Die Ernte
Weiße flimmernde Sonnenflut
rings auf den wogenden Weiten ruht;
rüstige Mäher bei scharfem Schnitt – –
schwirrende Sensen singen mit:
Die Halme fallen.
Und hart am staubigen Straßenrain
schafft tief gebückt ein Mütterlein;
schon manche brennende Stunde lang
sirrt und surrt der Sichelklang – –
Die Halme fallen.
Da schaut aus schimmerndem Aehrenfeld
der Gutsherr auf zum Wolkenzelt:
– »Vorwärts, ihr Leute, die Stunde rinnt!
In den Klüften murrt der Gewitterwind –«
Die Halme fallen.
Und in den perlenden Abendtau
blickt so fröhlich die alte Frau;
sie wischt von der Stirne den hellen Schweiß
und zählt im Geiste der Garben Preis.
Die Halme fallen.
– »Vorwärts, ihr Knechte! die Stunde rinnt!
Mein Mahl bereitet das Ingesind;
mein Weib umrauscht ein seidener Flor – –
und der Jude wartet am Gartentor.«
Die Halme fallen!
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Und müde legt nach des Tages Brand
das Weib die Sichel aus der Hand:
»Du goldner Segen auf schmalem Feld,
du gibst mir Brot und du schaffst mir Geld!« –
Die Halme fallen.
– »Vorwärts, ihr Hunde, verdient den Lohn!«
Er denkt an seinen fernen Sohn.
Der schnellste Reiter auf blachem Feld
und der Gott der Weiber – das kostet Geld! –
Die Halme fallen.
»Und all das Gold« – die Alte sinnt –
»in die Ferne schickt ich's dem einzigen Kind.
Sie trieben ihn fort von Haus und Huf,
nun harrt er drüben der Heimat Ruf:
Die Halme fallen.
Und kehrt er heim, wenn der Himmel loht,
wenn der Weizen reif und das Mohnfeld rot,
dann faßt er die Sense zu heißem Schnitt –
und ich laufe und sammle und jauchze mit:
»Die Halme fallen!«