut »Fünf!« ruft (womit er die Zahl der vom Gegner mutmaslich vorgestrekten Finger zu erraten sucht); während der Gegner im gleichen Momente, sagen wir: vier Finger vorstrekt und dabei seinem Vis-à-vis vielleicht »Zwei!« entgegenruft; so daß also vier Tempi, zwei Ausrufungen und zwei Fingerstreken, a tempo fallen. Hat Keiner die Zahl der Finger seines Gegners erraten, was jeder der Spieler sofort erkent und sieht, so erfolgt sofort neuer Aufruf und neues Vorstreken. Errät ein Spieler die Zahl der vorgestrekten Finger seines Mitspielers, so hat er gewonnen und zieht den betreffenden Gewinn ein, worauf das Spiel sogleich seinen Fortgang nimt. Erraten beide Gewinn auf. Der Aufruf erfolgt blizschnell und in Zweischenräumen von Bruchteilen von Sekunden. Das sich gegenseitig Fest-im-Auge-behalten und ein gewißer Takt garantiren das a tempo-Ausstreken und Zurufen von jeder Seite.
12 In diesem Falle hätte also Charmis sieben Finger gestrekt. Da aber die Zahl der jeweilig vorgestrekten Finger kaum vom Zuschauerraum aus kontrolirt werden kann, noch soll, so bleibt das Maas von Akurateße in dieser Hinsicht den Schauspielern überlaßen, deren Hauptaufgabe zu dem es sein wird, a tempo mit der Zahl einzutreffen.
13 Eine der kostbarsten Holzarten des römischen Altertums.
»Fata nos ducunt, et quantum cuique restat, prima nascentium hora disposuit.«
SENECA, de providentia.
Nero wird 16-jährig mit Oktavia vermählt und im gleichen Jahre Kaiser.
[1] [Er stand im Hinblik auf seine Ahnen in dem ungünstigen Verhältnis, seine geistige Erbschaft in der Richtung zum Vater und dessen Ahnen datiren zu müssen. Diese Ahnenreihe hatte ihm ausserdem nur schlimme Mitgift darzubieten. Für die Richtung zum Vater sprach schon das rote Haupt- und Barthaar. Von einem seiner väterlichen Ahnen aus der 5ten Generazion, der Konsul war, hatte ein gleichzeitiger Redner die Wendung gebraucht, »er habe eine Stirn von Eisen und ein Herz von Blei«. Grosse Furchtsamkeit finden wir hei einem Mitglied der vierten Generazion vor ihm. In der dritten Generazion, bei seinem Grossvater, zeigt sich schon jener heftige Drang zu Schaustellung und künstlerischer Betätigung in Schauspielen, Gladiatorenkämpfen Tierhezen u. dergl. Der Schlimmste aber war der ihm Zunächststehende: sein eigener Vater: Domitius Aënobarbus. Sueton nent ihn einen »in allen Beziehungen abscheulichen Menschen« (omni parte vitae detestabilem). Es kommen hier bei habitueller Trunkenheit jene plözlichen Anfälle von perversem Denken hinzu, wie sie eine durch den Alkohol aufgestörte, halb traumhafte Psiche zu Wege bringt, und wie sie dann von einem im Besiz grosser Machtmittel Sich-Befindenden oft sogleich in Taten umgesezt werden, so z.B., wie er bei Gelegenheit einer Ausfahrt in der Nähe Roms einen jungen Knaben aus purer Laune durch Einhauen auf die Pferde absichtlich überfahren liess, oder wie er seinen eigenen Freigelassenen, der bei einem Bankett nicht mehr weiter trinken konnte, zusammenhauen liess. Auch schwere sexuelle Verirrungen, wie Blutschande mit der Schwester, und in ihrem Wesen nicht mehr erkante erbärmliche Betrügereien, die er in hoher Stellung sich gegen Kutscher und dergl. zu Schulden kommen liess, weisen auf sitliche Abgestumpftheit in vorgeschrittenem Maasse hin. Also Totschlägertum, sitliche Taubheit, perverses Fühlen und Denken, impulsives Handeln und dabei starke künstlerische Veranlagung mit Hereinragen des Traumhaft-Erlebten in die Tages-Psiche bei der väterlichen Aszendenz. – Von Seite der Mutter, Agrippina, einer genjalen Verbrecher-Natur, hatte Nero, wenn er von ihr Züge besass, keine Kompensazion des meist fürchterlichen väterlichen Erbes zu erwarten. – Und so finden wir ihn denn, wie seine Eltern waren; verschieden nur, wie zwei Mosaikbilder, die nacheinander aus denselben Steinen zusammengesetzt werden, verschiedene dessins aufweisen können. – Ein Schöngeist und [2] frasenhafter Moral-Redner, wie Seneka, konte an diesem Prinzen, den