[236] Phillis
(Johanna Barbara Littmann)

Bischdorf Winter 1720/21 – Liegnitz Oktober 1721

[237][239]
Flieht nur, ihr verwaisten Küße,
Zu der Schönsten Lippen hin,
Sagt ihr, daß ich fast nicht wiße,
Was ich mache, wo ich bin;
Seit ich ihren Mund entbehre,
Mangelt mir des Lebens Lust,
Und des Abschieds lezte Zähre
Würckt noch Seufzer aus der Brust.
Ach, mein Engel, wenn ich dencke,
Daß du mir dein Herz verliehn,
O so läst mir dies Geschencke
Endlich neue Rosen blühn.
Ich verachte Neid und Tücke
Derer, die mich schon verschmähn,
In der Hofnung, einst mein Glücke
Blos auf deiner Schoos zu sehn.
Dein Verstand und artig Wesen
Und die feuerreiche Brust,
Die ich mir zur Ruh erlesen,
Macht mir alles Creuz zur Lust.
Glaube, Kind, ich geh auf Erden
Schon durch dich in Himmel ein,
Und du solt auch in Beschwerden
Meines Lebens Stärckung seyn.
Las die Misgunst immer höhnen,
Denn der Seegen aus der Höh
Wird uns ihr zu Troze crönen,
Daß ihr Fluch zu Schanden geh.
Bleib beständig und verschwiegen
Und verbanne Gram und Leid;
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

[239] An seine Geliebte

Mehr sag ich jezo nicht, galant- und kluges Kind,
Als daß die Redligkeit, die stets den Preis gewinnt,
Mir jezt und allemahl so Kiel als Zunge rühre,
So oft ich deinen Ruhm der Welt vor Augen führe.
Drum glaube, was du wilt, ich sage, was ich muß,
Und wollte glücklich seyn, wofern des Himmels Schluß
Mir, der ich auf der Welt nach Ruh und Frieden strebe,
Ein Kind von deiner Art in Herz und Armen gäbe.
Wo Reiz und Zärtligkeit in netten Gliedern sizt,
Wo Feuer und Verstand die volle Brust erhizt
Und Übung und Natur die edle Seele zwingen,
Die angenehme Treu ins Heiratsgut zu bringen,
Da fällt allein die Wahl von meiner Sehnsucht hin,
Da hängt, da bleibt und schwört mein unverfälschter Sinn,
Die Feßel keuscher Glut bis an das Grab zu tragen.
O höchst vergnügte Last! Man flucht in unsern Tagen
Auf lauter schwere Zeit und rühmt die alte Welt
Blos darum, weil man dort noch sonder Neid und Geld
Den Gram der Eitelkeit bey süßer Ruh verwunden
Und in vergnügter Eh das Paradies gefunden.
Die Klagen haben recht, allein wo kommt es her?
Was macht denn uns die Frucht der wahren Liebe schwer?
Das macht, wir lieben jezt aus Hochmuth, Geiz und Mode
Und fälschen jeden Kuß mit bitterm Narrensode.
Wo findet man wohl jezt, man geh auch weit und breit,
Ein Paar, das mit Vernunft und nach der Neigung freyt?
Viel laufen wie das Vieh von ohngefehr zusammen,
Noch mehr verbrennen sich in unversuchten Flammen,
Die meisten aber sehn auf Niederträchtigkeit,
Auf das, was ihrer Hand gemünztes Blech verleiht.
O Schade vor die Lust, die, wenn das Silber klinget,
Den Nachklang später Reu bey Zanck und Untreu bringet.
Ich hab es oft gesagt und sag es allemahl,
Verdient mein redlich Herz nur einen Gnadenstrahl
[240]
Des Auges in der Höh, so ist mein Wuntsch auf Erden,
Blos durch ein kluges Weib des Lebens froh zu werden.
Ich rede fast zu viel und freyer als ich soll;
Darüber lacht mein Feind, die Misgunst nennt mich toll;
Er kan, sie mag es thun, genung, daß mein Gemüthe
Mit Ernst und Unschuld liebt und daß mir deine Güte,
Du schön- und kluges Kind, die Kühnheit nicht verwehrt.
Mit welcher dir mein Kiel den stummen Trieb erklärt,
Den stumm- und starcken Trieb, der, seit ich dich erblicket,
Dein Bildnüß allzu tief ins Herz mir hat gedrücket.
Du hast Vernunft und Geist; lis, prüfe dieses Blat,
Und wo ein einzig Wort ein Falschheitszeichen hat,
So reiß es gleich entzwey und sende mir die Stücke
In Körben voller Fluch wie deinen Zorn zurücke.
Doch nein, ich merck es dir an Wort und Mienen an,
Daß der, so dich verehrt, was Beßers hofen kan.
Die Zeit, so alles lehrt, wird dich auch endlich lehren,
Mit was vor Eifer dich die treuen Seufzer ehren.
Nimm dies papierne Pfand auf künftigen Beweis,
Die Neigung gegen dich bleibt im Verborgnen heiß
Und brennt in meiner Brust so heimlich als verschwiegen,
Den Vorwiz böser Welt vernünftig zu betriegen.
Erlangt mein Wuntsch bey dir kein vorgestecktes Ziel,
So dencke dermahleinst, wenn dich der Liebe Spiel
In fremden Armen wiegt und nachmahls doch betrübet,
Mit was vor Redligkeit dich blos um dich geliebet
..................

[241] An sein Hannchen

Hannchen, denck einmahl und oft
An die schönen Abendstunden,
Die sich gar so unverhoft
Bey uns scherzend eingefunden.
Solche Lust vergnügter Nacht,
Als dein Singen uns gegeben,
Hat mir mein bisherig Leben
Wohl gewis noch nicht gemacht.
Das beschwör ich dich, mein Kind,
Bey den Mienen, bey den Blicken,
Welche deine Neze sind,
Unsre Neigung zu bestricken.
Sind dieselben gleich nicht schlecht,
So macht, ich kan's nicht verheelen,
Dich doch das bey treuen Seelen
In der That noch nicht gerecht.
Wo ein klug und redlich Herz
Mit dem andern zärtlich spielet
Und ihr Leid den sanften Schmerz
Innerlicher Sehnsucht fühlet,
Ja, wo noch vor Schmerzen seyn
Und Verstellung vor den Leuten
Niemahls aus dem Garne gleiten,
Ist die Lust schon engelrein.
Solche Lust steht Engeln an,
Die noch Unschuld an sich haben;
Auf der Wangen Rosenbahn
Darf man nicht sein Pfund vergraben.
Klug, verschwiegen und getreu
Macht die Liebe stets zur Tugend;
Kinder, braucht den Lenz der Jugend,
Sonst ereilt euch späte Reu.
[242]
Schwester an der Redligkeit,
Du, o Schwester am Gemüthe,
Gönne mir nur jederzeit
Ein'ge Strahlen deiner Güte;
Schlag dein Meineid aus dem Sinn,
Der dich nechst herumgeführet:
Wer ein falsches Herz verlieret,
Deßen Schaden ist Gewinn.

