Zweyter Auftritt
Das Trauerspiel, oder die Tragedie, ihr folget die Regel, als eine Sclavin gekleidet, sie trägt an der linken Hand Ketten, und in der rechten das Buch: La pratique du theatre par l'Abbé d'Aubignac. Das Alterthum. Der Fleis.
TRAUERSPIEL
siehet weder das Alterthum noch den Fleis noch die Regel an.
Mein Schicksal will mit mir bald auf, bald niedersteigen;
Ich bin recht übel dran. Es hindert mich sehr viel.
Es hat fast jedermann mit mir sein höhnisch Spiel,
Bald wollen sie mich gar bis an den Himmel heben,
Bald will mir fast kein Mensch Gehör und Antwort geben,
Das ist recht schwer für mich. Das meiste weis ich nicht,
Und wenn jemand etwas zu meinem Nutzen spricht,
So heist es: Bessre doch die Stücke, schaff dir Leute,
Die jung, und Künstler sind, halt sie an deiner Seite.
Und mach der neuen Welt auch was zu lachen mit,
Verändre deinen Tohn, gieb acht auf Tritt und Schritt,
Und sei nicht allemahl so traurig und so herbe.
Ich weis schon ohne dich, dass ich und du noch sterbe.
Es brauchts nicht, dass ich es in allen Stücken seh,
Und mit dem einen Fus bey dir im Grabe steh.
[460] Da werd ich zweifelhaft, wenn ich von Bessrung höre,
Und niemand sagt mir, wie. Sie kleiden ihre Lehre
Nur in Verzweiflung ein. Es heist: das war zu schlecht;
Das taugt dem Teufel nicht; das macht ihr gar nicht recht.
Alleine wenn ich mich nach allen will befragen,
So kan, so will, so darf mir niemand Antwort sagen.
Ey nun! So mag die Welt mit mir zufrieden seyn,
Wie ich es machen kan. Sie fält darum nicht ein.
Warum verlässt sie mich? Ich kan es nicht erzwingen
Und sie zu ihrer Pflicht, auf mich zu sehen, bringen.
Ich will den Trauer-Thon mit einem Lustgesang
Und Tanz vereinigen. Es soll hinfort kein Zwang
In meinen Spielen seyn; da mag man Weinen, Lachen,
Ich will es allen nun nach ihren Köpfen machen,
Damit ich leben kan. Es soll der Harlekin,
Der Pantalon, Hans-Wurst, der Rüpel und Scapin
In meinem Trauerspiel die Freuden-Kleider tragen,
Und jeder soll davon oft auch ein Zötgen sagen,
So lacht man wenigstens.
FLEIS.
Wo kömmst du her? mein Kind!
TRAUERSPIEL.
Aus Deutschland.
FLEIS.
Weist du nicht, dass wir zugegen sind?
TRAUERSPIEL.
Ich gab nicht Achtung drauf, ich war im Ueberlegen.
FLEIS.
Was hast du denn bey dir so wichtig zu erwegen?
TRAUERSPIEL.
Ich dacht an meine Kunst, wie die bald steigt und fält,
Und was man hie und da von meinen Spielen hält,
Wie ich von einem Ort zum andern werd getrieben,
Und was die meisten wohl am meisten an mir lieben,
Was ich befürchten mus, und was ich ändern kan.
FLEIS.
Wer sieht dich denn bey dir in deinem Land wohl an?
TRAUERSPIEL.
Es ist noch untermengt, bald Pöbel, bald Gelehrte,
Bald niemand.
[461]FLEIS.
Wenn dich doch ein Ort in Ruh ernährte!
Ich säh es herzlich gern; was stellest du denn für?
TRAUERSPIEL.
Ich weiss es selbst nicht mehr, denn es entfället mir.
Es ist so vielerlei, bald traurig, bald zu lachen,
Bald muss ich beydes wohl in einem Stücke machen,
Itzund ist meine Kunst als wie ein buntes Kleid
Von einem Harlekin.
