oder
Philosophie
der
lebenden Natur
für
Naturforscher und Aerzte.
bey Johann Friedrich Röwer.
1818.
[[II]][[III]]
Inhaltsverzeichniſs.
- Geschichte des physischen Lebens.
- Sechstes Buch. Wärme, Licht und Elektri-
cität der lebenden Körper. S. 1. - Erster Abschnitt. Eigene Wärme der lebenden
Körper. S. 3. - §. 1. Wärme der Pflanzen. S. 4.
- §. 2. Wärme der niedern Thiere. S. 20.
- §. 3. Eigene Wärme der Vögel und Säugthiere.
S. 30. - §. 4. Theorie der thierischen Wärme. S. 48.
- Zweyter Abschnitt. Phosphorische Erscheinun-
gen der organischen Natur. S. 81. - §. 1. Phosphorescenz lebender Körper. S. 82.
- §. 2. Phosphorescenz abgestorbener Pflanzen und
Thiere. S. 122. - §. 3. Entwickelung von Feuer im menschlichen
Körper. S. 131. - §. 4. Allgemeine Resultate dieses Abschnitts. S. 139.
- Dritter Abschnitt. Thierische Elektricität. S. 141.
- Siebentes Buch. Automatische Bewegungen
der lebenden Körper. S. 183. - Erster Abschnitt. Aeuſserungen der bewegen-
den Kraft bey den verschiedenen leben-
den Körpern. S. 185. - Erstes Kapitel. Erste Spuren der automatischen
Bewegungen auf den untersten Stufen der
lebenden Natur. S. 185. - Zweytes Kapitel. Automatische Bewegungen der
Pflanzen. S. 188. - §. 1. Hinbewegen der Wurzeln, Zweige und Blät-
ter der Pflanzen nach der Feuchtigkeit, dem
Licht u. s. w. S. 188. - §. 2. Schlaf und Wachen der Pflanzen. Linné’s
Blumenuhr. S. 191. - §. 3. Hedysarum gyrans. S. 201.
- §. 4. Bewegungen der vegetabilischen Geschlechts-
theile zur Zeit der Befruchtung. S. 204. - §. 5. Reitzbarkeit der vegetabilischen Befruchtungs-
theile. S. 206. - §. 6. Reitzbarkeit der Blätter mehrerer Pflanzen.
S. 217. - §. 7. Bewegung der Säfte in den Pflanzen. S. 229.
- Drittes Kapitel. Automatische Bewegungen der
Thiere. Vergleichung derselben mit den ve-
getabilischen. S. 234. - Zweyter Abschnitt. Grundformen der automa-
tischen Bewegungen. S. 237. - Dritter Abschnitt. Bewegungen der verschiede-
nen organischen Systeme. S. 253. - Vierter Abschnitt. Dauer der automatischen Be-
wegungen in dem Ganzen und den ein-
zelnen Theilen. Tenacität des Lebens.
S. 264. - Fünfter Abschnitt. Bedingungen und Gesetze
der automatischen Bewegungen. S. 278. - Achtes Buch. Verrichtungen des Nervensy-
stems im Allgemeinen. S. 317. - Erster Abschnitt. Vorläufige Bemerkungen über
die Organisation des Nervensystems. S.
319. - Zweyter Abschnitt. Reitzbarkeit der Nerven.
S. 344. - Erstes Kapitel. Vermögen der Nerven, Eindrücke
aufzunehmen und fortzupflanzen. S. 344. - Zweytes Kapitel. Unterbrechung des Fortgangs
der Nerveneindrücke durch die Ganglien.
S. 348. - Drittes Kapitel. Consensuelle Nervenwirkungen.
S. 363. - Viertes Kapitel. Associationsvermögen des Ner-
vensystems. S. 368. - Fünftes Kapitel. Nervenreitze und deren Wir-
kungsart. S. 372. - Sechstes Kapitel. Gesetze der Reitzbarkeit des
Nervensystems. S. 393. - Dritter Abschnitt. Autonomie des Nervensy-
stems. S. 407. - Erstes Kapitel. Einfluſs der Nerven auf die Er-
nährung. S. 407. - Zweytes Kapitel. Instinktartige Nervenwirkungen.
S. 429. - Drittes Kapitel. Dynamische Wirkungen des Ner-
vensystems. S. 451. - Erklärung der Kupfertafeln. S. 469.
- Zusatz. Ueber die Phosphorescenz der leuch-
tenden Springkäfer. S. 475.
[[1]]
Geschichte
des
physischen Lebens.
Sechstes Buch.
V. Bd. A
[[2]][[3]]
Sechstes Buch.
Wärme, Licht und Elektricität
der lebenden Körper.
Erster Abschnitt.
Eigene Wärme der lebenden Körper.
Wärme ist die Hauptbedingung alles Lebens.
Aber nur ein mittlerer Grad derselben ist dem Le-
ben der irdischen Organismen angemessen. Bey
einer anhaltenden Temperatur der Atmosphäre,
die + 35° des Reaumurschen Thermometers über-
steigt, verwelken und verschmachten die meisten
Pflanzen und Thiere eben so wohl, als bey einer
Kälte, die unter — 30° herabsinkt.
In wenigen Gegenden der Erde bleibt sich
die Temperatur der Luft immer gleich. In den
A 2gemä-
[4] gemäſsigten Climaten beträgt sie im Winter oft
— 20°, und wechselt im Sommer zwischen + 12°
und + 26°. Wie erhalten sich die Thiere und
Pflanzen jener Erdstriche bey diesem Wechsel?
Besitzen sie ein Vermögen, bey äuſserer Kälte sich
zu erwärmen, und bey äuſserer Hitze sich ab-
zukühlen? Oder giebt es sonstige Einrichtungen
in ihrer Organisation, wodurch sie vor den nach-
theiligen Wirkungen der Kälte und Hitze ge-
schützt sind? Die Beantwortung dieser Fragen
läſst sich blos aus der Erfahrung nehmen. Wir
werden dieselbe zu Rathe ziehen, und bey dem
Pflanzenreich unsere Untersuchungen anfangen.
§. 1.
Wärme der Pflanzen.
Schon der Verfasser des dem Aristoteles
zugeschriebenen Werks Von den Pflanzena)
spricht von einer innern Wärme der Gewächse.
Bacona*) hingegen läugnete alle fühlbare Wär-
me der Pflanzen. Doch diese und ähnliche Be-
merkungen früherer Schriftsteller stützen sich auf
zu wenige und zu mangelhafte Erfahrungen, als
daſs sie Rücksicht verdienten. Erst J. Hunter
stellte genauere Versuche über die Temperatur
der Vegetabilien an b), die hier mitgetheilt zu
werden verdienen.
An
[5]
An einer dreyjährigen Fichte, die Hunter
unter Wasser in eine künstliche Temperatur von
15 bis 17° Fahrenh. gebracht hatte, erfror blos
der jüngste Trieb. Dieser blieb auch welk, nach-
dem die Fichte wieder gepflanzt war; die ältern
Triebe aber vegetirten fort.
Von einer jungen Haberpflanze, die erst mit
drey Blättern versehen war, wurde ein Blatt und
die Wurzel in eine Kälte von 22° Fahrenh. ge-
bracht. Das Blatt erfror sehr bald; die Wurzel
aber behielt ihre Lebenskraft.
Zwey Blätter einer Bohnenpflanze, wovon
das eine erfroren und wieder aufgethauet, das
andere frisch und vorher aufgerollet war, wur-
den in ein Gefäſs gelegt, das eine Temperatur
von 17° Fahrenh. hatte. Von dem letztern Blatt
erfror blos der Rand, der das Gefäſs berührte;
das erstere erfror ganz und schneller als dieses.
Ausgepreſster Saft von Kohl und Spinat ge-
fror nicht, wie das Wasser, beym 32sten Grad,
sondern erst beym 29sten. Zwischen diesem und
dem 30sten Grad thauete er wieder auf.
Wurde der gefrorne Saft in eine kalte Mi-
schung von 28° gebracht, und wurden dann die
Blätter einer frischen Bohne oder Fichte auf den-
selben gelegt, so thauete er an den Stellen, wo er
mit den Blättern in Berührung stand, wieder auf.
A 3In
[6]
In den Stamm eines Nuſsbaums, welcher 9
Fuſs hoch war und 7 Fuſs im Umfange hatte,
wurde 5 Fuſs über der Erde ein 11 Zoll tiefes
Loch gebohrt. In dieſes wurde ein Thermometer
gebracht und der äuſsern Luft der Zugang zu
der Oeffnung verschlossen. Im Frühling war der
Stand des Thermometers so unbeständig, daſs sich
nichts Allgemeines darüber bestimmen lieſs; im
Herbst aber stand er um einige Grade höher als
ein correspondirendes Thermometer, das in der
freyen Luft hing. Im Winter, bey einer Tem-
peratur von 29 bis 16°, zeigten auch Thermome-
ter, die in Pappeln, Platanen, Fichten, Tannen
und mehrere andere Bäume eingesenkt waren,
eine etwas höhere Temperatur, als die Atmo-
sphäre hatte; doch betrug der Unterschied gewöhn-
lich nur Einen Grad.
Hunter schloſs aus diesen Beobachtungen,
daſs die Pflanzen ein Vermögen besitzen, Wärme
zu erzeugen, und zwar eine Wärme, die mit
der Temperatur der Atmosphäre in einem gewis-
sen Verhältniſs steht. Allein seine Erfahrungen
berechtigen nicht zu diesem Schluſs. Die That-
sachen, daſs ein frisches Blatt langsamer als ein
gefrornes und wieder aufgethautes gefror, und
daſs die Temperatur des Nuſsbaums im Herbst
um einige Grade höher als die Temperatur der
Atmosphäre war, lassen sich schon daraus befrie-
digend
[7] digend erklären, daſs alle vegetabilische Substan-
zen schlechte Wärmeleiter sind, daſs ihr Leitungs-
vermögen zu verschiedenen Zeiten und unter ver-
schiedenen Umständen sehr verschieden ist, und
daſs dieses wegen der bald gröſsern, bald gerin-
gern Menge der in ihnen befindlichen Säfte, we-
gen der veränderlichen Consistenz dieser Flüssig-
keiten und wegen der ungleichen Spannung der
vegetabilischen Fasern und Häute sehr verschie-
den seyn muſs. Für die Richtigkeit dieser Er-
klärung bürgen die Resultate, die Nauc) und
Balded) bey Wiederhohlung der Hunterschen
Versuche erhielten. Gefrorner Kohlsaft, den je-
ner in einer Temperatur von 29° F., dieser in
einer Kälte von — 2° R. theils mit belebten Pflan-
zentheilen, theils mit leblosen Körpern bedeckte,
thauete immer auf, und die Quantität des aufge-
thaueten Safts richtete sich nicht nach der Be-
schaffenheit des aufgelegten Körpers, sondern
nach der Menge der Berührungspunkte zwischen
diesem und dem Eis. Von dem geringern Lei-
tungsvermögen der Pflanzensäfte, und gewiſs nicht
von einer eigenen Wärme derselben, rührt es
auch her, daſs der Punkt des Thermometers,
wobey
A 4
[8] wobey vegetabilische Flüssigkeiten gefrieren, nur
einige Fahrenheitsche Grade niedriger als der Ge-
frierpunkt des Wassers ist. Daſs endlich in Hun-
ter’s Versuchen jüngere Pflanzenzweige schnel-
ler als ältere erfroren, läſst sich aus dem grö-
ſsern Gehalt an Säften der jüngern Zweige und
aus der wäſsrigern Beschaffenheit dieser Säfte er-
klären.
Nach Hunter stellte Schöpf ähnliche Be-
obachtungen, wie jener an einem Nuſsbaum ge-
macht hatte, an mehrern Bäumen in Nordamerika
an e). Der Stand des Thermometers war zu ver-
schiedenen Zeiten und an verschiedenen Bäumen
sehr verschieden. Doch hatte im Allgemeinen
das Innere der Bäume vom Herbst bis in den
Winter eine höhere Temperatur als die Luft, und
zwar eine desto höhere, je stärker der Frost
war; hingegen vom Frühling bis in den Sommer
war die innere Wärme des Baums niedriger als
die Temperatur der Atmosphäre, und der Unter-
schied nahm mit der Hitze der äuſsern Luft zu.
Bey diesen Erfahrungen fehlen aber vergleichen-
de Versuche mit abgestorbenen Bäumen, so daſs
sich nichts Sicheres daraus schlieſsen läſst.
Wichtiger sind ähnliche, von Salomé ge-
machte Versuche f). Dieser bohrte im Mai ein
cylin-
[9] cylindrisches Loch von 9 Zoll Tiefe in den Stamm
eines Baums von 18 Zoll Durchmesser 8 Fuſs
hoch über der Erde, und ein ähnliches in ein
Stück von einem geschlagenen Baumstamm, wel-
ches noch mit der Rinde bekleidet, von einerley
Durchmesser mit jenem Baum und an der Luft
ausgetrocknet war. Er steckte in beyde Canäle
zwey correspondirende Weingeistthermometer, und
hing ein drittes ähnliches Werkzeug an der Nord-
seite einer Mauer auf. Aus einer Vergleichung
des Gangs der drey Wärmemesser ergaben sich
folgende Resultate. Das Thermometer, welches
in dem abgehauenen Baumstamm angebracht war,
zeigte keine merkliche Abweichung von dem,
welches in der freyen Luft hing. Das in dem
lebenden Baum befindliche Thermometer hinge-
gen stand immer höher als dieses, so lange die
Temperatur der Luft unter 14° (vermuthlich des
100 gradigen, Celsius’schen Thermometers) war.
Stieg aber die letztere über 14°, so blieb die
Wärme des Baums unter der Wärme der freyen
Luft. Während in dem Verlauf eines Monats
die Temperatur der Atmosphäre zwischen 2° und
26° schwankte, blieb die Wärme des Baums im-
mer über 9° und unter 19°. Diese veränderte
sich auch nur sehr langsam und um wenige Gra-
de, und hielt sich oft mehrere Tage zu allen
Stunden auf demselben Punkt, während jene bin-
nen 6 Stunden zuweilen um 10° wechselte. Am
A 5mei-
[10] meisten Einfluſs hatte auf diese ein anhaltender
Regen, wobey sie merklich abnahm, ohngeach-
tet die Wärme der Luft nicht merklich dadurch
vermindert wurde.
Diese Versuche beweisen dem Anschein nach
allerdings ein Vermögen der Gewächse, eine ge-
wisse mittlere Temperatur in sich hervorzubrin-
gen. Man kann zur Unterstützung derselben
auch noch anführen, daſs die Temperatur des
lebenden Baums ohne Zweifel noch gröſser war,
als Salomé’s Versuche sie angeben, indem das
in dem Baum befindliche Thermometer blos un-
ten mit dem Innern desselben in Berührung stand,
oben aber vor dem Einfluſs der Atmosphäre nicht
geschützt war.
Noch mehr scheinen Hermbstädt’s Beobach-
tungen für ein solches Vermögen der Gewächse
zu sprechen g). Hermbstädt fand, daſs der Saft
von Ahornen, die im Winter angebohrt waren,
dann noch in flüssiger Gestalt hervordrang, wenn
der schon ausgeflossene Saft in untergesetzten
Gefäſsen zu Eis erstarrt war. Er brachte in die
Oeffnung eines frisch angebohrten Zuckerahorns
die Kugel eines empfindlichen Thermometers, um-
gab diese mit Baumwachs, um den hervordrin-
gen-
[11] genden Saft zurückzuhalten, und hing ein cor-
respondirendes Thermometer neben dem vorigen
in der freyen Luft auf. Zeigte nun das letztere
Thermometer — 5° Reaum., so stand das erstere
auf + 2°. Die innere Temperatur des Baums
war selbst dann, wenn die Temperatur der Atmos-
phäre auf — 10° herabsank, noch + 1°. Auch
Rüben und Kartoffeln zeigten inwendig noch eine
Wärme von + 1° bis + 1,5° bey einer Tempe-
ratur der Luft von — 6° bis — 7°, und erfroren
erst, wenn diese — 10° bis — 12° betrug. Obst-
früchte hingegen erstarrten schon bey — 2°.
So scheinbar diese Beweise aber auch sind,
so läſst sich doch nichts weiter aus ihnen schlie-
ſsen, als daſs die Pflanzen ein geringes Leitungs-
vermögen für Wärme besitzen, und daſs ihnen
durch die Wurzeln aus der Erde eine gewisse
mittlere Temperatur mitgetheilt wird.
In Betreff der Hermbstädtschen Versuche
ist vorläufig zu bemerken, daſs bey denselben
in der Angabe des Unterschieds zwischen der
vegetabilischen und atmosphärischen Temperatur
nicht gehörig Rücksicht auf die Dauer der letz-
tern genommen ist. Wenn Hermbstädt behaup-
tet, Rüben und Kartoffeln gefrören erst bey
— 10° R., so sind von ihm mehrere wichtige Um-
stände übersehen worden. Kartoffeln, die plötz-
lich in eine Kälte von — 10° R, gebracht wer-
den,
[12] den, erstarren schnell zu Eis. Solche hingegen,
die allmählig einer immer kältern Temperatur
ausgesetzt werden, bleiben zwar bey einer Kälte
von — 6° bis — 8° noch weich, und behalten
eine höhere Temperatur als die äuſsere Luft,
aber nur, weil in ihnen ein Proceſs statt findet,
wodurch Zucker erzeugt wird h).
Hätten die Gewächse ein Vermögen, eine
mittlere Temperatur hervorzubringen, so würde
dasselbe in der Mitte des Winters am thätigsten
seyn müssen, um sie vor der strengen Kälte zu
schützen. Gerade zu dieser Zeit ist aber die Ve-
getation ganz unthätig. Hingegen steht die Pflan-
ze vermittelst ihrer Wurzeln in der genauesten
Verbindung mit der Erde, die schon in einer ge-
ringen Tiefe unter der Oberfläche eine Tempe-
ratur besitzt, worauf die Abwechselungen der
atmosphärischen Wärme wenig Einfluſs haben.
und diese Temperatur des Erdbodens theilt sich
der Pflanze weit leichter als die Wärme der Luft
mit, indem die Wärme viel leichter aus einem
dichten Medium in ein dünneres, als aus einem
dünnern in ein dichtes übergeht. Hieraus lassen
sich Salomé’s Beobachtungen über die langsame
und geringe Veränderung der vegetabilischen Wär-
me bey schnellen und bedeutenden Abwechselun-
gen
[13] gen der Temperatur sehr befriedigend erklären.
Es ist hieraus zugleich klar, daſs Versuche über
die Temperatur der Pflanzen nach dem verschie-
denen Leitungsvermögen sowohl des Bodens, als
der Pflanzen sehr verschieden ausfallen müssen.
Am meisten wird dieses Vermögen durch Nässe
abgeändert. Daher hatte in Salomé’s Beobach-
tungen ein anhaltender Regen einen so groſsen
Einfluſs auf die vegetabilische Temperatur. Für
die Richtigkeit unserer Erklärung sprechen end-
lich auch Nau’s i) und Balde’s k) Erfahrungen,
nach welchen leblose Körper sich unter gewis-
sen Umständen eben so wie lebende Bäume in
Betreff ihrer innern Temperatur gegen die Wär-
me der Atmosphäre verhalten.
Vor dem Erfrieren sind die Gewächse auch
noch durch andere Eigenschaften, als durch ihr
geringes Leitungsvermögen für Wärme, geschützt.
Bey abnehmender Wärme ziehen sich die Zellen
im Umfang der Pflanze zusammen, und treiben
die in ihnen enthaltenen Säfte nach der Achse
hin, und bey noch mehr steigender Kälte gehen
sie von hier in die Wurzel über, wo sie von
der warmen Erde geschützt sind. Die Säfte sind
dabey in sehr kleinen Zellen und sehr engen
Röhren eingeschlossen. Nach Sennebier’s k*)
Ver-
[14] Versuchen aber gefriert selbst bloſses Wasser in
Haarröhren bey — 7° R. noch nicht. Die vege-
tabilischen Säfte sind auch, vorzüglich im Win-
ter, weit weniger flüssig als das reine Wasser,
und die atmosphärische Kälte wirkt nur nach und
nach auf sie. Blagden’s Erfahrungen beweisen,
daſs alles, was die Flüssigkeit des Wassers ver-
mindert, den Gefrierpunkt desselben erniedrigt,
und daſs das Gefrieren langsamer bey allmähli-
ger Zunahme, als bey plötzlichem Eintritt der
Kälte erfolgt l). Auf die erste dieser Ursachen
hat schon Strömerm), und auf die übrigen
Sennebiern) aufmerksam gemacht. Auch hat
dieser schon erinnert, daſs krautartige Gewächse
nicht immer durch das Gefrieren plötzlich ge-
tödtet werden.
Manche andere Erscheinungen, die man sonst
noch zum Beweise eines Vermögens der Pflan-
zen, sich eine mittlere Temperatur zu erzeugen,
angeführt hat, verdienen nach dem, was bisher
über diesen Gegenstand gesagt ist, kaum noch
einer Erwähnung. So hat man das Phänomen,
daſs
[15] daſs der Schnee im Winter auf begraseten Plät-
zen und an Baumstämmen früher als an andern
Stellen schmilzt, aus einer eigenen Wärme der
Pflanzen erklären wollen, da sich doch blos auf
eine mitgetheilte Wärme daraus schlieſsen läſst,
und so hat man aus der Kühlung, welche Bäu-
me und Gebüsche im Sommer gewähren, ein
Vermögen der Gewächse, Kälte zu erregen, dar-
thun wollen, da doch diese, blos von den feuch-
ten Ausdünstungen der Vegetabilien herrührende
Verminderung der Temperatur nur 1° F. beträgt o),
und also auf die Pflanzen wenig oder gar kei-
nen Einfluſs haben kann.
Mit unserer Meinung, daſs die Wärme der
Vegetabilien blos eine, aus der Erde mitgetheilte
ist, stimmen auch Fontana’s Beobachtungen p)
überein, die zwar einigen Einwendungen aus-
gesetzt, doch in der Hauptsache wohl richtig
sind. Fontana glaubte mit Recht, daſs sich nie
etwas
[16] etwas Entscheidendes über die eigene Wärme der
Pflanzen würde bestimmen lassen, so lange man
die Versuche mit Gewächsen machte, die mit
der Erde in Verbindung ständen. Er hielt es
dabey für nöthig, die Pflanzen in einer Luft
zu untersuchen, die an den Veränderungen der
Atmosphäre keinen bemerkbaren Antheil nähme.
Seine Versuche stellte er daher auf die Art an,
daſs er eine Menge verschiedener Gewächse auf
hängenden Platten in einen Keller brachte, des-
sen Temperatur sich während der Beobachtungen
nicht merklich änderte, und dessen Luft sich
bey eudiometrischen Prüfungen von gleicher Rein-
heit mit der äuſsern Atmosphäre zeigte. Mehr
als 4600 Erfahrungen, welche auf diese Weise
mit einem, wie Fontana versichert, sehr em-
pfindlichen Thermometer gemacht wurden, gaben
das Resultat, daſs die Wärme der Gewächse ganz
abhängig von der Temperatur des Mediums ist,
worin sich die Pflanzen befinden. Nur eine ein-
zige, unter dem Nahmen fungo porcino im Tos-
canischen bekannte Schwammart war beständig
um einen halben Grad eines hunderttheiligen
Thermometers wärmer als die äuſsere Luft.
Man kann gegen diese Beobachtungen eini-
ge Einwürfe machen. Fontana sagt, daſs er
von dem Keller, worin er seine Versuche mach-
te, den Eintritt sowohl der äuſsern Luft, als
des
[17] des Lichts, und selbst des zurückgeworfenen
Lichts abgehalten habe. Man weiſs aber, wie
nothwendig frische Luft und Licht den Pflan-
zen sind, und wie schnell die Entziehung die-
ser beyden Agentien nachtheilig auf sie wirkt.
Fontana’s Gewächse muſsten sich also in einem
krankhaften Zustand befinden, von welchem sich
auf den Zustand der Gesundheit nicht unbedingt
schlieſsen läſst. Zwar hat sich Fontana gegen
diesen Einwurf zu verwahren gesucht. Er brach-
te von Zeit zu Zeit bald eines, bald mehrere
Gewächse von der nehmlichen Art, als schon
im Keller waren, in diesen hinein, während die
Temperatur desselben der Wärme seiner Umge-
bungen gleich war oder beynahe gleich kam. Er
untersuchte hierauf diese Pflanzen nach einigen
Minuten, dann nach einigen Stunden, und end-
lich den ganzen Tag hindurch, und fand, daſs
ihre Wärme mit der Temperatur der übrigen
Vegetabilien, die schon seit mehreren Wochen
in dem Keller hingen, übereinkam. Aber nach
einigen Minuten, oder auch selbst nach einigen
Stunden sollten die in den Keller gebrachten
Pflanzen schon die Wärme desselben angenom-
men haben? Dies ist unglaublich, und macht
überhaupt die Zuverlässigkeit der Fontanaschen
Versuche verdächtig. Gelangten aber die frischen
Pflanzen erst nach mehrern Stunden zur Tem-
peratur derer, die sich schon länger im Keller
V. Bd. Bbefun-
[18] befunden hatten, so konnte der Mangel an Licht
und frischer Luft während dieser Zeit auf jene
schon genug gewirkt haben, um ihr Vermögen,
Wärme hervorzubringen, sehr zu schwächen.
Es ist ferner unwahrscheinlich, daſs Fonta-
na’s Thermometer die zu feinern Versuchen nö-
thige Empfindlichkeit besaſs. Fontana behaup-
tet, nie einen merklichen Unterschied zwischen
der Wärme der Pflanzen und der Temperatur
des Mediums, worin sich dieselben befanden, be-
obachtet zu haben. Nach Rumford’s Versuchen
besitzt aber jeder Körper eine eigene Tempera-
tur q). Ein geringer Grad von eigener Wärme
hätte sich also auch an jenen Gewächsen zeigen
müssen, wenn Fontana’s Thermometer hinrei-
chend empfindlich gewesen wäre.
Doch dieser Einwendungen ohngeachtet bleibt
immer, wenn man nicht die Wahrheit dieser
Versuche ganz läugnen will, so viel gewiſs, daſs
im Allgemeinen das Vermögen der Pflanzen, Wär-
me zu erzeugen, entweder gar nicht vorhanden
ist, oder auf einer weit niedrigern Stufe steht,
als dem Gewächs von einigem Nutzen seyn kann.
Die geringe Wärmecapacität des lebenden Pflan-
zenkörpers und dessen Verbindung mit der Erde,
dies sind die beyden Mittel, wodurch die Pflan-
ze
[19] ze vor den Abwechselungen und den Extremen
der atmosphärischen Temperatur geschützt ist.
Insofern jene geringe Capacität vorzüglich von
der Menge, der Beschaffenheit und dem Sitz der
vegetabilischen Säfte abhängt, und diese sich nach
dem Grad der äuſsern Wärme verändern, läſst
sich aber der Pflanze allerdings ein Vermögen
zuschreiben, ihren Zustand nach der Beschaffen-
heit der äuſsern Temperatur zu modifiziren. Mög-
lich ist es auch, daſs einzelne Pflanzengattungen
unter gewissen Umständen Wärme oder Kälte
hervorzubringen und so den Einwirkungen der
atmosphärischen Temperatur unmittelbar zu wi-
derstehen im Stande sind. La Markr), Senne-
biers), und Hubertt) beobachteten an der Ober-
fläche des Blüthenkolben (Spadix) vom Arum
maculatum L., Arum italicum Lam. und Arum
cordifolium Bory de St. Vinc. um die Zeit, wenn
derselbe anfängt, aus der Scheide hervorzutre-
ten, eine Hitze, die vier bis fünf Stunden zu-
nahm, und zwar beym Arum maculatum zwi-
schen drey und vier Uhr Nachmittags, ohnge-
fähr in derselben Zeit sich wieder minderte, und
in
B 2
[20] in ihrer gröſsten Höhe die Temperatur der äu-
ſsern Luft beym Arum maculatum um 15 bis 16°
F., beym Arum cordifolium um 60 bis 70° F. über-
traf. Die sich hierbey entwickelnde Wärme zweckt
wohl eben so wenig darauf ab, die Befruch-
tungstheile der Pflanze vor dem möglichen Ein-
fluſs der atmosphärischen Kälte zu schützen, als
die Kälte des Eiskrauts (Mesembryanthemum cry-
stallinum), die ohne Zweifel nur von dem be-
trächtlichen Salpetergehalt desselben herrührt, die-
ser Pflanze zum Schutz gegen die Hitze der
Luft zu dienen u). Jetzt kann es nach der Ana-
logie dieser Beyspiele freylich Gewächse geben,
die während der Befruchtungszeit eine zum Schutz
der Blüthen dienende eigene Wärme erzeugen.
Aber häufig können solche Fälle schwerlich seyn,
da sich sonst gewiſs schon mehr Spuren dersel-
ben als blos bey einigen Arumarten gezeigt hät-
ten.
§. 2.
Wärme der niedern Thiere.
Eben so wenig als die Pflanzen. besitzen im
Allgemeinen die sämmtlichen Thiere, nur die
Säugthiere und Vögel ausgenommen, ein Ver-
mögen
[21] mögen, Wärme zu entwickeln. Sie haben wie
die Gewächse eine geringe Capacität für Wärme,
und die meisten leben im Wasser, im Schlamm,
unter der Erde, in Baumstämmen, überhaupt
an Oertern, wo eine mittlere Temperatur herrscht.
Hierdurch sind sie vor den Abwechselungen der
atmosphärischen Temperatur noch mehr als diese
geschützt. Manche haben auch mit einigen Ge-
wächsen die Eigenschaft gemein, wieder aufzu-
leben, nachdem sie gefroren und wieder aufge-
thauet sind. O. F. Müllerv) erzählt, daſs er
ein Glas mit Wasser, worin sich mehrere Mono-
culus-Arten und kleinere Dytisken befanden, völ-
lig habe gefrieren und erst nach vier und zwan-
zig Stunden wieder aufthauen lassen, und daſs
demohngeachtet viele dieser Thiere ins Leben zu-
rückgekommen wären. Andere Insekten widerste-
hen einer sehr strengen Kälte ohne zu gefrieren.
Reaumurv*) sahe Raupen in einer künstlichen
Kälte von — 17° seines Weingeistthermometers
aushalten, ohne weder zu erstarren, noch getöd-
tet zu werden. Bey einem Gegenversuch mit
todten Raupen von der nehmlichen Art gefroren
aber diese ebenfalls nicht, und es war also nicht
inne-
B 3
[22] innere Wärme, wodurch die erstern vor dem Ge-
frieren geschützt wurden.