er erzog, nichts ändern. – Ihn geisteskrank zu nennen, wie Wiedemeister (Der Cäsarenwahnsinn der Julisch Claudischen Imperatorenfamilie. Hannover 1875) wolte, ist unwissenschaftlich und unpsichiatrisch; auch wenn man die Spanne Zeit übersieht, die uns von ihm trent; von einer Perjode, in der es nicht, wie bei uns heute, ein bürgerliches oder wissenschaftliches Miljö gab, das hätte bestimmen können, was bei soinom Herscher »geisteskrank« war; sondern in der der Kaiser als »Gott« eo ipso gesund war. Aber auch bei Uebersehen des Unterschiedes der psichologischen und psichiatrischen Klassifikazion der Menschennatur zwischen damals und heute, auch bei strengster Anwendung des heutigen Maasstabes und der heutigen Nomenklatur – was, nebenbei gesagt, unhistorisch wäre – kann man Nero nicht geisteskrank nennen. Er war zum Teil imbeziller Natur, hatte melancholische Raptuse mit schreckhaften Angstzuständen, halluzinirte dann gelegentlich, und stand in seinem Denken und Handeln unter dem Einfluss einer starken Impulsivität. Aber daran leiden ja so viele Leute. Und das hindert doch nicht am Kaiser-Sein.] –
Nero's Liebesverhältnis zu Akte, einer Freigelassenen, deren Stammbaum er, um sie heiraten zu können, auf königliche Ahnen zurükzuführen befiehlt.
Er kultivirt das literarisch-filosofische und poetisch-retorische »junge Rom«, das er schon als Prinz um sich zu versammeln pflegte, und dessen talentirtestes Mitglied der Dichter Lukanus war. [Nero's hervorragende künstlerische Qualifikazion ausser Zweifel.]
Verschlechterung seines Verhältnisses zur Kaiserin-Mutter Agrippina [zwei Verbrecher-Naturen stehen sich hier gegenüber und beobachten sich].
Der Finanzminister Pallas, ein Günstling Agrippinas, wird entlassen.
Brintannikus, sein Stiefbruder, und durch die geschikten Operazionen Agrippina's von der Tronfolge Ausgeschlossene, beim Mittagessen auf seine Anordnung und in seiner Gegenwart vergiftet.
Er beargwöhnt den Prätorjaner-Präfekt Burrus, dessen altrömischer Ordnungssinn dem Staat einen gewissen Bestand sichert.
[3] Er fürchtet, dass die verbrechengeübte Mutter, deren Einfluss er sich entzogen, ihm zuvorkomme, und beschliesst, ihr zuvorzukommen. – Massenhafte Denunziazionen gegen die Kaiserin und deren Günstlinge.
Nero in den Bordellen, und in unerkanter Maskerade Nachts auf der Strasse, wo er sich an den wüstesten Raufszenen beteiligt.
Der Senator Montanus zum Tote gezwungen, weil er bei einer nächtlichen Prügelei seine Frau, auf dieNero unsitliche Angriffe gemacht, verteidigt, und dabei unbewusst den Kaiser geschlagen hatte.
Vornehme Römerinnen beteiligen sich insgeheim an den verbotenen Kulthandlungen der jungen jüdisch-christlichen Gemeinde.
Nero wird wegen der von Korbulo in Armenien erfochtenen Siege in Rom zum Imperator ausgerufen.
Sabina Poppäa, eine »professional beauty« ihrer Zeit, von vornehmer Abkunft, die Gemahlin Otho's, von Nero begehrt; er wird von ihr à distance gehalten.
Agrippina, die Kaiserin-Mutter, wegen angeblicher Nachstellungen gegen Nero, auf dessen Befehl, nach wiederholtem Mislingen, ermordet. Seneka und Burrus, die einzigen Männer altrömischer Strenge in der Umgebung des Kaisers, dieser Anführer der Garden, jener oberster Staatsleiter, scheinen dieser Fikzion Glauben zu schenken, um auf ihren Posten bleiben zu können. – Erster nächtlicher Angstanfall Nero's. Er vergräbt sich in Kampanien. – In der Hauptstadt werden auf Senatsbeschluss in allen Tempeln Dankfeste für die Errettung abgehalten; des Kaisers Bildnis neben das goldene der Minerva in der Kurie aufgestelt; alljährliche Festspiele zur Feier des Tages. – Der Stoïker Thrasea verlässt angesichts dieser Beschlüsse demonstrativ den Senat. – Dem aus seinem Angst-Kollaps sich erholenden, nach Rom zurükkehrenden Kaiser geht die gesamte Bürgerschaft und der Senat im Festgewand entgegen, als dem »Sieger [4] über die allgemeine Sklaverei« (publici servitii victor), wie sich Tazitus höhnisch ausdrükt.