[243] An die Phillis

Erröthe nur nicht erst, du wohlgezognes Kind,
Wenn jezo Mund und Kiel aus Liebe kühner sind
Und, da dein Wesen mir bereits das Herz genommen,
Mit Ernst und Redligkeit nach deinem Herzen kommen.
Es ist kein blinder Schluß noch leichter Eigensinn;
Der Himmel führt mich selbst zu deiner Tugend hin
Und bringt uns auf der Welt kaum einmahl recht zusammen,
So fühl ich alsobald die rein- und edlen Flammen
Der Liebe gegen dich, die ohne Falschheit brennt
Und jedem auf der Welt das gröste Glücke gönnt,
Wenn mich nur Gott und Zeit bald so geneigt bedencken
Und meiner treuen Brust dein Herz zum Lohne schencken,
Zum Lohne vor den Fleiß und vor so manche Nacht,
Die mein Studiren oft mit Wachen zugebracht,
Um dermahleins an Kunst und Wißenschaft zu grünen
Und als ein nüzlich Glied der Republic zu dienen.
Der, so im Himmel wohnt und ins Verborgne sieht,
Mag selber Zeuge seyn, wie starck mein Eifer glüht,
Ein gleichgesinntes Herz und treues Weib zu finden,
Bey der sich Tugend, Wiz und Zärtligkeit verbinden.
So weit nun mein Verstand Gemüther prüfen kan,
So freudig seh ich dich vor meines gleichen an
Und finde, wie mich dünckt, an deinen edlen Gaben
Was mehr als insgemein des Landes Töchter haben,
Und darum hoft mein Geist, wofern er dich erhält,
In recht vergnügter Eh den Himmel auf der Welt.
Die Eintracht soll bey uns in Bett und Tische lachen
Und unsern Lebenslauf voll güldner Stunden machen.
Ich rühme nichts von mir als unverfälschte Treu
Und stelle dir hiermit die Wahl in Demuth frey:
Getraustu dich, mit mir vergnügt und wohl zu leben,
So säume länger nicht, dein Herz an Tag zu geben.
Dein Vater, deßen Geist und Klugheit und Verstand
Ich nur die kurze Zeit zur Gnüge schon erkand,
[244]
Wird schon so gütig seyn und unter Wuntsch und Seegen
Sein Jawort nebst der Hand auf unser Bündnüß legen,
Das blos vom Himmel kommt. Ich nenne dich schon mein,
Und du kanst gegentheils gewis versichert seyn,
Daß, ob ich mich gleich nicht mit Blute hoch verschwöre,
Ich dennoch mit Vernunft mich blos vor dein erkläre.
Die Allmacht seegne dich in deines Vaters Haus
Und führe dich zu mir mit Wuntsch und Heil heraus
Und cröne den Beruf, worin er mich gesezet,
Mit allem, was ein Mensch vor gut und glücklich schäzet.
Du aber, werthes Kind, sey immer unbetrübt
Und glaube, daß der Herr, der fromme Seelen liebt,
Uns als ein treues Paar auch hier noch auf der Erde
Den Neidern zum Verdruß mit Wollust träncken werde.
Was wiltu doch wohl mehr in dieser eitlen Welt,
Wo Creuz und Unbestand das Bürgerrecht behält,
Was wiltu, sag ich, mehr in dieser Welt erwerben,
Als blos mit mir vergnügt zu leben und zu sterben?

[245] Als sie sich so kaltsinnig gegen ihn bezeigte

Ich weis nicht, was dir ahnt, du kalt- und loses Kind,
Daß meine Lieb und Treu so gar nicht fähig sind,
Die Güte deiner Brust auch in geringen Sachen
Mir zur Ergözligkeit recht ofenbahr zu machen.
Du sagest alles zu und hältst doch keinmahl Wort;
Wir gehn mit Lust zu dir und ziehn so traurig fort,
Als ob dein Herz noch nichts von meiner Liebe wüste
Und ich erst vierzehn Jahr wie Jacob dienen müste.
Ich weis nicht, welcher Fall dir das Gehirn verrückt
Und deinen muntern Geist in Eigensinn erstickt.
Bald geh ich mit der Furcht im Zimmer auf und nieder,
Als kämen jezt bey dir viel alte Funcken wieder,
Womit ein falsches M., das lezt auch außen blieb,
Den ersten Liebeszug dir in das Herze schrieb.
Bald aber mach ich mir von neuem Trostgedancken,
Als würd ich nur probiert und durch verstelltes Wancken
In meiner Treu geübt; bald fällt was Ärgers ein;
Weil meiner Feind jezt viel und zwar auch große seyn,
Die, da ich nie geschont, die Warheit frey zu sagen,
Mich stets auch überall mit Lästerworten schlagen,
So riße mir vielleicht ihr grob- und böser Sinn
Die Früchte deiner Gunst noch in den Blüthen hin
Und dürfte mir, an statt dein Herze zuzuneigen,
Den Eckel gegen mich in deiner Seele zeugen.
Ich weis wohl, daß dein Geist, du halb verwirrtes Kind,
Fast all' und jedes Mahl den besten Grund ersinnt,
Wenn du beschuldigt wirst, die Ohnmacht vorzuschüzen;
Ich stell es auch dahin, doch ob es dir auch nüzen
Und immer gelten wird, das lehrt einmahl die Zeit.
Ich kan zum wenigsten mit meiner Redligkeit,
Die du so schlecht erkennst, dem Himmel wohlgefallen,
Der meine Fehler trägt und mir auch noch bey allen,
Die Kunst und Ehrligkeit und Wißenschaft ergözt,
Den angenehmsten Lohn der besten Freundschaft sezt,
[246]
Und wird dich einer so wie Günther lieben können,
So will ich deiner Gunst mich gleich nicht würdig nennen.

[247] An die Phillis

Ich verschmachte vor Verlangen,
Meine Phillis zu umfangen.
Harter Himmel, zürnst du noch?
Faule Stunden, eilet doch!
Eilet doch, ihr faulen Stunden,
Und erbarmt euch meiner Noth!
Wird der Riß nicht bald verbunden,
Blutet sich mein Herze todt.
Liebste Seele, las dich finden!
Ich spaziere durch die Linden,
Durch die Thäler, durch den Hayn
In Begleitung süßer Pein;
Ich durchkrieche Strauch und Höhlen,
Such in Wäldern weit und nah
Die Vertraute meiner Seelen,
Dennoch ist sie nirgends da.
Ich beschwöre selbst die Hirten
Bey den Heerden, bey den Myrthen,
Die vielleicht der Liebe Pflicht
Um die bunten Stöcke flicht:
Wist ihr nicht der Phillis Spuren?
Habt ihr nicht mein Kind erblickt?
Kommt sie nicht mehr auf die Fluren,
Wo wir manchen Strauß gepflückt?
Die ihr alles hört und saget,
Luft und Forst und Meer durchjaget,
Echo, Sonne, Mond und Wind,
Sagt mir doch, wo steckt mein Kind?
Soll sie schon vergöttert werden,
Beth ich sie vielleicht herab,
Oder ziert sie noch die Erden,
O so reis ich bis ans Grab.
[248]
Sage selbst, entrißne Seele,
Welcher Weinberg, welche Höhle,
Welcher unbekandte Wald
Ist anjezt dein Aufenthalt?
Sage mir, damit ich folge,
Wär es auch des Nilus Strand,
Wär es auch die kalte Wolge,
Zög ich gern durch Eiß und Sand.
Weis mir nichts Bericht zu geben?
O was ist das vor ein Leben,
Das ich jezo ohne sie
Als mein Joch zur Baare zieh!
Himmel, las dir nicht erst fluchen,
Ich begehre sie von dir –
Bin ich nicht ein Thor im Suchen?
Phillis lebt ja selbst in mir.