Alle bisherige Erfahrungen und selbst die-
jenigen, woraus man auf eine eigene Tempera-
tur der niedern Thiere geschlossen hat, sprechen
für unsere Meinung. In den Beobachtungen, wo
man solche Thiere wärmer als das Medium
fand, in welchem sie befindlich waren, betrug
der Unterschied nur wenige Grade und rührte
gewiſs blos davon her, daſs die Thiere an tie-
fern Stellen des Wassers oder der Erde, wo sie
sich vor dem Versuch aufhielten, eine höhere
Wärme mitgetheilt bekommen und während der
Beobachtung noch nicht verlohren hatten. Die
Fälle, wo eine wirkliche Entbindung von Wär-
me bey diesen Thieren statt findet, sind nur
auf wenige Arten und auf besondere Umstände
beschränkt.
Folgende Erfahrungen enthalten die Beweise
dieser Sätze.
Péron fand Haufen von Sertularien, Isis,
Gorgonien, Alcyonien, Spongien, Tangen und
Ulven, die an der Westküste von Neuholland
aus der Tiefe des Meers hervorgezogen waren,
um mehr als 3° R. wärmer als die Atmosphäre
und die Oberfläche des Meers. Er schlieſst hier-
aus auf eine eigene Wärme der Zoophyten w).
Aber
[23] Aber wer sieht nicht, daſs dieser Schluſs selbst
dann nicht gültig seyn würde, wenn Péron die
Temperatur jener Zoophyten mit der Wärme des
mit ihnen aus einerley Tiefe genommenen Meer-
wassers verglichen hätte?
In J. Hunter’s Versuchen x) brachten mehre-
re, in ein Glas gelegte Regenwürmer das Fah-
renheitsche Thermometer auf 58½°, indem die
Wärme der Luft 56° war. In einem andern Ver-
such stieg dieses von 55° auf 57°. Vier schwar-
ze Schnecken brachten den Wärmemesser von
54° bis 57°, und drey Blutigel in Einem Versuch
von 56° bis 57°, in einem andern von 54° bis
55½°. Diese geringen Unterschiede lassen sich
aus der geringen Wärmecapacität jener Thiere
und aus der Fortdauer der Temperatur, die sie
im Wasser oder in der Erde angenommen hat-
ten, hinreichend erklären.
Nach Spallanzaniy) hat eine einzelne Schnek-
ke (Limax, Helix) in einem verschlossenen Ge-
fäſs keinen bemerkbaren Einfluſs auf das Ther-
mometer. Wenn aber mehrere zugleich mit ei-
nem Wärmemesser unter eine Glocke gesetzt wer-
den, so steigt dieser um 1/12° bis ⅓° R. und
zwar
B 4
[24] zwar desto höher, je mehr Schnecken sich un-
ter dem Gefäſs befinden, am höchsten in reinem
Sauerstoffgas. Spallanzani hat aber anzuzeigen
unterlassen, wie er es anfing, das Steigen des
Thermometers um 1/12° wahrzunehmen und sich
zu überzeugen, daſs eine so geringe Erhöhung
der Temperatur nicht von der Nähe seines Kör-
pers bey der Beobachtung des Thermometers,
von dem vorhergegangenen Anfassen der Schnek-
ken und dergleichen zufälligen Ursachen her-
rührte.
Von ähnlichen Ursachen ist es gewiſs auch
abzuleiten, daſs G. Martinez) die Temperatur
von Raupen um 2° F. höher fand, als die Wär-
me der Atmosphäre, und daſs Hausmanna) in
engen Gläsern, worin eine Sphinx Convolvuli,
eine Locusta viridissima, sechs Individuen des
Carabus hortensis und ein Erdregenwurm mit ei-
nem Thermometer eingeschlossen waren, diesen
binnen 9 bis 30 Minuten um 1° bis 3° R. stei-
gen sah. In Hausmann’s Versuchen trat immer
nachher wieder eine Abnahme der Wärme ein,
wahrscheinlich weil sich die Temperatur, die
den Insekten vor dem Versuch durch das Tra-
gen in den Händen oder auf andere zufällige
Art
[25] Art mitgetheilt war, nach und nach wieder ver-
lohr.
Bey Fischen fand Martineb) die innere Wär-
me um 1° F., bey Fröschen und Landschildkrö-
ten um 5° höher als die des Mediums, worin
sie enthalten waren.
Nach Broussonnet’s Beobachtungen c) ist die
Wärme der Fische höchstens um 1½° R. gröſser
als die Temperatur des Wassers, worin sie sich
befinden.
In J. Hunter’s Versuchen d) zeigte ein Kar-
pfe im Magen 69° F. Wärme, indem das Was-
ser des Weihers, woraus der Fisch genommen
war, 65½° Wärme hatte. Höher stieg das Queck-
silber im Magen und Mastdarm einer Viper,
nehmlich von 58° F. atmosphärischer Wärme auf
68°.
Kraffte) fand bey einem Hecht die Wärme
in der Bauchhöhle 40° F., während das Wasser,
worin der Fisch schwamm, nur 33° Wärme hatte.
Bey
B 5
[26] Bey einem andern Hecht war die innere Wärme
50½° und die Temperatur des Wassers 49°.
In dem Magen eines Hayfisches beobachtete
Perrins eine Wärme von 88° F., indem das
Thermometer in der Luft auf 78° und im Meer
auf 76° stand f).
J. Davyf*) sahe das Thermometer in dem,
aus der groſsen Rückenvene eines Hayfisches flie-
ſsenden Blut auf 82° F. und zwischen den Rük-
kenmuskeln auf 82,5° steigen, während es in
der See auf 80,5° und in der Luft auf 79° stand.
Das Blut einer Schildkröte hatte beym Austlie-
ſsen aus der Carotis eine Temperatur von 91°,
indem das Thermometer in der Luft 79° zeigte.
Nach diesen Erfahrungen wäre also bey den
Fischen und Amphibien die innere Wärme um
1° bis 10° F. höher als die Temperatur des
Wassers oder der Atmosphäre. Aber bey keinem
der Versuche ist Rücksicht darauf genommen, daſs
die Thiere, ehe sie zu dem Versuch aus dem
Wasser oder aus dem Schlamm gezogen wurden,
sich an Stellen befunden haben können, wo eine
höhere Temperatur als da, wo sie sich zuletzt
befanden, statt fand. Humeoldt und Provençal,
welche
[27] welche Thermometer in das Innere von Fischen
brachten, die in Wasser, in atmosphärischer Luft,
in Sauerstoffgas und in reinem Stickgas athme-
ten, fanden nie einen merklichen Unterschied zwi-
schen der Temperatur dieser Thiere und der äu-
ſsern Wärme g). Auffallend ist es auch, daſs
da, wo man an Fischen und Amphibien eine an-
dere Temperatur als an dem sie umgebenden Me-
dium beobachtet haben will, die ihrige immer
höher als die des letztern gewesen seyn soll, da
doch, wenn sie eine eigene Wärme besäſsen, ihre
Temperatur bey äuſserer Hitze niedriger als die
des Wassers oder der Luft hätte seyn müssen.
Bey manchen Fischen ist aber das Vermögen, der
Kälte und Hitze Widerstand zu leisten, so ge-
ring, daſs sie schon in einem Medium sterben,
welches nur um einige Grade unter dem Gefrier-
punkt erkältet, oder über 30° R. erwärmt ist h).
Mit der Voraussetzung einer eigenen Wärme bey
den Thieren der niedern Classen ist es ferner un-
vereinbar, daſs sie zwar langsam, doch in einem
beträchtlich hohen Grade an den Veränderungen
der äuſsern Temperatur Theil nehmen, wie fol-
gende, von J. Hunteri) erzählte Versuche be-
weisen.
Ein
[28]
Ein Thermometer, das in dem Magen eines
Frosches 49° F. zeigte, während die äuſsere Luft
45° warm war, stieg in jenem auf 64°, nach-
dem die Atmosphäre durch heiſses Wasser er-
wärmt worden war.
Ein Aal von 45° Wärme nahm in Wasser
von 65° binnen einer Viertelstunde mit diesem
einerley Temperatur an.
An einem Schlei von 41° Wärme, der in 65°
warmes Wasser gesetzt war, stieg das Thermo-
meter binnen 10 Minuten auf 55°.
Eine Natter, ein Frosch, ein Aal, eine Schnek-
ke und mehrere Blutigel wurden in kalte Mi-
schungen von 10° Wärme gesetzt. In allen die-
sen Thieren sank die Temperatur auf 31°. Kam
sie noch tiefer herab, so erfroren die Thiere völ-
lig.
Hunter will auch gefunden haben, daſs le-
bende und todte Schleien und Aale die Tempe-
ratur des Mediums, worin sie gesetzt sind, mit
gleicher Schnelligkeit aufnehmen. Diese Behaup-
tung ist zwar nicht ganz wahrscheinlich und
stimmt auch nicht mit Crawford’s Erfahrun-
gen k) überein, nach welchen ein lebender Frosch
lang-
[29] langsamer als ein todter die Temperatur der Luft
annimmt. Allein der Unterschied ist doch auf
jeden Fall so gering, daſs er sich nur von einer
Verschiedenheit in der Wärmecapacität des leben-
den und todten Thiers, nicht aber von einer ei-
genen Wärme des erstern ableiten läſst.
Zu allen diesen, gegen eine eigene Tempe-
ratur der Amphibien, Fische und übrigen niedern
Thiere sprechenden Gründen kommen endlich
noch Braun’s Versuche, deren Resultat ist, daſs
diese Thiere keine andere Wärme besitzen als die
des Medium, worin sie sich befinden l). Braun
hatte gewiſs so viel Uebung im Gebrauch des
Thermometers als irgend einer der angeführten
Schriftsteller, und seine Erfahrungen verdienen
daher mehr Zutrauen als die Beobachtungen we-
niger geübter Naturforscher.
Es giebt zwar einige Fälle, in welchen bey
Thieren der niedern Classen eine wirkliche Ent-
bindung von Wärme vorgeht. Sie finden bey
den Bienen und Ameisen statt. Die eigene Wär-
me der Bienen läſst sich des Winters in ihren
Stöcken beobachten. Schon Swammerdamm und
Maraldi kannten dieselbe m). Martinen) be-
stimm-
[30] stimmte sie auf 97° F., ohne aber die Wärme der
Luft bey der Beobachtung anzugeben. Jucho)
fand sie von + 5° R. bey einer Temperatur der
Atmosphäre von — 22°, und die Wärme eines
Ameisenhaufens von + 16° bey einer Temperatur
der Luft von — 17°. Diese Wärme aber hat ei-
nen ganz andern Ursprung als die der Säugthiere
und Vögel. Die Bienen bringen sie durch ge-
meinschaftliche Bewegungen ihres Körpers, in-
dem sie in Trauben zusammenhängen, also auf
mechanische Art hervor p).
§. 3.
Eigene Wärme der Vögel und Säugthiere.
Mit den bisher untersuchten Thieren gehören
auch die Früchte der Säugthiere und Vögel in
Betreff der Lebenswärme zu einerley Classe.
Den Eyern der Vögel wird ihre Temperatur
blos von der Mutter mitgetheilt. Zwar will J.
Hunterq) gefunden haben, daſs frische Eyer
dem Gefrieren länger als todte widerstehen. Aber
die Verschiedenheit der Zeit, worin mehrere Eyer
gefrieren, läſst sich schwerlich genau angeben.
Ist
[31] Ist der Versuch indeſs richtig, so beweist er nur
eine verschiedene Wärmecapacität lebender und
todter Eyer.
Daſs auch die Früchte der Säugthiere ihre
Wärme blos von der Mutter erhalten, machen
Autenrieth’s und Schüz’s Versuche r) wahrschein-
lich, nach welchen Foetus von Kaninchen, die
durch die Nabelschnur und den Mutterkuchen
mit dem Körper der Mutter noch in Verbindung
standen, aber aus dem Uterus hervorgezogen wa-
ren, ihre Wärme in dem nehmlichen Verhältniſs
verlohren wie andere Früchte von derselben Mut-
ter, die von dieser getrennt und durch das An-
werfen gegen den Fuſsboden getödtet waren.
Ganz anders aber verhält es sich mit den
Säugthieren und Vögeln nach der Geburt. Alle
Thiere dieser beyden Classen erlangen, sobald sie
geathmet haben, eine eigene Wärme, die bis zum
Tode fortdauert und nur bey denen, die den
Winter in Erstarrung zubringen, während ihres
lethargischen Zustandes vermindert oder aufgeho-
ben ist, sonst aber bey sehr beträchtlichen Ver-
änderungen der äuſsern Temperatur und anderer
Einflüsse fast unverändert bleibt.
Von
[32]
Von dem Menschen ist es bekannt, daſs des-
sen Wärme 97° bis 98° F. beträgt. Einigen Un-
terschied machen in derselben die Temperatur der
Luft, die Art der Bedeckungen des Körpers, die
Jahreszeiten, Speise und Trank, Schlaf und Wa-
chen, Arzneymittel u. s. w. Doch beträgt die Zu-
nahme und Abnahme nur einige Fahrenheitsche
Grade, wenn nicht die äuſsern Einwirkungen ge-
wisse Gränzen überschreiten und die thierischen
Funktionen völlig in Unordnung gerathen s). Ver-
mindert wird unter andern die Wärme um etwa
2° F. durch den Schlaf t).
Bey den übrigen Säugthieren und den Vögeln
ist diese eigene Wärme meist gröſser als beym
Menschen. Man fand sie
bey
- dem Ochsen, im Mastdarm, 99½° F. u),
- dem Kalbe und Ferkel 104° v),
- der Ziege 101° w),
- dem Kaninchen 99½° x),
- dem veränderlichen Haasen (Lepus va-
riabilis) in der strengsten Kälte 103½° bis
104° y), - dem Wachtelhaasen (Lepus pusillus)
104° z), - dem gemeinen Eichhorn 105½° a),
- dem Bobak (Marmota Bobac) 100° bis 102° b),
- dem Souslik (Marmota Citillus) im Som-
mer und im Zustand der Freyheit 103°,
bey gezähmten Thieren aber nur 98° c), - der Wurzelmaus (Lemmus oeconomus)
97° d), - dem Hamster (Cricetus germanicus) im wa-
chenden Zustand 103° e), - der Hausmaus mitten im Winter nach Pal-
lasf) 107 bis 109°, hingegen nach Hun-
ter
V. Bd. C
[34]terg) in einer Temperatur von 60° nur
96¾° bis 99°, und in einer Temperatur
von 13° gar nur 78° bis 83°, - der Haselmaus (Glis avellanarius) 80° bis
93° h), - der Speckfledermaus (Vespertilio Noc-
tula) an einem ziemlich kalten Tage
102° i), - der Zwergfledermaus (Vespertilio Pipi-
strellus) in einer Luft von 65° Wärme 105°
bis 106° k), - dem Igel im wachenden Zustand, nach Hun-
terl), 95° bis 97°, nach Römer und
Schinzm), 28° R. (= 95° F.), - dem Hunde 100° bis 102° n),
- dem Seekalb (Phoca vitulina) 102° n*),
- Gänsen, Enten, Hühnern, Tauben,
Pfauen, Fasanen und andern grö-
ſsern
[35]ſsern Vögeln 107½° nach Brauno), 103°
bis 108° nach Martineo*), - kleinern Vögeln 111° p).
Diese Beobachtungen beweisen, daſs im All-
gemeinen die Vögel eine gröſsere Wärme als die
Säugthiere, unter beyden die kleinern Arten meist
eine höhere Temperatur als die gröſsern, die
mehrsten eine höhere als der Mensch, und jün-
gere Thiere eine höhere als ältere besitzen. Es
ergiebt sich aber auch, daſs diese Temperatur
nicht genau auf gewisse Grade beschränkt, son-
dern innerhalb gewisser Gränzen bey Individuen
einer und derselben Art veränderlich ist. Am
meisten verändert sie sich im Winter bey den-
jenigen Säugthieren, welche diese Jahreszeit in
Betäubung zubringen. Zu denselben gehören der
Bobak, der Souslik, die Wurzelmaus, der Ham-
ster, die Haselmaus, der Igel und die Fleder-
mäuse. Die oben angegebenen Grade der Wärme
dieser Thiere finden nur bey ihnen im wachen-
den Zustande statt. Sobald sie in Erstarrung ge-
rathen, sinkt ihre Temperatur bedeutend herab.
Der Souslik, der im Sommer eine Temperatur
von 103° F. besitzt, zeigt im Winter, wenn man
ihn im Schlafe stöhrt und aus seiner Höhle durch
Ein-
C 2
[36] Eingieſsen von kaltem Wasser hervortreibt, nur
eine Temperatur von 80 bis 84¾°. Souslike, die
einige Tage in einem Eiskeller zugebracht hatten
und dort eingeschlafen waren, hatten gar nur
eine Wärme von 56°. Andere, die im Anfang
des Junius in einer kalten Nacht lethargisch ge-
worden, am folgenden Morgen aber durch die
Sonnenwärme wieder erweckt waren, zeigten im
Anfang des Erwachens, wo das Herz ohngefähr
dreymal binnen zwey Secunden schlug, eine Wär-
me von 59° bey einer Temperatur der Atmo-
sphäre von 67° q). Bey schlafenden Igeln fand
Hunterr) die Temperatur, je nachdem die Luft
kälter oder wärmer war, 30 bis 45°.
Bey diesen lethargischen Thieren sieht man
deutlich, daſs die Wärme derselben unabhängig
von der äuſsern Temperatur ist, und durch eine
innere Thätigkeit des Organismus hervorgebracht
wird. Auch mitten im Winter bey strenger Kälte
aufgeweckt, erhalten sie doch eine Temperatur,
die einerley mit der, welche sie im Sommer be-
sitzen, oder doch nur um wenige Grade niedri-
ger ist.
Aber nicht mit gleicher Kraft wie bey einer
niedrigen Temperatur vermögen die Säugthiere
bey hohen Graden von Hitze ihre eigenthümliche
Wär-
[37] Wärme zu behaupten. Alle bisherige Versuche
über den Einfluſs einer, die thierische Wärme
übersteigenden Hitze auf Säugthiere und Vögel
geben das Resultat, daſs jene Wärme nur so
lange ziemlich unverändert bleibt, als sie von
der letztern nur um ohngefähr 8° F. übertroffen
wird, daſs aber eine stärkere Hitze dieselbe er-
höhet und bey längerer Dauer den Tod verur-
sacht.
Zufällige Beobachtungen über das Vermögen
des menschlichen Körpers, eine Temperatur zu
ertragen, welche die Blutwärme übersteigt, hatte
man schon in frühern Zeiten gemacht s). Der
Erste aber, welcher eigene Versuche über die
Wirkungen der Hitze auf Thiere anstellte, war
ein Bremer Arzt, A. Duntzet). Dieser fand,
daſs sechs Hunde binnen 4½ oder 5½ Stunden in
einer Hitze starben, die von 62°, 65° und 76° F.
bis 106° und 122° erhöhet wurde. Ein anderer
Hund starb binnen 3½ Stunden in einer Hitze,
die im Anfang des Versuchs 146° betrug.
Schneller trat der Tod bey Thieren ein, mit
welchen ähnliche Versuche von Braunu) gemacht
wur-
C 3
[38] wurden. In einer Hitze von 146° F. starb ein
Sperling binnen 7 Minuten und ein Hund und
eine Katze bald nachher.
Bey einem der Hunde, die Duntze zu sei-
nen Versuchen gebrauchte, betrug die Wärme
110°, indem die Temperatur der erhitzten Luft
146° war, und bey einem andern war jene 108°,
indem diese 116° betrug v). Ein Gegenversuch
mit einem kupfernen Kessel, der mit einem aus
Wasser und Kleye bereiteten Brey angefüllt war,
und welcher der nehmlichen Hitze, worin die
Hunde umkamen, eben so lange ausgesetzt wur-
de, bewies aber, daſs die Verschiedenheit zwi-
schen der Wärme der Luft und des thierischen
Körpers nur von dem geringen Leitungsvermö-
gen des letztern herrührte, indem jener eben so
langsam als dieser die Hitze annahm w).
Besitzt also etwa der Organismus der Säug-
thiere und Vögel nur das Vermögen, bey einer
niedrigen Temperatur der Atmosphäre einen ge-
wissen Grad von Wärme hervorzubringen, nicht
aber die Kraft, diese Wärme gegen höhere Grade
von äuſserer Hitze anders, als nur durch sein
geringes Leitungsvermögen zu behaupten?
So viel ist gewiſs, daſs der menschliche Kör-
per seine Wärme ziemlich unverändert behält,
wenn
[39] wenn sie auch von der atmosphärischen Wärme
um 6 bis 8° F. übertroffen wird. Ellis fand in
Georgien die Wärme der heiſsesten Theile seines
Körpers nur 97° F., indem das Thermometer in
der Luft anhaltend auf 105° stand x), und Frank-
lin seine eigene Temperatur 96° bey einer Wär-
me der Atmosphäre von 100° y). Blumenbach
sahe an einem heiſsen Tage auf den Schweitzer
Alpen das Thermometer an seinem Körper auf
97° F. sinken, während die Temperatur der Luft
im Schatten 100° betrug z). In Nubien fand
Costaz zur Zeit des Herbst-Aequinoctium das
Thermometer auf 35° R. (= 110¾° F.); es fiel
aber um 3° R. (= 6¾° F.), wenn man es unter
die Achseln brachte a).
Dieser fortwährend niedrige Grad der thie-
rischen Wärme bey einer nicht blos auf kurze
Zeit beschränkten höhern Temperatur der Atmo-
sphäre kann wohl nicht allein von dem geringen
Leitungsvermögen des menschlichen Körpers her-
rühren. Mehr Antheil an der Erhaltung dessel-
ben scheint die verstärkte Ausdünstung des Kör-
pers zu haben. Man weiſs, daſs alle Ausdün-
stung
C 4
[40] stung Kälte erregt, und zwar desto mehr Kälte,
je schneller sie vor sich geht. Der thierische,
und besonders der menschliche Körper dünstet
aber nicht blos nach den Gesetzen der leblosen
Körper aus. Aeuſsere Hitze verstärkt bey ihm
den Umlauf des Bluts überhaupt und besonders
den Zufluſs desselben zur äuſsern Haut; hieraus
entsteht nicht nur vermehrte gasförmige Ausdün-
stung, die den Körper abkühlt, sondern auch ein
Hervordringen der unter der Haut angehäuften
Säfte in der Form des Schweiſses, welcher den
Körper vor der unmittelbaren Einwirkung der
Hitze schützt, und mit welchem ein Theil der
eingedrungenen Wärme wieder ausgeführt wird b).
Aus dieser Ursache ist es ohne Zweifel zu
erklären, daſs der menschliche Körper eine Luft,
die sogar bis zu 240° F. erhitzt ist, auf kurze
Zeit auszuhalten vermag. Tillet, Dobson, Blag-
den und de la Roche haben Beobachtungen über
das Vermögen des Menschen, so hohe Grade von
Hitze zu ertragen, aufgezeichnet. Blagden glaub-
te aus diesen Erfahrungen auf eine eigene ab-
kühlende Kraft (a power of destroying heat) des
menschlichen Körpers schlieſsen zu müssen. Al-
lein sie enthalten nichts, was sich nicht aus der
obi-
[41] obigen Ursache, ohne Voraussetzung einer sol-
chen verborgenen Eigenschaft, erklären lieſse.
Tillet’s Beobachtungen beweisen blos im
Allgemeinen, daſs der Mensch einen höhern Grad
von Hitze aushalten kann, als man vormals glaub-
te. Er fand bey einem Becker drey Mädchen,
die gewohnt waren, von Zeit zu Zeit in den ge-
heitzten Backofen zu gehen, und darin eine Hitze
von 112° des Reaumurschen Weingeistthermome-
ters eine Viertelstunde ohne Nachtheil ertrugen.
Einige Thiere, die er in eine Wärme von 60°
bis 65° dieses Thermometers brachte, hielten die-
selbe besser in Leinwand gewickelt als nackt
aus c).
Dobson erzählt Fälle, wo verschiedene Per-
sonen in einer Hitze von 202° bis 224° F. zehn
bis zwanzig Minuten verweilten. Der Puls hob
sich bey einer Temperatur von 202° auf 120,
bey 210° auf 164 und bey 224° auf 145 Schläge
in einer Minute. Die thierische Wärme stieg bey
202° auf 99½°, bey 210° auf 101½° und bey 224°
auf 102° d).
Mannichfaltiger sind die von Blagden be-
schriebenen Versuche, die durch Fordyce veran-
laſst, und theils von diesem, theils von Blag-
den
C 5
[42]den, Banks, Solander und noch mehrern an-
dern Physikern angestellt wurden e). Fordyce
lieſs drey in einander gehende Zimmer vermittelst
Röhren, die durch den Fuſsboden aus dem ersten
in das zweyte und dritte Zimmer gingen, und
worauf, während sie erhitzt waren, Wasser ge-
sprützt wurde, so stark heitzen, daſs in dem er-
sten Zimmer eine Hitze von 110° bis 120° F.
entstand, das zweyte eine Temperatur von 85°
bis 90° erhielt, und das dritte mäſsig warm wur-
de. Fordyce ging in bloſsem Hemde aus dem
dritten Zimmer in das zweyte und aus dem zwey-
ten in das erste, und verweilte in dem letztern
an dem kühlsten Ort, der eine Temperatur von
110° hatte, zehn Minuten, an dem heiſsesten,
worin das Thermometer auf 120° stand, zwanzig
Minuten. In dem zweyten Zimmer fing er an zu
schwitzen. In dem ersten floſs ihm das Wasser
am ganzen Körper herab. Hier fand er das Ther-
mometer unter der Zunge und in der Hand gerade
auf 100°; auch hatte der Urin dieselbe Wärme.
Der Puls war allmählig bis auf 145 Schläge in
einer Minute gestiegen. Der äuſsere Umlauf des
Bluts hatte sehr zugenommen. Die Venen waren
sehr angeschwollen, und eine allgemeine, von dem
Gefühl einer brennenden Hitze begleitete Röthe
hatte sich über den ganzen Körper verbreitet.
Das Athemhohlen aber war wenig verändert.
In
[43]
In einem zweyten Versuch betrug die Hitze
in dem heiſsesten Theil des ersten Zimmers 130°
bis 132°, in dem kühlsten 119°. Fordyce ging
erst in diesen kühlern Theil. Nach einer halben
Minute lief ihm das Wasser strohmweise vom
Körper herab. An einer Flasche, die mit Was-
ser von 100° Wärme angefüllt war, floſs aber
ebenfalls immer Feuchtigkeit herab, so oft sie
auch abgewischt wurde. Nachdem Fordyce an
dem kühlern Ort des ersten Zimmers funfzehn
Minuten geblieben war, begab er sich in den
Theil desselben, dessen Wärme 130° betrug. Um
diese Zeit war die Temperatur seines Körpers
100° und sein Puls schlug 100 mal in einer Mi-
nute. In der Wärme von 130° blieb er funfzehn
Minuten, binnen welcher Zeit sein Puls bis auf
139 Schläge kam, die Wärme in der Hand, un-
ter der Zunge und im Urin aber nicht über 100°
stieg.
In einem dritten und vierten Versuch wurde
eine Kammer blos durch einen Ofen ohne Was-
serdünste, in jenem von 150° bis 210°, in die-
sem vom Siedepunkt des Wassers bis 260° er-
hitzt. Auſser Fordyce setzten sich auch Blag-
den, Banks und Solander dieser Hitze, doch
den höchsten Graden nur zehn bis zwölf Minu-
ten aus. Bey allen trat Schweiſs ein, und der
Puls wurde immer sehr beschleunigt. Die Tem-
pera-
[44] peratur des Körpers blieb bey Blagden in einer
Wärme von 150° auf 98°.
Es ist zu bedauern, daſs bey diesen Versu-
chen keiner auf den Gedanken kam, ein todtes
Thier der Hitze auszusetzen, und die Zunahme
der Wärme desselben in gewissen Zeiträumen zu
bestimmen. Das Resultat würde wahrscheinlich
gewesen seyn, daſs der thierische Körper schon
vermöge seiner geringen Leitungsfähigkeit aus ei-
ner, durch die starke Hitze sehr verdünnten Luft
die Wärme nur langsam aufnimmt, und daſs sich
schon hieraus die geringe Zunahme der thieri-
schen Wärme in der kurzen Zeit, welche die
Versuche dauerten, zum Theil erklären läſst. Aber
einige Zunahme fand doch immer statt, und da-
bey schwitzten alle, die sich der Hitze aussetz-
ten. Daſs dieser Schweiſs hinreichend war, um
die niedrige Temperatur des Körpers zu unterhal-
ten, läſst sich zwar nicht aus den obigen Be-
obachtungen beweisen; aber sie enthalten auch
nichts, was dieser Voraussetzung widerspricht,
als etwa den Umstand, daſs sich bey Fordyce’s
Versuchen die Wasserdünste in dem heiſsesten
Zimmer an seinem Körper zu Tropfen verdich-
teten. Blagden glaubte aus dieser Erfahrung
schlieſsen zu müssen, daſs die Ausdünstung nicht
das einzige Mittel war, wodurch der Körper ab-
gekühlt wurde. Allein Fordyce bemerkt aus-
drück-
[45] drücklich, daſs er in dem zweyten Zimmer zu
schwitzen angefangen habe, und es ist nicht ein-
zusehen, warum der Niederschlag der Wasserdün-
ste den Schweiſs sollte unterdrückt haben.
Mit allen diesen Bemerkungen sind die Re-
sultate der zahlreichen Versuche, welche Dela-
roche und Berger über die Wirkungen der Hit-
ze auf den thierischen Körper anstellten, so über-
einstimmend, daſs über das Unvermögen des thie-
rischen Körpers, eine sehr hohe Temperatur lange
zu ertragen, und über die vermehrte Ausdünstung
als die Hauptursache, die dessen Wärme in einer
heiſsen Luft auf einer niedrigern Stufe erhält,
kein Zweifel weiter statt finden kann.
Delaroche und Bergerf) setzten Thiere aus
allen Classen einer Wärme von 30° bis 74° des
De Lucschen Thermometers (32⅝° bis 80½° R.)
aus. Im Allgemeinen ertrugen gröſsere Thiere
eine solche Temperatur besser als kleine. Die
letztern starben gewöhnlich bald in einer Hitze
von 45° bis 50° (49½° bis 54⅓° R.). Sie selber
wurden von einer Wärme, die 49° bis 58° (53¼°
bis 63° R.) betrug und welcher sie sich abwech-
selnd, jeder fünf Minuten, eine Stunde lang aus-
setzten, bis zur Ohnmacht erschöpft. Berger
konnte eine Hitze von 87° (94½° R.) nicht län-
ger
[46] ger als sieben Minuten aushalten. Eine feuchte
Luft wirkte auf beyde noch nachtheiliger als eine
trockne. Sowohl an sich selber als an Thieren
fanden sie immer eine Zunahme der eigenen
Temperatur während des Aufenthalts in der hei-
ſsen Luft, die z. B. bey einer, eine Stunde und
vier Minuten in einer Hitze von 49° bis 55°
(53¼° bis 59¾° R.) gehaltenen Taube 5½° (6° R.)
betrug. Bey Fröschen ging diese Zunahme lang-
samer als bey warmblütigen Thieren vor sich.