Rosswettrennen. Er besteigt öffentlich den Rennwagen. Mimt öffentlich. Mit Beifall überschüttet. Einführung des griechischen Habits. Des Kaisers Popularität unbestritten.
Nero gründet die Juvenalia, eine Art Subskripzions-Bälle im Freien, zu denen man sich einschreiben lassen musste; dieselben fanden im sogenanten Augustïeschen Hain statt, und waren mit musikalischen Vorträgen und Komödien-Aufführungen verbunden.Demimonde und Frauen aus den höchsten Ständen drängten sich in gleicher Weise zu diesen Festen. Kings um einen den Mittelpunkt des Festes bildenden Teich waren Verkaufs-Butiken aufgeschlagen, in denen die genanten Damen Luxusgegenstände ausboten. Die mänlichen Festteilnehmer erhielten Marken, deren Verausgabung ihnen die Gunst je einer der Verkäuferinnen sicherte. [Es muss daran erinnert werden, dass die römischen Saturnalien eine ähnliche Umkehrung der Stände und Vergessen der sozialen Unterschiede für einen bestimten Tag des Jahres vorsahen, und dass das Sich-Preisgeben von Frauen zu Ehren der Venus oder des ägiptischen Anubis, als Kulthandlung, wenn auch in vergröberter Form, längst in Rom Eingang gefunden hatte.]
Nero selbst tritt bei dem Fest als Ziterschläger und Sänger auf. – Zur Sicherung des Beifalls wird das Augustjaner-Corps aus den Reihen der römischen Ritter gebildet.
Nero gibt ästetische Soireen, versammelt die jungen, noch unbekanten Dichter um sich, liest ihnen seine, meist extemporirten, Verse vor. Er gilt als entschieden talentirt.
Er gründet nach griechischem Vorbild die sogenannte Neronia, Wettspiele auf dem Gebiet der Retorik, Dichtkunst, Pantomimen, Gesang, Schauspielkunst, des Faustkampfes, der Pferdewettrennen.
Schwere Niederlage der Römer in Britanien, welches nur unter grossen Verlusten wieder zur Botmässigkeit zurükgeführt werden kann.
[5] Vierhundert Sklaven werden hingerichtet im Sinne des römischen Gesezes, wonach bei Ermordung eines freien Römers die gesamte Dienerschaft solidarisch kriminell verpflichtet war. Das Volk rottet sich zusammen und verlangt Abschaffung des veralteten Gesezes, dessen Durchführung Nero durch militärische Absperrung des Hinrichtungsplazes erzwingt.
Der Prätor Antistius ein junger Jurist, liest die von ihm verfassten Schmähgedichte auf den Kaiser in humoristischer Tischgesellschaft vor, wird denunzirt, wegen Majestätsbeleidigung angeklagt, im Senat die Totesstrafe gegen ihn beantraft. Der Stoïker Thrasea wendet sich gegen das Menschlich-Unwürdige dieses Verfahrens, beantragt und erringt Freispruch unter Vermögenskonfiskazion und Deportazion, auf welchem Urteilsspruch der Senat troz des Aergers des Kaisers besteht.
Burrus auf Anordnung Nero's vergiftet. Der Sterbende sagt: Ego me bene habeo!
Seneka beargewöhnt, wegen seines Reichtums beneidet, wegen seiner Indifferenz gegen des Kaisers Kunstbestrebungen gehasst, durch den Tot Burrus' isolirt.
Tigellinus, ehemaliger Pferdehändler, Freund Nero's, wird an Burrus' Stelle Gardepräfekt.
Plautus. Befehlshaber in Asien und Sulla, Befehlshaber in Gallien, deren Heeresmassen dem Kaiser Furcht einflössen, werden durch Kooperation Nero's mit Tigellinus durch gedungene Schergen ermordet und ihre Köpfe Nero überbracht. Der Senat bestätigt nachträglich die Totesurteile und beschliesst Dankfeste zur Errettung des Kaisers.
