[472] [474]Uber das flüchtige glücke
B.N.
Mein hertze fleuch das glücke/
Und laß sein licht nicht deinen leit-stern seyn.
Ein englisch auge führt offt gifft und drachen-blicke/
Der himmel selber mischt in sonne regen ein.
[474]So kan sein angesicht auch lachen und doch blitzen/
Und hüllt in rosen-pracht die schärffste dornen-spitzen.
Die allerärgste sclaven
Wirfft offt ein sturm an sichres ufer an:
Das glücke zeiget nur der hoffnung süssen hafen;
Fleucht aber/ wenn sein fuß am besten anckern kan.
Denn lust und freude sind wie bunte regen-bogen/
Die/ eh man sie erkennt/ schon wieder abgezogen.
Der zucker unsers lebens
Ist nur ein schaum/ der gall und wermuth deckt.
Vernunfft und klugheit sucht das glücke selbst vergebens;
Weil schlang und natter auch in paradiesen steckt.
Die gröste klugheit ist der zeiten grimm verlachen/
Und/ wie ein bienen-wurm/ aus schierling honig machen.
In saltz und thränen baden
Ist sichrer/ als auff sammt und purpur gehn.
Denn wenn die blitze gleich den ceder-ästen schaden/
So läst ihr donner doch geringe pappeln stehn.
So fällt ein reicher auch offt schimpfflich zu der erden/
Wenn arm und niedrige zu grossen herren werden.
Was glück und gunst gebohren/
Schmeltzt mit der zeit wie schnee und kaltes eiß.
Der aber hat noch nicht der freuden port verlohren/
Der nur den trauer-wind recht zu gebrauchen weiß.
Denn glück und ehre sind nicht kinder einer stunden/
Und werden nur wie gold durch müh und schweiß gefunden.
Drum fleuch das falsche glücke/
Und trau/ mein hertz/ auff seine sonnen nicht;
Zeuch der begierden fuß von dieser spiegel-brücke/
Da gold und pfeiler so wie porcellan zerbricht.
Vielleicht kan schmertz und leid/ die deinen geist noch binden/
Bald deiner ehren bau auff festen marmel gründen.
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