FLEIS.
Das ist mir herzlich leid!
Belehrt dich denn niemand?
TRAUERSPIEL.
Sie wissen mich zu fragen
So ängstlich und so sehr, so unerhört zu plagen,
Warum ich das nicht so und jenes ändern kan;
Alleine wenn ich frag: wie fängt man dieses an?
So sind die Redner stumm; Ich muss im dunkeln bleiben,
Und darf mein Glücke nicht durch Künste höher treiben.
FLEIS.
Mein Kind! du dauerst mich! du weist dein Gutes nicht,
Belehr dich also selbst! Und mach dein grosses Licht
Von Staub und Moder rein! Komm her, ich will dir rahten,
Befrag das Alterthum.
TRAUERSPIEL.
Ach! Ich hab mit den Thaten
Der neuen Welt zu thun, und komm da nicht zu recht,
Das Alte hält man itzt für närrisch, dumm und schlecht;
Die Zeiten sind verkehrt, die Leute sind verändert,
Und dieser kömmt zu kurz, der nicht mit ihnen schländert,
Das seh ich auch an mir.
FLEIS.
O! stell dich nicht so toll
Und hindre dich nicht selbst!
TRAUERSPIEL.
Sprich, was ich machen soll;
Ich weis es wahrlich nicht.
FLEIS.
Lass dich doch unterrichten
Vom weisen Alterthum, und lerne deine Pflichten.
Weist du nicht, dass in dir viel reine Weisheit liegt?
Und wilst du, dass bey dir das Lasterhafte siegt?
[462] Betrachte dich doch recht! Die Kunst ist zwar gefährlich,
Sobald der Missbrauch herrscht, doch siehst du auch gantz klärlich,
Dass, wenn die Ordnung dich mit Tugenden verbindt,
In dir und deiner Kunst viel hohe Sachen sind,
Die dir und aller Welt zum Nutzen dienen können,
Du must der Kunst den Fleis, wie dir den Vortheil gönnen.
TRAUERSPIEL.
Mein Freund! du liebst mich sehr, womit verdien ich das?
Du machest, dass ich Muht und mir ein Herze fass
Mich bey dem Alterthum gebührend zu befragen.
Ach Freundin!
ALTERTHUM.
Rede frey! was hast du mir zu sagen?
TRAUERSPIEL.
Der redlich wahre Fleis und ein verborgner Trieb
Verbindet mich, dass ich die Trauerspiele lieb.
Ich weis, dass man sie gut und besser machen solte,
Wenn mich nur auch jemand geschickt belehren wolte!
ALTERTHUM.
Frag die Gelehrten drum, such ihren Unterricht.
TRAUERSPIEL.
Ach die bekümmern sich um Trauerspiele nicht,
Sie haben sonst zu thun, wie sie in grossen Staaten
Mit ihrer Wissenschaft den höchsten Häuptern rahten,
Und da vergessen sie den Theil der mir gehört.
ALTERTHUM.
So sorge, dass man dich bey Hofe mit ernährt!
Und dich belehren lässt, dass du kanst Nutzen bringen.
TRAUERSPIEL.
Bey Hofe ist es ja noch weniger zu zwingen,
Die Wahrheit kömmt sehr schwer ins innerste Gemach,
Die Pracht verschliesst den Weg, und ich bin viel zu schwach
Gerade durch zu gehn; Wer Fürsten will bewegen,
Dem steht so vielerley, so mancherley entgegen.
Bey Hof ist guter Raht viel theurer noch als Gold;
Man ist der Lehrbegier gehässig und nicht hold,
Man fordert allemahl vollkommne hohe Sachen,
Und dass man von sich selbst soll Wunderdinge machen.
Man hintertreibt für mich der Fürsten Gnad und Gunst
Und man bekümmert sich gar nicht um meine Kunst.
[463]FLEIS.
