[Widmung]
[4] Dem
gütigen vaterländischen
Fürsten
Friedrich Karl zu Leiningen
im Gefühl der wärmsten Hochachtung,
Dankbarkeit und Liebe
gewidmet von dem
Verfasser
[4][4] Dem
gütigen vaterländischen
Fürsten
Friedrich Karl zu Leiningen
im Gefühl der wärmsten Hochachtung,
Dankbarkeit und Liebe
gewidmet von dem
Verfasser
[4]Es ist mein Vorsatz, bürgerliche Verhältnisse dramatisch zu behandeln. Ich machte auch dieses Stück in der Absicht und erwarte nun das Urteil des Publikums. Der Herr Hofgerichtsassessor Schüßler aus Hannover hat durch einen gütig mitgeteilten Auszug älterer Akten mir einen Teil der Handlung gegeben. Ich bitte jeden, der in einem öffentlichen Amte deneignen Gang der Begebenheiten, ihre sonderbare Entstehung und Entwickelung, die Verschiedenheit, die harten Ecken der Charaktere zu beobachten Gelegenheit hat, mich mit Auszügen von solchen Gerichtsverhandlungen, wo Leidenschaft die Triebfeder von Glück oder Unglück war, zu beschenken.
Mich dünkt, die Bühne sei dann dem Staate von wesentlichem Nutzen, wenn sie zeigt, wie gute Menschen durch Schwächen und Vorurteil sich das Leben verderben. Darstellung des richtigen Ganges bürgerlicher Begebenheiten, Berührung der Punkte, wo sich die besten Menschen trennen, war mein Zweck; und ich wünsche, daß Leser und Zuschauer mein Stück mit gutmütigem Gefühle, mit dem Drange, etwas Nützliches zu tun, verlassen mögen. Nach diesem Zweck muß ich von solchen Leuten beurteilt werden. – Binnen Jahr und Tag hoffe ich manchen Beitrag erhalten zu haben – wenn anders meine gegenwärtige Arbeit nicht mißfällt.
Iffland
[5]Personen.
Ich habe keine Zeit – der Alte ist grämlich, daß wir noch nicht fort sind. – Da – halt einmal, ich will –
Hast du doch nicht eher geruht, bis du den ehrlichen alten Fritz dort weggelogen hast? Was will der Alte nun anfangen? Der muß betteln mit Weib und Kindern!
Sapperment! – Mein Vater war hier Oberförster; in den Stuben hier bin ich großgezogen – nun soll ich gemeiner Jäger bei Euch sein! Meint Ihr –
Nun, nun – es ist nicht aller Tage Abend – Ich kann noch – wer weiß? Was sein soll, schickt sich wohl. Aber was ich sagen wollte – – – Ich höre ja, die Jungfer Base vom jungen Herrn Förster, Mamsell Friederikchen, kömmt heute aus der Stadt wieder.
Da wird es ein Aufhebens geben, wenn der Tugendspiegel wieder da ist. Sie ist zwar die Herzallerliebste vom Herrn Förster – aber –
Ei laß mich ungeschoren. Schickst dich brav zum Amtslakaien; kannst spionieren, lästern, saufen und dir Geld in die Hand drücken lassen – Mir ist's recht, daß es mit der Kameradschaft ein Ende hat. – Ich habe zu tun – leb Er wohl. – Hör Er – das muß ich Ihm noch sagen – nehm Er's krumm oder grade – ich halte nichts auf den Kerl, dem der schlichte grüne Rock, in Ehren, nicht lieber ist als der beblechte Rock vom Amte, in Unehren. Ab in das Seitenzimmer.
Wart, gestrenger Herr Förster – und Oberförster [8] Adjunktus in Gedanken – ich will es dir noch besser münzen. Sieht in das Zimmer, indem er die Mütze abnimmt. – Herr Förster – Mit einer Verbeugung, freundlich. – Herr Förster, noch auf ein Wort.
Nun, nun, nur sachte! Wüßten Sie, was ich weiß! – Sie hätten mir die Ohrfeige nicht gegeben. Will fort.
Ich habe Ihre Ohrfeige – aber auch meine Nachricht, Geschwind. und damit gehn Sie Ihrer Wege, ich meiner.
Wenn ich nicht sprechen will, so tu ich es nicht, und wenn ich totgeschlagen würde. Kalt. Und nun bleibe ich da und spreche nicht.
Das will ich sehen. Sucht nach einem Stock, findet das Gewehr und reißt den Ladestock heraus. Und wenn das ganze Haus wach würde – was wißt Ihr? – – Ich habe das Mädchen lieb; es ist meine Base; ich will sie heiraten. Was wißt Ihr?Packt ihn an der Brust. Lahm prügle ich Euch – was wißt Ihr?
Sie wollen mich prüglen – aber ich leide es nicht, ich setze mich zur Wehre. – Sie prüglen mich – ich schlage Ihnen ins Gesicht – Sie treten mich mit Füßen, ich [9] jage Ihnen den Hirschfänger durch den Leib. Dabei kommt nichts heraus. Ich brauchte Ihnen nichts zu sagen; weil Sie aber das Mädchen heiraten wollen, mag es drum sein! – Hier – sind zwei Stück Papier.
Geduld – Das hier – ist ein Konzept – verstehen Sie mich – der rechte Brief an Jungfer Friedriken nämlich ist fortgeschickt. – Da.
Matthes – ich weiß, Ihr könnt mich nicht ausstehen, Ihr lügt oft – aber ich will es Euch vergeben, wenn Ihr's gesteht. Ihr habt meine englischen Sporn gern haben wollen: Ihr sollt sie haben – gleich haben – wenn Ihr es mir sagt.
Sie sind ärgerlich. Ja, wer läßt sich auch gern betriegen! In Heiratssachen ist das so, so – Aber hol's dieser und jener! Sie müssen ihr auch was zugute halten – es ist ein junges, einfältiges Ding.
[10]Sie hat – Mit dem Schurken währt es übrigens nur noch drei Stunden – Schlag neun Uhr kann ich darauf dienen. Ab.
Es ist nicht möglich – nein, wahrlich nicht. Matthes war immer ein schlechter Kerl – Die Hand? Die Hand ist es freilich – daß er ihr immer nachschlich, ist auch wahr. Dazu bin ich schlichtweg – habe wenig. – Sie war in der Stadt, hat seitdem das prächtige Leben kennengelernt – Der Kerl ist reich und – Mädchen, Mädchen! Wenn du mich betriegst –
Her! Komm mir in den Weg, Spitzbube! Komm mir in den Weg! – Ich will dir Antwort bringen, daß dir Hören und Sehen vergehen soll.
Leicht geraten und bald getan. Vorwitz plagt mich nicht – aber ich habe Ihrentwegen manches Ungewitter von dem alten Herrn auf mich genommen, werde es wohl auch ferner noch; darum denke ich –
Der Junge, der Bube! Hat wieder an Friedriken geschrieben – einen Liebesbrief, eine Schandbestellung!
»Liebes Friedrikchen! Sie werden nun dem Vorschlage meiner Eltern nachgedacht und für mich entschieden haben. Meine Person dürfte leicht so viel Intresse einflößen wie der abgeschmackte Jägersbursche, der bei allen Dirnen zu finden ist. Kömmt hierauf keine Antwort, so sehe ich meinen alten Vorschlag als von Ihnen eingewilligt an und reise Ihnen morgen früh nach Waldau heimlich entgegen. In jedem Fall wird dieses Rendezvous eine glückliche Stunde gewähren Ihrem ewig treuen –
Peter von Zeck.«
Und sie hat nicht geantwortet, und er reiset ihr jetzt entgegen – und – und – – Lahm schieße ich den Hund, wo ich ihn finde!
Ei was! Die Mädchen sind eitel und falsch. Sie schwören und liebäugeln und winseln und putzen sich, jedem zu gefallen. Mag ein ehrlicher Kerl drauf gehen oder nicht, was kümmert sie das?
Rudolph – Eine betrügt weniger; aber sie betrügen alle. Geh hin – schieß ihrem Liebhaber vor den Kopf – sie wird schmälen. Aber wirf ihr den Spiegel herunter, verbrenn ihren Putz; sie wird sich die Haare ausraufen. Hängt die Jagdtasche um. Ich habe sie so lieb – Ach Rudolph, ich habe sie so lieb!
Wenn sie es nicht ist – sieh, des Lebens hier bin [12] ich satt. Mein Vater behandelt mich wie einen Jungen – ich habe ausgehalten ihr zuliebe. – Betriegt sie mich, so gehe ich fort, werde Soldat – und gibt's keinen Krieg, so mache ich einen dummen Streich. Dann jagen sie mir eine Kugel durch den Kopf, und es ist aus. Komm! – Will ab.
Ausgeschlafen, Anton? Ausgeschlafen? – Ihr geht heute wieder früh aus. Das ist ein Leben! – Keine Ruh und keine Rast.
Warte doch noch – warte. Er geht nach der Tür. Ei, ich will's haben, du sollst warten. Anton kömmt. Ist das nicht ein Wetter! I du mein lieber Himmel!
Nur einen Augenblick. »Hellwerden?« – Rudolph, treibe, daß der Kaffee kömmt – Rudolph ab. »Hellwerden« sagst du? Der Mond hatte gestern abend einen Hof, Anton. Er war nicht so viel hell, als ein Speziestaler groß ist; dann wird es all mein Tage den andern Tag kein helles Wetter.
Was heiß? Es ist rauhes Wetter. Der Kaffee wärmt den ganzen Menschen – trink nur! Sie zwingt ihm eine Schale auf. Hast du auch die Brust gut verwahrt, Anton? Sie knöpft ihm, indes er trinkt, die Weste bis an den Hals zu, die Flinte liegt ihm im Arme, er hat den Hut auf. Ei, so laß doch die Knöpfe zu, Anton! [13] Was das für eine alberne Mode ist! Da wird der Magen verkältet, die Gesundheit nicht konserviert, und das junge Volk stirbt hin. Die Brust verwahrt, die Brust verwahrt! Das war eine goldne Regel bei uns Alten! – Nun trinkst du noch eine.
Nun, so geh. Höre – wenn Riekchen nur ein paar Tage da ist, so soll sie dir ein Leibchen nähen. Da, nimm das Tuch, halt den Hals hübsch warm – hörst du?
Das ist ein ander Ding. Zu Anton. So mußtest du dableiben. Zu Matthes. Geht Eurer Wege! Zur Oberförsterin. Faß dich ein andermal kürzer.
Ruf ihm doch nach, sag ihm, daß er von der Sau wegbleibt. Christian ist erst gestern geschlagen, und –
Nun, so will ich gar kein Wort sprechen. Geht an den Kaffeetisch, schenkt ein und murmelt dazu. Man möchte ersticken!
Bilde dir nicht ein, daß du ihn lieber hättest als ich. Der Junge ist wild wie der Teufel. Wenn ich gut wäre wie eine Schlafmütze, ich glaube, er steckte uns das Haus über dem Kopf an. – He – – Matthes!
Es ist gut. Ihr habt mich zeither oft belogen; wenn dies wieder nicht wahr ist, so schicke ich Euch fort. Eure Zeit ist ohnedies heute ganz um.
[15]Ich sage kein Wort – kein Sterbenswort. Aber – aber – es drückt mir das Herz ab, wenn ich so sehen muß, daß –
Es ist kein Auskommen mit der Frau. – Nun – ich will es einmal aushaken. Sprich – sag alles, was du weißt; aber alles! Denn so bald kriegst du mich nicht wieder.
Sag mir nur, wozu bin ich da? Immer muß ich unrecht haben. Dies hätte ich so machen können, das wieder anders. Hier habe ich gesündigt; dort habe ich einen Bock geschossen. Bald hätte ich reden, bald schweigen sollen. Wenn ich den Mund auftue, habe ich unrecht. Was ich rede, ist einfältig. Ei, wozu hat man den Mund als zum Reden!
Ich? Wer – ich? Wenn läßt du mich denn wohl zum Worte kommen? Wo darf ich meine Meinung sagen? Auf Martini werden es zwei Jahr, daß ich zuerst von der Heirat gesprochen habe – da ging das Unglück los. Nun – ich habe geschwiegen – geschwiegen, was ich konnte. Nachher hat es der Herr Amtmann mir wieder unter den Fuß gegeben; aber sowie ich nur den Mund auftat – ward ich ja angelassen! Jetzt hat die Frau Amtmannin in der Kirche wieder angefangen: »Mamsell Kordelchen hätte meinen Anton gar zu gern.« Nun, denke ich, Ehen werden im Himmel geschlossen – und wenn es Gottes Wille ist, daß mein Anton Mamsell Kordelchen heiraten soll, so werden wir nichts dazu und nichts davon tun [16] können. Ich habe es gesagt. – Du bist Vater, wie ich Mutter. – Tu nun, was du willst – ich sage kein Wort mehr!
Wollte nicht der – hm – der – was war er – unter den Kürassierern – – und hernach der Oberbereiter von – von Dingsda! Wollten die sie nicht alle beide heiraten?
Sie haben es gewollt, als sie auf dem Amtshof logierten. Du lieber Himmel! Was wollen solche Herren nicht, wenn sie freie Tafel spüren! Hernach sind sie weggeritten und haben es vergessen. Kurz – es geht ihr mit ihren Liebhabern wie uns mit unserm Röhrwasser – sie bleiben aus. Zum Notbedarf ist mein Sohn überall zu gut. Zum Notbedarf für eine Gaunersfamilie nun vollends.
Verplaudre ich da wieder meinen Morgen mit dir. – Es ist überhaupt noch zu früh für ihn – der Junge soll gar noch nicht heiraten. Punktum.
Ist das nicht ein Kreuz mit den Weibern! [17] Sind sie jung, so lassen sie sich freien; und ist die Rechnung geschlossen, so haben sie die Wut, andre zu verfreien. Nun, nun – nur nicht böse! Du bist sonst ein kreuzbraves Weib, fromm – redlich – – wie ich sage, kreuzbrav – bis auf den alten Weiberverstand und die Liebe zu den harten Talern – kreuzbrav!
Guten Morgen, guten Morgen, Herr Schulz! Ei, Er ist ja gar zu rar geworden. Ich glaube, in vierzehn Tagen ist Er nicht hier gewesen. Das ist nicht hübsch, weiß Er das wohl? Nicht nachbarlich. Man muß seine alten Freunde nicht vergessen, man muß –
Seine alten Freunde zum Worte kommen lassen. Geh in deine Küche! Wir werden zu sprechen haben – nicht wahr?
