Der Traum

In des Regenbogen überlangem Ton.

Altes Manuscript.

1.

Ein mal lag ich
In Schlafes Qual,
Mich däucht ich war
Auf einem Berg
Vor eime königlichen Pallast,
Der war durchhauen pur
Nach meisterlichen Sinnen,
Bildwerk zierlich
Stand überall
Am Pallast stolz,
Der war von Marmorquader;
Fein war das Dach
Von Kupfer braun,
Berillen klar
Das Fensterwerk.
Zu oberst von der Burg her glast
Von Gold ein Sonnenuhr,
Gülden waren die Zinnen.
Ringweis ich sah
Darum einen Zaun
Von Zederholz,
[221]
Die Pforte war Albater.
Ich trat auf die Schlagbrücke,
Und sah ein Tanz
Von minniglichen Bilden
In diesem Pallast schön;
Da gieng ich stehn
Zu dieser Pforten,
Und blickte heimlich hinein,
Die klaren Aeuglein spielten,
Freundliche Wort
Wurden gehort.
Die adelichen Jungen
Nach den Trometen (Flöten)
Höfelich sprungen,
Ihr jedes hat
Von Sammt ein Wad,
Ein köstlich Schauben,
Ring, Ketten, goldne Borten.
Heidnisch war der Frauen Geberd,
Darauf jede mit Rosenkränz;
Der Männer fürstliches Gewand,
Von Sammet, Seiden und Taffant,
Damast und gulden Stücken
Von Perlen glänzen, Kränzen
Auf den Hauben.
Im Herzen mein
Dacht, mögt ich bei der Schaare sein!
Ich wolt mich mischen unter sunder
und that gehn,
Das war mir frei gelücken.

[222] 2.

Ich kam hinein,
Und sah die Tisch
Mit Pfeler Tuch
Bedecket all,
Mit Teppich war der Saal geziert,
Mitten stund im Pallast
Ein kaiserlich Kredenze
Von Zipperwein,
Wilprett und Fisch,
Bereitet war
So überköstlich Speise,
Solch mannich Blum
War da gestreut,
Himmlischer Geruch
War in dem Saal.
Zu Tisch
Manichem edlen Gast
Zu groser Reverenze
Ein grose Summ
Der Diensteleut
Dienten der Schaar,
Nach Art höfelicher Weise.
Als ein End hätt' das Mahle,
Standen sie auf,
Ein Sommer Reihen sprungen,
Gar lieblicher Gesang
Mit Freud erklang.
Ihr Melodeye
Die konkerdiret lustiglich
Gleich engelischen Zungen.
Auch sah ich viel
Der Ritterspiel
[223]
Von Rittern und von Knechten,
Mit Laufen, Springen, Ringen,
Kämpfen, Fechten
Künstlich, gelenk,
Mit viel Gepräng.
Nach dem einließen
Sie auch ein Mummereye.
Verputzet, daß man sie nit kennt,
Zumal ein wohl gezierter Hauf,
Die hätten ein Maruscatanz,
Ihr zween sah ich gerüstet ganz,
In Harnisch über alle,
Die könnten stechen, brechen
Mit den Spießen
Gar ritterlich.
In einen Winkel schmiegt ich mich,
Mein Herz vor Freuden kittert, zittert,
Hupfet, sprang
Von Wonn in diesem Saale.

3.

Schau, indem kam
Hinein der Tod,
Mit sich er trug
Ein Sense scharf,
Und schlich grausam hinein den Saal,
Und mähet ab und auf,
Bald starbe, wen er trafe,
Ein Ende nahm
Die fröhlich Rott
Jederman floh,
Und aus dem Saal sich machet,
Traurig Geschrei
[224]
War ihr Gesang,
Der Tod sie schlug,
Zu Haufen warf,
Da ward manch rothes Mündlein fahl,
Groß ward der Todten Hauf,
Also däucht mich im Schlafe,
Wie daß ich frei
Herab da sprang
In Graben hoch,
Indem ich aufgewachet,
Und däucht mir heimlich eben;
Der Traum bedeut
Die Wollust dieser Welte.
Der Pracht, Gewalt und Ruhm
Ist als ein Blum
In ihrer Zierde
Durch Regen sanft und kühlen Thau,
Aufwächset in dem Felde,
So Reifes Duft
Und kalte Luft
Geschwind über sie thut blasen,
Bald sie verschmoret, dorret
In der Masen,
Reichthum und Kunst,
Freud, Lieb und Gunst,
Ehr und Gewalte,
Gepräng, Geschmuck und Würde,
Auf dieser Erde aller Stand
Steht es in Glück und blühet heut,
So schwindet es doch Morgen ab,
Und sinket endlich in das Grab,
Was Fleisch und Blut konnt geben,
Das muß verderben, sterben
[225]
Jung und alte
Mann unde Frau,
Auf das Vergänglich hier nit bau,
Das als ein Traume, Schaume
Kommet um;
Fleuch, zeuch zum ewgen Leben.

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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2011). Arnim, Ludwig Achim von. Der Traum. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-1209-4