Nero verstösst die öffentlich nie hervorgetretene, noch sehr junge Kaiserin Oktavia wegen »Unfruchtbarkeit« und heiratet seine Mätresse Poppäa Sabina, deren Bildsäulen auf dem Forum und in den Tempeln aufgestelt sind. Das Volk, welches sich der Oktavia annimt, ihre Bildsäulen mit Blumen bekränzt, die Bildsäulen der Poppäa umstürzt, wird durch Militär auseinandergetrieben. Der Versuch, Oktavia des Ehebruchs [6] zu bezichtigen, scheitert an der Standhaftigkeit der gefolterten Kammerfrauen, von denen eine sagt: »Die Scham meiner Herrin ist reiner als des Kaisers Mund.« Endlich erbietet sich Anizetus der s.Z. gedungene Mörder Agrippina's, den Ehebruch mit Oktavia zu beschwören. Oktavia wird nunmehr wegen Ehebruchs auf die Insel Pandateria verbant. Wenige Tage später trift der geheime Tofeshefehl ein. Es werden ihr die Adern geöffnet und die langsam Sich-Verblutende zuleztim Bad erstikt. Ihr Haupt wird derPoppäa überbracht. Für die Götter werden die ühlichen Weihegaben beschlossen.
Doryphorus, kaiserl. Geheimschreiber, und der frühere Finanzminister Pallas, werden auf Anordnung Nero's, dieser wegen seines ungeheuren Vermögens, jener als Gegner der Ehe Nero's mit Poppäa, vergiftet.
Feldzug gegen die Parther. Die Römer unter Paëtus besiegt. – In Rom werden trozdem Triumfe über die Parther abgehalten und Siegesbogen errichtet.
Poppäa gebiert dem Nero eine Tochter. Der Göttin der Fruchtbarkeit wird ein Tempel errichtet. Das Kind stirbt aber im 4. Monat.
Nero's Bild im Gimnasium vom Bliz getroffen, zu einem Metallklumpen zusammengeschmolzen.
Tiridates, der König von Armenien, lässt sich herbei, sein königliches Diadem in Rom, aus der Hand Nero's entgegenzunehmen.
Der Schuster und Wizbold Vatinius macht sich am Hofe Nero's durch seine schamlosen Gedichte ebenso wie durch seine geheimen Anklagen gegen die Aristokratenpartei beliebt.
Torquatus Silanus, aus vornehmem Hause, der sich seiner entfernten Verwantschaft mit dem Kaiser Augustus rühmte, und mit seinen reichen Mitteln freigebig um sich warf, wird dadurch verdächtig, einer Staatsumwälzung günstig zu sein, und öffnet sich, der sicheren Verurteilung entgegensehend, die Adern.
Erotisches Fest auf dem Teiche Agrippa's mit[7] Lustknaben, Buhldirnen und Bordellstazionen an den Ufern, in welch' letzteren sich sowol Mädchen derDemi-monde wie vornehme Römerinnen preisgeben. [Auch dieses Fest scheint auf saturnalischer, den Gedanken an ehemaligen »Freiheit und Gleichheit« nahebringender Grundlage aufgebaut gewesen zu sein, wobei das ästetisch-menschlich schöne griechische Vorbild von den harten Römern verbestialisirt zu sein scheint.]
Nero lässt sich bei dieser Gelegenheit, sich als Weib, einen der Lustknaben mit Namen Pythagoras mit allen Formen und unter feierlichem Gepränge antrauen.
Neuntägige Feuersbrunst in Rom, wobei von vierzehn Bezirken zehn mehr weniger zerstört wurden, und die angesichts des furchtbaren Elends einen tiefen Eindruck im Volk hinterliess. Mancherlei Gerüchte gaben Nero die Schuld. [Von neueren Forschern zurückgewiesen. Die Ueberlieferung, er habe während des Brandes als Kitaröde gekleidet von der Plattform seines Palastes sein eigenes Gedicht »Der Untergang Troja's« rezitirt, ist, wie alles Legendäre, auf seinen Charakter zugeschnitten und soweit bene trovato, erscheint aber rein menschlich genommen kaum möglich, und ist daher von der modernen Kritik ebenfalls zurückgewiesen worden.]
Nero benüzt die durch den Brand gegebene neue Raumverteilung, um sich durch die Inscheniöre Severus und Zeler einen Palast von nie gesehener Pracht erbauen zu lassen: die domus aurea.
Das widersinnige Projekt des Kaisers, einen Kanal vom Avernus-See bis zur Tibermündung längs des Meeres quer durch Berge und Sumpfstrecken anzulegen, mißlingt. [Hier, bei rein einer tollen Fürsten-Laune entsprungenen Plänen, die lebhaft an die gelegentlichen, unausführbaren Aufträge Ludwig's II. von Baiern erinnern, müsste die psichjatrische Forschung einsezen, um eventuell die Geisteskrankheit Nero's zu erweisen, nicht bei seinen zeitweiligen, durch die Ereignisse motivirten Angstanfällen und nächtlichen Halluzinazionen.]