Gut, gut! Ich gehe. Geht ein paar [18] Schritte, kömmt aber gleich wieder und nimmt den Schulzen beiseite. Ehe Er weggeht, kömmt Er doch einen Augenblick zu mir herein. Nicht wahr? Ich will Ihm erzählen, wie –
Was wird's sein? Die alte Leier. – Unser Herr Amtmann zieht uns einmal wieder die Haut über die Ohren.
Nun – »die Gemeinde hätte so starke Ausgaben – es ginge dies Jahr so viel auf«. – Das muß nun freilich der Herr Amtmann am besten wissen, denn er hat die Kasse. »Damit er nun dem allen vorstehen könnte, so sollte aus dem Gemeindewald für tausend Taler Holz gehauen werden.«
Je, da soll ja den Amtmann das – – – Nun, nun – ich muß doch auch mit dabeisein, muß doch so ein kleines Wörtchen mit dazu sprechen.
Sie sind brav. Gott vergelt's Ihnen, was Sie schon an uns getan haben! Aber hierin können Sie uns nicht helfen. Es geschieht gewiß, was der Amtmann will.
Nichts. Ich mache meine Vorstellung dagegen. Der ganze Wald würde ja verdorben! – Es ist nicht möglich! Weiß Er was? – Ich gehe selbst in die Stadt – ich übergebe die Vorstellung den Herren selbst.
Sehen Sie, wenn wir in der Stadt klagen, so meint der Herr dies, der andre das. Endlich wird einer ausgesucht, der soll nun darüber sprechen. Der eine? – Gott bewahre uns in Gnaden! Der reiset das ganze Jahr hier herum und dort herum. Bald hat er zu viel Arbeit, bald wird er krank. – Nun kriegt auch wohl wieder ein anderer darüber zu sprechen. Wir gehen hin und wieder her, suchen, betteln, es kostet uns schweres Geld, die Arbeit bleibt auch liegen. – – Ehe wir es uns versehen, kömmt ein Bescheid: »Wegen Widerspenstigkeit hiermit ab und zur Ruhe verwiesen.« Der Amtmann läßt ihn publizieren – haut uns den Wald vor der Nase weg – fährt mit Frau und Kindern ins Bad – und am Ende kostet es zweitausend Taler.
Er tut dem Dinge zu viel. Es gibt redliche Männer in der Stadt, und ich will ihnen alles so unter die Augen legen, daß sie sich der Sache wohl sollen annehmen müssen.
Hoho – habe all mein Leben gehört: »Keine Krähe hackt der andern die Augen aus.« Die Frau Amtmannin hat dem Herrn Amtmann das Amt so gleichsam zum Heiratsgut mitgebracht: der gibt nun am rechten Orte Steuern und Gaben – drum fragt ihn kein Mensch, wie er es mit uns treibt. – Warum wollten Sie sich Feinde machen? Lassen Sie es gehen, wie's geht!
Überhaupt suche und fordre ich von den Leuten all mein Tage nichts, als was von Gott und Rechts wegen mein ist. Wollen sie mir das nicht geben, stehlen sie mir mein Verdienst aus der Tasche. Nun – sie mögen es verantworten; aber ich bleibe auf meinem Wege. Es hat mir denn doch auch schon wohlgetan, mich – schlecht und recht – vor so einem Kerl hinzustellen und ihn scharf ins Auge zu fassen. – Mit dem Rotwerden hatte es sich nun wohl! Aber was ihnen auch das Gewissen sagte, sie machten so wunderliche Gebärden und sahen so albern dabei aus – daß ich all ihre Schätze für solche Augenblicke nicht haben möchte.
[20]Ja – da denk ich eben an etwas. Neulich – es mögen ein acht Tage sein – begegnete ich dem Amtmann, wie er – es war in aller Frühe – von einer Leiche kam. Da sah er nun ganz unscheinbar und grämlich aus. Hm! dachte ich so bei mir selbst – es ist doch was gar Bedenkliches um das letzte Ende! Man sei gewesen, wer man wolle – da fällt einem alles haarklein bei. – Hm – dachte ich dann so weiter – wenn dem Amtmann einmal so alles beifällt! – Herr Oberförster – ich möchte dann nicht um und neben ihm sein – ich denke, es müßte nicht gut mit ihm stehen –
Es bleibt beim alten! Nun will ich doch auch auf der Stelle meinen Bericht machen. Setzt sich und will schreiben.
Gewachsen, einen ganzen Kopf gewachsen. Komm her, Mädchen, hier an der Tür.Sie geht dahin. Hier ist noch das Zeichen, wie groß du warst, als du fortgingst. Komm!
Sag mir nur, Mädchen, wie es zugeht, daß du so früh kömmst? Wir haben dich alle erst um Mittag erwartet.
Die Nacht? Ei du armes Mädchen, du armes Mädchen! – Willst du Kaffee? Wein? Suppe? Was willst du haben? Ich will gleich alles bestellen. – Warte – – hm – – wo werde ich nun den Schlüssel haben? Sie sucht in den Taschen. Warte nur – – –
Da ist der Schlüssel. »Unnötig?« Das weiß ich besser. Wenn man so fährt – und in der Nacht gar – die Nacht ist niemands Freund – man ängstigt sich – und dann die kalte Luft und nichts Warmes. – Nein, das geht nicht – Gleich sollst du haben, gleich. Ab.
In vier langen Jahren habe ich Sie nicht gesehen und finde Sie, gottlob, frisch und gesund. Meine Hebe alte Mutter, die –
Wenn ich böse bin, so mag ich anders aussehen wie jetzt. Wenn ich böse wäre, so könnte ich dich nicht leiden – und ich habe mich auf dich gefreuet – daß du es nur weißt.
Das hörst du ja. Heftig. Aber wie kann ich denn dazu kommen, daß ich mich freue? Wenn das Weib anfängt zu sprechen – dann ist alles aus – dann –
Rechnen Sie ihr das nicht an – sie liebt mich – ich kam so plötzlich – es ist nun einmal ihre Art so. –
Ich habe mich immer nach meiner Lage gerichtet und nie vergessen, daß ich ohne Ihre Vatergüte nicht leben könnte – –
Nein – nun nicht. Es ist wenig – es ist, was ich bei mir habe und entbehren kann. Ich dachte dir Freude zu machen – – –
Nun aber wäre es grade so, als wenn ich einen Konto abfertigte und dein Knix sagte: Zu Danke bezahlt. – Ein andermal – ein andermal.
Eine Freude, die ich mir ausgedacht hatte, ist mir auch verdorben, weil der Postknecht von der letzten Station so langsam fuhr. Ich wollte recht früh kommen – ich wollte vor Ihrer Tür warten, und wenn Sie »Matthes!« gerufen hätten, so wäre ich gekommen und hätte Ihnen das Frühstück gebracht.
Hast du das gewollt? – Laß dich küssen, Mädchen. – Der dumme Postillon! Ja das war hübsch ausgedacht. Ich mag so was wohl leiden. So was ist dir immer recht gut geraten. – Esel von einem Fuhrmann – der! – Hm! Du hast es doch immer recht gut mit mir gemeint. Aber ich habe mich auch auf dich gefreuet wie auf meine wirkliche Tochter. – Sieh, ich fange an, stumpf zu werden – der Junge ist toll und wild und macht mich manchmal recht grämlich – meine Alte, die kann auch nicht mehr so fort wie wohl ehedem – – und dann – – Nun – Gott sei Dank, daß du wieder da bist! Nun kannst du mir wieder was vorlesen, oder wir gehen spazieren – du erzählst mir was aus der Stadt, singst mir was vor – so geht allgemach die Zeit gut hin – bis es einmal bricht.
Hier ist Suppe und Kaffee, was du nun willst – was du willst. Und da – da habe ich ein Jäckchen, das du vor vier Jahren trugst – daran sieht man es ganz deutlich, daß du gewachsen bist. O ich habe so eine Freude, daß du gewachsen bist! Ich wollte – Ja, ich wollte –
Ei was. Wer sich um jedes Gesicht bekümmern wollte, das einem die Männer machen – und vollends der! Der ist noch eben so, wie er sonst war. Ja, was habe ich mir nicht für Mühe gegeben, den Mann zur Raison zu bringen – aber da ist Hopfen und Malz verloren. Ja, was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. Gelärmt, gebrummt, geschimpft, geflucht, turbiert, von früh – bis in die sinkende Nacht. Da ist kein Ende und kein Anfang. – Nun – trink ein Täßchen, schenk dir ein.
[25]Oder nimm Suppe – was du willst – wie du willst. Als ob ihr auf einmal etwas einfiele, mit altmütterlicher Art. Ich will denn doch lieber zusehen, wo er geblieben ist, daß er mir nicht etwa gar ausgeht. Ab.
Anton – Anton! Du willst mich lieben und gehst fort, da ich komme? Er muß böse auf mich sein – gewiß, gewiß! – Sonst wäre er hier. Indes, auf gleichgültige Dinge zürnt man ja nicht – also liebt er mich doch! Anton! Lieber viel Zorn als Kälte.
Wo mag er doch sein? Gewiß trabt er draußen im Garten herum und brummt. – Noch nicht getrunken? Ja, heutiges Tages hungern sich die Mädchen die Schwindsucht an den Hals, um nur die Taille nicht zu verderben. Friedrike trinkt. Nun, Kind, wie steht's? Hat der Abschied von der Stadt dir viele Tränen gekostet?
Kind, Kind, verstelle dich nicht! Die vielen hübschen jungen Herren – Vier Jahr in der Stadt – ein hübsches Mädchen – mach mir nicht weis, daß du keinen Liebhaber gehabt hättest, ich bitte dich; mach mir das nicht weis. Mach mir das nicht weis.
Nun – wenn auch einige mir versichert hätten, daß – daß – liebe Mutter, ich lasse keinen Liebhaber zurück.
Brav, brav. Du sollst hier ein Partiechen tun – Nun seht doch? Feuerrot über und über. Der junge Musje Zeck – was sagst du dazu? Und Anton – heiratet Mamsell Kordelchen – da ist vieren geholfen. Gelt? Ja, mein liebes Kind, das habe ich auf dem Amte so gut als richtig gemacht.
Und, liebes Kind – wenn du heiratest – nur gleich auf die Autorität gehalten! Auf die Autorität gehalten! Sonst geht dir es so wie mir.
Sie sind sehr glücklich. In der Stadt habe ich so wenig gute Ehen gesehen, daß ich nur vor dem Wort »Heirat« zittre. Der gute Vater! Er liebt Sie so herzlich.
I nun – ich – wenn ich – es ärgert mich nur, daß er so ein Brummbär ist – aber ich halte doch große Stücke auf ihn.
Wenn er mannichmal abends von der Jagd kömmt und seinen Husten kriegt, so wird es mir recht ängstlich. Er war neulich einmal ein bißchen krank – nun, so meinte ich doch nicht anders, als das ganze Dorf [27] wäre mir zu enge! – Wenn er nur ein paar Tage über Feld muß – und mittags ist sein Platz leer – oder ich seh ihn abends unter der Linde sein Pfeifchen nicht rauchen, so ist mir ganz wunderlich zumute. Ich gehe im Dorfe zu diesem und jenem – die Leute sind auch alle recht nachbarlich und gut. – Da ist auch wohl der Schulz gekommen. Nun, lieber Gott – es ist ein guter Mann, der Schulz, ein braver Mann! Aber es ist doch mein Alter nicht – nein, es ist mein Alter nicht.
– Der Herr schickt mich aus dem Garten – ich sollte die Frau fragen, ob sie nun nach der Tür gesehen hätte? sollte ich sagen.
Ja, ja – ich hätte darnach gesehen. Bursche ab. Nun aber doch zur Kuriosität, komm einmal her an die Tür. Sie gehen beide hin, und Friedrike wird an der Tür gemessen. Richtig, einen Kopf bist du gewachsen – einen ganzen Kopf. Aber über den Anton wirst du dich wundern – der ist lang – mächtig in die Höhe geschossen!
Kind, sag das nicht, daß es sein Vater hört; denn wenn ich sage: »Es ist ein Mann, er muß heiraten!«, so sagt er: »Es ist ein Bube, er soll's bleiben lassen.«
Nun sieh, mein Goldmädchen, das ist es ja eben, was ich sage. Darum ist ja alle Tage der ewige Zank. Ich sage ihm auf die beste Art von der Welt, daß er unrecht hat; aber was hilft's? Er glaubt es nicht.
Wunderliches Zeug: »das Mädchen wäre unglücklich, die den Jungen jetzt kriegte; er müßte erst ausbrausen; das hieße ein armes Weib betrügen« und was es mehr ist. Ei – mit meinem Anton denke ich keine zu betrügen. Es verkauft sich gewiß keine an ihm. Manche Jungfer aus der Stadt würde zufrieden mit ihm sein.
Nun – du magst dableiben. Auf Treue und Glauben, daß du still sein willst. Riekchen! – Ich habe mir vorgenommen, diesen Mittag eine kleine fröhliche Tischgesellschaft zu bitten. Du sollst sie aussuchen. – Im Hause sind – du – hier die Stumme, ich und Anton. Wen willst du noch haben?
Gut – brav! Der sitzt bei mir. Oder – ja, so soll's sein. Du in der Mitte, wir beide an deiner Seite.
Ach du mein Himmel! Das gibt einen schrecklichen Lärm. Der Oberförster geht die Länge des Zimmers durch. Das ganze Dorf weiß, daß wir uns auf den Tag gefreuet haben – daß wir Gäste bitten wollten. Bitten wir die nicht, so ist ja die pure klare Feindschaft angekündigt – hm – – Riekchen! Hm!
Ich bitte niemand zum Essen, um ungesund nach Hause zu gehen; noch weniger glaube ich, jemand damit eine Ehre zu erzeigen. Es sind gute Freunde, denen ich Gelegenheit geben will, mit mir froh zu sein. Ich bin kein Freund vom Amtmann. Das kann ich ihm nicht bergen und mag es ihm nicht bergen. Sind wir an einem Tisch, und ein Glas Wein hat mich froh gemacht, so spreche ich, was ich denke – was ich denke. Und der Mann, der nach einem Glase Wein noch verstecken kann, was er denkt – ist mein Mann nicht.
Das wird ein Aufsehen geben! Und am Ende käme es gar auf das arme Mädchen. Dann sieht es aus, als wenn die schuld an dem Hader wäre. – Nun tu es doch – einmal ist ja nicht immer.
Hm – ja. Ich will's tun. Aber wenn sie mir grade gegenüber oder dicht an der Seite zu sitzen kommen, so gehe ich davon und esse im »Hirsch«.
