10.
Wenn auf sonnverbrannten Matten
Die Zikade schrillt von fern,
Rast' ich in des Lorbeers Schatten
Bei den alten Dichtern gern.
Sanft wie voller Segel Schwellen
Trägt Homers geflügelt Wort
Mich durch Sturmgefahr und Wellen,
Volksgewühl und Schlachten fort.
In Olympias staub'ge Bahnen
Reißt mich Pindars Siegeschor,
Und des Äschylus Titanen
Steigen trotz'gen Blicks empor.
Doch von allen, die ich wähle,
Schwichtigt mit erhabner Ruh'
Keiner mir so ganz die Seele,
Hoher Sophokles, wie du.
Von erliegender Heroen
Unverstandnem Riesenleid
Führtest du dein Volk zum hohen
Urbild schöner Menschlichkeit;
Riefest aus dem Schoß der Nächte,
Die von Mitleid nie gewußt,
Ihren Teil der Schicksalsmächte
In die freigewordne Brust;
Daß, was aus des Herzens Falten
Rätselvoll gezeitigt sproß,
Mit der Götter hehrem Walten
Sich zum goldnen Ring beschloß.
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Also zwischen starrer Sitte,
Zwischen frecher Neurung Wahn
Walltest du in schöner Mitte
Hoch und heiter deine Bahn;
Klärtest mit dem Hauch der Musen
Fromm der Leidenschaften Glut,
Und ein heilig Maß im Busen
Priesest du als höchstes Gut.
Sel'ger, dem sein Wort zu lohnen
Das entzückte Griechenland
Seine reichsten Lorbeerkronen
Um die Priesterschläfe wand;
Der noch heut, vom wandelbaren
Strom der Zeitflut unversehrt,
Heut nach zweimal tausend Jahren
Schönheit uns und Weisheit lehrt!