[249] Als er ihrentwegen viel leiden muste, doch dabey nicht verzagte

Mein Herz, verzage nicht!
Die Liebe macht's mit allen so;
Ein Herz voll treuer Pflicht,
Wird ohne Gram nicht froh.
Es fällt zwar ziemlich schwer,
Eh uns das Kummermeer
Zum sichern Friedenshafen bringt;
Man zittert, seufzt und sinckt
An Muth und Sinn
In Stürmen hin,
Der Ancker reißt die Hand,
Doch wer sich zwingt und hoft, der kommt gleichwohl ans Land.
Was leid ich nicht um dich,
Du mir ins Herz geprägtes Bild!
Die Sehnsucht jaget mich
So wie ein schüchtern Wild;
Mein Schlaf ist nur ein Qualm,
Mein Lied ein Klagepsalm;
Die Angst der bangen Einsamkeit
Begräbt mich vor der Zeit,
Weil ich den Kuß
Entbehren muß,
Der so viel Lust verspricht.
Doch hof ich alles auszustehn; verlas nur du mich nicht!
Verlas nur du mich nicht,
Du Engel, deßen treuer Geist
Und holdes Angesicht
Mir noch den Troststern weist;
Der Himmel wird einmahl
Uns nach so vieler Qual
Der Hofnung Siegeskranz verleihn
Und mich durch dich erfreun.
[250]
Drum liebe still,
Wie ich auch will,
Und sieh geduldig zu;
Die Straße, so uns jezo trennt, führt unvermerckt zur Ruh.
Ich liebe meinen Schmerz,
Weil du, mein Engel, Ursach bist;
Du hast mein ganzes Herz,
Dies raubt dir keine List.
Was hilft's uns, daß man weint?
Was jezt unmöglich scheint,
Das ist gewis ein Übergang;
Der Grillenfang macht kranck.
Es rühret mich
Schon innerlich
Ein Trieb der Zärtligkeit,
Die mir dein künftiger Besiz so wie dein Nahme deut.

