Sans haïr les autres nations, on peut aimer et respecter la sienne.
Chev. de Florian.
[124]Sans haïr les autres nations, on peut aimer et respecter la sienne.
Chev. de Florian.
[124]Ein Mann, dessen Einsichten und Wünsche ich ehre, fordert mich auf, ein Lustspiel dieser Gattung zu schreiben. – Ich fühle mich nicht dazu. Man macht mir Muth. Ich fange an; man scheint nicht unzufrieden; die Aufforderungen werden wiederholt – so entstand dies Stück.
»Warum ich Figaro wähle?«
Weil wir ihm erlauben würden, überall zu Hause zu sein, wenn er unter uns erscheinen sollte.
»Figaro ist aber anderwärts lustiger!«
Ist es etwa überhaupt anderwärts lustiger, oder lachen wir williger über unsere Nachbarn? –
Uebrigens widerrathe ich das Stück den Direktoren, weil es lang ist. Das Publikum einer gesellschaftlichen Bühne ist nachsichtiger; darum, und da es auch ohne Theaterverwandlungen gegeben werden kann, empfehle ich es diesen.
Manheim, den 1. Februar 1790.
A.W. Iffland.
Graf Hyazinth. Sechsundsechzig Jahre alt. Einst ein guter Tänzer und auf gewisse Weise galant. Davon sieht man die Reste in der Art seines Benehmens. Keinen Verstand, aber guten Ton; doch ist dieser etwas verjährt, also förmlich. Verlegen jemand anzureden, Feind von Erklärungen, Gewohnheitsmensch. Kennt von Deutschland nichts, als die Genealogien ebenbürtiger Häuser. Liebt Kabinetchen, Schränkchen, und überhaupt Quinquallerien. Nicht ohne gutes Herz, Schwärmer aus Kränklichkeit und langer Weile.
Graf Christoph. Im achtundfünfzigsten Jahre. In den ersten Dienstjahren, wahrscheinlich durch schlechte Gesellschaft, ruinirt. Hat den Militärton beibehalten, weil er ihn für regentenmäßig hält. Ist in feiner Welt genirt. Schnitzt Stöcke mit Vogelköpfen, geht auf den Birschgang. Nicht ohne natürlichen Verstand, läßt sich aber aus Gemächlichkeit leiten. Seine Reden poltert er heraus.
Graf Baptist. Fünfundfünfzig Jahre. Durchaus mißtrauisch, kalt, hinterhältig, höchst förmlich, fast einfältig. Liebt nichts. Zeitungen, Staatskalender und Chroniken liest er gern. Er ist platt hochmüthig.
Baronesse. Siebenundvierzig Jahre alt. Ton de l'ancienne cour. Spricht schnell, mit viel Minauderien und kleinen Pantomimen. Affektirt kurzen Odem und Nervenschwäche. Sie ist schmutzig geizig, herrschsüchtig, rachgierig, lebt und webt in Intrigue. Haßt Deutschland hämisch. Glaubt sich überall bemerkt und bekannt. Ohne alles Herz und Gefühl. Nicht ohne List.
[126] Leopoldine. Ein gutes Kind. Etwas empfindelnd. Achtzehn Jahre alt.
Graf Bardenrode. Achtundzwanzig Jahre. Ein edler, sanfter, gutmüthiger Mann. Hochherzig für Vaterland und Menschheit. Im Besitz feinen Welttons und leichten Anstandes.
Rath Greif. Vierzig Jahre. Ein gewandter Dieb, wenn er der Intrigue in seinem Gleise begegnen kann; paßt aber nicht leicht in andere Form. Hochmuth, Eifersucht auf Herrengunst, blinde Geldgierde. Spricht schnell, und hat Lackeiendemuth bei der Baronesse, Ministerton bei den Grafen.
Inspektor Willner. Sechsundvierzig Jahre. Biedersinn und Offenheit. Verlegen bei den Vornehmen.
Figaro. Vierunddreißig Jahre. Ueberall zu Hause.
Haushofmeister Stock. Sechzig Jahre. Deutlich, langsam, aufpassend und aufschnappend. Das Parket gewohnt. Pflegt sich umzusehen, ob jemand zuhöre. Umständlich und leer.
Friedrich. Achtundvierzig Jahre vorbei. Ein gesetzter Hausbedienter.
Ludwig. Achtundzwanzig Jahre. Aus der Stadt hieher verschlagen, nett, listig und galant.
Jakob. Zwanzig Jahre. Nicht lange erst vom Lande genommen, steif, doch munter und gutmüthig.
Die Grafen müssen im Spiel nicht überladen werden. Sie wissen's nicht anders, und thun in vollem Ernst, was sie thun. Eben so die Baronesse.
Graf Hyazinth. Seidener Frack, von hoher Farbe, mit leichter Stickerei, etwas weit und hängend. Schwere Weste, schwarze Beinkleider, weiße Strümpfe, moderne Schnallen. Orden und Stern, reichliche Spitzenmanschetten, Ministerialfrisur. Chapeaubas.
Graf Christoph. Kavallerieuniform. Stiefel, Stiefelmanschetten, wenig Haar, langer Zopf. Hut und Stock.
Graf Baptist. Ganzes Kleid, schwer gestickt. Kleine goldene Schnallen. Haarbeutelperücke. Chapeaubas und Degen.
Baronesse. Weiße Chemise, weißer Morgenmantel, mit vielen gelben Spitzen. Ein nicht weißes Tuch, hoch unter das Kinn gepufft. Spazirstock von Schilfrohr mit Porzellanknopf, halbe Frisur, oder auch ganze, ungepudert. Vom dritten Akte an grande parure.
Leopoldine. Leichtes Modekleid.
Graf Bardenrode. Frack von Drap naturel, modernes Gillet, runder Hut und Stock. Im dritten Akte seidenes Kleid ohne Stickerei, reiche Weste, Chapeaubas und Degen.
Rath Greif. Ordinärer Tuchrock, genähte Weste. Kleine ängstliche Frisur. Im dritten Akte bordirtes Kleid von schlechtem Geschmack.
Inspektor Willner. Braunes Kleid, schwarze Weste und Beinkleid. Bescheidene runde Locke von eigenem Haar.
Figaro. Schwarzer Frack mit Stahlknöpfen. Elegantes Gillet, blaue Beinkleider, Haarbeutel. Im dritten Akte das spanische Figarokleid, doch das Haar mit Chignon, ohne Netz.
[128] Haushofmeister Stock. Grauer Rock, hellrothe Tuchweste mit Gold. Haarbeutelperücke. Rauhlederne Schuhe, kleine Schnallen, gefaltete Manschetten. Schwarze Soubise.
Friedrich. Die Frisur altmodig, lange Manschetten, Mittelschnallen.
Ludwig. Vom ersten Ton, in Schnallen, Wäsche und Frisur.
Jakob. Genau nach Herrn Stock's Schloßreglement.
Laufer. Grauer kleiner Zopf, feste Buckeln, Steifrock.
Der alte Bauer. Rock und Hut.
Die Bauern. Aermlich, doch nicht bettelhaft.
Ein großer Saal mit Mittelthüre und zwei Seitenthüren. Im alt-prächtigen Geschmack, etwa eine Gallerie der Ahnen. Ueber der Thüre das gräfliche Wapen.
Stühle, Kanapee und Tisch mit Tressen und Franzen besetzt, die Gestelle reich vergoldet.
Von den Angaben der Kostüme und der Dekoration gilt, daß alles nach Möglichkeit der Bühnen gemacht werde. Ich habe nur meine Idee sagen wollen. Uebrigens bin ich überzeugt, keine Gesellschaft werde es an Nettigkeit und gutem Ton mangeln lassen.
[129]Personen.
Eben darin besteht die Vornehmheit, daß sie sehen, wo wir nichts sehen. So was sagte er mir, da ich das Ding für einen Schein von einer Lampe hielt.
Ja ja! – Es sollen ihrer manche dem Scheine nachlaufen. – Eine Viertelstunde hat er sich mit dem Geist herum gebalgt.
Aus Noth! – Wir suchen bei den hochseligen Verwandten, da die lebendigen nichts mehr hergeben wollen.
Oder, wie neulich Herr Willner sagte: »Die plötzliche – besonders tiefsinnige Weisheit vornehmer Leute kommt gewöhnlich von einer Noth des Leibes oder der Seele her.«
Meiner? – Hm! da kennst du Excellenz Graf Baptistel nicht! Der sitzt seit fünf Uhr, angezogen, mit dem Hut unterm Arm, und liest.
Und liest? – Kurios! – Der liest nun die lieben Jahre lang in einem weg, und wird doch nicht – – so, – wie will ich sagen? – Er deutet auf die Stirne. anders!
Viel, ihr Herren! – Leiser. Ich wollte, ich könnte das von meinem Herrn sagen. – Der Herr Graf Christoph sind aber nun auch desperat pfiffig. – Was Sie nicht mit Feinheit zwingen –
Sie sehen aus, und gehen einher, hä hä hä, wie das Bild vom hochseligen Prinz Eugenius im großen Eßsaal. Wenn Sie aber von den großen Schlachten erzählen –
Was? Ist die alte Karosse wieder auf die Beine gebracht? Victoria! Wenn die durch den Ort rumpelt – so gibt's einmal endlich wieder ein volles Mittagsessen für uns. Geht ab.
Und bleiben's bis an ihr Ende. Der älteste Graf – ist d'rüber weg; der mittelste hat nie gewollt; und Graf Baptist – will eine Herzogin oder keine. Bardenrode ist der nächste Erbe, mit unsrer jungen Baronesse versprochen –
Gewesen! – Die gnädige Mama will ihr Wort nicht halten. – – Es ist so was im Werke mit einem von unsern alten Herren – Ich merke so was. Was sagt denn dein Herr?
Jakob, bring' Er den Brief an meinen alten Lehrer Willner. Aber zu eignen Händen – hört Er – zu eig'nen Händen! Geht ab.
Nein, auf der zweiten. – Paff! – das war das Spazirstöckchen! Jetzt ruht sie – nun Gnade Gott dem, den sie vor Augen hat.
Ja – Abends um sechs Uhr im Besuchzimmer. – Aber vorher! daß dich alle Tausend! Da sollte man meinen, sie müßte Nerven haben, wie Strohseile, so holt sie alles herum – Koch, Kutscher, Gärtner und alles! So lange sie sich so in der Grobheit mit uns gemein macht – spricht sie Deutsch wie unser einer – der Herr Graf Christoph auch.
Wenn sie aber unter einander sind, unsre Herrschaft und die Frau Baronesse Salome, dann wissen sie sich auf die deutschen Wörter nicht recht mehr zu besinnen; dann wickeln sie sich ein, hüsteln, trippeln, sprechen wie Klagleiern, und sind so dünn und fein wie alte Medizingläser.
Sind denn die Herren Grafen auch wohl? – O ja! – vermuthlich – ganz gewiß! – Brav so – brav! – Gott erhalte unsre gnädige Herrschaft! – Sollten die Bauern etwa schon da gewesen sein?
Ein Tumultchen – ein ganz kleines Tumultchen! – gar nicht important – Desperation vom Sonntagsrausch! – Aber laßt sie nicht vor. Ludwig – meld' Er mich bei Seinem Herrn! Nehm' Er ihm doch auch die Chronik mit – Er will sie lesen.
Laß Er die Bauern ja nicht vor. Es macht dem Herrn nur eine unnöthige Alteration! Hört Er – theure Seele! –
Es ist mit den armen Teufeln auf's höchste gekommen! – Wirklich haben sie ihr Elend dem Erbherrn geklagt.
Sie möchten nur zum Herrn Grafen Hyazinth gehen. Se. Excellenz wollen alles, wie es der alte Herr befiehlt. – Jetzt wollen Sie in der Chronik lesen.
Der liebe Herr! Wie brüderlich! – So recht aus den guten, alten Zeiten! – Alle drei Herren Grafen – gute Menschen, die wahren Engel! – Ich will zum Herrn Grafen Hyazinth gehen, liebe Herzen!Er geht in Hyazinth's Zimmer.
Er ist ein Spitzbube! – Es gibt zehn Meilen in der Runde keinen solchen Dieb, wie Er, Herr Spitzbube –
»Zu den Festen, Tafeln, und übrigen Einrichtungen bei der Anwesenheit des Hochgebornen Herrn, Herrn – –« hier fehlt mir der Name.
[138]Es ist genug! – Geb' Er mir Seinen Zettel – Einen Augenblick, mon cher Comte! – – Er will zwei hundert sechs und fünfzig Gulden? Geb' Er mir Seine Bleifeder! – – Ich akkordire Ihm hiermit ein für allemal – hundert Thaler.
Wo man nicht hinsieht? – genau! – Zehn Uhr? – alles schlafen! – Ueber die Verabredung? – keinen Wein, kein Feuer, kein Licht! Wer dagegen handelt? – den Abschied! – Er? in's Narrenhäuschen gesperrt, und Ihm an Lohn einbehalten. Geh' Er! – Zur Livree. Geht!
Ich bin beschämt, daß ich Ihro Excellenz warten ließ. Aber die Geschäfte – die Regierung – mein schwacher Körper! – Mir schlägt das Herz – die Adern beben – jeder Nerve ist in Mißklang mit dem andern! – Meine Seelenleiden sind auf den höchsten Grad gestiegen!
Soll ich denn wirklich meine Tochter dem [140] Grafen Bardenrode geben? Warm. dem Erbherrn der Gräflich-Bogaischen Güter und Herrschaften? Soll ich? – Gut! Gut! – ich sehe, ich soll es! – Freilich – ließe sich noch etwas anderes hoffen. Etwas ganz anderes. Stolz. Ich, mon cher Comte, bin eine Bogaische Tochter! – Pause. Nicht? Heftig. Bin ich nicht?
Nun also? – Noch ist Hoffnung wenn ich einem von Ihnen meine Tochter gebe. Was wollen Sie, daß geschehe?
Was noch für die Ehre unsers gemeinschaftlichen Hauses zu thun ist. – Ich will eine Heirath eines Grafen zu Boga mit meiner Tochter. Entweder den Grafen Christoph, oder Ihren Bruder den Grafen Hyazinth – oder Sie! – Begreifen Sie das?
Wollen Sie es denn so? – Graf Christoph – Ihr Bruder Graf Hyazinth, oder Sie – wie ich da die Ordnung mache – einer muß der Gemahl meiner Tochter werden.
Man wird stürmen! – Aber wir wollen zuvor kommen, mon cher Comte! – Ich bin eine Bogaische Tochter, und wir wollen stürmen. Den Grafen weiset man ab, zieht die Brücke auf.
Das will ich! Dann sagen wir: Er hat sie erregt. Ein Graf zu Boga heirathet meine Tochter – Er kommt um alles, und ich bin gerächet. Ja, mon cher Comte! noch sind wir die regierenden Herren.
Figaro – Figaro? – Hm! das ist ja wohl gar der Figaro, nach dessen Namen und Mode meines Herrn Bruders Schnallen –
Man hat ein Schauspiel über diesen interessanten Mann geschrieben, ja. Allein – er existirt – das schreibt man mir – auch wirklich, und kommt jetzt eben von Paris.
