[212] Fünfter Zeitraum
(Thor vor Mekka. Freier Platz, zur Seite Gezelte, im Hintergrunde das Thor von Mekka.)
Die beiden Chöre.
Komm, Nahlid! und höre, ein großes Unglück bedroht mich. Sofian, mein Vater, will Frieden schließen mit dem Propheten, mich fodert er zum Unterpfand des Vereins; und kannst du es glauben? Mahomed willigt in den Vertrag.
Glücklich wäre ich, könnte ich noch den kleinsten Zweifel haben, ja ich wollte gerne sterben, wüßte ich nicht, wie bereitwillig er ist, mich aufzuopfern. Er will nur herrschen, mag auch die Welt darüber zu Grunde gehen, das kümmert ihn nicht. – O Himmel! verzeih, daß ich den Propheten lästere; doch meine Seele ist zu schmerzlich gegen ihn erregt.
Hast du vergessen, daß es für ihn keinen Widerspruch giebt? Noch ist ihm alles gelungen, noch hat er immer gethan, was er wollte, er wird [214] es heute nicht verlernen, er wird mich zurücksenden, und ich werde verzweiflen, sterben vor Betrübniß.
Nahild.
Ich schwöre dir bei dem Engel des Paradieses, Mahomed soll dich nicht zurücksenden, ehe sterbe ich, ehe ich dieses dulde.
Halima.
Nein, Nahlid! du sollst nicht sterben, du bist so gut, und ich liebe dich auch, doch nicht so, wie du es verdienst, denn meine Seele ist so erfüllt von Anbetung und Liebe für den Seher.
Nahild.
O! das weiß ich wohl, seiner gedenkst du, und immer nur seiner, dein Herz hat keinen Raum für mich, das ist der Todesengel, der neben meinem Leben daher tritt. Warum bin ich nicht gefallen mit meinen Kampfgenossen in unsern Schlachten? Warum bin ich nicht begraben bei Bedr?
Sey getrost, für dich lebe ich, für dich will ich sterben. Geh! ich suche den Mahomed, bald ist dein Schicksal entschieden.
(Die Chöre und beide ab.)
Omar, Ali.
Es waren Gesandte des Königs Nejus von Habesch, sie brachten dem Propheten Gruß, Freundschaft und Geschenke.
Omar.
Ich habe mit Obeida's Hülfe die Stämme Thaab und Aum überwunden; aber meine Thaten genügen mir nicht, ich beneide euch um die Siege bei Bedr und Rawina.
Ali.
Es waren zwei große Tage. Bei Rawina waren fünf Völker gegen uns, aber Mahomeds Schwerdt war wie ein zehrendes Feuer; Zaid, Zobair, Abu-Bekr, Hamza und andere kämpften wie Löwen und der Sieg war unser.
Die Rache des Himmels hat ihn ereilt, Abdohla's gutes Schwerdt sandte ihn zur Hölle; aber auch Hamza, der edle Hamza, mußte den Sieg bei Rawina mit dem Leben erkaufen.
Ja, doch nicht mit dem Schwerdt, er ist ein Moslem geworden, besiegt von Mahomeds begeisterten Reden.
Omar.
Wahrlich! Mahomed ist der Sohn des Glückes. Wenn ich an jenen Tag zurückdenke, an dem er ohne Mittel, ohne Freunde, ein verbannter Flüchtling, den ungeheuern Einfall hatte, Arabien zu erobern, mein Geist widerstrebte damals diesen abentheuerlichen Gedanken, aber seine Beredsamkeit [216] hielt meine Zweifel gefangen, und nun ist es ihm doch gelungen, was der Welt und Nachwelt unmöglich scheinen muß; Arabien hat sich ihm unterworfen, er muß sich selbst darüber wundern.
(Mahomed, das erste Chor und kriegerisches Gefolge kommen von der einen, Othmann, Tarrik, Zobair und Saad von der andern Seite, die Vorigen.)
So stehn heute zehntausend rüstige [217] Streiter versammelt, um Mekka zu besiegen. Seht, Freunde! so groß und mächtig hat Gott seinen Propheten gemacht, darum verzagt nicht, was ich euch auch befehlen werde. – Wisset, der große Tag ist angebrochen, an welchem wir unsere Siegerfahne auf der geweihten Kaaba aufpflanzen müssen. Ehe noch die Sonne drei Viertheile ihres Laufs vollbracht hat, ziehe ich als Sieger in Mekka ein.