Nun so bekümmre dich um alles, was dir nützet,
Such aller Leute Gunst, und wenn dich diese schützet,
So führt sie dich vielleicht, eh' du es selber meynst,
An einen solchen Ort, wo du viel besser scheinst,
Wo man dich mit Gewalt aus deinem Irrthum ziehet,
Und sich mit dir zugleich um Besserung bemühet.
TRAUERSPIEL.
Ich habe lange schon mit Sorgfalt dran gedacht,
Wie man nach neuer Art die Trauerspiele macht,
Dass sie gefällig seyn. Ich hab mir vorgenommen:
Dass künftig allemahl ein Harlekin soll kommen,
Wenn in dem Trauerspiel der Held Gefahr verspührt,
Dass dieser ihn mit Lust aus allen Nöhten führt,
Dass er ihn trösten kan beym allerschwersten Sterben.
REGEL.
Tollkühne, schäme dich! wilst du dich selbst verderben?
Verfällst du in den Staub der blinden Raserey?
Dass deine Kunst nicht mehr erhaben, edel sey?
Was hast du für Gewinn? Nichts! als dein armes Leben.
Die reine Kunst kan dir und allen Nutzen geben,
Du must vernünftig seyn, und wenn dich alle Welt
Für thorigt, unnütz, dumm, ja gar für schädlich hält,
Ja, wenn die Weisheit gar in allen Künsten schwiege,
So sorge: dass dich nicht die Dummheit überwiege.
Weist du nicht, dass dein Haupt der Schmuck, die Krone, ziert
Und warum deine Hand den Dolch zum sterben führt?
Geh, schäme dich ins Herz! wie bist du angezogen?
Hat dich die schlaue Welt mit ihrem Witz betrogen?
Die dir das Hohe nicht von Herzens-Grunde gönnt;
Denn sie erschrickt vor dir, sobald man dich nur nennt.
Wirf diesen Umhang weg. Das Zarte von der Seide
Ist unter deinem Gold und reichem Königs-Kleide
Schön künstlich eingewirckt. Warum verstellst du dich
Mit einer Hirtentracht? Du bist mir ärgerlich.
TRAUERSPIEL.
Wer bist du? dass du mir so sträflich wilst gebiehten?
REGEL.
Die Regel, welche sucht dein Elend zu verhüten.
TRAUERSPIEL.
Hast du so viel Gewalt, strafst so geschwind und scharf,
[464] Dass man vor deinem Zorn auch gar nicht denken darf?
Du gehst so arm und schlecht, und bist ja selbst gefangen.
REGEL.
Ich hab die Bande blos aus meiner Hand empfangen,
Als Sclavin dien ich mir mit strengem Zwang und Joch,
Ich trag die gröste Last.
TRAUERSPIEL.
Und es erfreut dich noch,
Dass du gefangen bist?
REGEL.
Das kan mich nicht betrüben,
Ich habe guten Grund den schönen Zwang zu lieben,
Er machet mich geschickt, durch diesen werd ich frey,
Damit ich jeder Kunst zu dienen willig sey.
Ich kan die Wissenschaft durch alle Regeln führen,
Und dadurch alle Welt als Königin regieren.
TRAUERSPIEL.
Ich hab dich nicht gekannt.
REGEL.
Das ist es, was mich schmerzt,
Du hast mich liederlich verlohren und verscherzt,
Dein schönes edles Salz ist abgeschmackt, verdorben,
Du bist mir in der Kunst bey nah als abgestorben,
Wenn du dich nicht von mir aufs neue stärken läst.
TRAUERSPIEL.
Ganz gerne! doch wodurch?
FLEIS.
Setz deinen Vorsatz fest,
Und lerne ja itzund, was dir zu wissen nöhtig.
REGEL.
Ich suche dich ja selbst, und bin dazu erböhtig,
Drum weigre dich nicht mehr.
FLEIS.
Ich bitte nimm es an.
Weil sie dich ganz allein beständig führen kan.
