671. Krok und seine Töchter

Nach den Zeiten des Czech und Lech erhielt das Volk und Land einen Gebieter, der hieß Samo, das war zur Zeit, als König Dagobert im Frankenlande und in Thüringen gebot, Samo aber herrschte über Bojen und Wenden, und diese beiden Könige kamen miteinander zu streiten, da ward bei Voigtsberg die große Schlacht geschlagen zwischen Samo und Dagobert, die währte drei Tage lang und kostete viele tausend Leben. Samo blieb Sieger und verheerte Thüringen und all sein Nachbarland. Danach, als König Samo gestorben war, hatte das Volk der Bojehemen kein Oberhaupt, sondern jeglicher Stamm gehorchte dem Stammesältesten, den nannten sie Wladyka. Ein solcher Ältester hieß Krok, und der Ruf seiner Weisheit und Gerechtigkeit erscholl durch das ganze Land, und das Volk erwählte Krok zu seinem Richter und Oberhaupt. Er wurde über dem Grabe des Czech auf dessen Stuhl gesetzt, man gab ihm den Stab des Czech in die Hand, bedeckte sein Haupt mit dessen Mütze und huldigte ihm, indem man versprach, seinen Gesetzen und Anordnungen willige Folge zu leisten.

Alle Liebe erwies das Volk seinem weisen Regierer und erbaute ihm ein Schloß, freilich nur von Holz, ziemlich hoch an einem Berge, baute sich selbst um den Berg her an und nannte Schloß und Stadt Budecz; nachderhand gründete [446] Krok durch die Seinen an allen Orten und Enden im Lande Böhmen feste Wohnsitze, darunter auch sein Lieblingsschloß Psary, an der Stelle, wo sich hernachmals der Wischerad erhob, das den Namen führte von dem heimatlichen Schlosse des Czech.

Krok war als erster Richter und Fürst des Landes auch dessen erster Priester; er besaß die Gabe der Weissagung, die er von Geistern und Pilweisen lernte und seinen Töchtern lehrte, deren sein Weib, Nina, ihm drei geboren, die, von wundersamer Schönheit, auch an Geist und Verstand den Vater noch überragten. Die älteste hieß Kascha; diese kannte alle Tugenden und Kräfte der Kräuter, Steine und Metalle und war eine erfahrene Ärztin und kundige Wahrsagerin. Die zweitgeborene Tochter hieß Tetka; diese war eine Pilweise und lehrte das Volk, den Göttern der Haine, der Gewässer und Gebirge dienen und Opfer bringen. Die dritte Tochter, die jüngste und schönste ihrer Schwestern, hieß Libussa, war eine Prophetin und übertraf an Weisheit und Vorsichtigkeit ihre Schwestern weit, und es war an hoher Einsicht nirgend ein Weib oder ein Mann, der ihr zu vergleichen gewesen wäre.

Und Krok, als er neununddreißig Jahre regiert hatte, da starb er, und das Volk, als es seinen Tod vernahm, lief aus Häusern und Hütten, wie Bienen nach ihrem Weisel, mit großer Klage, und die Töchter riefen zu den Göttern, den Geist des Vaters auf lichten Wegen zu führen.

Dann setzte das Volk den Leichnam Kroks neben dem Herzog Czech und seinem vor ihm gestorbenen Weibe Nina bei, legte viele und reiche Gaben in den Hügel, türmte einen Stein darauf, entzündete ein Opferfeuer und erhob ihm die Totenklage.

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TextGrid Repository (2011). Bechstein, Ludwig. Sagen. Deutsches Sagenbuch. 671. Krok und seine Töchter. 671. Krok und seine Töchter. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-2C5F-F