»Ein Kehrichtfaß und eine Rumpelkammer,
Und höchstens eine Haupt- und Staatsaction,
Mit trefflichen pragmatischen Maximen –«
Faust der ältere.
»Ein Kehrichtfaß und eine Rumpelkammer,
Und höchstens eine Haupt- und Staatsaction,
Mit trefflichen pragmatischen Maximen –«
Faust der ältere.
[2] Personen des Vorspiels.
Wozu denn das Uebrige? Sag' Er von mir dem Baron Schnüffelbrenner, er solle sich künftighin kürzer fassen und deutsch ausdrücken. Denn ich will verstehen, was man mir schreibt. Nun weiter!
»Umsichtsvoll zugleich und tiefdurchdrungen vom Bedarf der Aufrechthaltung eines erst im Keim aufstrebenden Vereins; das Zwischenseyn« –
Teufelsdonner! Was ist das für eine Sprache? Kömmt Er mir noch ein einzig Mal mit so 'nem Wort, so sind ihm dreißig sicher, rechn' Er drauf! Nun weiter! aber kurz, hört Er? deutsch und kurz!
»Das Interesse der Majestät beständig vor Augen, hab' ich endlich herausgebracht, warum der Harzgesandte die Prise, die der Fichtelberger ihm auffallend höflich bot, und die er lächelnd, auch scheinbar artig, annahm, fallen ließ. Das hübsche Fräulein Schmieder, das nun wirklich[11] Hofdame bei der Kurfürstin geworden, wo der Kurprinz sie alle Wochen sieht, und bisweilen spricht, sagt man, steckt dahinter.« –
Der Schnüffelbrenner, das muß man ihm lassen, hat eine feine Nase. Bravo! das also hat er am Ende herausgerochen!
Das sag' Er nicht! Alles, auch das Kleinste, ist bedeutend. Das sind Cabinetsverkehre, worauf Er sich, wie überhaupt im Ganzen auf Staatsraisons, nicht versteht. Auch braucht Er's nicht, als Feldherr. Er hat nur auf das Große zu sehen.
Da hat Er recht. Mir aber ist auch das Kleine wichtig, denn es liegt das Große im Kleinen, wie der Staat mit allem Räderwerk von Krieg und Frieden in meinem Kopfe. Zum Courrier. Les' Er nur weiter, Gesandtschaftssecretair!
»Auf diese Spur einmal gebracht, hab' ich mich unverzüglich bei'm Mundkoch Seiner Excellenz, wo das Begebt-Euch des urkundlichen Körpers, –«
... »einführen lassen, und die hübsche Tochter desselben, der sie Alle den Hof machen, und die mir, ohne mich zu rühmen, besonders gut scheint, – sie hat viel Geist, und weiß von Allem – steckt mir, was Seine Excellenz ihrem Vater Wichtiges vertraut. Auf diese Weise vernahm ich schon gestern, daß auf eine Weise von mir gesprochen worden, die mich hoffen läßt, noch ehe das Jahr um ist, vorgelassen zu werden. – Was man übrigens hier mit uns vorhat, ist mir bis jetzt auszuspüren unmöglich gewesen. So viel scheint indessen gewiß, daß vor dem Herbste schwerlich die Armee, wohin es auch sey, beweglich werde. Das verbürg' ich Euer Hoheit, daß auch, was uns betrifft, sich Keiner rühmen wird, aus mir in irgend etwas je klug geworden zu seyn. – In der tiefsten Demuth –
»Während ich beschäftigt bin, diese Depesche zu chiffriren, wird ganz unvermuthet der Armee der Befehl zum Aufbruch gegen uns ertheilt. Während ich selber ihm auf der Ferse nachfolge, sende ich auf gut Glück den Gesandtschaftssecretair als Courrier. Möge er nur früher eintreffen als der feindliche Trompeter!«
Fünfhunderttausend Mann stark. Und sechshunderttausend, sagt man, seyen nicht weit hinter ihnen her im Anzug.
Wahrhaftig, Herr Generalfeldmarschall, Er flößt Einem Muth und Vertrauen ein mit seiner Ruhe. Aber sag' Er: Was Teufels hat Er da für Feldcourriere? Der Kerl ist ja nichts als Bauch!
Ja, der Courrier eben. Watschelt er nicht daher wie eine trächtige Kuh? der dickste Fettwanst im ganzen Reich!
Ich habe ihn selber zu dem Posten ausersehen. Alles mit Vorbedacht, Eure Hoheit! Im Felde ist nichts gefährlicher als Uebereilung. Langsam, sag' ich immer, nur langsam!
