Liebe zwischen Hertzog Tibald und Lettire von Hort
Unter Hertzog Tibalds Frauen Zimmer, mit welchen seine Gemahlin zum Uberfluß versehen war, befand sich auch eine Adeliche Jungfrau, mit Nahmen Lettice von Hort; Sie war die Sonne unter den andern, die blödesten Augen erkieseten hier etwas sonderbahres, und es schien, die Natur hätte versuchen wollen, was ihre Hand, wann sie alle ihre Kräften darstrecket, hervorzubringen vermöchte; Der Hertzog fieng selbst etliche gefährliche Funcken, und es wehrete nicht lange, daß er sich mit der hitzigen Kranckheit angesteckt befand, so wir den erfahrnesten Aertzten und besten Freunden nicht leichtlich zuentdecken pflegen. Er eröffnete sein Anliegen derjenigen so es verursachete, und es ließ sich ansehen als wann solche allbereit eine Ehre suchete, ihre Hertzogin bey guter Gelegenheit zuvertreten. Für den Augen des Hofes, besonders der Gemahlin merckte der Hertzog leicht, das es unmöglich sein würde, sonder bösen Nachklang, seinen Flammen ferner freye Luft zugeben; solche aber auch in dem engen Behältniß des Hertzens länger zubeschlüssen, war ihm ein wenig erträglicher, als die Höllen Pein. Wie sinnreich ist aber die Liebe? Auf gutachten des Hertzogs bittet obgenente Jungfrau Erlaubnüs ihre liebe Eltern zu besuchen; Pferd und Wagen werden fertig gehalten. Sie machet sich auf die Reise, wird aber alsobald, ohne [73] iemahls ihrer Eltern Hauß zuberühren, in ein Fürstliches Schloß auf dem Lande gebracht. Der Hauptmann selbigen Orthes, der schon gewissen Befehl dessentwegen überkommen, empfähet sie freundlich, und ordnet ihr etzliche vertraute Frauen zu. Es ward aber kurtz zuvor aus Schnitz Werck ein Bild zugerichtet, so an Augen, Hals und Brust der krancken vollkommen ähnlich sahe. Das übrige theil so Leib seyn solte, war nichts anders als ein Hembde mit Wolle und andern Zeuge künstlich ausgestopft. Dieses Bild, so ich itzt beschrieben, wird, als sich niemand fremdes bey der Krancken befindet auf die Erde geleget, und zum Uberfluß bald ein Geschrey gemacht, Lettice von Hort, welche sich unterdessen in einem verborgenen Zimmer verschlossen, sey plötzlich verschieden; Der Schloß Haubtmann, so Meister des gantzen Spiels war, befiehlet schleunig einen Sarg zubestellen, und die vermeinte Leiche, als man sie zuvor wohl geräuchert, und den Fürwitz zuverjagen, außgesprenget hatte, die Todte were in der Pest gestorben, wird auf die Bahre gebracht. In allen Hertzoglichen Schlössern werden Leichgepränge ansehnlich gehalten, wie dann auch der Hertzog zusamt der Gemahlin und gantzen Hofstadt sich in Leidkleidern sehen lassen. Unterdessen, weil dis, was nicht gestorben, zur Erden bestattet wird, beginnet obgemelte Schöne erst recht zuleben. Ihr Hertzog nimt Gelegenheit seiner Geliebten kräftiglich die Flammen zuentdecken, und wiewohl die Gemahlin, wie verborgen auch dieses Spiel geführet war, mit Unwillen endlich diesen Handel verstanden, hat sie doch nicht erwehren können, daß der Hertzog die vielmahls gedachte Schönheit, mit welcher er nach und nach sieben Kinder erzeuget, iemahls verlassen.
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- TextGrid Repository (2012). Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von. Gedichte. Sinnreiche Heldenbriefe. Liebe zwischen Hertzog Tibald und Lettire von Hort. Tibald an Lettice von Hort. Tibald an Lettice von Hort. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-6B38-A