Wirklich lebendig. Ein Mann vom seltensten politischen Talent, einer der ersten Köpfe; ein Graf von Bedeutung folgt ihm als Gesandter in wenig Tagen.
Das wundert mich, daß alle diese Personagen ihren Namen zu einer Komödie hergegeben haben. Wer hat die Piece verfertigt?
Von Beaumarchais? Von genuinem Adel? So verdenke ich es ihm, daß er Komödien macht. – Also Monsieur Figaro?
Meine gnädige Frau! das schwere Werk ist gelungen. [143] Der Herr Graf Hyazinth cediren das Recht sich zu vermählen dem mittlern Herrn Bruder, Grafen Christoph.
So sollten – unmaßgeblich – die gnädige Frau dem Grafen Bardenrode lieber einst die Grafschaft zukommen lassen. –
Die Grafschaft? – Mag er sie haben, oder nicht. Er ist reich und stolz, das wird ihn nicht grämen; aber der Verlust meiner Tochter – das – bricht ihm das Herz.
Einst waren Sie ihm so geneigt – das Fräulein war ihm zugesagt: – darf ich – ohne Frevel zu begehen – nach der Ursache dieses Hasses –
Hm – ja! Sie mögen sie wissen. Es war [144] am Hofe die Rede von Deutschen, und von unsern Nachbarn, den Franzosen. Ich sprach mit Feuer für die letzten, und hörte, daß er seinem Nachbar sagte: »Es sei eine Ligue gegen den gesunden Verstand, des Vaterlandes sich zu schämen; und ich sei an der Spitze!«
Dann sagte der Fürst: »Seit der Preßfreiheit läge mein Orden in den letzten Zügen!« Die ganze Tafel lachte! Es dauert nicht sechs Wochen, so finde ich die saubere Geschichte in einem Journale.
– nale! Ja. Erst nannte man mich – eine Dame von großem Range. Sechs Wochen darauf schreit diesem Bettler es ein anderer nach, der nennt den ersten Buchstaben, Baronesse von B. dann finde ich's bei der Altenhain in einem andern Journale, dort heißt's, Baronesse von Br–th, und endlich – o – endlich –
Wickelt mir Brouillard das Haar, die Brochure fällt ihm aus der Schürze, und ich finde – o – finde den ganzen Vorgang, mit dem vollen ausgeschriebenen Namen – Baronesse von Brandenroth – Das – das kann ich ihm nie vergeben. Das letzte Zusammenraffen, Herr Vetter, es bringt ihn um Weib und Grafschaft. –
Schön! Herrlich! – Nur da Ihro Gnaden den drei Grafen so große Summen geliehen haben, welche damals in Hoffnung hoher Succession, ohne agnatischen Konsens –
Alles nach und nach. – Daß diese Garantie vergessen wurde, als ich meinen Vettern die Kapitale lieh, war wohl das Werk gewisser Leute, die beiden Theilen sich angenehm und nöthig zu machen dachten.
Gleichviel! Die Garantie wird Figaro mir schaffen. Auch den Triumph hab' ich erlebt, daß er den Feenpalast der Gräfin Altenhain vorüber fährt, und gerade hieher kommt.
Ja, mein Herr Rath! gerade hieher! die weise Sibille von Altenhain vorüber, gerade hieher. – Man hat ihm zu Paris ein Wort von mir gesagt. Er kommt – und mit ihm – will ich den Schwindelköpfen Sitte lehren.
Nicht? Er ist es, den ich Bardenrode gegenüber stelle. In Lachen, Scherzen, Witzeleien, achtet man nicht auf den ernsten Forscher. Mit Einem Worte – die Neuheit wird frappiren, die Grafen sind dadurch unthätig, und Bardenrode ist desorientirt.
Der Pöbel liebt ihn mit Abgötterei; er wird ihn gewaltsam hier einführen. Diese Kränkung rechtfertigt das Benehmen; indessen hat er die Schmach der Abweisung erduldet.
Führen wir die neue Steuer ein. Greif, ich versichere Ihnen, es sind noch Bauern genug, die Sonntags ihren Braten essen.
Sie klagen bitterlich. Sie wollen zum Herrn Grafen Hyazinth – Ueberfällt Dieselben wieder Ihre Angst – so –
So – die Skrupel – wegen der letzten Stunde – wie Dieselben es nennen – so werden Sie nicht einwilligen.
Pah! Wir bauen ihm ein neues Laboratorium. Und ha ha ha ha ha! – der Geist – ha ha ha! – der Geist muß ihm wieder etwas sagen.
Zudem ist der Graf Nachts selten allein. Diese Nacht traf ich ihn glücklich im langen Gange noch allein, da ich ihn vorher mit meiner Lampe geängstiget hatte. Mit den Geistern ist es nicht viel mehr.
Das thu' ich. Und wirklich haben Ihro Excellenz an den Geist Ariel jetzt starken Glauben. Allein – sicherer für unsern Plan wäre es – Hm! wüßte ich nur – – Aber das ist unmöglich.
So wie der Herr Graf Hyazinth überhaupt alles auf den Zufall ankommen lassen, so haben Sie seit kurzem den Satz angenommen, daß in all' Dero Vorhaben – die Knopfzahl entscheide.
Sie fangen zum Exempel an: – »Soll ich? soll ich nicht? – soll ich? – soll ich nicht?« – Er zählt dabei seine Knöpfe. Und wie es nun oben oder unten ausfällt – so geschieht es.
Sie waren neulich sehr geneigt, dem armen Inquisiten Gnade widerfahren zu lassen: allein der oberste Knopf fiel gegen den armen Teufel aus – und zufolge Dero Sistem wurde er hingethan.
Dann steh' ich für die Unterschrift! Dürft' ich nun hoffen, daß Sie den längst verheißnen Lohn für meine treuen Dienste mir gnädigst sichern wollten?
Die Erhebung in den Adel – dieser Sporn allein treibt mich zu ehrenvollen Thaten. – Die Herren Grafen können es vermöge der größern Comitive –
Ich will bei den Herren Grafen mein möglichstes [148] anwenden. Neun Uhr! Wo doch Figaro nur bleibt? Er schrieb mir –
Kann kommen. Zu Greif. Ein deutscher Gelehrter! – Bravissimo! – Wir geben Figaro eine Hetze mit dem Pedanten.
Da meine liebe Schülerin die glückliche Heirath mit dem Herrn Grafen Bardenrode nun vollziehen soll –
Sehen Sie! – dieser Figaro – seine Art zu leben – diese – ach! diese niedliche Art, alle Dinge zu nehmen – jedem Dinge die gefälligste Gestalt zu leihen – wird Sie entzücken.
Wir dürfen stolz sein, daß er mit diesem leichten, [149] heitern Sinne sich in die finstern Kreise des deutschen Reichs wagt.
Nicht wahr? – Ja, das muß man nur frei gestehen. – Zu Willner. Was mich betrifft, ich liebe mein Vaterland. – Zu Greif. Denn so unrecht sind sie nicht, die Deutschen – Sie sind geduldig und dauerhaft. Zu Willner. Nur Esprit undGrace! – Nun dafür können sie nicht. Zu Greif. Wenn sie nur nicht schreiben wollten! Ja – das heißt – Kompendien wohl! aber – Zu Willner. Er hat doch die Erbauungsschriften erhalten die ich Ihm für das Landvolk zugeschickt?
Kompendien möchten sie wohl schreiben – Nur – setze Er sich, ehrlicher Willner! – Nur um Gottes willen nichts Schönes!
Ja – Wo sie so alles sagen wollen was man denkt – was sie natürlich schreiben heißen.Mitleidig. Ach du Gott! – Zu Willner. Er hat auch ein Buch geschrieben?
So lange die Gewinnsucht öffentlich – sogar mit Pracht – sich bei dem Diebstahl fremden Eigenthums blähen darf; so lange ist auch für Fleiß – nicht einmal Erwerb; – so lange können wir uns der Wärme unserer Großen für Literatur des Vaterlandes nicht hoch rühmen.
Sie sind toll – sie sagen, unser Herr Greif hätte sie um die besten Ländereien in seinen Beutel schon gestraft. Er wollte ein Rittergut anlegen, und sich Baron von Greifhart nennen. Ich wollte einem den Text lesen; Gott steh' mir bei! mir fehlt seitdem der Augenzahn.
[151]Willner – jetzt hat Er für Sein Talent ein offenes Feld. Geh er hinunter zu den Leuten – hör' Er sie an.
Allein, sie klagen über Mangel – den Druck von allzu harten Steuern – über Tirannei! – Was soll ich darauf sagen?
Sag' Er: – »Wir wären sehr attendrirt – wir dächten – was Er auch weiß – nur an ihr Wohl! – Bringe Er sie auf die alten Grafen Boga – und – auf Graf Bernhard's milde Stiftung; – daß aus Liebe für dieses Hauses Unterthanen mein Kind sich mit dem Grafen Boga gern verbinden wolle.«
Von Ihm wird nichts gefordert – als daß Er sie zu weinen mache. – Das übrige geht dann von selbst schon seinen Weg.
Eben in diesem Augenblick ein Wort von Rührung, Liebe – und irgend eine Staatsaktion, so sind sie wieder an uns gefesselt, und rennen blind in's Feuer.
Herr Greif, wir haben mit dieser Münze zu oft und vortheilhaft bezahlt, als daß wir ihren Cours nicht kennen sollten.
Greif, gleich eine Estaffete an Madame de Rectenau! – Kommen Sie! – Mais c'est le moment le plus délicieux de ma vie! Geht. Einen Kourier an Herrn von Störer – Der Laufer soll's dem Grafen Meldenstein ansagen! – O der himmlische Junge!
[153]Ja so! – Ja – hm – Sie freuten sich über seine Ankunft – sie wollten ihn empfangen – auf unsern Befehl empfangen –
Auf mein Wort, ehrlicher Jakob, – Er gibt ihm das Glas. bewillkomme Er mich mit dem Glase; trink' Er.
Auf mein Wort, trink' Er. – Lächelnd. Die gnädige Frau wird Ihm selten einen überzähligen Trunk erlauben.
Es thut mir weh, wenn einen gesunden Mann hungert oder dürstet. Es ist drum wahr: die Steifheit unsrer guten Vorfahren sieht man noch genug; aber ihre Großherzigkeit ist kaum noch zu ahnen. Geht ab.
Da hat der Mann, weiß Gott, Recht! – Ich verstehe zwar nicht recht, was es auf sich hat – aber – es ist mir, als wenn das eine Beschreibung von unsrer alten Gnaden, Baronesse Salome, gewesen wäre. Geht ab.
So gut wie ich. Die alte Gnaden – die wollte immer französisch dreinfallen – es war aber, als wenn er sie nicht verstände; denn er antwortete auf deutsch. – Der Figaro hat die Augen überall!
Den Figaro des Schauspiels mögen die vielleicht getadelt haben; allein den wahren Figaro, den [156] Beaumarchais kopirte, den ich hier in Ihnen admirire, den tadelte wohl niemand.
Wenn mich in seinem Schauspiele Beaumarchais getreu kopirte – so konnte ich nicht jedermann gefallen, wenn ich auch jedermann belustigt habe.
Nicht die; allein die Männer Frankreichs, von deren Worten keines noch verloren ging, die – wenn die Blendung des Schimmers schon verloschen ist, die erste Wärme in Prüfung überging – noch immer ganz da stehen – selbstständig – jugendlich, wie in dem großen Augenblick ihrer Schöpfung – die – sind mit mir nicht recht zufrieden.
Ich hätte – sie behaupten es – mehr und besseres – im hohen Sinne besseres – gekonnt, und auch gesollt. – Sie sagen, ich sei dazu vor andern fähig, und daß ich's unterlassen, sei Verlust. – Nun lächeln sie deshalb – fast etwas ernst – zu der Frivolität, die mir gelang.
Man hat mir zu Paris versichern wollen, daß, eh' ich mit dem Grafen Almaviva irgend etwas noch zu thun gehabt – die Deutschen mich weit mehr geliebt –
Almaviva? Dieser Almaviva – lebt ja nur in einer Komödie. Mit dem hat ja nur der Figaro des Beaumarchais zu thun. Sie, der wahre Figaro – Sie hatten nie Verkehr mit ihm?
Doch wenn man Sie erräth – und wer sieht nicht sehr bald in Ihnen den Dichter, den feinen Geist, den akkomplirten Hofmann?
Und die Deutschen – meinen Sie, hätten ehedem den admirablen Beaumarchais mehr geliebt, als jetzt? Seufzt. Zwar – die Deutschen! – Eigentlich, qu'appellez-vous – die Deutschen?
Bei uns in Spanien, fängt man an, sich mit[158] der Literatur der Deutschen sehr bekannt zu machen. – In Frankreich –
Ich weiß. Wir haben angefangen, davon zu sprechen. Allein, wer liest sie? – Zum wenigsten wir Pariser nicht.
Das glaub' ich Euer Gnaden! – Doch die Pariser von Paris, die lasen sie. Man weiß in Frankreich gar zu wohl, daß nur Franzosen, die in Deutschland lange wohnen, und Deutsche, die aus der Gouvernantenzucht in Hände alter französischer Exilirten übergingen, die Literatur der Deutschen gar nicht kennen.
Bei unsern jungen Fräulein wohl, weil viele rüde, junge Kavaliers im Deutschthun sich jetzt üben. Allein mit alle dem bleibt in der bessern Welt der Ton – was Deutsch ist – dort nicht aufzunehmen. Der Pöbel lacht zwar über uns, und die Schulmeister schreiben scharf; doch wir – wir unter einander – bleiben was wir waren, und wir befinden uns recht wohl dabei.
Der Schulinspektor dieser Grafschaft – ehemals der Präceptor meiner Tochter. Sie sind nun einmal hier, und müssen manche der Pedanten sehen, die wir nicht ganz von uns verbannen können.
Ich lerne Deutsche kennen. Sie sind mir schätzbar durch Wissen, Erfindung, Tapferkeit und Dauer! Wie wohl mit allen diesen Geisteskräften die Geduld – die unaussprechliche Geduld – bei hartem Druck der Großen – in Sachen des Geschmacks sich reimen mag? Das zu wissen – bin ich neugierig.
Die können nichts – als höchstens – ihn einzeln, heimlich soulagiren. Doch vor der Welt, da treibt Esprit de Corps sie dicht in unsere Reihen. Was Einer leidet – zu leiden glaubt – das leiden alle. – Genug – indem an Ort und Stelle der dumme Haufen für uns sich bataillirt, ist auch schon durch ganz Deutschland – Esprit de Corps in Waffen. Einmal geben wir den Ton. Was will der Narr nun mit der Ware machen, die unter uns verrufen ist?
In jener Kleidung sind Sie gemalt, beschrieben und erwartet. In jener Kleidung dürfen Sie sagen, denken, thun und lachen, lieben – wie Sie wollen. In dieser da – riskiren Sie Rang zu bekommen, und hie und da ernstlich vielleicht –
Herzlich willkommen! Ach! Zur Baronesse. wollte Gott, wir träfen uns zu Paris! Mein liebster Figaro, Sie finden hier bei uns – habile Rechnungsräthe – treue Menschen – das ist wahr! auch gute Apotheken; allein an Leute, die die Geschäfte auf eine leichte, galante, agreable Art traktiren könnten, ist nicht zu denken. Wir sind verlegen, einen Mann wie Sie nach Würde zu empfangen –
Der Empfang, den man mir hier gewährt, und was ich zur Ehre des Landes, aus dem ich eben komme, schon gesehen – setzt mich in einige Verlegenheit.