Wir werden morgen, oder übermorgen aufbrechen; denn sie werden nach so schnellen Märschen ausruhen müssen.
Nur ruhig, Majestät! Lassen sie unterdessen die Lustbarkeiten, wie sie hier in Jauer etwa zu haben sind, beginnen. Denn die Schlacht ist, straf mich Gott! schon gewonnen. Uebermorgen findet kein Philister-Esel mehr Futter in ganz Romanien.
Wie steht es, Lieber? – Ist Dir nicht wohl? Hast Du nicht gut geschlafen? Ist etwas vorgefallen? Du siehst so ernsthaft aus.
Das Ding wird auch ernsthaft. Elf- bis zwölfhunderttausend bisher unüberwindliche Krabaten stehen gegenwärtig nur noch ein paar Meilen von Jauer.
Freilich, es ist grausam von mir, so lange zu warten, doch Schonung wäre Schwäche, Hochverrath, ja wahre Sünde, Hoheit! Straf mich Gott!
Das Wirthshaus hier ist aber ganz erbärmlich, und es fehlt gänzlich an Platz, zumal da es voll von Fremden ist.
Sehr notable. Ich wünschte herzlich, zu einer andern Zeit, die Einen kennen zu lernen, die Andern fürstlich zu bewirthen. Erstlich ist da der gute alte Werder.
Allerdings sind das notable Personen; vielleicht die [19] notabelsten, die ich in meinen Staaten besitze. Möchte sie gerne einmal um mich versammeln.
Sie werden schwerlich mehr essen, als die sieben Obristen, die heute nicht kommen, und auf die man doch gerechnet hatte.
Gewiß! ein wenig Honig vielleicht, und dann und wann ein Bischen Salz dazu – wenigstens hab' ich ihn mir beständig so vorgestellt.
Ich muß gestehen, Du thätest mir einen großen Gefallen, mein Gemahl! wenn Du mir erlauben würdest, sie alle heute zur Tafel einzuladen.
In Gottes Namen! – Hätten wir nur mehr Local! In diesem jämmerlichen Wirthshause kann man sich ja [21] kaum rühren. – Sind es doch allesammt solche Namen, die zur Hälfte die halbe Welt erfüllen!
Das Tollhaus – straf mich Gott! ein hübsch Gebäude: geräumig, Hof und Garten. Man jagt die Tollen heraus sammt dem Inspector.
Die Tollen loslassen! Ist Er toll? frag' ich noch einmal. Sie würden ja gleich das Dorf anzünden, oder –
Das Tollhaus – Ihro Hoheit aufzuwarten! Habe mich schon gewundert, daß Ihro Hoheit nicht sogleich darnach gefragt haben. Es war vor Zeiten das Stammschloß – blieb lang verfallen – bis etwa vor sechzig oder siebenzig Jahren es ganz reparirt und aufgeputzt wurde vom seligen Herzog – Gott erhalt' ihn selig, lang, in seinem Grabe! Er war ein gar guter Herr! Wischt sich die Augen mit der Schürze. Wir bekommen schwerlich – doch – Ihro Hoheit sind ja sein Herr Sohn! was sag' ich denn? – Das Haus ist werth, gesehen zu werden. Es haben es auch alle hohe Reisende bis jetzt besichtigt, und waren sehr zufrieden damit. Hat einen großen Garten – schön umgeben mit hohen Mauern, aufzuwarten! Und Keller, Hof und Wagenschaur und Stall, und einen Blitzableiter auf dem Dach seit Ostern. – Die kleine Hoheit da Auf Julchen zeigend. hat es schon von der Küche aus gesehen – und dann ist der Inspector – wie heißt er doch? – Verzeihen Ihro Hoheit! ich kann mir den curiosen Namen nie recht behalten – genug, der Herr Inspector, der Tollinspector ist ein Herr, der lebt wie Ihro Hoheit fast – ein Tisch, wie ehmals bei meinem alten Herrn, dem Superintendenten, –Gott hab' ihn selig! – alle Tage Braten, Geflügel und Pasteten, und den besten Johannisberger, der nicht mehr zu haben – Gott sey's geklagt! – übrigens ein ganz natürlicher, gemeiner Herr, der gar nicht stolz, nein, gar nicht vornehm, auch im Schlosse bei'm ganzen Regiment sehr beliebt ist – obgleich sie sämmtlich – Gott behüte einen jeden guten Christen! und uns Alle! – Sie prickelt sich auf die Stirn. hier rappeln – Ihro Hoheit aufzuwarten!
V. ELLENBOGEN. Aufrichtig? ganz aufrichtig gesprochen? Was finden Sie Verehrungswürdiges an uns Hermannsenkeln?
DAUPHIN. Mit Unrecht. Völker, die solchen haben, sind reif – und das ist wohl in diesem Fall gleichbedeutend mit faul.
