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Rinne sanft, du weiche Welle,
Schöner Flachs, durch meine Hände,
Daß ich dich mit stiller Schnelle
Fein zum goldnen Faden wende!
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Du Begleiter meiner Tage,
Wirst nun bald zum Tuch erhoben,
Dem ich all mein Lust und Klage
Singend, betend eingewoben!
Wie so schwer bist du von Tränen,
Schwer von Sagen und von Träumen,
Schwer von jungfräulichem Sehnen
Und durchblüht von Myrtenbäumen!
Ahnt er wohl, du traute Linne,
Welch geheimnisvolle Dinge,
Einen Schatz urtiefster Minne
Ich mit dir ins Haus ihm bringe?
Kühler Schnee auf seine Wunden
Sollst du werden, mein Gewebe!
Wohl ihm, daß er mich gefunden
Unter dieses Gartens Rebe!
Wie durchdringt mich das Bewußtsein,
Daß so ganz sein Glück ich werde
Und das Kleinod seiner Brust sein
Und sein Himmel auf der Erde!