Ali! du bist geboren, die Wahrheit, die ich verkündige, mit deinem tapfern Arm zu beschützen; dein Name soll vor allen andern genannt werden, Sohn des Ruhmes!
Könnt ihr jetzt noch zweifeln, ihr Kleingläubigen? Der Gott der Stärke war allenthalben mit uns, er sandte tausendmal Tausend Engel, uns den Weg zum Sieg zu zeigen, und jetzt, da wir den Gipfel der Herrlichkeit und Macht erreicht haben, jetzt fürchtet ihr? Erinnert euch des Tages, da wir uns in dem Lager des Großemirs zerstreuten, um unsere Feinde zu bekriegen; damals war unsere Anzahl gering, unserer Mittel wenig und euer schwankendes Vertrauen des Zufalls Knecht; aber ich sprach zu euch: Fürchtet euch nicht, wir werden [218] uns siegreich vor Mekka versammlen; jetzt ist das unbegreifliche Wunder geschehen und ihr zweifelt abermals?
Ali.
Vertraue mir das heilige Panier, ich schwöre dir, Prophet! ich will es heute noch auf die Kaaba pflanzen.
Wohl, so gehorcht. Du, Tarrik, führe deine Krieger nach der Ostseite der Stadt. Zobair, ziehe mit dem Vortrab nach dem zweiten Thor. Omar und Saad führet drei Tausend der Tapfersten nach den Vorstädten, und um die zwölfte Stunde dringt alle zugleich in Mekka ein, laßt jedem, der sich unterwirft, Gnade wiederfahren, denn, beim Allah! ich will jede Grausamkeit, die ihr gegen besiegte Feinde verübt, blutig rächen, höret und gehorchet!
Ich begleite euch nicht, denn ich will nicht mit dem Schwerdt in der Hand die heilige Mekka, betreten, mich soll nicht das Gewinsel der Sterbenden empfangen, friedlich will ich einziehen, so geziemet mirs; heute mögt ihr für mich arbeiten. Geht jetzt, Allah ist mit euch. Bleibe du noch bei mir, Ali.
(Tarrik, Omar, Othmann, Saad und Zobair ab.)
Ich will dirs nicht verbergen, Ali! daß du mir werth bist vor allen, denn du bist kühn, weil die starke Seele es dir gebietet; du bist tapfer aus Tapferkeit, die andern aber sind es aus Ruhmsucht, das hab ich heute und schon oft erkannt, darum sollst du meinem Herzen von nun an der nächste seyn.
Ich weiß es und kenne dich, darum will ich dir noch etwas vertrauen: Sofian wird sich mir heute ergeben, dies ist ein großer Schritt zu Mekkas Besitz.
Trage Sorge, daß die Führer das Volk von Mekka schonen, ich will nicht, daß unschuldiges Blut den heiligen Boden beflecke.
(Ali ab.)
Nahlid und die Vorigen.
Wenn du mich je geliebt hast, so nimm dein Wort zurück, mein ganzes Leben will ich dir dafür schenken.
Mahomed.
Du weißt Nahlid! wie ungern ich [220] dir etwas verweigere, aber es kann nicht geschehen, es ist unwiderruflich.
Nahild.
O sprich mein Todesurtheil nicht mit diesem Wort; rette! rette! Sofians Tochter; wann du wüßtest, wie sie nur für dich lebt, doch das solltest du nicht erfahren.
Es soll geschehen, du sollst nicht herrisch über sie entscheiden dürfen; sollst nicht alles können, was du willst.
Es ist geschehen? – So stockt meine Pulse! Brich mein Herz! Alle Liebe hat sich von mir geschieden, einsam stehe ich am Rande des öden Lebens. Nacht! wohlthätige Nacht! nimm mich auf in deine Schatten, begrabe mich in deine Tiefen, dahin keine Luft und kein Leben kommt. Und du Mahomed! freue dich! dein unzerbrechlicher Wille hat wieder obgesiegt.
Ja Raserei war meine unsinnige Liebe zu dir, so sey mein Sterben auch Raserei. Hier endet meine Knechtschaft und deine Tirannei. Tod, [221] komm! zerbrich die Ketten, die mich an den Uebermüthigsten der Menschen fesseln.
(Er rennt sich in sein Schwerdt, Mahomed will es verhindern, aber Nahlid sinkt tod zur Erde.)