Doch verhielten sich in diesem Stück todte Frö-
sche eben so wie lebende. Versuche über den
Einfluſs einer hohen Temperatur auf die Haut-
ausdünstung bewiesen, daſs diese immer dadurch
sehr befördert wird, und zwar noch weit mehr
durch eine feuchte Wärme, als durch eine trocke-
ne, auch daſs der Verlust an Gewicht, den der
Körper dabey erleidet, mit dem Grad der Hitze
zunimmt. Um auszumachen, ob diese Zunahme
der Hautausdünstung mit dem Vermögen der
Thiere, eine hohe Temperatur einige Zeit ertra-
gen zu können, in Beziehung stehe, beobachtete
Delaroche das Verhältniſs der Erwärmung bey
todten und lebenden, in heiſses Wasser getauch-
ten Fröschen. Er fand, daſs die letztern schnel-
ler als die erstern die Wärme des Wassers annah-
men, also das Gegentheil von dem, was Craw-
ford bey ähnlichen Versuchen bemerkt hatte. Er
untersuchte ferner das Wachsthum der Tempera-
tur
[47] tur bey lebenden Fröschen und Karpfen, die sich
in heiſsem Wasser befanden. Die Thiere nahmen
immer früher oder später die Wärme des Was-
sers an. Endlich wurden in einen geheitzten Ka-
sten erst Frösche, feuchte Schwämme und mit
Wasser angefüllte irdene, poröse Gefäſse der Art,
die in Spanien unter dem Namen der Alcarra-
zaz bekannt sind und zum Abkühlen des Was-
sers gebraucht werden, und dann Kaninchen nebst
diesen Alcarrazaz gebracht. Die Frösche, Schwäm-
me und Alcarrazaz nahmen in einer gewissen Zeit
beynahe einerley Temperatur an; die Kaninchen
zeigten eine etwas höhere Wärme als die Gefäſse.
In spätern Versuchen setzte Delarocheg)
Kaninchen, Meerschweinchen, Tauben und Frö-
sche in eine eingeschlossene, mit erhitzten Was-
serdämpfen beladene Atmosphäre, wodurch, sei-
ner Voraussetzung nach, alle Ausdünstung sowohl
auf der Oberfläche des Körpers, als in den Lun-
gen verhindert werden sollte. Der Wärmegrad
der Luft betrug bey den warmblütigen Thieren
31° bis 32,6° R., bey den Fröschen 20,5° bis 21,8°.
Die Thiere verweilten darin 39 bis 75 Minuten.
Die Temperatur der warmblütigen Thiere stieg
in dem erhitzten Raum beständig wenigstens um
1° bis 2°, oft auch um 3° bis 4° über die Wär-
me der sie umgehenden feuchten Luft. Bey den
Frö-
[48] Fröschen war die Zunahme minder groſs; die
Temperatur derselben wurde bald der der erhitz-
ten Luft gleich, und erhielt sich auch auf diesem
Punkt.
Wir dürfen also nach allen bisherigen Erfah-
rungen annehmen, daſs die Vögel und Säugthiere
einen bestimmten Grad von Wärme hervorbrin-
gen und diesen gegen eine kältere Temperatur der
Atmosphäre fast unverändert behaupten, daſs sie
aber bey einer Hitze der Luft, welche jenen Grad
übersteigt, ihre Wärme nur in so weit und so
lange unverändert zu erhalten vermögen, als das
geringe Leitungsvermögen ihres Körpers, die ver-
mehrte Hautausdünstung und der Schweiſs die
eindringende Hitze abzuhalten und die eingedrun-
gene zu binden hinreichend sind.
§. 4.
Theorie der thierischen Wärme.
Woher aber jener Wärmegrad der beyden
obersten Thierclassen, auf den die gewöhnliche
Temperatur der Atmosphäre so wenig Einfluſs äu-
ſsert? Erinnert man sich, daſs die Früchte der
Säugthiere und Vögel noch keine eigene Wärme
besitzen und daſs es vorzüglich das Athemholen
ist, was das Leben nach der Geburt vor dem
Leben des Embryo voraus hat; bedenkt man,
daſs eben diese Funktion im Winterschlaf der le-
thargischen Säugthiere, so wie in Ohnmachten
und
[49] und im Scheintode, worin die eigene Wärme gar
nicht, oder nur in geringem Grade statt findet,
aufgehoben oder sehr vermindert ist, und daſs
mit der Rückkehr des Athemholens diese Tempe-
ratur wieder eintritt; erwägt man, daſs die eigene
Wärme der äuſsern Theile des Körpers desto grö-
ſser ist, je näher sie dem Herzen und den Lun-
gen liegen, und daſs gleich weit hiervon abste-
hende Theile einen gröſsern oder geringern Wär-
megrad zeigen, je nachdem eine groſse Arterie
näher oder tiefer unter ihrer Oberfläche liegt h),
so kann man die Voraussetzung, daſs die Lungen
der Heerd der thierischen Wärme sind, nicht an-
ders als sehr natürlich finden.
Allein das Athemholen im Allgemeinen kann
noch keine Wärme hervorbringen. Auch die Am-
phibien und Fische athmen, und doch liegt zwi-
schen ihnen und den Thieren der beyden ober-
sten Classen in Betreff ihrer Temperatur eine
so weite Kluft. Dieser Entfernung entspricht
nichts als die Verschiedenheit des Blutumlaufs.
Bey den Säugthieren und Vögeln kehrt alles Blut
erst zum Herzen zurück, ehe es in den Lungen
der Einwirkung der atmosphärischen Luft ausge-
setzt wird; bey den übrigen Thieren hingegen
geht alles venöse Blut unmittelbar zu den Lun-
gen.
V. Bd. D
[50] gen. Blos aus diesem verschiedenen Mechanis-
mus der Bewegung des Bluts läſst sich aber auch
nichts, was auf unsern Gegenstand Beziehung
hätte, erklären. In der blauen Krankheit, wo der
Umlauf des Bluts beym Menschen mit dem der
Säugthiere übereinkömmt, ist nur die Wärme der
äuſsern Theile zuweilen geringer, die der innern
aber oft gröſser als im natürlichen Zustand i).
Ist jener Mechanismus also etwa nur Nebenwir-
kung einer höhern Ursache, die zugleich eine
eigene Beschaffenheit des Bluts der Säugthiere
und Vögel begründet, und ist es vielleicht diese
eigene Mischung des Bluts, die in Verbindung
mit dem Athemholen das Erklärungsprincip der
thierischen Wärme ausmacht?
Wir sind hier auf einen Punkt gekommen,
von welchem aus vielleicht eine befriedigende
Theorie einer Erscheinung, zu deren Erklärung
schon viele vergebliche Versuche gemacht sind,
zu finden seyn wird. Ehe wir aber unsern eige-
nen Weg verfolgen, wird es gerathen seyn, die-
jenigen, die von unsern Vorgängern eingeschla-
gen wurden, zu betrachten.
Wir übergehen die Theorien der frühern
Schriftsteller bis auf den ersten, der sich der
Wahr-
[51] Wahrheit wenigstens näherte, wenn er sie auch
nicht ganz erreichte, bis auf Crawfordk). Die-
ser ging von den beyden folgenden Erfahrungs-
sätzen aus:
1. Fleisch, Milch und Pflanzen enthalten eine
geringere, Blut hingegen eine gröſsere Menge
Wärme als das Wasser.
2. Eine beträchtliche Menge Wärme enthält
die atmosphärische Luft, 18,6 mal mehr als das
Wasser.
Fleisch, Milch und Pflanzen sind die Materien,
woraus das Blut bereitet wird. Dieses muſs da-
her, so schloſs Crawford, seine höhere Tempe-
ratur aus einer andern Quelle haben, welche, der
zweyten Thatsache zufolge, die atmosphärische
Luft ist. In den Lungen aber kömmt das Blut
mit der Luft in Berührung. Das Blut entzieht
also beym Einathmen der Luft Wärme und führt
diese bey der Rückkehr aus den Lungen mit sich
in alle Theile des Körpers.
Zum Beweise seiner Theorie berief sich Craw-
ford auf die Erfahrung, daſs Sauerstoffgas fünf-
mal so viel Wärme als die atmosphärische Luft
enthält und, nach Priestley’s Versuchen, auch
weit länger als diese zum Athmen tauglich bleibt;
daſs
D 2
[52] daſs die eingeathmete Luft als Stickgas und koh-
lensaures Gas wieder ausgeathmet wird, von wel-
chen das letztere kaum 1/67 so viel Wärme als die
atmosphärische Luft enthält, und daſs folglich die
aus der Atmosphäre aufgenommene Wärme im
Blut zurückbleiben muſs.
Die Art, wie das Blut der atmosphärischen
Luft Wärme entzieht, setzte Crawford den che-
mischen Grundsätzen seiner Zeit gemäſs in einen
Austausch des Phlogistons und der Wärme bey-
der Substanzen. Mit dem venösen Blut gelangt
aus allen Theilen des Körpers Phlogiston zu den
Lungen, wo dieses mit der Atmosphäre in Wech-
selwirkung tritt. Die atmosphärische Luft, die
dem Phlogiston verwandter als der Wärme ist,
läſst ihre Wärme fahren, nimmt jenes dafür auf,
und geht in fixe und phlogistische Luft über. In
dem Blut wird durch den Verlust des Phlogistons
die Capacität für Wärme erhöhet; die aus der
Luft entbundene Wärme geht in das Schlagader-
blut über, gelangt mit demselben in die äuſser-
sten Zweige der Arterien, und wird auf der Grän-
ze der Schlagadern und Venen dem Arterienblut
wieder entzogen, indem dieses dagegen mit Phlo-
giston beladen und in venöses Blut verwandelt
wird. Das venöse Blut muſs also eine geringere
Wärmecapacität als das arterielle besitzen, und
dieses wird auch durch Crawford’s Versuche be-
stätigt, nach welchen sich das erstere zu dem
letz-
[53] letztern in Ansehung der Wärmecapacität wie 10:
11,4 oder 11,5 verhält.
Dies sind die Hauptzüge der Crawfordschen
Theorie. Die Grundlage derselben wurde in der
Folge von Lavoisierl) angenommen; nur die Art,
wie die Wärme der geathmeten Luft von dem
Blut aufgenommen wird, erhielt von diesem eine
andere Erklärung. In dem antiphlogistischen Sy-
stem ist es der Sauerstoff, welcher der Luft beym
Einathmen entzogen wird, und bey seiner Tren-
nung die Wärme, die ihn vorher im gasförmigen
Zustand erhielt, entweichen läſst. Diese frey ge-
wordene Wärme verbindet sich mit dem Schlag-
aderblut, und verläſst dasselbe wieder beym Ue-
bergang in die Venen, wo das Blut dafür Kohlen-
stoff aufnimmt, den es in den Lungen von neu-
em gegen Sauerstoff und Wärme austauscht.
Es ist unläugbar, daſs Crawford’s Theorie,
die unbewiesene Voraussetzung des Phlogistons ab-
gerechnet, befriedigender war als die Erklärung
Lavoisier’s. Jene gab einen Grund des Ueber-
gangs der Wärme aus der Atmosphäre in das
Blut an; in der letztern hingegen ist dieser wich-
tige Punkt nicht beachtet. Beyde Hypothesen sind
indeſs schon darum unzureichend, weil sie unbe-
antwortet lassen, was jede Theorie der thieri-
schen
D 3
[54] schen Wärme vorzüglich zu beantworten hat, die
Frage: warum blos die Säugthiere und Vögel eine
so hohe und so beständige, eigene Temperatur
besitzen, da doch zwischen ihrem Athemholen
und der Respiration der übrigen Thiere kein so
groſser Abstand ist? Beyde Theorien trifft auch
der Einwurf, daſs, wie Le Galloism), Bunt-
zenn) und Nasseo) gezeigt haben, bey der
Zersetzung der atmosphärischen Luft in den Lun-
gen zu wenig Wärme frey wird, als daſs sich
eine erhebliche Zunahme der Temperatur des
Bluts davon ableiten läſst. Ferner müſsten, wenn
blos die Lungen der Heerd der thierischen Wär-
me wären, alle übrige Theile des Körpers diesen
Organen weit mehr an Wärme nachstehen, als
wirklich der Fall ist. Dann ist auch der Satz,
worauf beyde sich stützen, daſs die thierische
Wärme mit der Menge des zersetzten Sauerstoff-
gas in geradem Verhältniſs steht, nicht allgemein
gültig. Die Cetaceen athmen in äuſserst langen
Zwischenräumen p) und besitzen doch einen ho-
hen
[55] hen Grad eigener Wärme q). Endlich läſst sich
gegen beyde Theorien einwenden, daſs auch ge-
lassenes Venenblut die atmosphärische Luft zer-
setzt, ohne daſs eine merkliche Erhöhung der
Temperatur dabey eintritt.
Brandisr), der die Mängel der Lavoisier-
schen Theorie zum Theil fühlte, glaubte densel-
ben abzuhelfen, indem er annahm, das Blut ent-
zöge der atmosphärischen Luft den Sauerstoff;
dieser verbände sich an den äuſsersten Gränzen
der Arterien und Venen mit dem Kohlenstoff und
Phosphor der thierischen Materie; die Verbindung
würde durch die Lebenskraft bewirkt, indem jede
Bewegung der einzelnen thierischen Fiber etwas
Aehnliches im Kleinen verursachte, was der elek-
trische Funke im Groſsen hervorbringt, und das
Resultat jenes Processes wäre die thierische Wär-
me. Allein diese Hypothese hebt nur eine schein-
bare Schwürigkeit, und es steht ihr ein sehr
wichtiger Einwurf entgegen. Sie soll vorzüglich
erklären, woher die beym Ausathmen erscheinen-
de kohlensaure Luft in einer Wärme entsteht,
worin sonst nicht einmal Phosphor und noch
viel
D 4
[56] viel weniger Kohlenstoff eine Verbindung mit
dem Sauerstoff eingeht. Aber es ist gar nicht
wahrscheinlich, daſs der beym Einathmen auf-
genommene Sauerstoff zur Bildung der beym
Ausathmen erscheinenden Kohlensäure verwandt
wird s); und würde er dies auch, so lieſse sich
doch aus jener Verbindung desselben die thieri-
sche Wärme auf keine Weise erklären. Die Er-
fahrung lehrt nur, daſs bey der Abscheidung des
Sauerstoffs aus dem Sauerstoffgas Wärme entbun-
den wird. Aber es ist nicht richtig, daſs beym
Uebergang dieses Stoffs aus einer tropfbaren Flüs-
sigkeit in eine andere Materie immer Wärme ent-
bunden wird. Eher würde jene Hypothese noch
zu vertheidigen seyn, wenn darin angenommen
wäre, daſs nicht der Sauerstoff, sondern das Sau-
erstoffgas der atmosphärischen Luft vom Blute
aufgenommen und beym Uebergang aus den Ar-
terien in die Venen seiner Basis beraubt würde.
Auf ähnliche Art suchte Ackermannt) die Ent-
stehung der thierischen Wärme zu erklären. Al-
lein die Hauptfrage, woher es rührt, daſs die
Zersetzung des Sauerstoffgas nur bey den Säug-
thieren und Vögeln eine so hohe und so bestän-
dige
[57] dige Temperatur hervorbringt? bleibt auch bey
dieser Voraussetzung unbeantwortet.
Ueberhaupt kann keine Theorie der thieri-
schen Wärme die wahre seyn, die nicht erklärt,
warum diese Wärme blos auf die beyden ober-
sten Thierclassen eingeschränkt ist.
Wenn also Rigbyu) die thierische Wärme
von einer Entbindung der Wärme aus den Nah-
rungsmitteln bey der Verdauung ableitete, so
bleibt hierbey die Schwürigkeit, daſs die Amphi-
bien, Fische u. s. w. eben so wohl, ja zum Theil
noch weit mehr Nahrungsmittel zu sich nehmen
und verdauen, wie die Säugthiere, und doch
keine eigene Wärme besitzen.
Wenn ferner Castbergv) die Ernährung für
die Quelle der thierischen Wärme insofern an-
nahm, daſs einem allgemeinen Gesetze nach bey
jedem Uebergang tropfbarer Flüssigkeiten in feste
Körper gebundene Wärme frey wird, so läſst sich
gegen diese Hypothese wieder der vorige Einwurf
machen und auſserdem läſst sich fragen: Wie
sich mit ihr die Fortdauer der thierischen Wär-
me in der Auszehrung und in andern Krankhei-
ten,
D 5
[58] ten, wo offenbar mehr Festes in Flüssiges, als
Flüssiges in Festes verwandelt wird, erklären
läſst? Ob überhaupt im gesunden Zustand und
während des ganzen Lebens der Uebergang von
Flüssigkeiten in feste Materie so überwiegend über
die entgegengesetzte Veränderung ist, daſs dabey
eine beträchtliche Menge freyer Wärme entwickelt
werden kann? Ob nicht vielmehr jener Ueber-
gang geringer als diese entgegengesetzte Verände-
rung ist, indem alle feste Nahrungsmittel erst in
Flüssigkeiten verwandelt werden müssen, ehe sie
zur Ernährung dienen können?
Wenn auf noch andere Art Buntzenw), ge-
stützt auf Galvanische Versuche, die thierische
Wärme von der bey der Systole der Arterien
statt findenden Zusammenziehung der Queerfasern
dieser Gefäſse ableitet, so steht seiner Meinung
wieder der Haupteinwurf entgegen, daſs bey ihr
jene Wärme nicht blos auf die Säugthiere und
Vögel beschränkt seyn könnte, und dabey läſst
sie sich auf ähnliche Art wie die Castbergsche
widerlegen. Buntzen hält nehmlich die Wärme
für ein Produkt des aufgehobenen Gegensatzes
der positiven und negativen Elektricität, und diese
Aufhebung findet seiner Meinung nach bey der
Zusammenziehung der Arterien statt. Ist dies
der Fall, so muſs bey der Herstellung jenes Ge-
gensat-
[59] gensatzes in der Diastole der Arterien Kälte ent-
stehen; es wird also bey der letztern eben so
viel Wärme gebunden werden, wie bey der vor-
hergegangenen Systole entwickelt war, und es
wird keine Erhöhung der Temperatur eintreten
können.
Wenn endlich Roosex) glaubte, die thierische
Wärme würde von den Nerven durch eine Rück-
wirkung des Gehirns erzeugt und durch die Ner-
ven dem Schlagaderblut mitgetheilt, so läſst sich
zuvörderst gegen diese Meinung erinnern, daſs
sie zu unbestimmt ist. Soll der Grad der thieri-
schen Wärme von der Menge der Nerven abhän-
gen, so ist sie unrichtig, weil das Insekt nicht
weniger Nerven hat, als der Mensch. Ist es die
Gröſse des Gehirns gegen die Gröſse des ganzen
Körpers, wie Roose an einer Stelle seines Auf-
satzes (S. 18.) behauptet, so läſst sich fragen,
warum die Vögel, die doch zum Theil ein klei-
neres Gehirn haben, wie mehrere Säugthiere, den-
noch einen eben so hoben, ja noch höhern Grad
von eigener Wärme besitzen, wie die letztern;
warum die Amphibien und Fische, von welchen
einige ein gröſseres Gehirn haben, wie manche
Vögel, insgesammt kaltblütig sind, und warum
zwischen den Vögeln und Amphibien eine so gro-
ſse
[60] ſse Entfernung in Betreff der Lebenswärme ist,
da doch in Ansehung ihres Gehirns und Nerven-
systems kein so groſser Abstand zwischen ihnen
statt findet? Ist es die Rückwirkung des Gehirns,
wovon die thierische Wärme erzeugt wird, so
hätte bestimmt erklärt werden sollen, was un-
ter diesem Ausdruck zu verstehen ist, und es
hätte bewiesen werden müssen, daſs eine solche
Rückwirkung nur bey denjenigen Thieren, die
eigene Wärme besitzen, statt findet. Weder jene
Erklärung, noch dieser Beweis ist aber von Roose
geliefert worden, und dieser läſst sich auch nicht
führen.
Indeſs, wenn man die Gründe betrachtet,
die für jede der erwähnten Hypothesen vorgebracht
sind, so läſst sich nicht läugnen, daſs in den mei-
sten etwas Wahres enthalten seyn muſs. Ein
Kennzeichen der wahren Theorie muſs also seyn,
daſs sie zeigt, in wie fern das Athemholen, die
Verdauung, die Thätigkeit der Gefäſse und der
Nerven Einfluſs auf die Vermehrung oder Ver-
minderung der thierischen Wärme haben, ohne
jedoch die Hauptquelle derselben zu seyn. Wir
wollen versuchen, ob unsere obige Voraussetzung,
daſs eine eigene Beschaffenheit des Bluts der Säug-
thiere und Vögel in Verbindung mit dem Athem-
holen die thierische Wärme begründet, auf eine
solche Theorie führt.
Zuerst
[61]
Zuerst ist so viel gewiſs, daſs die Verände-
rung der Capacität des Bluts bey dessen Durch-
gang durch die Lungen der Grund ist, auf dem
sich allein eine befriedigende Theorie der thieri-
schen Wärme bauen läſst. Crawford’en wird
immer das Verdienst bleiben, ihre Wichtigkeit
zuerst eingesehen zu haben. Daſs eine solche
Veränderung wirklich statt findet, leidet keinen
Zweifel, wenn auch die Gröſse derselben schwer
zu bestimmen ist. Aus Crawford’s Versuchen
mit dem Blut von Hunden und Schaafen, dem
gleiche Gewichtstheile Wasser zugesetzt wurden,
ergab sich das Verhältniſs des venösen Bluts zum
arteriellen in Betreff der Wärmecapacität wie 1 zu
1,14, oder wie 1 zu 1,15. Kleiner fand dieses
Verhältniſs J. Davyy). Dieser bediente sich vor-
züglich des aus der Jugularvene und der Carotis
genommenen Lämmerbluts. Zuerst trennte er da-
von durch Umrühren mit einer hölzernen Ruthe
den Faserstoff. Vier Stunden nach dem Lassen
des Bluts wurden beyde Arten desselben nebst
Wasser bis 140° F. erwärmt, und die relativen
Zeiten beobachtet, in welchen die drey Flüssig-
keiten bis auf die Temperatur von 80° kamen.
Auf diese Weise wurde die specifische Wärme
des Venenbluts auf 0,921, die des Arterienbluts
auf 0,934 bestimmt, indem die specifische Schwere
des erstern = 1,050, die des letztern = 1,047
war.
[62] war. Dann wurden beyde Blutarten und Wasser
bis 121° F. erwärmt und mit ohngefähr 62° war-
mem Wasser vermischt. Aus den Veränderungen
der Temperatur ergab sich eine specifische Wär-
me des Venenbluts von 0,812 und des Arterien-
bluts von 0,814. Bey den übrigen Versuchen
wurde Blut angewandt, worin der Faserstoff noch
zugegen war. Die Vergleichung der Zeiten, in
welchen Wasser und die beyden Blutarten eines
Schaafs, von welchen das venöse den einen, das
arterielle den folgenden Tag aufgefangen war, von
120° F. bis 80° abgekühlt wurden, führte auf
eine specifische Wärme des Venenbluts = 0,903
bey einer specifischen Schwere = 1,051, und auf
eine specifische Wärme des Arterienbluts = 0,913
bey einer specifischen Schwere = 1,049. Endlich
wurden die beyden Blutarten gleich, nachdem sie
aus den geöffneten Gefäſsen geflossen waren und
ihre Temperatur bestimmt war, mit Wasser von
57 bis 58° F. Wärme vermischt. Hierbey fand
sich die specifische Wärme des Venenbluts =
0,839, die des Arterienbluts = 0,852, indem die
specifische Schwere des erstern = 1,050, die des
letztern = 1,049 war. Das höchste Verhältniſs
der Wärmecapacität des Bluts der Venen zu dem
der Arterien war also nach diesen Versuchen nur
1 : 1,01, folglich bedeutend geringer als das, wel-
ches Crawford angab.
Man
[63]
Man kann gegen diese Versuche einwenden,
daſs bey der Vermischung des Bluts mit Wasser
vielleicht eine chemische Wirkung eintritt, wo-
durch die Wärmecapacität des erstern verändert
wird, und daſs es ein unrichtiges Verfahren von
J. Davy war, den Faserstoff vom Blut zu tren-
nen, dasselbe vier Stunden stehen zu lassen, und
dann erst dessen Wärmecapacität zu untersuchen z).
Da aber bey diesen und mehrern andern Mängeln
und bey der Schwürigkeit, sich reines Venen-
und Arterienblut zu verschaffen, dennoch die obi-
gen Erfahrungen immer eine höhere Wärmecapa-
cität des Arterienbluts anzeigten, so ist zu ver-
muthen, daſs die letztere bey genauern Versu-
chen noch weit höher ausfallen würde. Jene Er-
fahrungen sprechen also für, und nicht, wie Davy
selber meint, gegen die Richtigkeit der Craw-
fordschen Angaben.
Woher nun diese Verschiedenheit beyder Blut-
arten? Der Grund kann kein anderer, als eine
stärkere Ausdehnung des Bluts in den Arterien
seyn. Dafür spricht die, schon von Hammer-
schmidta) bemerkte und durch J. Davy’s obige
Versuche bestätigte geringere specifische Schwere
des Arterienbluts in Vergleichung mit dem Blut
der
[46[64]] der Venen. Andere Schriftsteller b) haben zwar
gerade das Gegentheil, eine Zusammenziehung des
Bluts beym Uebergange aus dem venösen System
in das arterielle angenommen Allein ihre Gründe
sind blos von der gröſsern Weite der Venen gegen
die der Arterien hergenommen, woraus sich nur
auf eine Abnahme der Masse des Bluts beym
Durchströmen durch die Lungen schlieſsen läſst.
Jede Expansion ist mit vermehrter Wärmeca-
pacität verbunden, und die ausgedehnte Materie
nimmt aus dem Medium, wovon sie umgeben
ist, so lange Wärme auf, bis sie von dieser so
viel gebunden hat, als sie zu binden vermögend
ist. Man hat hiervon einen Beweis am Fallen
des Thermometers beym Verdunsten des Wein-
geists und Aethers in verdünnter Luft. Das zu
den Lungen gehende Blut hat also an der Wär-
me der eingeathmeten Luft eine Quelle, woraus
es dieses Princip schöpfen, und, da die Luft in
den Lungen mit der Atmosphäre in Verbindung
steht, so viel als es nur immer aufzunehmen ver-
mag, mit sich verbinden kann.
Bey dieser Meinung bedarf es nicht der un-
wahrscheinlichen und unzureichenden Vorausset-
zung einer Entbindung der latenten Wärme des
Sauer-
[65] Sauerstoffgas der eingeathmeten Luft, einer Ent-
bindung, die, wenn sie ihrem Zweck entsprechen
sollte, eine so hohe Temperatur zur Folge haben
müſste, daſs die Lungen dadurch zerstöhrt wer-
den würden. In den Lungen wird, dieser Theo-
rie zufolge, die Luft sowohl als das Blut, dem
Thermometer nach, vielmehr abgekühlt, als er-
hitzt; die Erzeugung der thierischen Wärme tritt
erst weiterhin bey der Zusammenziehung des
Bluts ein.
Nach dieser Voraussetzung muſs das Venen-
blut mehr freye Wärme, hingegen Arterienblut,
das sich nach seinem Durchgang durch die Lun-
gen noch nicht wieder zusammengezogen hat,
mehr gebundene Wärme enthalten; jenes muſs
nach dem Ausflieſsen aus der Ader den Stand
des Quecksilbers im Thermometer anfangs mehr
als dieses erhöhen; nachher aber, wenn das letz-
tere sich zusammenzieht und seine gebundene
Wärme entweichen läſst, wird der Wärmemesser
in demselben eine höhere Temperatur als im Ve-
nenblute anzeigen. Es giebt wirklich eine Erfah-
rung, die hiermit übereinstimmt. Ashley, Cow-
per und Colemannc) fanden die Wärme des Ve-
nenbluts anfangs immer um einen Grad des Fah-
renheitschen Thermometers höher als die des
Schlag-
V. Bd. E
[66] Schlagaderbluts; das letztere hingegen wurde nach
fünf Minuten nur drey bis sechs Grade wärmer
als das erstere, verlohr aber diese Wärme baid
wieder. Dieser Erfolg kann indeſs nicht in allen
Fällen statt finden. Die Zusammenziehung des
Bluts und mit dieser die Entbindung von Wärme
fängt schon in der Aorta an. In vielen Fällen
wird bey Versuchen über die Verschiedenheit der
Temperatur des Arterien- und Venenbluts das Re-
sultat das nehmliche seyn, das J. Davyd) fand,
indem er die Kugel eines Thermometers in die
Jugularvene und in den Strohm des Bluts der
geöffneten Carotis bey Lämmern, Schaafen und
Ochsen brachte, wo dieses immer ohngefähr 1° F.
mehr Wärme als das Blut der Vene zeigte.
Bey allen jenen Versuchen darf man nicht
übersehen, daſs mit dem Austritt des Bluts aus
den Adern die Entbindung der thierischen Wärme
sich sehr verändern muſs, und daſs sich von
Versuchen an gelassenem Blut nicht unbedingt auf
die Wärme desjenigen, welches noch in den Adern
befindlich ist, schlieſsen läſst. In dem gelasse-
nen Blut entsteht gleich ein Bestreben zum Ge-
rinnen, eine Art von Zusammenziehung, die ohne
Zweifel von der Systole des umlaufenden Bluts
sehr verschieden und vielleicht nicht, wie jene,
mit merklicher Entbindung von Wärme verbun-
den
[67] den ist. Fourcroye) glaubte zwar gefunden zu
haben, daſs beym Coaguliren des Rindsbluts die
Wärme desselben um 5° R. zunimmt. J. Hun-
terf) aber widersprach ihm hierein. Schildkrö-
tenblut zeigte in einem, von dem letztern ge-
machten Versuch 65° F. als es ausfloſs, 66° als
es gesammelt war und 65° während dem Gerin-
nen. J. Davyg) fand ebenfalls eine ununterbro-
chene Abnahme der Temperatur des gerinnenden
Bluts von einem Hayfisch und einer Schildkröte.