Zur Regel
Hab doch mit ihr Geduld! Sie ist itzt noch verblendet,
Es hat die schlaue List den Vortheil ihr entwendet,
Dass sie das Gute nicht an dir erkennt und sieht,
Und weil du strenge bist, die Müh und Arbeit flieht.
Sprich ihr doch freundlich zu!
[465]REGEL.
Ich bin ja ganz gelinde,
Sobald ich Lust und Trieb zum wahren Guten finde;
Komm her! Ich nehme mich der blöden Schwachheit an,
Und suche, wie ich dir die Kunst erleichtern kan.
Liss hier im d'Aubignac, da wirst du alles finden,
Wie du mehr Künste kanst mit deiner Kunst verbinden,
Forsch fleisig, sinne nach, liss aber mit bedacht,
Damit die Einsicht dir die Regeln brauchbar macht.
TRAUERSPIEL.
Ach was versuchst du mich? Das Buch kan ich nicht lesen.
REGEL.
Das ärgert mich. Du bist sonst so geschickt gewesen
Und itzt so schrecklich dumm. So lerne, was dir fehlt.
TRAUERSPIEL.
Dass mich die Regel doch mit ihren Lehren qvählt!
Das geht so leicht nicht an, das ist zu schwer zu lernen.
REGEL.
Ey nun so will ich mich auch ganz von dir entfernen,
Weil du in keinem Stück zum Guten willig bist,
So bleib im Irrthum. Geh! und opfre dich der List,
Die dich in Abgrund wirft. Nun geh mir aus den Augen!
Wenn du der Welt, und dir nicht wilst zum Guten taugen.
TRAUERSPIEL.
Ich will ja alles thun, du must nicht zürnen.
REGEL.
Nein.
TRAUERSPIEL.
Ich habe nicht gewust, was mir kan schädlich seyn,
Und auch niemahls gehört, dass ich was nützen könnte;
Es traf kein Umstand zu, der mir die Einsicht gönnte, Ich bitte, straf mich nicht. Denn hab ich was versehn,
So ist es doch von mir aus Bosheit nicht geschehn.
REGEL.
Ey nun so must du dich auch willig führen lassen,
Denn sonst muss ich dich selbstverderben, fliehen, hassen,
Und ich bin doch betrübt, wenn dich ein Schaden trift,
Drum fliehe, raht ich dir, der Faulheit ihren Gift.
TRAUERSPIEL.
Ich habe nicht gewust, dass du es redlich meynest,
[466] Weil du mir heute hier zum ersten mahl erscheinest,
Ich traue nicht so leicht, denn man betrügt mich oft,
Und räht mir gar nicht recht. Ich hab auf dich gehoft.
Und lang nach dir geseufzt. Ich hab dich still verehret,
Ob ich mich über dich itzunder gleich beschweret,
Nimm doch den Willen auch für etwas Gutes an,
Wenn das Vermögen noch nicht höher steigen kan.
Ich spührte deine Kraft, und konte dich nicht nennen.
REGEL.
Der Klügste braucht oft Müh mich richtig zu erkennen.
TRAUERSPIEL.
So dunkel meine Kunst mir noch im Herzen liegt,
Hat sie mich doch – – –
REGEL.
Schon gut, ich bin damit vergnügt.
ALTERTHUM
zur Regel.
Du hast dich wahrlich doch vollkommen gut gehalten,
Dein Ansehn war vor dem bei unsren lieben Alten
Zwar gross Verwundrungs voll, bekannt und allgemein.
Alleine deine Kraft muss itzo stärker seyn,
Dass dich (auch fremd, bedeckt, verborgen und vertrieben,
Verhindert und verjagt) das Trauerspiel muss lieben.
Ich kenn dich fast nicht mehr in so vollkommnen Stand.
REGELN.
Mein liebes Alterthum! Ein heimlich heilig Band,
Das die Vernunft geknüpft, bringt mich zu dieser Höhe,
Dass ich bis in den Grund, bis in die Seelen gehe;
Drum ists kein Wunder nicht, dass auch das Trauerspiel,
So fremd ich ihr auch war, auf die Gedanken fiel:
Ich müste in der Welt zu ihrer Kunst gehören,
Sie hat sich nur zu lang den Vorsatz lassen stören.