Ja. Aber hahaha! Du wirst sehen, es wäre besser, ich hätte es bleiben lassen. – Ich bitte mir nun auch noch einen guten Freund dazu.
Das wäre also richtig. Jetzt tummle dich. Und du, Riekchen – da sind die Schlüssel – geh heute zum [30] ersten Male wieder in den Keller und hole uns einen Trunk.
Wie ich die Schlüssel wieder sehe, fällt mir so manches dabei ein. – Sie gaben sie mir alle Mittage selbst; der Wein, sagten Sie, schmeckte Ihnen nicht, wenn ich ihn nicht geholt hätte. Nur wenn Sie böse waren, bekam ich sie nicht. Lieber Vater, bester Vater, ich verspreche Ihnen, Sie werden sie mir alle Mittage geben. Ab.
Meinen Hut. Sie bürstet ihn bedächtig ab. Er sucht Papiere zusammen und spricht dabei fort. Laß ordentlich auftragen. Adieu! Ich muß ausreiten, Holzanweisen. – Schlag zehn Uhr bin ich wieder da. Sie soll nur einerlei Wein hergeben – vom besten! Hörst du? Nur einerlei! Er geht. Adieu!
Du sollst nicht fort, bis du gut bist. Man muß nicht in Groll scheiden. Es ist gar bald um einen Menschen getan.
Mit deinem einfältigen Groll! Auf den Amtmann habe ich Groll. Adieu. Er schüttelt ihr die Hand. Plaudertasche. Geht.
Ende des ersten Aufzugs.
Euer Abkehren mag Euch wenig wert sein, mein guter Freund! Da sieht es noch bunt aus. Geht geschwind in die große Stube, heizt dort; man friert sonst, daß es nicht auszuhalten ist. Der Bursche geht. Hört – nun so lauft doch nicht immer fort – wartet, bis man ausgeredet hat. Die Stühle wohl abgekehrt – die Fenster auch – daß kein Stäubchen wo zu finden ist! Ich verlasse mich darauf. Der Bursche geht. Sie setzt sich. Liegt doch auch alles auf mir! – Das ist eine Last! Ich bin recht froh, daß das Mädchen endlich einmal wiedergekommen ist.
Meine werteste Mademoisell – – ich – ich schäme mich wahrhaftig, daß ich noch nicht recht angezogen bin.
Lassen Sie's gut sein. Sie wissen, ich bin nicht von Zerimonien und selbst noch nicht angekleidet. – Wo ist denn Monsieur Anton?
Apropos – – Ich muß Ihnen doch sagen, wenn die Manage zustande kömmt, so will mein Vater, durch eine sichre Konnexion in der Stadt, Ihrem Anton einen der ersten Dienste im Jagddepartement verschaffen.
Nur muß Ihr Mann meinen Vater in seinem [32] Geschäfte machen lassen und ihm nicht immer widersprechen. Sorgen Sie hübsch dafür, Mama – hören Sie?
Ja liebes Mamsellchen, dabei kann ich nichts tun. Mein Kommando geht nicht weiter als von der Küche in den Krautgarten. Wenn ich mannichmal so in andre Sachen rede – so sieht er sich nur um! Dann weiß ich gleich, was die Glocke geschlagen hat. Ei, glauben Sie denn, daß ich nur für meine Küche Wildpret haben könnte, wenn ich wollte? Nichts – es täte oft not, ich kaufte welches.
Das sollte ich denn doch nicht meinen. Alle Welt hat ihn lieb. In allen rechten Dingen ist er niemanden hinderlich, läßt sich's auch sauer werden bei seiner Arbeit; das werden der Herr Amtmann wohl selbst wissen.
Nun – man muß Geduld haben. Zeit und Stunde ist bei dem Menschen nicht gleich; wir wollen ja alle auch alt werden! Wenn Sie so was sehen, Kind, so reden Sie doch zum Besten. Ich tue das auch, soviel ich kann – schütte Wasser ins Feuer, wo ich es sehe. Es ist besser, denke ich, er brummt sich bei mir aus als bei andern – Ach – wenn ich ihn nur noch lange brummen höre!
Diesen Abend ist Ball bei uns – ich freue mich recht darauf. Ich habe Lust zu tanzen. Ich bin heute recht dazu aufgelegt. – Daß Herr Anton uns nur nicht wieder so früh wegschleicht. Was gibt es denn sonst Neues?
Das freuet mich – ich bin ihr recht gut. Sie geht ans Fenster. Es ist recht schlechtes Wetter. Der [33] Herr Förster werden schlechte Jagd haben. Es ist so neblicht, daß man kaum die Hand vor den Augen sieht.
Noch besser? Was Sie sagen! O erzählen Sie mir doch noch mehr – ich höre gar zu gern Gutes von dem Mädchen.
Was ist denn aus ihrer Figur geworden? Sie war ein kleines Ding, als sie nach der Stadt geschickt wurde. Ist sie gewachsen?
O ich glaube es gern. Was ich sagen wollte – – – sie kann ja diesen Abend auf unsern Ball geschickt werden; denn vermutlich wird sie auch wohl tanzen?
Sie verlor ihre armen Eltern früh. Ich bin Pate zu ihr. Von Kindesbeinen an war sie gelehrig und brav; mein Mann hatte denn so seine Freude an ihr – darum haben wir getan, was wir konnten, ohne uns weh zu tun. Sie ist übrigens bescheiden und gut – und wir wollen auch nicht etwa hoch mit ihr hinaus.
[34]Das ist auch das Allerbeste. Daher riete ich auch – doch ohne Ihnen vorzugreifen – sie ließe die Stadtkünste hier weg. Solche Dinge gehören in keine Landhaushaltung. Tanzen? – Je nun – Sonntags wohl, aber sonst wahrhaftig nicht. Das Singen sollten Sie ihr als unanständig verbieten –
Ei, das Haus ist groß – die Kehle ist ihr. Wird es mir zuviel – so ziehe ich die Stubentür zu. Meine Buchfinken schreien den ganzen Tag, daß ich mein eignes Wort nicht höre; ich verbiete es ihnen doch nicht. Bei mir müssen Menschen und Vieh lustig sein; sonst sind sie krank, oder haben ein böses Gewissen.
Solche Mädchen werden oft in der Stadt verdorben und machen nachher sich und ihre Männer auf immer unglücklich!
– Wenn unter uns alles richtig ist – ich glaube, mein Vater schaffte dem Matthes einen guten Dienst – das wäre keine unebne Partie für Friedriken.
Mademoisell – Sie sind mir zuvorgekommen; ich würde noch heute die Ehre gehabt haben, Ihnen aufzuwarten.
Ich will Ihr einige alte Hauben zum Waschen schicken, wenn Sie die mit Gout wieder arrangiert; so soll Sie Flor bekommen und Desseins von meiner Erfindung, die la Breuze selbst approbieren wird.
Ich will Sie honett bezahlen; ich fordre nichts umsonst. Wie ist denn der Schnitt vom Kleide bei der letzten Puppe aus Lyon?
Nicht einmal eine Puppe von Lyon? Ei, bei der Frau von Karsthausen kommen sie ja jährlich zu Dutzenden an; dort hätte Sie – – – zwar – – dorthin ist Sie wohl niemals gekommen.
Ich sage eben zu Jungfer Friedriken: Man muß Leuten von Distinktion mit Ehrfurcht begegnen – aber ohne sich wegzuwerfen. – Man muß mitreden.
Hm! Bei mir gibt es denn immer etwas zu tun. Ist es nicht dies, so ist es das. Da geht denn die Zeit gar bald hin. So in den langen Winterabenden wohl. Da liest der Alte die Zeitung und schläft richtig allemal dabei ein. Nun mag ich ihn denn doch nicht wecken – da sitze ich nun freilich in meinem Sorgestuhl und gucke stundenlang den Goliath auf unserm großen Ofen an – sonst aber wüßte ich eben nichts davon zu sagen.
Ach Riekchen – Mädchen – ich bin so erschrocken – ich kann – ich kann nicht sprechen. Ich glaubte, diesen Mittag – aber du bist die Nacht gefahren, und das freuet mich so – so!
Junge, bist du närrisch? Komm doch zu dir! – Anton, hast du denn einen Trunk über den Durst getan? Siehst du nicht hier, Mamsell Kordelchen?
Gehorsamer Diener. Setzt sich wieder in Fassung, wozu Friedrike ihm schon vorher leise ein Zeichen gab.
Dein Vater hat doch wahrhaftig recht; je älter du wirst, desto läppischer wirst du auch. Nimm's nur nicht übel, Riekchen!
Du unmanierlicher Gast, mach deine Grobheit wieder gut. Gleich geh hin und sprich ordentlich mit ihr. – Die Kinderzeit ist vorbei. Sie hat [37] Lebensart in der Stadt gelernt. Sei hübsch höflich – daß unsereiner nicht mit Schanden besteht.
Es wird hier zu heiß sein; das Volk legt immer einen Wald in den Ofen. Ich will die Tür aufmachen. Sie reißt die Flügel auf.
Gott! Nun zieht es ja, daß man kontrakt werden könnte. Es wird mir immer schlimmer. Herr Förster, geben Sie mir Ihren Arm – ich will versuchen, nach Hause zu kommen.
Rudolph, Rudolph! Rudolph kömmt. Rudolph, lauf – lauf wie ein Blitz aufs Amt. Die Mamsell wäre noch nicht fort – wollte fort!
Ich bin nicht krank! Wer sagt denn, daß ich krank bin? Ich war nur unpaß. In die frische Luft wollte ich; die frische Luft hätte mir am besten getan. Ich kenne mich.
Melissengeist? Ja, so wahr ich lebe, Anton, das ist ein kluger Einfall, ein scharmanter Einfall. Kommen Sie – erst nehmen Sie von dem Melissengeist, und dann führe ich Sie in unser Gärtchen an die frische Luft.
Ja mein gutes Kind! Stark oder schwach, danach wird bei der Medizin nicht gefragt. O mit dem Melissengeist habe ich viele Leute kuriert. Unsre Magd, Kathrine –
Sie werden wieder schwach? Kommen Sie heraus – Kommen Sie. Indem sie mit höflicher Gewalt sie fortschleppt. Kathrine – Kathrine – he! Melissengeist, geschwind Melissengeist! – Wie geht's, Kind, wie geht's? Ab mit Kordelchen.
Dient er dort? Nun ist mir es begreiflich, warum mich der Mensch immer mit Briefen und Geschenken von dort her ängstete. Ich nahm keines – aber den letzten Brief hielt er mir offen vors Gesicht. Dich wollte ich schonen – ich kenne deinen Argwohn – also gab ich gar keine Antwort und reiste die Nacht durch, um ihm nicht zu begegnen.
Das dachte ich gleich, wie ich dich so früh fand. Habe Dank. – Also Herr Matthes hat dir die Briefe gebracht?
Hm! – Es kann nicht wahr sein. Du liebst mich – alles ist vorbei, und ich bin herzlich zufrieden, da ich wieder bei dir bin.
Nicht doch. Laß ihn laufen. Ach ich bin ohnehin so unruhig – er hat überall in der Stadt schreckliche Drohungen gegen dich ausgestoßen! Geh ihm aus dem Wege – geh nicht allein – ich bitte dich.
Ich bin so angst – ich weiß, der Kerl ist zu jedem Bubenstück fähig. Der alte Fritz, den er vom Amte weggelogen hat, war vorhin bei mir und winselte schrecklich. – Ich gab ihm ein Almosen – Er sagte, ich sollte dich ja vor dem bösen Matthes warnen.
Nein, Anton – nicht eher, als bis du mir versprichst, daß du keine Händel mit ihm anfangen willst. Versprichst du mir's?
Auf mein Wort! – Ich will ruhig sein. Ei Mädchen, mein Leben ist mir zwanzigmal lieber als sonst, da du es so lieb hast.
[40]Ich weiß nicht, wie es zugeht, sonst war mir leichter zumute; aber jetzt bin ich mannichmal so traurig, daß ich's nicht genug sagen kann – Dann fallen mir Dinge ein! Dinge! O es wäre hart, wenn etwas davon wahr werden sollte!
Es ist nichts, wirst du sagen; aber mich quält es gewaltig. Ich habe dich nun so herzlich lieb – ich denke auf nichts, als wie ich dich so glücklich machen soll, als ich armes Mädchen kann. Ich habe deswegen manches in der Stadt gelernt, um dir nicht langweilig zu sein – Ich weiß – das ist es nicht, was ich sagen sollte – aber es gehört doch dazu – und dann –
Du weinst? – Ist es denn so traurig, was noch nachkömmt? Weine nicht. Wenn du weinest, so tut mir es in der Seele weh! Nun sprich – –
Anton – deine Eltern sind dreißig Jahre verheiratet und leben heute noch so glücklich als am ersten Tage ihrer Heirat. Sooft ich sie ansehe, denke ich, ob wir wohl auch so glücklich – und so lange glücklich sein werden? Anton – mein ganzes Leben ist in dir. Wäre es möglich, daß du einmal mich weniger liebtest als heute? – Wenn ich Eltern hätte, sie würden dich an meiner Stelle fragen. Nun bin ich eine Waise, und mein Leben ist in deiner Hand. Wäre es möglich – so laß uns gleich abbrechen. Es wird mir das Leben kosten, das weiß ich; aber ich sterbe doch sanfter, als wenn – – – Sie bedeckt sich das Gesicht. Anton umfaßt sie mit einem Arm. Ach Anton!
Riekchen – Riekchen, sieh mich an! Sie sieht ihn innig an, er legt ihre Hand auf sein Herz. Gott weiß, es ist kein Falsch in mir.
Ich habe mich nicht geprüft. Das ist nicht nötig. Als du nicht hier warst, da war mir nichts lieb, immer war ich verdrießlich. Nun du wieder hier bist, gefällt mir wieder alles, ist mir's überall wohl. Das macht, weil ich dich liebe. Warum sollte sich das aber andern? Sieh – ich könnte [41] dir ja teure Eide schwören, aber ich glaube, dir wäre dabei nicht besser. Einem ehrlichen Mann ist sein Wort heilig. Ein Mann, der einem Weibe sein Wort bricht, ist doppelt schändlich!
Dazu sind wir auf dem Lande und können eine gottlose Ehe nicht mit der Mode verbergen. Nein – ich habe wenig, vornehm bin ich nicht, es kann auch sein, daß ich das Pulver wohl nicht erfände – aber so viel gesunden Sinn, als man fürs Haus braucht, traue ich mir zu – und das hier – Auf das Herz zeigend. da gebe ich keinem Menschen auf der Welt etwas nach! – So steht's. Nun frage ich dich ordentlich – Riekchen, willst du mich heiraten?