Zu viel Modestie! – Mein liebster Figaro, den Männern Ihrer Art ist Herrschaft über uns gegeben. Zur Baronesse. Liebe Baronesse, ich hatte eine schlechte Nacht. – Herzklopfen – Kopfweh auf der linken Seite – Zittern in den Händen – Schwindel – sehr kurzen Athem – und eine fürchterliche Nacht.
Bei vielem Gelde – mit viel Genügsamkeit. Er blendet mit der Gravität des Standes – mordet in Privilegio. – Dem dreisten Spötter seiner Dummheit zeigt er das Baret, und Titel von Akademien.
Ich werde diese Nacht viel Importantes sehen. Zu Figaro. Was macht Rosine – die Vermählte von Almaviva?
Worin wir beide sicher einverstanden sind: daß dieses Wort im Leben brauchbar ist, wie kleine Münze im Verkehr. Allein, daß doch –
[163]Nein, nein! – Ich rechne auf Ihren schönen Fehler. Diese schlaue Weise – die so genannte Herzlichkeit in allem Sturme wegzutändeln – ist es, was ich bedarf – worin ich Sie erwarte.
Wie ich Ihnen gesagt und oft geschrieben: In den Begebenheiten dieses Hauses, wie sie jetzt sich ordnen, liegt viel Tragisches.
Dem Ding eine gute Wendung zu verleihen, so habe ich unlängst die Frage ausgesetzt: – Wie ist der Landmann wohl am besten zu beglücken? – Der Preis der besten Antwort ist zwanzig Louisd'or.
[164]Nun wohl! Ich bin von allem unterrichtet, kenne durch Ihre Güte, Lage, Vortheile und Geschichte der Dinge, die mich umgeben; habe Vollmacht, Vertrauen und Befehl zu handeln. Ich gehe an mein Geschäft. Daß sich der Thor in seiner Kappe fange, daß der Erfolg die gute Sache lohne, und Thor und Weiser sich am Ende durch mich beglückter finde – das sei mein Werk.
Er hat mir sagen lassen, der Graf: – »Er wolle gar nicht einmal herein kommen. Er verlange nur Antwort.« –
Die Unterthanen haben sich ja klagbar an ihn gewandt. – Hm! – So viel ist sicher, Sie haben sie zu scharf ge–ge–regiert, meine Gnädige.
Mein Kapital garantiren – die Braut verlieren – um die Grafschaft kommen; und so – sehen, wen er beleidigt hat. Alles in Verwirrung – alles durch und gegen einander – alle Minen gesprengt – Wir – unversehrt in der Mitte, nehmen kalt und sicher den Leitfaden und regieren. Das, Graf, das ist, was ich will – was ich erlange – wozu ich Figaro verschrieb. Mit diesem Kopfe trotze ich jedem Kabinet. Geht ab.
Herr Graf – machen Sie sich jetzt zum Herrn der Begebenheiten – Sein Sie kühn. – Sie schneiden den [166] Faden in der Mitte durch, um zu gewinnen. Versöhnen Sie sich mit Bardenroden.
Keine bessere Sicherheit für ihre Kapitale, als Eintracht mit dem reichen Bardenrode. Sie muß es selber wünschen.
In dem Zimmer, das er sonst immer im Schloß [167] bewohnte, kleidet er sich um. Mein Gott! – wenn es mir nur gelingt –
Sie sind Verwandte! – Verwandte – gute Menschen, wenn ihre Herzen an einander schlagen, bedürfen sie, ein geringes Mißverständniß auszugleichen – nicht der Kanzlei.
Allein – es ist doch gleichwohl – voraus gesetzt, daß ich das Löbliche von Ihrer That erkenne – es ist doch gleichwohl Eine Rücksicht, die ich, als treuer Diener, noch empfehlen muß.
Allein der Graf von Bardenrode wird sich nichts vergeben wollen. Nun – und meine höchste Herrschaft – weiß doch auch gleichwohl wer sie ist.
Ist die Frage – die wegen der Konsequenz – sehr wichtig ist: – Ob man dem Grafen Bardenrode die rechte oder linke Hand allhier gestatten wolle?
Sein Sie so gütig. Ja! – Allein – da es die Ehre – so gleichsam die Hausehre des alten Hauses Boga [169] anbetrifft; – so sollten Ihre Excellenz doch nicht so ohne Dero Herren Brüder –
Greif – sucht den Adel, den Sie ertheilen können. Ich habe ihn zuvor gesprochen – Ich weiß, daß er für dieses Pergament die Freuden der andern Welt hingibt.
[170]Ja – wenn die Summe ansehnlich ist; allein, dann kann er, als Rath, nicht mehr in unsern Diensten sein.
Die Frau Baronesse; und dann – will Greif eine dem Stande angemessene Charge, so muß er wieder zahlen. Bei allen Finanzplanen waren Spekulationen auf der Menschen Narrheit ein sicheres, reines Plus.
Guten Morgen, Herr Bruder – Ah, Herr Figaro! – Scharmant, daß Sie da sind; bravo! wir haben recht auf Sie gewartet. Sie sind lustig, klug, bravissimo! Sie sollen – ha ha ha! alles mit Singen und mit Springen machen, schreibt man mir. Wenn's noch so kitzlich ist – doch lustig.
Ich rechne wahrlich auf Amusement. – Allein – Sie sind jetzt in Geschäften – Es wäre Frevel, Sie zu unterbrechen. – Er empfiehlt sich.
Euer Liebden habe vorzutragen nicht ermangeln wollen, daß – Graf Bardenrode hier speisen werde. Nun formire ich die Quästion: »Ist er als Gast, oder als Agnat zu empfangen? – und ihm also die Rechte, oder die Linke zu belassen?«
Meine Herren Vettern! es ist mir leid, daß Sie mir den Zugang erschweren – einem Manne, der durch die Rechte des Blutes Ihnen angehört. Ich meine es gut mit Ihnen; ich komme, Ihnen ein fröhlicheres Leben anzubieten – Sie einer Lebensart zu entziehen, die Ihnen Kummer und Verantwortung machen muß. – Liebe Vettern, wollen wir freundschaftlich zusammen reden?
Viel! – Wahrlich viel! – Doch – ich beklage meine Vettern. Ah – Herr Greif! – An Sie wurde [174] ich ja gewiesen. Beantworten Sie mir die Klagen der armen Unterthanen.
O – da – wüßte ich auf tausend – daß ich so sagen mag – nicht Eins zu antworten. Das ist – hm! – Es überfährt mich eine Gänsehaut.
Genug – ich reise nicht ohne ein Resultat bewirkt zu haben, das hier der Menschheit Linderung schafft. – Und jetzt schaffen Sie mir eine Unterredung mit dem ältesten Grafen. – Gleich auf der Stelle schaffen Sie mir die.
Treue ist keine Heuchelei – und was mein Herz mir sagt – laß ich mir nicht bezahlen. – Ich soll also dem Fräulein sagen –
Daß der Graf Bardenrode den treuen Jakob nie vergessen wird – und daß ich meine Leopoldine beschwöre, mich hier zu sprechen. Gehe ich zu ihr, so verderbe ich alles.
Ich war vorhin nicht böse,mon Neveu; – nur – weil wir eben damals repräsentirten – konnte ich nicht. – Jetzt sind wir unter uns – gleichsam inkognito. Jetzt wünsche ich Ihnen alle Prosperität, die so ein braver Kavalier verdient. – Umarmen Sie mich, mon Neveu.
Sie sind gedrückt – geplündert. – Sie bereichern sich nicht. Meine Tante hat Vermögen. Wollen Sie, um Fremde zu bereichern, Ihr Gewissen so verletzen, lieber, guter Onkel?
Lieber Vetter – das ist gewiß! – Und ich will künftig fest daran arbeiten, daß – Er sieht langsam starr in eine Stelle, und geht dann schnell fort.
Oft sehen der Herr Graf plötzlich etwas; Sie haben dies incommodum; – dann pflegen Sie den Ort schnell zu verlassen.
Ach, meine Brust! – Ich bin ganz außer Athem – Ich hörte, daß Ihre Excellenz in meiner Antichambre waren – Hm! – Die Leute wissen niemals Unterschied zu machen.
Meine Nervenschwäche, lieber Graf, hat indeß sehr zugenommen. Ich bin ein armes, schwach besaitetes Geschöpf – Fremde Thränen – rauben mir den Schlaf. Ich bin so weich, so sanft gestimmt, daß – Und dazu die Grafen, die Geschäfte, Regierung, Korrespondenz und alles auf mir ruhen lassen.
Die Wünsche der Grafen tirannisiren mich. – Was werde ich ihnen noch aufopfern müssen! – Ab davon.[177] – Wie lange ist es nun, daß wir uns nicht gesehen? – Drei Jahre! Nicht? – Ja, ja! – Es war in der Zeit des letzten Balles – wo Sie den Tag zuvor – erinnern Sie sich noch? – mit mir bei Hofe speisten.
Wie wäre das? – Ah – so! – Sie meinen das Gespräch an der Tafel? – Bagatellen! – die man für das Vergnügen der Gesellschaft soutenirt – und dann vergißt. – Da ich den Sieger schätze, mon Cousin, wie könnte ich ihn beneiden?
Cousin? – und Schät zung? – Bin ich nicht Sohn? durch Sie so lange Zeit getrennt von meiner guten Leopoldine –
Ich habe Pflichten für das Haus, aus dem ich stamme – für mich als Mutter – meine Tochter – für Sie, geliebter Vetter – und muß er warten, daß, was ich nicht einzusehen fähig bin, der Himmel lenke.
Daß ich die Lage der Sachen hier nicht nützen will, beweiset die Ruhe, womit alle in ihre Häuser zurück gegangen sind. Allein der Sprecher der gedrückten Menschheit zu werden – das kann ich nicht versagen. Gewiß – man läßt die Menschheit hier sehr leiden.
Die Menschheit – Entsetzlich! – Doch, ich sehe jetzt nur die Schmach, die Sie erlitten haben. Ich opfere mein Vermögen meinen Vettern auf; – den Einzigen, der mir es sichern kann – der mir so nahe angehört – Sie, will man auch noch von mir trennen? – Das geht zu weit! Ich will doch sehen, ob man da, wo ich einiges Einflusses mich rühmen darf, Kavaliers so tief zu kränken sich unterfangen darf? – Die Grafen müssen Ihnen Abbitte thun. –
Abbitte in Person. – Und wer dazu gerathen, wer den Befehl vollzogen – kassirt, ohne Ansehen der Person. Sie geht in des Grafen Hyazinth's Zimmer.
Gilt nicht Opfer, That, noch Selbstverläugnung. Wenn sie haßt – so haßt sie bis in's Grab. – Noch heute wird man mich zum Altare schleppen, wo ich vor den Augen Gottes meineidig dich um dein Erbtheil und dein Weib betrügen soll.
Leopoldine, tritt zurück! Sprich in der Gegenwart des Priesters und der glänzenden Versammlung, daß du die Gattin dieses Mannes zu sein verschmähst. – Mag dies Geschlecht doch länger dauern! – Ich trachte nach ihrem Erbe nicht. Der Himmel gab mir Unterthanen, die mich lieben – Sei ihre Mutter.
Wie? wenn ich am Altare laut dein Weib zu sein bekenne, was droht mir dann? – Weiß ich, ob ich nicht ewig die Gefangene der neuen Gräfin werde?
Ach Wilhelm, wer in unserm Stande vom Wege der Natur einmal gewichen ist – der stürzt vom Irrthum zu der Thorheit, von der Thorheit tief in's Laster. Er opfert alles dem Gott, den er sich selbst gebildet, und ginge über Mann und Kind und Haus und Ehre der Weg hinauf. – Schimmer lockt – die Konvenienz befiehlt – ihm ist Natur – ein leerer Schall.
Der allem Scherz entsagen, und in la Trappe sein Leben enden will, wenn er dem lieben Paare nicht Hilfe schafft.
Ich finde, was man mir vorher gesagt – die meisten Häuser in Deutschland – groß durch Reichthum oder Rang – bestreben sich ängstlich,Ton de Cour zu haben – und deshalb geht alles durch Intrigue. Essen – Spielen – Jagen – Sonnenschein und Regen – schlafen – promeniren – alles, bei allem, in allem ist Intrigue. Habe ich in diesem Gewebe den Faden mit ergriffen, dann geht die ärgste Sünde mir hin – als etwas das zum Spiel gehört. Doch, will ich gerade gehen, so ist ein jeder Zug, den das Gefühl des Rechts ganz unbefangen gegen diese Hieroglyphe führt – Verstoß, ist Plumpheit, Mangel an Konduite – auch Bosheit – wenn der Kabale des Tages die Strenge nöthig scheint. Wenn wir nun gegen List und abgeschliffene Menschen – nur Schlauheit brauchen, sind wir, bei Gott, nicht böse. Leiser. Und jetzt muß ich Sie bitten, mir allein Gehör zu geben.
Sie sind nun hier – Sie sehen nun selbst, was Sie bisher nur aus Erzählungen kannten. Was hoffen Sie für mich?
Wenn sie wüßte, daß ich der – sehr deutsche Baron – Forst bin; vergiften würde sie mich für das Freundschaftsstück meiner Verwandlung, daß ich Ihnen, lieber Graf, so herzlich dedicire.
Ich verlange von Ihnen nichts, als daß Sie meinem Plan nicht entgegen sind. Haben Sie gegen die Baronesse von Ihrer Liebe für das Fräulein mit vieler Lebhaftigkeit gesprochen?
Bravissimo! – Die Baronesse, so viel ich[182] merke, rivalisirt mit einer Gräfin Altenhain, hier in der Nähe –
Nur ruhig! – Dem Fräulein hier entdecken wir die List zuvor – Sie waren zu Paris? Von dieser Reise sind Sie entzückt? –
Ihr Haushofmeister wird dies in der Zeitung schon zu benennen wissen. Sie sind genau und brüderlich liirt mit den Ministern?
Nicht? – Nun gut! – so bitte ich Sie, es dennoch zu behaupten – mit kaum halb gelesenen Briefen der Prinzen vom Geblüte nachlässig umzugeh'n – die Namen eines halben Dutzend von Düchessen in das gleichgiltigste Gespräch anständig zu verwickeln. – Nun wird ein Kästchen an Sie kommen – ein Kästchen mit Moden, von Mamsell Bertin aus Paris –
Zu erfinden – zu besorgen – ist der Lohn,[183] den ich mir vorbehalte. – Diese Moden schicken Sie der Mutter, Gräfin Altenhain. Sie reden von der nächten Reise nach Paris – daß ohne Damen es Ihnen nicht gefalle, dort ein Haus zu halten.
Abgeholfen. – Mit Ernst das Gute wollen, und es mit heiterm Sinn verbreiten – ist Wohltat. Heiterkeit der Seele ist Mutter großer Thaten.