Ein anderes Resultat erhielt der Verfasser des Ar-
tikels Blood in Rees’s Cyclopaedia (Vol.IV[.]
P.II.). Zehn Unzen Blut wurden in einem höl-
zernen Gefäſs aufgefangen. Die Temperatur des-
selben war beym Ausflieſsen aus der Vene 93° F.
Binnen 6 Minuten war das Thermometer auf 89°
gesunken und das Gerinnen begann an der Ober-
fläche. Als die Kugel des Wärmemessers bis zum
Coagulum der Oberfläche erhoben war, stieg das
Quecksilber auf 90½°; als jene wieder dem Boden
des Gefäſses genähert wurde, sank dieses auf 89°.
Der Versuch wurde zweymal fast mit demselben
Erfolg angestellt. Beym drittenmal stieg das
Quecksilber auf 91°. Hier schienen also beym
Gerin-
E 2
[68] Gerinnen des Bluts 2° F. Wärme entbunden zu
werden. Gordon und Ellis wiederhohlten die-
sen Versuch g*). Blut aus der Femoralarterie ei-
nes Hundes wurde in einem schmalen gläsernen
Krug aufgefangen. Die Temperatur des Bluts
beym Flieſsen aus der Arterie betrug 99° F., in-
dem das Zimmer, worin der Versuch gemacht
wurde, eine Wärme von 46° F. hatte. Hierauf
wurden die Veränderungen des Bluts beym Ge-
rinnen mit einem hundertgradigen Thermometer
untersucht, und zwar so, daſs die Kugel dessel-
ben zwanzig Minuten hindurch bald eine Minute
unter der Oberfläche, bald eine eben so lange
Zeit in dem untern Theil der Flüssigkeit gehal-
ten wurde. Anfangs stand das Thermometer an
der Oberfläche auf 34°, indem es in der Tiefe
des Glases 30½° zeigte. Nachher fiel es an der
erstern Stelle allmählig auf 33½°, 32°, 31°, 25½°
und 24°, an der letztern auf 30°, 28,8°, 28½°
und 24°. Als es an beyden Stellen auf 24° stand,
schien das Blut völlig geronnen zu seyn. Gor-
don findet hierin eine Bestätigung der Meinung,
daſs beym Gerinnen des Bluts Wärme entwickelt
wird. Mir scheint aber das Resultat schon dar-
aus hinreichend erklärbar zu seyn, daſs das Blut
unten, wo es mit dem kalten Boden des Glases
in Berührung war, schneller als an der Oberflä-
che abgekühlt wurde. Ich habe einen ähnlichen
Er-
[69] Erfolg beobachtet, als ich bloſses Wasser, das
eine Temperatur von 70° R. hatte, in ein kaltes
Gefäſs goſs, und darin ein Thermometer bald
zur Oberfläche heraufzog, bald zum Boden her-
absenkte. Gordon führt noch einen zweyten Ver-
such an, wo ein Fahrenheitsches Thermometer,
das in der Tiefe des Bluts 73° zeigte, in der
Mitte des Blutkuchens auf 85° stieg. Er giebt
hierbey aber nicht an, wie die Veränderungen
der Temperatur an der Oberfläche vom Anfang
des Versuchs an waren.
Man begreift jetzt, in wiefern der Verdau-
ung, der Ernährung, der Thätigkeit der Gefäſse
und dem Einfluſs der Nerven Antheil an der Her-
vorbringung der Lebenswärme zukömmt. Sie wir-
ken nach unserer Theorie insofern auf diese, als
theils durch sie diejenige Mischung des Bluts,
vermöge welcher dasselbe fähig ist, beym Durch-
gang durch die Lungen eine Erhöhung seiner
Wärmecapacität zu erleiden, unterhalten, theils
die in den Lungen von dem Arterienblut gebun-
dene Wärme beym Fortgang desselben wieder frey
gemacht wird.
Die nächste Ursache jener Veränderungen ist
die Einwirkung der Nerven auf das Blut. Nur
hiervon kann die Ausdehnung und Zusammenzie-
hung dieser Flüssigkeit, welche die Bindung und
Entbindung von Wärme zur Folge hat, abhän-
E 3gen.
[70] gen. Schon im vorigen Buch h) fanden wir Be-
weise für den Einfluſs des Nervensystems auf die
thierische Wärme. Auch schon Elliot beobach-
tete, daſs nach der Unterbindung des Hauptner-
ven eines Theils die Wärme desselben abnimmt i).
Bichatk) kannte eine Person, welcher der Cu-
bitalnerve oberhalb dem Erbsenbein durch ein
Stück Glas durchschnitten war, und in deren klei-
nem Finger und Ringfinger von dieser Zeit an
beständig eine Kälte zurückblieb. Er bemerkt zu-
gleich, daſs im Aneurysma auf die Unterbindung
der Nerven oft ein Gefühl von Erstarrung und
allgemeiner Kälte in den Gliedmaaſsen folgt; daſs
zuweilen in der halbseitigen Lähmung der kranke
Theil eine niedrigere Temperatur als der gesunde
hat, obgleich in beyden der Puls gleich stark
ist; daſs in den typhösen Fiebern, wobey vorzüg-
lich das Gehirn leidet, oft eine auffallende Un-
gleichheit in der Temperatur der verschiedenen
Theile des Körpers statt findet, und daſs oft auch
bey Verrenkungen die Zusammendrückung der Ner-
ven durch die Köpfe der Knochen eine Kälte in
dem verrenkten Gliede hervorbringt.
Noch mehr sprechen aber für jenen Einfluſs
Brodie’s Erfahrungen. Dieser schnitt Kaninchen
den
[71] den Kopf ab und unterhielt ohngefähr anderthalb
Stunden das Athemholen durch Einblasen von Luft.
Der Blutumlauf und die Farbenveränderung des
Bluts beym Durchgang durch die Lungen dauer-
ten während dieser Zeit fort. Aber die thierische
Wärme nahm mit jeder Minute ab und zwar
schneller als bey Kaninchen, denen nach der Ent-
hauptung keine Luft in die Lungen geblasen
wurde, ja sogar schneller als bey enthaupteten
Kaninchen, denen vor dem Einblasen die groſsen
Gefäſse unterbunden waren, um den Blutumlauf
zu hemmen l). In der Folge bemerkte Brodie
auch, daſs während Gifte, welche die Funktionen
des Gehirns stöhren, auf ein Thier wirken, das
Vermögen desselben, Wärme zu entwickeln, in glei-
chem Verhältniſs mit der Nervenkraft desselben
abnimmt. Unterhält man während des Schein-
tods, den das Gift hervorbringt, das Athemholen
durch Einblasen von Luft, so hört die Entbin-
dung von Wärme eben so vollständig wie nach
der Enthauptung auf, und wird das künstliche
Athemholen bis zum Aufhören der Wirkungen
des Giftes fortgesetzt, so kehrt die Wärme in
gleichem Verhältniſs mit der Nervenkraft zurück.
Während dem Einblasen von Luft dauert in dem
Blut der Arterien und Venen die gewöhnliche Far-
ben-
E 4
[72] benveränderung fort, und es wird nach wie vor
kohlensaures Gas abgeschieden m).
Um zu noch entscheidendern Resultaten zu
gelangen, machte Brodie neue vergleichende Ver-
suche über die Quantität Luft, welche Thiere
im natürlichen Zustand beym Athemholen ver-
brauchen, und die, welche bey aufgehobenem
Einfluſs des Gehirns in gleicher Zeit und unter
möglichst gleichen Umständen aufgezehrt wird,
wobey er aber von dem, wohl nicht ganz zuver-
lässigen Resultat der Versuche Allen’s und Pepy’s
ausging, daſs beym Athmen das Volumen des
verzehrten Sauerstoffgas dem des ausgehauchten
kohlensauren Gas völlig gleich ist, das Stickgas
hingegen unverändert bleibt n). Die Beobachtun-
gen wurden an Kaninchen in einem besonders da-
zu eingerichteten Apparat angestellt. Bey zweyen
dieser Thiere wurde der Einfluſs des Gehirns auf
die Werkzeuge des Athemholens vermittelst Durch-
schneidung des Rückgraths am Obertheil des Hal-
ses und der weichen Theile des letztern über ei-
ner vorher angelegten Unterbindung, bey fünf
andern durch Einimpfen des Woorara-Gifts oder
des wesentlichen Oels der bittern Mandeln, wel-
che beyde die Funktionen des Gehirns aufhe-
ben, ohne den Blutumlauf aufzuhalten, gehem-
met. Brodie zieht aus diesen Versuchen das Re-
sul-
[73] sultat, daſs in einem Thier, in welchem das Ge-
hirn seine Funktionen nicht ausübt, keine Wär-
me erzeugt wird, wenn auch das Athemholen
fortdauert, der Blutumlauf so wie die chemischen
Modifikationen des Bluts im arteriellen und venö-
sen System auf die gewöhnliche Weise unterhal-
ten werden, und in gleicher Zeit eben so viel
kohlensaures Gas wie sonst abgeschieden wird o).
Diesen Erfahrungen stehen freylich andere
entgegen. W. Lawrencep) hat einen Fall von
einem hirnlosen Kinde beschrieben, das vom Sonn-
tag bis zum Donnerstag Morgen lebte, natürlich
athmete, etwas Nahrung zu sich nahm, Stuhl-
gang und Harnausleerung hatte, und bis die Kräfte
sanken natürlich warm war. Das Rückenmark
ragte ohngefähr einen Zoll über dem groſsen Hin-
terhauptsloch hervor, und hatte hier eine kleine
Anschwellung, mit welcher die sämmtlichen Ner-
ven vom fünften Paar bis zum neunten verbun-
den waren. Doch dieser Fall beweist nur, daſs
nicht das ganze Gehirn zur Unterhaltung der Le-
benswärme erforderlich ist. Wichtiger ist Em-
mert’s Beobachtung q) an einem alten Kaninchen,
woran
E 5
[74] woran er das verlängerte Mark ohne Verletzung
des kleinen Gehirns durchschnitt, das Athemho-
len durch Lufteinblasen unterhielt, und in eine
groſse Wunde zwischen Haut und Muskeln 2 Un-
zen und nachher in den Mastdarm 1 Unze einer
Abkochung der unächten, giftigen Angustura-Rin-
de brachte. Der Kreislauf und die Farbenverän-
derung des Bluts dauerten hierbey fort; allein von
der Zerstörung des Rückenmarks an war der Herz-
schlag nicht mehr sichtbar und das Klopfen der
Carotiden schwächer und seltener. “Die Tempe-
„ratur des Afters”, sagt Emmert, “verminderte
„sich in Zeit von 75″ um 3° R., was aber bey
„der verminderten Stärke und Geschwindigkeit des
„Kreislaufs, bey der unvollständigen künstlichen
„Respiration, welche um die Hälfte seltener als
„die natürliche war, und der geringen Tempera-
„tur des Zimmers von 12° R. gewiſs nicht für
„die von Brodie behauptete Abhängigkeit der thie-
„rischen Wärme vom Gehirn spricht.” Es hält
schwer, die Verschiedenheit dieser Erfahrung von
den Resultaten der Versuche Brodie’s zu erklä-
ren. Indeſs einzelne Abweichungen müssen sich
bey diesen Versuchen, auf deren Erfolg so viele
zufällige Umstände Einfluſs haben, immer erge-
ben. Eine einzige negative Erfahrung kann hier
nicht mehrere positive aufwiegen, so lange sich
nicht eine bey den letztern vorgegangene Täu-
schung nachweisen läſst.
In
[75]
In den bisherigen Theorien der thierischen
Wärme konnte man die in den Classen der Am-
phibien, Fische und übrigen niedern Thiere statt
findende Abwesenheit der Lebenswärme blos von
dem unvollkommenern Bau der Respirationsorgane
ableiten. Wir haben aber schon wiederholt be-
merklich gemacht, daſs der Unterschied zwischen
den Werkzeugen des Athemholens dieser Thiere
und den Lungen der Säugthiere und Vögel nicht
groſs genug ist, um die so sehr viel niedrigere
Temperatur der erstern aus derselben allein er-
klären zu können. Die Ursache kann nur darin
liegen, daſs bey den Amphibien und den übrigen
Thieren der niedern Classen das Blut gar kein,
oder nur ein sehr geringes Vermögen besitzt, der
Luft Wärme zu entziehen und Wärme zu bin-
den. Mit der Abwesenheit dieses Vermögens steht
der Mangel an Pulsationen in den Zweigen des
arteriellen Systems und der einfache Blutumlauf
jener Thiere in Verbindung. Der letztere kann
schwerlich einen mechanischen Zweck haben, son-
dern muſs Folge einer höhern Ursache seyn, wor-
in zugleich eine geringere Vitalität des Bluts be-
gründet ist.
Man kann gegen diese Theorie einwenden,
daſs in allen den Fällen, wo in einer Materie ver-
mehrte Wärmecapacität eintritt, ein Uebergang der-
selben aus dem festen Zustand in den flüssigen,
oder
[76] oder aus dem tropfbaren in den gasförmigen statt
findet, daſs aber bey der Verwandlung des venö-
sen Bluts in arterielles keine so groſse Verände-
rung vorgeht, Gegen diesen Einwurf ist aber zu
bemerken, daſs mit der Veränderung, die das
Blut beym Durchgang durch die Lungen erleidet,
die meisten Vorgänge, bey welchen in unorganischen
Körpern Ausdehnungen und Zusammenziehungen
entstehen, nicht vergleichbar sind. Wo sonst Flüs-
sigkeiten ausgedehnt werden, geschieht dies durch
Mittheilung von Wärme. Beym arteriellen Blut
ist umgekehrt die Mittheilung von Wärme Folge
der Ausdehnung. Nur zwischen den Polen der
Voltaischen Säule erleiden Flüssigkeiten eine ähn-
liche Veränderung. Füllet man zwey Glasröhren
von etwa zwey Zoll Länge und zwey Linien im
Durchmesser mit frischem Blut, und verbindet
durch Platinadräthe das untere Ende der einen
mit dem negativen, das der andern mit dem po-
sitiven Pol einer solchen Säule, indem man zu-
gleich beyde Röhren in Wasser von 96° F. Wär-
me taucht, so sondert sich in der negativ elek-
trisirten Röhre sehr viel Wasser ab, der Blutku-
chen zieht sich in eine dichte und feste Masse
zusammen und das Volumen der Flüssigkeit nimmt
so sehr zu, daſs das Wasser nach einiger Zeit
aus der Röhre überläuft, wenn es anfangs auch
vier bis fünf Linien unter dem obern Rand ge-
standen hat; hingegen in der mit dem positiven
Pol
[77] Pol verbundenen Röhre wird das Blut in eine
breyartige Masse verwandelt und das Volumen des-
selben vermindert, so daſs es unter seinen ersten
Stand in der Röhre herabfällt. Brandisr), der
diesen Versuch zuerst anstellte, hat dabey auf die
Veränderung der Temperatur in den Röhren nicht
Rücksicht genommen. Buntzens), der die Wär-
me bey der Zersetzung einer Salmiakauflösung
durch eine Voltaische Säule von 1500 Plattenpaa-
ren an beyden Polen untersuchte, fand, daſs, als
die Temperatur der Auflösung vor dem Versuch
10° R. war, das Thermometer eine Minute nach
der Schlieſsung der Kette bey dem positiven Pol
auf 12° stieg, hingegen bey dem negativen auf
8° stand. Nach einigen Minuten stieg dieses bis
zu 10°, dann zu 12° und endlich blieben beyde
auf 15° stehen. Dieser Versuch wurde mit einer
zweymal gekrümmten Röhre gemacht, worin die
Dräthe weit von einander abstanden. In einer
nur zweymal gebogenen, mit Flanell umwickel-
ten Röhre, worin der Abstand der Dräthe gerin-
ger war, nahm die Wärme bey der Gasentwicke-
lung von 14° bis 60° zu. Der positive Pol der
Voltaischen Säule bringt also eine Zusammenzie-
hung des Bluts und vermuthlich mehr oder we-
niger aller Flüssigkeiten und damit Wärme her-
vor; der negative hingegen bewirkt eine Ausdeh-
nung
[78] nung derselben, womit Bindung von Wärme ver-
bunden ist.
Wie stark die Ausdehnung ist, die das Blut
beym Durchgang durch die Lungen erleidet, wis-
sen wir nicht. Ist sie aber auch nur hinreichend,
um bey jedem Athemzug den Uebergang einer
Wärme von einem Grad des Fahrenheitschen
Thermometers ins Blut zu bewirken, so läſst sich
zeigen, daſs hierdurch der ganze Körper schon
binnen 35 Minuten eine Temperatur von ohnge-
fähr 84° F. bey einer mittlern Wärme der Atmo-
sphäre von 64° erhalten muſs. Nimmt man nehm-
lich an, daſs während jedem Athemzug 5 Unzen
Blut durch die Lungen gehen t), und daſs die
Zahl der Athemzüge in einer Minute = 20 ist,
so werden in einer Minute 5.20 = 100 Unzen
Blut bis 20° erwärmt werden, wenn die Tempe-
ratur von 5 Unzen bey jedem Athemzug um 1°
erhöhet wird. Setzt man weiter voraus, daſs die
Quantität des Bluts im ganzen Körper 24 Pfund
beträgt, und daſs sich diese Masse zur Masse des
ganzen Körpers wie 1 zu 6 verhält u), so wer-
den 2,88 Minuten erforderlich seyn, um die ganze
Blutmasse, und 17,28 Minuten, um den ganzen
Körper bis 10° zu erwärmen. Binnen der dop-
pelten Zeit, oder binnen 34,56 Minuten, wird al-
so
[79] so die Erhöhung der Temperatur des ganzen Kör-
pers 40° betragen. Stand nun der Wärmemesser
während dieser Zeit auf 64°, und hatte der Kör-
per anfangs einerley Temperatur mit der Luft,
so wird die Wärme desselben nach 34,56 Minuten
= 40° + 64° = 104° betragen, wenn von den 40°
nichts verlohren gegangen wäre. Dieser Verlust
kann indeſs wegen der geringen Leitungsfähigheit
des thierischen Körpers während jener Zeit höch-
stens 20° betragen. Die Temperatur des ganzen
Körpers wird also unter den angeführten Voraus-
setzungen 84° nach 35 Minuten seyn.
Diese Rechnung soll nur erläutern, nicht be-
weisen. Die dabey zum Grunde gelegte Voraus-
setzung, daſs ein thierischer Körper sich von gänz-
lichem Mangel an eigener Temperatur zum Maxi-
mum der Lebenswärme erhebt, findet nirgends
als bey Scheintodten und bey den lethargischen
Thieren statt. Ueber die Rückkehr der Wärme
beym Erwachen Scheintodter giebt es keine, mir
bekannte Erfahrung. Ueber die Zeit, in welcher
erweckte lethargische Thiere vom Minimum ihrer
Temperatur zum Maximum gelangen, hat aber
Saissyv) einige Erfahrungen bekannt gemacht,
nach welchen ein Murmelthier 8 bis 9, ein Igel
5 bis 6, eine Fledermaus 3 bis 4, und eine Ha-
selmaus 2 Stunden gebrauchte, um das Maximum
ihrer
[80] ihrer Temperatur wieder zu erhalten, Aus Sais-
sy’s Beobachtungen ergiebt sich zugleich, daſs
die Zunahme der Wärme in gleichen Zeiten nicht
um gleiche Grade, sondern im Anfange schneller,
bey der Näherung zum Maximum aber immer
langsamer geschieht w). Diese Erfahrung ist auch
der Theorie ganz gemäſs, und aus ihr läſst sich
die Beständigkeit der thierischen Wärme erklären.
Bey dem Menschen und den verwandten Thieren
nimmt die Wärmecapacität des Bluts desto mehr
zu, je mehr sich die Temperatur der Atmosphäre
dem Gefrierpunkt nähert. Bey gröſserer Kälte
tritt wieder Schwäche der Lebensbewegungen, Ab-
nahme der thierischen Wärme und endlich der
Tod ein. Beym Steigen der atmosphärischen Wär-
me wird jene Capacität desto geringer, je näher
die Temperatur des Bluts dem 96sten Grad der
Fahrenheitschen Skale kömmt, und über diesem
hört sie ganz auf.
Zweyter
[81]
Zweyter Abschnitt.
Phosphorische Erscheinungen der or-
ganischen Natur.
Gäbe es Thiere oder Pflanzen, die durch eigene
Thätigkeit Wärme und Licht erzeugten, so wür-
den die beyden Hauptbedingungen des Lebens Re-
sultate des Lebens selber seyn. Von der Wärme
haben wir gesehen, daſs sie in der That ein Pro-
dukt gewisser Formen des Lebens ist. Wir wer-
den jetzt untersuchen, ob auch Licht durch vitale
Processe entbunden wird.
Licht kann auf eine dreyfache Art entstehen:
durch Erhöhung der Temperatur, wobey es als
Feuer erscheint; durch Elektricität, und durch
einen chemischen Proceſs, wobey keine Wärme
entwickelt wird. Auf die dritte Art der Lichtent-
bindung werden hier unsere Untersuchungen vor-
züglich gerichtet seyn. Die erste findet bey einer
Tem-
w)
V. Bd. F
[82] Temperatur statt, wobey das Leben nicht fort-
dauern kann. Die zweyte zeigt sich blos an den
Haaren einiger Thiere beym Streichen oder Rei-
ben derselben x), und ist nur als Erscheinung
eines hohen Grades von eigener Elektricität die-
ser Theile merkwürdig.
Wir werden zuerst blos historisch die bishe-
rigen Beobachtungen über phosphorische Erschei-
nungen als Wirkungen der Vitalität erzählen, mit
dem Pflanzenreiche anfangen, von diesem zu den
Zoophyten übergehen, und im Thierreich von
den niedern Stufen zu den höhern aufsteigen.
§. 1.
Phosphorescenz lebender Körper.
Das Pflanzenreich zeigt sehr wenig, hierher
gehörige Phänomene. Blos Linné nebst dessen
Tochter y), und nach ihnen Haggrenz) und Von
Szürs
[83]Szütsa) bemerkten an einigen Pflanzen ein Leuch-
ten. Die beyden erstern sahen ein plötzliches
Hervorschieſsen von Lichtstrahlen an den Blumen
des Tropaeolum majus L. Linné glaubte gefun-
den zu haben, daſs nur diejenigen dieser Blumen
die Blitze zeigten, woran die Blumenblätter roth-
gelb und die beyden obersten mit schwarzgelben
Streifen gezeichnet sind. Haggren beobachtete
das Leuchten an der Calendula officinalis L. und
einigen andern Gartenpflanzen, die er blos mit
den Volksnamen bezeichnet, überhaupt aber nur
an Blumen, welche die gelbe Feuerfarbe hatten.
Er nahm den Schimmer vorzüglich in den Mona-
ten Julius und August bey Untergang der Sonne
und eine halbe Stunde nachher wahr, doch nur
bey ganz klarer Luft, nicht aber, wenn diese
feucht war, oder es den Tag geregnet hatte. Oft
zeigte sich das Licht zwey- bis dreymal hinter
einander auf einer und derselben Blume, oft aber
erst nach einer Zwischenzeit von mehrern Minu-
ten. Von Szüts sahe die Blätter einer Phytolacca
decandra L. an einem Abend bis Mitternacht mit
einem bläulichgrünen Licht glänzen, welches auch
nach dem Abwischen der Blätter fortdauerte.
Diese Erfahrungen sind zu eingeschränkt, um
die Ursache jenes Leuchtens mit Sicherheit bestim-
men
F 2
[84] men zu können. Vielleicht ist es das Ausströh-
men eines, sich an der Luft entzündenden Oels,
das den Schimmer hervorbringt. Auf jeden Fall
scheint dieser momentane Glanz sehr verschieden
von dem anhaltenden Licht zu seyn, welches aus
den phosphorescirenden Thieren ausströhmt.
Ein solches fortdauerndes Licht zeigt sich
an mehrern Zoophyten. Aristotelesb) erwähnt
einiger Schwämme, Pliniusc) eines Eichen-
schwamms, Linné der Byssus phosphorea, und
Ducluzeaud) mehrerer Conferven der Gegend
von Montpellier, unter andern einer, die mit Con-
ferva rupestris L. verwandt ist, als leuchtender
Körper. Pérone) fand auf seiner Reise mit
Baudin verschiedene Haufen von Sertularien, Isis,
Gorgonien, Alcyonien, Spongien, Tangen und
Ulven, die an der Westküste von Neuholland aus
der Tiefe des Meers hervorgezogen waren, phos-
phorescirend. Allein keiner der Beobachter, wel-
che dieses Leuchten bemerkten, hat auf die Frage
Rücksicht genommen, ob dasselbe eine Erschei-
nung des Lebens, und nicht etwa erst bey der
anfangenden Zersetzung der Zoophyten nach dem
Absterben derselben entstanden war. Von der Bys-
sus
[85] sus phosphorea ist es auch nicht einmal gewiſs,
ob die Phosphorescenz derselben nicht etwa nur
von dem faulenden Holz, worauf sie sich befand,
herrührte.
Ausgemachter ist es, daſs das Phosphoresciren
eine Lebenserscheinung bey mehrern Zoophyten
aus den Familien der Seefedern, Medusen und
Actinien ist.
Unter den Seefedern kennen wir, besonders
durch Spallanzani’s Beobachtungen f), die Pen-
natula phosphorea L. als leuchtend. Nach den Er-
fahrungen jenes Schriftstellers leuchten diese Zoo-
phyten nur, wenn sie sich bewegen, oder bewegt
werden. Sie phosphoresciren auch noch nach dem
Tode, doch ebenfalls nur bey Erschütterungen.
Der Stamm leuchtet niemals, sondern blos die
Fahne, und auch diese nicht allenthalben gleich
lebhaft. Der vornehmste Sitz ihres Lichts sind
ihre polypenähnlichen Fortsätze, die des Nachts
als weiſslichblaue Punkte so lebhaft glänzen, daſs
der Schein durch eine brennende Kerze nur we-
nig verdunkelt wird. Bey Berührungen der Fahne
ergieſst sich das Licht plötzlich aus jenen Fort-
sätzen in den Mittelpunkt dieses Theils. Nach
dem Tode der Seefeder dringt aus der Fahne ein
schlei-
F 3
[86] schleimiges Wesen hervor, welches die eigentliche
Quelle des Lichts ist.
Bey diesen Beobachtungen verdienen vorzüg-
lich drey Punkte unsere Aufmerksamkeit. Wir
sehen
1) daſs die Eigenschaft zu leuchten nicht dem
ganzen Körper, sondern nur einer besondern, in
einzelnen Theilen enthaltenen Materie eigen ist;
2) daſs in dieser Materie die Phosphorescenz
noch einige Zeit nach dem Tode des Organismus
fortdauert;
3) daſs der Glanz durch Bewegung angefacht
wird.
Die beyden letztern Bemerkungen werden wir
auch an allen übrigen leuchtenden Zoophyten und
Thieren bestätigt finden. Nur von der ersten wer-
den sich einige Ausnahmen zeigen.
Zu den leuchtenden Zoophyten gehören vor-
züglich noch mehrere Medusen, untern andern
eine von Spallanzanig) in der Meerenge von
Messina untersuchte Art, welche glatt, oben con-
vex, unten concav, am Rande gefranzt, an den
Seiten mit acht dünnern und längern, in der Mitte
der untern Höhlung mit vier kürzern und dickern
Fühlfäden versehen ist. Auch bey diesem Zoo-
phyt
[87] phyt ist der Sitz des Leuchtens nicht der ganze
Körper, sondern es sind die groſsen Fühlfäden,
der Rand des Deckels und der mit der Oeffnung
des Deckels in Verbindung stehende Sack. In die-
sen Theilen ist eine dickliche, etwas klebrige, die
Haut auf eine unangenehme Art reitzende Flüssig-
keit enthalten, und hiervon rührt das Licht ei-
gentlich her. Durch Bewegung wird auch hier
die Phosphorescenz verstärkt. In dem Deckel fin-
det, wie bey allen Medusen, eine abwechselnde
Zusammenziehung und Erweiterung statt, die,
wie es scheint, von der Meduse willkührlich auf-
gehoben werden kann. In der Systole ist das
Leuchten stärker als in der Diastole. Beym Auf-
hören der Bewegung vermindert sich dasselbe so
sehr, daſs es auf den ersten Anblick völlig erlo-
schen zu seyn scheint. Doch hört es in der That
nicht eher ganz auf, als bis die Meduse nach
dem Tode in Fäulniſs überzugehen anfängt. Nach-
dem es erloschen ist, läſst es sich durch Hinzu-
gieſsen von süſsem Wasser, durch Bewegung und
durch eine Wärme von 21° bis 30° R. wieder an-
fachen.
Bey einer andern, von Mitchillh) unter
dem Namen Medusa simplex beschriebenen Me-
dusen-
F 4
[88] dusenart giebt es acht groſse, von dem einen Ende
des Körpers zum andern gehende Rippen, in wel-
chen das Leuchten statt findet. Man sieht ein bläu-
liches Licht, elektrischen Ströhmungen ähnlich,
darin fortschieſsen. Der Glanz entsteht jedesmal,
wenn die Meduse sich bewegt, oder vom Wasser
fortgetrieben wird. Auch der Sand, worauf sie
gelegen hat, die Körper, womit man sie berührt,
und das schleimige Wesen, das sie von sich giebt,
phosphoresciren. Nach dem Tode löſst sich das
Zoophyt völlig in Seewasser auf, und dieses riecht
dann nach phosphorhaltigem Wasserstoffgas.
Mitchill hält die Rippen dieser Meduse für
Gefäſse, die ein phosphorescirendes Blut von ei-
nem gemeinschaftlichen Stamm empfangen und im
Körper umherführen. Macartneyi), der, wo
nicht dieselbe, doch eine ähnliche leuchtende Art
beobachtete, die er Beroe fulgens nennet, die mir
aber mit Baster’s Medusa ovata einerley zu seyn
scheint, fand, daſs das vermeinte Blut zarte Här-
chen sind, die sich auf den Rippen befinden und
beym Schwimmen der Meduse eine so schnelle
rotatorische Bewegung machen, daſs es aussieht,
als ob eine Flüssigkeit durch die Rippen ströhmte.