Wenn ich nur an deine Briefe denke! Stand doch fast in jedem: – wenn das nicht geschieht, so gehe ich fort und werde Soldat. Wenn du mir das nach zwei Jahren einmal sagtest!
Und dann mußt du auch nicht so auffahren. Man lebt dabei in tausend Ängsten. Die Jäger sind ohnehin ein wildes, ungestümes Volk.
Gelt, das hat dir ein Stadtpatron gesagt. So ein Kerl, der den ganzen Tag hinter dem Ofen hockt, mit [42] Hauts gouts und Liqueurs das Blut verbrennt und aus verschrumpftem Herzen mit demGänsekiel die Menschen quält? – Nein. Kein ehrlicher Kerl quält das Vieh. Alle Tage gehen wir hinaus, leben in frischer Luft. Das gibt frisches Blut und ein gesundes Herz! Wenn ich dann so abends nach Hause komme, fröhlich und guter Dinge, und bringe dir einen Braten in deine Küche und fordre einen Kuß – wirst du mir ihn verweigern?
Mein Besuch gilt ihm nicht. Ich bin eigentlich gekommen, Friedrikchen zu sehen. Liebe Tochter, wir haben die guten Nachrichten von Ihnen allemal zusammen gelesen, und es freuet mich recht, daß Sie so gut geworden sind.
Dann müßte ich Sie nicht kennen, wenn ich es auch nur gedacht hätte. Ungeachtet meiner langen Entfernung, wollte ich sagen.
Ich halte mich für den besondern Freund eines jeden aus diesem Orte; der Kummer und die Freude eines jeden gehen mich nahe mit an. Was tut Entfernung zur Sache? Wo mein Rat, meine Hülfe nicht hinreichen, hören doch meine guten Wünsche nicht auf.
Wollte ich meine Pflicht bloß auf die Zeit meines unmittelbaren Unterrichts, meine Liebe allein auf meine Gemeinde einschränken – o Kind – so wäre ich ein armer Mann – mit einem engen, engen Herzen.
Ja, Sie nehmen Anteil an uns – wir erkennen es. Es ist niemand unter uns, dessen Herz Ihnen nicht offen stünde, der Sie nicht wie einen Vater liebte! Ach, ich bin nicht der letzte unter diesen, Sie wissen es.
Ich hatte ein Geheimnis vor Ihnen – aber jetzt will ich mich Ihnen anvertrauen. Es ist die wichtigste Angelegenheit meines Lebens – Sie werden mir helfen. Ich liebe Friedriken – sie liebt mich. Meine Eltern sind gut; aber sie könnten dagegen sein, andre Absichten haben – und ich kann, ich kann keine andere lieben; und Riekchen niemanden als mich – sie hat es gesagt. Wir wären beide unglücklich! Sprechen Sie für uns – sagen Sie ihnen das, und machen Sie ein glückliches Paar!
Ist das gut, wenn der Vater in dem wichtigsten Vorfall des Lebens die Wünsche und den Gehorsam des Sohnes durch einen Fremden erfährt?
Das ist mein Vater – ich kenne ihn am Gange. Reden Sie jetzt mit ihm. Ob du da bleibst? – Nein – geh mit – Komm! Oder – doch ja, geh mit. Geht ein paar Schritte. Nun, vergessen Sie es nicht – ich kann nicht leben ohne das Mädchen. Sehen Sie, die Tränen kommen mir aus den Augen – es ist wahrhaftig wahr. Komm, Riekchen.Ab mit Friedriken.
Nur gleich besorgt! –Im Kommen. Ich will denn schon weiter sorgen, wie – – Ei, sieh da! Willkommen, Herr Pastor! Sie haben gewiß das Mädchen besucht?
Nicht wahr? Ja, das Mädchen ist brav! Er packt seine Pfeife, Tobaksbeutel und Papiere aus. Nun, meine Frau wird Ihnen ja wohl gesagt haben – – Sie sind unser Gast diesen Mittag.
Es ist mir lieb, Sie bei so guter Laune zu finden. Ich habe denn wieder so dieses und jenes Anliegen an Sie.
Der alte Fritz, der schon bei dem vorigen Amtmann – – – der schon dreißig Jahre auf dem Amte ist, hat gestern seinen Abschied bekommen.
Das ist schlecht vom Amtmann. Einen [45] Hund schaffe ich nicht ab, wenn er auch noch so alt ist, wenn er auch kein Glied mehr rühren kann; und der Amtmann – Pfui!
Was mir leid tut: man ist von allem Ihrem Gesinde des Guten so gewohnt, und Ihr Matthes hat durch boshafte, tückische Streiche den Mann vom Amte weggebracht.
Der arme alte Mann hat die kranke Frau – die vielen Kinder! Es ist denn doch ein schreckliches Schicksal – In seiner Jugend – Husar, fast zum Krüppel gehauen und keine Pension – auf seine alten Tage auch aus dem Dienste noch verabschiedet! Er soll wie verzweifelnd im Orte herumgehen.
Das lohne Ihnen Gott! Ich will denn das Meinige auch dazu geben. – Hm – Wer bald gibt, gibt doppelt. Das hier – habe ich Riekchen geben wollen, dort wäre es auch gut gewesen; aber hier tut es not! Da –
Topp! Die soll er haben – nur versteht sich – noch nicht. Aber die soll er haben. Ei – wenn hat er Ihnen denn das gesagt?
Da wollen wir ihn gleich rufen.Tut ein paar Schritt. Zwar nein – das geht nicht so. – Hollaho! Da hätte ich was Schönes angestellt!
Meine Frau soll kommen. Rudolph ab. Ja wenn wir das vergessen hätten, Herr Pfarrer – der offenbare Krieg wäre angegangen. Und beim Licht besehen – gilt ja ihr Wort soviel als meines.
Ober den Blitzjungen! Nun, das ist noch der gescheuteste Streich, den er in seinem Leben gemacht hat. – Dafür hat er Kredit bei mir.
Aber wild – wild wie der Teufel. Zwei runde Jahre muß es mit der Heirat doch noch anstehen, wenn es gut gehen soll.
Was gibt's? Doch kein Schaden, kein Unglück? Dienerin von Ihnen. – Eben habe ich hingeschickt, habe mir die Ehre ausbitten lassen, auf dies – – –
Du kannst dir was zugute tun: du bist gerufen, um Rat zu geben – das ist dir denn doch lange nicht begegnet.
Lassen Sie mich. Ich habe es so in der Art, ihr Fragartikel aufzusetzen. Die beantwortet sie scharmant. Am Ende sind wir immer beide einig. – »Nicht wahr – wenn Anton ein Mädchen liebte, so müßtest du es gemerkt haben?«
Das behaupte ich nicht! Der Junge soll heiraten; das will er auch. So weit ist die Sache richtig. Er soll Mamsell Kordelchen heiraten? Die will er nicht – er will eine andre heiraten. Sieh, da hast du dich verrechnet, darum zerreiß dein Exempel – es ist falsch. Hahaha!
Was? Ernst. Nein! Mit einem Übergange. Aber nun geht mir erst ein Licht auf! Vorhin wie – und da –! Aber wo habe ich denn die Augen gehabt? Nein, das ist zu toll! So was ist mir all mein Tage nicht begegnet!
Es ist noch nicht lange her – Mamsell Kordelchen war da – Kömmt der Junge von der Jagd – da stand ich; hier, wo du stehst, Mamsell Kordelchen; und dort, wo der Herr Pastor steht, stand Riekchen.
Kömmt er von der Jagd – rennt auf das Mädchen zu, grade zu, grade zu. Ich alteriere mich, daß der Junge so grob ist, sage, er soll doch hübsch sein Kompliment machen und manierlich sein – nun, so steht er doch leibhaftig da wie ein Stock! Ja – nun, auf die Art – –
Meine Meinung?Mit leichtem Achselzucken. Ja – Riekchen ist ein gutes Kind, ein braves Mädchen, das ich wie meine Tochter liebe, die uns keine Schande machen würde, die –
Liebe Frau, in Heiratssachen ist schwer zu raten. Ich vermeide es sogar, darum befragt zu werden. Aber wenn der Fall so klar ist wie hier – kann man es ohne Anstand. Wenn Sie daher sonst kein Hindernis wissen – –
Als wir uns heirateten, waren wir arm – nun, wir sind noch nicht reich – aber wenn uns nun jemand der harten Taler wegen hätte voneinander jagen wollen? He?
Das mag alles gut sein. Aber – ich muß mich über dich wundern, daß du an nichts denkst. – Verstehst du mich?
Verfolgen? Ei behüte Gott, das sage ich nicht, das denke ich nicht einmal. Machen Sie mich doch nicht zu so einem gottlosen Weibe! Ich wünsche aller Welt Gutes – ich verfolge sie ja nicht.
Ach, Herr Pastor – ich wäre ja recht glücklich, wenn ich es zugeben könnte. Aber mein Gewissen – mein Gewissen darf ich doch auch nicht verletzen.
Nun, dann beruhigen Sie Ihr Gewissen. Eine Religion, die diese Tugenden lehrt, macht auch das Leben nicht unglücklich – Geben Sie die Heirat zu.
Auf alles, was Elternliebe tun kann, haben Sie ihr einmal Anspruch, gegeben. Sie können sie jetzt ganz glücklich machen – und wollen es nicht. Bedenken Sie die Folgen. Verbieten Sie die Heirat – so muß Friedrike aus dem Hause.
An nichts fehlen? – O wir sind arme Menschen, wenn man uns das Bedürfnis unsres Herzens nimmt! Ihr Sohn? – Der junge Mensch ist heftig – Sie entreißen ihm ein tugendhaftes Mädchen, das er innig liebt. Sie sind eine [51] gute Mutter. Wollten Sie alles das auf Ihr Gewissen nehmen, wozu heftiger Schmerz den Jüngling verleiten könnte?
Nun, mutig im Guten – Ihr Herz behalte die Oberhand, da die Vernunft ihm sagt, daß man Gott nicht ehrt, wenn man Menschenglück vernichtet.
Es tut mir leid – es zerreißt mir das Herz, ich weine vor Angst. Aber man muß seine Schuldigkeit tun, ohne Menschenfurcht, Herr Pastor – ohne Menschenfurcht. Sie aber hätte ich für viel zu brav gehalten, als daß Sie sich von dem neumodischen Leichtsinn hätten hinreißen lassen.
Neumodisch? – Menschenliebe ist so alt als die Religion. – Nun meine letzte Vorstellung. Sie sind alt – Ihr Sohn kann diese Heirat verschieben – wollen Sie ihn zwingen, von dem Tage Ihres Todes an sein Glück zu rechnen?
O Vorurteil! Stärker als Mutterliebe für den einzigen Sohn – bist du so Herr über die besseren Menschen? Was kann man vom Haufen erwarten! Sie lassen mich bekümmert von hier gehen. – Nur das sage ich Ihnen noch: Ehren Sie diese verderbliche Beharrlichkeit nicht mit dem Namen Religionseifer. Jener ist erhaben und mild; was Sie äußern, ist Groll gegen Menschen, die – – nicht glauben, wie wir glauben. Meiner Vernunft und meinem Herzen bleibt hier nichts übrig als der Wunsch – Besserung. Im Gehen begegnet ihm der Oberförster.
Ich will keine Friedensstörerin sein – [52] in Gottes Namen – tue, was du willst; aber laß mich bei meiner Meinung.
Ihre gesunde Vernunft soll die Oberhand behalten. Duldung ist Religion; die bitte ich nicht von ihr, die fordre ich. Die mehrsten Weiber, die in den Kirchen viel heulen, sind boshaft außer der Kirche. Treibst du mich so weit, daß ich dich dafür halte: sieh – solange wir auch zusammen gelebt haben – ich – – – scheiden laß ich mich! Jetzt geh hinaus und besinne dich eines Besseren!
Gott weiß – ich bin nicht boshaft! Ich wünsche aller Welt Gutes; aber ich kann mich nicht überzeugen, daß das sein darf. Warum werde ich nun darüber so gequält? Ach, wer mir das vor einer Stunde gesagt hätte –
Sie soll sie nicht sehen – sie soll nicht aus Mitleiden gut sein; gut, weil es gut ist – oder ich habe keinen Respekt vor ihr. Solchen boshaften Unverstand leide ich nicht! – Wenn ich nur die beiden jungen Leute aus dem Hause hätte! Ich schäme mich, wenn sie es merken: denn – –
Geh hin auf das Amt und bitte den Amtmann, die Amtmannin, die Tochter und den Sohn zum Mittagsessen. Dann geh und – –
Mit roten Augen? Dem Jungen zum Spott? Nein – und sollte ich niemals wieder ins Haus kommen, und sollte es mein größtes Unglück werden, und sollte mein Leben darauf stehen! Aufs Amt kann ich nicht gehen, und Riekchen lasse ich nicht – Vater! Ich lasse sie wahrhaftig nicht.
Gut, ich will's. Es soll geschehen. Sie machen mich unglücklich, Riekchen dazu, verstoßen uns – gut, ich gehe – Adieu, Vater – ich gehe. Ab.
Ich weiß nicht, was ich tue; solcher Dinge bin ich nicht gewohnt. Übrigens mag er aufs Amt gehen – er mag es bleiben lassen; nur fort soll er. Ich kann es nicht leiden, wenn Kinder die Fehler ihrer Eltern sehen – und vollends solche Fehler. –
Anton kam heraus, küßte mich dreimal, die Tränen stürzten ihm aus den Augen, er riß den Hut von der Wand und stürzte zum Hause hinaus.
Teufelskind! – Riekchen, geh oben hinauf, bis ich dich rufe, und sei ganz ruhig. – Hörst du? – Ganz ruhig.
Bringen Sie alles wieder ins Gleise. Aber bald – Mir ist bange ums Herz. Das ertrage ich nicht lange – Ich greife durch – da geht mir's denn mannichmal zu geschwinde von der Hand. Ich hätte es denn gern so mit Ehre und Frieden – Nun – Sie tun nichts halb. – Sie werden es schon machen mit dem Weibe – Ich gehe aus dem Hause.
Ende des zweiten Aufzugs.
Ich will in Sachen des Kappe [56] kontra Romann erkennen. Bärbel bringt ein Glas Wein. Er trinkt. Recht lieblich – in der schweren Kälte recht ersprießlich. Reibt die Hände. In der Kampagne von Anno 45 am Rheine, wo ich bei Dettingen so schwer am Fuß blessiert ward – –
Lebt er noch, der ehrliche Schlag? Kenne ihn genau, ist mein alter Spezial, habe neben ihm manche Kugel sausen hören – ich!