Sie fanden mich zu Paris, des Lebens müde – im Glück, mit einer schönen Frau des Lebens müde – abgeschliffen von Intrigue und fader Politik. Ich sah in Ihnen jede Tugend herzlicher Gefälligkeit sich mit den Künsten paaren – sah jedes Gute häuslicher Zufriedenheit, in allem Sturme unserer prächtigen Welt, mit Ihnen festen Schrittes wandeln – Ich warf mich ganz in Ihre Arme – Sie stimmten mich herab, um mich noch höher zu erheben – Sie lehrten mich, wie reich ich bin – durch Heiterkeit und durch mein Weib. Ich komme in mein Vaterland zurück, finde meinen Freund verwickelt, gequält von Vorurtheil und Bosheit. – Schnell erwacht der Gedanke, mit angenommenem Stempel ihm zu nützen. Es gelingt – Bin ich nicht glücklich, da das Schicksal Dankbarkeit mir möglich macht?
So handeln Sie. – Doch, was die Baronesse betrifft – sie kommt – so ist sie meiner Leopoldine Mutter. Geht ab.
Der Graf war hier. Der ist's? Ich kenne ihn von Paris, und will die Garantie sehr leicht von ihm erhalten. Allein, was mir ganz Ihren Beifall schaffen soll, ist die Art, womit ich dem Grafen Hyazinth ein gewisses Kapital verschaffen will. Nur bitte ich, daß Ihr Chargé [185] d'affaires, Herr Greif, verständiget wird, daß ich mit Ihnen einverstanden bin.
Jetzt gehen Sie gleich zum Grafen Baptist, und melden ihm, daß mancherlei Raison es fordere, daß er die Sperrung des Schloßthores auf sich nehme, und deshalb Bardenroden um Verzeihung bitte.
Er soll noch vor der Tafel um Verzeihung bitten. Zu Figaro. Schaffen Sie mir die Garantie – dann wollen wir auf Hochzeitsfeste sinnen, geschmackvoll – prächtig – wie es keine gab.
Belustigen kann ich hier minder, wie einst zu Aquas-frescas. – Dem widerspricht das Einerlei der Thorheit, die mir dient. Ob ich vielleicht mehr nützen kann?
Das sind besoffene – wie sie sich auch – ha ha ha! – in alter deutscher Redlichkeit – ha ha ha! vor Phi – lippsburg am Rhein erschlagen ließen. – Der Gewinn, mein lieber Figaro –
Ich fragte in Dero Namen, und machte es zur Bedingung, ob er auch ein Vermögen habe, als Edelmann sich anständig zu zeigen? In der ersten Begierde ließ er mich in Buch und Beutel deutlich blicken; da hielt ich fest auf dem Darlehen von diesem Kapital.
Dann die Hypothek, die ich ihm wichtig machte[188] – ohne sie zu nennen – die Art, womit ich sehr geschickt die Baronesse einmischte – das Geheimnisvolle – die Hoffnung hoher Zinsen, die schon den Klügsten –
Ich hätte dennoch den Greif nie reich geglaubt. Die Einfachheit in seinen Sitten, seiner Kleidung – Er schien mir immer –
Gnädiger Herr, die Kunst zu schei nen – ist es, worin die mittelmäßigen Köpfe stets unerreichbar bleiben werden.
Wer in der Mode um fünfzehn Jahre stets zurück geblieben ist – in Geschäften exakt pedantisch, sich an die Spitze drängt – Almosen gibt – vor jedermann sich bis zur Erde beugt – die Hände drückt – zu allem lächelt – bedächtig spricht – in grobes Tuch sich kleidet – wenn ein Platzregen fällt, zu Fuße bleibt – viel hoffen läßt – für niemand sich verwendet – in Kirchen laut über seine Sünden ächzt – an allen Thüren die lieben Kinder lobt – indem er über aller Menschen Glück und Köpfe steigt, doch über seinen Fall in tiefem Gram versunken scheint – der – der dies alles kann – das Ab und Zu davon geläufig hat – der plündre eine Monarchie – verrathe so schrecklich, wie er wolle, die Menschheit – in schützt die Außenseite! Wagt jemand diese Larve aufzuheben – so liegt in allen diesen sanften Außenseiten das Gift verborgen, das ihn tödtet.
Bravo! Sie haben gut gesprochen. Ernst. Auch amusant. Er bewegt den Chapeaubas. Ich achte mich Ihnen von Herzen obligirt.
Herr Figaro sagt mir, daß – Dieselben – da doch unsre Tage in Gottes Hand stehen – wegen meiner armen Würme von Kindern – eine – eine éclatante Sicherheit, für meine blutarmen Nachkommen –
Keine Silbe über meinen Mund.Liest. Mit gnädigster Erlaubniß will ich den Eingang übergehen. – »Und geben als Pfandschaft, Sicherheit und Verbürgung, den – Erblaßt. von Ariel zu heben – den gewiß versprochenen Familienschatz.« Er sieht starr in den Boden.
O Sie, der Sie den Herrn Grafen oft in himmlische Entzückungen durch Geister setzen – wie sind Sie zu beneiden! Denn um die Zeit, wo Ihnen Ariel erscheint – sind auch mit uns ganz andere Dinge vorgegangen.
Heilsamere, das glaub' ich gerne. Allein – der Ariel – ist so nicht – ach – wie soll ich, bei der Ehrfurcht, die ich für ihn fühle, mich recht ausdrücken? – ist so – nicht responsable – Die Fonds, auf die der Ariel anweisen darf – sind –
Könnten nicht die hohen Anverwandten mir es ungleich deuten, so alter – alter Schätze mich theilhaft gemacht zu haben? Wenn Sie deshalb beliebten, auf das – was Dero liebe Ahnen – so – in solidis – allhier zurück zu lassen hoch geruhten – mir eine feste Weisung –
Nicht im geringsten – Allein die Schwäche der menschlichen Vernunft – und väterliche Zärtlichkeit – die quälen mich bei dem Gedanken – zwanzigtausend bare Thaler – auf Geister und unterirdische Deposita – so – so – Er trocknet sich den Schweiß ab. Herr Figaro –
Ja, ja! – Ich muß als Zeuge mich hier unterschreiben. Er reißt ihm das Papier weg und schreibt. Auf's Wort von Ariel – von Ihro Excellenz – und zehn Prozent.
[191]So eben fällt mir bei – Herr Willner hat in wichtigen Geschäften vorzutragen. Er öffnet die Mittelthüre.
Abgesandt von Ihren guten Unterthanen, die, neben hartem Mangel, noch in Unwissenheit verwildern, bin ich gekommen, um für die Schulen dieses Landes um Unterstützung Sie zu bitten – um Errettung vom gänzlichen Verderben für Lehrer und Unterthanen.
Geh' Er zum Superintendenten. Er setzt sich. Wir sollen wohl am Ende noch Schulmeister abgeben? – Was man nicht alles jetzt verlangt!
Ist das? – nimmt man Notiz davon? – Ich thue – nun gut! – ich thue dann sicher, was ein anderer Kavalier auch thut. Laut. Was meint [192] Er denn, mein lieber Willner, daß für die Schulen wohl am besten –
Es ist ein Unglück, gnädiger Herr, bei so viel Gutem in unserm Vaterlande, daß meistens wir übertreiben, oder völlig unterlassen. – Indem der eine Theil von deutscher Jugend verkünstelt wird – heran wächst in Verhältnissen, die er hernach, wenn er erwerben soll, entweder gar nicht, oder doch geringer findet: so schmachtet der andere in finsterer Barbarei. – Das Volk ist ohne Unterricht in Plagen alt geworden. – Man gibt ihm nicht Begriffe von Pflichten, noch Gesetzen, und fordert doch so viel von ihm.
Ach, gnädiger Herr, verzeihen Sie meinem Eifer! – Allein mich dünkt, die Akten so mancher Kriminalprozesse hätten uns bewiesen, der ärgsten Laster Ursache war meisten Theils Unwissenheit von Pflichten und Gesetzen. Der Gedanke, daran Schuld zu sein, muß bei der Unterschrift des[193] Urtheils den Richter sehr verlegen machen, wer wohl mehr Recht zu fordern hat – die Menschheit vom Verbrecher? – oder von seinem Richter der Unglückliche?
Menschlich und weise ist das gedacht. – Frisch! – Ihrem Herrn das Geld hieher gezählt – und dann mit leichterm Muthe zur Arbeit für die Menschheit!
Er will, um Ihnen zu gefallen, bessere Sorten suchen – Indessen – damit Sie für die Noth des Landes etwas thun – so fordern Sie auf Abschlag ein paar tausend, und machen davon die Eintheilung für gute Lehrer.
So fundire ich das Gedächtniß meines Namens. Sie haben Recht. – Herr Greif – ich kann mich mit Empfang der ganzen Summe jetzt nicht befassen.
Vier tausend Thaler, die lasse Er wohlbelegen – und von den Zinsen, will ich, daß den Schulen aufgeholfen werde.
Das hat Er gut gesagt! – Nicht wahr, mein liebster Figaro? Zu Willner. Nun hör' Er, von dem Gelde will ich, daß alle Jahre, so lange die Welt noch steht, in jedem unserer Dörfer – am Hyazinthustage eine Rede komponirt und auch gehalten werde. Wer dann die beste Rede liefert – Er sieht ihn lächelnd an. dem werde der Ertrag von diesem Kapital.
Ihre Excellenz vergessen die hohe Heirath. – Kredit, Geschäfte, alles ruht darauf. Man muß die Sache schnell betreiben.
Ja – ja! – Es bleibt dabei – am Hyazinthustage. – Wir bleiben Ihm in [195] Gnaden wohl gewogen. – Kommen Sie, begleiten Sie mich, Figaro!
Die werden ihr Glück recht sicher machen. A propos vom Schreiben – geben Sie mir das Geld zurück, ich will Sie steinreich machen. Ich schaffe Ihnen die Konzession, nachzudrucken was Sie wollen.
Herr, die ersten Werke der Welt, auf Löschpapier gedruckt, den Bogen Einen Pfennig – in acht Jahren kaufen Sie die Grafschaft. Sie können ein Schild aushängen –
Sie können Privilegia darüber bekommen; Sie können dem Staate sehr wichtig werden. Die Autoren mögen schreien und hungern, Sie werden geschützt.
Die Eurer ehrwürdigen Zunft beweiset, daß man sie für gar nichts achtet. Ein Privilegium gegen den [196] Nachdruck wird gerade so viel geachtet, wie ein Verbot gegen das Gassenbetteln. Also –
Weil es denn gar so mancherlei Begriffe von Pflicht und Recht gibt, daß auch Diebstahl zu Recht werden kann, so –
Greif, lassen Sie das Instrument von dem Notar, das zu der Zeremonie gehört – lassen Sie die Schloßkapelle und alles zu der Feierlichkeit bereiten.
Als das Gefühl für die gekränkte Ehre. Herr Willner! Gut, daß Er hier ist. Er hat ja meine Tochter im Christentum unterrichtet – Jetzt sag' Er ihr, daß alle Flüche der Natur auf einer Tochter ruhen, die ihre Mutter durch Ungehorsam tödtet. Sie setzt sich entkräftet.
Bin ich deß fähig, Willner? – Lieber Willner[197] – ich, die um ein gutes Wort von meiner Mutter von jeher alles that – auch was mir keine Freude machte?
Da hört Er's doch! Es macht ihr keine Freude mir zu gehorchen! Da sieht Er doch, was Er aus ihr gezogen! – was ich Ihm schuldig bin!
Das ist ein Resultat von Eurer Aufklärung, von Euern Sitten – von der Erziehung Eurer Deutschen! – O – seht Euch nicht an! gebt Euch nicht Zeichen! Ihr habt die volle Macht Euch über die Moralität von meinem Plan im Mondscheine zu unterhalten! – Empfinde wie du willst – handeln mußt du wie ich will! – Was Ehre ist – weiß ich – will ich nicht von Schulmeistern lernen – von achtzehnjährigen Töchtern nicht. Ich werde ordnen – und du – du wirst gehorchen.
Da freuten Sie sich meiner Zärtlichkeit – und wenn ich weinte, als er abwesend war, so schlossen Sie mich fest in Ihre Arme und sagten:[198] – »Er ist ja dein! Sei ruhig, gutes Mädchen!« Jetzt soll ich ihn verlieren und nicht weinen? – soll in den Armen des Grafen Boga sterben und nicht weinen? – O meine Mutter – gute Mutter! – fühlt denn Ihr Herz nichts mehr für Ihre Tochter? – für Ihre einzige Tochter nichts, die Sie so herzlich liebt, und um Erbarmen, um Ihr zärtliches Versprechen, um das Wort des Trostes: »Er ist ja dein!« so innig, so herzlich bittet?
Ja, liebes Kind! ich muß die Schwachheit nur gestehen. Sie hält das Tuch vor. Es gibt der Augenblicke, wo auch der Weiseste –Sie trocknet die Augen. Hierauf sehr ernst. N'en parlons plus! – Genug, daß auch ein König die Gefühle seines Herzens nicht ganz unterdrücken kann.
Würde es mir eine Thorheit rathen? Glaube mir – ein Herz – ein gutes Herz – ein sogenanntes großes Herz – ist allerdings ein Etwas – darauf wir, bei [199] denen, die wir brauchen, sehr zu sehen haben; und in so weit ist mir's respectable. Allein für uns selbst ist es vocable!
Mich erzürnen die modernen Philosophen. Sie hängen den Schild nicht aus; – allein von innen ist's dasselbe. Wie könnten wir bei den Pflichten unsers Standes unseren Sentiments, bei unserer Ambition, jemals ein Sistem von Festigkeit erlangen, wenn wir den Wallungen des Herzens folgen wollten? Laß also den Haufen alles danach benennen. Was wir zufällig thaten – nenn' er ein gutes Herz! Das Opfer, das wir nicht länger zu vermeiden wußten – ein großes Herz! Allein die Fahne, zu der wir schwören, ist Verstand. – Aus dem Gesichtspunkte wirst du mich begreifen, wirst mir die Sentiments von Zärtlichkeit erhalten, die mich doch gleichwohl öfters konsolirt. Seufzt.
Vernünftig! – Vernünftig, meine Tochter! Was deine Leidenschaft betrifft – wenn du sie überwindest, so würde mir es wohl gefallen; kannst du es nicht – so wirst du dennoch – dafür sorgen, daß du den Namen der Gräfin Boga mit Décence trägst.
Nein, nein! – Aus Ihrem Herzen kam das nicht. Sie glaubten zu meinem Trost den Mittelweg zu finden – und in der Angst – Nein, Mutter! Habe ich dem Onkel meine Pflicht gelobt, so ist sie mir auch heilig.
Ich lasse Sie allein. Ueber eines Mädchens Widerspenstigkeit wird doch ein Herr, der so, wie Sie, in Schlachten war, zu siegen wissen. Geht ab.
Aber darin haben die gnädige Mama Recht, wie Sie sagten: – »Ein Herr, der in Schlachten gewesen ist!« – Ja, wer in einer Schlacht ist – so in einer rechten Schlacht, der – macht Augen.