Macartney entdeckte an den Englischen Kü-
sten noch zwey andere phosphorescirende Medu-
sen, eine kleine, mikroskopische Art, die er Me-
dusa
[89] dusa scintillans nennt, und die Medusa hemi-
sphaerica Gronov. Bey allen drey Arten fand auch
er, wie Spallanzani und Mitchill, daſs Be-
wegungen des Thiers, sowohl mitgetheilte, als
eigene, den Glanz verstärken, und daſs sich das
Licht andern, mit dem zerriebenen Zoophyt be-
strichenen Körpern mittheilt. Elektrische Schläge
bewirkten ebenfalls eine Zunahme des Lichts der
Medusa hemisphaerica, doch blos durch die me-
chanische Erschütterung. In heiſsem Seewasser
nahm der Glanz dieser Meduse ohngefähr 20 Mi-
nuten lang zu, worauf sie einschrumpfte, starb
und nicht weiter leuchtete. Auch geistige Flüs-
sigkeiten vermehrten die Phosphorescenz. In der
verdünnten Luft der Luftpumpe leuchtete sie, so
wie die Medusa scintillans, wie gewöhnlich bey
Erschütterungen. Der einzige Unterschied war,
daſs das Licht unter dem Recipienten der Luft-
pumpe leichter angefacht wurde und länger an-
hielt. Die beyden letztern Medusen zogen sich
immer bey zunehmendem Mond in die Tiefe des
Meers zurück, und verlohren ihren Glanz, wenn
sie dem Tageslicht ausgesetzt wurden, erhielten
ihn aber im Dunkeln wieder. Alle diese Zoophy-
ten hängen sich unter gewissen Umständen zu-
sammen, und hiervon entsteht, nach Macartney’s
wahrscheinlicher Meinung, das weit verbreitete
Licht, das man zuweilen auf dem Meer wahr-
nimmt. An einem Haufen von Individuen der
F 5Beroe
[90] Beroe fulgens, die sich unter einander verbunden
hatten, bemerkte er, daſs sie während dieser Ver-
bindung gar keine Zusammenziehungen äuſserten.
Er erklärt hieraus die blasse oder weiſse Farbe
des auf der See verbreiteten Lichts.
Die Medusa ovata Bast. wurde auch von Ti-
lesiusk) beobachtet, der des Tages, statt des
nächtlichen phosphorischen Scheins, einen Schim-
mer von Regenbogenfarben an ihr wahrnahm.
Eben dieser Naturforscher l) fand auf seiner Reise
um die Welt noch drey andere leuchtende Arten
der Medusenfamilie, und Banksm) zwischen Ma-
dera und Rio-Janeiro eine phosphorescirende Me-
duse, M. pellucens von ihm genannt, aber wahr-
scheinlich einerley mit Löfling’s M. pelagica.
Bey einer verwandten Art, der M. noctiluca Forsk.
bemerkte schon Forskåln) einen nächtlichen
Glanz, der am Rande des Körpers stärker als in
der Mitte war, und an den einzelnen Theilen des
zerstückelten Zoophyts fortdauerte.
Von Humboldto) fand ebenfalls auf seiner
Reise von Spanien nach den Canarischen Inseln,
unter
[91] unter 34° 33′ Breite, drey leuchtende Medusen,
die Medusa aurita Bast., M. pelagica Bosc. und
eine dritte, die sich der M. hysocella Vandelli
näherte. Keine derselben leuchtete als bey Er-
schütterungen. Diese waren aber schon in gerin-
gem Grade hinreichend, den Glanz hervorzubrin-
gen. Beym Galvanisiren einer Meduse erschien
das Leuchten oft schon im Augenblick des Schlie-
ſsens der Kette, ohngeachtet die Metalle nicht in
unmittelbarer Berührung mit dem Zoophyt waren.
Die Finger, womit man die Meduse berührt hatte,
blieben noch einige Minuten leuchtend. Holz,
das mit derselben gerieben war und schon aufge-
hört hatte zu phosphoresciren, fing von neuem
an Licht zu geben, wenn man mit der trocknen
Hand darüber hinfuhr.
Ein anderes Zoophytengeschlecht, bey dem
sich das Vermögen zu leuchten in hohem Grade
findet, ist das Pyrosoma. Alle drey Arten, die
bis jetzt von demselben entdeckt sind, phospho-
resciren p). Beym Pyrosoma Atlanticum Péron.
verhält sich die Phosphorescenz auf ähnliche Art,
wie bey der von Spallanzani beobachteten Mo-
duse. Gleich dieser äuſsert dasselbe in regelmä-
ſsigen Zwischenräumen eine abwechselnde Zusam-
menziehung und Erweiterung. Das Leuchten ent-
steht während der Zusammenziehung und ver-
schwin-
[92] schwindet bey der Ausdehnung. Mit demselben
verändert sich die Farbe des Körpers. Bey der
Systole bekömmt dieser die Röthe des geschmol-
zenen Eisens; bey der Diastole verändert er seine
Farbe in Aurora, Orange. Grün und Azurblau.
Man kann die Phosphorescenz dadurch verstär-
ken, daſs man das Zoophyt reitzt. Nach dem
Tode hört die Erscheinung ganz auf q).
Viele phosphorescirende Arten giebt es ferner
unter den Salpen. Tilesiusr) erwähnt neun Ar-
ten, die er leuchtend fand. Baufort beobachtete
auch eine phosphorische Dagysa s). Unter den
Infusionsthieren des Meers endlich giebt es eine
Menge Gattungen, aus welchen ein nächtliches
Licht ströhmt t).
Die abwechselnde Zusammenziehung und Aus-
dehnung der Medusen und Pyrosomen ist ohne
Zweifel eine dem Athemholen ähnliche Bewegung,
und der Einfluſs derselben auf das Leuchten kann
wohl nur in der Aufnahme von Sauerstoffgas beste-
hen. Macartney’s Beobachtung, daſs der Glanz
der Medusen in verdünnter Luft nicht abnahm-
son-
[93] sondern vielmehr anhaltender war, ist kein Ein-
wurf gegen jene Meinung. Die Versuche, welche
dieses Resultat gaben, wurden mit Medusen an-
gestellt, die sich unter Wasser befanden. Durch
die Verdünnung der Atmosphäre wurde aber die
im Wasser enthaltene Luft entwickelt, und hier-
von konnte das Leuchten auf einige Zeit anhal-
tender gemacht werden. Da nun auch zum Leuch-
ten des Phosphors das Sauerstoffgas erforderlich
ist, und da die von Mitchill beobachtete Me-
duse, in Seewasser aufgelöst, nach Phosphor-
Wasserstoffgas roch, so läſst sich nach den obi-
gen Erfahrungen schon vermuthen, daſs eine phos-
phorhaltige Materie, die bey einigen thierischen
Körpern nur in einzelnen Theilen erzeugt wird,
bey andern in der ganzen Masse der Säfte ver-
breitet ist, den Grund des Leuchtens enthält. Für
diese Meinung werden sich bey unsern fernern
Untersuchungen immer mehr Beweise finden. Es
wird sich zugleich bestätigen, was auch die an-
geführten Beobachtungen lehren, daſs bey man-
chen Thieren die Erzeugung der leuchtenden Ma-
terie nicht immer statt findet, sondern von dem
Zustande des Thiers und von äuſsern Einflüssen
abhängt.
Zu der letztern Bemerkung geben vorzüglich
die Pholaden (Pholas Dactylus L.) Belege. Diese
Thiere sind aus der Classe der Mollusken dieje-
nigen, die man durch die Beobachtungen der Mit-
glie-
[94] glieder des Instituts von Bologna u) und Reau-
mur’s v) als phosphorescirend kennt. Sie leuch-
ten desto stärker, je frischer sie sind, und nicht
nur auf der Oberfläche, sondern auch zerschnit-
ten im Innern. Ihre leuchtende Materie hängt
sich an alles, womit man sie berührt, und theilt
sich dem Wasser mit, worin man sie auflöst.
Der Glanz dieses Wassers wird durch mäſsige
Wärme erhöhet, durch eine Hitze, die 45° R.
übersteigt, so wie durch Gefrieren, vernichtet.
Getrocknet verliert die Pholade ihr Licht; von
neuem befeuchtet, erhält sie den Glanz wieder.
Doch dauert das Vermögen, wieder leuchtend zu
werden, an der getrockneten Materie nicht lange,
und verliert sich mit der Fäulniſs ganz. Zu eini-
gen Zeiten ist das Licht der lebenden Pholaden
stärker als zu andern, und oft scheint es ganz
erloschen zu seyn. An der Küste von Poitou,
wo Reaumur sie beobachtete, leuchten sie blos
in der warmen Jahreszeit. Das Licht wird ver-
mehrt durch nicht zu starke Auflösungen von
Meersalz, Salpeter, Weinsteinsalz und Zucker,
und durch den Zutritt frischer atmosphärischer
Luft; aufgehoben, oder wenigstens geschwächt,
durch Säuren. Weingeist, stärkere Auflösungen
von Mittelsalzen und Metalloxyden, und durch
ver-
[95] verdünnte Luft. Durch Reiben läſst sich das er-
loschene Licht oft wieder herstellen.
Reaumur bemerkt ausdrücklich, daſs alle übri-
ge Mollusken, die an der Küste von Poitou vor-
kommen, nicht phosphoresciren. Dagegen erzählt
Adansonw), daſs er bey seinem Aufenthalt auf
Gorea in einer Kammer Gefäſse mit lebenden Fi-
schen, Muscheln, Krabben, Seesternen, und meh-
rern andern Seethieren gehabt hätte, die alle ein
so helles Licht von sich gaben, daſs die Kammer
wie in Feuer zu stehen schien. In den heiſsen
Climaten scheinen also viele Thiere, die sonst
nicht phosphoresciren, unter gewissen Umständen
leuchtend zu werden.
Diese Abhängigkeit der Phosphorescenz von
dem Zustand des Thiers oder der Atmosphäre zeigt
sich auch bey den leuchtenden Würmern. An
dem Regenwurm (Lumbricus terrestris L.) be-
merkten Bruguierex) und der jüngere Flauguer-
guesy) drey Jahre nach einander im October
ein bläuliches, dem Schimmer des faulen Holzes
ähnliches Licht, das durch den ganzen Körper
verbreitet, doch am Vordertheil des Thiers am
lebhaftesten war. Von Andern ist diese Phospho-
rescenz nicht wahrgenommen worden. Sie muſs
also
[96] also entweder, und dies ist das Wahrscheinlichste,
nur unter gewissen Umständen eintreten, oder in
den, von Bruguiere und Flauguergues beobach-
teten Fällen von Theilen leuchtenden Holzes her-
gerührt haben, die den Würmern anklebten.
Beständiger ist das Leuchten der Nereiden,
wovon es mehrere phosphorescirende Arten giebt.
Die bekannteste ist die, von Vianelliz), Grise-
linia) und Adlerb) beschriebene Nereis nocti-
luca L. Fünf andere Arten wurden von Spallan-
zanic) im Ligustischen und Sicilischen Meer ent-
deckt. Das Leuchten der Nereis noctiluca ist nach
Griselini in der Gegend von Venedig am lebhaf-
testen im Sommer, vor einem Gewitter, beym
Südostwind und des Winters in Nächten, die auf
einen warmen Tag folgen. Die phosphorische
Materie theilt sich auch, wie die von andern
leuchtenden Thieren, nach dem Tode der Nereide
dem Wasser mit, und der Glanz sowohl des
Thiers, als der Auflösung jener Materie, wird durch
Bewegung lebhafter gemacht.
Unter den Crustaceen und Insekten besitzen
vorzüglich folgende ein phosphorisches Licht:
Eini-
[97]
- Einige Branchipoden.
- Cancer fulgens Banks.
- Scolopendra electrica L.
- Elater noctilucus L.
- — phosphoreus L.
- — ignitus Oliv.
- Pausus sphaerocerus Afzel.
- Scarabaeus phosphoricus Luc.
- Fulgora laternaria L.
- Mehrere Lampyris-Arten.
Es giebt aber auch in diesen Thierclassen
manche Arten, die nur in gewissen Gegenden,
oder unter gewissen Umständen leuchten. So
phosphoresciren die Fluſsgarnelen (Cancer Pulex
L.) und die Mücken (Culex pipiens L.) nicht im
nördlichen Europa. Thulis und Bernard fanden
aber den Cancer Pulex im July zu Trans leuch-
tend p). Die nehmliche Beobachtung machte Ha-
blizl im Maymonat an diesem Thier auf dem
Caspischen Meer, und zugleich bemerkte dersel-
be, daſs die Mücken am Ufer des Astrabatschen
Meerbusens im Frühling und Herbst einen leuch-
tenden Schein von sich gaben q).
Zu
V. Bd. G
[98]
Zu den leuchtenden Branchipoden gehört ein,
von G. de Riviller) im Meere von Malabar ge-
fundenes mikroskopisches Thier, das zum Ge-
schlechte Lynceus gerechnet werden müſste, wenn
nicht die Fühlhörner desselben, nach Riville’s
Beschreibung, über dem Mund ständen, da sie
bey diesem Geschlecht unter dem letztern befestigt
sind. Zerdrückt gab dasselbe eine bläuliche, leuch-
tende Flüssigkeit von sich, die vorzüglich aus den
Eyerstöcken herzurühren schien, und dem Was-
ser, womit es sich vermischte, die Eigenschaft
mittheilte, ein sehr glänzendes Licht zu verbrei-
ten, wenn es geschüttelt wurde.
Banks erhielt von einem Capitain Hornsburg
zwey leuchtende Thiere, wovon das eine im Ara-
bischen Meer gefunden war. Macartneys) er-
kannte beyde für Branchipoden, und das letztere
für eine Art des Limulus. Banks selber entdeck-
te zwischen Madera und Rio Janeiro auſser der
oben erwähnten Meduse auch eine leuchtende
Krebs-
q)
[99] Krebsart, von ihm Cancer fulgens genannt, des-
sen Licht aus allen Theilen desselben auszuströh-
men schien t).
Das Licht der Scolopendra electrica L. ist nicht
immer vorhanden. Reaumuru) fand dasselbe an
einigen dieser Insekten eben so lebhaft, wie an
den Johanniswürmchen; an andern hingegen war
nichts davon zu bemerken *). Linnév) erzählt,
die Skolopendern gäben, wenn man sie über den
Rücken striche, Funken von sich, und Fouge-
rouxw) bemerkt, manche verbreiteten erst einen
Schein, wenn sie zerdrückt wären. Nach Macart-
neyx) ist das Leuchten der Skolopender dem An-
schein
G 2
[100] schein nach mit dem Ausströhmen einer leuchten-
den Flüssigkeit aus ihrer Oberfläche verbunden.
Dinge, die man mit ihr in Berührung bringt, be-
halten das phosphorische Licht einige Sekunden.
Doch läſst sich diese Flüssigkeit selbst auf einem
sehr klaren Glase und unter der Linse nicht als
eine tropfbare Materie erkennen, Macartney will
auch noch gefunden haben, daſs das Insekt nicht
leuchtet, wenn es nicht einige Zeit, die aber nur
kurz zu seyn braucht, dem Tageslicht ausgesetzt
gewesen ist. Diese Beobachtung bedarf indeſs ge-
wiſs noch einer weitern Bestätigung.
Die Phosphorescenz der leuchtenden Springkä-
fer wurde von Browny) und Sloanez) im Va-
terland dieser Insekten, und von Fougerouxa)
an einem in Frankreich gefundenen Elater nocti-
lucus, dessen Larve in Holz von Cayenne zufäl-
lig übergekommen war, untersucht. Nach den
Beobachtungen dieser Schriftsteller sind die Haupt-
stellen, wovon das Licht ausgeht, zwey länglich-
runde, mit dünnen, durchsichtigen Platten bedeck-
te Stellen zu beyden Seiten des Brustschilds. Au-
ſserdem ströhmt, nach Fougeroux, zuweilen noch
ein lebhaftes Licht am Bauche zwischen der Brust
und dem ersten Bauchring aus. Nach Brown sind
alle innern Theile des Thiers leuchtend; der Glanz
ist
[101] ist aber nicht beständig vorhanden. Das Licht
verbreitet sich auf fünf bis sechs Zoll weit, gleicht
an Lebhaftigkeit dem schönsten Smaragd, und ist
so stark, daſs man die feinste Schrift dabey lesen
kann.
Macartneyb) hatte Gelegenheit, sowohl den
Elater noctilucus, als den Elater ignitus zu zer-
gliedern. Er beschreibt die phosphorische Sub-
stanz als eine gelbe Materie, die von durchsich-
tigen Theilen des Brustschildes bedeckt ist, durch
welche beym Tageslicht ihre gelbe Farbe durch-
scheint und beym Leuchten ihr Licht durchströhmt.
Sie liegt in einer Höhlung dieser durchsichtigen
Stellen, ist von eyförmiger Gestalt, und besteht
aus einer groſsen Menge kleiner, dicht an einan-
der gedrängter Lappen. Um beyde ovale Massen
ist eine Substanz, die Macartney die Interstitial-
Substanz des Bruststücks nennt, in strahlenför-
miger Gestalt geordnet. Der Theil des Brust-
schilds, der diese strahlenförmige Substanz unmit-
telbar bedeckt, ist einigermaſsen durchsichtig,
doch weniger als der, unter welchem die ovalen
Massen liegen. Aus dem Innern der letztern ent-
steht ein Bündel von Muskeln, der aber, nach
Macartney’s Meinung, mit den, neben ihm lie-
genden Bündeln blos zur Bewegung der Füſse
dient. Beym Elater ignitus fand Macartney die
Theile
G 3
[102] Theile der Schaale, unter welchen die leuchtende
Materie liegt, nicht so dünn und durchsichtig,
wie bey der vorigen Art. Die leuchtende Sub-
stanz war hier von sehr unregelmäſsiger Gestalt,
von lockerer Textur, als beym Elater noctilucus,
und in ihrem Bau der Substanz gleich, die Ma-
cartney die Interstitial-Substanz nennt.
Es ist unmöglich, nach dieser Beschreibung
mit Gewiſsheit zu bestimmen, was die phospho-
rescirenden Theile bey jenen Springkäfern eigent-
lich sind. Durch die Güte meines Freundes, des
Herrn von Langsdorff in Rio Janeiro, der ich
mehrere, in Weingeist übersandte Exemplare des
Elater noctilucus und Elater phosphoreus verdan-
ke, bin ich in den Stand gesetzt, Macartney’s
Angaben zu ergänzen. Ich finde die leuchtende
Substanz dieser Käfer ganz einerley mit dem Fett-
körper derselben, doch an den Stellen, die vor-
züglich phosphoresciren, nehmlich zu beyden Sei-
ten des Brustschilds, so wie zwischen der Brust
und dem Bauch auf der untern Seite des Leibes,
von festerer Textur als an den übrigen Stellen.
Dort ist sie im Aeuſsern dem geronnenen Hühner-
eyweiſs ähnlich; hier hat sie ein mehr körniges
Ansehn. Ihre Farbe scheint ursprünglich weiſs
zu seyn und blos von dem Tageslicht an den
durchsichtigen Stellen des Brustschilds gelblich zu
werden. Die zwey Massen, die zu beyden Sei-
ten dieses Schildes liegen, sind von einem ovalen
Ring
[103] Ring umgeben, der eine etwas dunkle Farbe hat.
Hinter ihnen dringen aus den beyden, unter dem
hintern Ende des Brustschilds liegenden Luftlö-
chern groſse und zahlreiche Tracheen hervor, die
meist zu den Muskeln der Brust und der vordern
Füſse gehen, doch zugleich Bündel zarter, paral-
lel neben einander liegender Röhren für die leuch-
tenden Theile abgeben, die nicht die spiralförmi-
gen Dräthe der übrigen Luftröhren haben, deswe-
gen leicht mit Muskelfasern zu verwechseln sind,
und ohne Zweifel mit der Funktion jener Theile
in genauer Beziehung stehen. Der zwischen der
Brust und dem Bauch liegende Theil des Fettkör-
pers ist von unregelmäſsiger Gestalt. Hinter ihm
steigen aus dem ersten Paar der Bauchstigmate
zwey sehr starke Tracheen herauf, wovon er Ae-
ste erhält. Nerven gehen zu keiner der leuchten-
den Massen. Es ist mir, wenn ich diese Resultate
meiner Zergliederungen mit den Beobachtungen
Brown’s und Fougeroux’s vergleiche, wahrschein-
lich, daſs der Fettkörper der leuchtenden Spring-
käfer allenthalben phosphorescirend ist, daſs es
die erwähnten Massen nur in höherm Grade we-
gen ihres gröſsern Reichthums an Luftröhren sind,
und daſs der ganze Rumpf dieser Insekten Licht
verbreiten würde, wenn die Undurchsichtigkeit
der meisten Theile, womit die Brust und der
Bauch bedeckt sind, das Ausströhmen desselben
nicht verhinderte.
G 4Von
[104]
Von dem Pausus sphaerocerus weiſs man bis
jetzt blos, daſs die Fühlhörner einen schwachen
Schein verbreiten c).
Der Scarabaeus phosphoricus, eine von Luced)
beschriebene Käferart, die im Departement Du
Var, und besonders in der Gegend von Grasse,
von der Mitte des May bis zur Mitte des July in
dunkeln Nächten sehr häufig vorkömmt, sich bey
Tagesanbruch aber verbirgt, phosphorescirt am
Unterleib. Der Glanz verschwindet, wenn das
Thier sich zusammenzieht. Das Ausströhmen des
Lichts hängt daher von der Willkühr des Käfers
ab. Zerdrückt man den Unterleib, so glänzt der
ausflieſsende Saft, doch nur einige Minuten.
Von der Fulgora laternaria ist es nach den Be-
obachtungen der Meriane) bekannt, daſs die gro-
ſse Hervorragung am Kopfe dieses Insekts im
Dunkeln ein sehr helles Licht verbreitet. Sieber
will zwar dasselbe oft in Brasilien zu beobachten
Gelegenheit gehabt, aber nie eine Spur von Phos-
phorescenz daran bemerkt haben f). Allein ich
zwei-
[105] zweifele fast, daſs Sieber die wirkliche Fulgora
laternaria gesehen hat. Herr von Langsdorff
schreibt mir: “Die Fulgora laternaria kömmt hier”
(in der Gegend von Rio de Janeiro) “nur höchst
„selten vor. Ich habe sie in drey Jahren nur ein
„einzigesmal gesehen, und nichts von ihrer Phos-
„phorescenz gehört.” Ist indeſs die Brasilianische
Art einerley mit der Surinamischen, so findet
wahrscheinlich das Licht des Laternenträgers, wie
die Phosphorescenz anderer leuchtender Thiere,
nicht zu allen Zeiten und nicht unter allen Um-
ständen statt.
Macartneyg), der Exemplare sowohl der
Fulgora laternaria, als [d]er Fulgora candelaria, die
in Weingeist erhalten waren, untersuchte, fand
die Hervorragung derselben hohl und blos mit ei-
ner Haut ausgekleidet, zwischen welcher und der
hörnernen Schaale eine bleichröthliche, weiche,
dünne, bey der Fulgora candelaria in breiten Strei-
fen geordnete Substanz lag. Am hintern Ende
der Hervorragung befand sich auf jeder Seite eine
Oeffnung, die zur innern Höhlung dieses Theils
führte.
Die Johanniswürmchen (Lampyris) sind unter
allen phosphorescirenden Thieren am häufigsten
untersucht worden. Vergleicht man die darüber
ange-
G 5
[106] angestellten Beobachtungen unter sich und mit
den bisherigen Erfahrungen über die übrigen leuch-
tenden Thiere, so ergeben sich daraus Resultate,
mit welchen, wie ich glaube, die Ursache des
thierischen Lichts auſser Zweifel gesetzt wird.
Es giebt vier Arten dieser Käfer, woran das
Vermögen zu leuchten näher beobachtet ist: Lam-
pyris noctiluca L., Lampyris splendidula L., Lam-
pyris hemiptera Fabr. und Lampyris italica L.
Mehrere Beobachter haben diese Arten nicht im-
mer gehörig unterschieden, und ihre Erfahrungen
sind deshalb zum Theil fast gar nicht brauchbar.
Indeſs beziehen sich auf Lampyris splendidula G.
Forster’s h), Guénau’s de Montbeillardi),
Macartney’s k) und meine Beobachtungen l); auf
Lampyris noctiluca Hermbstädt’s m) und Hein-
rich’s n) Versuche; auf Lampyris italica die Er-
fahrun-
[107] fahrungen Spallanzani’s o), Corradori’s p) und
von Grotthuss’s q). Die Lampyris italica kömmt
bey Spallanzani unter dem Italiänischen Volks-
nahmen der Lucciole und Luccioloni vor, von
welchen die erstern geflügelt, die letztern unge-
flügelt sind. Spallanzani hält beyde für ver-
schiedene Arten, weil die Lucciole sich nur einen
Monat lang in ihrem Lichte zeigen, da die Luc-
cioloni den ganzen Sommer hindurch leuchten.
Aber die Lucciole sind sicher die Männchen und
die Luccioloni die Weibchen einer und derselben
Art. Es verhält sich ohne Zweifel mit der Lam-
pyris italica wie mit der Lampyris noctiluca, wo-
von das Männchen nur eine kurze Zeit leuch-
tet r).
Bey allen diesen Arten ist an dem vollkom-
menen Insekt der Sitz des Lichts die mit einer
weichen, weiſslichen, durchsichtigen Haut bedeck-
te untere Seite der drey letzten Bauchringe. Be-
sonders glänzen zwey gelbliche Punkte zu bey-
den Seiten des letzten Ringes. Diese geben im-
mer
[108] mer noch Licht, wenn auch alles Uebrige schon
erloschen ist s).
Dem Weibchen ist die Phosphorescenz vor-
züglich eigen. Doch scheint auch dem Männchen
das Licht bey keiner Art ganz zu fehlen. Nur
ist es bey diesem nicht so anhaltend. Nach Fou-
gerouxt) stellt sich dasselbe bey dem Männchen
der Lampyris noctiluca kurze Zeit nach der Be-
gattung ein. Hingegen Sorgu) fand, daſs das
Licht dieser Art nach der Begattung beträchtlich
abnimmt. Die letztere Beobachtung ist wohl in
Beziehung auf das Männchen die richtigere. Das
Weibchen der Lampyris splendidula aber leuchtet
am stärksten gegen die Zeit des Eyerlegens, und
von dieser Art leuchten auch schon die Eyer v).
Die Puppe und die Larve geben ebenfalls schon,
und, wie es scheint, bey allen Arten, einen Schein
von sich w).
Man
[109]
Man hat behauptet, die Quelle des Lichts die-
ser Käfer wären zwey Bläschen, die innerhalb
des Leibes unter den beyden, vorzüglich leuch-
tenden Punkten lägen, und eine phosphorescirende
Flüssigkeit enthielten; das Insekt könnte diese
Bläschen willkührlich in den Hinterleib zurückzie-
hen, und so das Leuchten vermindern oder ganz
einstellen x); man könnte aber durch einen gelin-
den Druck die leuchtenden Theile wieder zum
Vorschein bringen und den Glanz herstellen y).
Diese Angaben sind theils richtig, theils unrichtig.
Wahr ist es, daſs sich die Stärke und Ausdeh-
nung des Lichts oft ohne alle bemerkbare Ursa-
chen augenblicklich verändern, und daher das Ner-
vensystem des Insekts einen Einfluſs darauf haben
muſs. Aber eigene willkührliche Organe, worin
die phosphorische Materie enthalten wäre, giebt
es nach meinen Untersuchungen nicht. Die in-
nern Zeugungstheile sind es, von welchen der
Glanz ausgeht. Der Einfluſs des Thiers auf das
Leuchten geschieht mittelbar, durch das Athem-
holen. Schon Perraultz) bemerkte, daſs der
Glanz beym Einathmen zunimmt und beym Aus-
athmen sich mindert. Der Leuchthäfer kann aber,
wie alle Insekten, das Athemholen willkührlich
beschleunigen und selbst auf einige Zeit ganz
hemmen.
Die
[110]
Die aus dem Bauch der Lampyris italica ge-
nommenen leuchtenden Theile behalten ihr Licht,
so lange sie noch feucht sind. Selbst getrocknet
fangen sie nicht selten von neuem an zu leuchten,
wenn man sie in Wasser aufweicht. Doch darf
das Trocknen nur bey einer gelinden Temperatur
von 15 bis 20° R. geschehen, wenn das Vermö-
gen zu phosphoresciren erhalten werden soll a).
Bey dem Männchen dieser Lampyris italica be-
merkt man an den leuchtenden Ringen des Bauchs
eine zitternde Bewegung, mit deren Zunahme der
Glanz zunimmt und mit deren Abnahme derselbe
schwächer wird. Bey beyden Geschlechtern nimmt
das Licht auch während der willkührlichen Bewe-
gungen zu. Nach dem Tode der Leuchtkäfer wird
dasselbe durch mechanische Erschütterungen ver-
stärkt. Hat der Käfer ganz aufgehört zu leuch-
ten, oder phosphorescirt er nur noch schwach, be-
sitzt aber in den leuchtenden Bauchringen noch
einige Weichheit, so erneuert oder verdoppelt sich
der Glanz, wenn man den Bauch mit einer Nadel
berührt b).
Einen bedeutenden Einfluſs auf den Glanz ha-
ben Wärme und Kälte. Nach Hulmec) und Hein-
rich
[111]richd) hört das Leuchten bey gefrierenden Jo-
hanniswürmchen auf, kehrt aber beym Aufthauen
zurück, wird verstärkt durch eine Wärme von 36°
R. und zerstöhrt durch eine Hitze von 80°. An
der Lampyris italica fand Spallanzani, daſs das
Licht derselben in einer künstlichen Kälte von
— 4° R. noch fortdauert, aber von — 5° an zu
erlöschen anfängt, und bey — 7° ganz verschwin-
det, doch durch Wärme wieder angefacht wird,
obgleich die Thiere nicht ins Leben zurückkom-
men. Hiermit übereinstimmend ist Schmid’s e)
Bemerkung, daſs das Leuchten der Johanniswürm-
chen in dem Winterschlaf derselben aufhört, aber
zurückkehrt, wenn man sie aus diesem Zustand
durch künstliche Wärme erweckt, und mit der
Zunahme der Wärme zunimmt, In der abgeson-
derten leuchtenden Materie der Lampyris splendi-
dula soll indeſs, nach Macartneyf), der Glanz
durch Hitze nicht vermehrt werden.