[251] Auf die Verlobung mit seiner Phillis

Du Engel, den mir Gott so unverhoft gesand,
Die Lust der Ewigkeit schon in der Welt zu schmecken,
Nimm hier den Abschiedskuß noch einmahl von der Hand,
Da Nerven, Zung und Mund vor Wehmuth stehn und stecken,
Und glaube, daß mein Herz in heißem Blute schwimmt,
Da unsers Umgangs Scherz so früh ein Ende nimmt.
Du weist, wie kläglich man bey diesem Riße thu,
Du siehst mich weinend an und wilst und kanst nichts sagen;
Dir schliest mein heißer Kuß die matten Augen zu,
Mir suchstu deinen Geist in Mund und Brust zu jagen.
Du wirfst mir Küße nach, ich geh wohl zehnmahl fort
Und kehre zehnmahl um und mache doch kein Wort.
Dies alles sahestu, dies aber siehstu nicht,
Mit was vor Unruh jezt mein treu Gemüthe ringe;
Denn welcher Freund mich nur bey meiner Rückkunft spricht,
Der fragt, warum ich nicht mein Leben wiederbringe.
Mein Zimmer ist nicht groß, doch ohne dich zu weit,
Und was ich hör und seh, das dient zur Bangigkeit.
Gesellschaft, Trunck und Spiel gebiehrt mir jezt nur Groll,
Die Bücher haben Ruh, kein Reim will fast mehr fließen;
Ja, wem auch meine Kunst mit Rathe dienen soll,
Der muß verwirrtes Zeug aus meiner Antwort schließen.
Mein Schlaf ist nur ein Qualm, mein Bett ein kalter Raum,
Mein Wachen aber stets ein wandelbahrer Traum.
So starck ein jährig Kind sich nach der Mutter sehnt,
So heftig brennt nach dir mein eußerstes Verlangen;
Dies macht dein kluger Kuß, der hat mich so verwöhnt,
So bald sein süßer Hauch die Freyheit weggefangen;
Dies macht dein Schönethun und ungemeiner Geist,
Als deßen Engelbrodt auf größern Hunger speist.
[252]
Zeit, Hofnung und Gedult besänftigt mich zulezt
Und giebt mir jezt ein Bild im Schatten zu betrachten;
Ich scheine bey mir selbst ins Paradies versezt
Und weis des Glückes Gunst nach Würden kaum zu achten,
Da ein von Gott und Welt so werthgeschäztes Kind
Mich unversehnen Gast auf ewig lieb gewinnt.
Ein Weib, das klug, getreu und doch auch zärtlich liebt,
Vernunft und Tugend ehrt, galant und sittsam wandelt
Und wenn ihm die Natur ein gutes Ansehn giebt,
Der Glieder Artigkeit nicht erst vom Schneider handelt,
Ein Weib von solcher Art ist warlich nicht gemein,
Doch wo sie hingeräth, da kehrt der Himmel ein.
An dir versprech ich mir den Himmel auf der Welt,
Die Eintracht unter uns soll Lebensfrüchte bringen;
Dein Wandel ist genug und mehr als Stand und Geld,
Wornach die Buhler sonst auf eignen Schaden ringen.
Dem, der dich erst geliebt und doch hernach verschmäht,
Hat warlich Gottes Zorn Vernunft und Sinn verdreht.
Darum ist nichts so schlimm, es wird zu etwas gut:
Der Meineid läst dich gehn, daß ich nur glücklich werde;
Erwege, was dabey des Höchsten Finger thut:
Wir sahn das erste Mahl einander auf der Erde,
Ich reichte dir die Hand, du drückst sie ganz gemach
Und ziehst sogleich mein Herz dir und den Schritten nach.
Ein Abend war genug, Gemüther gleicher Art
Ohn eußerlichen Staat empfindlich zu verbinden;
Wir suchten uns durch uns und nicht nach derer Art,
Die Kuppler, Mode, Geld und Eigennuz entzünden.
Ach, mein Herz – seufztest du, – ist mein Herz, fiel ich ein;
Ja nun wohlan, mein Kind, so soll es ewig seyn.
Und so verfährt auch stets die Liebe treuer Brust,
Sie hält sich außer Gott an keinen Heiratszeugen;
[253]
Ach Phillis, schüze doch die Zukunft unsrer Lust,
Ich seh sie schon voraus und muß vor Freuden schweigen.
Die Seele wird entzündt, der ganze Körper brennt
Vor Hofnung und Begier, so oft man dich nur nennt.
Die Sprache wird fast arm, die Worte fehlen mir,
Die Neigung gegen dich natürlich auszudrücken;
Mein lechzend Herze wallt und reißt mit Macht zu dir
Und läst sich einen Kuß bis auf die Zunge rücken;
Ich bin mehr dein als mein und seh mein Heil nicht an,
Als in so fern ich dich dadurch ergözen kan.
Aus Ehrfurcht sag ich dies: Du bist vor mich zu viel
Und solltest wohl vor mich gar weit was Beßers haben.
Die Schickung lacht mich an und legt die Hand ins Spiel
Und würdigt meine Schoos der Fülle solcher Gaben,
Von deren Kostbarkeit die Warheit selber spricht:
Was dieser plözlich fängt, erjagen hundert nicht.
Den meisten blendet wohl der Anstrich die Vernunft,
Doch meine Liebe sieht auf etwas mehr als Farben;
Die Klugheit zeichnet dich in ihrer Töchter Zunft,
Die reife Jugend blüht und zielt auf volle Garben.
Dein Geist, der Feuer führt, hat nöthigen Verstand,
Liebt ernstlich, kennt die Welt und spricht und scherzt galant.
Die Länge der Person gehört der Majestät,
Die Augen reizen mich, sie tausendmahl zu küßen,
Und wenn sich Ros und Schnee in vollem Busen bleht,
Bekäm auch Socrates ein schlüpfriges Gewißen;
Ja, wenn dein Freundlichthun mit Druck und Mäulchen spielt,
So schwör ich, daß das Marck die sanfte Würckung fühlt.
Was um und an dir ist, ja, was du hast und thust,
Das zaubert, zieht und zeugt Verwundrung und Ergözen;
So oft du Haus und Hof und Volck versorgen must,
Bekomm ich einen Trieb, die Wirthschaft hoch zu schäzen.
[254]
Wohin auch nur dein Fuß in Leid und Freude tritt,
Da schleicht die Augenlust so wie der Wohlstand mit.
Dein Polnisch, das mir sonst so rauh und widrig klingt,
Beschämt durch deinen Mund den Wohllaut welscher Zungen,
Indem es seine Kunst so rein und lieblich zwingt,
Als kein verliebtes Lied in Griechenland geklungen.
Wie artig stimmt bey dir nicht jede Tugend ein!
Du hast Beredsamkeit und kanst verschwiegen seyn.
Geseegnet sey hinfort der Augenblick, der Ort,
An welchem mir dein Bild das erste Mahl erschienen!
Im Geiste bin ich noch fast jede Stunde dort
Und überlege mir die Macht der ersten Mienen,
Die Macht, die stumme Macht, die dort auch auf einmahl
Frost, Unruh, bange Zeit, ja gar das Herze stahl.
Behalt den schlechten Raub, ich nehm es nicht mehr an
Und habe schon davor ein Gegenpfand bekommen;
Bewundre nur mit mir die seltne Führungsbahn,
Die unsrer Liebe Zug so wunderlich genommen.
Vielleicht wird bald der Saz aus unserm Glücke wahr:
Wo Gott vermehlt, da bringt kein jäher Sprung Gefahr.
Du bist vor meinen Fleiß der angenehmste Lohn;
Nun würd ich Unrecht thun, das Glücke mehr zu schelten.
Ich spreche neben dir den frechen Spöttern Hohn,
Und mancher soll es mir noch in der That entgelten.
Ihr Stunden, flieht und eilt und holt die goldne Zeit,
In welcher meine Treu der Phillis Myrthen streut.
Ich als ein junger Mensch, den Blut und Feuer treibt,
Gesteh es, daß ich mich auch dann und wann vergeßen;
Doch wo die Billigkeit ein wahres Urtheil schreibt,
So ist mein Fehltritt oft den Feinden beyzumeßen.
Dein Zuspruch, liebstes Kind, und freundliches Bemühn
Soll künftig noch aus mir viel gute Früchte ziehn.
[255]
Du hast ja etwas mehr als schlechten Weiberwiz
Und läst auch manchen Trieb der Ruhmbegierde blicken;
Mir zeigt die Poesie bereits den Ehrensiz,
Und darum soll ihr Kranz auch deine Scheitel schmücken,
Und wo die späte Welt von meinen Liedern hört,
Da wird auch dermahleins dein treu Verdienst geehrt.
Zwey Herzen hab ich schon, doch nicht wie dich, geliebt,
Zwey Herzen haben auch mein Hofnungsziel betrogen;
Das erste, dem man noch ein rühmlich Zeugnüß giebt,
Hat Filindrenens Fall mit in die Gruft gezogen;
Das andre wurde mir von Leonorens Hand
Durch Falschheit und Betrug wie dir dein M. entwand.
Anjezt vergeß ich leicht den doppelten Verdruß,
Die dritte, so du bist, soll auch die lezte bleiben,
Und weil dies lezte Pfand das beste werden muß,
So will ich dem davor ein ewig Dancklied schreiben,
Dem, deßen weiser Schluß mein Glücke so gefügt,
Daß keine mich so rein als du, mein Kind, vergnügt.
Ach Phillis, lis dies Blat nicht etwan obenhin,
Es ist nicht schlecht Papier, es ist mein ganz Gemüthe,
Und dies dein Eigenthum. Wenn ich zu wenig bin,
So nehm ich allen Werth von deiner Lieb und Güte.
Du hast dich mir vertraut, du hast dich mir verschenckt,
Doch du nicht, sondern der, der dieses Ganze lenckt.
Was giebt uns wohl die Welt vor Frieden und Gewinn?
Ein Leben voller Müh und täglich neue Sorgen;
Der Jugend Frühlingslust flieht als ein Traum dahin,
Und ist man endlich groß, so plagt uns jeder Morgen.
Furcht, Hofnung, Wüntsche, Gram, Fall, Feindschaft, Reu und Noth,
Dies alles giebt die Welt, und dann zulezt den Tod.
Die Liebe rechter Art versüßt noch Creuz und Gram,
Womit die Eitelkeit der Leute Seufzer mehret,
[256]
Sie ist der güldne Rest, der mit aus Eden kam,
Sie ward im Heidenthum am herrlichsten verehret,
Sie kocht aus Thränen Wein, aus Schleen Malvasier
Und jaget überall den Kummer vor die Thür.
Kind, bilde dir einmahl zwo fromme Seelen ein,
Die sich recht inniglich und wie die Kinder lieben;
Sie sind ein Herz, ein Sinn, sie singen in der Pein,
Erleichtern sich die Last, verscherzen das Betrüben;
Das Elend rührt sie nicht, viel minder Geiz und Neid,
Und wo sie gehn und stehn, da lacht Zufriedenheit.
Was meinstu zu der Eh, die solche Früchte bringt?
Nicht wahr, die Lebensart ist beßer als drey Cronen?
Was hilft der güldne Strick, der viel zusammen zwingt,
Wenn er und sie hernach bey Basilisken wohnen?
Was hilft nun jenen Freund zehntausend Schürzen Geld,
Wovon sein tummes Weib ein Duzend Schwäger hält?
Vergiß nun, liebster Schaz, den schändlichen Betrug,
Der ehmahls deiner Brust, wie billig, nah gegangen;
Der durch dies Herzeleid erfüllte Thränenkrug
Wird von des Himmels Thau Vergnügungsperlen fangen.
Du solt den Unterschied von Treu und Falschheit sehn,
Und darum lies der Herr den ersten Riß geschehn.
So lange nur mein Blut und deine Treu noch lebt,
So lange soll uns wohl kein hart Verhängnüß trennen,
Und was aus Eifersucht der Liebe widerstrebt,
Dem müße die Natur kein ruhig Alter gönnen.
Ich weis, ich dringe durch, so sehr die Misgunst kämpft,
Weil Lieb und Wachsamkeit die stärcksten Feinde dämpft.
Da niemand auf der Welt sein Ende wißen darf,
So muß ich, wenn es kommt, mich auch getrost bequemen;
Verführe nun, mein Kind, die Schickung gar zu scharf,
Mir, eh ich dich erlangt, den Geist zurück zu nehmen,
[257]
So machte mir sonst nichts das Sterben hart und schwer,
Als weil ich weis, wie mir bey deiner Leiche wär.
Inzwischen soll dies Blat ein frey Bekäntnüß thun:
Ich sterbe, wie und wo und wenn es Gott beschloßen,
So sterb ich dir getreu und will noch sanfter ruhn,
Da ich der erste bin, der deiner recht genoßen;
Dein Herze wäre mir der schönste Leichenstein,
Die Aufschrift dieser Spruch: Auch noch im Grabe dein.
Und wo hernach dein Geist in neue Flammen brennt,
So thu dir selbst so wohl und wehle meines gleichen,
Ich meine so ein Herz, das dein Verdienst erkennt,
Vor deßen Tugenden des Landes Töchter weichen,
Und glaube, daß sich auch, lebst du nur friedensvoll,
Die Asche meiner Gruft vor Freuden regen soll.
Doch sollte mir dein Grab (der Himmel sey davor!)
Den völligen Besiz der liebsten Braut entwenden,
So trüg ich ganz gewis nicht lange Wittwerflor,
Es würde selbst der Schmerz mich bald zu Grabe senden,
Und eh noch dies geschäh, so müst ich einsam gehn
Und wie verscheuchtes Wild in Klüften ächzen stehn.
Ich trau es dir nicht zu, doch brächestu den Bund
Aus Wanckelmuth und Lust, was Neues zu erwehlen,
So schlügstu dich gewis durch eigne Nachreu wund,
Mein Schatten würde dich sogar im Schlummer quälen,
Und gleichwohl blieb ich noch der Falschheit so getreu
Und bäthe durch mein Flehn dich von der Rache frey.
Was aber thu ich dir aus blinder Furcht so weh?
Was red ich von Betrug, von Moder, Furcht und Baare?
Vergieb mir, daß ich mich aus Zärtligkeit vergeh;
Der Himmel ist dir hold, drum schenckt er uns noch Jahre.
Er droht mir zwar das Grab, doch wo? In deiner Schoos.
Was fällt wohl lieblicher als so ein Gnadenlos?
[258]
Ach, freue dich, mein Kind, zu voraus auf den Tag,
Von dem ich künftighin des Lebens Anfang zehle;
Ach, daß ich dich doch nicht sogleich umfangen mag!
Du glaubst nicht, wie mich schon die treue Sehnsucht quäle.
Alsdenn, gedenck an mich, wird Phillis erst gestehn:
Wo jemand küßen kan, so küst wohl Philimen.
Kind, Engel, Schwester, Schaz, Braut, Taube, Freundin, Licht,
Mein Stern, mein Trost, mein Herz, mein Ancker und mein Leben,
Ach, sage doch, wie man recht nett und zierlich spricht,
Die Liebe will dir gern den besten Tittul geben,
Die Liebe, so nach dir, was schön ist, prüft und schäzt
Und deines Nahmens Zug mit Freudenthränen nezt.
O was vor Inbrunst, Schaz, o welch entzückend Spiel
Wird um uns, zwischen uns die vollen Mäulchen würzen!
Die Liebe thut ohndem des Guten nicht zu viel
Und kan die edle Zeit am nüzlichsten verkürzen,
Und wie man vom Gebeth und von der Arbeit spricht,
So hindert Lieben auch Amt, Fleiß und Sorgen nicht.
Ich will mich als dein Mann nach Buhlerart bemühn,
Dir täglich größre Gunst und Neigung abzuheucheln;
Die Stunden sollen uns wie Augenblicke fliehn,
Mit Klugheit will ich dir, du mir mit Demuth schmeicheln,
Und werden wir dereinst beysammen schwach und grau,
So wird der Leiber Blut, doch nicht die Regung lau.
Wie freudig will ich dann nach vielen in der Welt
Mit dir, geliebtes Kind, vollbrachten Friedensjahren,
Sobald das lezte Korn durch meinen Seiger fällt,
An deiner treuen Brust zu meinen Vätern fahren;
Alsdenn versüße mir den Gang zur lezten Ruh
Und drücke durch den Kuß mein brechend Auge zu.
Doch nein, den lezten Dienst von so betrübter Pflicht
Vermag dir meine Treu unmöglich zuzumuthen;
Du liebst mich gar zu sehr, und darum will ich nicht,
[259]
Daß deine Kräfte sich bey meiner Gruft verbluten;
Denn gönnte dir mein Herz im Leben keine Pein,
So soll mein Leichnahm auch daran nicht Ursach seyn.
Der, so die Liebe selbst und aller Vater ist,
Beweis einmahl an uns ein Wunder von Erbarmen
Und hole, wenn nun du der Erden müde bist,
Uns beiderseits zugleich einander aus den Armen,
Damit nur nicht die Angst getrennter Raserey
An dem, was übrig bleibt, der Liebe schimpflich sey.
Damit sey unbetrübt und nimm dich wohl in Acht,
Erkenne, wie du thust, des weisen Schöpfers Willen;
Er hat uns unverhoft einander zugebracht,
Er wird auch sonst sein Werck an unserm Glück erfüllen.
Auch lerne, daß nur der die reichsten Schäze gräbt,
Der Gott und Nechsten liebt und stets zufrieden lebt.
Inzwischen schleus mich stets in Andacht und Gebeth;
Ich opfre vor dein Heil mit früh und späten Zähren.
Verliebten geht es zwar des Anfangs sehr verdreht,
Doch muß der Übergang der Tugend Lust gebähren,
So wie nach Frost und Eiß, das jezt die Saaten drückt,
Ein grünes Frühlingskleid die Felder wieder schmückt.
Ich küße durch die Luft Mund, Auge, Brust und Hand
So zärtlich, als mich nechst dein stiller Schenckel drückte,
Als unsre Liebe sonst kein Redezeichen fand,
Weil mancher neben uns mit Vorwiz hört' und blickte.
Jezt, da mir Schlaf und Frost die Finger müde macht,
So wüntsch ich weiter nichts als eine gute Nacht.