Nun ja – Da kamen wir auf Ihn zu sprechen. »Ist der Kerl bei Euch Gerichtsschreiber?« sagte er – »Nun«, sagte er – aber lieber Herr Gerichtsschreiber, Er muß nicht böse werden, denn ich sage es in allen Ehren – »Ja«, sagte er, »das war ein durchtriebner Spitzbube.«
Ein durchtriebner Spitzbube. Da wollte ich Ihn verdefendieren und auf Seine Kampagne kommen – so sagte er: »Er wäre allemal zuerst ausgerissen.« Wie ich nun von der Blessur sprach, wovon Er uns alle Abend erzählt, sagte der Quartiermeister: »Er hätte den Bauern Hühner stehlen wollen und wäre erwischt. Auf der Flucht wäre Er in eine Sense gefallen, davon käme das kurze Bein.«
Der ist recht schlecht. Das sage [57] ich. Die Blessur habe ich bekommen in der Bataille bei Dettingen. Wie der Feind auf uns anrückte, so – –
– Stand Er auf der Batterie mit fünfzig andern. Da kam der Herzog von Kumberland auf dem Schimmel geritten. Ihr Kinder, schrie der Herzog, deckt die Bataille! Da liefen ihrer neunundvierzig fort, aber Er blieb stehen, und so kam eine Kugel und streifte Ihn; aber Er blieb nun noch acht Tage liegen –
Eine Lehre kann ich Ihr doch bei der Gelegenheit geben – Bei Leib und Leben erzähle Sie so was Ehrenrühriges nicht, wenn einer Wein trinkt. Ich bin sonst ein moderater Mann, aber hierüber habe ich mich gealteriert – und wenn der Quartiermeister hier wäre, so könnte ich ihn in der Hitze und durch das Weintrinken – ich könnte ihn zu Granatbißchen hauen. Trinkt. Kommen heute spät, die Bauern.
Ei was, es ist wahr – was zu arg ist, ist zu arg. Man muß leben und leben lassen. Er will die geordinierte Obrigkeit sein – –
So sollte Er es auch hübsch darnach machen. Aber erst beschwatzt und berauscht Er die armen Leute, daß sie ins Tageslicht hinein kaufen. Vier Wochen darnach sitzt Er ihnen auf dem Halse. Nun heißt es: Geld her! Da wird wieder gerequiriert, verkauft und genommen, bis sie fort von Haus und Hof einer nach dem andern in die Neue Welt ziehen.
Wenn sie alle nach der Neuen Welt gezogen sind, dann kann ich mein weißes Roß zusperren – gelt? Nein – bleib Er mir zuliebe weg. Der Gewinn ist Sündengeld, ich mag ihn nicht. Wer weiß, wer weiß, warum mir mein Sohn so plötzlich gestorben und mein Vieh so gefallen ist.
Nun seht, wie ich das ausgestudiert habe. Da fallen wir dem Tischler in die Flanke – und legen Arrest auf die Särge oder Totenladen.
Nun, und ich weiß ihrer ... drei, die alle bei ihm arbeiten lassen, für die wird schon in den Kirchen gebetet. Wenn die dran glauben müssen, so seid Ihr auch bezahlt.
Er will gar gescheut sein, aber sein ausgestudiertes Wesen kömmt mannichmal recht albern heraus. Für unser Dorf wäre es recht gut, wenn Er mit dem andern [59] Beine auch nicht gehen könnte. Wenn Ihm etwa einmal nach meinen Hühnern gelüstet, ich will Ihm die Sense zurechtlegen. Und nun, Herr Gerichtsschreiber, wenn Er noch ein bißchen gescheut ist, so kömmt Er hier nicht wieder her, oder ich packe Ihn' auf und setze Ihn vor die Türe.Ab.
Frau Wirtin! – Nun, ich will diesmal nichts daraus machen, weil – – wenn aber meine Herren Kollegen hier wären, so, so – –
Guten Tag, Herr Gerichtsschreiber. Sie kommen einer nach dem andern herein, außer die letzten, welche zugleich hereintreten.
Halt – Im Namen des hochlöblichen Amts. Die Bauern treten zurück. Oder ich lege euch das Handwerk. Million Bomben Sapperment! – Ich weiß, was Rechtens ist! Er schreit um so stärker, je mehr die Bauern weichen. Ich bin dabeigewesen, war vier Jahre lang Feldwebel, habe schwere Kampagnen gemacht, habe mir lassen Wind um die Nase wehen – daß ihr's wißt! He!
Als ich Anno 54 die große Glocke konvoiert habe, so habe ich neun Mann gekommandiert und will euch schon zur Raison bringen. Im Niedersetzen. Und es hat verlauten wollen, als ob mehrgedachter Romann dem Peter Kappe die Nase im Gesicht habe verlädieren wollen –
Ich habe ihn nicht geschlagen. Ich fiel und wollte mich halten, damit kriegte ich seine Nase zu packen.
Vergleicht euch, oder laßt es bleiben – nehmt den Bescheid, oder laßt ihn liegen; nur zahlt die Unkosten – vier Reichstaler.
Spitzbube noch einmal! Wenn du was dagegen hast – ich bin auch Soldat gewesen, und so alt ich bin, so –
Und wohl noch mehr. Denn ich muß ein Beispiel geben. Hintennach weiß ich sie doch schon wieder zu – –
An allem dem Unheil ist der Herr Pfarrer aus Eurem Ort schuld. Der macht die Leute so überverständig. Der Herr Oberförster macht es denn auch nicht besser –
Nun, mit dem kann es sich legen. Wenn der junge Förster Mamsell Kordel nicht nimmt, so kann es ihm noch wunderlich gehen. Der Amtmann hat einen langen Arm in der Stadt, und der hat's ihm geschworen. Bricht's da – so hat Er auch einen freien Rücken.
Der Herr Amtmann lassen mich nicht im Stich, da hat's gute Wege! Nun – Sie wissen auch schon, warum. – Jetzt bin ich ihm darin sehr nötig.
O jetzt blühet mein Weizen. Der Herr Amtmann verhängt denn so ein Schuldwesen nach dem andern – Versteht Er? So was wird gar klug gemacht. Das Eselsvolk zieht in die Neue Welt, und – – Er versteht schon –?
Herr Matthes – Sein Dienst mag recht gut sein, ich will auch glauben, daß Er ihn in allen Ehren gekriegt hat; aber es ist doch hart!
Der alte Fritz vom Amte war da. Du lieber Himmel, wie sieht der Mann aus! Herr Matthes – nehme Er's übel oder nicht – ich könnte nicht in dem Rock stecken, den ich einem mit Gewalt vom Leibe gerissen hätte.
Nun, lieber Gott! Ich werd's nicht ändern. Aber man hat denn doch ein Herz. Es ist Winterszeit – der Mann sah ganz verkehrt aus – Er trank ein Gläschen und suchte in den Taschen. Ja, daß ich was von ihm genommen hätte! Behüte! – Ich schämte mich der Sünde!
Guten Tag. Er geht grade auf den Kamin zu, zwischen Matthes und den Gerichtsschreiber, welche sich umsehen, aber nicht rücken. Der Gerichtsschreiber grüßt kaum, Matthes gar nicht. Nun, Platz da!
Und Riekchen – und mein Versprechen. Alter, ich will ruhig sein. Aber schafft den Kerl fort. Wein, Frau Wirtin!
Aber die Bauern nehmen ihn unter Pantomimen der gütlichen Zuredung, doch ohne lächerliches Getümmel, mit sich fort.
Ich habe nur den einzigen Sohn gehabt, und er hat fortgemußt – Der Junge fehlt mir in allen Winkeln. Was hilft's? – Man weint ihm nach – aber – Hin ist hin.
Gott soll Sie bewahren! – So ein lieber junger Herr – haben so liebe Eltern; warum wollten Sie sterben?
Nun, so lebt wohl. Adieu, Alte – Gott tröste [66] Euch! – Noch eins – schickt doch in meinen Ort nach Weißenberg – da ist die Friedrike wieder in unserm Hause.
Nicht wahr? Nicht wahr, Riekchen ist gut? Nicht wahr, ihrer gibt's wenige? Mit unterdrückten Tränen. So ehrlich – so hübsch – so brav –
Nun, so tut mir den Gefallen, geht hin – ich muß über Feld – und das Schreiben will mir nicht von der Hand – ich – ich kann's Euch sagen, ich habe das Mädchen gern. Sagt ihr, ich wollte ihr bald schreiben – bald! – Ich – Er wirft sich mit Ausbruch von Tränen auf den Stuhl. Ach, lieber Gott!
Ich wollte bald schreiben – und ich wollte sie in alle Ewigkeit nicht vergessen – Sie möchte nur nicht weinen, es ginge mir gut, recht gut.
Nicht so bald – damit sie ruhig ist – tut mir die Liebe! Denkt, es wäre Euer Anton, der Euch so bäte – –
Einen Gruß – ich wäre hier durchgereist – ich ließe ihnen noch einmal adieu sagen. Hört Ihr? – Adieu an Vater und Mutter!
Sie sollten Riekchen gut halten – ich wollt' es ihnen ewig – ewig danken – und ich wollte mich gut halten und brav werden – Fast mit Schluchzen. und wenn ich zu sterben käme – so sollten sie Riekchen zur Erbin einsetzen, und – Mutter, Gott tröst Euch! Reißt sich gewaltsam los und fort.
Je, wie ist denn das? Gelaufen – glüht wie ein Ofen – den Wein hineingestürzt – nach den Werbern gefragt – ich soll den Eltern adieu sagen – und so fort! Der Teufel wird ihn doch nicht geblendet haben, daß er unter die Reuter gehen will – was? He, Bärbel – Bärbel! – Zwar das geht nicht; er ist ja Förster! – Indes es ist ein junges Blut, und wenn denen die Ratte durch den Kopf läuft – Freilich dürfen sie ihn auch nicht annehmen – aber sei du Herr Förster oder nicht; was das Volk einmal in den Klauen hat, gibt es nicht wieder heraus. Bärbel, he!
Geschwind, geschwind! Ich muß nach Weißenberg. Stell den Regenschirm parat – bring mir meine schwarze Samtkappe, meinen Sonntagsmantel und die Klapphandschuh. Rühre dich. Bärbel ab. Das arme Weib! Sie räumt Sachen vorn von der Bühne in den Hintergrund. Und der gute Alte, sie grämten sich zu Tode. Gleich will ich hin – alles zugeschlossen – bei dem Wetter wird so niemand sonderlich kommen. Das Mädchen mag einmal haushalten.
Nun du! Mach deine Sachen gescheut, hörst du? Jedermann richtig Maß – niemand aufgehalten! Setzt die Kappe auf.
Was Winterszeit, was schlechtes Wetter! Die Leute haben nur den einzigen Sohn. Ach, könnt' ich meinen Anton wiederholen, ans Ende der Welt wollte ich laufen.
Wie du es verstehst! Man soll nicht warten bis morgen, wenn man einem Menschen eine gute Stunde machen kann.
Höre, ich habe dir's lange angemerkt, wenn du nur einem Menschen ein Stück Brot abschneiden sollst, so läßt du das Maul hängen; keinem Menschen gönnst du [68] was Gutes – aber den heimlichen Neidhart sollst du abschaffen, oder ich will nicht gesund von der Stelle gehen! Daß du's weißt!Ab.
Nicht einmal? – O so habe ich die liebe Zeit davon. Wo ist mein Glas? – Ich hatte noch nicht ausgetrunken, als der Rumor anging.
Das ist ein Kreuz! Nichts wird inquisitionsmäßig, und wenn die Karten noch so gut fallen. Da hätte ich das Leben verwettet, es würde wenigstens ein halber Schädel in Untersuchung kommen – Nichts! Seit neun Jahren keinen erheblichen, galgenmäßigen Malefikanten und seit achtzehn Jahren keine Tortur – es ist zum Gotterbarmen! Das – Ab.
Nun, nun – mach nur nicht soviel [70] Aufhebens davon! – Ich denke, in der andern Woche würde sich's am besten schicken –
Ich habe es zwar noch verschieben wollen – aber wenn es dir Freude macht: lieber in dieser Woche als in der künftigen. – Sei nun auch wieder freundlich.
Eile mit Weile! So einen Morgen habe ich lange nicht gehabt, und solche Sachen hast du mir in deinem Leben noch nicht gesagt.
Nein, nein – aus allem Auffahren mache ich mir nichts; aber so was? – Dann läuft es über. Wir leben dreißig Jahre zusammen. Habe ich dich in der Zeit boshaft betrübt? Man muß seine Worte hübsch bedenken.
Und dann – von Scheidung? So gottlos hast du noch nie gesprochen. Unter christlichen Eheleuten ist so was nicht erhört.
Ich wollte, es wäre nicht geschehen; aber über das Kapitel – – – ich sehe denn schon, wie ich es bei Gelegenheit wiedergutmache. Nun – ist denn nun wieder Friede?
Du mußt mich auch dazu ansehen. So – und einen Kuß – denk, ich wäre noch dein Bräutigam. Sie umarmen sich. Es hat dich denn doch nicht gereuet, daß du es mit mir gewagt hast?
Daß ich für einen Geizteufel ausgeschrien [71] würde! Daß es hieße: Meine Kinder wären mir nicht einmal so viel wert!
Nein. So einen Tag erlebt man nur einmal, und den muß man in Ehren und Freuden zubringen. Alles soll dazu gebeten werden. Das habe ich mir so ausgedacht – –
Hier oben sollen des Morgens die Gäste zusammenkommen. Mittags ist die Trauung, auf die Stunde wie unsre. Nachher essen wir hier. Den Jägern geben wir ein Fäßchen Wein, du weißt, von dem rechter Hand im Keller. Er ist vier Jahr alt, und es ist ein guter Wein – damit sollen sie unten sein. Abends wird hier oben getanzt – und dazu sollst du die besten Musikanten aus der Stadt kommen lassen, die besten, das sage ich dir!
Unten kann sich das Volk lustig machen. Singen, tanzen, essen, was sie wollen, wie sie wollen. Um zehn Uhr geht alles hinunter – bunt durcheinander. Riekchen darf keinem den Ehrentanz abschlagen – Keinem Bauer, keinem. Wenn ich tanze, so gebe ich –
Wenn ich bei so was nicht wäre – du vergißt alles. Du denkst an nichts. Und die Kuchen, die sollen hier im Hause gebacken werden, nicht etwa – Sie hört die Tür öffnen. Ach jemine! Unser Herr Amtmann und Mamsell Kordelchen.