Nicht weniger abhängig ist das Licht von der
Beschaffenheit der Luft, worin sich die Thiere be-
finden. Wegen des Vermögens der letztern, das
Leuchten willkührlich zu vermehren oder zu ver-
mindern, ist es aber bey Versuchen über diesen
Gegenstand oft schwer, sichere Resultate zu er-
halten. Doch stimmen fast alle Erfahrungen darin
über-
[112] überein, daſs der Glanz durch das kohlensaure
Gas völlig aufgehoben, durch Stickgas, Wasser-
stoffgas und den luftleeren Raum vernichtet, oder
wenigstens sehr geschwächt wird, und daſs er
beym erneuerten Zutritt der atmosphärischen Luft
zurückkehrt g). An der Richtigkeit dieser Resul-
tate ist um so weniger zu zweifeln, da die leuch-
tende Materie, abgesondert von dem Thier, in
jenen Luftarten die nehmliche Veränderung erlei-
det h). Nicht so ausgemacht ist der Einfluſs des
Sauerstoffgas auf die Phosphorescenz. G. Forster,
Spallanzani und Sorg fanden, daſs das Licht der
Lampyris splendidula, italica und noctiluca in Sau-
erstoffgas beträchtlich zunimmt. Hermbstädt be-
obachtete nicht diese Zunahme, wohl aber eine
längere Dauer des Leuchtens in Sauerstoffgas, als
in atmosphärischer Luft. Hulme und Heinrich
konnten gar keine Verstärkung des Lichts in jener
Gasart bemerken. Die bejahenden Resultate sind
hier
[113] hier aber gewiſs die richtigern. Der Leuchtkäfer
kann durch Einschränkung des Athemholens die
Phosphorescenz vermindern, und indem er dies
in Sauerstoffgas thut, weniger leuchtend als in
atmosphärischer Luft scheinen, wenn auch der
Glanz durch jenes Gas wirklich vermehrt wird.
Hingegen die Verstärkung des Lichts über den
höchsten Grad, den sie im gewöhnlichen Zustand
hat, hängt nicht blos von der Willkühr des Thiers
ab, sondern diese muſs, wo sie statt findet, mit
in einer äuſsern Ursache ihren Grund haben.
Bemerkenswerth ist es endlich noch, daſs das
Licht der Johanniskäfer im Wasser anfangs eben
so stark als in der atmosphärischen Luft bleibt,
und erst nach einigen Stunden ganz aufhört, in
Oel hingegen gleich schwächer wird und bald er-
löscht, und daſs es nach dem völligen Aufhören
auf kurze Zeit mit voller Stärke zurückkehrt,
wenn man das Insekt sowohl tod als lebendig in
die Dämpfe der rothen rauchenden Salpetersäure
bringt i).
Nimmt man alle diese Umstände zusammen,
unter welchen die leuchtende Materie der obigen
Käfer Licht verbreitet, und vergleicht sie mit de-
nen, unter welchen der Kunkelsche Phosphor
leuch-
V. Bd. H
[114] leuchtet, so läſst sich die Gleichartigkeit beyder
Materien nicht bezweifeln. Beyde leuchten in at-
mosphärischer Luft; bey beyden wird der Glanz
durch Bewegung und durch den Einfluſs des Sau-
erstoffgas verstärkt; beyde erlöschen in Stickgas,
Wasserstoffgas und kohlensaurem Gas. Schon G.
Forster vermuthete daher mit Recht, daſs die
leuchtende Materie der Johanniswürmchen ein flüs-
siger, mit einer thierischen Materie verbundener
Phosphor sey, und Heinrich leitete aus ähnlichen
Gründen, wie wir angeführt haben und noch wei-
ter mittheilen werden, alle Lichterscheinungen der
Thiere und Pflanzen von dem Phosphor ab. Cor-
radori hat zwar gegen diese Meinung eingewandt,
daſs beym Glanz der Leuchtkäfer kein langsames
Verbrennen wie beym Leuchten des Phosphors
statt fände; daſs die Johanniswürmchen auch un-
ter Oel glänzten, und daſs ihr Licht bey jeder
Temperatur fortdauerte, wodurch die Mischung
ihrer leuchtenden Materie nicht zerstöhrt würde.
Allein der Phosphor der Leuchtkäfer ist in einer
eigenen Materie aufgelöst, und durch diese so
modificirt, daſs in demselben bey einer höhern
Temperatur kein plötzliches Verbrennen wie in
dem reinen Phosphor entstehen kann. Daſs der
Phosphor wirklich solcher Modifikationen fähig
ist, beweisen Heinrich’s k) Versuche, nach wel-
chen auch der Kunkelsche Phosphor unter gewis-
sen
[115] sen Umständen in Wasser, in Oel, und selbst
noch in einer Kälte von — 3° R. leuchtet.
Wenn man jetzt weiter die Lichterscheinun-
gen der Leuchtkäfer mit denen der übrigen phos-
phorescirenden Insekten, Mollusken, Würmer und
Zoophyten vergleicht, so wird man nicht anstehen
können, auch für die Ursache des Leuchtens der
letztern wirklichen Phosphor anzunehmen. Bey
allen diesen Wesen geht das Licht von einer Ma-
terie aus, die bald nur auf einen einzelnen Theil
beschränkt, bald über den ganzen Körper verbrei-
tet ist, überhaupt aber von dem Thier oder Zoo-
phyt abgesondert werden kann, und ihren Glanz
andern Materien mittheilt; bey allen wird der
Glanz durch Bewegung verstärkt, und bey allen,
die eine Art von Athemholen äuſsern, hat dieses
auf denselben Einfluſs.
Wäre es richtig, was Macartneyl) beobach-
tet haben will, daſs bey der Phosphorescenz der
Leuchtkäfer eine Wärme von 2° bis 3° F. entbun-
den wird, so würde auch diese Thatsache ein
wichtiger Beweis unserer Meinung seyn, ohnge-
achtet Macartney selber annehmen zu müssen
glaubt, daſs jene Zunahme der Temperatur nicht
Wirkung, sondern blos Begleiterin der Phospho-
rescenz des Leuchtkäfers, und die Natur der leuch-
ten-
H 2
[116] tenden Materie des letztern von der des Phosphors
ganz verschieden ist, doch aus Gründen, die wei-
ter nichts darthun, als was sich von selber ver-
steht, daſs das Licht dieser Thiere nicht blos von
den äuſsern Einflüssen, die das langsame Verbren-
nen des Kunkelschen Phosphors bewirken, son-
dern auch von dem Zustand des Thiers abhängt.
Allein bey Macartney’s Beobachtung konnte so
leicht eine Täuschung vorfallen, daſs sich nicht
darauf bauen läſst.
Bey den Fischen, Amphibien, Vögeln und
Säugthieren sind die Phänomene der Phosphores-
cenz weit seltener, als bey den Thieren der nie-
dern Classen. Von denen, die wir bey ihnen fin-
den, sprechen aber ebenfalls mehrere sehr be-
stimmt für die Entstehung des Leuchtens aus ei-
nem, mit einem thierischen Saft verbundenen
Phosphor.
Jene Erscheinungen sind: das Leuchten der
Eydechseneyer, der phosphorescirende Urin und
Schweiſs, und das nächtliche Funkeln der Augen
mehrerer Säugthiere.
Von den Eyern der Lacerta agilis weiſs man,
daſs sie sehr stark im Finstern leuchten m). Die
Um-
[117] Umstände, worunter diese Phosphorescenz erfolgt,
sind aber noch wenig beobachtet worden. Nach
Gründlern) sollen sich dunkle Eyer durch Be-
wegung zum Leuchten bringen lassen.
Merkwürdig ist es, daſs der Harn der Viverra
Mephitis und Viverra Putorius, also eine thieri-
sche Flüssigkeit, die Phosphor enthält, in dem
Augenblick, wo er von den Thieren gelassen
wird, des Nachts einen Glanz von sich giebt o).
Der Urin der letztern Viverre soll, wie Langs-
dorff erfuhr, seine phosphorescirende Eigenschaft
noch lange in einem Glase behalten. Auch bey
Menschen kömmt zuweilen ein leuchtender Urin
vor, wie schon im 4ten Band der Biologie (S. 604.)
erwähnt ist. Jurine und Pictet in Genf bemerk-
ten ihn mehrere mal an ihrem eigenen Harn p).
Ein leuchtender Schweiſs ist bey mehrern Men-
schen, unter andern von Henkelq) und Hermb-
städtr), beobachtet worden. In dem von Hermb-
städt erwähnten Fall war der Phosphorgeruch
an
H 3
[118] an dem Schweiſs nicht zu verkennen. Selbst vom
Körper getrennt, leuchtete dieser noch fort; es
war aber nicht möglich, ihn zur Entzündung zu
bringen. Mit Recht glaubt Hermbstädt, daſs hier
ein wahrer Phosphor aus dem Körper entwickelt
wurde, den seine Verbindung mit der Materie des
Schweiſses vor der Entzündung schützte.
Das nächtliche Leuchten der Augen ist vor-
züglich den Katzen und Hyänen eigen s). Man
findet es aber auch bey den Schaafen t), den Pfer-
den, den Geschlechtern Canis und Mustela u), und
selbst beym Menschen. Bey den Katzen und dem
Menschen scheint es im Sommer häufiger als im
Winter, überhaupt aber nur zu gewissen Zeiten v),
und bey den Katzen vielleicht erst in einem ge-
wissen Alter w) einzutreten. Das Licht der Kat-
zenaugen zeigt sich vorzüglich, wenn sie in einer
lauern-
[119] lauernden Stellung sitzen, wenn sie über etwas
Ungewöhnlichem stutzen, und wenn sie gereitzt
werden. In den beyden erstern Fällen ist es matt,
trübe und grünlich; im letztern Fall schieſst es
stoſsweise hervor, und die Augenblicke des stär-
kern Leuchtens sind von Bewegungen der Augen
begleitet x). Es findet auch an Orten statt, wo-
hin kein Lichtstrahl dringt, und muſs also, wo
nicht in allen, doch in manchen Fällen aus dem
Auge selber kommen y). An Menschenaugen ist
das Leuchten blos von G. T. L. Sachs, der mit
seiner Schwester zu den Albinos gehörte und mit
ihr solche phosphorescirende Augen besaſs, näher
beobachtet worden. Seiner Erzählung nach zeigte
sich das Licht bey ihnen oft selbst des Tages an
einem nicht zu hellen Ort als ein matter, bläu-
licher Schimmer. Am späten Abend und in der
Nacht erschien es als ein lebhafter, gelblicher
Glanz, der in der Gestalt von feurigen Scheiben
oder Kugeln aus dem Innern der Augen hervor-
brach. Die Kugeln wälzten sich hin und her,
und aus ihnen schossen oft zolllange Strahlen her-
vor. Bey beyden Geschwistern war das Licht
gleich nach der Geburt und im kindlichen Alter
am
H 4
[120] am lebhaftesten und häufigsten. In ihren spätern
Jahren hatte das Licht dann die gröſste Stärke,
wenn sie sich in tiefem Nachdenken befanden.
Zu dieser Zeit war auch das Oscilliren der Augen,
das sie mit andern Albinos gemein hatten, am leb-
haftesten z).
Sachs bemerkt nicht, ob er vermittelst jenes
Lichts im Finstern Gegenstände habe unterscheiden
können. Bey einigen Menschen muſs aber ein
phosphorisches Licht der Augen hierzu stark ge-
nug gewesen seyn. Unter andern besaſsen der
Kaiser Tiberiusa), Cardan und C. F. Michae-
lis, ein Leipziger Arzt, bekannt durch seine viele
deutsche Uebersetzungen ausländischer medicini-
scher Schriften b), das Vermögen, im Finstern zu
sehen. Bey Tiberius und Cardan fand dasselbe
gleich nach dem Erwachen, doch bey dem erstern
dann nur auf kurze Zeit, statt. Michaelis hatte
es eine Reihe Jahre vor seinem Tode sehr oft,
doch in Zwischenräumen, Abends sowohl als
Nachts, und bey ihm war es so stark, daſs er
dabey die kleinste Schrift hätte lesen können und
die nächsten Gegenstände ihm rings umher er-
leuchtet erschienen.
Die
[121]
Die letztern und Heinrich’s erwähnte Be-
obachtungen sprechen gegen Gruithuisen’s c) Mei-
nung, daſs Brechung, Reflexion und Opalisiren
die einzigen Ursachen des Leuchtens der Augen
sind. Pallas glaubte d), daſs das Licht der Au-
gen aus der Netzhaut hervorströhme und eine
elektrische Wirkung derselben sey. Ich weiſs
nicht, welche Gründe Pallas für seine Meinung
gehabt hat. Wahrscheinlich ist sie aber nicht.
Aus dem Innern des Auges entsteht das Licht
ohne Zweifel. Ob es aber von der Retina und
nicht vielmehr von dem Pigment der Traubenhaut
und des Ciliarkörpers ausgeht, darüber geben die
bisherigen Beobachtungen keinen Aufschluſs. Eine
elektrische Erscheinung ist das Licht gewiſs nicht.
Der matte, trübe Schimmer desselben und das
von Zeit zu Zeit eintretende stärkere Hervorschie-
ſsen von Strahlen, welches immer mit Oscillatio-
nen des innern Auges verbunden ist, lassen ver-
muthen, daſs diese Erscheinung mit den übrigen
leuchtenden Phänomenen der Thiere und Zoophy-
ten in einerley Classe gehört, und ebenfalls in
der Absonderung einer, dem Kunkelschen Phos-
phor verwandten Materie ihren Grund hat.
§. 2.
H 5
[122]
§. 2.
Phosphorescenz abgestorbener Pflanzen und Thiere.
Manche vegetabilische und thierische Substan-
zen, die während des Lebens keine Spur von
Licht zeigen, äuſsern phosphorische Erscheinun-
gen unter gewissen Umständen nach dem Tode,
und diese verhalten sich gegen äuſsere Einwir-
kungen ganz so wie das Licht lebender Körper.
Wenn also die im vorigen §. aufgestellte Theorie
des letztern Phänomens richtig ist, so werden
sich dessen Bedingungen auch bey jenem Licht
abgestorbener Theile von Pflanzen und Thieren
wiederfinden müssen.
Unter den vegetabilischen Substanzen ist es
vorzüglich das abgestorbene, aber noch nicht in
wirkliche Fäulniſs übergegangene Holz d*) der Bäu-
me, besonders der Pfahlwurzeln e), welches Phos-
phorescenz zeigt. Man hat zwar auch an Wur-
zeln und Knollen krautartiger Gewächse, z. B.
an Valerianawurzeln f) und Kartoffeln g), ein
Leuch-
[123] Leuchten wahrgenommen. Aber diese Beobach-
tungen gehören zu den seltenern.
Das Licht des phosphorescirenden Holzes ist
mir immer als ein weiſslicher Glanz vorgekom-
men. Es dauert nur in atmosphärischer Luft und
in Sauerstoffgas, nicht aber in reinem kohlensau-
ren Gas, Wasserstoffgas, Schwefelwasserstoffgas,
Salpetergas und im luftverdünnten Raum eine län-
gere Zeit fort h), also blos in Gasarten, die nicht
nur Sauerstoff enthalten, sondern denen dieser
Stoff auch durch einfache Verwandtschaft entzogen
werden kann. Zugleich findet zuweilen eine Ver-
minderung des Volumens dieser Gasarten i) und
Bildung von kohlensaurem Gas k), jedoch, nach
Heinrichl), nur bey wirklicher Fäulniſs des Hol-
zes, statt.
Nach
[124]
Nach diesen Erfahrungen scheint jenes Leuch-
ten ein schwacher Verbrennungsproceſs zu seyn.
Von andern Seiten zeigt dasselbe zwar Eigenhei-
ten, die bey andern Oxydationsprocessen nicht
zugegen sind. Aber diese Abweichungen lassen
sich aus der Verschiedenheit der innern Bedingun-
gen des Leuchtens vegetabilischer und anderer Sub-
stanzen erklären.
Nothwendige Bedingungen der Fähigkeit zum
Leuchten sind für das Holz Feuchtigkeit und ge-
hemmter Zutritt der freyen Luft. Beyde sind dies
aber nur insofern, als sie die zur Phosphorescenz
erforderliche Zersetzung des Holzes vermitteln m).
Es giebt einen Grad von trockner Wärme,
über welchem das Leuchten aufhört. Nach Hum-
boldt’s Versuchen n) fällt derselbe zwischen 30
und 32° R. (99½° und 104° F.). Allein diese An-
gabe ist nicht allgemein gültig. Hulmeo) fand,
daſs leuchtendes Holz bey einer Temperatur von
96° F. noch sehr schön phosphorescirte, und bey
110° noch nicht völlig erloschen war. Heinrichp)
sahe phosphorescirendes Holz auf der Platte eines
eisernen Ofens, die eine Stunde lang ziemlich
gleichförmig bis zum Siedepunkt erhitzt war, erst
nach
[125] nach anderthalb Stunden erlöschen. Auf jeden
Fall zerstöhrt die Hitze den Glanz blos dadurch,
daſs sie den zur Fortdauer desselben erforderli-
chen Grad von Feuchtigkeit aufhebt. Aus der
nehmlichen Ursache hört das Leuchten eben so-
wohl beym Gefrieren, als bey zu groſser Hitze
auf, kehrt aber beym Aufthauen allmählig zu-
rück q).
Der Glanz verschwindet binnen wenig Minu-
ten in alkalischen Auflösungen, Alcohol, Schwe-
feläther und tropfbarflüssigen Säuren r). Etwas
länger, doch höchstens nur eine halbe Stunde,
dauert er in gesättigten Auflösungen von Mittel-
salzen s). Alle diese Substanzen heben die Phos-
phorescenz auf, indem sie die zum Leuchten er-
forderliche Mischung des Holzes zerstöhren. Durch
das Eintauchen in Alcohol, Salpeter- und Koch-
salzauflösung wird die Lichtentwickelung erst ver-
mehrt, ehe sie verschwindet t).
Erhöhet wird die Phosphorescenz durch eine
mäſsige Wärme u), und, wie ich in Einem Fall
be-
[126] bemerkt zu haben glaube, durch mäſsiges Reiben
des Holzes. Heftiges Reiben aber zerstöhrt das
Vermögen zu leuchten v).
Das Licht dauert sechs bis vier und zwanzig
Stunden fort in Wasser, sowohl frischem, als aus-
gekochtem und destillirtem w), in frischem Men-
schenharn x), in Oel y) und in Quecksilber z).
Sogar im luftverdünnten Raum und in allen irre-
spirablen Gasarten phosphorescirt das Holz wenig-
stens eine kurze Zeit, und in einigen, unter an-
dern in phosphorhaltigem Wasserstoffgas und in
Phosphor-Stickgas, selbst ziemlich anhaltend. Man
kann auch das Holz in irrespirablen Gasarten viel-
mal nach einander erlöschen lassen, ohne daſs
dadurch das Vermögen des Gas, die Phosphores-
cenz eines frisch hineingebrachten Stückes Holz
einige Zeit zu gestatten, merklich geschwächt
würde a). In allen diesen Fällen wird ohne Zwei-
fel das Leuchten durch die in den Zwischenräu-
men des Holzes befindliche Luft unterhalten.
Das
[127]
Das Leuchten des Holzes zeigt sich also ganz
als eine Erscheinung, die dem in einer niedrigen
Temperatur statt findenden Glanz des Kunkelschen
Phosphors ähnlich, und mit der Phosphorescenz
lebender Zoophyten und Thiere von einerley Art ist.
Mit der letztern kömmt auch dasjenige Licht
ganz überein, welches mehrere thierische Körper
nach dem Tode verbreiten. Man hat diesen Glanz
an dem Fleisch sowohl warmblütiger, als kaltblü-
tiger Thiere beobachtet b). Aber vorzüglich ge-
ben ihn die Seefische von sich c). Mit diesen Fi-
schen
[128] schen stellten Cantond), Martine), Spallan-
zanif), und Hulmeg) Versuche an, von deren
Resultaten folgende die wichtigern sind.
Nur die der Fäulniſs vorhergehende Zerset-
zung der erwähnten thierischen Körper ist von
Phosphorescenz begleitet; mit dem Eintritt der
Fäulniſs hört das Leuchten auf h).
Eine bemerkbare Wärme-Entbindung findet
bey diesem Leuchten nicht satt i).
Das
[129]
Das Licht zeigt sich nur in atmosphärischer
Luft und in Sauerstoffgas. Es erlöscht in kohlen-
saurem Gas, Wasserstoffgas, Schwefelwasserstoff-
gas, Salpetergas und dem luftverdünnten Raum.
Das in kohlensaurem Gas, Wasserstoffgas, Schwe-
felwasserstoffgas und dem luftverdünnten Raum
erloschene Licht erscheint von neuem in atmo-
sphärischer Luft. Salpetergas hingegen zerstöhrt
dasselbe gänzlich k).
In einer kälteerzeugenden Mischung von Schnee
und Seesalz hört das Leuchten auf, bey einer Er-
höhung der Temperatur kehrt es aber zurück l).
Eine mäſsige Wärme verstärkt dasselbe; bey
einer höhern Temperatur aber erlöscht das Licht
gänzlich m).
Was-
V. Bd. I
[130]
Wasser, worin Zucker, Honig, weinsteinsau-
res Natron, phosphorsaures Natron, und andere
Salze aufgelöst sind, nimmt die leuchtende Ma-
terie auf und behält sie mehrere Tage. Doch ist
dies nur der Fall, wenn die Quantität des auf-
gelösten Salzes ein gewisses Verhältniſs nicht
überschreitet. Gesättigte Auflösungen zerstöhren
das Licht sogleich. Der Glanz kehrt aber zu-
rück, wenn man die Auflösung mit Wasser ver-
dünnt n).
Durch die Bewegung solcher Auflösung wird
das Licht derselben verstärkt o).
Hier sind ganz die nehmlichen Erscheinungen
wie bey der Phosphorescenz lebender Thiere, das
nehmliche Verhalten des Lichts in respirablen und
irrespirablen Gasarten, die nehmliche Zunahme
des Glanzes bey einer mäſsigen Erhöhung der
Temperatur und dessen Verschwinden bey einem
höhern Grade der Hitze und Kälte, dieselbe Mit-
theilung des leuchtenden Stoffs an wäſsrige Flüs-
sigkeiten, und die stärkere Lichtentwickelung bey
Bewegungen dieser Auflösungen.
§. 3.
[131]
§. 3.
Entwickelung von Feuer im menschlichen Körper.
Nach den bisherigen Gründen fehlen zum völ-
ligen Beweise, daſs die angeführten phosphori-
schen Erscheinungen Wirkungen eines wahren
Phosphors sind, der im gewöhnlichen Zustand
durch seine Verbindung mit andern Materien vor
dem eigentlichen Verbrennen geschützt und auf
das bloſse Leuchten beschränkt ist, nur noch Fälle
einer wirklichen Entwickelung von Feuer im In-
nern lebender Thiere, die eine Entzündung jenes
Phosphors zur Ursache haben müssen. Beyspiele
dieser Art sind meines Wissens noch nicht bey
Thieren wahrgenommen worden. Hingegen von
Menschen, die durch ein, aus ihrem Innern her-
vorgebrochenes Feuer verbrannt sind, giebt es
mehrere Beobachtungen. Ich führe hier nur ei-
nen ältern Fall und zwey neuere Beyspiele, nebst
den, aus einer Vergleichung aller bisherigen Er-
fahrungen sich ergebenden allgemeinen Resultaten
an, und verweise wegen der übrigen Beobachtun-
gen auf Lair’s und Kopp’s Schriften p).
Der
I 2
[132]
Der ältere Fall, den ich mittheilen werde, ist
nach einem Florenzer Journal in der Bibliotheque
salutaire (Paris. 1801.) von Fouquet erzählt. Ich
wähle diesen als Beyspiel, da er in Lair’s Schrift
nicht enthalten ist, und mehrere zu allgemeine
Folgerungen des letztern dadurch eingeschränkt
werden.
Don G. Maria Bertholi, ein Priester, der
auf dem Berge Valere im Distrikt Levizzano wohn-
te, begab sich Geschäfte halber auf den Jahrmarkt
zu Filetto. Nachdem er den ganzen Tag mit Hin-
und Hergehen in der umliegenden Gegend zuge-
bracht hatte, kehrte er gegen Abend zu Fenile
bey einem seiner, dort wohnhaften Schwäger ein.
Hier lieſs er sich in das für ihn bestimmte Zim-
mer führen und ein Schnupftuch auf die Schul-
tern unter das Hemd legen. Man verlieſs ihn,
da er sein Gebet verrichten wollte. Einige Minu-
ten nachher hörte man in diesem Zimmer ein Ge-
räusch und dazwischen das Geschrey des Priesters.
Die zu Hülfe gekommenen Hausgenossen fanden
Bertholi auf dem Boden ausgestreckt und mit
einer kleinen Flamme umgeben, die sich bey der
Annäherung der Leute immer mehr entfernte und
endlich verschwand. Man leistete ihm gleich allen
Beystand, den man ihm zu verschaffen im Stande
war, und rief den folgenden Tag einen Wund-
arzt. Battaglia von Ponte-Bosio, herbey, den-
selben, der die Nachricht von diesem Vorfall nach-
her
[133] her bekannt gemacht hat. Dieser fand die Be-
deckungen des rechten Arms, so wie die Haut
des Vorderarms und die Integumente zwischen
den Schultern und Lenden, fast ganz vom
Fleische abgelöst und in Lappen herabhängend.
Alle Versuche, den Brand an den verletzten Thei-
len zu verhüten, waren fruchtlos. Der Kranke
bekam Fieber mit Verstandesverwirrung, heftigen
Zuckungen, brennendem Durst, anhaltendem Er-
brechen und fauligem Stuhlgang, und starb den
vierten Tag, nachdem er zwey Stunden in einem
tiefen Schlaf gelegen hatte, der von den Sympto-
men der äuſsersten Fäulniſs begleitet war. Auf
Befragen des Wundarztes, wie die Sache zuge-
gangen sey, antwortete der Kranke, er habe einen
Schlag wie von einer Keule auf dem rechten Arm
gefühlt und zu gleicher Zeit einen Feuerfunken
an seinem Hemde hängen gesehn, welcher dieses
augenblicklich in Asche verwandelt hätte, ohne
doch die Vorderermel mit zu ergreifen. Das
Schnupftuch, das er sich auf die bloſse Haut der
Schultern hatte legen lassen, die Unterhosen und
die Haupthaare fand man nicht einmal versengt.
Die Mütze hingegen war ganz verzehrt. Die
Nacht, worin sich der Vorfall ereignete, war ruhig
und die Luft rein. Man bemerkte keinen empyreu-
matischen oder harzigen Geruch und keinen Rauch
im Zimmer. Die vorher mit Oel gefüllte Lampe
war trocken und der Doeht in Asche verwandelt.
I 3Von
[134]
Von den beyden neuern Fällen ist der eine
im Märzheft des 46sten Bandes des Journal de
Médécine, rédigé parSedillot, erzählt. Am
12ten December 1812 fand man im Dorfe Morigny
bey Etampes in der Nähe eines Kamins, worin
Feuer angemacht gewesen, aber wieder ausgegan-
gen war, die noch rauchenden und widrig rie-
chenden Ueberbleibsel des Körpers einer Wittwe
Paris. Die Schenkel und fast der ganze Rumpf
waren eingeäschert; die Beine mit den daran be-
findlichen wollenen Strümpfen, Socken und Holz-
schuhen waren noch übrig; der Kopf war nicht
verzehrt, doch sehr entstellt, und lag auf dem
Rand eines gröſstentheils verbrannten Eimers; auf
dem Kopf fand sich ein Stück einer Frauenhaube.
Neben der Leiche traf man einen Stuhl und einen
Blasebalg an, die meist verbrannt waren. Die
Umgekommene hatte gekränkelt und der Angabe
nach an der Epilepsie gelitten, war aber nie dem
Trunk ergeben gewesen. Zwey Tage vor ihrem
Tode war sie von Etampes krank nach Hause ge-
bracht geworden, und sieben Stunden vor demsel-
ben hatte man sie noch gesehen.
In dem andern, von Scherf in Kopp’s Jahr-
buch der Staatsarzneykunde (Jahrg. 5. S.
135.) mitgetheilten Beyspiel war der Verbrannte
ein acht und vierzig jähriger, starker Branntewein-
trinker, den man auch den Abend vor seinem Tode
betrun-
[135] betrunken in seinen Kleidern zu Bett gebracht
hatte. Das Gesicht, die rechte Hand und die
groſse Zehe des rechten Fuſses waren verzehrt
oder verkohlt, hingegen alle vom Bett, worin der
Mann gelegen hatte, und von Kleidungsstücken
bedeckt gewesenen Theile unversehrt. Das Bett
und die Decke hatten von dem Brand wenig ge-
litten. Die letztere war aber mit einer russigen,
schmierigen Materie überzogen, und das Zimmer
mit einem undurchsichtigen, stinkenden Dampf
angefüllt, der den darüber befindlichen Fuſsbo-
den des zweyten Stockwerks sehr warm gemacht
hatte. Feuer war nicht in dem Zimmer gewesen.
Lair schloſs aus den von ihm gesammelten
Erfahrungen, daſs alle die Personen, welche ein-
geäschert wurden, Frauenzimmer, bejahrt und
dem Trunke ergeben waren. Die eben erzählten
Geschichten beweisen, daſs dieser Satz nicht in
allen Fällen gilt. Lair glaubt ferner, daſs die
Entzündung in jenen Fällen nicht von selber ent-
standen, sondern durch ein äuſseres Feuer veran-
laſst worden sey. Dies ist aber eine ganz uner-
wiesene Voraussetzung. Weder in der Geschichte
des Bertholi, noch in mehrern, von Lair sel-
ber angeführten Beobachtungen ist von einem äu-
ſsern Feuer die Rede, welches die Entzündung
hätte verursachen können. In dem obigen, von
Scherf bekannt gemachten Fall ist ausdrücklich
I 4be-
[136] bemerkt, das in dem Zimmer, worin die Verbren-
nung vorfiel, kein Feuer gewesen wäre. Richtig
ist es hingegen
1) daſs in den meisten Fällen nicht, wie bey
Bertholi und in dem von Scherf erzählten Fall,
blos die äuſsern Theile verbrannt wurden, son-
dern daſs gewöhnlich vom ganzen Körper nur die
Hände, Füſse und einige Knochen übrig blieben;
2) daſs man vor diesem gänzlichen Verbren-
nen kein Angstgeschrey hörte, daſs also das Feuer
im Innern des Körpers entstanden seyn und äuſserst
schnell sich verbreitet haben muſs;
3) daſs nicht selten das Feuer der ergriffenen
Theile durch aufgegossenes Wasser noch stärker
angefacht wurde;
4) daſs das Feuer die dem brennenden Körper
nahen, zum Theil sehr brennbaren Gegenstände
meist sehr wenig beschädigte und oft ganz ver-
schonte;
5) daſs nach dem Verbrennen des Körpers
eine fette, widrig riechende Asche und ein schmie-
riger, stinkender Rust zurückblieben.
