478. Der Riese zu Ebrach.
Zur Zeit der Heuärnte kam einst ein Riese nach Ebrach und erbot sich, um mäßigen Lohn den dortigen langen Wiesengrund des Klosters allein abzumähen. Die Mönche erwiederten, daß dies allzulange dauern würde, worauf er ihnen folgende Wette antrug: wenn er von [399] Tagesanbruch bis Mittag, bei einmaligem Wetzen der Sense und einmaligem Ausruhen während des Frühstücks, die Wiesen nicht vollständig abmähe, so sei sein Kopf, oder ein großes Lösegeld verloren; werde er aber fertig, dann solle das Kloster, mit allem, was es besitze, ihm eigenthümlich zufallen. In der Ueberzeugung, daß dem Riesen sein Unternehmen unmöglich gelingen könne, gingen die Geistlichen die Wette ein. Nachdem der Riese am nächsten Morgen seine Sense gewetzt hatte, machte er sich an die Arbeit und verrichtete sie mit solcher Geschwindigkeit, daß die Mönche bald inne wurden, ihre Wette gehe verloren. Sie vergifteten nun sein Frühstück, ein gebratenes Huhn und eine Flasche Wein, und tischten es ihm um sieben Uhr, eine Stunde oberhalb des Klosters auf einem großen Stein auf, bis wohin schon der Wiesengrund abgemäht war. Nicht lange hatte der Riese das Frühstück verzehrt, so fiel er nieder und starb. An der Haupttreppe des Klosters ist er in Lebensgröße ausgehauen 1 und auf dem Steine, der von dem Ereigniß der Hühnerstein heißt und noch am alten Platze liegt, sind Flasche, Huhn, Teller, Messer und Gabel abgebildet.
Fußnoten
1 Es ist der Gott der Zeit mit Flügeln und Sense.