Es ward mir wahrlich sehr sauer, mich loszureißen – aber auf Ihr Begehren habe ich denn doch nicht ermangeln wollen –
Ich muß wegen der Grenzstreitigkeiten mit Oberhausen noch arbeiten, ehe ich dort hingehe – die Prozeßsachen hier im Ort wollen denn doch auch gefördert sein – wie gesagt – ich mußte mich mit Mühe losreißen.
Prozeßsachen? O Herr Amtmann, kehren Sie zurück, achten Sie nicht auf die Einladung – in unserm Ort sind viel Bettelleute durch langsame Justiz. Wollten Sie ihnen heute helfen! O so wahr Gott ist! Dann tun Sie was Bessers als Braten essen und Wein trinken – kehren Sie zurück!
Herr! Dem Ludwig Grothal kostet der Prozeß – der Bettel, über den er herkömmt, ist fünf Taler wert – kostet ihm hundert. Das Haus ist für die Gerichtskosten verkauft – das Vieh wurde herausgetrieben, indes er auf dem Felde war. – Es war nur Vieh, aber wie ich es so in der Irre brüllen hörte, schnitt mir's durchs Herz. Die Kinder sind von der Gemeinde barmherzig aufgenommen. Er ist nach Amerika. Um Papiere, um elende Rechtsverdrehungen ist ein fleißiger Hausvater aus dem Vaterlande gejagt worden! Herr – wenn zu Ihren Tressen da – auch nur etliche Groschen von jenem Vermögen verwandt sind, so drücken sie schwer.
Lieber, heftiger Mann – was kann ich dabei tun? Der Schlendrian ist alt – ich kann ihn nicht heben – man muß Geduld haben!
Wie zum Teufel! soll es ein ehrlicher Mann mit seinem Gewissen machen? Wahrheit ist nicht Wahrheit. Wer klagt, wird ausgelacht. Wem der Kopf [73] brennt über einen Schurkenstreich, ist ein Tollkopf. Drinnhauen soll man nicht. Wasdenn? Schweigen, lügen, unbarmherzig, feig sein – oder mit stehlen und rauben, drüber und drunter.
Wenn ich nicht gewiß glaubte, daß ich zu wichtigerer Ursach auf der Welt bin, als mich zu plagen und zu verwesen; daß einmal an einem andern Orte gleichgemacht wird, was hier ungleich bleibt – wenn ich das nicht mit fröhlichem Mute glaubte, so könnte ich mit einem Schurken nicht drei Minuten allein sein, ohne ihm eine Kugel durchs Herz zu brennen. – Wie befinden sich der Herr Sohn und die Frau Gemahlin?
Gott sei Dank! Recht wohl. – Wen treffe ich denn bei Ihnen diesen Mittag – Vermutlich unsern Herrn Pastor –
Bei dem hochlöblichen Amte muß man klagen, wenn man Hülfe haben will, und es hilft nicht: der gute Pastor hilft, ehe man klagt.
Gar nicht. Es kostet ihm sein Vermögen. Und muß es denn immer Geld sein, was hilft? Ich habe es all mein Tage gesehn, mit Geld ist oft den Leuten am wenigsten gedient. Das Herz auf dem rechten Fleck, Vertrauen – Zuspräche, Geduld – ein freundliches Gesicht – Herr! Damit kann man viel Elend geringer machen.
Das ist brav! Er braucht sie. Sagen Sie [74] ihm das bei Tische, es wird ihm einen guten Tag machen. Nun will ich gehen und Ihnen mein Riekchen vorstellen. Ab.
Ich habe Ihnen etwas zu sagen, womit ich zwar bis nach Tische warten wollte – aber wer weiß – fände der Augenblick sich so – und dann mag ich auch ungern etwas, das mich drückt, lange gegen jemand auf dem Herzen behalten.
Eben erhalte ich aus dem Konsistorium den Befehl, mich zu verteidigen – über zehn Punkte zu verteidigen, deren Sie mich angeklagt und deshalb auf meine Entfernung gedrungen haben.
Ich kann mich verteidigen und werde Ihnen meine Antwort zuschicken. Um mich ganz wehrlos gegen Sie zu machen – da ist ein Billet an mich von Ihrer Gemahlin, worin sie mir hundert Reichstaler anbietet, wenn ich, im Namen der Religion, die Heirat des jungen Försters mit Friedriken hindern wollte. – Geben Sie es ihr zurück.
Das Gespräch kann Ihnen nicht angenehm sein – Lassen Sie uns abbrechen. Nur – Sie sahen, ich handle offen und ehrlich; vergelten Sie mir das nicht mit Bösem! Ich bin ein armer Mann, mit notdürftigem Auskommen, gehe jedem gerne aus dem Wege und trachte nach nichts als Ruhe. Lassen Sie mich in Frieden leben – sonst versündigen Sie sich.
Kommen Sie – am Tisch finden Sie noch unsern Schulz. – Es kann Ihnen nicht unangenehm sein, mit dem ehrlichen Mann ein Stündchen zuzubringen.
Guten Willen – fröhliche Gesichter – bezahlte Gerichte, und im ganzen Hause nichts, das irgendeinem Menschen Tränen gekostet hätte.
Gemach, guter Freund – gemach! Wie oft soll man Euch das noch sagen? Nun, gafft mich nicht an! Weiter – wie ich gesagt habe – Ihr wißt schon. Was ist das? – Warum bringt Ihr denn die Äpfel schon? Die sollten ja hernach erst kommen und dort hingestellt werden. Im Hinausgehen. Das ist ein Kreuz und ein Elend mit den Leuten!Ab.
Wenn nur nicht etwa eine Birn anders liegt, als sie sie gelegt hat; denn sonst kriegen wir sie, mitsamt den Birnen, vor einer Stunde nicht wieder zu sehen.
Ein herrliches, schönes Obst hat es gegeben vorigen Herbst! Auf dem Amthofe haben Sie auch viel Obst gehabt – nicht wahr, Mamsell?
Der Herr Amtmann und Mamsell werden doch ja nicht ungehalten – Auf den leeren Platz hier – hat meine Torte kommen sollen – aber – aber –
Zu schwer? Erlauben Sie mir, hochgeehrtester [78] Herr Amtmann, der Kuchen ist sehr gut aufgegangen – dafür stehe ich. – Ohne mich zu rühmen, aber gut ist er, besonders gut – und leicht: Sehen Sie, man könnte ihn wegblasen – er schmilzt auf der Zunge. Nun, ich bitte –
Peter! He, Peter, einen andern Teller! Peter kömmt. Einen andern Teller für den Herrn Amtmann. Peter gibt ihn.
Vormittags ist ihm etwas im Kopfe herumgegangen, darüber lief er fort – und nun – wird er seinen Zorn an einem Stück Wildpret auslassen.
Mag austoben. Ich will ihn schon wieder zurechtbringen, wenn er nach Hause kömmt. – Nun, Riekchen – ohne Sorgen. Es war so böse nicht gemeint. Wunderliches Ding! Ich bringe dir es zu auf seine Gesundheit.
Sie mag wohl auch eben keinen Haß auf ihn haben, auf Monsieur Anton – – Pause. Alle bezeichnen [80] ihre Verlegenheit, jeder nach seinem Interesse. Ich denke, die beiden sehen sich recht gern.
Mit Erlaubnis – – Er geht in den Hintergrund, spricht dort leise mit Rudolph. Der Amtmann desgleichen, aber vorn, mit dem Pastor.
Ich habe Rudolphen nach der fahlen Eiche geschickt; ich dachte, Anton wäre da – er ist es aber nicht.
Nun richtig. Er wird sich verspätet und [81] dort zu Mittage gegessen haben. – Und jetzt eßt Ihr – es ist schon drei Uhr – ich kann die Unordnung nicht leiden.
Das wollte ich. Allein dem Anschein nach ist meine gute Meinung überflüssig. – – Die Frau Oberförsterin hat eine gewisse Idee gehabt, und nach Zuredung von meiner Seite hat meine Frau es sich gefallen lassen wollen, daß Ihr Anton meine Tochter heiratet.
Wenn Ihnen das Zureden sauer geworden ist, so tut mir es leid; denn aus der Heirat kann nichts werden, weil mein Sohn Friedriken zur Frau nehmen wird.
Wenn die Väter über die Zahl einig sind, welche den drei Nullen vorgesetzt werden soll, so gibt sich das übrige von selbst. Ich hätte ihm gewiß in Ansehung seines Dienstes ansehnliche Verbesserung verschafft, und –
Wenn Sie meinen Sohn glücklich machen können, so werden Sie es, auch wenn er Ihre Tochter nicht heiratet.
Dem Geschickten steht der Ungeschicktere nach. Das versteht sich. Zu leben hat mein Sohn. Um Reichtum habe ich Gott noch nie gebeten. – Indes – Er nimmt ein Glas. Gutes Wohlsein! Trinkt.
Apropos – Bei den Diäten haben Sie mir fünfzig Taler zuviel geschickt. Ihr Schreiber hat sie zurückbekommen.
[83]Die Gedanken sind oft mancherlei – man lästert mich immer – Sie könnten glauben – als ob ich Sie – als ob ich den Weg der Erkaufung –
Bewahre! Etwas kaufen zu wollen, das keinen Preis hat, dazu sind Sie zu vernünftig, und zu sparsam, um fünfzig Taler wegzuwerfen.
Das ist Ihre eigne Schuld. Das macht – – Nun ein Glas! Es ist ein reiner Wein, ein guter Wein, macht fröhlich und öffnet das Herz. Mir ist so zu Sinne. – Ist Ihnen auch so – so sprechen wir jetzt wohl ein Wort mehr als sonst!
Sehen Sie – was wir einer von dem andern halten, wissen wir. Aber wes das Herz voll ist – Sie kennen das Sprichwort – nun, und ein Glas Wein löset die Zunge. Allein sind wir jetzt – sagen Sie, was Sie gegen mich auf dem Herzen haben; ich will's auch so machen. Wer weiß? Kommen wir nicht näher zusammen! Die Geschäfte gehen denn doch besser, wenn wir einig sind, und das sind wir dem Fürsten und den Untertanen schuldig.
Lieber Mann! Einigkeit ist ja mein täglicher Wunsch. Ich biete hiermit die erste Hand zur Freundschaft.
Nun gut. Wenn Sie denn nur einigermaßen von Ihren Grillen abgehen, so sollen Sie einen dankbaren Mann an mir finden. Ich kann mich Ihnen also ohne Rückhalt anvertrauen?
Mein guter Freund! Luxus – Bedürfnisse aller Art sind gestiegen. Verdienst allein wird nachgrade eine magre Empfehlung zu einer Stelle.
Bis man zu einem einträglichen Posten gelangt, kostet es Aufwand von aller Art. Will man fest im Sattel bleiben, so kostet es noch mehr. Das muß wieder herausgebracht werden. Mit den Herren in der Stadt ist das eine eigne Sache; wer nicht helfen kann, kann schaden. Die Helfer kosten weniger, sie kriegen von allen Ecken; daher fordern sie weniger. Aber die schaden können, die Müßiggänger, arme Teufel aus der Antichambre, die, sozusagen, vom Schadentun leben, die kosten mir schrecklich viel.
Schrecklich viel. Denn wenn Seine Durchlaucht in langweiligen Stunden sich nach Neuigkeiten erkundigen, so kann mir ein einziges bedeutendes Lächeln von so einem Menschen viel schaden. Darum muß den Herren alles zu Gebote stehen. Spielpartie – Schlittenfahrt, Ball – Logis auf ganze Monate für Herren, Bediente, Jäger, Postzug und Hunde. Woher nehmen? Da langt die Besoldung wahrlich nicht zu.
Die Ordnung der Natur hat den Bauer zum Lasttragen ausersehen. Rechte er darüber mit ihr. Genuß der Welt ist nur für die feinern Geschöpfe. – Ob eine Kreatur, die nichts bedarf als Essen und Schlaf, etwas mehr oder weniger trägt, ist gleichgültig, wenn nur dadurch denen geholfen wird, die Mangel oder Genuß fühlen. Mit Unrecht versagen Sie also Ihrer Familie Glücksgüter, welche Sie ihr erwerben könnten. Sein Sie in Zukunft weniger skrupulös, so soll von jedem Gewinn, wo das Forstwesen und das Amt zusammentreffen, die Hälfte [85] Ihre sein. Das ist hiermit so gut wie akkordiert. Dagegen bekomme ich, erforderlichenfalls, Ihr Zeugnis, wie ich es jedesmal vorschreibe.
Daß dich alle Wetter! Den Teufel auf Ihren Kopf sollen Sie bekommen! Was unterstehen Sie sich? Mir das zu sagen – in meinem Hause? Mir?
Tausend Sapperment! In Ihrer Amtsstube, wo die heilige Gerechtigkeit blinde Kuh spielt, mögen Sie Ihren Bauern so rechts, links machen; aber wenn Sie einen alten, treuen Diener des Fürsten zum Schurken machen wollen, so soll Ihnen – Herr! Wenn Gastrecht nicht wäre, so lägen Sie jetzt Hals über Kopf auf der Treppe.
Herr, ich halte mich nicht an Seine Papiere, sondern an Seine Person, habe noch feste Knochen, bekümmere mich nicht um das bedeutende Lächeln bei Seiner Durchlaucht, sondern gehe grade zum Fürsten und sage: Ich habe Ihrer Durchlaucht schlechten Amtmann geprügelt, weil er es verdiente. Rudolph! – He, Rudolph!
Halt! – Wir haben von Dienstsachen zu reden. Sie wollen für tausend Taler Holz aus dem Gemeindewald hauen lassen?
Wie sind die Schulden gemacht?Wer hat sie gemacht? Das ist ein Artikel, wobei uns die Haare zu Berge stehen.
[86]Sie sprechen von dem Holz? Nehmen mir der Herr Amtmann nicht zur Ungnade – es geht wahrhaftig nicht an.
Leider Gottes! Nein. Aber es geht gegen mein Gewissen, und diesmal, Herr Amtmann, schweige ich nicht, und wenn der Kopf drauf stünde! Schulden bezahlen: Verantworte es vor Gott, wer sie gemacht hat! Aber daß wir die nämliche Schuld zum zweiten Male bezahlen sollen, das ist denn doch wahrhaftig zu toll!
Und kurz und gut, ich leide es nicht. Der Wald ist ja so ausgehauen, daß es eine Schande ist. Die nach uns kommen, brauchen auch Holz.
