[33] Liebe zwischen Aleran, einem Deutschen jungen Fürsten, und Adelheiten Keyser Ottens Fräulein Tochter
Nach Gewohnheit damahliger Zeiten, daß junge Fürsten und Herren, wenn sie ein wenig zu Kräften und Verstand kommen, sich in die Welt machten, und fürnehme Höfe besuchten, begab es sich gleichfalls, das Aleran, eines vornehmen deutschen Fürsten Sohn, in Keyser Ottens Hofe angelanget, seiner Jugendt eine gute Wissenschafft von allerhand Ritterspielen und höheren Tugenden beyzulegen. Sein Fürsatz war nicht ohne glücklichen Fortgang, und seine Vollkommenheit wuchs endlich der gestalt, daß Aleran vor ein Wunderwerck des Hofes, ja vor die Crone der Ritterschafft von männiglich gehalten ward. Wie aber alles den veränderlichen Zufällen unterworffen, so ward auch hier das Glück zu einem Springbronn tausenderley Ungemachs. Aleran, dessen Hand nichts wiederstreben konte, vermeinte unvollkommen zu seyn, wann er nicht auch ein Meister der Gemüther, und ein Beherrscher der schönen Adelheide seyn solte. Seine Blicke waren in nichts so sehr bemühet, als einen freyen Geist zubestricken, und seine Zunge bearbeitete sich auf das höchste ein ungebundenes Hertz in ein schlüpfriges Garn zuversetzen. Der Anschlag war nicht ohne fürgebildeten Außschlag. Es ging aber dem Aleran wie einem guten Fechter, der oft mit seinem Gegentheile zugleich fallen muß. Aleran überwindet Adelheiden, aber Aleran wird zugleich zu der Adelheiden Knecht gemacht, und beyde seuffzen bey ihren Wunden, die nunmehr ohne Rath und Hülffe zuseyn schienen. Wie aber das dürre Holtz am besten zum Kohlen dienet, das grüne damit zu entzünden, so begiebt es sich auch offt, daß die verlebtesten Weiber die Jugend durch ihre Listigkeit am meisten anstecken können. Dieses geschahe auch eben bey dieser Gelegenheit. Eine alte Hofmeisterin leitet den verliebten Fürsten in der Fräulein Schlafgemach, wird Zeugin ihres Ehegelübdnüßes und läst solches alsobald auch fleischlich versiegeln. Nach weniger Zeit betrauerte die Fräulein den Verlust ihres besten Schatzes, empfindet etliche ihr unbekante Zufälle, und verwilliget, wiewohl sie fast mit gewisser Bedingung dem damals regierenden König in Ungarn versprochen war, durch Aleran aus ihres Vatern Landt und Augen geführet zu werden. Ihr Weg ging nach Italien, ihre Reise war voll [34] Ungelückes, ihr Armuth zwang sie Kohlen in der Wildnüs zu brennen, und die Zeit ihrer Pilgramschafft wehrete zwantzig Jahr; Da sie durch einen ihrer Söhne, derer sie unterschiedliche in diesem Waldleben gezeuget, der sich ohngefehr unter das Keyserliche Heer, so damals in Italien stund, begeben, dem Vater entdecket, und mit Freuden wiederumb in ihren vorigen Stand gesetzet worden seyn.
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- TextGrid Repository (2012). Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von. Gedichte. Sinnreiche Heldenbriefe. Liebe zwischen Aleran, einem Deutschen jungen Fürsten. Adelheid an Aleran. Adelheid an Aleran. TextGrid Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-6BBB-6