V. ELLENBOGEN. Ich meine, die Deutschen sollten doch deutsch seyn, wie die Engländer Engländer, und die Franzosen Franzosen.
SAINT-PREUX. Und die Juden selbst, trotz Judäamangel, Juden.
DAUPHIN. Vielleicht ist es gut, daß irgendwo noch Menschen übrig bleiben. Ich halte viel auf Bürgerthum, aber die Menschheit ist mir doch noch lieber. Es muß auch einen geistigen Staat auf Erden geben, und ein solcher kann – fang' ich jetzt an zu glauben – mit keinem bürgerlichen mehr bestehen.
V. ELLENBOGEN aufspringend. Erlauben Sie – daß ich den berühmten Doctor Stirn, den Kopf der Physiker –
DAUPHIN. Wie glücklich! Sehr willkommen, meine Herren! Doch verzeihen Sie, alle zusammen, daß ich hier den romanischen Parnaß so schlecht empfange.
V. ELLENBOGEN nachdem sich Stirn und Bruno gesetzt haben. Wir sprachen eben von unserm armen, unglücklichen Romanien. Zu Bruno. Aus Ihren Schriften hab' ich viel gelernt. Zu Stirn. Den Türkenschädel habe ich zu Hause jetzt.Zu Madame Dauphin. Sie lieben uns? Ach, liebenswürdig sind die rohen Germanen wohl nicht!
Wir lieben wohl motivirten Tadel, gründliche Kritik gar sehr – zumal von einer Philologin wie Euer Gnaden. Er steht auf und herbeugt sich tief. Habe mit unendlichem Vergnügen Dero vortreffliche Version des Homer, vorzüglich der Noten wegen, durchstudirt.
DAUPHIN. Es thut mir leid, diese Ehre mir und Ihnen, Herr Professor, entziehen zu müssen – ich bin nur Frau von –
Oh! Eure Gnaden brauchen Dero werthen Namen mir nicht auf Deutsch zu übersetzen! Also zwei Mesdames Dacier? Ich wußte nicht, daß mehr als Eine in der Literatur berühmt geworden.
Ich weiß wohl – allein es giebt ja französische Damen, die niemals altern, wie zum Beispiel die berühmte [51] gelehrte Ninon de l'Enclos. Da dacht' ich, es wäre mit Euer Gnaden auch der Fall.
PREUX zu Madame Dauphin. Sie sind und bleiben die Repräsentantin der französischen Literatur, man mag es wenden, wie man will. Der Irrthum auch, der es verfehlt, verkennt Sie doch nicht.
PREUX. Der schönste Sieg der deutschen Sprache über die französische. Denn wer gäbe nicht gern zwölf Mesdames Dacier für eine halbe Sie? –
Es hat, wie ich bemerke, der Faden des Gesprächs sich verloren. Wenn ich nicht irre, so war von der Reichsliteratur die Rede. Euer Gnaden wollten Dero Meinung nicht in diesem Kreise sagen. Doch erführen wir gerne die Kritik.
DAUPHIN. Die überlasse ich Ihnen. Was Dichtkunst und Philosophie betrifft, Romaniens einheimische Producte, so möchte ich vielleicht nur ein gar zu enthusiastisches Lob aus voller Seele darbringen – und –
DAUPHIN. Ich glaubte, die Romantiker wären in Allem verschieden von den Philistern. Freilich die Dichter an der Seine –
[52]PREUX vor sich. Mir bleibt nichts übrig, als zu fühlen – und allenfalls zu schreiben. Leider genirt mich die Gesellschaft.
V. ELLENBOGEN unterhält flüsternd Madame Dauphin. Die Gelehren Paar und Paar sprechen leise mit einander. Der Bediente stolpert mit Tassen über die Bache bei'm Herausgehen.
DAUPHIN. Apropos! Wie kömmt es, daß der Hof hier in dem Wirthshause logirt, und nicht im großen alten Schlosse, das zwar entsetzlich gothisch aussieht, das aber doch bewohnbar zu seyn scheint.
Der Hof mag in diesem Augenblick nicht gerne viel Aufsehen machen, der Herzog liebt die Pracht nicht – und ohnehin ist jenes große Schloß das hiesige Tollhaus.
[53]DAUPHIN. Was sagen Sie? Ist hier im Lande der Weisheit, der Dichtkunst und der Wissenschaft ein Tollhaus?
Allein, mit Verlaub, Tollhaus und Tollhaus sind zweierlei, wie Schule und Schule. Eine hohe Schule nennt man eine Universität, und ein hohes Tollhaus eine Irrenanstalt, Herr Baron!