Gnadengebete wegen des Brandes an Vulkan, Zeres, Proserpina und Juno.
Massenhinrichtung der Christjaner, die als »Auswurf der Menschheit und Kehricht der Welt« (I. Korinth. [8] 4, 13) gut genug schienen, den Verdacht der Brandstiftung von des Kaisern Haupte abzulenken. In Folge der ungewöhnlich grausamen Hinrichtungsart aber, welche die Opfer in mit Talg getränkten Säken bei eintretender Dunkelheit lebendig Illuminazionskörper in den kaiserlichen Gärten anzünden liess, wante sich das Empfinden der Römer selbst dieser verhassten Sekte (odium generis humani) wieder zu, und vom Kaiser ab. – Während dieser aus Menschenfakeln gebildeten Illuminazion liess sich Nero, umgeben von römischen Kokotten (ambubajae) und spanischen Kurtisanen, im Kostüm des Apollo auf einem von nakten Bachantinnen gezogenen elfenbeinernen Wagen über die mit Goldsand bestreuten Parkwege seiner Gärten führen. Massen von Nimfen, Weihrauchfässer schwingend, liefen vorher, andere folgten nach und warfen dem Kaiser Blumenkränze zu.
Unerhörte Steuer-Eintreibungen durch ganz Italien und in den Provinzen, Plünderung der goldnen Weihgeschenke aus den Tempeln in Italien, Asien, Achaja, Einschmelzung der goldnen Gefässe und Götterbilder, um Geld zur Fortführung der kaiserlichen Bauten in Rom zu erhalten.
Seneka zieht sich, um der Verantwortung für diese Maasnahmen, die wachsende Unzufriedenheit erregen, zu entgehen, auf seine Landgüter zurück. Nero's Versuch, sich des unbequemen, moralisch sich gebärdenden Ministers [der von Heuchelei nicht frei, und durch Wucher sich ein enormes Vermögen verdient hatte] durch Vergiftung zu entledigen, mislingt.
In der Verschwörung des Piso macht sich endlich der Widerstand gegen die kaum mehr erträgliche Tirannei Luft; diese Verschwörung, dahin gehend, den beim Volk wegen seiner Verschwendung unmässig populären, aber durch seine Schlemmerei und absolutistischen Mord-Gelüste das Reich dem Abgrund zuführenden Kaiser, den »Teater-Prinzen«, am Tag der Zeres-Feierlichkeiten zu ermorden und den durch Vermögen und Bildung hoch angesehenen Stoïker Piso auf den Tron zu erheben, woran sich die höchsten Würdenträger, [9] Senatoren, Konsuln, Prätoren, Garde-Offiziere, Ritter u.a. beteiligen, wird durch einen Zufall verraten, und von Nero und dem GardepräfektenTigellinus zu grausamen Hinrichtungen und Verfolgungen Beteiligter und Unbeteiligter, sowie zu massenhaften Güter-Konfiskazionen benüzt. Schaaren Verdächtiger werden verhaftet; die Eparchis, eine Mitwisserin, wird gefoltert, und hängt sich, um nicht, durch die Folterqualen erschöpft, Geständnisse machen zu müssen, am Folterstuhl selbst auf. Piso öffnet sich die Adern; Konsul Plautius Lateranus nach seiner Verurteilung auf dem Forum ohne Weiteres niedergehauen. Seneka öffnet sich auf Befehl die Adern. Flavus enthauptet; ebenso Zenturjo Sulpizius Afer. Dem unbeteiligten Konsul Vestinus schikt man den Chirurgen und öffnet ihm die Adern; ebenso dem, Dichter Lukanus. – Viele verbant, darunter Rufius Krispinus, der als früherer Gatte der Poppäa unbequem geworden war. – Tigellinus' Bildsäule auf dem Forum aufgestelt. Massen-Geschenke an das Heer. Jedem Soldaten 2000 Sesterzien. Kriechende Unterwürfigkeit des Senats. Weihgeschenke an die Götter. Ununterbrochene Dankfestlichkeiten. Vorschlag im Senat: Nero als Gott schon bei Lebzeiten anzubeten [die Vergottung des Kaisers, die Apoteose, fand seit Zäsar in der Regel erst nach dessen Tote statt.]
Nero tritt neuerdings in den »Neronien« als Künstler und Wagenlenker auf.
Nymphidius, zweiter Präfekt der Garden.
Poppäa Sabina von Nero im Zorn erschlagen.
