Letzter Wille
Nun schon in den letzten Zügen
Mit erloschnem Augensterne
Sehn wir das Jahrhundert liegen,
Denn sein Stündlein ist nicht ferne.
Harrend auf der Greisin Sterben
Nahn dem harten Todesbette,
Streitend, wer sie mag beerben
Ihre Kinder um die Wette.
Wen'ge nur vergießen Tränen,
Denkend ihrer Lieb' und Treue,
Da die meisten kindisch wähnen,
Weitaus schöner sei das Neue.
Und sie grollen mit der Alten,
Daß sie oftmals mehr versprochen,
Als am Ende sie gehalten,
Auch noch manches sonst verbrochen.
Und die Dunkelmänner kneifen,
Daß sie stürmisch sich gerühret,
Um die Fesseln abzustreifen,
Die die Geister eng umschnüret.
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Plötzlich, furchtbar anzuschauen,
Richtet sich empor die Alte.
Zwischen silberweißen Brauen
Furcht sich tief die dunkle Falte.
Im entfärbten Angesichte
Ist's als ob ein Zornblitz glimme.
Schweigt, ihr töricht kecken Wichte!
Ruft sie laut mit heisrer Stimme.
Jeden Nachruf sollt ihr sparen,
Alles Preisen, Schelten, Lästern.
Nicht das Heute kann erfahren,
Was bedeuten mag das Gestern.
Darum keine Narrensprüche
Haltet mir am offnen Grabe,
Weder Segen, weder Flüche,
Da ich einen Wunsch nur habe:
Daß auf meinem Leichensteine
Stehen soll das Wort zu lesen,
Wahrlich Ruhm genug dies eine:
Bismarck ist ihr Sohn gewesen.
Was mir Großes sonst gelungen,
Tritt zurück vor diesem Namen.
Nun, ihr Alten und ihr Jungen,
Gute Nacht! – und damit Amen.
23. Oktober 1899