Wenn der Herr Oberförster nicht die schöne Baumpflanzung gemacht hätte, unsre Kindeskinder müßten uns ja verfluchen!
Sechs Bäume? Miserable Baumpflanzung? Das ärgert mich nicht, darüber lache ich. Sie sind nun zwanzig Jahre hier Amtmann, ebensolange bin ich Oberförster – Sie sagen: Ich habe nichts getan als Zweige in die Erde gesteckt – hingegen haben Sie viel Prozesse und große, mächtige Dinge vorgenommen – Sie haben ganze Berge geschrieben und schreiben lassen. Indes sind meine Zweige Stämme geworden. Nun sehn Sie – wenn Sie auch gleich Ihre ganze Amtsregistratur an den Ort fahren lassen, wo mein Wald steht, so liefre ich Ihnen – darauf haben Sie mein Wort – für jede Rechtsverdrehung, für jedes umgestoßne Testament, jede geplünderte Stiftung oder für jedes bezahlte Urteil – liefre ich Ihnen zehn gute, grade, gesunde Stämme. Nun wissen Sie wohl selbst, daß ich dazu vielmal zehn Stämme brauchte: also ist es keine miserable Baumpflanzung!!
Ich sehe wohl, es scheint eine abgeredete [87] Karte, mich hierher zu bitten, um mir die schändlichsten Grobheiten zu sagen.
Ei, lieber Herr Oberförster, denken Sie an Ihr Alter und Ihre Gesundheit! Sie haben sich da ereifert –
Anfangs wohl – Zuletzt habe ich ihm die Wahrheit gesagt, und darauf ist es mir recht wohl. Aber wenn ich daran denke – mein Anton die Hexe heiraten –? Wo das Weib nur den Kopf gehabt haben mag! Aber mit dem Gemeindewald soll es ihm nicht durchgehen, und bezahlte er die Leute so blind, daß sie den Wald nicht sähen. Heute abend noch mache ich meinen Bericht, und wenn er mir den ad acta legt – sieht Er, Schulz, so wahr ich Gottfried Warberger heiße – so sollen seine Knochen auch ad acta gelegt werden!
Nun? Wer hatte denn recht? Sagte ich es nicht meiner Frau gleich, es täte nicht gut mit dem Amtmann und mir?
Je nun – angenehm mag sie ihm nicht gewesen sein – Wenn ich still bin wie der dumme Jürge, so nennt er mich eher ami; sage ich Wahrheit, so bin ich ein Jagdbauer. Daß er mich jetzt zu Hause so nennt, dafür stehe ich. – Was hat denn unten meine Alte mit dem Erbfräulein angefangen?
Mamsell Zeck mochte längst das Verständnis der [88] jungen Leute bemerkt haben, ohne deswegen auf eine Heirat zu fallen. Die Nachricht davon wirkte übel auf sie. Die gute Frau Oberförsterin, die nun niemanden etwas Unangenehmes sagen kann, war dabei sehr in Verlegenheit und wollte immer überall gutmachen.
Ist auf ihrem Zimmer. Den Amtmann habe ich zwar nicht gesprochen, er ließ seine Tochter unten abrufen; aber aus der Art, wie er sie über den Hof mit sich fortriß, vermutete ich, was hier vorgegangen ist.
– Nehmen Sie mir es nicht für ungut – ich meine, nun müßte es doch wegen des Herrn Amtmanns mit uns bald ein andres Ansehn gewinnen.
Ei – es müßte besser mit uns werden. Die Herren in der Stadt – sagt mein Sohn, der Gestudierte! – schreiben frisch darauf los für die Landwirtschaft.
Neue, gute Grundsätze gewinnen nicht so schnell die Oberhand. Das Vorurteil drückt den Keim des Guten wieder unter den Boden. Indes hat Er selbst mir gesagt, das Gutachten dieser Herren habe Seine Äcker um die Hälfte verbessert.
Wahr! – Gott segne unsern guten Fürsten! – Wahr. Aber Herr Pastor – so ein Tier mit langen Klauen, wie den Amtmann, sollte man einsperren. Der Fürst und wir wären wirklich um ein Großes gebessert! Und – die Summe zu gewinnen, bedarf es keiner Preisfrage! – Ein zerrissenes Patent und eine feste Tür. Die Wache geben die Untertanen gratis.
Nun – so wollte ich auch, daß die Hochzeit schon vorbei wäre! Unten – habe ich meine liebe Not mit Mamsell Kordeln gehabt. Kaum ist das vorbei, so komme ich oben hinauf zu Riekchen – die steht am Fenster und hat sich ein Paar Augen geweint, feuerrot! [89] Warum? »Ich weiß nicht.« Fehlt dir was, hat dir jemand etwas zu Leide getan? – »Nein, aber ich weiß mich nicht zu lassen vor Angst.« – Und nun wird in der andern Woche die Hochzeit sein, darauf muß ich noch dies besorgen und das besorgen – ich weiß nicht, wo mir der Kopf steht, ich bin ganz konsterniert.
Laß gut sein. Wenn deine Hochzeitskuchen gelobt werden, so hast du alles Leid vergessen. Jetzt geh und hole Friedriken.
Nun ist mir erst wohl, da wir so unter uns sind. Nun wollen wir bei dem Rest da noch ein halbes Stündchen verplaudern.
Lieber Pastor – lassen Sie mir meinen Willen! Freude läßt sich nicht rufen. Wenn sie da ist – wer wird sie fortschicken!
Komm her – bleib bei uns. Du fängst gar nicht gut an in meinem Hause – und doch sollst du länger drin bleiben als heute.
Sie haben recht, ich schäme mich meines Betragens. Eine drückende Angst quält mich. Ich hätte sie verbergen mögen – aber das wäre Ihnen vielleicht noch auffallender gewesen.
Ich weiß von nichts. Aber meine Angst war unbeschreiblich – In meinem Leben habe ich so was nicht gefühlt. Jetzt bin ich ruhiger.
Das freuet mich; denn ich möchte von Dingen mit dir sprechen, die mir angenehm sind. Nun sag [90] mir – hast du was dagegen, wenn du in der andern Woche Frau Förstern heißest?
Mein Vater, liebe Mutter – ich – die Worte – ich kann nicht danken, aber hier, hier – Sie zeigt auf das Herz. Gott lasse Sie alt werden und segne Sie und gebe Ihnen Freude an Ihren Kindern! Sie umarmt erst den Oberförster, dann die Oberförsterin.
Kind – sehen Sie in diesen lieben alten Leuten die Belohnung der Tugend. Gute Kinder und ein fröhliches Alter. –
Leute – Herr Pastor – Alte – lieber Schulz; ich bin so froh, so dankbar gegen Gott – so – ach wenn doch jetzt recht vielen Leuten so zumute wäre wie mir! Wenn er doch nun hier wäre, der Junge! Ich möchte ihm um den Hals fallen und mich bedanken, daß er das Weib will.
Ja, es ist mir oft heiß vor der Stirn geworden, wenn ich an die Zeit dachte, wo der Junge heiraten würde. Widersprochen hätte ich keiner Heirat, um die es ihm Ernst gewesen wäre. Wenn er mir nun aber so eine Schwiegertochter gegeben hätte, die sich um nichts bekümmert, auf unsern letzten Atem gelauert hätte – aus dem Hause wäre ich gezogen auf meine alten Tage.
Dazu – das Alter hat Schwachheiten, man wird vergeßlich, eigensinnig, grämlich und – wie es denn zu gehen pflegt, wenn nach sechzig Jahren unsre Hütte verwittert ist. – So was muß mit Liebe getragen werden. Erkaufen läßt sich die Pflege nicht, auch nicht vergelten; wem sie aber Gott gibt, den macht er jung im hohen Alter. Das wirst du uns sein, Tochter! Dafür hast du unsere Liebe, unsern Segen und ein kleines Vermögen, worauf kein Fluch und keine Träne ruht. – Leute! Das machte mir immer ein gutes Bette, ich mochte schlafen, wo ich wollte – Die Braut soll leben!
[91]Noch eins – weil wir denn doch einmal darauf zu sprechen gekommen sind: Anton ist ein wilder Bursche. Ihr Weiber seid denn auch obenhinaus und flüchtig; so geschieht's nun gar leicht, daß Eheleute durch Ungeduld einander überdrüssig werden. Tochter – ich bitte dich – trag geduldig! Du kaufst dir gute Tage damit. Sieh – als ich mein Weib nahm, war ich auch ein toller Kerl; aber das muß ich der Alten nachsagen, sie hat viel Geduld gehabt – doch ich habe es erkannt.
Gott hat uns mit mancher frohen Stunde gesegnet; wir rechneten das Übel gegen das Gute auf, waren arbeitsam, teilten mit, waren zufrieden, nicht begehrlich, lebten still und gut in unsrer Hütte fort: so kam denn ein Jahr nach dem andern herbei. Nun sind wir schon dreißig Jahre zusammen gegangen; aber wenn Gott die Alte da mir heute von der Seite nehmen wollte, so träfe es mich so hart, als wenn er sie mir am Brauttage genommen hätte.
So wollte ich, daß es um euch Kinder auch stände! Wenn wir Alten denn einmal fort sollen – so will ich meine Augen so ruhig schließen als heute, wenn ich schlafen gehe.
So denke ich auch. Aber warum deswegen nicht daran denken? Wahrlich, man muß recht gut gelebt haben, und es muß eine edle Freude sein, die der Gedanke nicht unterbricht. Deswegen hat ja das Leben nicht minder Wert?
Es verdrießt mich allemal in der Seele, wenn man sich so viel Mühe gibt, das Leben und die Welt so hart und schwarz zu malen. Das ist unwahr und schädlich zugleich.
[92]Das Leben des Menschen enthält viel Glückseligkeit. Man sollte uns nur früh lehren, sie nicht glänzend, auch nicht ununterbrochen zu denken. Im Zirkel einer guten Haushaltung ist tausendfache Freude, und gut getragne Widerwärtigkeit ist auch Glück. Hausvaterwürde ist die erste und edelste, die ich kenne. Ein Menschenfreund, ein guter Bürger, ein liebevoller Gatte und Vater, in der Mitte seiner Hausgenossen – wie alle auf ihn sehen – wie alle von ihm empfangen und er, im Gedeihen des Guten, wieder von allen empfängt – O das ist ein Bild, welches ich mit frommer Rührung, mit Entzücken ehre!
Und in einer Landhaushaltung, meine ich, könnte das am besten so sein. Eine Landhaushaltung hat besonders viel fröhliche Tage! Aussaat, Erntefest, Weinlese. – – Wenn man so ein Glas selbstgezognen Wein an einem fröhlichen Tage trinkt – o das geht über alles!
Danke – danke. Nun, Mädchen, nun sing mir einmal das Weinlied, das du mir neulich schicktest. – Wie hieß es doch? – – Hm, hm – Am Rhein – – hm!
Höre – sing uns einen Vers vor – wir singen ihn nach, und so wenn – – – Sie es nämlich erlauben, Herr Pastor?
Ei, ei – seit wann dürfen die Menschen in meiner Gegenwart nicht froh sein? Weil mein Amt mich oft zum Zeugen der ernsten, betrübten Begebenheiten meiner Freunde macht, muß ich deswegen von ihren muntern, fröhlichen Stunden ausgeschlossen sein? Verbietet mir auch die Sitte, an ihrer Freude laut teilzunehmen, so lehrt mich doch mein Gefühl, ihre Freude still zu ehren.
War bei uns – ich wollte – Ach Gott! Eben bringen sie ihn auf einen Wagen – geschlossen – voll Blut – er hat den Matthes erstochen –
Anton – ach großer Gott! – meine Angst – ach Anton! – Das einzige Kind – Gott! Erbarme dich unser! Ab.
Ende des vierten Aufzugs.
Lieber Gott! – Tragen Sie, was Sie können. Wenn Sie alles verloren geben, was soll erst die Frau anfangen und das arme Mädchen?
O mein Sohn, mein Anton! – Anton! [96] Anton! Anton, mein einziger Sohn! Er wirft sich auf den Stuhl am Tisch.
Mir hat das plötzliche, schreckliche Unglück so zugesetzt, daß ich wenig Trost zu geben weiß, außer den, er wird ihn nicht lange überleben.
Also, du mußt fort, Anton – Steht auf. Wäre Hülfe mir gut – mir würde geholfen! Soll's nicht sein? Nun, Gott will dich! – Geh vor aus. Ich rechte nicht, ich murre nicht, ich frage auch nicht – aber die Träne, die ich um dich weine, wird Gott nicht verwerfen.
Ja – die Zeit geht hin. Sagen Sie mir, was ich nun noch für ihn tun kann. Wie ist es zugegangen, daß – – – Erzählen Sie mir alles.
Anton und Matthes trafen zu Leuthal im Gasthofe zusammen. Sie gerieten heftig aneinander. Anton zog; allein die Anwesenden trennten sie glücklich. Matthes ging fort. »Kerl, ich treffe dich wohl anderswo!« rief Anton in voller Hitze und verließ bald darauf das Haus. Kurz hierauf findet man Matthes, auf dem Wege nach Graurode, blutend – ohne Zeichen des Lebens. Anton kömmt dazu, erhitzt, verstört – seine Hände und Kleider voll Blut – »Der ist der Mörder«, schrien alle Bauern, »der ist's!« Matthes, mit dem Tode ringend, hebt sein brechendes Auge auf Anton und seufzt: »Ja, der ist's!« – »Ich habe mich mit ihm gestritten, aber ich bin unschuldig«, sagt Anton – »Du bist der Mörder, ja, du bist's«, schrien alle. Nun führen sie ihn mit sich hieher und den halbtoten Matthes langsam ihm nach.
Alle, die im Felde und in der Schenke zugegen gewesen sind, zeugen einstimmig gegen ihn. Nichts spricht für seine Unschuld als das Gewissen des Angeklagten, das aber der Richter auf Erden nicht hört.
Gleich. Rudolph ab. Herr Pastor, verlassen Sie die Leute nicht. Ach Gott! Ich weiß vor Angst und Wehmut nicht, was ich tue. Ab.
Sein Haß gegen Matthes – alle Umstände – ich fürchte, er ist schuldig. Er erkennt indes die Gefahr, in die ihn sein Verhängnis gestürzt hat, und wünscht, Sie zu sprechen.
Wird er nicht auch seine Mutter und die unglückliche Friedrike sehen wollen? Wollen Sie sich und diese in den fürchterlichen Aufenthalt bringen? Die blutigen Kleider, der Zulauf von Menschen – Sie würden das nicht aushaken, und jene Unglücklichen noch weniger.