[201]Die große Bataille, wie ich sie zu nennen pflege. Sehen Sie – der Tag brach eben so hinter dem Walde an; wir waren in den Zelten, so war es nun – – es war – sechs Uhr? – ja! – sechs Uhr! – Vor uns – war der Wald. – So – so – in einem Triangel. Auf einer Höhe – so. – Da kam der Feind – Daß ich's recht sage – es war halb sechs Uhr – nicht sechs Uhr. Man muß nicht Unwahrheiten sagen. Es gibt aber so Leute, die, wenn sie vom Kriege erzählen, nicht bei der Sache bleiben. – Es war halb –
Hilf uns aus dieser Noth! – Ja – so beteten wir damals alle. Nun kommt die Armee aus dem Walde, so en Front – gegen uns –Heftig. und nun – nun – Er denkt nach. Warten Sie, ma Nièce – Im höchsten Feuer. Ja, erst schrien die Feldposten, und dann kam die Armee. Oder eigentlicher zu reden – die Armee griff die Feldposten an – und nun schrien sie – und dann beteten wir: »O großer Gott!« Sehen Sie – in der Stille, ein Stoßseufzer war das nur. Nun, was war zu thun? – Ich lag im Zelte, und so kam denn die Armee –
Ei was, ich war deutlich genug! – Nichte – Sie haben mich sehr alterirt. Wissen Sie, man hat einen Riß, wo die Ordre de Bataille – Entre nous! wenn wir vermählt sind, müssen Sie niemals an meiner Parole zweifeln; das könnte Ihnen meine Ungnade zuziehen. – Man hat einen Riß, auf dem ich mir mein Gezelt und den Vorfall habe andeuten lassen.
Ah, ma Nièce! Vous êtes charmante! Nichte, Sie sind so artig, daß man schwören sollte, Sie wären nicht in Deutschland erzogen. – Meine Fata interessiren Sie? – Das verdiente einen Kuß!
Noch eins! Er setzt sich. Nièce, Sie grüßen zu gemein. Sehen Sie, Er läßt sie sich setzen. als Baronesse konnten Sie das etwa thun, aber als regierende Gräfin – nicht. Weder auf der Promenade, noch in der Kirche. Mein hochseliger Herr Vater pflegten zu sagen: – »Nur immer das Bürgervolk in der Ferne gehalten, daß sie nicht dahinter kommen, wie es ist!« – Sehen Sie, Sie müssen grüßen – so – ja so, wie neulich die allerliebste ungezogene Baronin, die so gratiös einwärts ging, wie mit kranken Füßen. – Die Augen über den Menschen hinaus, und nur den Hals ein bischen gebogen. Es sagt so: Er steht auf. verstehen Sie mich? – »Ich bin nicht irdisch,« – oder: – [203] »ich bin die regierende Gräfin,« – und hat so ein nobles Etwas – daß die Leute lieber in den Gassen umwenden, als uns begegnen. M'entendez-vous? – Ich hole den Riß. –Er geht zur Seite ab.
Er ist fort! Wie nütze ich diesen Augenblick? Sie sieht auf Hyazinth's Zimmer. Zu ihm? – Ja – Verzweiflung gibt mir Beredsamkeit.
Mein Gott! Er legt die Hand auf's Herz. Wie haben wir uns alterirt! Stehen Sie doch auf. Er faßt seinen [204] Puls. Die Emotion war stark – Erbarmen, sagen Sie? – Weshalben?
Helfen? – Hm! – Gedulden Sie sich einen Augenblick. Er geht an die Seite, und zählt ohne von Leopoldinen bemerkt zu werden, die Knöpfe vorn am Kleide; da er an den letzten kommt, stutzt er, schüttelt den Kopf, seufzt, geht zu Leopoldinen, und sagt in feierlichem Tone. Mein Kind! – das Schicksal spricht – Sie müs sen mit unserm Bruder, dem Herrn Grafen Christoph, sich vermählen.
Mein Fräulein, auf ein Wort! – Gibst du dem Grafen nicht deine Einwilligung – so zittre! – Leopoldine! – Wir sind Souverain! Ob deiner Mutter Wille dich in ein Kloster steckt, oder vor der Welt das vorgibt, und tief hinab in einen Thurm dich sendet, wo du dein Leben endest, indeß dein Lieber an Klostermauern heult, die dich nicht fassen – das steht bei mir! – Nun, wähle –
Dies ist der feierliche Augenblick, in welchem ich – Sie nimmt des Grafen Christoph's Hand. mit dem letzten Zweige dieses Hauses – Sie nimmt Leopoldinens Hand. mein Kind verbinde!
Auch bin ich wohl bereit. Ich kann dabei gar [207] nichts verlieren – denn in ernsthaften Staatssachen fordert von uns kein Mann von Welt, daß wir bei Assürancen etwas denken sollen. Allein – was mich verwirrt – ist – was ich eben höre –
Das hat mich höchlich alterirt. – Einem Kabinetskourier – und nicht einmal vom Hofe! – nur vom Gesandten!
So beweise ich den Deutschen, daß wir Verdienste, wenn sie ausgezeichnet sind, auch ausgezeichnet zu behandeln wissen.
Ich lasse Euch fast in allem walten – allein, das bleibt doch ewig wahr: – »Man gebe jeglichem nach Stand und Würden.« Bardenrode hat man hierin manquirt. – Der Figaro – er wundert sich selbst –
Er ist doch nur Kourier, und Bardenrode bleibt [208] unser einer. Nein, nein! – Frau Baronesse, in alle Knochen ist mir die Alteration geschlagen.
Madame, ich war am Hofe – Ich wäre – Ja, Madame, es muß heraus. – Die Galle läuft [209] mir über – Ich wäre Oberfalkenmeister geworden, Gerührt. ja, Oberfalkenmeister! – hätten Sie mich nicht auf unserer Residenz zu wohnen disponirt. Ich muß den Brauch, und auch die Qualität von der Estime kennen, den man Gelehrten schuldig ist. – »Gelehrte ohne expressen Charakter kann man nicht mit den übrigen Hof-Ouvriers messen, dieweil Gelehrte am Hofe nicht gebräuchlich sind. Doch hat man sie zu defrayiren, und kann sie wieder hinaus an die Grenze bringen lassen.« – Das ist Konduite! – Den Staatsfehler – hätte ich auf mich genommen. – Den Mangel an Konduite – nicht! – Und somit will ich mich gar überall in Ihre Händel nicht mehr mischen.
Sie hören doch, Herr Graf? – Man erinnert sich unser an gewissen Orten noch. – Das kann ich nicht oft genug den Leuten wiederholen, die sich in Deutschland wegwerfen.
Das ist wohl wahr! – Dann lag mir ferner wohl daran, daß ihm die Sottise des Thorzuschließens widerführe; nicht aber daran, daß sie auf mir ruhen bleibe. Nur will der Graf Baptist ihm nicht darüber die Excuse machen.
Aufschieben müssen; natürlich – Auch dringen Sie wegen der Garantie von meinen Kapitalien scharf in ihn.
Mit alle dem sind doch die Mißverständnisse mit unsern Unterthanen zu weit gediehen. Wir müssen sie durch Feste, und durch das Rührende von dieser Ehe besänftigen. Wir geben also heute Verlobungsfestlichkeiten, die Bardenrode nicht dafür halten soll. Wir nennen es [211] bei ihm – ein Maienfest – so etwas – ja! Was hat man jetzt in Frankreich an den Verlobungstagen großer Häuser für Solennitäten?
Denen habe ich Freude zugedacht; Geschenke, die ich mit Wonne geben will. Wohlthätigkeit – lohnt in der Rückerinnerung noch sanft.
Ich habe aus der Entreprise von der Fabrik noch viele Waren liegen, die ohnehin – Nun – die lassen wir mit Trompetenschall austheilen.
Herein, mein Herr! – herein! – Sie gehören zu solchen Freuden. Danken Sie im Namen der guten Leute. – Hier, gnädige Frau, hier bringe ich sie. Sie warten froh und dankerfüllt der Gnade, die ich in Dero Namen verkündigt habe.
Wie glücklich sind Sie, holdes Fräulein, daß dieser schöne Tag – für Ihre Unterthanen so menschenliebend bezeichnet wird!
Ein Maienfest! – Zu den Leuten. Hernach – hernach ihr guten Kinder! Ich stifte dann schon etwas. Jetzt geht's zur Tafel. Hernach.
Das ist jetzt hoher Ton. – Des Morgens die Gärten und Milchkammern durchzutoben, die Magen der Arbeiter gestreng um ihre halbe Kost herabzuschätzen, um jeden Faden, den die Knochenhand der Armuth mit heißen [214] Thränen netzte, gebieterisch feilschen. – Dann Abends – zwei Drittel von den Gütern an Brillanten in dem Haar – zu Tausenden auf Wegen der faden Ambition zu verschleudern – So vereinigen wir Haustugend mit großem Ton.
Allein, die vollen Becher – die Petits maîtres – das Unheil der Toilettenstunde, ist verschwunden. Mystik, Physik und Menschenliebe beschäftigen jetzt die Herren – Die Damen – sind Mütter, Haushälterinnen und Gelehrte.
Oder wir haben die Larven des alten Lustspiels weggeworfen, und treiben mit dem Air von ernsten Pflichten und Geschäften – jetzt tragische Koketterie.
Am Kammertische ist mir befohlen. Er zieht die Uhr heraus. Zwei Uhr? – Drei Uhr – drei Uhr, Herr Willner, dann wird angerichtet. Kommen Sie jetzt, Herr Figaro.
[215]Wenn hieher Fremde kommen – Franzosen zum Exempel, die sich für Marquis ausgeben, für Virtuosen – wo speisen die?
Wie? Ich sehe hier Kerls mit viel Impertinenz, mit dem Ton der unverschämtesten, der schreiendsten Entscheidung, an der Direktion von wichtigen Geschäften – Bursche – die durch Wege, vor denen ihre harte Stirn nie erröthet, in Deutschland sich einen Sold erzwingen, da man sie zu Paris am Tische für sechs Sous nicht mehr geduldet hat. Und ein Gelehrter, ein freier Mann will sich mit Sklavenangst unter die Knechte seiner Großen hin verkriechen.
Mein Platz wird aus Respekt Zu Willner. auch wegen der langen Weile – nicht nahe bei der Frau Baronesse sein. – Darum sag' Er ihr vorher in's Ohr – hör' Er wohl zu –
Ich habe ihm eben schriftlich den Befehl gebracht, an Tafel, bis auf weitere Ordre, nicht zu erscheinen.
Als Edelmann ist er nicht von altem Wesen; als Rath war's eine Gnade – als Edelmann will's der Herr fordern – und das geht nicht.
Nur wohl Acht gegeben. – In Frankreich sei [217] der neueste Ton, sich nicht von Leuten von Verdienst zu trennen.
Sich nicht von Leuten von Verdienst – So – so – Ach, ich dachte an die Donneraugen der Frau Baronesse. – Ja, Sie dürfen es uns nicht übel deuten, wenn wir über Frankreich hier zu Narren werden.
Der Dienst bringt es so mit sich. – Ich war bei des Königs Stanislaus Majestät – da ging's nur menschlich her. – Hier ist es schon statiös. Im Gehen. »In Frankreich sei der neueste Ton, sich nicht von Leuten von Verdienst zu trennen.« Geht ab.
Graf Meldenstein. – Er fährt in der Allee – Ruf den Herrn von Greifhart, daß er an die Schloßthüre geht.
Höre, das war zu toll, wie die Baronesse und der Herr Graf Christoph den Willner an der Tafel heute geschoren haben.
Es ist kurios! – Wenn Fremde hier sind, so halten die Herrschaften mit den Räthen und der Geistlichkeit – so – gleichsam eine gnädige Parforce-Jagd. Geht ab.
Die gnädige Baronesse verlangen – Sie möchten sich unvermerkt hier etwas allein aufhalten – Sie wollen mit Ihnen reden.
Mit bitterer Satyre mich vor aller Welt zum Gelächter ausstellen zu lassen! – Diesen Mittag – so schrecklich wie er war – verdanke ich Ihrer Ueberredung.
Da – da finden wir einander. Das ist es, was in euerm Deutschland, und am meisten von manchem eurer Gelehrten mich empört. In Reisen, Briefen und Journalen macht ihr euern Vornehmen die Faust im Sack – im Angesicht mit ihnen verstummt ihr, wie noch nicht frei gelassene Knechte. Ist denn erworbene – errungene Menschenwürde minder, als der angeerbte Moder von Dokumenten?
Nun ja! – das Uebel ist weit gediehen auf beiden Seiten. – Allein, daß Deutsche – dem Deutschen sein Vaterland zum Vorwurf machen? – Das – mein Herr – das danken wir Ihrem Frankreich.
Ihrem Frankreich, das uns zum Pflügen tauglich hält, und – höchstens noch – zum erschossen werden, im Dienst der Herren, die uns verachten.
Oder – rechnet man den Uebermuth von ein paar Deutsch-Franzosen, die den Unfug ihrer Sentiments leichtgläubigen Schwächlingen vorkrähen – rechnet man den einem ganzen Volke an?
Nicht weiter! – Impertinente Schwätzer für die Nation zu nehmen? – Charlatane, ausgetriebenen Pöbel – für dieses edle, généreuse Volk zu nehmen? – ist das auch billig?
[221]Nun so erzeigen der König und der Hof dem deutschen hohen Adel so viel Ehre – das Aufsehen, das sie zu Paris erregen, ist so verführerisch, daß es den guten Herren, wenn sie sich wieder hieher zu uns verirren, und dann nichts finden, als den schweren Boden, den ernsten Sinn, und den von ihnen mit geleerten Beutel – mit unserm biedern Herzen vorlieb zu nehmen, nicht möglich ist.
Nein, nein! – Was ihr von ihnen erduldet, ist eine Art Revanche, weil man sie in Frankreich links gefunden hat.
Sie selber, die bei aller Steifheit dennoch wähnen, den Nationalcharakter der Franzosen an sich zu tragen, sie sind es, die zu Paris den Namen – Deutsche – zum Gelächter machen. – Ei – was macht ihr euch von Frankreich für ein Bild! – Eure Karikaturen erregen dort kein Entzücken. In Frankreich merkt niemand auf sie.
Um unsrer Ruhe willen – ach, lassen Sie uns bei dem Glauben! – Er muß uns trösten, wenn wir arbeiten, daß das Blut uns aus den Händen springt, und der Ertrag davon kaum reicht, um das zu geben, was zu Paris die Ehre des deutschen Adels will.
Wenn eure Herren zu Paris auch eine Stadt verzehren, man merkt sie nicht. Wie ist es möglich, daß ein denkendes Geschöpf in dem Tumult von Menschen und Begebenheiten, von Fürsten und Millionen, das Blut getreuer Unterthanen hinvergeuden, und dann mit dem Insektenstolz sich blähen kann, als ob man in den Wirbeln und Wogen der Monarchie dies Opfer tief anstaune?
[222]Lacht es ihnen vor. – Euch ist das Lachen Vertheidigung – in Noth. Lacht – daß Ehre und schlichter Menschensinn und Geist des Vaterlandes erwache, und die Despoten eurer besten Kräfte aus dieser Mummerei aufschüttle.
Ich glaube nach gerade – manches, das wir für Pariser Ton halten, ist wohl nur aufgeraffte, mißverstandene Ziererei?