FLEIS
zur Regel.
Bleib nur itzund bey ihr!
REGEL.
Und du! geh nicht zurück!
An dir hängt auch mein Ruhm und ihr erhabnes Glück.
Wenn du die Hände läst ermüdet niederfallen,
So gehet sie zu Grund. Daher must du in allen
Behutsam, wachsam seyn: Benimm ihr den Verdruss,
Und hilf, dass sie nicht stets Verlust ertragen muss!
Dicht, schreib und red für sie!
[467]FLEIS
zum Trauerspiel.
Ich will dich nicht verlassen.
TRAUERSPIEL.
So darf ich rechten Muht bey meiner Arbeit fassen?
Regel: Verbinde deinen Muht mit der Bescheidenheit
Und gehe nicht zu früh in diesem Stück zu weit!
Damit du sicher bleibst.
TRAUERSPIEL.
Ich will mich darnach richten.
REGEL.
Gedenk zu aller Zeit an alle deine Pflichten,
Und führ dich erbar auf.
TRAUERSPIEL.
Auch dieses soll geschehn.
REGEL.
Lass dich der ganzen Welt zu Ehren nützlich sehn.
TRAUERSPIEL.
Allein so must du mich in diesem auch belehren,
Was wohl für Künste noch zu meiner Kunst gehören?
REGEL.
Ach ja, das ist mir leicht.
TRAUERSPIEL.
Verstehst du denn den Staat?
REGEL.
So viel mir der Verstand davon erlaubet hat,
Denn dieser ist mein Herr, dem grossen Mann zu Ehren
Trag ich die Fesseln gern.
TRAUERSPIEL.
Wird er mir nicht verwehren,
Dass ich ihn suchen darf, weil ich so niedrig bin?
REGEL.
Ach nein, flieh nur getrost zu diesem Helden hin!
Zeig deine Schuldigkeit! Er kan itzt noch nicht wissen,
Dass du nach Regeln lebst, und dich den Wahn entrissen.
Er nimmt dich willig an.
TRAUERSPIEL.
Wann? wo? in welchem Land
Erfahr ich, wo er wohnt?
[468]REGEL.
Ist dir das nicht bekannt?
Hier ist sein wahrer Sitz.
TRAUERSPIEL.
In Frankreichs weisen Staaten?
Gut, dass ich dieses weis, nun ist mir leicht zu rahten.
REGEL.
Hier lebet, wohnt, und herrscht, gar die Vollkommenheit,
Der feinsten Künstler Fleis in seiner Trefflichkeit,
Kurz jede Wissenschaft.
TRAUERSPIEL.
Ich will dir was vertrauen,
Da gib mir deinen Raht.
REGEL.
Du kanst fest auf mich bauen,
Wenn du vernünftig bist; so halt ich dich recht wehrt.
TRAUERSPIEL.
Doch dass mir ja hernach nichts böses widerfährt!
Denn ich muss schüchtern seyn.
REGEL.
Behutsam kanst du leben,
Sag mir nur, was du wilst? Ich will dir Nachricht geben.
TRAUERSPIEL.
Ich habe mich vorhin mit Fleis vor dir verstelt,
Als wär mir alles fremd, weil man in aller Welt
Nicht gerne sieht und glaubt ....
REGEL.
Dass Leute deinesgleichen
Auch durch die Schauspielkunst so hohen Grad erreichen,
Der andrer Wissenschaft zu weilen näher geht,
Als man für dienlich hält?
TRAUERSPIEL.
Dein feiner Geist versteht
Auch, was ich denken kan. Daher wolt ich vernehmen,
Ob ich mich ohne Furcht auch dazu dürft beqvemen?