Verzeihen Sie, wenn ich dem Palladium des Ortes zu nahe trat. Ich meinte es nicht so böse. Denn ich hege viel Respect für's Institut, Herr Irren-Anstalts-Bibliothekar!
Madame! hören Sie! Es ist der Stolz Romaniens. Sie haben nichts Aehnliches auf Ihren Reisen noch gesehen. Was irgend Fleiß, was achte Kunst und wahre Wissenschaft, durch landesväterliche Gnade und Fürsorge gehörig unterstützt, nur immer leisten können, das ist an der hiesigen, ächt nationalen Anstalt verschwendet worden, ohne es zu verschwenden. Sie müssen es sehen, meine Gnädige! sonst glauben Sie es nicht. Der Büchersaal allein schon hat seines Gleichen nicht. Es ist eine Welt im Kleinen; ich möchte fast sagen, im Großen.
[54]Des Herzogs und der Herzogin Hoheiten lassen gnädigst die Frau Baronesse, mit Seiner Durchlaucht dem Prinzen von Ellenbogen, dem Herrn Geheimenrath von Boberfeld, dem Herrn Hofburgrath Wer der, dem Herrn Professor Bruno und Herrn von Saint-Preux, nebst Herrn Doctor Stirn und Herrn Tollhausbibliothekar von Zeu sel – für heute Mittag zur Tafel einladen.
DAUPHIN. Ich werde mich bemühen dergleichen in Germanismen umzuwechseln. Zum Be dienten. Wenn er also aufgestanden seyn wird, gehe hin –
DAUPHIN. Das thun alle Boten. Zu der Gesellschaft. Ich hoffe, meine Herren! also wieder bei Tafel das Vergnügen zu haben –
DAUPHIN aufstehend, zu den Herren. Verzeihen Sie – ich habe noch nicht ausgepackt. Zum Bedienten, indem sie Alle aufstehen. Ich werde die Ehre haben zu kommen.
V. ELLENBOGEN sich empfehlend zu Madame Dauphin. Kommen Sie nur so – im Reisekleid – ohne alle Toilette, ganz wie Sie sind. Der Hof ist gar nicht ceremoniös; und wir sind, so zu sagen, seit der Feind die Hauptstadt inne hat, und fast das ganze Land dazu, bis auf die Festung Dummlitz, Alle auf der Reise.
– »Was ihr den Geist der Zeiten nennt,
»Das ist im Grund der Herren eigner Geist,
»In dem die Zeiten sich bespiegeln.«
Faust der ältere.
Personen des Stücks.
Zuschauende.
Chöre.
Offener Platz vor dem Tollhause, von einer hohen Mauer umgeben. Im Vorgrund ein Balcon, mit einer Thür zur Linken, worauf die Hoheiten mit ihren Gästen so sitzen, daß man über sie wegsehen kann. Der offene Platz, oder die eigentliche Bühne, stellt einen Park voll Pappeln und Acazien vor, in dessen Hintergrunde ein Apollotempel. Zu beiden Seiten Büsten, und in der Mitte eine Platane, mit einer Bank darunter.
(Trompetenstöße.)
»Hol's der Teufel! oder der vollendete Faust« –
Halt inne, sag' ich. Der Narr sagt, es sey der Epilog; ich habe das unrechte Papier genommen. Aber warte nur ein wenig, und mache keine Geberden, damit [109] Du nicht wie eine Windmühle da stehst, die ohne Wind geht – wir werden gleich das rechte finden. – Pause.
KEIT, DER KOHLENBRENNER mit ellenlangen Schnabelschuhen, an deren Spitzen kleine Glöckchen angebracht sind, ganz altfränkisch gekleidet, mit einer Kette um den Hals, und einem Jägerhorn an der Schulter, tritt stampfend auf, und singt.
Mit Ahnsinn Wahnsinn, lächelndweinend,
Einend –
Mit schiefe Tiefe, dunkelmeinend,
Scheinend –
Der Enge Läng' entflammt in weiten Breiten,
Muß licht der Dichter durch die Zeiten gleiten.
[121] Ein Zwitter von Gewitter, bebend,
Schwebend –
In Luft und Kluft, dem Tode lebend,
Webend –
Bald himmelschwimmel, bald am Grabe Rabe,
Bringt Licht er dicht, und Matten Schatten abe.
Im Dunkeln funkeln seine spitzen
Blitze –
Daß er das Herz im Scherz mit Witzen
Ritze –
Er sprengt mit Macht zur Nacht der Moore Thore,
Daß er in's Herz den Schmerz durch's Ohre bohre.
