[Weil Mai war und die Flitterwochen]
Weil Mai war und die Flitterwochen,
Waren die Blumen ausgekrochen.
Wir hielten uns mit vielen Händen
Und ruhten an den Efeuwänden
[621]
Auf einem alten Schloß am Meer,
Die See kroch unterm Fenster her,
Sie schien mir wie ein glatter Saal,
Der spiegelnd sich zum Tanz empfahl,
Die Träume taten sich dort drehn
Und ließen uns die Zukunft sehn.
Wir bauten manches Kartenhaus
Und suchten unsern Grabstein aus.
Denn wo die Tage zuckern sind,
Greift mancher nach dem Salz geschwind;
Und schmeckt im Glück uns jeder Wein,
So bildet man sich Unglück ein.
Frau Königin, sie wollte haben,
Man soll sie einst ins Meer begraben.
Darüber taten oft wir streiten,
Das Meer tät mir den Tod verleiden,
Ich wollt' bei einem großen Stein
Auf einem Berg begraben sein.
Da schwieg sie, und sie aß nicht viel,
Weil ich mein Grab im Meer nicht will.
Doch in der Nacht, da sprach sie leise,
Sie wollte ganz nach meiner Weise
Ihr Grab auf meinem Berg bei mir,
Zu kalt sei es im Meere ihr.
Efeu wuchs wild durchs ganze Haus,
Grün sahen alle Säle aus,
Meermöwen schwebten um die Schwellen
Wie Ampeln vor den Liebeszellen.
[622]
Wohin man von den Sälen sah,
War stets das, was man wünschte, da,
Stets waren wir zu zwein im Zimmer
Und nahmen uns das Schönste immer.
Wie in dem Himmel Wolken fliegen,
So tat das Schloß voll Kissen liegen.
Auf ihnen ging die Sonn' nicht unter,
Sie glühten Tag und Nacht gleich munter.
Wer dort nach hundert Jahren ruht,
Der fühlt noch dieser Kissen Glut.
Unerfüllt ging kein Wunsch vorüber,
Man sprach: Zu wünschen bleibt nichts über.
So lebten wir im Paradies,
Wo man in jeden Apfel biß,
Biß in die grünen und die roten,
Nicht ein Baum war bei uns verboten.
Der Frühling saß an allen Wegen,
Tat Blumen bunt und Eier legen,
Wir wurden mit den Bäumen du
Und sahen faul dem Leben zu.
Gingen wie Bienen um die Blüten,
Ließen vom Sonnenschein uns hüten,
Gingen dem Monde hinterher,
Die Zunge wurde satt und schwer.
Wir machten uns wie Mücken klein
Und sangen schönes Wetter ein;
Und wie in Muscheln das Gesumm,
Ging 's Glück in beiden Ohren um.
[623]
Wie Efeu auf dem Dach am Schloß
Ließ uns das Glück gar nicht mehr los.
Im Schloßhof war ein Brunnentrog,
Wo beide Köpf' man überbog,
Da lag der Tag unten am Grund
Als Silbertaler hell und rund.
»Zwei Köpfe sind darauf geprägt,
Hab' ihn als Mitgift hingelegt,«
Sprach sie, »Zins zahlt die Lebensbank,
Solang die Köpfe hell und blank.
Nie gehen meine Taler aus,
Stets liegt ein neuer früh im Haus.«
Ins Feld zog sie mich dann am Arm,
Dort stand Klee wie Ohrläppchen warm,
Und wo sich Königin dort bückte,
Fand sie ein Kleeblatt, das beglückte.
Sie brauchte nur vorbeizugehn,
Da tat der Klee vierblättrig stehn,
Sie brauchte nur den Fuß zu regen,
Wuchs Glück gleich Unkraut an den Wegen.
Und immer, wenn es Abend war,
Öffnete Königin ihr Haar,
Dann tat sie an das Fenster treten
Und ließ es von dem Mond anbeten.
Der Mond ging nicht vom Fenster fort,
Er glühte und er sprach kein Wort,
Ich fühlte seine böse Lust,
Und Eifersucht stach meine Brust.
[624]
Nur ich durfte ihr Haar besehn,
Wie konnte sie zum Mond hingehn?
»Man weiß nicht, was er tuen kann,
Der Mond ist sicher auch ein Mann,
Er hat schon manches Weib belogen,
Fühl dich nicht zu ihm hingezogen!«
Ich hab' sie in den Arm genommen,
So konnt' sie nicht abhanden kommen.
Verführend lockte auch das Meer,
Warf sich ihr stets zu Füßen her,
Es scharrte nächtlich um das Haus,
Und ungeduldig sah es aus;
Und wenn selbst gute Leute schliefen,
Grunzte es noch in seinen Tiefen.
Es lenkte uns vom Küssen ab:
»Silentium«! rief ich laut hinab.
Dann war es für Sekunden still.
Es staunte, daß man auch was will.
Träumt' ich als Kind von schönen Sachen,
Und fand ich nichts mehr beim Erwachen,
So bat ich oft die Mutter mein:
»Taschen näh' mir ins Nachthemd ein,
Daß ich es in den Taschen finde,
Gibt man im Traum mir Angebinde.«
Jetzt braucht' ich keine Taschen mehr,
Denn nie war's beim Erwachen leer,
Mein schönster Traum lag stets zur Seite
In seiner Läng' und seiner Breite.