Heimatsklänge
Drei Klänge sind's vom Heimatsland,
Die ich schon lang nicht mehr gehört,
Manch trübe Stunde schon entschwand,
In der ich schmerzlich sie entbehrt;
Drei Klänge, süß wie Liebeslaut,
Wie schüchtern Wort aus Kindermund –
Bald wieder, wie zur nächt'gen Stund,
Das Wutgeheul der Sturmesbraut:
Du Rauschen in dem dunklen Föhr,
Du Wellenklang vom grünen See,
Du Lied aus Volksmund, wild und weh –
Wer weiß, ob ich euch nochmals hör!
O Rauschen von dem Kiefernwald,
Ich hab' dich stets so lieb gehabt,
Wie hat's mein wildes Herz gelabt,
Wenn des Piroles Flöten schallt,
[92]Wenn ringsumher die Biene summt,
Sonst alles Leben ist verstummt –
Und andersmal beim Mondenschein,
Bei Nachtwinds grellen Melodein,
Wenn's in den Kronen ächzt und kracht
Und durchs Geäst der Waldkauz lacht,
O Rauschen von dem dunklen Föhr,
Wer weiß, ob ich dich nochmals hör!
O Wellenplaudern im Geröhr,
Und Wogenklatschen an dem Strand!
Wer euch gehört, den läßt's nicht mehr,
Es hält für immer ihn gebannt.
O traumhaft leises Abendlied,
Wie's murmelnd durch das Röhricht zieht,
Du liebes Lied der dunklen Flut,
Beglänzt von Abendsonnenglut –
Noch schöner, wenn die Möwe gellt
Und weiter Gischt am Strand zerschellt –
O Wellenrauschen, leis und schwer,
Wer weiß, ob ich dich nochmals hör!
O Heimatslied aus Volkesmund,
So schneidighell wie Schwerterklang,
So kühn, wie's je in heißer Stund'
Aus starken Männerkehlen drang;
Bald zarter Liebe Leid und Lust,
Der eignen Schönheit unbewußt,
Bald dämmrigschauernd Ammenlied,
So gleichbewegt wie Glockenton,
Vom Abglanz alter Zeit durchglüht,
Vom Volke fast vergessen schon –
Ihr Lieder, wild und wehmutsschwer,
Wer weiß, ob ich euch nochmals hör!
Nach Osten zieht's mich mächtig hin,
»Nach Hause« klingt's in meinem Sinn:
Drei Klänge sind's vom Heimatsland,
Die haben mir das Herz entwandt;
Es ist schon lange nicht mehr mein,
[93]Es findet nur zu Hause Ruh:
»Nur einmal in der Heimat sein!«
Das klopft und klopft es immerzu.
Du Wellenklang vom grünen See,
Du Lied aus Volksmund, wild und weh,
Du Rauschen von dem dunklen Föhr –
Wer weiß, ob ich dich nochmals hör!
1886. Im September zu Münster