Doch muß als Kuß er auch bisweilen
Eilen –
Von Mund zu Mund, und trotz dem Eilen
Weilen –
Wenn Mäulchen-Knäulchen, zartumschlingend, zwingen
Den Wetter-Schmetterling, deß Schwingen ringen.
Von fernen Sternen kommen süße
Grüße –
Und Rosen sprossen in der Wonne
Sonne –
Die Lippen nippen ihm der Küsse Süße;
Das Knäulchen-Mäulchen schlürft der Sonne Wonne.
Zerfließend, sich ergießend, windet – bindet
Der Gruß den Kuß, der Kuß den Gruß im Gusse;
Es fällt die Welt; doch wenn sie schwindet, findet
Er bieder wieder sie als Nuß im Kusse. –
O Witz! Blitz! Wonne! Sonne! – –
Teufelsdreck!
[122]Hans Wurst ruft ihm herunter: »Es ist noch nicht an Dir, Faust!« Er thut aber, als wenn er's nicht hörte, und fängt ruhig an.
Habe, Gottlob! weder Philosophie,
Juristerei, noch Medicin,
Noch viel weniger Theologie,
Noch sonst was studirt mit großem Bemühn!
Bin deswegen kein armer Thor,
Der dann wäre so klug wie zuvor.
Hab' auch fast keine Bücher gelesen;
Denn das ist alles erbärmlich Wesen;
Schlage mir auf ein einzigs nur,
Nämlich die genial'sche Natur
Meines eigenen großen Ichs –
Such' ich etwas, da findet sich's.
Alles was strahlt im Himmel, auf Erden,
Was in der Höll' entdeckt mag werden,
Jegliche weiß' und schwarze Magie,
Find' ich in meinem allmächt'gen Genie.
»Zweiundzwanzigstes Sonett.
»Dreiunddreißigstes Sonett.
»Vierundvierzigstes Sonett.
»Hundertundfünftes Sonett.
»Hundertundsechstes Sonett.
– »Gieb nur erst Acht, die Bestialität
Wird sich gar herrlich offenbaren.«
Alter Mephistopheles.
[205](AnFlorens.)
Ich saß in meines Daseyns enger Kammer,
Nachsinnend der Gemüther hohen Tiefen,
Und der Verstand' und der Vernünfte Jammer;
Als plötzlich mir aus ihren Gräbern riefen
Vernehmlich alle stummen Herzensgründe
Der Todten, die vorlängst in Gott entschliefen.
Und vor mir stand im härenen Gewinde
Cecilia, mit ihrer heil'gen Zitter,
Und sang: »Das Vließ des Glaubens such' und finde!«
Geweckt nun blickt' ich durch der Träume Gitter,
Und schaute vor mir offne Todesauen,
Voll grüner Stürm' und blühender Gewitter.
Um sieben Hügel, gräblich anzuschauen,
Wand sich ein leichendampfendes Gestade,
Und drauf ein Lamm in eines Löwen Klauen!
Leu brüllte Rach', und Lämmchen blökte Gnade –
Da sang Cecilia: »Kannst Du's ergreifen,
Wird Deine seyn der Liebe volle Lade!«
Und unwillkürlich fing ich an zu pfeifen.
Schnell auf den Pfiff kam der gebratne Lorenz;
Und eilends ließ der Leu das Lämmchen streifen –
Den heil'gen Braten schnappt' er; o, mein Florens!
Ich sehe noch das Lamm im Grase streifen,
Und den an dessen Statt verschluckten Lorenz.
Ich aber fuhr noch immer fort zu pfeifen,
Und lockte, stets die Augen auf die Lade,
Das Lämmchen, das sich ruhig ließ ergreifen.
Und's Lämmchen sprach: »Jetzt wird Dir große Gnade,
Daß mich gerettet aus des Löwen Klauen
Dein frommes Pfeifen hier am Dampfgestade!
Nimm meine Lade hin! da wirst Du schauen
Der Erdenwüste Stürm' und Ungewitter
Verwandelt in Gedüft der Himmelsauen!
Blick' in das Inn're durch das äußre Gitter,
Und was Du zeitlich suchtest, ewig finde,
Weil fromm Du horchtest jener heil'gen Zitter!«
Ich guckt' hinein. O Pracht! im Lichtgewinde
Von Engeln, die in Lilienwiegen schliefen
Auf Rosenwellen blauer Aethergründe,
Sah ich eilftausend Jungfraun, die mir riefen:
»Halleluja! verschwunden ist Dein Jammer!