Sie müssen ihn sprechen. Ich will bei dem Amtmann alles versuchen, daß er hiehergebracht werden darf.
Der Amtmann – ach daran denke ich jetzt erst. Armer Anton, du wirst es büßen müssen, daß dein Vater Wahrheit sagte.
Unglück macht mild, söhnt unsre bittersten Feinde mit uns aus. Ich denke, es soll gehen. Er kann oben herum durch den Garten kommen. Es fängt an, dunkel zu werden – man sieht ihn nicht, ich will bitten, daß man ihn ohne Ketten –
Ja, ja das will ich. Aber – denken Sie – in acht Tagen sollte die Hochzeit sein; wie haben wir nicht so vergnügt dagesessen! – Und nun, vielleicht in vier Wochen? – Und seine Mutter – das unglückliche Mädchen und ich! – O Anton, Anton! Mein einziger Sohn!
Herr Oberförster – Herr Pastor! Einer von Ihnen muß gleich hin aufs Amt. Ich soll einen Wagen bestellen – der Amtmann hat einen Bericht gemacht, so boshaft, als er gekonnt hat – er will ihn gleich nach der Stadt schicken.
Herr, ich bin Vater! Wie meinen Sie, daß mir ums Herz ist! Und ich soll dableiben? Ich kann's nicht, und wenn – meinen Hut! – Rudolph, meinen Hut!
[99]Rudolph – he! Rudolph. Nun, mein guter Schulz – Er sieht ja wohl, wo das hinausgeht. – Bete Er für mich, daß sie mich bald aus dem Hause tragen.
Nun, wo bleibst du denn? Ich habe dir ja schon zweimal sagen lassen, du möchtest herunterkommen. – Hier steht auch noch alles – –
Ihr lieben Leute! Scheltet mich nicht – ich bin krank – recht krank! Es ist mein Sohn – ich habe ihn geboren – ich muß ihn ja auch vom Herzen reißen. Ich habe mich ausgeweint, daß ich nicht mehr kann – Aber nun ist mein Anton bei Gott! [100] Habe ich ihn verloren, so will ich ihn auch nicht mehr sehen. Du kannst ohne mich nicht fort – es kennt dich niemand so wie ich; dir will ich beistehen bis an mein Ende – und das ist bald! Dann sehe ich ja meinen Anton wieder. Dann nimmt ihn niemand mehr von mir. – Ich will die Kleider hinschicken. Ab.
Ja. Ich habe ihn gesehen. Es ist ein Bote nach dem Doktor von Hochfalden geschickt – aber – lieber Gott! Ich glaube nicht, daß er den Abend erlebt.
Lieben Leute – unsere Zeit ist kurz, fragt mich nicht, laßt mich einen Augenblick allein in dem Zimmer.
Nein – aber er wird kommen. Der Amtmann, den ich unter dem Gewühl von Menschen nicht recht sprechen konnte, hat mir versprochen, augenblicklich hieherzukommen. – Wie? – Still! Ich höre Gehen. Herr Schulz, sehe Er zu, ob es der Amtmann ist – Schulz ab. Aber allein möchte ich gern mit ihm sein.
[101]Ich will Ihr Verständnis mit einem Freunde wieder erneuern, der seine alten, heiligen Rechte auf Sie geltend – und uns minder elend machen wird.
Vergönnen Sie mir eine Vorstellung. – Der Anblick des Volks, die Schande, die den Unglücklichen sogleich von allen Rechten der Gesellschaft ausschließt, scheinen nicht nur ebenso viele Ankläger des Verbrechers zu sein, sondern sie werden auch fast Beweise gegen ihn.
Hören Sie mich. – Die ganze Menschheit steht gegen den Unglücklichen auf. »Rache, Strafe!« – ist die allgemeine Empfindung. Der Richter ist Mensch – Diese [102] Stimmung teilt sich ihm mit, läßt Handlungen beschließen, gegen welche das spätere Mitleid kraftlos ist! – In diesem Fall waren Sie, als Sie den Bericht gegen den Unglücklichen machten. – Hier, wo Sie stehen – an diesem Tische, wo Sie vor wenig Minuten von der liebenswürdigen Familie umgeben waren – hier müssen gewisse Erinnerungen eine sanftere Stimmung bewirken. – – Hier – hier lesen Sie Ihren Bericht noch einmal, und sagt Ihr Herz Ihnen hier nichts – – so schicken Sie ihn fort und beten für die Unglücklichen um Trost!
Sie irren sich, mein Herr, Sie irren sich. Dies empfindsam ausgesonnene Stückchen darf den Richter nicht beugen.
Also sind wir fertig. Und ich gehe sehr unzufrieden von Ihnen weg. In alles mischen Sie sich, und überall wollen Sie die Hand im Spiel haben.
Getrauen Sie sich, auf den Bericht, welchen Sie von der Sache gemacht haben, plötzlich vor Gott zu erscheinen?
Mann! Das Sterben des ungerechten Richters ist schrecklich. Nicht der Prunk frommer Stiftungen, nicht bezahlte Fürbitten mildern die Angst der Seele – Zagen der Verzweiflung macht die Leiden des Körpers entsetzlicher. Niemand – nimmt Anteil; selbst die nicht, die er bereichert hat. Die Umstehenden beten und zweifeln. Mit Schauer sehen sie der abgeforderten Seele in das ewige Dunkel nach – und verlassen die Hülle mit Grausen.
Weg mit dem Ausdruck; er ist unter Ihnen, wenn ich ihn auch verzeihe. – Sie sind kränklich; daß Sie mich jetzt werfen, könnte Ihnen einst schrecklich beifallen, zu einer Zeit, wo Sie Trost auf meinem Gesicht wollen.
Da der junge Mensch so außerordentlich hartnäckig auf seiner Unschuld besteht, so will ich, um allen Zweifel zu heben und auf den wahren Grund zu kommen – ich will darauf antragen, daß man ihm die Tortur gibt. Bleibt er standhaft, so ist es eine offenbare Fügung des Himmels, der seine Unschuld an den Tag legt und mein Gewissen befreiet.
Unmensch! Sie häufen auf böse Taten verdammenden Spott. Ich lasse ab von Ihrem Herzen. Gott führt die Sache dieser Unglücklichen – Er wird sie retten oder ihnen Kraft zu tragen geben. Hat dieser Jüngling in gereiztem Zorn gemordet – er büßt. – Ihm wird verziehen. Aber Ihre Gemordeten, Ihre langsam Gemordeten werden einst in lebendigen Gestalten die Ankläger Ihrer Untaten sein! Sie denken an den Augenblick, Sie fürchten ihn – Prahlen Sie immer mit Starkgeisterei! Sieglauben Gott [104] und Zukunft, das weiß ich. Sie glauben und zittern! – Gott vergebe Ihnen! Er will aus der Mitteltür gehen.
Schonen Sie der leidenden Mutter, so will ich gern geduldet haben. Zur Oberförsterin. Ich bin bald wieder hier. Ab.
O Herr! Ich bin alt – habe manches Kreuz auf der Welt getragen – habe viel ausgestanden – aber heute hat es mich zusammengeworfen. – Nun kann ich nicht weiter. Meinem Manne verberge ich es, soviel ich kann. Aber Herr Amtmann! Mutterherz geht über alles, und der Sohn sollte der Trost meiner alten Tage sein! In acht Tagen sollte er heiraten. Und hätte Gott meinen alten [105] Mann zu sich genommen, so hätte der mich pflegen sollen; und nun – der Atem vergeht mir. – Oh – Oh! Lassen Sie mich ausweinen. Sie steht auf und geht verzweiflend umher. Das Herz will mir zerspringen.
Lieber Gott, es tut mir leid – es ist schade um sein junges Leben. Indes alles, was Sie mir gesagt haben, hat mir der Herr Pastor schon gesagt.
Nein, nein, das hat er nicht. O das kann er nicht. Er ist ein gelehrter Mann, ein guter Mann, er meint es gut mit uns, er hat Antonen lieb – aber ich habe ihn geboren! Dreiundzwanzig Jahre lang habe ich ihn mit Angst und Freude heranwachsen sehen – dreiundzwanzig Jahre habe ich meine Hoffnung auf ihn gesetzt. Was ich für ihn sagen kann, das kann kein Mensch sagen! Kein Mensch – und auch sein Vater nicht – ich habe ihn geboren! Mutterliebe geht über alles. Ich weiß, wie ich gebetet habe, in der Stunde, als er zur Welt kam, daß ihn Gott gut und fromm werden lassen möchte; und er ist brav geworden und kann kein Mörder sein. Ich weiß, wie er erzogen ist, ich muß es vor Gott verantworten, und ich habe keinen boshaften Mörder an ihm erzogen!
Kann Geld meinem Anton helfen? Nehmen Sie unser halbes Vermögen, nehmen Sie es ganz – wenn wir ihm nur das Leben retten. Wir wollen uns verschreiben, mein Mann und ich, alles, was wir noch erwerben, wollen wir gern hergeben, wenn er nur das Leben behält. O ich will arbeiten Tag und Nacht, ich will für Ihre Kinder arbeiten, ich will nur trocknes Brot und Wasser haben, wenn ich meinem Anton das Leben erhalte.
Nun, lieber Gott! So übergebe ich ihn dir! Wenn du ihn retten willst, du kannst es. Tun Sie nach Ihrem Gewissen. Das Leben geht mir aus – beten kann ich nicht – Du hast mir ihn gegeben, du siehst meine Angst. Du wirst ihn erhalten – oder mein Leben barmherzig enden. Sie will fort.
Bleib! – O Herr – ich will Ihnen wahrlich nicht lästig werden. – Ist mein Sohn ein Mörder, so muß er sterben. Aber wenn er es nichtganz gewiß ist – so ein Prozeß dauert bei uns nur vier Wochen. Auf Bericht und Art kömmt viel an. – Sein Sie menschlich. Ich will nur genaue, gewissenhafte Gerechtigkeit. Wenn Sie meinem Sohn das Leben retten können, hier ist eine Schenkung meines Vermögens: gebrauchen Sie es, wozu Sie wollen. Er legt das Papier auf den Tisch.
Das ist die Mutter des Unglücklichen, ich bin der Vater, [107] das ist die Braut – sehn Sie uns an – ich frage Sie: Ist der Bericht gewissenhaft?
Hier habe ich Ihnen nichts mehr zu sagen; aber vor Gottes Richterstuhl werde ich Sie wieder fragen: War der Bericht gewissenhaft? Nun ist's gut. Schikken Sie den Bericht und das Zeugenverhör fort – aber sagen Sie dabei, was Sie jetzt sehen und was ich Sie gefragt habe.
Friedrike! – Sie ist ohne Sinne! Sie wird mir unter den Händen wegsterben. Oberförster. Dann ist ihr wohl.
Ich bedaure sehr, daß ich Sie nicht ungestört lassen kann; aber die Pflicht will, daß diese Unterredung nicht ohne Zeugen sei.
Friedrike! – Sie liegt sinnlos in einem Stuhl. Friedrike, ach Gott! Nur ein Wort, nur noch einmal sprich mit mir, ehe ich sterbe. Friedrike – Friedrike! Nur einen Laut! O Vater, sie ist tot, sie ist wahrhaftig tot! Mich verstoßen, das Mädchen getötet! – Vater, Sie haben viel auf der Seele.
[108]Alles war einig. Deine Hochzeit sollte in acht Tagen sein, aber du hörtest nicht, liefst wie ein unsinniger Mensch von deinen Eltern weg. Nun stehen wir da und raufen uns die Haare aus. – Sieh deine Mutter, deine Braut, mich – Das ist der Lohn für Ungehorsam eines Kindes!
Vergebung, mein Vater! – Liebe Mutter! – Ach Gott! Bin ich denn zum Unglück geboren? O ich bin unschuldig, ich bin wahrhaftig unschuldig! – Es wird an den Tag kommen, wenn ich tot bin – Friedrike, Friedrike! – Schlag deine Augen nur noch einmal auf – o ruft sie doch – ruft! Man kann sie noch einmal aufschreien – Friedrike!!! Nur ein einziges Mal noch – sieh mich an – Sie hebt ihre Augen auf. Sie lebt – Friedrike, kennst du mich nicht? Kennst du deinen Anton nicht? Nein, ich kann nicht sterben – ich bin wahrhaftig unschuldig.
O Gott! – Du hast mich genannt – nun ist es gut, du hast Abschied von mir genommen. Du stirbst, ich auch – wir sehen uns bald wieder! Vater – Mutter! – Segnet uns.
Man wird Sie gleich abrufen. Wie der alte Fritz hörte, daß man Antonen beschuldigte, kam er nach, lieferte sich selbst ein. Matthes ist ihm unterwegs begegnet, hat ihn gereizt; drauf hat er ihn verwundet. – Matthes hat sich von der starken Verblutung erholt, die Wunde ist nicht tödlich, und sein eignes Geständnis bestätigt alles.
O mein Sohn – Anton, Anton, Anton! Mein einziger Sohn. Er wirft das Papier hin. Da, Herr, ist meine Habschaft, Wirft den Beutel hin. da, nehme Er Haus und Hof, Reißt die Weste auf. nehme Er alles, ich behalte doch mehr als Er – ich habe meinen Sohn wieder. O Anton, Anton, mein einziger Sohn! Matthes lasse ich kurieren, den alten Fritz vertrete ich vor unserm Fürsten selbst.
Gott segne uns und euch und alle Welt! – Rasch zum Amtmann. Herr Amtmann! Gott beßre Sie und segne Sie auch! So wahr Gott lebt, es kömmt von Herzen.
Da – da ist ein Glas Wein, stärke dich! – Schulz, trinke Er auch! Sie auch, Herr Pastor! – Rudolph, das ganze Haus soll froh sein. – Alte, mach deinen Keller auf! Gib alles her, was du hast, alles! Wie hieß es vorhin: »Und wüßten wir, wo jemand traurig läge« – Wir sind häßlich gestört.
Kinder – Gott mache alle Welt glücklich! [110] Übrigens – das Leiden vergessen – mit Fröhlichkeit lobt man Gott am besten – wir wollen nicht stumm sein, wir wollen Gott laut loben und danken mit guten Er nimmt ein Glas, gibt ein anderes der Oberförsterin, der Schulz bringt es Antonen und Friedriken; der Pastor nimmt auch eins; der Oberförster hat den Arm um seine Frau gelegt. Handlungen, solange wir auf der Welt sind. Jetzt fröhlich und guter Dinge! – Wer's gut meint, folgt mir nach. Er singt.
So trinkt, so trinkt! –