O, nichts ist Mitleidens werther, als das, was einige von euren Damen Pariser Ton gescholten; diese ekelhafte Mischung von Stolz, Nachlässigkeit und bittrer Laune, die man dort in der fernsten Landstadt kaum der Soubrette hingehen lassen würde. – Nein! – Der Hauptzug der Franzosen ist Liebenswürdigkeit und Edelmuth.
Ist gleich – ist überwiegend für Sie. – Denn jedem Volke ist der Narr verächtlich, der seines Vaterlandes spottet. Stärker. Verächtlich! – auf welcher Höhe ihm auch der Zufall Spielraum gab.
[223]Mein Wort – ich will in's künftige die Menschenwürde gewissenhafter gegen Stolz und Ungerechtigkeit behaupten.
Dann führen Sie mich zu einem unverzerrten Deutschen hin, dem ich zum Handschlag und zum deutschen Weine willkommen bin.
Tiraden hinzuschleudern, die an den abgeschliffenen [224] Menschen nirgends haften – und so mit ernstem Pomp die Grafschaft und ein schönes Weib zu verlieren?
Das Geld und Herrschaft; – allein die Rache und Frankreich – mehr als beides. – Ich kenne meine Leute. Verlassen Sie mich jetzt – der Herr Graf Christoph wollen mich beehren.
Mit Fleiß. – Bösewichter verdienen keinen Plan. – Ich stoße ihn weg, wenn er mir irgendwo mißfällt, ohne ihn für mich deswegen zu gebrauchen. Noch eins – was [225] ich, neben Ihrer Liebe, im Politischen – für Sie gewinnen kann – Man kommt – Verlassen Sie mich schnell.
Mon cher Figaro! – Jetzt gilt's! –Vous êtes un homme d'esprit – die Baronesse ist hochlistig – Doch das thut nichts.
Ich – sehen Sie – ich will jetzt – ha ha ha! – den Wallfisch machen – der das Schiff umwirft. D'rum schließen wir – wir zwei für uns, eine politische Allianz.
Offensiv mit defensivem Mantel. – Das heißt: – Da ich mich doch vermähle, wie mache ich's, so – m'entendez-vous? – daß ich die Herren Brüder zusammt der Baronesse überflügle – Doch alles salvo jure! – Sie verstehen mich schon.
Eigene Kanzlei – und mehr Einnahme? – Embrassez-moi! – Ja, ja! so muß es werden. – Das haben Sie penetrirt. – Allein – hm? – wie bringe ich von der Baronesse die Concession dazu heraus? – Hier hängt die Sache.
Ja. – Die Lage müssen Sie nützen. – Stellen Sie sich wegen der Ehe schwierig – melden endlich Ihre Forderung – und – hm! – wie heißt das gute Wort? – und – fahren Sie ein bischen dazu an.
Ja – das war nun so etwas. – Ein Inspektor kann mit der Herrschaft nicht an der Tafel essen. – Allein – Sie sind mit unserer Etikette nicht bekannt, und – da wir ihn fast geschoren – so hat Ihr Einfall uns dennoch anständig amüsirt.
Der Fehler ist bald gut gemacht: – ernennen Hochdieselben den Willner zum Rath in Dero Diensten, so hat er auch mit Ihnen essen dürfen.
Ist d'rum nicht schwer. – Que Diable! – man ist gar leicht mit uns content. – Ha ha ha ha! – Allein – ein Wort – nun – das muß man zu seiner Zeit [228] sich nicht verdrießen lassen. – Au plaisir de vous revoir, mon cher! Geht ab.
Da mir das Fräulein die Tasse wieder gab, schob sie ein Täfelchen von ihrem Souvenir – zwischen den Teller und die Tasse, und sagte: »An Figaro.«
»Sein Sie auf Ihrer Hut – Der Rath Greif hat sich sehr bemüht, bei meiner Mutter Sie in Verdacht zu bringen. – Willner läßt mir eben sagen, daß die Bauern mit Gewalt herauf zu Bardenroden stürmen wollten.« – Ist der Graf Hyazinth im Saale?
Bravissimo! – Er schreibt auf die andere Seite des Täfelchens. Nachdem es geschehen ist. Wird sie's auch lesen können? – Er liest halb laut. »Greif fällt in seine Falle. Die Bauern muß Willner gleich in die Allee zum Grafen Hyazinth verschicken. Sie sollen ernstlich reden. Engagiren Sie Greif zum Spiel. Verwirrung bringt uns in's Klare.« Mein Freund – geb' Er dies Blatt –
Allein, der Graf von Meldenstein ist angekommen. – Er brennt vor Begierde Sie zu sehen. – Nun sagen Sie mir nur – was haben Sie vor?
Und in den Adel ihn zu erheben? Mit dieser Hoffnung reizte ich ihn – doch – erfüllen wollt' ich sie nie.
Das habe ich, dünkt mich, da ich zu Ihrem Besten – den Schwamm ausdrückte, der sich von Ihnen füllte.
Des Herrn Grafen Hyazinth Verbesserung der Domänen fing an – mit Haben-wollen. – Man mußte, zum Besten Ihrer Plane, willfahren. – Ich, zum Besten Ihrer Plane, mußte bei dem Grafen Kredit zu haben suchen. – Der Ungestüm der Unterthanen mußte sich auf's neue an Bardenroden wenden; – also mußten sie empfangen. – Ihre Kasse ist geschont – und dies zu können, mußte ich Ihren Namen bei Greif gebrauchen – und die Hoffnung in den Adelstand zu kommen. – Das ist die Sache.
Zu beweisen, wie ich indessen für Sie gehandelt – ist hier die Garantie von Ihrem Kapitale. Er übergibt sie.
[230]Was ich meinen Augen nicht trauen kann. Er gibt die Garantie – und sieht, daß meine Tochter mit dem Grafen Christoph sich vermählt? – Wie machen Sie's? – Wie kommt's? – Wie war es möglich, daß Sie das erhielten?
»Warum sollte ich« – sprach er – »diese Zeremonie – denn mehr ist es nicht – da doch die Grafen Succession bekommen werden – diese Zeremonie der Mutter – einer Dame, wohl verweigern, die einst meine Mutter hätte werden können?«
Der Graf – so viel ich merke – hat Plan auf – hm! – Sie wohnt hier in der Nähe – eine Gräfin – Alten –
Altenhain? – die neue Gräfin? – Und Bardenrode? – kann er sich so wegwerfen? – Wie? – die Altenhain? – für ihre Tochter? – einen der ältesten Grafen des deutschen Reichs?
Zu nichts! – Liebt er nicht – so entreiße ich ihm auch nichts – kann ich ihm nichts entreißen – so bin ich nicht gerächt.
Und mir die Garantie zu geben! – So schnell – so leicht – so gerade hin – so ganz um nichts zu geben! – Kalt. Er hält mich für gar nichts. – Er fürchtet – achtet – haßt – und liebt mich nicht. – Mit einer Heftigkeit, daß ihr die Sprache fast fehlt. Mich so unbedeutend – wie eine gemeine Mutter anzusehen! – Mich nicht einmal zu hassen!
Ha ha ha! – Plane – Aufwand von Intriguen, Touren und Maschinen – umsonst – um nichts. – Nein – gegen mich. – Was ich verlangen kann, ist da – Ich habe es hier in meinen Händen – Ich kann nichts wünschen – fordern – hoffen – suchen, noch betreiben – Alles hat er erfüllt, und eine öde, leere Wüste in mir zurück gelassen. – Ich bin betrogen – durch mich – von mir. – Ich kann nichts sagen. – Kalt. Nein – nichts. Ich muß der Altenhain den Glückwunsch [232] machen – Glückwunsch zu einem Glück! – Und ich – bin nicht gerächt! – stehe, als Ueberlistete bei ihren Brautanstalten! Nimmer haben diese Grafen Descendenz. – Mein Kind kommt um die Grafschaft – und ich um meine Rache! Nach einer Pause, darin sie durch alle Möglichkeiten schweift, entschlossen. Fühlen Sie meine Lage?
Die Grafschaft falle auf wen sie wolle – werde meine Tochter – Gräfin – Nonne – Mutter, oder nicht – nur – daß die Altenhain den Bardenrode nicht bekomme. – Das kann nicht – darf nicht – soll nicht sein.
Ich will's nicht haben. – Sie ahnen nicht, was ich vermag, wenn ich aus ganzer Seele fühle: – »Ich will's nicht haben.« – Ich kann – Nein – ich will jetzt nicht wissen, was ich könnte – ich will das Aeußerste von Schande und Ehre – von Herrschaft und von Ohnmacht jetzt nicht vor meine Blicke. – Figaro – Figaro – helfen Sie mir dorthin – Ich sehe Sie nicht mehr. – Mein Kopf –
Gut! – Helfen Sie mir auf. Sie gibt ihm [233] einen Ring. Vergessen Sie – daß der Körper des Weibes – Mannesseele nicht ertragen konnte.
Kein Geschenk. – Finden Sie am Ende, daß ich Ihnen redlich diente – so lohne mich diese Ueberzeugung.
Ich werde nicht wollen, gnädige Frau. – Wenn aber – ich setze den entferntesten Fall – wenn Bardenrode mit dem Fräulein sich verbinden wollte – würden Sie das bewilligen?
Nein – nein – nie – Aber – können Sie das bewirken, daß ich sie ihm abschlagen kann – so fordern Sie – fordern Sie, was Sie wollen.
Hier sind acht und vierzig Schreiben, die der Rath Greif für Sie, als Notifikationen meiner Heirath zu verschicken denkt.
Wir sind von unsers hochseligen Herrn Urgroßvaters Frau Muhme-Schwester mit den alten Herzogen von Braganza – und durch diese – mit den Königen von Portugal verwandt – Darum habe ich die Vermählung mit der Fräulein Tochter Sr. Majestät auch angezeigt. – Hier – unterzeichnen Sie. – Meine Briefe sind schon fort.
Und daß ich jetzt Geld bekomme! –[234] Geld – und meine eigene Kanzlei! – Denn, da ich zum Wohl der Menschheit mich vermähle – so zu sagen – und wegen des alten Stammes – so muß ich auch wie ein Boga leben können.
Was aus der Sache werden? – Haben Sie nicht vor acht Tagen die Geistlichen zu mir geschickt? – Und – und Greif mit dem Stammbaume? – Und – alle Wetter! –
Herr von Greifhart, Ihr spiritueller Blick dringt nicht sehr tief – denn andere haben in einer Stunde das gethan, was der Herr in Jahren nicht vermochte.
Greif, geben Sie mir die Schreiben. Er zerreißt sie. So notifizire ich, Johann Christoph, der mittlere Graf zu Boga, daß ich mit der Fräulein Nichte mich nicht vermählen will. Er steht trotzig da.
Ich kündige hiemit den Herren Vettern meine Kapitalien auf – und dringe im Nichtzahlungsfall auf eine Kommission.
Darin habe ich gefehlt. – Aber, wie konnte ich denken, daß der Graf von dieser Liebe je ablassen würde?
Oder ging er zuerst? – der Graf? – Sie schweigt? – Sie sehen, es hat ihr gefallen, sich, ohne Vortheil daraus zu ziehen, von ihm los zu sagen.
Darf sie das wieder? – O – Dank! – Dank, daß in Ihrem Herzen die Stimme der Natur nun laut gesprochen hat! Sie küßt ihr die Hand.
Ihre Gnaden werden mir erlauben – hier kommt ein Packet, das der Träger [238] nur dem Herrn Grafen Bardenrode einhändigen will. Allein – so despektirlich, wie ein solcher Mensch der gnädigen Herrschaft sich unter die Augen stellt – nahm ich's doch lieber, und bringe es denn effektive hier in den Saal. Er setzt es nieder.
Die Hand – auf der Adresse – soll ich kennen. Das ist – glaube ich – ist aus dem Modelager der Bertin zu Paris.
Und das an Bardenrode? – Es ist nicht zu begreifen – wie sich der Mensch geändert.Zu Stock. Rufe Er den Grafen.
Und ich – ich wundre mich daß Sie den Grafen jemals auf andere Weise hätten kennen sollen? – In Frankreich liebte man in den ersten Häusern alles, wofür er sich entschied.
Das gnädige Fräulein lassen fragen, ob der Herr von Greifhart für Ihre Gnaden die Karten nehmen dürfe?
Der neueste Aufsatz, den jedoch nur Damen vom ersten Range zu tragen pflegten, – schreibt die Bertin mir – sei jetzt – Bonnet diplomatique.
Man trüge sie auf den Schnallen, an den Hüten – Degen, Biretten, Eventails – überall. – Im Plaidoyer, in der Regierung – im Theater – bei der sehr ernsten Polizei sogar, sagt sie – all – überall vernehme man jetzt Schellchen.
Scharmant! – An Erfindung und Beziehung so witzig, wie irgend eine der tausend schon vergessenen Moden!
Gestehen wir's nur – für solche Arbeit haben unsere Deutschen keinen Sinn. – Coeffure von Deutschland – und ein deutsches Trauerspiel – beide sind Horreurs. – Das eine drückt – das andre echauffirt.
[243]Ich wünsche Ihr Vergnügen. – Mit einer schnellen Wendung. Möchte mir's gelungen sein, daß Sie in eben diesem Augenblicke meine Achtung wahrgenommen hätten! Er verbeugt sich, und geht ab.
Das hat zwar keinen Anstand. – Allein – Sie müssen doch gestehen – in wichtigen Geschäften – wie eines Kindes Heirath ist, kann man sich nie genug bedenken. Eigentlich muß – sehen Sie – in dergleichen Dingen, durch Umstände, Zufälle – der Himmel selbst entscheiden.
So sehr ich auch entschlossen bin – so beben [244] mir doch alle Nerven bei dem Gedanken von einer Ehe, die nicht glücklich ist. – Dem Himmel und Gottes Fügung müssen wir es überlassen. – Indessen arbeiten Sie an Bardenrode. – Ich gehe und probire das Bonnet diplomatique. Geht ab.
Die Bauern haben den Herrn Grafen Hyazinth in der Allee gefunden und dringen scharf in ihn. Er ist allein.
Ach, lieber Herr! – was wir auch thun, so werden wir gestraft. – Wer es nur will – Bediente – der Herr Rath Greif – der gnädigen Frau Friseur – wer ein Geld-Exekutionsmandat nur gegen uns verlangt, der kriegt's. – Wir haben keine Schulen – werden so gedrückt mit Frohnen, Steuern und Gefängniß. – Erbarmen Sie sich unser!
Herr Graf! – Einst fällt der Unterschied der Stände weg – dann werden Thränen Ihnen gegenüber reden. – Verwandeln Sie diese Wehmuth in Freudenthränen. – Ihre Unterthanen sind Ihre Kinder! – Ich lasse Sie allein! – Geht ab.
Antworten Sie uns als Vater, den uns der Himmel gab. – Ach, wir können die neue Steuer nicht aufbringen. Denken Sie an unser Elend – an Ihre letzte Stunde!
Ach so – so sprach der selige Graf Bernhard immer mit uns Leuten. – Ach kennten Sie Ihre Unterthanen – was sie drückt – und wie sie dennoch ihre Herrschaft lieben! – Sie würden's fühlen. Er weint. O, hätten Sie nur Kinder!