Wir öffnen Dir der Seligkeiten Tiefen!«
Und jede zog mich leis' in ihre Kammer,
Mein Herz in heil'ge Wonne zu vertiefen;
Als bei der letzten – Jammer über Jammer! –
Ich fand eilftausend Jünglinge, die riefen:
»Wir haben zu Geseufz eilftausend Gründe;
»Auch wir sind Märtyrer: wir alle schliefen,
»Entflohen aus dem weltlichen Gewinde,
»Gelockt von der Cecilia heil'gen Zitter,
»Bei diesen Jungfraun. Glaube! such' und finde!
»Erscholl's auch uns. Wir suchten hinterm Gitter –
»Was fanden wir? Du wirst es bald mit Grauen
»Entdecken!« – Wie vom plötzlichen Gewitter
Getroffen, lag ich, ohn' umherzuschauen,
Gleich einem Schifferleichnam am Gestade,
Gepackt auf einmal von eilftausend Klauen.
Vergebens schrie ich: Gnade! Gnade! Gnade!
Die Klauen fuhren fort, mich anzugreifen
Es stinkte, wie in einer Leichenlade –
Ich pfiff, voll Todesangst; doch auf mein Pfeifen
Kam diesmal weder Leu, noch Lamm, noch Lorenz.
Sie fingen an die Haut mir abzustreifen
Bis auf die Knochen. O, mein theurer Florens!
Ich flucht' in diesem Augenblick dem Streifen,
Dem Suchen, Allem, selbst dem heil'gen Lorenz,
Trotz seiner Unschuld, und zumal dem Pfeifen. –
Mir Knochenmann in meiner Todeslade
War endlich gar kein Fleisch mehr anzugreifen;
Doch mein Gerippe selbst ward ohne Gnade
Zerrissen von den unsichtbaren Klauen,
Bis auf die Seel'. Am nämlichen Gestade,
Wo ich zuerst erwacht', und wo zu schauen
Die sieben Hügel waren voll Gewitter,
Fand ich mich jetzt, ganz auf denselben Auen.
Doch, statt Cecilia, stand dort am Gitter
(Was ich noch immer unbegreiflich finde)
Ich selber, in der Hand, statt einer Zitter,
'Nen Stiefelknecht, mit spanischem Gewinde
Von Schafgedärm. Ich spielt', und Alle schliefen
Um mich herum, und, was ich nie ergründe,
Auch ich schlief ein – als wieder laut mich riefen
Eilftausend Stimmen, ach! zu neuem Jammer,
Aus diesen wunderbaren weiten Tiefen
Zurück in meines Daseyns enge Kammer. –
Jüngst in einem hochgewölbten
Engen Zimmer, gothisch, dunkel,
Zugemacht das kleine Thürchen
Mit dem ausgesägten Herzen –
Auf dem wunderbaren Kreisloch
Mit dem Zapf (der Erde Zeichen
Magisch ruhend ohne Ruhe –
Saß der junge wackre Faustus.
Grimm im Kopfe, Grimm im Bauche,
Welt und Daseyn laut verwünschend
(Denn er ist ein großer Dichter,
Und ein großer Philosophe!)
Saß er da, wie Polyphemos,
Gegen Gott, Natur, und Schicksal
Trotzig donnernd, plastisch wüthend –
Und genirte sein Genie nicht;
Fluchte, tobte, schimpfte kecklich,
Blasphemirt' auf's allerbeste –
Dachte Sätze, Scenen, Thaten,
Unerhörte, niegedachte.
Lag ihm nämlich sehr im Sinne,
Zu gemüthen etwas Größres,
Genialisch-gothisch-großes,
Als bisher gemüthet worden.
Unter sieben Jauer-Purschen,
Eben so viel Unstudenten,
Jeder voll gewalt'ger Thierkraft,
War er schon der Leu seit lange.
Jeder trieb's, mit tief entblößtem
Schweinigen, auf seine Weise,
(Ganz des Teufels nur zu werden)
In Genie, so weit er konnte;
Weit am weitsten doch im Schlemmen,
Saufen, Prügeln, und dergleichen
Trieb's der göttlich grobe Junge;
Lange doch nicht weit genugsam.
Zwar bewundert und beneidet
War er von den andern Allen;
Lange doch, trotz allem Unthun,
Angebetet – von sich selbst nur.
Endlich am besagten Orte,
Nach viel gar verwegnem Sinnen,
Glückt' es ihm, sich auszudenken
Productiver Sünden Sünde.
Alsobald erschien der Böse
(Denn er kömmt auf der Gedanken
Wink), durch's Herz der Thüre fahrend,
Fragend ihn: »Was willtu, Meister?«
»Wer bistu, der mich zu stören
Wagt?« begann der kecke Fauste,
Wenig nur vom Sitze hebend
Seinen Körper in die Höhe.