[260] Als er der Phillis einen Ring mit einem Todtenkopfe überreichte

Erschrick nicht vor dem Liebeszeichen,
Es träget unser künftig Bild,
Vor dem nur die allein erbleichen,
Bey welchen die Vernunft nichts gilt.
Wie schickt sich aber Eiß und Flammen?
Wie reimt sich Lieb und Tod zusammen?
Es schickt und reimt sich gar zu schön,
Denn beide sind von gleicher Stärcke
Und spielen ihre Wunderwercke
Mit allen, die auf Erden gehn.
Ich gebe dir dies Pfand zur Lehre:
Das Gold bedeutet feste Treu,
Der Ring, daß uns die Zeit verehre,
Die Täubchen, wie vergnügt man sey;
Der Kopf erinnert dich des Lebens,
Im Grab ist aller Wuntsch vergebens,
Drum lieb und lebe, weil man kan,
Wer weis, wie bald wir wandern müßen!
Das Leben steckt im treuen Küßen,
Ach, fang den Augenblick noch an!

[261] Auf seine Liebste in Bischdorf

So wist einmahl, ich bin verliebt,
Und zwar in so ein Kind,
Das mir erst Lust zu leben giebt,
So schwer die Zeiten sind.
Sein Kuß ist meiner Seelen Kraft
Und hat an süßer Glut
Fast aller Schönen Eigenschaft,
Nur nicht den Wanckelmuth.
Es schwächt mir weder Geist noch Leib,
Das denen sonst geschieht,
Die Amors stiller Zeitvertreib
Am Narrenseile zieht;
Es redet mir in Lust und Leid
So klug als freundlich ein
Und läst mich in der nechsten Zeit
Des Unsterns Meister seyn.
Weicht, Eltern, Gönner, Glück und Freund,
Weicht, sag ich, immerhin,
Ihr habt es nie so treu gemeint,
Als ich euch jezt noch bin;
Indeßen, da euch vor mir graut,
So lern ich euch verschmähn
Und dencke, mit der neuen Braut
Mich beßer zu versehn.
Ach Hofnung, ach du Engelsbild
Und meiner Güter Rest,
Ach, komm und küß und bleib mein Schild,
Da alles schlägt und preßt.
Komm, flicht uns unsern Hochzeitschmuck
Von deinem Wintergrün!
Der Tod, sonst nichts, ist starck genug,
Ihn wieder aufzuziehn.

[262] An Mademoiselle H – – F – –, als er sich den Tag vorher mit der Phillis versprochen hatte

Meide doch nur meine Blicke,
Du vor mich gefehrlichs Kind,
Weil sie nur Versuchungsstricke
Und der Nachreu Neze sind.
Phillis herrscht in meinem Herzen
Und begehrt dies Reich allein,
Darum darf kein fremdes Scherzen
Und kein neuer Trieb hinein.
Ich gesteh ohn alle Sünde:
Dein Gesicht ist liebenswerth,
Weil ich viel darinnen finde,
Was die klugen Geister nährt.
Wären mir der Phillis Küße
Auch im Finstern nicht bekand,
Hätt ich deinem sanften Biße
Gleich die Freyheit zugewand.
Himmel, schränckstu auch die Liebe
Durch der Menschen Sazung ein?
Dürften denn die zarten Triebe
Nicht in viel zertheilet seyn?
Sehen muß man, auch begehren
Und gleichwohl zurücke stehn;
Pflegstu doch mit Hund und Bären
Viel gelinder umzugehn.

