[17] [73]Abriß eines verliebten

C.H.v.H.


Er ist ein krancker/ den ein stündlich fieber plaget/
Ein jäger/ so allzeit nach einem hirsche jaget/
Ein wetterhan der stets nach einem winde steht/
Ein schif/ so ungehemmt nach Cypris hafen geht.
Ein märterer der brunst/ den freund und feind belachet/
Ein Morpheus/ der ihm selbst bey tage träume machet/
Ein arm gefangener/ der seine fessel liebt/
Und seinen hencker ehrt/ wenn er ihm streiche giebt.
Ein Aetna/ der voll glut/ läst flut und ströme fliessen/
Ein hungriger/ der bloß will rohes fleisch geniessen/
Ein welt-Sebastian/ den Venus schütze trifft/
Ein rechter Adams-sohn/ den frauen-hand vergift.
Er wird ein ander kind/ läst ernste sachen fahren/
Ein haar/ ein altes band/ sind seine besten wahren/
Itzt baut er etwas auf/ itzt reist ers wieder ein.
Itzt muß Democritus der sitten meister seyn/
Itzt ist es Heraclyt. Das hertze/ so er führet/
Vergleicht sich dem metall/ das ein magnet gerühret.
Sein Himmel ist ihr haupt/ die erd ist ihre schoos.
Hier anckert seine lust/ es wird der erden kloß/
Der überweißte koth/ dem himmel vorgesetzet/
Und ist ihr auge mehr als Venus selbst geschätzet,
So wundre ich mich nicht/ daß man das weib veracht/
Weil sie die erste pein zu erst hat aufgebracht.
Sein essen ist ein kuß/ sein tranck sind heisse thränen/
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Die zeit verjaget er mit seuffzen und mit stehnen.
Und wann ihm etwan träumt/ wie er die liebste find/
So hat er nichts als luft/ und küsset nichts als wind.
Denn träume/ buler/ wind sind gleiches thuns gesellen;
Sein schlafen darf er nicht nach einem wecker stellen;
Indem die weckerin/ so in dem hertzen steckt/
Ihn besser als er wünscht aus seinem schlaff erweckt/
Und seinen schmertzen rührt. Zu dornen wird das bette/
Mit denen wachet er im lager in die wette/
Und führt der thränen strom um seine wangen her/
Bald will er aus der welt/ bald will er über meer/
Und muß doch wie zuvor in seinem hause bleiben/
Muß lernen/ wie sein rath nicht stetig wil bekleiben/
Wie erstlich bulerey und die gewölckte nacht
Auf anschlag/ aber nicht auf ausschlag ist bedacht:
So läst er ohne ruh sich fremde sachen lencken/
Läst in gesunder haut sich seine schwachheit kräncken/
Liebt nach und finsterniß bey sonne und bey licht;
Ist wie ein schweres schiff/ dem der compas gebricht.
Und daß ich nicht zu viel von einer sache sage/
Die allen ist bekandt als allgemeine plage/
So muß der vorhang weg: das mahlwerck ist vollbracht/
Hier hat der mahler selbst sein ebenbild gemacht.

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TextGrid Repository (2012). Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von. Gedichte. Gedichte aus Neukirchs Anthologie Bd. 2. Galante gedichte. Abriß eines verliebten. Abriß eines verliebten. TextGrid Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-6C99-6