Am Himmelfahrtstag
1846
Ausgestorben scheint die Stadt,
Weil, was Freude fühlt und Leben
Und ein gläubig Herz sich heben,
Sich hinaus begeben hat
Auf den See und auf die Berge;
Angefüllt wird jedes Tal;
Rühren muß sich Wirt und Ferge
In dem warmen Maienstrahl.
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Von des Daches Giebel schau
Ich hinaus, o welch Gewimmel!
Ja, die Erde trägt gen Himmel
Menschenherz und grüne Au!
Siehe, wie lebend'ge Fahnen
Flattern dort am Berggeländer
Kinder, bunte Lenzgewänder,
Unter grünenden Platanen!
Einsam wehen hier die Linden
Dieser Stadt um stille Dächer –
Ach, wie einen leeren Becher
Muß ich die verlaßne finden,
Einen Becher, dessen Schein
Wird geflohn von jedem Munde
Und auf dessen dunklem Grunde
Ich der letzte Tropfen Wein!
In die kühle Dämmernacht
Meines Hauses steig ich nieder,
Wo mir meine jungen Lieder
Schlummern, bis ihr Tag erwacht;
Wo ein Strauß von Blütenzweigen
Drüber nickt mit stillem Neigen,
Mit erwartungsvollem Schweigen
Junge Rosen halten Wacht.
Was ich lange zögernd mied:
Nun in tiefer Einsamkeit
Schreib ich dieses letzte Lied,
Schlußton meiner Jugendzeit.–-
Und der Hoffnung sei's geweiht,
Was ich hoffe, hofft die Welt!
Preis ihr, wenn sie endlich hält
Sich zur Himmelfahrt bereit!
[181]
O sie braucht nicht weit zu fahren,
Die den Himmel in sich wahrt:
Selbst sich einmal offenbaren,
Ist die ganze Himmelfahrt!
Sie ist wie ein Heil'genschrein:
Außen lieblich bunt bemalet,
Doch verdeckt im Innern strahlet
Pures Gold und Edelstein.
Tu dich auf, o schöner Schrein,
Lasse deine Schätze funkeln!
Laß sie, blitzend hell, verdunkeln
Der Märtyrer blaß Gebein! –
Freiheitschwanger sind die Lüfte:
Flieg hinaus, mein Schwalbenzug!
Flattre hin, mein Liederflug,
Klingend durch die Frühlingsdüfte!