[263] An seine Braut

Deine Schönheit, kluges Herze,
Ist kein schlecht und flüchtig Gut,
Das uns mit verbothnem Scherze
Zu den Sünden Vorschub thut,
Wenn sich unsrer Lüste Kraft
An geschminckter Haut vergaft.
Da ich dich recht kennen lerne,
Klag ich meine Thorheit an,
Die bey manchem Unglückssterne
Mir die Augen aufgethan
Und die Blüthen junger Zeit
Mancher Delila geweiht.
Deine rein- und wahre Liebe
Macht den Anfang meiner Reu.
Packt euch fort, ihr bösen Triebe
Der verbuhlten Tyranney!
Marianens Tugendglanz
Windet mir den Unschuldskranz.
Dies Gemüthe soll auf Erden
Meines Ehstands Himmel seyn
Und mir unter viel Beschwerden
Zuflucht, Rath und Trost verleihn,
Bis ihr treuer Abschiedskuß
Auch den Tod erleichtern muß.
Ach, was blüht mir vor ein Glücke,
Da mich so ein ehrlich Kind
Unter Feinden, Gram und Tücke
Sonder Eigennuz gewinnt;
Da sie mir den Schwur gethan,
Fang ich erst zu leben an.
[264]
Nehmt, ihr Stunden, nehmt doch Flügel,
Nähert mir das holde Licht,
Das mir auf der Lippen Siegel
Völligen Besiz verspricht;
Melde dich, gewüntschter Tag,
Da die Keuschheit scherzen mag.
Warthe nur, du schöner Engel,
Mit gelaßner Zuversicht!
Hab ich als ein Mensch gleich Mängel
Hab ich doch die Falschheit nicht;
Gottes Aug und meine Hand
Bürgen vor den Unbestand.
Sollt ich auch in schlechten Hütten
Mich um Salz und Brodt bemühn,
Wird der Umgang deiner Sitten
Dennoch mich zur Wollust ziehn;
Die Gesellschaft deiner Brust
Macht die gröste Noth zur Lust.
Meine Freundin, meine Taube,
Meine Schwester, ja mein Ich,
Liebe, leide, schweig und glaube,
Das Verhängnüß beßert sich,
Und sein Rathschluß crönt forthin
Kurze Qual mit viel Gewinn.

[265] Als die Phillis zu Waszer verreisen wollte

Du hast mich klug genug probiert
Und kennst, mein Kind, mein zärtlich Lieben;
So scharf du mich herum geführt,
So fest ist Wuntsch und Treu verblieben,
Da nichts als Phillis in der Welt
Mir noch die Sterbenslust vergällt.
Aus dieser süßen Redligkeit
Entspringt nunmehr mein traurig Wesen;
Du fühlst ja wohl mein zitternd Leid
Und kanst es aus der Stirne lesen.
Was macht es? Dein verwegner Schritt,
Der hurtig an das Ufer tritt.
Dein Abschied lockt dich auf das Meer;
Ich dörfte dich bald thöricht nennen.
Wo nimmstu das Vertrauen her?
Du must das Waßer noch nicht kennen;
Ach, hat man dir noch nicht erzehlt,
Was Hero vor ein Grab gewehlt?
Die Trennung thut mir freylich weh,
Doch fürcht ich mehr um deinetwegen.
Was wird dir nicht die wilde See
Vor Eckel, Schmerz und Angst erregen,
Wenn Wetter, Sturm und Bliz und Nacht
Compaß und Mast zu Schanden macht!
Geh in dich, allerliebster Schaz,
Und untersuche dein Gewißen;
Hier ist der Rache Richterplaz,
Hier muß der kleinste Meineid büßen.
Wer weis, wie oft auch meine Treu
Von dir bisher beleidigt sey!
[266]
Ist aber ja kein Halten mehr,
So seegle mit geneigten Winden!
Der Himmel giebt auch mir Gehör,
Du wirst den Hafen glücklich finden;
Doch, Engel, denck auch stets an den,
Den Stern und Ufer warthen sehn.

[267] An Phillis

Heist dies mein Brüderchen? Sind dies die Sehnsuchtstriebe,
Mich, wie du selber schreibst, von Herzen gern zu sehn?
Ach Gott, was leidet nicht die Unschuld meiner Liebe,
Da bald der erste Sturm so schwer und hart geschehn.
Ich lerne Wetter, Neid, Gefahr und Weg verlachen,
Ich unterbreche selbst der krancken Glieder Ruh
Und eile, dir nur bald die frohe Lust zu machen,
Durch Näße, Frost und Eiß getrost nach Pitschen zu.
Ich komme, suche, steh und frage mit Verlangen.
Umsonst! Mein Kind ist weg und läst mich in der Noth.
Was meinstu, was mich hier vor Unmuth übergangen
Und was vor Herzensangst mir fast das Grab gedroht!
Es blieb mir noch der Trost, dich bald daheim zu sprechen;
Du kommst, ich komme nach, allein zu größrer Qual,
Du must dich oder wilst dich meiner selbst entbrechen
Und gönnest mir sogar nicht einen Friedensstrahl.
Ich schleiche dort und da, ich lausche, seh und höre,
Ich warthe Spiel und Tisch mit Furcht und Hofnung aus,
Dein Haus erzeigt mir auch viel Höfligkeit und Ehre,
Doch da ich dich nicht seh, so ist's mein Marterhaus.
Die Bißen wachsen mir vor Wehmuth in dem Munde,
Ich trinck am Biere Gift und werde roth und bleich,
Indeßen klingt der Schlag der späten Abschiedsstunde,
Da rührt mich allererst der schärfste Donnerstreich.
Der Schwindel trift das Haupt, die Glieder sind geschlagen,
Das Herze schlägt und wallt erbermlich in die Höh,
Die Schenckel können kaum den schwachen Leib mehr tragen,
Und was in ... ist, das macht mir heimlich weh.
Ach, Engel, hastu dich mir nur aus Scherz entzogen,
So wiße, dieser Scherz heist gar zu scharf probiert,
[268]
Der, den du allbereits durch andre Qual gebogen,
Verdient nicht, daß man ihn in solche Schulen führt.
Es nagt und wühlet mir die stumme Furcht im Herzen,
Du dürftest etwan selbst aus Wanckelmuth entfliehn;
Ist dieses nur nicht wahr, so will ich gerne scherzen
Und, was sonst Knoten macht, gar leicht zu rechte ziehn.
Ich bitte dich, mein Schaz, um unsrer Küße willen,
Um alles, was du liebst und was dir Ruh gebiehrt,
Las ja kein fremdes Herz die schöne Brust erfüllen,
Die schon in dir mein Bild und meine Neigung führt.
Gesezt, du nähmest auch den reichsten Kerl auf Erden
Und hättest Stand und Ruhm und alles obendrauf,
Mein Lieben würde dir doch nicht bezahlet werden,
Du machtest dir hernach den schwersten Lebenslauf.
Du köntest meiner doch nicht ganz und gar vergeßen,
Ich wäre dir hernach der Brunnquell steter Pein,
Es würde Wilhelmsdorf dir oft das Herze freßen
Und in der neuen Eh dir oft die Hölle seyn.
Wo sind wohl derer viel, die mit Vernunft und Lieben
Das Elend dieser Welt zu lindern recht verstehn?
Wo sind die, die wie ich in allem treu geblieben
Und bey der Heirat blos auf Herz und Tugend gehn?
Man mag mich immerhin vor allzu zärtlich halten,
Ich suche keinen Ruhm als in der Redligkeit,
Die hab ich von Natur, die soll mit mir veralten,
Die ist mein Hochzeitschmuck und auch mein Leichenkleid.
Ich liebe dich um dich, der Himmel kennt mein Herze,
Und schäze blos an dir Person, Verstand und Treu
Und scheue nichts so sehr als dieses Argwohns Schwärze,
Daß blinder Eigennuz der Liebe Zunder sey.
[269]
Komm, kanstu anders nicht, sogar im gröbsten Kittel,
Du bist mir doch so lieb und bleibest stets mein Kind;
Fleiß, Wirthschaft und Verstand entdecken schon noch Mittel,
Wodurch man in der Welt sein ehrlich Brodt gewinnt.
Der Bund ist unter uns von hoher Hand geschloßen,
Du warest mir durch Gott vom Glücke zugeführt,
Und darum spotte nur der eitlen Modepoßen,
Die jeden Hochzeittag mit ihren Grillen ziert.
Ach Engel, soll ich dich in fremden Armen laßen,
So reiße mich der Tod nur in zuvor dahin
Und gebe mir den Sarg vor deinen Leib zu faßen,
In dem ich doch fast mehr als in mir selber bin.
Wer kan dich, sage mir, von meiner Seite zwingen?
Dein Vater? Nein. Nur Gott, sonst niemand auf der Welt.
Du must nur widerstehn und voller Großmuth ringen,
Bis Lieben und Bestand den Siegeskranz behält.
Ach, lerne freundlich thun und girren, seufzen, weinen,
Des wackern Vaters Herz wird wohl nicht eisern seyn,
Er ist ja auch ein Mann, von dem die Klugen meinen,
Er habe Geist, Verstand und seh die Warheit ein.
Er trägt dein Fleisch und Blut und kan nicht grausam handeln;
Ach, stell ihm unser Herz mit Ernst und Demuth für,
Er wird den Widerspruch in Gütigkeit verwandeln
Und führt dich, wie ich hof, mit Seegen selbst zu mir.
Ficht alles wider uns, so greif ich zu den Wafen,
Womit ein jeder Christ den harten Himmel stürmt,
Und gegen Narrenrath wird der mir Recht verschafen,
Der alle Thorheit wirft, die Berg und Felsen thürmt.
Bist du mir stets getreu, so kan es mir nicht fehlen;
Verliebten wird ja stets der Anfang schwer gemacht,
[270]
Sie müßen in der Angst viel lange Stunden zehlen,
Eh noch die rechte kommt, die Wein aus Waßer macht.
Bedencke auch nur dann das himmlische Vergnügen
Nach überstandner Noth und hingelegter Pein;
Wie werden wir dann nicht auf Anmuthsrosen liegen
Und eins des andern Lust und wahre Freude seyn!
Der Himmel wird uns noch dies Glücke nicht versagen;
Bleib du nur ewig mein und gieb auf keinen Stoß
Und las dich kurze Zeit um meinetwegen plagen,
Ich bethe dich gewis von allem Kummer los.
Ach Phillis, steh dir doch nicht etwan selbst im Lichten,
Du weist nicht, wie so weh verliebte Nachreu thut;
Kan ich vor deine Treu kein Widergelt entrichten,
O so entricht es dir das allerhöchste Gut.
Jezt wende deinen Wiz, Erfindung, Geist und Kräfte,
Erfahrung und Verstand zu klugen Mitteln an
Und sinne Tag und Nacht auch unter dem Geschäfte,
Wodurch wohl unser Heil am besten wachsen kan.
Die Liebe wird dich schon am besten alles lehren,
Was etwan hier zu thun und noch zu sagen ist;
Die Unruh läst mich nicht der Wörter Zahl vermehren,
Nur mercke, fehlt Gewalt, so brauche Rath und List.
Zum Schluße wüntsch ich dir von meines Gottes Güte,
So viel dein Wohlseyn Rath und Hülf und Trost begehrt,
Und hofe starck und fest, du bleibst bey dem Gemüthe,
Dem einmahl deine Brust ihr bestes Pfand gewährt.
Nur schone dir, mein Kind, Gesundheit, Stärck und Leben
Und nimm den werthen Leib durch keine Sorgen mit;
Du solst mir noch einmahl die Jugend wiedergeben,
Die jezo voll Verdruß und Qual zurücke tritt.