Kassius, Rechtsgelehrter, in hohem Alter, erblindet, und Silanus, von hoher Abkunft, werden, da sie durch ihr hohes Ansehen gefährlich erscheinen, der erste verbant, der zweite ohne Urteil hingerichtet.
Der ehemalige Prokonsul Luzius Vetus, seine Schwiegermutter Sextia, sowie seine Tochter Politta werden, da sie als Verwante des i.J. 62 von Nero ermordeten Feldherrn Plautus gefährlich erscheinen, von Nero ohne Weiteres zur Hinrichtung befohlen, und diese durch Oeffnen der Adern vollzogen. Nach[10] vollendeter Tat erfolgte die regelrechte Anklage vor dem Senat und die Verurteilung.
An der Pest sterben ca. 30,000 Menschen.
Publius Antejus und Ostorius Skapula werden wegen Befragung des Orakels über ihre eigene Zukunft (welches die Möglichkeit staatsumwälzender Profezeihungen bot) denunzirt. Von dem Moment an gelten Beide so gut als verurteilt. Dem Unvermeidlichen komt Antejus durch Oeffnen der Adern zuvor. Dem ahnungslos in Ligurien (Süd-Frankreich) auf seiner Villa befindlichen Ostorius wird der Chirurg hinausgeschikt. [Hier entschuldigt sich Tazitus beim Leser seiner Annalen wegen dar Monotonie der aufgezählten Morde, die bei äusserlich verschiedenen Umständen innerlich immer dieselben Motive zeigten: Furcht vor Verschwörung und Gier nach grossen Vermögen, und verspricht, sich kürzer zu fassen.]
Innerhalb weniger Tage öffnen sich auf einen kaiserlichen Wink hin die Adern: Annäus Mela, ZerjalisAnizius, Rufius Krispinus und der ehemalige Freund Nero's und bekante Schlemmer Petronius.
Der ehemalige Prätor Minuzius Thermus wird Tigellinus zulieb hingerichtet.
Thrasea, neben Seneka das Haupt der stoïschen Filosofenschule, republikanischer Tipus, einer der ersten Römer seiner Zeit, und einer der wenigen ganz intakten Charaktere, wird wegen verschiedener kleiner Ehrfurchtsverlezungen, wie ostentatives Wegbleiben von kaiserlichen Festen, und dann hauptsächlich, weil er im Majestätsbeleidigungsprozess gegen den Dichter Antistius Verbannung statt Totesstrafe beantragt hatte, selbst zum Tote verurteilt und öffnet sich die Adern.
Barea Soranus, gegen den Nero langjährigen Hass genährt, weil derselbe in seiner Stellung als Prokonsul von Asien die vom Kaiser gewünschte geheime Entführung der Statuen und Götterbilder Pergamon's verhindert hatte, wird unter nichtigem Vorwand angeklagt und mit seiner 16-jährigen Tochter Servilia hingerichtet; leztere, weil sie während des Prozesses die[11] Magier über den Ausgang desselben befragt hatte. Das Mädchen wurde, da sie als Jungfrau nach dem Gesez nicht hingerichtet werden durfte, vor der Hinrichtung vom Henker im Gefängnis entehrt.
Triumfzug des Armenischen Königs Tiridates durch Rom, wo derselbe sich von Nero das königliche Hoheitszeichen über Armenien aufsezen lässt.
Nero besucht die Fechterspiele seines GünstlingsVatinius, eines ehemaligen Schusters und Wizboldes in Benevent.
Er besucht in seiner Eigenschaft als pontifex maximus den sonst für Niemand zugänglichen Tempel der Vesta und schändet dort die Vestalin Rubria.
Vermutlich im Anschluss hieran neuerdings Anfälle von schrekhaften Angstzuständen und Halluzinazionen. Er erlässt ein Edikt: die Liebe zur Vaterstadt und zum römischen Volke gehe ihm vor alle seine Wünsche.
Vollendung der domus aurea, einer immensen Parkanlage mit Gärten, Wiesengründen, Tiergehegen, einem künstlichen Salzsee mit Meerungeheuern und ähnlichen Spielereien; die Portiken, welche die einzelnen Teile verbanden, erstrekten sich auf über eine römische Meile; im Palast selbst, der mit unerhörtem Aufwand von den Inschenjören Severus und Zeler auf der Höhe des Mons Esquilinus erstelt, die 120 Fuss hohe Kolossalstatue Nero's in Gold von Zenodorus. Parfümirte Springbrunnen, Sääle mit beweglichen Kuppeln, elfenbeinausgelegte Zimmer, babilonische Teppiche bis zu vier Miljonen Sesterzien das Stük, mit Goldsand bestreute Parkwege. »Endlich wohne ich wie ein Mensch!« –
Plünderung der Tempel Asiens und Griechenlands an Statuen und Götterbildern; aus dem Apollotempel zu Delphi allein 500 Stük. Verminderung des Goldwertes der Münzen, enorme Steuerauflagen in den Provinzen, Einziehung des Vermögens politisch Verurteilter oder Verdächtiger zur Erhöhung der kaiserlichen Einnahmen.
