389. Spukerei an der Miltenberger Ueberfahrt.
Die jenseitige Wiese an der Mainüberfahrt bei Miltenberg hat vormals den Fährern dieser Stadt gehört. Weil sie auf der Markung von Großheubach liegt, machten dessen Einwohner darauf Anspruch und bestachen den Miltenberger Kirchenpfleger, daß er aus dem Kirchenbuche das Blatt schnitt, das die Wiese als Eigenthum der Fährer bezeichnete. Diese konnten nun ihr Recht nicht darthun, und so wurde vom Richter das Grundstück den Großheubachern zuerkannt. Wegen seines Verbrechens muß der Kirchenpfleger, seit seinem Tode, in den heiligen Nächten auf der Wiese umgehen, wobei er manchmal »hol', hol'!« herüberruft. – Einen solchen Ruf hielt einmal ein Fährmann für den eines Reisenden und schiffte hinüber. Da stand am Ufer ein langer Mann, welcher sogleich in den Nachen stieg und denselben durch seine Schwere fast bis zum Rand einsenkte. Als sie hüben anfuhren, fragte der Mann: »Was kostet's?« »Nichts«, antwortete der Fährer. »Das hat dir Gott in den Sinn gegeben!« sagte darauf der Mann und ging von dannen.
Einem andern Schiffer, welcher den langen Mann herüberführte, legte derselbe stillschweigend einen alten [346] Weißpfennig hin, den der Schiffer auch nahm und zum Andenken aufbewahrte.
Einst in der Nacht rief es von der Wiese herüber: hol', hol'! und klatschte mit der Peitsche. Als die Fährleute mit der Näe hinüberkamen, sahen sie eine sechsspännige Kutsche mit drei Rädern pfeilschnell längs dem Ufer davonfahren.
Etliche Mal geschah es auch, daß die Schiffer, die auf das Rufen hinüberfuhren, dort niemand antrafen.
Auf der Wiese und den angränzenden Feldern geht nachts ein Licht umher, welches wohl das Dasein eines Schatzes anzeigt.