[271] Der Unterscheid jeziger Zeit und der Jugend

Vor diesem dacht ich mit der Zeit
Ein groß und vornehm Thier zu werden,
Ich sucht in Kleidung und Gebehrden
Vor allen einen Unterscheid;
Ich sann viel Staatsstreich auszuführen,
Vergafte mich am Mazarin
Und grif mit feurigem Studiren
Nach Palmen, die den Klügsten blühn.
Immittelst nahm mein Alter zu,
Die Jugend gab mir viel zu wißen,
Ich ward durch manchen Fall gerißen
Und sucht ein Leben ohne Ruh.
Ich sah in klein- und großen Ständen
Viel Kummer, Thorheit, Pein und Neid
Und grif nunmehr mit beiden Händen
Das Gauckelspiel der Eitelkeit.
Wo ist denn nun mein Ehrgeiz hin?
Wo sind die flüchtigen Gedancken,
Womit ich oftmahls aus den Schrancken
Gemeines Glücks geflogen bin?
Es reizt mich kein berühmter Tittel,
Es rührt mich weder Hof noch Pracht,
Ich finde, deucht mich, viel im Kittel,
Was kluge Seelen glücklich macht.
Dies, große Weißheit, danck ich dir,
Dies danck ich dir, du süße Liebe;
Durch eure Lust, durch eure Triebe
Erfind ich selbst mein Glück in mir.
Bleibt Phillis mir nur treu ergeben,
So ficht mich wohl kein Wuntsch mehr an,
Als daß ich mit ihr ruhig leben
Und einmahl freudig sterben kan.

[272] Auf die Phillis

Liebe, mindre doch die Plagen,
Denn ich kan sie kaum mehr tragen,
Und die Kräfte treuer Brust
Schwinden unter Schmerz und Lust;
Oder binde mir so lange
Durch den Schlummer Geist und Sinn,
Bis ich meinen Schaz umfange,
Dem ich längst versehen bin.
Jezo lern ich erst empfinden,
Was dein heimliches Entzünden
Bey so schwerer Sclaverey
Vor ein grausam Leiden sey.
Vormahls dacht ich auch im Herzen,
Ich erkennte deine Macht,
Aber dies' und jene Schmerzen
Sind vorwahr wie Tag und Nacht.
Filindrene war mir günstig,
Leonore gut und brünstig,
Und von beiden lidt ich viel,
Jezo nenn ich's Kinderspiel.
Filindrenens frühe Leiche
Lockte mir bey Sarg und Grab
Wie der andern falsche Streiche
Manchen Fluch und Thränen ab.
Phillis läst mich kaum drey Morgen
Zwischen Hofnung, Furcht und Sorgen,
Und ich schleiche durch den Thau,
Schon vor Unmuth bleich und grau,
Garthen, Wald, Camin und Linde,
Alles macht mich noch betrübt,
Was mir von dem lieben Kinde
Ein Erinnrungszeichen giebt.
[273]
Ist mir doch die Welt zu enge,
Macht mir doch das Feld gedränge,
Und mein mürrisch Angesicht
Lacht dem besten Freunde nicht.
Unser Südwind hat die Stärcke
Von den Seufzern meiner Angst,
Die du, Phillis, wie ich mercke,
Noch mit Fleiß von mir verlangst.
Phillis, Phillis, komm doch wieder,
Sonst verlieren Geist und Lieder
Das Vermögen und die Kraft,
Die dir viel Ergözung schaft.
Licht und Schatten macht die Farben
Und dein Blick mein Wohlergehn;
Muß ich deßen Einfluß darben,
Kan ich nimmermehr bestehn.
Meine Kunst ist hier nichts nüze;
Ob ich bey dem Fieber schwize
Oder mich des Raths verzeih,
Beides ist mir einerley.
Sollt ich dich nur sehn und rühren,
Und erwärmte mich dein Mund,
Würd ich ohne Zeitverlieren
Auf den ersten Kuß gesund.