Diese Umstände führen unmittelbar auf den
Schluſs, daſs Selbstentzündung eines im ganzen
Zellgewebe entbundenen und angehäuften phos-
phorhaltigen Wasserstoffgas die Ursache jener Ver-
brennungen ist. Bekanntlich hat das Phosphorgas
einen
[137] einen widrigen, fauligen Geruch; es entzündet
sich schon bey der bloſsen Berührung der atmo-
sphärischen Luft mit einer Explosion und einer
lebhaften Flamme, und läſst nach dem Verbren-
nen einen weiſsen Rauch zurück. Diese Hypo-
these hat die Analogie unzweifelhafter Beyspiele
für sich, wo eine, sich an der Atmosphäre ent-
zündende Luft, die nichts anders als Phosphor-
wasserstoffgas seyn konnte, aus lebenden sowohl
als aus todten Körpern hervordrang q). Bey ihr
begreift man, wie die Entzündung so augenblick-
lich tödten kann. Man hat zugleich an der Ex-
plosion, die in dem Phosphorgas bey der Berüh-
rung mit der atmosphärischen Luft entsteht, einen
sehr wahrscheinlichen Grund des Schlages, den
Bertholi beym Eintritt der Entzündung auf dem
rechten Arm fühlte. Nimmt man dagegen mit
Lair den im ganzen Körper verbreiteten und
durch ein äuſseres Feuer zufällig angezündeten
Dunst des im Uebermaaſs getrunkenen Weins oder
Brannteweins für die Ursache des Verbrennens an,
so setzt man voraus, was nicht ausgemacht ist,
daſs alle, die an einer solchen Entzündung um-
kamen, Säufer waren, und daſs alle zufällig von
auſsen in Feuer gesetzt wurden. Man nimmt au-
ſserdem hierbey seine Zuflucht zu der Hypothese,
daſs der thierische Körper von dem Dunst des
Wein-
I 5
[138] Weingeiste bis zur Entzündung durchdrungen wer-
den kann, einer Meinung, die jeder geradezu für
unrichtig erklären muſs, dem bekannt ist, daſs
nur der Nahrungscanal der Säufer, und dieser blos
unmittelbar nach der Berauschung, einen Alcohol-
geruch verbreitet, daſs aber aus den Geschwüren
dieser Unglücklichen ein stinkendes, fressendes
Wasser hervordringt. Tritt man Kopp’s Meinung
bey, nach welcher bloſses, im Zellgewebe ver-
breitetes Wasserstoffgas der entzündete Stoff, und
ein Funken, der aus einem hohen Grad von thie-
rischer Elektricität entstand, der Grund der Ent-
zündung war, so nimmt man eine doppelte Ursa-
che an, wo eine einzige hinreichend ist, und über-
sieht, daſs die Entzündung in den meisten Fällen
vom Innern des Körpers ausgegangen seyn muſs,
also von Orten, wo schwerlich elektrische Funken
entstehen können, und daſs bloſses Wasserstoffgas
ohne Zumischung von Sauerstoffgas, an dessen
Abscheidung im menschlichen Körper nicht zu
denken ist, sich nicht anzünden läſst. Kopp glaubt
zwar, man könne bloſses Phosphorwasserstoffgas
nicht für die Ursache der Verbrennung annehmen,
weil dabey der plötzliche Ausbruch des Feuers
unerklärt bleibe. Aber dieser bleibt bey jeder Hypo-
these unerklärt, wenn man nicht voraussetzt, daſs
das brennbare Gas, oder der entzündbare Dunst
entweder plötzlich entbunden wurde, oder doch
plötzlich an Stellen gelangte, wo er sich entzün-
den
[139] den konnte. Daſs übrigens häufig nur die unbe-
deckten Theile des Körpers verbrannten, rührte
wohl daher, weil die unter den Kleidungen stok-
kende und mit Kohlenstoff überladene Luft zur
Unterhaltung der Flamme nicht so tauglich als die
weniger verdorbene Atmosphäre in der Nähe der
unbekleideten Theile war.
Es giebt also Fälle, wo der im thierischen
Körper sich bildende Phosphor, der in der Regel
nur leuchtet, indem er durch andere Materien an
dem Verbrennen gehindert ist, auf eine krankhafte
Art auch Verbindungen eingeht, vermöge welcher
er in eine Entzündung geräth, die eine völlige
Zerstöhrung des menschlichen Körpers nach sich
zieht.
§. 4.
Allgemeine Resultate der Untersuchungen dieses Abschnitts.
Von der Wärme sahen wir im vorigen Ab-
schnitt, daſs sie, die Bedingung alles Lebens ist,
durch die höhern Formen des thierischen Lebens
selber hervorgebracht wird. Unsere bisherige Un-
tersuchungen lehren, daſs sich von dem Lichte
nichts Aehnliches aussagen läſst. Dieses ist nur
Bedingung des vegetabilischen Lebens, und gerade
im Pflanzenreich sind phosphorische Phänomene
sehr selten. Blos unter den Thieren und Zoophy-
ten giebt es Arten, bey welchen Lichtentbindun-
gen zu den fortdauernden Erscheinungen des Le-
bens
[140] bens gehören. Bey ihnen aber hat dieser Proceſs
keine unmittelbare Beziehung auf das Leben über-
haupt, sondern nur Einfluſs auf einzelne Funk.
tionen. Das Licht mehrerer leuchtender Insekten
scheint der Begattung wegen auszuströhmen. Bey
den phosphorescirenden Zoophyten kann dieser
Zweck nicht statt finden. Hier ist vermuthlich
die leuchtende Materie ein ähnlicher Auswurfsstoff,
wie bey den Thieren der höhern Classen der Harn
und die Materie der Hautausdünstung. Eine eige-
ne Substanz ist es aber immer, von welcher das
Licht ausgeht, und diese hat alle Eigenschaften
eines wahren Phosphors, den blos seine Vereini-
gung mit andern thierischen Stoffen an dem Ver-
brennen hindert. Bey den meisten Körpern wird
diese Substanz nur in einzelnen Theilen abgeschie-
den. Doch giebt es vielleicht einige, deren gan-
zer Körper davon durchdrungen ist. Durch Bewe-
gung und durch den Zutritt der atmosphärischen
Luft zum Innern des Körpers wird das Licht der
phosphorischen Materie verstärkt. Davon und von
dem Athemholen rührt es her, daſs der Glanz bey
den Medusen und einigen andern Organismen, de-
ren Körper sich abwechselnd zusammenzieht und
erweitert, regelmäſsig zunimmt und nachläſst, auch
daſs er durch Anstrengungen willkührlicher Mus-
keln vermehrt wird und insofern von dem Willen
des Thiers abhängig zu seyn scheint.
Dritter
[141]
Dritter Abschnitt.
Thierische Elektricität.
Wärme und Licht kennen wir mit Bestimmtheit
als Bedingungen des Lebens. Nicht so ausgemacht
ist es, ob auch äuſsere elektrische Einflüsse allge-
mein mitwirkend bey der Unterhaltung dieses Zu-
standes sind. Wir finden allerdings bey einigen
Thieren sehr auffallende elektrische Erscheinungen.
Es ist möglich, daſs diese nur mit gewissen ein-
zelnen Formen des Lebens in Beziehung stehen.
Es ist aber auch möglich, daſs sie im mindern
Grade allgemein verbreitet sind, und daſs die Kraft,
worin sie ihren Grund haben, mit zu denen ge-
hört, von welchen die Fortdauer des allgemeinen
Lebens abhängt. Zu einer Sammlung der bisheri-
gen Erfahrungen über diesen Gegenstand scheint
mir hier der passendste Ort zu seyn.
Haller zog aus mehrjährigen Beobachtungen
den Schluſs, daſs der Erdmagnetismus mit den
Mondphasen zusammenhinge, indem die obere
Pollänge einer senkrecht auf dem Horizont stehen-
den Stange von weichem Eisen allemal beym Mond-
wechsel am gröſsten würde. Schneider in Fulda,
der
[142] der Haller’s Beobachtungen wiederholte, fand
jenes Resultat nicht bestätigt, entdeckte aber Ano-
malien in den Veränderungen der Pollänge, die
sich, wie er glaubt, nur von der Einwirkung des
Beobachters auf den Magneten erklären lassen r).
Die Voraussetzung einer solchen Einwirkung,
die nur elektrischer Art seyn kann, ist nicht blos
hypothetisch. Hemmer stellte an sich und andern
Personen eine sehr groſse Menge (seiner Versiche-
rung nach über drittehalbtausend) Versuche an,
deren Hauptresultat war, daſs von jedem Men-
schen zu allen Zeiten eine Elektricität ausgeht, die
in der Regel positiv zu seyn scheint, oft aber,
z. B. nach starken körperlichen Bewegungen, sich
in die entgegengesetzte verwandelt r*). Hemmer’n
gelang es zwar nicht, sie anders als durch den
Condensator bemerklich zu machen. Es giebt aber
auch Fälle von Entwickelung eines hohen, sich
ohne Condensation äuſsernden Grades von Elek-
tricität in Körpern aus ganz verschiedenen Classen
des Thierreichs, die nicht, wie einige Fische,
eigene elektrische Organe besitzen.
Cotugni erhielt einen elektrischen Schlag, in-
dem eine lebende Maus, die er zu öffnen im Be-
griff
[143] griff war, ihren Schwanz heftig gegen einen sei-
ner Finger bewegte s).
Wenn man, nach Remer’s Erfahrung, eine
lebende Katze bey trockner Luft auf den Schooſs
nimmt, ihr die linke Hand auf die Brust legt,
und sie mit der rechten über den Rücken streicht,
so erzeugen sich erst einzelne Funken aus dem
Pelz der Katze, und dann bekömmt man einen
starken Schlag, welcher oft weit über die Hand-
wurzeln beyder Arme heraufgeht. In dem nehm-
lichen Augenblick springt das Thier mit einer Aeu-
ſserung des Schreckens auf, und läſst sich selten
zu einem zweyten Versuch bewegen t).
Hiermit verwandt ist Chladni’s Beobachtung
an einem Kater, der bey trockner Luft in der
Wärme durch Streichen elektrisch gemacht und
isolirt, sich wie die innere und äuſsere Belegung
einer isolirten Ladungsflasche verhielt, indem sich
abwechselnd aus dem Kopf und dem hintern En-
de des Rückens desselben, niemals aber aus bey-
den Theilen zu gleicher Zeit, Funken ziehen lie-
ſsen t*).
Nach
[144]
Nach Molina’s u) und Vidaure’s v) Angabe
bringt die Sepia hexapodia mit der bloſsen Hand
angegriffen, in dieser eine Erstarrung hervor, die
einige Augenblicke anhält.
In der Naturaliensammlung des Bremischen
Museum befindet sich ein Exemplar des Alcyonium
Bursa mit der handschriftlichen Nachricht des
ehemaligen Besitzers desselben, eines Apotheker
Melm, daſs er bey der Berührung des ihm von
Helgolander Fischern gebrachten, lebenden Zoo-
phyts eine elektrische Erschütterung erhalten habe.
An die bisherigen Thatsachen schlieſsen sich
die Erscheinungen der elektrischen Fische, (Raia
Torpedo, Gymnotus electricus, Silurus electricus,
Trichiurus indicus, Tetrodon electricus). Hier
sind es zwar eigene Organe, welche die Elektrici-
tät erzeugen. Wir werden aber finden, daſs die
Verschiedenheit derselben von gewissen Theilen
anderer Thiere nicht so groſs ist, wie man erwar-
ten könnte.
Der am längsten bekannte unter jenen Fischen
ist der Zitter- oder Krampfrochen (Raia Tor-
pedo). Schon Aristotelesw), Aelianx), Op-
pian
[145]piany) und Pliniusz) erwähnen der betäuben-
den Kraft desselben. Redia) war der Erste, der
ihn genauer beobachtete. Dieser beschrieb die Em-
pfindung näher, die von der Berührung des Thiers
entsteht, lieferte eine Anatomie desselben, und äu-
ſserte die Vermuthung, daſs die beyden sichelför-
migen Organe, die zwischen den Kiemen und dem
Kopf liegen, die Theile wären, von welchen die
Erschütterung ausginge. Nach Redi gab dessen
Schüler Lorenzini seine Beobachtungen über den
Zitterrochen b) heraus, worin er alle innern Theile
dieses Rochens, besonders die erschütternden Or-
gane, noch ausführlicher als sein Lehrer und sehr
genau darstellte. Hierauf erschien eine Abhand-
lung von Reaumur über die Wirkungen jenes Fi-
sches c), die aber auſser der, durch spätere Er-
fahrungen bestätigten Bemerkung, daſs die Schläge
nicht zu allen Zeiten erfolgen, und auſser einer
Schilderung der erschütternden Werkzeuge, eine
unrichtige Hypothese enthält. Reaumur glaubte
wahrgenommen zu haben, daſs der Krampfrochen,
ehe
V. Bd. K
[146] ehe er einen Schlag geben will, seinen sonst con-
vexen Rücken einzieht und zuweilen selbst concav
macht, und daſs der letztere bey der Austheilung
des Schlages plötzlich wieder convex wird. Auf
diese Beobachtung gründete Reaumur die Meinung,
daſs die Wirkungen des Fisches blos mechanischer
Art seyen, eine Hypothese, die durch alle nachhe-
rige Erfahrungen völlig widerlegt ist.
Unterdeſs wurde noch ein zweiter Fisch, der
Zitteraal (Gymnotus electricus), als gleichfalls
mit einer erschütternden Kraft versehen, bekannt.
Die erste Nachricht davon gab Richerd). Nach
diesem erwähnten desselben Condaminee) und In-
gramf). Gronov beschrieb ihn zuerst genauer g),
und fügte seinem Aufsatz die Beobachtungen eines
Ungenannten über die erschütternden Wirkungen
des Fisches bey, die manche richtige, aber auch
einige, mit spätern, zuverlässigen Erfahrungen
nicht übereinstimmende Angaben enthalten. In-
gram hatte schon erwähnt, daſs der Schlag durch
Eisen, nicht aber durch Holz fortgepflanzt wird.
Gravesande, Holländischer Gouverneur von Esse-
quebo
[147] quebo h), und van der Lott, Wundarzt dieser
Colonie i), bemerkten auſserdem, daſs Metalle über-
haupt den Stoſs des Zitteraals leiten, Siegellack
und Wachs ihn aber aufhalten. Sie schlossen hier-
aus, der Schlag müsse elektrischer Art seyn. Mu-
schenbroek äuſserte mit ihnen fast zu gleicher
Zeit k), und Bankroftl) einige Jahre später die-
selbe Meinung.
Im Jahr 1773 bewies J. Welsh durch zahl-
reiche Versuche, daſs auch die Schläge des Krampf-
rochens elektrischen Ursprungs sind m). Er fand,
daſs diese Erschütterungen von den Conduktoren
der Elektricität geleitet, von den Isolatoren der-
selben aufgehalten werden; daſs dieselben sich so-
wohl durch eine Kette von mehrern Personen,
als durch einen beträchtlich langen Metalldrath,
den zwey Personen halten, von welchen die eine
die obere, die andere die untere Fläche des Fi-
sches berührt, fortpflanzen, und daſs die Empfin-
dung, die der Schlag des Rochens hervorbringt,
die
K 2
[148] die nehmliche ist, die man bey der Entladung ei-
ner Leidener Flasche erhält.
Bald nach Welsh machte Ingenhouss Beob-
achtungen über den Torpedo bekannt n), welche
ebenfalls Gründe für die Gleichheit der erschüt-
ternden Kraft dieses Fisches mit der Elektricität
lieferten, und um dieselbe Zeit erschienen H. Wil-
liamson’s o) und A. Garden’s p) Versuche mit
dem Zitteraal, wodurch alle noch übrige Zweifel,
daſs dessen Erscheinungen sowohl mit denen des
Krampfrochens, als mit den Wirkungen der Lei-
dener Flasche im Wesentlichen übereinstimmen,
gehoben wurden.
Nur darin war die Uebereinstimmung noch
nicht vollständig, daſs man bey allen den ange-
führten Versuchen weder am Krampfrochen, noch
am Zitteraal jemals Funken bemerkt hatte, daſs
keiner dieser Fische auf das Elektrometer wirkte;
daſs der Schlag schon durch einen Zwischenraum
der einander gegenüberstehenden Enden zweyer
Messingdräthe, der nach Williamson beym Zit-
teraal nur den funfzigsten Theil eines Zolls be-
trug, unterbrochen und daher auch nicht durch
eine messingene Kette fortgepflanzt wurde, wenn
dieselbe nicht sehr gespannt, oder der Schlag sehr
heftig war.
Diese
[149]
Diese Verschiedenheiten hatte indeſs schon
Welshq) von der verschiedenen Verdichtung der
Elektricität abgeleitet. Er bemerkte, daſs die Elek-
tricität einer geladenen Flasche von nicht mehr
als sechs Quadratzoll Belegung eine zolldicke Luft-
schicht durchbricht und die Erscheinungen von
Licht, Schall, Anziehung und Abstoſsung hervor-
bringt, daſs aber die nehmliche Kraft über eine
vierhundertmal so groſse Fläche vertheilt, nicht
durch eine Luftschicht geht, die nur den hun-
dertsten Theil eines Zolls dick ist, keinen Funken
und keinen Schall bewirkt, und auf leichte Kör-
per weder anziehend noch abstoſsend wirkt, doch
aber bey Herstellung des elektrischen Gleichge-
wichts einen beträchtlich langen Leiter durchbricht
und ihren Durchgang den Personen, die sich in
der Kette befinden, fühlbar macht.
H. Cavendishr) bewies die Richtigkeit die-
ser Meinung Welsh’s durch noch andere Erfah-
rungen, und verfertigte einen künstlichen Zitter-
rochen, womit sich die Erscheinungen des wirk-
lichen Fisches nachahmen lieſsen. Der Apparat
bestand anfangs aus einer hölzernen, mit Leder
überzogenen, nachher blos aus einer ledernen, auf
beyden Seiten mit einer Zinnplatte belegten Tafel.
An jede der beyden Belegungen war ein Metall-
drath
K 3
[150] drath gelöthet, der durch eine Glasröhre ging. Der
eine Drath wurde mit der äuſsern, der andere mit
der innern Belegung einer aus 49 Flaschen von
sehr dünnem Glase bestehenden Batterie verbun-
den, nachdem der lederne Ueberzug der Tafel vor-
her mit Salzwasser getränkt worden war. Wurde
die Batterie geladen und berührte eine Person die
Tafel mit der einen Hand an der einen, mit der
andern an der entgegengesetzten Belegung, so er-
hielt sie einen ähnlichen Schlag wie vom Zitterro-
chen, und, wenn die Belegung hinreichend stark
war, auch dann, wenn sich die Tafel unter Wasser
befand. Der künstliche Zitterrochen gab zwar auch
einen Schlag, wenn man ihn nur mit Einer Hand
an der einen Belegung berührte. Nach spätern
Erfahrungen verhält sich aber der wirkliche Fisch
auf dieselbe Weise.
Während Cavendish mit diesen Untersuchun-
gen beschäftigt war, erhielt Welsh vier lebendige
Zitteraale aus Surinam, woran es ihm glückte,
auch das, was bisher zum völligen Beweise des
elektrischen Ursprungs der Schläge dieses Fisches
noch gefehlt hatte, elektrische Funken, sichtbar
zu machen. Er leitete den Schlag durch einen,
auf eine Glasscheibe geklebten und in der Mitte
durchschnittenen Staniolstreifen, und sahe mit
Pringle, Magellan und Ingenhouss den Fun-
ken von der einen Hälfte des Streifens zur andern
über-
[151] überspringen s). In der Folge wiederhohlte Fahl-
berg diesen Versuch an einem, von Surinam nach
Stockholm gebrachten, lebenden Zitteraal mit glei-
chem Erfolg t). Anziehung oder Zurückstoſsung
leichter Körper, und Wirkungen auf das Elektro-
meter zeigten sich indeſs auch bey diesen Versu-
chen eben so wenig als bey den frühern und bey
den neuesten, durch Humboldt und Bonplandu)
gemachten Beobachtungen.
Die drey übrigen elektrischen Fische (Silurus
electricus, Trichiurus indicus, Tetrodon electri-
cus) sind noch bey weitem nicht so häufig und
so genau wie die beyden erwähnten Arten unter-
sucht worden. Den lebenden Zitterwels beobach-
teten bisher blos Adansonv) und Forskålw),
den Trichiurus indicus Nieuhofx) und den elek-
tri-
K 4ist
[152] trischen Tetrodon Patersony). So mangelhaft
die Nachrichten dieser Schriftsteller aber auch sind,
so ergiebt sich doch daraus, daſs die erschüttern-
den Wirkungen jener Fische mit denen des Krampf-
rochens und Zitteraals im Wesentlichen ganz über-
einstimmen z).
Ueber den elektrischen Ursprung der eigenen
Erscheinungen aller dieser Thiere findet also kein
Zweifel weiter statt. Aber schwürig ist die Beant-
wortung der Frage, wie die Elektricität derselben
erzeugt wird? Auſser den schon erwähnten Schrif-
ten enthalten vorzüglich Kämpfer’s a), Spallan-
zani’s b), Aldini’s, Mojon’s und Galvani’s c),
Gay-Lussac’s und Humboldt’s d), und Todd’s e)
Beob-
x)
[153] Beobachtungen über den Zitterrochen, so wie Ba-
jon’s f), Bryant’s g) und Flagg’s h) Erfahrungen
über den Zitteraal, Gründe zur Beantwortung die-
ser Frage, die wir jetzt in Betrachtung ziehen und
dann mit dem, was die bisherigen anatomischen
Untersuchungen der elektrischen Fische in Betreff
des Baus ihrer erschütternden Organe gelehrt ha-
ben, vergleichen wollen.
Ein Hauptresultat, das sich aus allen jenen
Beobachtungen ergiebt, welches aber zugleich die
Bestimmung der Gesetze, nach welchen die Kraft
der elektrischen Fische wirkt, sehr erschwert, ist
dieses, daſs die Schläge von der Willkühr des
Thiers abhängen i). Humboldtk) glaubt sogar
aus seinen Versuchen schlieſsen zu müssen, daſs
der Zitteraal dem Schlage eine willkührliche Rich-
tung zu geben vermag. Man hat hierauf nicht
immer Rücksicht genommen und nach einzelnen
trüglichen Beobachtungen Gesetze aufgestellt, die
keinesweges gültig sind. Ich werde diese, nicht
hin-
K 5
[154] hinreichend begründete Erfahrungen von den zu-
verlässigern absondern, und zuerst die letztern
zusammenstellen.
Der Krampfrochen besitzt das Vermögen, elek-
trische Schläge zu geben, schon als Foetus l).
Der Sitz der elektrischen Kraft sind bey ihm
sowohl, als beym Zitteraal und Zitterwels, die
schon im ersten Bande der Biologie (S. 293. 299. 302.)
erwähnten, eigenen Organe. Mit der Ausschnei-
dung dieser Theile geht jene Kraft verlohren m).
Die elektrischen Organe stehen durch starke
und zahlreiche Nervenstämme mit dem Gehirn oder
Rückenmark in Verbindung, und in diesem ihrem
Zusammenhang liegt eine Hauptbedingung ihrer
Wirksamkeit. Man kann den elektrischen Fischen
das Herz ausschneiden, und sie sind noch eine
Zeitlang im Stande, Schläge zu geben. Aber mit
der Zerstöhrung des Gehirns, oder der Durch-
schneidung jener Nerven hört ihr Erschütterungs-
vermögen auf n). Doch bleibt beym Zitterrochen
das elektrische Organ der einen Seite noch wirk-
sam, wenn auch das der andern Seite ausgeschnit-
ten ist, oder wenn dessen Nerven durchschnitten
sind o).
Spal-
[155]
Spallanzanip) fand, daſs der Krampfrochen
seine erschütternde Kraft nach dem Abziehen der
Haut von der Oberfläche der elektrischen Organe
verliert. Wenn diese Erfahrung richtig ist, so
scheint eine zweyte Bedingung der Wirksamkeit
dieser Organe bey jenem Rochen zu seyn, daſs
das Innere derselben unentblöſst seyn muſs.
Die Schläge der elektrischen Fische fanden alle
frühere Schriftsteller denen der Leidener Flasche
ähnlich. Diese Analogie findet auch nach neuern
Beobachtungen statt. Doch ist sie nach Gay-Lus-
sac’s, Humboldt’s und Bonpland’s q) Erfahrun-
gen durchdringender, erschütternder, im mindern
Grade mit dem Gefühl des Sehnenhüpfens verbun-
den, und der Empfindung zu vergleichen, welche
das Galvanisiren der durch ein Blasenpflaster der
Oberhaut beraubten Schultermuskeln erregt.
Die Stärke der Schläge steht mit der Lebens-
kraft des Fisches in Verhältniſs. Starke Zitterro-
chen geben heftigere Stöſse als schwache r). Kurz
vor dem Tode gehen die Schläge dieses Thiers in
leichte, schnell auf einander folgende Erschütte-
rungen über, die ohngefähr die Empfindung ver-
ursachen, wie ein klopfendes, zwischen den Fin-
gern gehaltenes Herz s).
Mit
[156]
Mit der Austheilung der Schläge ist ein be-
trächtlicher Aufwand an Lebenskraft von Seiten
des Fisches verbunden t). Ein Torpedo, dem
Todd die Nerven der elektrischen Organe zerschnit-
ten hatte, ohne ihn vorher zu Aeuſserungen sei-
ner elektrischen Kraft zu reitzen, behielt länger
seine Lebhaftigkeit und starb später als ein ande-
rer, der sich durch öfteres und anhaltendes Aus-
theilen von Schlägen erschöpft hatte u). Die Ein-
gebohrnen von Venezuela rauben dem Zitteraal die
Elektricität, um sich seiner bemächtigen zu kön-
nen, indem sie ihn reitzen, seine Kraft an Pferden
auszulassen, die in den Sumpf getrieben sind,
worin er sich aufhält. Die von der Anstrengung
ihres Erschütterungsvermögens entkräfteten Fische
kommen zur Oberfläche des Wassers, vielleicht
um durch Athmen der atmosphärischen Luft ihre
verlorne Kraft zu ersetzen, wozu ihnen eine
Schwimmblase behülflich zu seyn scheint, die zwi-
schen den elektrischen Organen liegt und weit län-
ger als bey den nicht elektrischen Gymnotusarten
ist v). Von schwächern Schlägen können indeſs
diese Fische, so wie die Krampfrochen, eine sehr
groſse Menge ununterbrochen austheilen. Welshw)
erwähnt
[157] erwähnt eines Versuchs, wo ein Torpedo über
100 Stöſse in einer Minute gab.
Der Krampfrochen und der Zitteraal wirken
heftiger in der Luft als im Wasser x).
Die Elektricität, sowohl die Galvanische, als
die der elektrischen Maschine, bringt eben so starke
Zusammenziehungen in den Muskeln der elektri-
schen Fische, als in denen der übrigen Thiere,
hervor y). Humboldt erregte die heftigsten Zuk-
kungen im Körper eines Zitteraals, indem er ei-
nen Einschnitt an der Brustflosse mit Zink armirte
und dieses durch Silber mit der Spitze der Flosse
in Verbindung setzte z).
In Betreff der bisherigen Thatsachen sind alle
Beobachtungen übereinstimmend. Frägt man aber,
ob an den elektrischen Fischen eine ähnliche Po-
larität wie an der Leidener Flasche statt findet, so
erhält
[158] erhält man sehr verschiedene Antworten. Welsha)
fand, daſs eine isolirte Person, welche die elek-
trischen Organe des Zitterrochens blos oben, oder
blos unten berührte, keinen Stoſs erhielt; daſs die
Erschütterung erfolgte, wenn sie Einen Finger an
eine Stelle der Organe legte und zugleich mit ei-
nem andern Finger einen der umliegenden Theile
berührte, und daſs der Schlag am heftigsten war,
wenn die entgegengesetzten Oberflächen der Orga-
ne mit einander in Verbindung gesetzt wurden.
Er schloſs hieraus, daſs die obern und untern Flä-
chen der elektrischen Organe eine entgegengesetzte
Elektricität hätten. Spallanzanib) bemerkte hin-
gegen, daſs man einen, obgleich nur schwachen
Stoſs erhält, wenn man diese Theile nur an Einer
Fläche berührt, man mag dabey isolirt seyn, oder
nicht. Gay-Lussac’s und Humboldt’s c) Erfah-
rungen stimmen mit Spallanzani’s Beobachtung
überein. Ihrer Angabe nach erhält man, wenn
der Fisch den Schlag geben will, die Erschütte-
rung, man mag die elektrischen Organe nur an
einer einzigen Stelle auf der einen Seite, oder an
zwey Stellen auf beyden Seiten anfassen, und man
mag auf einer isolirenden Unterlage, oder auf ei-
nem leitenden Fuſsboden stehen; doch nimmt die
Stärke des Schlages mit der Gröſse der Berührungs-
fläche
[159] fläche zu, und eine isolirte Person bekömmt nur
bey der unmittelbaren Berührung einen Schlag.
Auch die besten elektrischen Leiter halten bey der
lsolirung den Stoſs auf. Setzt man sich aber mit
zwey verschiedenen Stellen des Rochens durch Lei-
ter in mittelbare Verbindung, so erfolgt die Er-
schütterung. Werden bey dem letztern Versuch
die beyden Leiter mit einander in Berührung ge-
bracht, so ist wieder alle Wirkung des Fisches
auf die Person, die beyde Leiter in Händen hat,
aufgehoben.
Diese Beobachtungen scheinen zu beweisen,
daſs Polaritäten an den elektrischen Organen des
Zitterrochens vorhanden sind. Aber sie lassen
auch noch eine andere Deutung zu. Welsh glaub-
te bey seinen Versuchen mit dem Zitteraal einen
eigenen Sinn dieses Fisches entdeckt zu haben,
vermittelst welchem derselbe wahrnähme, ob er
an den Thieren, die in seinen Wirkungskreis kä-
men, seine volle Kraft auslassen könne, oder nicht.
Er fand z. B., daſs wenn von mehrern Personen,
die eine Kette bildeten, die beyden äuſsersten den
Fisch berührten, die Erschütterung immer eintrat,
wenn die Kette völlig geschlossen war, daſs aber
kein Schlag erfolgte, wenn die Kette vor der Be-
rührung unterbrochen wurde d). Giebt es wirk-
lich einen solchen Sinn und besitzt diesen auch
der
[160] der Zitterrochen, so kann es seyn, daſs bey den
obigen Versuchen über die Unwirksamkeit des Tor-
pedo auf eine isolirte, ihn nur an einer einzelnen
Stelle berührende Person, die Erschütterung nicht
darum ausblieb, weil die Person isolirt war, son-
dern weil der Fisch seine Kraft gar nicht äuſserte,
und so beweisen jene Erfahrungen nicht, was sie
sonst beweisen würden.