O, so handeln Sie väterlich an uns. Lassen Sie den Grafen Bardenrode stets um sich sein. – Er ist so gut! – Er wird Sie lieben, wie ein Sohn – wird unsere Noth dein Vaterherzen klagen.
– Wollen keine Steuer – wollen Bardenroden zum Mitregenten – wollen meine Schulanstalten nicht! – Was thue ich doch?
Von allem diesem nichts. Zu den alten Bauer. Der Herr Graf, Euer gnädiger Herr – sind – so gerührt, daß Sie für jetzt nicht weiter mit Euch sprechen können.
Nimmer hat man auf diesem Schlosse Ruhe! Bald stören Plattitüden – bald Rebellion. – Argusaugen muß man haben und gebrauchen.
Da haben Sie wieder Recht! – Allein – was ist nur das? – Ich bin so ängstlich – Immer stieg mir das Blut heran, wenn mich der alte Walter Vater nannte.
– Eben – eben das! – Ich – wollte – ich hörte mich Vater nennen. – Fürwahr, ich könnte – weinen! – Was heißt nur das?
Auch dafür hat der Kerl den Thurm verdient, daß er seinem Herrn die Angst gemacht hat. – Greif! – den Schwätzer in den Thurm! – darauf verlasse ich mich. – Ihre Excellenz nehmen derweilen etwas Antispasmaticum. Geht ab.
Ich kann den einen Terme mir gar nicht aus dem Sinne schlagen! – Vater – sie nannten mich Vater – hat mich touchirt.
Assûrément! – Ich wollte, ich hätte in meiner Jugend – Er setzt sich. Greif, ich muß weinen. – Laß Er die Foiblesse nicht unter die Leute kommen.
Der Herr Graf Christoph haben mit der Baronesse sich überworfen – stehen von der Heirath ab. – Ihre Excellenz, mein gnädiger Herr – sind doch der Aeltere – der Herr des Hauses – treten Sie in seine Stelle.
Und Vater! – Ach gnädiger Herr! – wenn ich bedenke, daß wir Sie nunmehr – Papa – noch nennen werden. –
Vorher verbergen Sie Dero hohe Resolution – Ueberraschen Sie die Frau Baronesse – mehr Herrschaft zu bekommen.
Darf ich mein Diplom zur höchsten Unterschrift wohl heute noch vorlegen? Die andern Herren haben unterschrieben –
Heute noch Geheimerath und Freiherr! – [251] Doch eben fällt mir bei – man sieht doch neben dem hohen Stande und andern Qualitäten – auch etwas mit auf die Gestalt – darum formire ich die Quästion: – Was legen wir für eine Farbe an? – Was räth man uns?
Freilich! – und daraus ist er nicht zu erwecken. – Man kann hernach die Unterthanen in ihren Sonntagsröcken – zum Handkuß lassen. – Das wird sie calmiren. – Willner hält eine Oration. – Darin soll er so etwas sprechen – verstehen Sie – von – »Vater« – weil wir uns doch deshalben resolvirt –
Reden Hochdieselben sie ein bischen freundschaftlich an – so will ich gleich auf eine Heirathssteuer den Antrag machen.
Das ist nun wieder wahr! – Inzwischen schicken Sie uns eine Limonade. – Wir haben uns im Ganzen sehr echauffirt. Geht.
Es schmerzt den Herrn Geheimenrath, daß man ihn von der Tafel ausgeschlossen hat; deshalb ist seine Rache –
Ha ha! – und wieder ändern; das gilt gleich. Zu so inkonsequenten Kreaturen hat ein jeder Mensch den Schlüssel.
Alles geht jetzt anders. – Sie haben da das Dekret in Händen, worin der Herr Graf Christoph den Willner als Rath in seine Dienste nimmt.
[253]Dank Ihrer Sorgfalt, daß ich's habe! – Den Willner müssen die Grafen gleich aus ihren Diensten jagen – zur Genugthuung –
Nicht so! – Das ist zu strenge. – Der Herr Graf ernennen sich da einen Edukationsrath? – Nun, Sie mögen ihn wohl gebrauchen! – Allein, Sie geben Titel ohne Sold – Beweis von Ohnmacht! Wenn Sie, Frau Baronesse, dem Manne Sold ertheilen – dann zeigen Sie deutlich, wer hier die Regierung hat.
Was Greif betrifft – so fahren Sie schnell zu. Sie müssen ihn zerschmettern – zum Untergraben fehlt die Zeit.
Gemach! – Fällt Greif unvorbereitet – ist das Volk nicht ganz geneigt, die Hand zu segnen, die ihn stürzt – so will es mit seinem Fall auch auf einmal die beste Welt, und stürmt mich nieder – über mich hinaus – zu Bardenrode. – Gemach! – Alleinherrschaft – Alleinherrschaft! das ist der Zweck, den muß ich nicht verrücken. – Wie geht es bei der Altenhain?
[254]Fürwahr, die goldene Lehre lasse ich nie aus dem Gesicht. Allein – wenn nun zuletzt der Graf, denn wer kann bei den Philosophen sich auf Konsequenz verlassen? – wenn er aus einem Sprung von Laune das Fräulein forderte?
Ja nun – geändert ist er sehr! Und eben diese Aenderung ist mir auch eine Art Genugthuung. Wenn er sie fordert – und mir die Regierung ad dies vitae sichert – den Winter mit mir in Paris zubringt – dann ist der erste Punkt – ein ewiger Friede unter beiden kriegführenden Parteien. –Rasch. Dann habe er meine Tochter und meinen mütterlichen Segen! Jetzt forschen Sie die Grafen aus – ich habe ein Auge auf Greif. Sie geht an des Grafen Hyazinth's Zimmer.
Ha ha! Greif – der Herr Geheimerath von Greifhart? – der Herr Geheimerath Baron von Greifhart? Sie geht gebieterisch an des Grafen Thür, und ruft hinein. Herr Graf! Herr Graf! – Ich annoncire mich. – Belieben Ihro Excellenz doch zu erscheinen. – Sie klingelt ein-, zwei-, dreimal, dann ruft sie wieder. Herr Graf!
Befehlen Hochdieselben, daß dieser Mensch den Rest des Tages unter meinem Fenster den spanischen Mantel trage.
Garantirt? – Durch ein Papier – wenn's wäre! Das Papier macht also meine Wohlthat? – O Undank! – horribler Undank! – Garantirt? – Macht das die Herren so trotzig? – Ich weiß von keiner Garantie.
Hüten Sie sich, daß ich mich bei den höchsten Reichsgerichten nicht verständlich mache – daß ich den Druck des Volkes – das Elend dieser armen Unterthanen dort nicht verständlich mache.
Daß ich nicht auf die Seite des Volkes, des Agnaten trete, Herr Vetter! – Hüten Sie sich davor! – daß ich Herrn Greif – die Kreatur von heute – dort nicht entlarve.
Graf, Graf! – Wenn Sie auf Ruhe, jetzt und künftig – hie und dort – auf mich – mein Geld, und meine Liebe – auf Trost in Ihrer letzten Stunde Anspruch machen – so unterzeichnen Sie den Verhaftsbefehl, den ich im Nothfall gegen Greif gebrauchen will. – Nicht einen Augenblick Verzug!
Wo nicht, so zieh' ich fort mit meiner Tochter, und trete auf die Seite des Agnaten. – Herr Vetter! –
Dann haben der Herr Bruder den Willner zum Rath in Dero Diensten – doch ohne Sold ernannt. Einem Manne, der doch so wesentlich der Menschheit dient, nicht einmal Sold? – Das wäre ja, wenn die Unterthanen klagen, ein Dokument zu unserm Nachtheil! – Hier unterzeichnen Sie: vier hundert Gulden, und zwölf Malter Korn.
– Inseratur dem Patent, daß derselbige dafür gehalten sei, an Zeremonientafeln das Tischgebet auch zu verrichten. Er unterschreibt. Allein, nun bitte ich, mich anzuhören. –
Hernach – hernach! – Ich habe jetzt wichtige Geschäfte. – Bleiben Sie mir treu, und denken bei allem, was ich Ihnen rathe, daß in mir das Blut der Boga schlage.
[258]Madame! – zu dem Estime und der Verwandtschaft kommt heute noch eine sehr tendre liaison. Erhalten Sie mir Ihre Protection. Geht ab.
Ganz wohl! ganz recht! – Noch eins! Die Garantie ist mir im Wege. Die Grafen glauben, meiner nicht länger zu bedürfen. – Sie lachen meiner Drohungen, da ich gesichert bin, und nun nicht klagen kann. Ich habe die Garantie geläugnet.
Sie kennen seine ängstliche Gewissenhaftigkeit. Das thut er nicht! – Pah! was läge auch daran? Die Grafen fürchten sich dennoch.
Nein, nein! – Und eben das macht Greif so kühn. Da – sagen Sie – ich dächte zu edel, in der Ueberraschung ihm etwas abzudringen, und geben Sie die Garantie für erst zurück. – Dann kann ich um so strenger die Grafen –
[259]Nicht im geringsten – wenn Sie mit Wortgepränge von Edelmuth die That im Preise und mich im Vortheil halten.
O, wir werden sie im Preise halten, darauf verlassen Sie sich fest! – Noch eins! – Man muß auch gegen die Schwächsten nicht allzu sicher sein. Wer einmal lang gewohnte Herrschaft abgeworfen hat, versucht es öfter, und – ist's nicht Greif – so wird's ein anderer. Einer ergreift doch den Zügel wieder, Frau Baronesse. – Was ich vorschlagen will, wäre ein kühner, kühner Griff.
Wer weiß! – Die Grafen sind im ersten Schrecken; ich mache den Antrag, daß Sie ganz und gar der lästigen Regierung sich begeben.
Den können wir mit der Ehelosigkeit der Grafen – der Erbschaft – und – ist noch ein Funken Leidenschaft in ihm – mit Leopoldinen –
[260]Wenn sich die Grafen dazu geneigt erweisen, so lasse ich sie es gleich unterschreiben. Zweimal husten, wenn wir beide zusammen kommen, im Fall wir nicht allein wären, ist das Zeichen, das alles geht wie es gehen soll. Dann eilen Sie mit der Bestätigung, ehe Greif, der mich verfolgt, es hintertreibt – und Bardenrode sich besinnt.
Reussirt die Sache – so wird Greif der Prozeß gemacht – sein Vermögen konfiscirt – und Ihnen übergeben. Jetzt will ich, den Pöbel zu gewinnen, meine Hausapotheke zum Gebrauch des Volkes dem Schulzen schicken, und ein paar Bettelkinder kleiden lassen. Geht ab.
Herr Figaro, der Herr Graf fordern – und mit Recht – daß Sie gut machen, was Sie verdorben haben; eben wollten Sie die Baronesse anreden – allein Dieselben ertheilten kein Gehör.
Que Diable? – Meine Schuld? – Ich sollte sie recht anfahren, sagten Sie; Sie wollten sie vorbereiten.
[261]Darum! – Ah, Sie haben mich nicht verstanden. Ich meinte – recht – hm! – wie nenne ich es? – Sanftartig an – an – hm! – Herr Baron, an –
Sie können sich's nunmehr für alle Zeiten merken. – Nun! Zum Grafen Christoph. Ich warnte Sie ja gleich.
Nicht wahr? – Hm! – wüßte ich nur –[262] Die Baronesse hat einen hohen Geist! das müssen ihr ihre Feinde lassen. – Einen großen, noblen, altadelichen Geist!
Ja ja! – denn par exemple – spricht ein König – oder so etwas – mit einer andern Dame mehr als mit ihr, so fällt sie hin in Konvulsionen.Warm. Dabei ist sie doch wieder – wie sage ich's – daß sie um einen Heller das Schloß umwenden könnte. – Und denn doch auch wieder fein – und hoch ehrgeizig – und kurz, es ist eine große Dame! Mit Stolz kann man sie überwinden, und blenden – und groß machen, und wieder klein.
Verstehen Sie mich. – Wir unter uns – wir estimiren uns niemals nach dem, was wir an uns selber sind, sondern nach dem Rang, den wir bei Hofe haben. Wenn ich nun so was hätte – dann gäbe sie eher nach.
Entre nous! ich kann die junge Baronesse gar nicht leiden. Für einen Grafen ist's auch etwas despektirlich, mit einer Baronesse sich zu vermählen.
Ei – ich an Ihrer Stelle – mein Leben zu genießen – würde mir von Bardenrode jährlich – ich will sagen – zwei tausend Thaler geben lassen, und entsagte dann der Heirath und der Regierung.
Schriftlich und gedruckt. Die Baronesse gibt an barem Gelde jedem nur fünf hundert. – Allein, will Bardenrode sie bezahlen; so kann er in zwölf Jahren von der Grafschaft keine Revenüen ziehen.
Freie Herrschaft – den Edelstein von Deutschlands Reichsverfassung – hat er – entfernt von jedem Schimmer – zum Wohlstand seiner Unterthanen angewendet; so ist er reich an innerer Kraft.
Gilt gleich! – Nur hätte ich gern ein Band von einigem Eclat. – Jetzt schreibe ich die Verzicht. – Mein liebster Figaro, ich bin von Ihrer Connoissance wahrhaft scharmirt. Er geht zum Grafen Baptist.
Kühnheit und Menschenkenntniß, bis dahin habt ihr mich trefflich unterstützt! O du – der größten [264] Thaten Schöpfer – Zufall, sei mir jetzt günstig! Jetzt schnell zu Bardenroden, daß er dies Projekt erfahre. Will gehen.
Um solcher Dinge willen waren bei uns Familien schon Jahrhunderte entzweit. – Ein Papier ist oft von höchster Wichtigkeit. –
Diese hatten von Karolo Quintus dem Kaiser – Sie sind in der Thüre. die Verschreibung auf Papier, daß eine Summe Geldes –
Ja, mein lieber Herr Geheimerath! – so hat uns niemalen noch etwas eingeleuchtet und unserm Herzen Ruhe, und auch Contentement gegeben, als der Rath, uns von der alten Baronesse los zu sagen. Heute hat sie mich dermaßen in Angst und Noth gejagt, daß ich wohl sagen mag – sie ist eine Espèce von Jesabel.
Ich rufe nun das Fräulein und den Grafen Bardenrode; deklariren Sie die Heirath rund heraus. – Sagen Sie der Baronesse dasselbe, und wenn sie die Tochter weigert, melden Sie, daß Sie sich anderwärts vermählen wollen. Sagen Sie, daß Sie zur Auseinandersetzung mit der Baronesse die Austräge der Nachbarschaft erbitten wollen. Auf[266] alle Fälle fahren wir dabei desto besser. Wird sie gewaltthätig – so gibt man ihr eine Ehrenwache, vor dem Aufruhr der Unterthanen sie zu schützen – läßt sie indessen nicht aus dem Zimmer, und gibt den Unterthanen Stoff, die Baronesse selber bei den Reichsgerichten anzuklagen.
Fort bien! – Ich gehe lieber – lieber in den Krieg, als daß ich von der Dame mich länger maltretiren lassen sollte.