»Mephistopheles, der Schildknapp
Deines sel'gen großen Vaters!«
Gab zur Antwort ihm der Böse,
Mit gar schönem Pferdekratzfuß.
»Lügner!« rief der Fauste zornig,
»In drei Worten dreimal lügend!
Erstlich war nicht Faust mein Vater;
Zweitens war mein Vater groß nicht;
Drittens holt' ihn ja der Teufel,
Mithin ist er wohl nicht selig. –
Willtu täuschen, dichte so, daß
Der Belogne wird betrogen!«
Drauf der Mephistophel pfiffig
(Denn das sind die meisten Teufel;
Alle nicht; es giebt auch dumme!):
»Freilich hab' ich Dir gelogen –
(Muß es thun, der Uebung wegen) –
Aber diesmal log ich Wahrheit:
Nennst nicht Faust Dich? hast den Teufel
Nicht gerufen? kennst nicht Gretchen?«
»Rothwamms«, rief der Junge, gierig
Mehr zu hören (denn er wußte
Nichts von seiner Herkunft, hoffte
Bloß, er sey vielleicht ein Hurkind.)
»Faust zwar nannten mich die Eltern,
Arme, längst gestorbne Hütt'ner
Draußen in dem wilden Schwarzwald,
Wo ich anfangs auferzogen –
Unter uns gesagt, doch glaubt' ich,
Nur der starken Hände wegen,
Die sich schon im dritten Jahre
Grimmig gegen Beide ballten.
Oft zwar rief ich auch den Teufel,
Mir mit Höllenkraft zu helfen,
Daß ich aller Schüler Meister
Werd' in genial'scher Allmacht.
Eine Greth' auch kenn' ich – oder
Habe sie aus der Geschichte
Mir studirt – die Grethe nämlich,
Die der große Faust verführte.«
»Weiß das alles!« sprach der Voland,
»Weiß es besser als Du selber –
Hab' auch Deinen Wunsch vernommen!
Und bewundre seine Freche
Aber sage: magstu Alles
Wissen? darfstu Alles hören,
Was von Deiner tiefverborgnen
Herkunft ist der Hölle kundig?«
»Alles!« rief der kecke Jüngling
(Denn vor nichts zurückebebte
Seine Lust, sich auszuzeichnen);
»Alles, Alles will ich wissen!
Wenn's nur tragisch ist und gräßlich,
Hör' ich selbst das Gute gerne!
Sprich! und ohne Worte viele
Bring uns Beide bald zum Ziele!«
»Wisse dann,« begann Mephisto:
»Diese Grethe, die so rührend
In dem göttlichen Fragmente
Liebte, fiel, und Mutter wurde –
Diese Greth' ist Deine Mutter!
Unter ihrem Herzen lagstu
Schon, als Deinen sel'gen Vater,
Wie man sagt, der Teufel holt'.
Wie darauf sie, ganz von Sinnen,
In ein Kloster gehen wollte,
Wurde sie von Dir entbunden
Unterwegs im wilden Walde.
Ganz, wie sie Dich einst empfangen, –
O Du kühner Sproß der Sünde!
O Du theures Pfand der Hölle!
Warf sie Dich, bewußt – und sinnlos;
Ging von dannen, ließ Dich liegen.
Als da kam ein armer Waldhirt,
Hörte wimmern was im Busch', und
Fand Dich in dem seidnen Halstuch;
Trug das Kindelein, voll Mitleid,
Heim zu seinem frommen Weibe,
Die Dich pflegt' und Faust Dich nannte,
Weil im Tuch der Name Faustus.
Wie Du weißt, hastu schon frühe
Beid' ins Grab gebracht durch Deine
Wilde Genialität, die
Sie nicht recht zu schätzen wußten.
Selig nannt' ich Deinen Vater,
Ob er ewig gleich verdammt ist,
Weil er solchen Sohn erzeuget,
Der ihn noch wird übertreffen.«
Laut aus vollem Halse mußte
Jetzt der biedre Junge lachen,
Wie er von dem Teufel hörte
Seine tragische Geschichte.
Lachen mußt' er – weil von allen
Genialischen Geburten
Keine dichterischer, kühner,
Gothischer, und wunderbarer.
Lachen mußt' er endlich – weil er
Hätte sonst verzweifeln müssen. –
Als er sattsam ausgejauchzet,
Sprach der offne, brave Junge:
»Freut mich baß, daß ich des alten
Teufelabgeholten Doctors
Sohn und Erbe bin, und also
Von bewährtem Dichteradel.«
Was noch mehr der brave Jüngling
Keck bemerkte, war so kräftig,
Daß ich's (weil ich doch ein Mädchen,
Trotz der Wildheit) nicht kann sagen.
