Meinem Freunde Alfred Freiherrn von Buttlar- Brandenfels im Gedenken an die Geister auf Schloß Pischätz im Sommer 1922.
Bruno Ertler
Das Spiel von Doktor Faust
Ein deutsches Stück im Volkston in einem Vorspiel und drei Akten
[Widmung]
Personen
[257] Figuren:
- Doktor Johannes Faust, Professor zu Wittenberg
- Doktor Faustens Vater
- Wagner, Faustens Famulus
- Hanswurst, Faustens Diener
- Pluto, der Fürst der Hölle
- Charon, der Höllenfährmann
- Krumschal, der Schlemmerteufel
- Bulla, die Wollustteufelin
- Mephistopheles, der böse Geist
- Der König
- Die Königin
- Orestes, der Königin Bruder
- Erster Scherge
- Zweiter Scherge
- Krustl, ein subalterner Teufel
- Einige Studenten
- Der Pfarrer
- Mehrere Teufel
- Der »actor ludi«, der den Vorspruch spricht
- Der Geist von Doktor Faustens Mutter
Vorspruch
Ein deutsches Spiel aus alter Zeit
tritt vor euch hin in neuem Kleid.
Es hat von Kindestag bis jetzt
schon manches Wämschen durchgewetzt,
fuhr einst mit Sängern, Springern, Narren
von Markt zu Markt im bunten Karren,
lustierte Herren und Banausen,
macht viele fromme Seelen grausen,
war bald ein Wirbel leichter Geister
und bald ein Sinnwerk tiefster Meister,
klebt' fester an die fette Erden
breit lachend den zufried'nen Mann
und wies mit ewigen Gebärden
den Menschengrübler himmelan.
Was je in deutschem Blute gor,
aus deutscher Seele los sich rang,
formt hier aus Tiefen sich empor
zu Licht und Lachen, Sinn und Klang.
Und ward auch göttlichem Gehalt
oft fremder Glätte Glanz gegeben,
blieb doch des Spieles Trutzgestalt
das hohe Lied vom deutschen Leben.
Doch nicht der Kampf um Gott und Welt,
der Sonnenweiten in sich bindet,
sei hier in engen Raum gestellt:
Mein Spiel ist einfach; unterwindet
sich keiner Tat der Ewigkeit,
sucht Neues kaum, noch Unerhörtes,
stellt nur Vertrautes und Bewährtes
zum alten Strauß von Lust und Leid.
Doch wenn ihr ihm zu Gunst und Lasten
dies oder jenes buchen wollt,
so ward das Bild im bunten Kasten
nur wenig anders aufgerollt.
Kaum dieser oder jener Aktor
ward frisch gekleidet und frisiert
und mancher halbvergess'ne Faktor
in das Exempel neu postiert.
[258] Besonders kam dem Schalk zugute,
was ernste Weisheit ihm verwehrt,
und wenn er keck im Übermute
zu weiten Raum für sich begehrt,
so wollt geneigtest nicht vergessen,
daß er in dieser kleinen Welt
noch heute seinen Platz behält,
den in der großen er besessen.
Nun mag euch wiederum ergetzen,
was euren Ahnen Freude war,
und in verwandte Regung setzen,
was groß sie traf und sonderbar.
Denn ob die Zeit ihr Antlitz wandelt:
Was Lust und Not dem Geist entrang,
Was je mit seinem Gott gehandelt,
das spottet jedem Untergang.
Mag unser Spiel euch dies erfassen
und neuen Mut draus schöpfen lassen.
Vorspiel
1. Szene
2. Szene
3. Szene
[263]
4. Szene
5. Szene
1. Akt
1. Szene
2. Szene
3. Szene
[269]
4. Szene
5. Szene
6. Szene
7. Szene
So geht's auf der Welt,
so ist's auf der Reis':
Bald plagt ein' Hitz' und Kält',
bald beißen ein' die Läus'!
8. Szene
9. Szene
10. Szene
Es donnert. Dazwischen tönen fern verwimmernd wehklagende Stimmen von Männern und Frauen undeutlich verhallend.
Welch' Geschrei?
[282]
11. Szene
[284]
12. Szene
13. Szene
14. Szene
2. Akt
1. Szene
2. Szene
3. Szene
4. Szene
5. Szene
6. Szene
7. Szene
8. Szene
9. Szene
10. Szene
11. Szene
[302]
12. Szene
13. Szene
14. Szene
[304]
15. Szene
16. Szene
3. Akt
1. Szene
Alt oder jung:
Ein guter Trunk
beflügelt uns zu hohen Werken,
ob Ernst ob Scherz,
es mag das Herz
am süßen Weine sich erstärken!
Lieb' oder Haß:
Am vollen Faß
muß jede Zweiheit schweigen,
wenn wir das Haupt,
vom Kranz umlaubt,
dem Einheitsgotte neigen.
Stoßt an und trinkt!
Das Leben winkt,
der Becher macht die Runde.
Ihr spart euch nicht
das Weltgericht:
Drum lebt der lachenden Stunde!