Erbauung eines Privat-Fortuna-Tempels auf dem[12] Gebiet der domus aurea aus einem fast unbezahlbaren, nur in Kappadozien vorkommenden, milchweissen, harten, durchsichtigen Stein, der in die fensterlose, vollständig geschlossene Rotunde ein blaues, magisches Licht durchbrechen liess. [Diese Neigung zur Farbenberanschung, die ganze, entschieden künstlerische, Geistesrichtung, die sich in der Lust zu architektonischer Ausnüzung von landschaftlichen Schönheiten und in grandjosen Wunderbauten dokumentirt, bei gleichzeitiger persönlicher innerlicher Verrohung bis zum Henkerhaften und Kannibalischen, wiederholt sich später fast bis einzelne Züge getren bei Ludwig II.]
Tierhezen, Wettrennen, Pantomimen, Zirkus- und Teater-Vorstellungen werden dem stets vergnügungshungrigen Volke geboten. Bei Gelegenheit der Hinrichtung der unter keinem Gesichtspunkt Mitleid verdienenden Christjani tritt eine neue Art Schaustellung in Szene: die Verurteilten werden zur Darstellung tragischer Rollen benüzt, deren Träger in dem Stüke selbst den Tod finden. Aus den mitologischen Legenden werden dabei die unzüchtigsten Stoffe ausgesucht und, je nach der Art, im Zirkus oder auf dem Teater dargestelt. Besonders beliebt ist: die von einem Stier zu Tote geschleifte Dirze, oder: die von einem Stier heimgesuchte Pasifaë. Hiezu wurden nakte Christenmädchen benüzt, und Nero ging dabei so weit, sich in eine Stierhaut zu hüllen, aus einem Käfig vorzubrechen, um mit fürchterlichem Gebrüll über das an einen Pfahl gebundene nakte Christenmädchen herzufallen. Zum Schluss gingen als Pluto verkleidete Diener über die Szene, prüften mit glühenden eisernen Ruten die Dortliegenden, und erschlugen die etwa noch atmenden Körper.
Der für Griechenland und den Orjent schwärmende, das barbarische Rom verachtende, Kaiser tritt endlich seine längst projektirte Reise nach Griechenland an.Helios, ein Freigelassener, als Regent aufgestelt. Während 11/2 Jahren ziet Nero unter Beiseitesezung aller politischen Erwägungen als Schauspieler und Wagenlenker durch die grösseren griechischen Städte, um sich [13] den Titel eines Periodonikes zu verdienen (d.i. Eines, der in den vier grossen griechischen Kampfspielen, den Olimpischen, Pitischen, Nemeïschen und Istmischen, den Siegespreis errungen). Sein Repertoir umfasste: »Die Kanake in Kindesnöten«, »Der geblendete Oedipus«, »Der Brudermörder Thyestes«, »Der rasende Herkules«, »Der wahnsinnige Alkmäon«, »Der Muttermörder Orestes«. – Während der Reise lässt er sich – diesmal als Mann – mit einem jungen Griechen, der auffallende Aehnlichkeit mit der verstorbenen Poppäa Sabina hatte, NamensSporus, trauen. Sporus tritt in Weiberkleidern auf und wird als Kaiserin angeredet. Ganz Griechenland feiert die Hochzeit mit. Ein Chirurg erhält den Auftrag,Sporus durch eine Operazion zum Weib zu machen. [In der Hofgesellschaft fält der Wiz: es wäre ein Glük für die Menschheit gewesen, wenn Nero's Vater auch eine solche Gemalin gehabt hätte.]
Korbulo, der erste Feldherr Rom's damaliger Zeit, der während 15 Jahren die römischen Waffen siegreich gegen die Parther geführt, wird von dem mistrauischen Kaiser nach Griechenland entboten und erhält heim Landen den Totesbefehl. Er stösst sich das Schwert in die Brust mit den Worten »Geschieht mir recht!« –
Währenddem treffen beunruhigende Nachrichten aus Rom ein, von wo Helios zur Rükkehr mahnt.