Gnug, nachdem der Bote Satans
Das Gemüth erprobt gefunden,
Wie in Worten, so in Thaten,
So in Thaten, auch in Worten –
Und nachdem 's Gemüth ihm gottlos
Durch der Flüche Fluch versprochen,
Binnen Jahresfrist die deutsche
Dichtkunst ganz zu ruiniren –
Fuhr zur Höll' er mit dem Auftrag,
Den wir kennen; und als diesen
Satan angenommen, holt' er
Fausten ab, wie wir vernommen.
Dieser, nach der That der Thaten,
Die ihm trefflich wohl gerathen,
Ist nunmehr, mit Haut und Haar,
Rein des Teufels ganz und gar.
Thut mit unsern Jauern schalten,
Wie er will, und foppt die Sieben,
Bei der Nase führend alle,
Wie wir sehen werden balde.
Mephistophel commandirt er
Rechts und links; er muß ihm Alles
Schaffen, immer neue Peitschen,
Alten Wein, und junge Gretchen.
Klingel, Flecht, Bombastus, Höch'ner,
Keit, und Till, und Schrelling – jeder
Wähnend für sich selbst zu kollern,
Kollern nur vor seinem Wagen. –
Doch bis jetzt ist all sein Treiben
Heimlich und versteckt geblieben;
Bald wird ganz sich offenbaren
Seine Macht den blinden Sieben!
In dem Auerbach'schen Keller
Wird er herrlich sie tractiren;
Und sie werden alle dummeln;
Aber er wird dominiren.
Ich empfehle mich auf's allerbeste,
Meine schönen Herren! als Romanze.
Wie die süße Braut zum Hochzeitfeste,
War ich gar zu nöthig für das Ganze.
Sein ganzes Geberdenspiel ist ein wechselnder Ausdruck von tiefster romantischer Wehmuth und höchster mystischer Demuth. Nach einigen schwer geholten Seufzern fängt er an zu singen.
SCHWÄMMELEIN, DER FIEDELER, führt Faust nebst den sieben Weisen vor den König.
Sind dumme Recken aus der künft'gen Zeit,
Sie kommen, Herre! Dir zu dienen,
Hier in das Heunenland, gar weit, –
Du siehst's an ihren blöden Mienen.
VOLK, HOFNARR DES HEUNENKÖNIGS.
Wann ich schau sie von hinten, schau sie von vorn,
Wollt' schwör'n, sie sey'n noch gar nicht gebor'n.
Zu Füßen leg' ich Höchstdenselben hier
Ein treu gemaltes Bild, nicht ohne Bangen,
Daß Sie danach gar nicht verlangen,
Weil's nur von mir,
Der fremd und namenlos – zum wenigsten vergessen –
Ganz ungebeten, und vielleicht vermessen,
Zum höchsten Thron der Menschheit mich genaht,
Aus bloßer Lust zum Malen in der That.
Ich leugn' es nicht, Sie haben mir gesessen;
Ich stahl bei'm Zwielicht in Ihr Kämmerlein
Mich zwischen Ihrem Schlaf und Wachen ein.
Verzeihen Eure Majestät indessen
Der – wenigstens für mich – brotlosen Kunst zulieb
Dem armen Dieb!
Sie nehmen ja mit jedem Werk vorlieb –
Und Dero Gottesgnad' in Kunst ist nicht zu messen:
Das weiß ich – und das giebt mir für mein Werk den Muth,
Ohn' all' Empfehlung großer Mäcenaten
In Höchstderselben selbst regierten Staaten
Es dem Augustus Selbst zu bringen kurz und gut.
Betrachten Sie's! Sie werden, will ich hoffen,
Wenn anders Sie sich recht im Spiegel je gesehn,
[313]Mit einem gnäd'gen Lächeln mir gestehn,
Es sey, wenn auch nicht schön, doch wenigstens getroffen.
Nur mögen Eure Majestät darin,
Nicht wie der sel'ge Kaiser einst von Tschin,
Deß Bild ein Brite malte, sehr erschrecken
Vor den scheinbaren vielen schmutz'gen Flecken!
Sie haben ja für's Dunkle deutschen Sinn,
Und nicht chinesischen für's bloße Helle.
Ich habe jeden Zug gemalt nach der Natur,
Und Schatten angebracht, wie Licht, an seiner Stelle:
Sind hier und dort die ersten etwas grelle,
Sie heben um so mehr das Helle nur.
Der Verfasser.
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