Ob die Vollkommenheit, die Einsicht, der Verstand,
Damit zufrieden wär? dass ich in jedem Land
An ihren Ruhm gedenk.
REGEL.
Die Fragen sind bedächtig.
Du redest ja itzund nicht mehr so niederträchtig?
[469]TRAUERSPIEL.
Kennst du die Regung nicht, daraus die Ehrfurcht stammt?
Und dass die Dankbarkeit auch ihr verpflichtet Ammt
Bey mir verrichten muss?
REGEL.
Ey freilich.
TRAUERSPIEL.
Nun so siehe,
Dass ich mich darin auch um meine Pflicht bemühe,
Und nichts dabey vergess, was sie erfordern kan,
Damit sie käntlich wird.
REGEL.
Du hast ganz recht gethan.
TRAUERSPIEL.
Ich habe weder Dolch noch Krone weggeschmissen,
Ich hab sie dann und wann zwar wohl verbergen müssen,
Allein aus Ehrfurcht nur und nicht aus Eigensinn,
Weil ich für dieses Werk zu sterben willens bin.
REGEL.
Wahrhaftig, das geht weit.
TRAUERSPIEL.
Bist du mit mir zufrieden?
REGEL.
Du bist in diesem Fall von vielen unterschieden
Und unverhoft geschickt.
TRAUERSPIEL.
Die schlechte Hirten Tracht,
Die mir dein strenger Sinn beym Anfang ausgelacht,
Trag ich nicht ohne Grund, die Pracht so einzukleiden,
Dass sie ein Schwacher auch vermögend ist zu leiden,
Der noch nicht weiter sieht.
REGEL.
Wahrhaftig, du bist schlau.
TRAUERSPIEL.
Sey nur vergnügt mit mir, ich bin nur eine Frau
Und weis mit jeder Kunst auch meine Kunst zu lieben,
Und wünsche sie geschickt und nützlich auszuüben.
Sie ziehet das gedruckte Trauerspiel Mithridates unter dem Schäferkleide hervor.
Hier ist ein Trauerspiel, vollkommen übersetzt,
Der Fleis von diesem Mann hat viele schon ergötzt,
Es ist der Mithridat.
[470]REGEL.
Das hast du mir verborgen.
TRAUERSPIEL.
Ich hatte noch dabey sehr vieles zu besorgen,
Deswegen schwieg ich still; Itzt aber geht es an,
Dass ich das, was ich denk, dir wohl entdecken kan.
Dies hohe Trauerspiel soll man alhier zu Ehren,
Zum Muster, von der Kunst bey ihrer Bessrung hören
Und der Vollkommenheit von mir gewidmet seyn;
Trift nun dein Wille gut mit meinem Vorsatz ein,
So stehe mir itzt bey, hilf mir es gut volbringen,
Denn es kan ohne dich kein solches Werk gelingen,
Und nimm dich meiner an, dass ich vor ihren Thron
Mit Ehrfurcht kommen darf.
REGEL.
Ich weis das Mittel schon,
Dass du kanst glücklich seyn: verbinde deine Triebe
Mit der vernünftigen behutsam reinen Liebe
Zu der Vollkommenheit. Das jung und schöne Kind,
Das stets bey ihr nebst mir Gehör und Zutritt findt,
Wird gern dein Führer seyn, und ich will dich begleiten
Mit wahrer Redlichkeit.
TRAUERSPIEL.
Bleib ja auf meiner Seiten
Bey der Vollkommenheit, und hindre was mich stöhrt,
Dass sie mich auch vergnügt bey ihrer Hoheit hört.
REGEL.
Schweig! Itzund öfnet sich das Zimmer, wo sie wohnet,
Wo der Verstand erwehlt, beschliesset, straft und lohnet,
Wo die Vollkommenheit Gesetze giebt und hält,
Wo der Verstand ihr dient, sein Urtheil richtig fält,
Und jeden Künstler hört, ihn schützt, versorgt, und liebet,
Und selber Anstalt macht, dass er die Kunst recht übet.