[307]2. Szene
3. Szene
4. Szene
5. Szene
6. Szene
7. Szene
9. Szene
10. Szene
[318]
11. Szene
12. Szene
13. Szene
14. Szene
15. Szene
16. Szene
17. Szene
Anmerkung
Dieses Spiel wurde auf Schloß Pischätz vom 4. bis 20. August 1922 geschrieben. Es lagen dabei vier alte »Faust«-Spiele unmittelbar vor, und zwar die drei Puppenspiele der Engelschen Sammlung (Nr. I, IX und X) und das Puppenspiel von Dr. Faust der Insel-Bücherei (Nr. 125). Selbstverständlich wirkten Goethes Gestalten auch auf die Fassung der Charaktere ein, was mir jederzeit voll bewußt blieb.
Ich habe mich bei der Arbeit sehr frei gehalten und keine Vorlage mehr als die andere, sondern alle nur ganz äußerlich benützt. Einzig drei Nachtwächterlied-Texte und eine Stelle bei Faustens erster Reue-Anwandlung (III/3.) entsprechen mehr oder minder genau dem Text des Insel-Puppenspieles. Sonst habe ich hauptsächlich die Szenenfolge beiläufig eingehalten, jedoch, wo es mir gut schien, auch umgestoßen.
Was den zweiten Akt (am Königshofe) betrifft, so ist seine Handlung ganz frei erfunden, da in den Puppenspielen stets nur von Faustens Zauberei die Rede ist und er auch deshalb als Hexenmeister vom Hofe verbannt wird. Das Eifersuchtsmotiv fand ich ein einziges Mal ganz nebenbei (als ein »Beiseite-Sprechen« des Königs) angedeutet, aber nirgends ausgeführt. Ebenso blieb die Gestalt Orest's stets nur Staffage[325] und ich gab ihm absichtliche etwas vom Valentin Goethes mit, wie denn auch die Königin ganz unwillkürlich dem Gretchen nahe rückt.
Auch Faustens Vater tritt nur in einer Fassung auf und dort ist dann auch im letzten Akt eine Szene, wo Faust den toten Vater aus dem Grabe scharren will, um durch dessen reines Herz Gott zu versöhnen, worauf ihn der Geist des Vaters verflucht. Das schien mir zu gruselig und der zweimalige Vaterfluch obendrein überflüssig. Deshalb stellte ich die Mutter-Szene frei hin, die natürlich in keiner Vorlage erscheint.
Dem Famulus Wagner, der in den Puppenspielen nur ein Schatten Faustens ist, gab ich Züge eines gutherzigen, einfältigen Menschen, in bewußtem, teilweisem Gegensatz zu Goethes haltherzigem »trockenen Schleicher«. So ist das Motiv der treugehegten Pflanze ganz frei erfunden, um Wagner plastisch zu machen.
Die unterirdischen Geister teilte ich in zwei Hälften, deren eine der dämonische Mephistopheles hält, während auf der anderen Seite die mehr komisch-grotesken Figuren: Krumschal, Bulla, Krustl, Bluto, Charon stehen, die mehr oder minder dem Hanswurst entsprechen, so daß die Grundlinie des Spieles: der Gegensatz von Faust und Mephisto zu Hanswurst und seinen Teufeln in der Form der Parallele auf verschiedenem Niveau durchgeführt erscheint. Daraus ergibt sich schließlich (da der Ausgang für Faust tragisch, für Hanswurst versöhnlich zu sein hat) ein Faust-Drama, das von Goethes Höhenwerk stark abweicht. Denn wenn es dort heißt:
»Wer immer strebend sich bemüht,
den können wir erlösen«,
so faßte ich den Sinn des Spieles in die Worte des Hanswurst (III/15:)
»Wer alles schwer nimmt, sich ärgert und müht,
den holt ganz g'wiß der Teufel!
Doch wer die Welt als Theater sieht,
den kriegt er nicht beim Schweifel!«
Ich betone, daß ich hier nicht etwa »Goethe widerlegen« wollte, sondern nur den Sinn des alten Puppenspieles, wo stets der Kasperl über Faust triumphiert, herausarbeitete – deutlicher und bewußter freilich, als irgend eine der mir bekannten Vorlagen, die ja Goethes Werk nicht ahnen konnten.
Die Figur des Pfarrers und die Luther-Reminiszenz ergaben sich mir unmittelbar aus der Situation und der Örtlichkeit, sind natürlich in keiner Vorlage zu suchen.
Zum Sprachlichen sei noch bemerkt, daß alle mir vorgelegenen Spiele in Prosa abgefaßt waren und nur ganz wenige Stellen Verse zeigten, die ich fast nirgends übernehmen konnte. In dieser Hinsicht also kann das vorliegende Spiel als völlige Neuschöpfung angesehen werden.
Dr. Bruno Ertler.
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- TextGrid Repository (2012). Ertler, Bruno. Dramen. Das Spiel von Doktor Faust. Das Spiel von Doktor Faust. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-A2F7-4