Mit 1808 Siegerkronen beladen zieht Nero in Neapel ein (März). Dann in Rom: »Heil Nero, dem Apollo!«
Aufstand des Statthalters Vindex in Gallien, der den spanischen Statthalter Galba auf den Tron erheben will. – Nero scheint die Grösse der Gefahr nicht zu erfassen. Bleibt untätig.
Zusammenkunft des Befehlshabers der Rheinischen Legjonen, Rufus, mit Vindex bei Vesontio. WährendRufus nicht abgeneigt erscheint, sich an der Erhebung zu beteiligen, geraten die beiderseitigen Heere in Folge eines Misverständnisses und bei gegenseitigem, durch lokale Umstände bedingtem, Hass aneinander,[14] die rheinischen Legjonen siegen über die Gallier undVindex stürzt sich in sein Schwert.
Im April fall auch Galba von Nero ab.
Nero hatte die ganze Zeit mit Kindereien vertrödelt, sich unfähig eines entschiedenen Widerstandes, grossartiger Maasnahmen, gezeigt, die Gefahr als solche gar nicht erfasst, war dann zwischen Wutausbrüchen und dumpfer Verzweiflung hin- und hergeworfen, um schliesslich mit aufgebrauchtem, widerstandsunfähigem Hirn, wie ein gelähmtes Kind, das ganze Geschik über sich ergehen zu lassen.
Der Senat verständigt sich mit den Prätorjanern, begibt sich in deren Lager, und ruft (Juni) Galba zum Kaiser aus.
Nero in psichischem Verfall am 3. Juni in seiner Villa in den Serviljanischen Gärten von aller Welt verlassen, flieht mit Epaphroditus seinem Schreiber,Sporus, seinem Lieblingsknaben, und Phaon, einem Freigelassenen, auf des lezteren Landgut, das tief in den Wäldern verstekt liegt, wohin ihm römische Reiterei nachsezt. Er lässt sich von Epaphroditus den Dolch in die Kehle stossen. »Welch' ein Künstler stirbt in mir!« 301/2 Jahre alt. Am 9. Juni 68. Nur seine alte Amme Ekloge und die verlassene Akte kümmerten sieh um seine Leiche und sorgten für Bestattung.
[15]1 Durch das hier Mitgeteilte wolte ich dem strebsomen Schauspieler, so z.B. dem Darsteller derNero', Gelegenheit geben, sich in die damals in voller décadence befindliche, römische Kaiserzeit etwas einzuleben, und ihn an den Vorstudien, die ich selbst für das Werk machte mühelos teilnehmen zu lassen. Das Markanteste, was hier aus den Quellen mitgeteilt ist, kann heute für uns historisch nicht erfaßt werden; dafür fehlen uns psichologisch die Vorbereitungen. Wir müßten Römer, und zwar Römer der damaligen Zeit, sein. So oft wir uns beim Lesen er vielen Graßheiten und Unbegreiflichkeiten moralisch rühren wollen, befinden wir uns auf falscher Fährte. Wir sind gewohnt. Alles, was sich als Dichtkunst oder historisches Kunstwerk uns darbietet, auf dem Brüsstein jüdisch-christlichen Empfindens zu analisiren: dieser Brüsstein ging Nero und seiner Zeit gänzlich ab. Schon Tazitus, der nur ein halbes Jahrhundert nach Nero schrieb, steht, etisch genommen, unter ganz anderen Anschauungen. Allein der Umstand, daß Nero der beliebteste Monarch der gesamten römischen Kaiserzeit war, muß vorsichtig machen in Anwendung von Gesichtspunkten, die zu falschen Resultaten führen müssen. Was wir einzig tun können, ist, historische Ereignisse und Personen durch möglichst moderne Kunstsprache uns menschlich näher zu bringen, alles Archaisieren zu unterlassen, und sie nur unter jenen welt-moralischen Gesichtspunkten zu beleuchten, die für die Völker Asiens wie des Abendlandes gleichmäßig gültig waren; um ein großes Beispiel anzuführen: wie Goethe seine »Iphigenie« schuf, oder wie Dürer die »Passion« in die Bildsprache des 16ten Jahrh. übersezte. – Um einen Maasstab für die schauspielerische Auffassung zu geben, dürften immerhin Tazitus' »Annalen«, Buch XI–XVI (in vorzüglicher deutscher Uebersezung von Ad. Stahr. Berlin 1879) sich am geeignetsten erweisen, obwol er, durchtränkt von stoischen Grundsäzen, mit viel zu großem sitlichen Zorn anNero herangeht. Wer dann noch etwa ErnstRenan's »Antechrist« lesen will, dürfte sich das Hauptsächliche angeeignet haben, um Nero als psichopatischen Herscher auf der Bühne darzustellen.