Parbleu! ich bin wirklich entschlossen! – Allein – da fällt mir bei, die Baronesse hat von mir gegen den Geheimenrath Verhaftsbefehle. – Que Diable! – Hm! – so gleich wird sie ihn nicht gebrauchen. Geschieht es aber – läßt sie ihn arretiren; nun – so bin ich den Geheimenrath doch los. – Enfin, wenn ich mich heut zu Bette lege – plagt mich doch morgen einer minder – Sie oder er. – Ich muß doch meine Herren Brüder zuförderst von der Mariage unterrichten. Er klopft an des Grafen Baptist's Thüre.
Scharmant! – Bravissimo! So habe ich nicht nöthig, Sie zu persuadiren. Setzen Sie Dero werthen Namen zu den unsrigen, hier auf das Dokument der brüderlichen Eintracht.
Sie haben mich verlangt? – O wüßten Sie wie mich das freut! Sei's – daß Ihr Herz dein meinigen sich anvertrauen will – sei's auch nur das Verlangen nach Unterhaltung; es freut mich innig, daß mein guter Onkel endlich mich bemerkt.
Und da Sie mich mit dem Grafen fordern, lieber Onkel, so setzen Sie mit Recht die nämlichen Gesinnungen für Sie bei mir voraus. Sie sieht einen nach dem andern an. Oder – dürfte ich mit einer ganz besondern Beziehung mir noch schmeicheln?
Besser spät als gar nicht. Feierlich. Ihre Excellenz belieben sich zu setzen – und Sie auch, ma Nièce! Man setzt sich. Wir haben alles wohl erwogen, was uns der Herr Graf gesagt. Das Elend unserer Unterthanen rührt uns so sehr – daß wir, dem abzuhelfen, fest entschlossen sind.
Nun treten wir in unsere Rechte wieder ein, und wollen zum Besten des Landes und der Unterthanen uns vermählen.
Von Herzen, lieber Onkel, wünsche ich Ihnen eine Gattin, die, zu diesem edlen Zwecke mitzuwirken, Kopf und Seele hat.
Das war sehr gut gesagt. Ich bin Ihnen von Herzen obligirt. Er steht auf und verbeugt sich gegen Leopoldinen. Wir wählen Sie zur Gattin, ma Nièce!
[270]Die ich zu heben wissen werde. Sie unterschreibt. Mit der Feder in der Hand wendet sie sich zu Bardenrode. Herr Vetter, Sie werden mich raisonabel finden.
Die Sache ist in guten Händen. Auf alle Fälle erzeigen mir der Herr Geheimerath vielleicht die Gnade, die beiden zu uns zurück zu berufen.
Ach, sie ist sehr tief gespalten. Er legt sie in sein Taschenbuch. Das ist nicht von guter Vorbedeutung.
Das Attaschement, was Sie mir äußern, konsolirt mich für manche Seelenleiden. Nun sehen Sie, wenn ich den Weg nicht eingeschlagen wäre, wie hätten Sie die großen Kapitale zurück bezahlen wollen, die Sie von mir empfingen?
Nun, so viel – fange ich denn doch jetzt an zu erblicken – und wenn ich's ausgesprochen habe – werden mir sowohl Euer Liebden, als auch die Frau Baronesse beipflichten. Wenn Ihre Excellenz – verstehen Sie mich – der ältere Herr Bruder –
Wenn Sie mit der Nièce sich vermählen wollen – dann – ja – dann haben wir nicht alle drei Einen Plan.
Es ist ein Elend, daß Sie niemals lesen, was Sie unterschreiben. – Daher denn auch so manches, das hier Kummer und auswärts Schande macht.
Meines Wissens haben Sie dort – an jenem Tische unterschrieben, daß Sie die Fräulein Tochter mir zur Gemahlin geben wollen.
Nun – das habe ich also mit unterschrieben, und willige nochmals von Herzen ein. Legen Sie die Regierung nieder.
Das Werk des Herrn Geheimenraths, der, damit er im Trüben fischen könnte, dem Hause noch eine größere bereiten wollte.
Der Herr Geheimerath bedeutete so eben dem Herrn Grafen Bardenrode: Mit den drei alten Herren sei jedes Spiel verloren – die Baronesse wäre doch wieder oben d'rauf. Wenn es der Herr Graf genehmige, so könne man, unter dem Vorwand einer Ehrenwache gegen die Aufrührer, die Baronesse gleich arretiren.
An der Ecke der Treppe hab' ich's in meine Ohren hinein gehört – Er hatte schon eine Art Bestellung –
Das Volk war auch gleich willig zu einer Ehrenwache; allein der Herr Graf von Bardenrode hat sie tüchtig abgekappt.
[279]Er wolle Ihre Gnaden vor den höchsten Reichsgerichten so vieler und arger Illegalitäten zeihen, sagte der Geheimerath –
Kommen Sie, Figaro! – Ich brauche das Papier; der Mensch muß hängen, oder ich kann nicht ruhig sterben. Geht ab.
Und wird einem – von Gemeindevorstehern, Journalisten, Reisenden, und der Nachkommenschaft – so immer das Gewissen damit gehetzt – daß nicht viel mehr dabei heraus kommt. – Die jüngern Regenten heben alles auf – Leibeigenschaft, die Wildbahn, und den Dienstverkauf – so daß man daneben aussieht – wie gar kein Landesvater.
Lieber Onkel – verließ ich Sie vorhin in übler Laune, so war's, weil ich nicht recht von allem unterrichtet war.
Was ich hier suche, und was ich besitzen muß – das ist Leopoldine – sonst nichts. – Was auch Wahrscheinlichkeit und meiner Freunde übereilter Eifer anscheinen lassen – sonst nichts. Ich gebe darauf mein Ehrenwort. Ist Ihnen das vollgiltig?
Leopoldine war bisher der Ball, womit hier die Intrigue nach ihrem Willen spielte. – So drang man Ihnen eine Gattin auf – die Sie nicht liebten. – Dem Bande widerspreche ich hiermit feierlich durch älteres Recht. Gibt aber eine andere Ehe Ihnen, dem Lande und dem Hause den Trost, deß Sie bedürfen, so zählen Sie auf mich.
Mein Freund, Figaro, rieth mir, das Klomplot, das gegen mich und die Menschheit in diesem Schlosse wüthet, in Scherzen zu ergründen und in Laune aufzureiben. – Gefühl des Wohlanständigen regte sich hie und da immer dagegen. – Uebermacht, Nothwendigkeit und Liebe bestimmten mich, den Faden in seiner Hand zu lassen. – Es ist geschehen; und so lernte ich ein Gewebe von Tücken, den Jammer der Unterthanen, den Mißbrauch Ihrer Schwächen kennen – die mir oft Thränen kosteten.
Lassen Sie mich vollenden. – Durch Figaro's gutmüthigen Leichtsinn kam ein Papier in meine Hände, darin Sie mir die Regierung bei Ihrem Leben übertragen; es ist von Ihnen unterschrieben.
Dies Papier – ist Ihnen abgedrungen – abgelistet – und ich erwähne dessen nur, um Ihnen zu beweisen, wie gefährlich Ihre Lage ist; es steht bei Ihnen, ob ich es zernichten –
Und um so trauriger, da wir gegen die nächsten Anverwandten uns allerdings nicht so ganz des Guten versehen dürfen. – Die Baronesse –
Man ist denn wahrlich übel daran. – In der schönen Jugend galoppirt ein jeder mit uns – und sagt, daß alles nur um unsertwillen gleichsam erschaffen sei, so daß man's am Ende wirklich glaubt – bis daß das graue Alter uns hinüber reißt. – Sieht man es nun auch anders – dann läßt die Etikette nicht zu, daß man es ändert. – Vielfältig trompirt von Bürgern – die um Geld die Seligkeit changiren, traut man gar keinem, und sakrificirt so alles. Keine Ressource – so zu sagen in sich – von außen keine Hand, die Hilfe bietet – so spielt man durch's Leben, wie [283] durch jede andere Partie – gut oder schlecht – gleichviel – bis daß man uns die Lichter auslöscht!
Und Menschen – Menschenfreuden – und Menschenleiden werden in diesen Regentenspielen so schrecklich hingewürgt! In einer Stunde – wo wir mitten aus schöner Saat und mancher reichen Ernte zur Vollendung übergehen konnten – haftet der letzte Blick auf Trümmern – Wüsteneien – wo Waisen, deren Rechte und Freuden man niederschwelgte, auf unsern letzten Seufzer harren!
Herr Vetter! – Er faßt ihn an. Ist's denn so bei uns? – Nein, nein, so arg ist es denn doch nicht. – Zwar war ich lange nicht im Lande. – Ich kenne es so nicht recht –
Wenn's so wäre! – Ich habe oft so Bänglichkeiten, eben wegen der allerletzten Stunde. Ecoutez! – Was wir auch mögen unterschrieben haben, es bleibt dabei.
Wegen der Verschreibung – Er zerreißt sie. – sein Sie unbesorgt. – Aber – nehmen Sie mich an als Ihren Referendar. Die Unterthanen sind von Ihrer Herzensgüte – so wie von meinem guten Willen überzeugt. Das Vertrauen wird wieder kommen – die Prozesse nehmen ab – des Landes innerer Wohlstand wird sich mehren; so sind Sie in den Stand gesetzt, sehr vieles von dem zu thun, was Ihnen [284] Ihr Herz eingibt. Wenn Sie das wollen, will ich gleich die Baronesse bezahlen.
Alles geschieht unter Ihrer Unterschrift und Ihrem Namen. Dies Schloß, nach dem bisher der Landmann aus der Ferne mit Zittern herüber sah, soll den Leidenden mit Muth erfüllen. In diesem Schlosse, weiß er, sind die Kräfte, die er dem Vater des Landes anvertraut hat; dieser Vater gibt sie mit weisem Haushalt – doch er vorenthält sie nie. – Dabei ist alles Ihr Verdienst; – ich habe nur das, treu zu berichten.
Greif ist ein Spitzbube. – Die Orakelsprüche der Geister, die er verkleidet, untergruben Ihre Ruhe, Ihr Vermögen, und das Glück der Unterthanen. Das Recht entscheide über ihn.
Sie verbirgt ihren Groll, da Figaro ihr sagte, daß auf die häufigen Bitten der Unterthanen Untersuchung der bisherigen Regierung hieher gesendet werden sollte – und daß Greif sehr gegen sie gesprochen. – Ach, was verlangst du? – Sie ist doch meine Mutter.
[285]Die Frau Baronesse macht Frieden unter folgenden Bedingungen: Er liest.
»Zum Ersten, ist eine ewige Freundschaft unter beiden Parteien hiemit verabredet. Zum Zweiten, mag man von dem Mißverstande mit den Unterschriften denken wie man will; sagen soll man, die Frau Baronesse habe dies alles de bonne foi gethan. Drittens, besucht niemand der Hohen Kontrahenten das Haus der Gräfin Altenhain. Viertens, zahlt der Herr Graf von Bardenrode in sechs Monaten die sämmtlichen Schuldscheine der Herren Grafen gedachter Baronesse aus. Fünftens, vermehrt er ihr Witthum mit zweitausend Rthlr. Sechstens, macht er sich anheischig, die Frau Baronesse alle Winter auf drei Monate nach Paris zu führen. Siebentens, muß es gedachter Baronesse frei stehen, in hiesigem Gebiete ein französisches Dorf mit Rechten, Sitten und Gebräuchen dieser Nation anzulegen. Dagegen willigen Dieselben [286] ein, daß Erstens, die Fräulein Tochter Gräfin von Bardenrode werde, und –
Die Tage des Kummers sind vorüber! Das beste Weib ist mein! – Gewährt! – Wo ist das Papier? Er setzt sich rasch, es zu unterschreiben; besinnt sich, und legt beschämt die Feder nieder, steht auf, und sagt zu den Onkeln. Verzeihung! – Der letzte Punkt – betrifft Sie, liebe Onkel! Er küßt des Grafen Hyazinth's Hand. Werden Sie das französische Dorf erlauben?
Sie haben mich nicht zu Ende lesen lassen.
»Und wollen, Zweitens, die Frau Baronesse in die Regierung der deutschen Lande sich nicht mehr mischen.«
Was Greif betrifft – so mißrathe ich die Untersuchung. Man würde irgend jemand zu genau in sein Vergehen verwickelt finden. Muß er das bewußte Kapital zum besten des Schulfonds abliefern, so wird seine Strafe wohlthätig für die Menschheit.
Die Geschichte des Bonnet diplomatique habe ich der Frau Baronesse verschwiegen – so wie ich bitte, daß [287] man sie überhaupt verschweige. Denn obgleich die Pariser Schellen auf deutschen Köpfen bis zur Uebertäubung läuten, so wird man doch mit Indignation die Idee verwerfen – weil – diese Schellen noch nicht zu Paris geläutet haben. Ein schöner Mund spricht – mit Accent sogar – die schmutzigsten Benennungen französischer Moden – pourvû qu'elles soyent en vogue! – Sonst sind wir gute Freunde. Sie war gleichmüthig, wie ein Gesandter, der zufrieden ist, wenn er beim Friedensschluß den Gebrauch vom Wapen des verlornen Landes und die rechte Hand erhalten hat. – Wir gaben uns ein paar Ehrensalven boshaften Witzes und schieden à la françoise! – Nun erlauben Sie, mein schönes Fräulein, Er küßt ihr die Hand. das Ende krönt das Werk! Er führt sie dem Grafen entgegen. Der fromme Wunsch des Mannes, der Gutes will, Hier legt er Bardenrode's Hand in die ihrige. und es vollbringt, bleibt niemals ohne gesegnete Erfüllung. Er reißt sich los, und geht schnell ab.
Meinen Unterthanen zu Bardenrode eine Mutter – diesen Vätern eine Tochter! Er führt sie in ihre Umarmungen.
Nun sagen Sie mir, Cousin, – Sie ließen vorhin so etwas fallen – von Geistern – was halten Sie wohl eigentlich so von Gespenstern?
Die Maschine, womit Greif Sie bei dem abenteuerlichen Schimmer einer Lampe und übertäubenden Gerüchen täuschte, sollen Sie selbst untersuchen.
[288]Herr Graf! –Elle est assez drôle! – Leopoldine, du wirst deinem Herrn mit der Konsideration stets zu begegnen wissen, die einem Kavalier von dem Talent und der Abkunft gebühret. – Das französische Dorf wird mich desennuyiren. – Mein Friseur, Brouillard, und dann die übrigen, die von der Nation noch hier sind, wollen es errichten. Der Postillon bläst ein rasches Lied. Was gibt's?
Er gab mir dies an Ihre Excellenz von Bardenrode. Er hatte trübe Augen – und mir ist's nicht besser. O seine wohlthätige Gegenwart bleibt mir und unserer ganzen Gegend unvergeßlich.
»Daß jeder sich am Ende durch mich beglückter finde, war mein Zweck. – Er ist – im Wichtigsten – erreicht. Man wird den Fremdling nicht mit Strenge richten, der im Gewand des Scherzes einem ernsten Volke ernste Wahrheit anempfahl, und jetzt mit Rührung scheidet – Figaro.« Der Postillon bläst wieder.
Er ist doch hie und da ziemlich maussade. – Im Ganzen – hege ich endlich den Soupçon, er sei wohl nicht der rechte Figaro? –