11. Auf Herrn Godfried Simmerlins seinen Geburtstag

1632 Mai 5.


Werd' ich euch auch wieder grüßen,
ihr vor lieben Bücher ihr,
und auf euch so sein beflissen,
Aristotel und Porphyr,
als ich wol bevor gewesen,
da ich über eurem Lesen
manchen Tag und manche Nacht
lustig habe durchgebracht?
[345]
Und du zweier Kunst' Erfinder,
des Arznei und Saiten sind,
wo doch lass' ich deine Kinder,
meine Brüder, so geschwind'?
Hippokras, den ich so ehrte,
der mich schöne Sachen lehrte,
Sennert, meiner Seelen Freund,
flieh' ich itzt als meinen Feind.
Auch die deutschen Kastalinnen,
meine Zier und ander Preis,
sind ein Ekel meiner Sinnen.
Pegasis wird mir zu Eis.
Hippokrene ist versogen,
hat mir allen Saft entzogen.
Was mir sonsten Sehnen war,
ist mir itzt ein Grauen gar.
Nein! Ich kan nicht mehr so sitzen,
mich tun in den eiteln Bann
und mit dem den Leib abnützen,
das ihm doch nichts frommen kan.
Soll ich fort und fort studiren
und ein blasses Leben führen,
da ich sterbe wie der Man,
der wie ich stirbt und nichts kan?
Er indessen braucht der Freuden
und giebt seinen Wundsch darein.
Wir nur sind so unbescheiden,
die wir weise wollen sein,
daß wir da ein Ding erwählen,
das doch nur beschwert die Seelen,
das nur ist ein bloßer Wahn,
der uns so verzäubern kan.
Soll ich mir solch Elend machen,
mich ins Finstre sperren ein,
wenig schlafen, lange wachen,
halbsatt essen, durstig sein?
Hätt' ich Lust zu diesem Orden,
so wär' ich ein Mönch längst worden,
[346]
die, ob man sie gleich sperrt ein,
doch in ihrer Freiheit sein.
Weg, ihr Klugen! Ich bin klüger.
Liberei, gehab dich wol!
Plato, du bist ein Betrieger!
Ich weiß, was ich wissen soll.
Ich will in das Grüne gehen,
wo die dicksten Blumen stehen,
wo des Jahrs Apell, der Mai
Alles malet mancherlei.
Meine Lust ist bei den Bächen
um manch stummes Wasserkind,
wo die tollen Frösche zechen
und in stetem Jauchzen sind,
wo die freierischen Westen
bulen mit den schwanken Ästen
und weh'n einen Hall darein,
als es solten Küsse sein.
Hier sind Auen, hier sind Wälder,
hier sind Ströme, hier Fontein,
hier sind dickbewachsne Felder
und was tausent Freuden sein.
Hier sind Hirten, da sind Heerden,
so auf weicher, feuchter Erden
nach dem Tone der Schalmei
springen in gewündschter Rei'.
Und da werd' ich dich auch finden,
Freund, und eine dicke Schaar,
die dir bunte Kränze winden
in dein schwarzes, krauses Haar,
die mit Blumen auf dich streiten
und mit Grünem ganz bespreiten,
die in einem Schreien schrein:
Freund, du solst gebunden sein!
Ich, der Kleinest' unter Allen,
an Person, an Freundschaft nicht,
will dir auch tun zu Gefallen,
was allda ein Ieder spricht.
[347]
Sei gebunden! Ich muß sorgen,
daß, ie besser du dich morgen
lösen wirst, ie mehr wirstu
diese Schlingen ziehen zu!

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TextGrid Repository (2012). Fleming, Paul. Gedichte. Deutsche Gedichte. Oden. 4. Von Glückwünschungen. 11. Auf Herrn Godfried Simmerlins seinen Geburtstag. 11. Auf Herrn Godfried Simmerlins seinen Geburtstag. TextGrid Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-AB44-C