[274] Als er von seiner Phillis Abschied nahm

Wiltu mir dein Angedencken
Nur noch mit zur Reise schencken,
Geh ich auf ein schweres Wort
Noch einmahl so freudig fort.
Solche Wunden müßen schmerzen,
Wenn die Qual zerrißner Herzen
Mit der lezten guten Nacht
Aus den Küßen Seufzer macht.
Daß ich dich ins Blut geschrieben,
Das bezeugt mein treues Lieben,
Deßen angenehmer List
Deine Freyheit dienstbahr ist.
Deiner Augen scharfe Blicke
Sind die unsichtbahren Stricke,
Die du mir ans Herz gelegt,
Das mir jezt vor Wehmuth schlägt.
Zung und Sprache stockt im Munde,
Da des Abschieds schwere Stunde
Wie ein Schlag von Donner klingt
Und mich mit Verdruß umringt.
Ach, was werden meine Sinnen
Vor Gefahr und Angst gewinnen,
Wenn mich dein entfernter Geist
Nur mit bloßen Träumen speist.
Unterdeßen muß ich leiden,
Was mir Glück und Zeit bescheiden;
Dieser Schmerzen und Verdruß
Hat den ganzen Trost: Ich muß.
[275]
Ja, ich muß, doch wider Willen;
Halt dich also nur im Stillen
Und erwarthe, bis ein Tag
Unsre Liebe crönen mag.
Bis mich Sarg und Staub umfangen,
Bleibt nur Phillis mein Verlangen,
Und die Dauer meiner Treu
Schläft mir noch im Grabe bey.
Läst auch du dich nicht verführen,
Soll mich diese Grabschrift zieren:
Dieses hier verscharrte Blut
Hegt noch in der Asche Glut.

[276] An die Phillis

Von Liegniz aus


Wiltu zürnen, liebstes Kind,
Ach so zürne mit dem Glücke,
Deßen Unrecht, Zorn und Tücke
Unsrer Trennung Ursach sind;
Zürne gar mit meinem Herzen,
Das vorhin in Stücken bricht,
Ich verbeiße gern die Schmerzen,
Fluche nur der Liebe nicht!
Fluche nur der Liebe nicht!
Was dein zärtlich Fleisch erduldet,
Hat sie warlich nicht verschuldet,
Ob es gleich die Misgunst spricht.
Mein Verhängnüß, nicht dein Küßen,
Hat dich in den Gram gesezt,
Der mein redliches Gewißen
Zwar betrübt, doch nicht verlezt.
Daß du mir als meine Braut
Auf ein keusches Widerstreben
Seele, Geist und Brust gegeben
Und mir, was du hast, vertraut,
Ist so wenig eine Sünde
Als mein Kuß ein Judaskuß,
Ob ich gleich von meinem Kinde
Unverhoft entrinnen muß.
Glaube, daß ich mir dein Weh
Und der Thränen Meng und Schärfe
In mir selbst mit Angst entwerfe,
Wenn ich jezt zurücke geh
Und den süßen Bund bedencke,
Den wir bey erfolgter Nacht
Ohne Kuppler, List und Räncke
Mit Entzückung fest gemacht.
[277]
Was vor keusche Zärtligkeit
Sog ich aus dem lieben Munde,
Dem es etwan diese Stunde,
Aber mir zur Angst, gereut!
Was vor hiziges Entzücken
Gab nicht dort die Jahrmarcktslust,
Wo du mich mit naßen Blicken
Um das Thor verlaßen must!
Himmel, ach, gedenck ich dran,
Was ich damahls vor Gelübde,
Als uns Neid und Spott betrübte,
Und wie viel ich sonst gethan,
Du erhörtest auch die Liebe
Und bedrohtest die Gefahr,
Die bey unserm heißen Triebe
Anfangs zu besorgen war.
Nunmehr hatt ich schon die Ruh;
Hofnung, Sehnsucht und Verlangen,
Dich nun völlig zu empfangen,
Eilten nach dem Hafen zu.
Phillis flocht bereits die Myrthen,
Aber, ach, du Donnerwort,
Eh sie noch mein Haupt umgürthen,
Muß ich sonder Abschied fort.
O wie manche, manche Nacht
Wird mir noch auf harten Küßen
Diese Glieder wälzen müßen,
Die du einmahl hoch geacht,
Die du sonst so schön gepriesen
Und so zärtlich angedrückt,
Daß es noch die Abendwiesen
Und den jungen Hayn erquickt!
Sprich verächtlich, fluche, schilt,
Reiß, verbrenne meine Lieder,
[278]
Rufe deinem Menling wieder,
Der vielleicht noch immer gilt!
Las dir nichts von mir mehr taugen,
Ja, verfolge mich mit List –
Phillis bleibt in meinen Augen,
Was sie stets gewesen ist.
Was du stets gewesen bist,
Meine Braut und mein Vergnügen,
Das mir durch ein grausam Fügen
Jezt zur Marter worden ist,
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Himmel, der du mich erkennst,
Der du alles siehst und richtest,
Der du alles weist und schlichtest,
Der du bindest und zertrennst,
Werd ich nicht von deinem Schluße
Mit Gewalt davon gejagt,
O so werde meinem Fuße
Ewig seine Ruh versagt.
Ja, ich sage, macht der Tod
Meiner Brust mehr Furcht und Plage,
Als ich ihrentwegen trage,
Da ihr manches Wetter droht,
O so werde mein Geblüte
Nach und nach durch Gram verzehrt;
Doch ich weis schon, mein Gemüthe
Ist wohl etwas Beßers werth.
O wie manch galantes Kind
Wird mit mir noch Mitleid haben,
Wenn wir beide längst begraben
[279]
Und mehr Staub als Knochen sind!
O wie manche wird das Leiden,
So du meinetwegen fliehst,
Als ein rühmlich Creuz beneiden,
Dem du dich aus Groll entziehst!
Schröckt dich nun mein Elend ab
Und versagstu mir auf Erden
Alle Hofnung, dein zu werden,
So erwarthe nur mein Grab.
Nachmahls solstu sehn und hören,
Doch vor dich bereits zu spät,
Daß auch die mein Lob verehren,
Die mich jezt aus Neid geschmäht.

[280] Die schöne Grausamkeit

Aria.

Hat die Schönheit kein Erbarmen,
O so hab es doch der Tod!
Liebe, las mich Gunst erwerben
Oder noch mit Unschuld sterben,
Eh mein Kind in fremden Armen
Meiner Angst den Selbstmord droht.
Da Capo.
Recitat.

So lache nur, verstockter Sinn,
So spotte nur, du schöne Neiderin,
Und mache dir durch meine Thränen
Das Maas der Sünden voll!
Es wird der reine Liebeszoll
Ein Wucher deiner Strafen werden.
Genug geseufzt, genug, genug geplagt!
Die Ruh, so mir dein Schoos versagt,
Erhalt ich in der Erden.
Wer weis, wie bald der Tag erscheint,
An welchem deine Reu
Die Grausamkeit nachdrücklich rächen müße.
Der Fall verfolgt die Tyranney.
Hier ist der lezte Mund voll Küße,
Hier nimm sie durch den Westwind ein,
Sie werden heiter seyn
Und nächtlich um dein Lager schwermen.
Alsdenn so hilft dich gar kein Lermen,
Alsdenn wird auch dein Flehn
Auf meinen Grabesstufen
Den treuen Geist vergebens wiederrufen;
Und läst er sich ja wieder sehn,
So soll es anders nicht
Als durch ein Traumgesicht
Und blos zu deiner Qual geschehn.
[281] Aria.

So sincket, ihr verschmähten Glieder,
Schlagt Anionens Herze weich!
So sinckt und schlagt ihr das Gewißen!
Sie wird zu spät erfahren müßen,
Es gäb ihr Amors großes Reich
Dergleichen treuen Knecht nicht wieder.
Da Capo.

License
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TextGrid Repository (2012). Günther, Johann Christian. Phillis. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-25B7-0