(Er verhüllt sich.)
Al-Abbas, die Vorigen.
(Einige von dem Gefolge tragen Nahlid weg. Lange Pause.)
Ich bringe dir Abu-Sofians Gruß; er wird sich dir unterwerfen. Aber du kennst ihn, weißt, wie er stolz und hartnäckig ist, darum begegne ihm nicht wie einem Ueberwundnen.
Mahomed.
Erwiedere seinen Gruß in meinem Namen, ich will ihm begegnen als der Ersten einem, und daß er erkenne, wie ich ihn ehren will, ertheile ich sogleich meinen Kriegern den Befehl, daß Gnade allen Feinden, die sich in Sofians Pallast flüchten, wiederfahren soll. Verkündige ihm diese Botschaft, Abbas! Ich gehe das Zeichen zum Angriff zu geben. Suche das Volk von Mekka in Ruhe zu erhalten.
(Alle, bis auf das Chor, ab.)
Allah sey gepriesen, der euer Herz verwandelt, mein Vater! denn ich hätte es nicht ertragen können, euch wieder als den Verfolger des Propheten zu finden.
[224] Mahomed, kriegerisches Gefolge, die Vorigen.
(Lange Pause.)
Steh auf, Sofian! mir zur Seite ist ein Platz deiner würdiger, die lange Feindschaft, die uns entzweite, entschlummere zum ewigen Todesschlaf.
Sofian.
Erkenne, daß mich der Wunsch meines Herzens zu dir führt, und nicht knechtische Demuth noch der Zwang ungünstiger Zeiten. Nimm meine Tochter, ich schenke sie dir, sey ihr Herr und Gebieter.
Mahomed.
Werth, sehr werth ist mir deine Freundschaft, Sofian! aber ich ehre deine Tochter zu sehr, um ihr Gebieter zu seyn, und Nahlids Liebe ist mir zu heilig, als daß ich sie besitzen könnte. – Halima! Nahlid starb für dich. – Geh, Halima! lebe dem Andenken seiner Liebe.
Halima.
So lebt wohl denn, süße Hoffnungen! schönes, freundliches Leben; lächelnde Zukunft, lebt wohl! lebt wohl!
(ab.)
(Man hört Waffengeräusch hinter der Scene.)
Omar, die Vorigen.
Mehr denn zwei hundert. Es sind von deinen grimmigsten Feinden. Wenn mein Wort dir werth ist, großer Prophet! so lasse die Schuldigsten von ihnen noch heute enthaupten.
(Das Thor öffnet sich, es treten heraus: Abu-Taleb, Ali, Othmann, Zobair, Saad, Tarrik und das zweite Chor, Bürger von Mekka, Bewaffnete, zuletzt wird Kaled in Ketten herbeigeführt.)
Abu-Taleb.
Ich begrüße dich als Mekkas und Arabiens Beherrscher. Sey mir willkommen! du wirst die Friedenspalme in unsern heiligen Boden pflanzen.
Mahomed.
Ja, das werde ich, mein edler Oheim! die Palme soll blühen unter dem Schutze des Siegs und der Kraft.
(Saad lößt ihm die Ketten.)
Nun, so schwöre ich dir bei Al-Ozza, ich entsage der Feindschaft mit dir, Mahomed! aber dein Unterthan mag ich nicht seyn. Wenn es dir gefällt, so laß mich nach Persien ziehen.
Wie? so ungestraft soll uns der Bösewicht entkommen! Vergönne mir, Prophet! daß ich auf Tod und Leben mit ihm kämpfe, denn sein Leben ist mir eine Schmach.
(ab.)
O Allah! sey gepriesen, daß du uns bis hieher geleitet hast mit deiner Kraft, daß du deinen Propheten verherrlichst vor den Völkern der Erde, du hast zu dem Schicksal gesagt: Diene ihm! und zu dem Sieg: Tritt zu seiner Seite! – Du hast den Islam ausgerüstet mit dem Mark des Löwen, mit dem Schwerdte der Cherubim, und zu ihm gesprochen: Geh! durchwandle siegreich die Erde vom äußersten Westen, wo die Sonne untergeht in einem Meer von Dunkelheit, bis zu den Völkern des Osten, über deren Häuptern die Sonne senkrecht steht; denn du bist der Ueberwinder, von dem geschrieben ist: Er wird sich den Aufgang unterwerfen und den Niedergang.
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