Die elektrischen Organe des Zitterwels und
Zitteraals sind von denen des Krampfrochens zu
verschieden, als daſs sich von ihnen auf diese
schlieſsen lieſse, wenn über ihr elektrisches Ver-
hältniſs auch keine Ungewiſsheit übrig wäre. Dies
ist aber auch noch keinesweges der Fall. So viel
ist gewiſs, daſs der Schlag der beyden erstern
Fische empfunden wird, wenn man sie auch nur
an einer Stelle unmittelbar oder durch einen Lei-
ter berührt e). Allein bey den bisherigen Versu-
chen über diesen Punkt geschahe die Berührung
immer von nicht völlig isolirten Personen, und es
bleibt zweifelhaft, ob nicht eine Zuleitung zu noch
andern als den berührten Stellen des Fisches durch
den Fuſsboden oder durch das Wasser dabey statt
fand. Einige Beobachtungen scheinen für eine sol-
che Zuleitung zu sprechen. Humboldtf) erhielt
kei-
[161] keinen Schlag von einem Zitteraal, als er diesen
reitzte, während derselbe auf trocknem Holz lag
und er ebenfalls auf solchem Holz stand; er be-
kam aber Erschütterungen in den Knien und Ar-
men, als er den Versuch auf trocknem, von den
Sonnenstrahlen erhitzten Quarzsand anstellte. Gar-
deng) berührte einen Zitteraal, der schon sehr
entkräftet war, ohne allen Erfolg blos mit Einer
Hand. Hielt er aber die eine Hand an den Fisch,
so erfolgte der Stoſs schon, wenn er die andere
Hand blos in das Wasser tauchte, worin sich das
Thier befand, ohne dasselbe zu berühren. Der
Zitteraal, womit Fahlbergh) Versuche machte,
gab einen Schlag, wenn man ihn auch nur mit
Einer Hand berührte, doch einen schwächern, als
wenn man ihn mit der einen Hand um den Hals,
mit der andern um den Schwanz faſste. Diese Er-
fahrungen sind indeſs, näher geprüft, von keinem
groſsen Gewicht. Es ist unwahrscheinlich, daſs
bey dem Humboldtschen Versuch trockner und
heiſser Quarzsand weniger sollte isolirt haben, als
trocknes Holz, und daſs der Schlag des Zitteraals,
der bey Williamson’s Versuchen schon durch eine
messingene Kette aufgehalten wurde, wenn er
nicht sehr heftig oder die Kette sehr gespannt war,
durch den Quarzsand sollte fortgepflanzt seyn.
Noch
L
[162]
Noch schwerer ist es mit den Gesetzen der
Leidener Flasche zu vereinigen, daſs wenn jemand,
nach Williamsoni) drey Fuſs, nach Bankroftk)
acht oder zehn Fuſs weit von dem Zitteraal einen
Finger im Wasser hält, er in dem Augenblick,
wo der Fisch von einer andern Person berührt
wird, einen heftigen Stoſs erhält, und daſs man,
einer der von Gronovl) mitgetheilten Beobach-
tungen zufolge, schon die Wirkung des Zitteraals
empfindet, wenn man funfzehn Fuſs weit von
demselben, und selbst in einer noch gröſsern Ent-
fernung, die Hand ins Wasser taucht.
Das Wahrscheinlichste nach allen den erwähn-
ten Erfahrungen ist, daſs die Kraft der elektri-
schen Fische mehr mit der Elektricität der Volta-
ischen Säule, als mit der der Leidener Flasche
übereinkömmt. Volta hat eine Einrichtung sei-
ner Säule angegeben, bey welcher in der That
auch diese Uebereinstimmung sehr auffallend ist.
Er stellt zwey oder mehrere Säulen so neben ein-
ander, daſs sie nur eine einzige bilden, wenn ihre
obern Enden mit einander verbunden werden. In
einer geringen Entfernung über diesen obern En-
den ist ein stark genäſstes Leder angebracht, wel-
ches heruntergedrückt eine Leitung zwischen ih-
nen bewirkt. Von den beyden Enden des ganzen
Appa-
[163] Apparats gehen zwey Dräthe in ein Gefäſs mit
Wasser, und stehen in demselben einige Zoll von
einander ab. So oft man das nasse Leder herab-
drückt und dadurch die Kette schlieſst, erhält der,
welcher seine Hände unweit der Dräthe im Was-
ser hält, einen Schlag. Ist die Säule sehr stark
und das Wasser sehr rein, so bekömmt man den
Schlag, auch wenn die Hände sich eine Spanne
und noch weiter auſserhalb dem Kreislauf befin-
den; ist hingegen Salz im Wasser aufgelöset, wenn
auch so wenig, daſs man es kaum schmeckt, so
weicht der elektrische Strom nicht so weit seit-
wärts aus, und man erhält viel schwächere Schlä-
ge, oder fühlt sie auch erst, wenn man die Hände
in die Kette selbst bringt m).
Eine andere Frage, auf welche man ebenfalls
von den bisherigen Beobachtern keine übereinstim-
mende Antworten erhält, ist die: Ob der Zitterro-
chen beym Austheilen seiner Schläge auch Bewe-
gungen äuſsert? Reaumur wollte, wie schon an-
geführt ist, Zusammenziehungen der Rückenmus-
keln kurz vor der elektrischen Wirkung am Tor-
pedo bemerkt haben. Welshn) hingegen fand,
daſs
L 2
[164] daſs jedesmal, wenn der Fisch einen Schlag gab,
seine Augen sich niederzogen, an dem übrigen
Körper aber nur eine geringe Erschütterung längs
der Knorpel, welche die elektrischen Organe be-
gränzen, statt fand. Spallanzanio) nahm weder
dieses Niederziehn der Augen, noch am ganzen
Körper des Rochen irgend ein anderes Merkmal
wahr, woraus sich schlieſsen lieſs, daſs eine Er-
schütterung erfolgen würde. Nach Gay-Lussag
und Humboldtp) bewegt das Thier die Brustflos-
sen convulsivisch, so oft es den Schlag giebt.
Tottq) fand wieder Welsh’s Angabe von der Be-
wegung der Augen des Fisches bey der elektri-
schen Wirkung desselben bestätigt. Dieser bemerk-
te zugleich dabey ein Anschwellen der obern Flä-
che der elektrischen Organe, besonders nach vorn.
In einigen Fällen konnte er aus diesen Bewegun-
gen jedesmal abnehmen, ob eine andere Person,
die den Torpedo in der Hand hielt, eine Erschüt-
terung bekam. Er gesteht indeſs, daſs in man-
chen Fällen auch Schläge erfolgen, ohne daſs sich
eine Bewegung des Fisches wahrnehmen lieſs. Die
richtigste Folgerung aus diesen widersprechenden
Beobachtungen ist wohl, daſs die Bewegungen des
Zitterrochens bey den Aeuſserungen seiner elektri-
schen Kraft nichts Wesentliches sind. Wären sie
dies,
[165] dies, so müſsten sie auch bey den elektrischen Er-
scheinungen des Zitteraals statt finden, von dem
es aber ausgemacht ist, daſs er die heftigsten Er-
schütterungen bey völliger Ruhe seines Körpers
giebt r).
Auſser Widersprüchen giebt es aber auch Un-
richtigkeiten in den bisherigen Erfahrungen über
die elektrischen Fische. So ist es nach Welsh’s
Versuchen s) ganz unrichtig, wenn Kämpfer er-
zählt, eine Person, die bey der Berührung des
Zitterrochens den Athem anhielte, bekäme keine
Erschütterung. Wahr ist es aber, daſs es Men-
schen giebt, die eben so unempfänglich für die
Stöſse der elektrischen Fische, wie einige für den
Schlag der Leidener Flasche sind t). Zu den Un-
rich-
L 3
[166] richtigkeiten gehören auch G. W. Schilling’s Be-
hauptungen u), daſs der Zitteraal vom Magnet an-
gezogen wird und die Magnetnadel in Bewegung
setzt; daſs er in der Nähe eines Magnets seine
elektrische Kraft verliert, diese aber wieder er-
hält, wenn man ihn mit Eisenfeile bestreuet. In-
genhoussv), Humboldt und Bonplandw) be-
wiesen den Ungrund dieser Angaben. Aber auf-
fallend bleibt es doch, daſs ein sonst guter Beob-
achter, wie Schilling war, eine solche Wirkung
des Magnets wahrgenommen zu haben sich über-
reden konnte, und noch mehr, daſs Humboldt
und Bonplandx) den Glauben an diesen Einfluſs
auch bey den Einwohnern der Savannen von Ca-
raccas allgemein herrschend fanden.
Es ist uns jetzt noch übrig, die eigenen Or-
gane der elektrischen Fische näher in Betrachtung
zu
t)
[167] zu ziehen, als es im ersten Band der Biologie ge-
schehen konnte, und zu sehen, ob sich aus dem
Bau dieser Theile in Betreff ihrer Wirksamkeit
etwas schlieſsen läſst.
Die Struktur der elektrischen Organe des Tor-
pedo wurde von Lorenziniy), Reaumurz), Gi-
rardia) und besonders von J. Hunterb), zu des-
sen Beobachtungen Toddc) noch einige Beyträge
geliefert hat, beschrieben. Die Resultate der Un-
tersuchungen dieser Naturforscher sind folgende.
Jene Organe liegen beym Zitterrochen auf bey-
den Seiten des Schädels und der Kiemen. Sie er-
strecken sich in der Breite bis zu den halbkreis-
förmigen Knorpeln der beyden groſsen Seitenflos-
sen, der Länge nach vom vordern Ende des Thiers
bis zu dem Queerknorpel, wodurch der Thorax vom
Leibe getrennt ist. Ihre Lage zwischen den Knor-
peln der Seitenflossen ist so, daſs sie bey jeder
Bewegung der letztern zusammengedrückt werden.
Innerhalb jener Gränzen nehmen sie den ganzen
Raum zwischen der untern und obern Fläche des
Thiers unter der äuſsern Haut ein. Sie sind am
dicksten an ihrem, nach der Mittellinie des Fisches
gekehr-
L 4
[168] gekehrten Rand, und werden nach den Enden
hin allmählig dünner. Am innern Rand hat jedes
Organ einen unregelmäſsigen Ausschnitt, der sich
genau an den Umriſs des Schädels und der Kie-
men anschlieſst. Der Rand der äuſsern Seite ist
ein convexer elliptischer Bogen. Das vordere Ende
macht einen Abschnitt eines kleinern Kreises aus.
Das hintere Ende bildet fast einen rechten Winkel
mit dem innern Rand. Beyde Organe hängen mit
den umliegenden Theilen durch eine dichte Lage
von Zellgewebe und durch kurze, von ihrem äu-
ſsern Rand zu den halbkreisförmigen Knorpeln ge-
hende Sehnenfasern zusammen.
Oben und unten sind die Organe durch die
äuſsere Haut des Fisches bedeckt. Unter der letz-
tern breitet sich über jene eine, aus längslaufen-
den Sehnenfasern bestehende Binde aus, die allent-
halben zwischen den Fasern Oeffnungen zu ha-
ben, und mit ihren Enden in das Zellgewebe der
äuſsern Haut überzugehen scheint. Auf diese Bin-
de folgt eine zweyte, ebenfalls sehnige, mit der
erstern zusammenhängende Membran, deren Fa-
sern die der vorigen durchkreutzen, und deren
Ränder theils mit den halbkreisförmigen Knorpeln,
theils, wie die der obern Binde, mit der äuſsern
Haut verbunden sind.
Die Organe selber bestehen aus Säulen, die
senkrecht von der obern zur untern Fläche dieser
Theile
[169] Theile gehen. Die Länge der Säulen ist an ver-
schiedenen Stellen verschieden und ihre Gestalt
nach ihrer Lage und nach andern Umständen un-
regelmäſsig, doch ursprünglich wohl cylindrisch.
Der Queerdurchschnitt der meisten ist ein irregu-
läres Fünf- oder Sechseck. Ihre Wände bestehen
aus einer sehr dünnen und durchsichtigen Haut.
Sie hängen unter einander durch ein schlaffes Netz-
werk von Sehnenfasern zusammen, die der Queere
nach und in schiefer Richtung zwischen ihnen
durchgehen und Fortsätze der innern von den
beyden, die Organe einschlieſsenden Binden sind.
Sowohl die Zahl, als die Gröſse der Säulen nimmt
mit dem Wachsthum zu. Bey einigen Fischen
zählte Hunter in jedem Organ 470 Säulen; bey
einem andern, sehr groſsen Fisch fand er deren
1182.
Jede Säule ist durch horizontale, in geringen
Entfernungen über einander liegende Scheidewände
in Fächer abgetheilt, die eine gallertartige Flüssig-
keit enthalten. Die Scheidewände bestehen aus ei-
ner sehr dünnen Haut und sind mit ihren Rän-
dern durch zartes Zellgewebe an die innere Wand
der Säulen befestigt. Die Zahl der Abtheilungen
in einer Säule von der Länge eines Zolls beträgt
ohngefähr 150. Bey dem Wachsthum des Fisches
vergröſsern sich wahrscheinlich die Fächer nicht,
sondern es werden neue am Ende der Säulen hin-
zugesetzt.
L 5Die
[170]
Die Abtheilungen sind sehr gefäſsreich. Ihre
Arterien sind Zweige der Kiemenarterien. Die
Stämme dieser Gefäſse gehen mit den Nerven der
elektrischen Organe zu den Säulen, und verthei-
len sich an den Rändern der letztern, indem sie
zu dem Umfang jeder Abtheilung kleine Aeste
senden, die sich darauf verbreiten und, von ei-
nem Fach zum andern gehend, mit den Gefäſsen
der zunächstliegenden Abtheilungen anastomosiren.
Die Venen der elektrischen Organe treten eben-
falls neben den Nerven dieser Theile aus densel-
ben hervor, und führen ihr Blut durch die Kie-
men zum Herzohr.
Es giebt, nach Hunter’s d) und Todd’s e)
ausdrücklichen Zeugnissen, selbst bey den höhern
Thiergattungen keine Theile, die so reichlich mit
Nerven versehen sind, als die elektrischen Organe.
Die Stränge, woraus dieselben entspringen, sind
groſse Zweige des herumschweifenden Paars, wel-
ches beym Torpedo weit dicker als bey den übri-
gen Rochen ist. Der Zitterrochen hat zugleich,
nach Arsakyf), in der Gegend des Ursprungs die-
ses
[171] ses Nerven-Paars, gleich hinter dem kleinen Ge-
hirn, auf beyden Seiten eine Anschwellung des
verlängerten Marks, die den andern Rochenarten
fehlt. Es giebt drey jener Zweige auf jeder Seite.
Der erste wendet sich bey seinem Fortgang um
einen Knorpel des Schädels, sendet einen kurzen
Zweig zur ersten Kieme und zum Vordertheil des
Kopfs, und dringt dann in das vordere Ende des
elektrischen Organs. Der zweyte Zweig geht durch
die Kieme zwischen der zweyten und dritten Oeff-
nung derselben, und versorgt, nachdem er an
diese einen kleinen Ast abgegeben hat, den mitt-
lern Theil des Organs. Der dritte theilt sich nach
seinem Austritt in zwey Aeste, die sich ebenfalls
durch die Kiemen, denen sie einige kleine Ner-
ven mittheilen, zum elektrischen Organ begeben.
Diese Zweige zerästeln sich nach ihrem Eintritt
in die Organe zwischen den Säulen nach jeder
Richtung, und senden zu jeder Abtheilung kleine
Fäden, die sich darin verlieren.
Ver-
[172]
Vergleichen wir jetzt mit dieser Struktur den,
ebenfalls vorzüglich von J. Hunterg) und nach
diesem von Humboldth) und Fahlbergi) be-
schriebenen Bau der elektrischen Organe des Zit-
teraals, so finden wir die beyden wesentlichen
Punkte, worin sich die Organe des Krampfrochen
auszeichnen, unmittelbar an einander liegende häu-
tige Fächer und eine groſse Menge Nerven, an
diesem wieder; aber im Uebrigen weichen beyde
sehr von einander ab.
Beym Zitteraal giebt es zwey Paar elektrische
Organe, ein gröſseres und ein kleineres, die sich
zu beyden Seiten des Bauchs vom vordern Ende
der Afterflosse bis zum hintern Ende des Körpers
erstrecken, und zusammen mehr als ein Drittel
vom Volumen des ganzen Fisches ausmachen. Das
kleinere Paar liegt längs dem untern Rand des
Körpers, das gröſsere über diesem kleinern unter
der Schwimmblase und den Rückenmuskeln. Je-
des Organ des gröſsern Paars ist vorne am breite-
sten; nach hinten wird es schmäler und zuletzt
endigt es sich in eine Spitze. Beyde Organe die-
ses Paars sind oben durch die Rückenmuskeln,
in der Mitte durch die Schwimmblase, unten durch
eine mittlere Scheidewand von einander getrennt.
Mit der letztern hängen sie sehr fest zusammen;
mit
[173] mit den übrigen umliegenden Theilen sind sie
durch ein lockeres, aber ziemlich festes Zellgewe-
be verbunden. Die beyden kleinern Organe haben
im Allgemeinen die Gestalt dreyeckiger Pyramiden.
Vorne sind sie am schmälsten, in der Mitte am
dicksten; nach dem Schwanz hin werden sie brei-
ter, aber auch dünner. Zwischen ihnen liegen
nach Hunter die Knochen, mit welchen die Grä-
ten der Afterflosse artikuliren, und deren Mus-
keln; nach einer, von Humboldt gelieferten Fi-
gur k) hingegen besteht diese Zwischenlage aus
Fett. Von den gröſsern Organen sind sie nach
Hunter durch eine Haut, wovon der innere Rand
mit der mittlern Scheidewand zusammenhängt,
die äuſsere in die Oberhaut des Fisches übergeht,
nach Humboldt aber durch ein Paar dünne Mus-
keln getrennt.
Das Innere dieser Organe besteht aus Fächern,
die, gleich den Abtheilungen der elektrischen Säu-
len des Torpedo, eine Art Gallerte enthalten, und
von horizontalen und vertikalen Scheidewänden ge-
bildet werden. Die horizontalen sind dünne, pa-
rallel mit einander in der Richtung der groſsen
Axe des Körpers ausgespannte Häute, deren Länge
und Breite an verschiedenen Stellen verschieden
ist. Sie haben einen äuſsern Rand, der bey den
gröſsern Organen mit der Oberhaut, mit den Sei-
tenmuskeln der Afterflosse und mit der Haut, die
zwi-
[174] zwischen ihnen und den kleinern Organen liegt,
verbunden ist, bey den kleinern Organen sich auf
der innern Fläche der Afterflossenmuskeln endigt,
und einen innern Rand, der bey den gröſsern Or-
ganen mit der mittlern Scheidewand, der Luft-
blase, bey einigen auch mit den Rückenmuskeln,
bey den kleinern mit den Centralmuskeln zusam-
menhängt. Der äuſsere Rand erscheint auswendig
in Linien, die parallel unter sich und mit der Axe
des Fisches laufen. Der Abstand dieser Scheide-
wände ist nicht an allen Stellen gleich und ändert
sich mit dem Alter des Fisches. Bey einem Fisch
von 2 Fuſs 4 Zoll Länge fand Hunter die Breite
eines der gröſsern Organe am breitesten Theil
ohngefähr 1¼ Zoll, und darin 34 horizontale Schei-
dewände, die \frac{1}{27} Zoll von einander abstanden. In
einem der kleinern Organe waren diese ohngefähr
\frac{1}{56} Zoll von einander entfernt, und dasselbe hatte
in einer Breite von ohngefähr ½ Zoll 14 solcher
Wände. Sie stellen hier dasselbe vor, was beym
Zitterrochen die Säulen, und bilden Stützen zur
Befestigung der queerlaufenden Abtheilungen. Die-
se vertikalen Scheidewände sind dünne, zwischen
den längslaufenden Membranen befestigte Häute.
Ihre Breite ist dem Abstand, und ihre Länge der
Breite der letztern gleich. Zwischen jedem Paar
der horizontalen Scheidewände giebt es eine regel-
mäſsige Reihe derselben, die sich vom einen Ende
zum andern erstreckt. Sie sind so dünn und lie-
gen
[175] gen so nahe an einander, daſs ihrer 240 nicht
mehr als einen Raum von ohngefähr 2 Linien ein-
nehmen.
Die Nerven der elektrischen Organe des Zit-
teraals sind Zweige der Rückenmarksnerven. Hun-
ter vermuthete anfangs, daſs sie auch vom her-
umschweifenden Paar, welches hier ebenfalls, wie
beym Krampfrochen, ausgezeichnet dick ist, Aeste
erhielten. Er konnte zwar keinen Zweig dessel-
ben, der zu ihnen gegangen wäre, entdecken.
Doch verdient dieser Punkt wohl noch eine wei-
tere Untersuchung. Jene Rückenmarksnerven sind
aber auch hier von ausgezeichneter Stärke, ob-
gleich sie zusammengenommen keine so groſse
Masse wie die der elektrischen Organe des Tor-
pedo ausmachen.
Beym Zitterwels finden wir, nach Brousson-
net’s l) und Geoffroy’s m) Untersuchungen, wie-
der eine neue Modifikation des elektrischen Appa-
rats. Hier ist dieser ein fibröses Gewebe, das
rings um den Fisch, unmittelbar unter der Haut
liegt, und auf den ersten Anblick eine Fettmasse
zu seyn scheint, mit dem Vergröſserungsglas un-
tersucht aber die, den elektrischen Organen eigene,
zellige Struktur zeigt. Die Zellen werden hier
von Sehnenfasern gebildet, die sich nach allen
Rich-
[176] Richtungen durchkreutzen. Sie enthalten auch
hier eine gelatinöse Flüssigkeit. Um die ganze
Masse liegt eine starke Aponeurose, die an der
inwendigen Seite mit jenen Sehnenfasern innigst
verbunden ist, auswendig aber mit den umliegen-
den Theilen durch ein schlaffes Zellgewebe nur
locker zusammenhängt. Seine Nerven erhält der
Apparat vom herumschweifenden Paar, aber nicht
von denen Zweigen des letztern, die zu den elek-
trischen Organen des Zitterrochens gehen, sondern
von denen, welche bey den Fischen längs den
beyden Seitenlinien herablaufen. Diese zwey Ner-
ven sind hier dicker als bey andern Fischen. Von
jedem derselben gehen zwölf bis funfzehn Zweige
ab, welche die äuſsere Aponeurose des fibrösen
Gewebes durchbohren und sich in der Mitte des
letztern verlieren.
Die beyden elektrischen Arten des Trichiurus
und Tetrodon sind in Hinsicht auf ihre erschüt-
ternden Organe noch nicht untersucht. Wahr-
scheinlich giebt es bey ihnen wieder andere Mo-
difikationen dieser Theile. Doch das Wesentliche
des elektrischen Apparats wird ohne Zweifel auch
bey ihnen seyn, was sich als solches aus den obi-
gen Untersuchungen des Torpedo, des Zitteraals
und Zitterwels ergiebt, eine Zusammensetzung von
Zellen, die eine gelatinöse Flüssigkeit enthalten
und eigene Nerven besitzen. Die Lage des Appa-
rats,
[177] rats, die Gestalt der Zellen und der Ursprung die-
ser Nerven sind unwesentlich, und hierin können
mannichfaltige Abänderungen statt finden. Ob aber
auch eine sehnenartige Binde, welche die Organe
umgiebt und von allen umliegenden Theilen trennt,
zu den nothwendigen Bedingungen der elektri-
schen Kraft des Apparats gehört, läſst sich nicht
als ausgemacht annehmen. Geoffroyn) hat zwar
eine solche Bedeckung für ein wesentliches Erfor-
derniſs angenommen, weil es seiner Meinung nach
bey den nicht elektrischen Rochenarten ähnliche
Säulen wie beym Torpedo giebt, die aber nicht
verschlossen sind, sondern sich auf der Oberfläche
der Haut nach auſsen öffnen. Allein diese Ver-
gleichung ist unrichtig. Die nicht elektrischen Ro-
chen besitzen allerdings häutige, einen schleimar-
tigen Saft enthaltende Cylinder, die auf der obern
und untern Fläche seitwärts hinter den Kiemen
aus kleinen sehnenartigen, durch Scheidewände in
Fächer abgetheilten und in einer ebenfalls tendi-
nösen, gemeinschaftlichen Kapsel liegenden, be-
cherförmigen Organen hervorgehen, und sich nach
dem ganzen Umfang der Brust und des Kopfs
ausbreiten. Aber ähnliche Theile liegen auch beym
Zitterrochen neben dessen elektrischen Werkzeu-
gen. Ihre Nerven sind nicht, wie die der letz-
tern, Zweige des achten, sondern des fünften
Paars,
V. Bd. M
[178] Paars, von welchem zu jedem der becherförmi-
gen Anfänge der Cylinder ein kleiner Ast geht.
Sie sind vermuthlich, wie schon Jacobsono) ge-
gen Geoffroy erinnert hat, eine eigene Art von
Sinnesorganen. Ich habe ähnliche Theile auch
beym Dornhay (Squalus Acanthias) gefunden, und
werde meine Beobachtungen über diesen Gegen-
stand an einem andern Ort bekannt machen.
Gehören nun aber zur Entstehung der Elek-
tricität in thierischen Theilen keine weitern Erfor-
dernisse als eine Zusammensetzung von Zellen,
die mit einem gewissen thierischen Saft angefüllt
sind, eigene, zu diesen Zellen gehende Nerven
und vielleicht auch eine isolirende Bedeckung der
sämmtlichen Zellen, so läſst sich fragen, ob nicht
jeder thierische Körper Theile besitzt, welche diese
Erfordernisse haben? Die Milz z. B. hat ebenfalls
einen zelligen Bau; ihre Zellen enthalten, wenn
auch nicht immer, doch unter gewissen Umstän-
den, eine Flüssigkeit; sie besitzt eigene Nerven,
die weder zur Empfindung, noch zur Bewegung,
noch zur Unterhaltung einer Absonderung zu die-
nen scheinen; sie liegt in einer festen Haut, ei-
nem Fortsatz des Bauchfells. Was fehlt denn aber
der Milz um elektrische Erscheinungen zu äuſsern?
Ist die Ursache in einer eigenen Kraft zu suchen,
welche die Nerven der elektrischen Theile des
Tor-
[179] Torpedo, des Zitteraals u. s. w. besitzen, die der
Milz aber nicht haben? Dies läſst sich schwer-
lich annehmen, da die Nerven der elektrischen
Fische nicht einmal von eigenen Stämmen herrüh-
ren. Oder ist es etwa die Verschiedenheit der in
den Zellen der Milz enthaltenen Flüssigkeit von
der, die sich in den Fächern des erschütternden
Apparats der elektrischen Fische befindet, worin
die Abwesenheit elektrischer Phänomene bey der
Milz ihren Grund hat? Dies ist zwar möglich.
Allein da die erste Ursache der Erscheinungen die-
ser Fische von dem Einfluſs der Nerven abgeleitet
werden muſs, und alle thierische Säfte Leiter der
Elektricität sind, so kann von jener Verschieden-
heit nur die Abwesenheit erschütternder Wirkun-
gen an der Milz herrühren; es ist aber nicht wahr-
scheinlich, daſs nicht auch in ihr ein gewisser
Grad von Elektricität erzeugt werden sollte.
Das Nehmliche gilt von vielen andern Orga-
nen, besonders von den Muskeln, deren Fasern
unter dem Vergröſserungsglase die gröſste Aehn-
lichkeit mit den Säulen der elektrischen Werkzeu-
ge des Zitterrochens haben. Vielleicht ist es einer-
ley Kraft, welche durch die letztern Organe elek-
trische Schläge, und in den erstern Zusammenzie-
hungen hervorbringt. In den Muskeln beschrän-
ken sich dann ihre Wirkungen auf das Organ sel-
ber; bey den Zitterfischen wirkt sie über ihr Or-
M 2gan
[180] gan hinaus. Gäbe es ein Mittel, die Bewegung
eines willkührlichen Muskels während des Ner-
veneinflusses, der die Bewegung veranlaſst, ganz
zu verhindern, so würden sich vielleicht an dem-
selben elektrische Erscheinungen zeigen. Auf je-
den Fall ist es nach allen den angeführten That-
sachen glaublich, daſs die Elektricität bey den
sämmtlichen thierischen Lebenserscheinungen eine
wichtige Funktion hat. Indeſs wie wichtig diese
auch seyn mag, so bleibt es doch gewiſs, was
wir schon oft erinnert haben, daſs sie, wie jede
andere im lebenden Körper thätige, physische Kraft
nur ein Glied in einer Kette von Ursachen und
Wirkungen, deren Daseyn und Fortdauer von ei-
ner hyperphysischen Ursache abhängt, nicht aber
der letzte Grund des Lebens seyn kann.
Ge-
[[181]]
Geschichte
des
physischen Lebens.
Siebentes Buch.
M 3[[182]][[183]]
Siebentes Buch.
Automatische Bewegungen der lebenden
Körper.
Alles physische Leben äuſsert sich durch räum-
liche Veränderungen, die zwar zum Theil durch
äuſsere Ursachen veranlaſst werden, aber mit dem
Einfluſs, den diese Ursachen auf Körper der leb-
losen Natur haben, nicht in Verhältniſs stehen.
Wir nennen solche Erscheinungen automati-
sche, wenn sie unter sich nicht auf eine zufäl-
lige und doch zweckmäſsige Art verbunden sind,
sondern nach blinder Nothwendigkeit erfolgen.
Jene Veränderungen finden sowohl in den or-
ganischen Elementen, als in den zusammengesetz-
tern Theilen der lebenden Körper statt. Bewe-
gungen der erstern Art sind die der organischen
Elemente des frischen thierischen Saamens, des
frischen Bluts und der Aufgüsse thierischer und
M 4vege-
[184] vegetabilischer Substanzen im Anfang ihrer Zer-
setzung. Man sieht in solchen Flüssigkeiten Ströh-
me und Wirbel, wodurch die darin befindlichen
Kügelchen und Fibern mit fortgerissen werden.
Die letztern verhalten sich dabey blos leidend;
sie gehören keinesweges in Eine Classe mit den
eigentlichen Infusionsthieren, die sich erst später
in jenen Flüssigkeiten bilden und allerdings frey-
willige Bewegungen äuſsern. Es herrscht bey die-
sen Erscheinungen ein beständiges Streben chemi-
scher Elemente theils zur Trennung, theils zur
Vereinigung, zugleich aber ist eine höhere Kraft
wirksam, wodurch beydes verhindert und ein ste-
ter Kampf unterhalten wird. In ihnen äuſsern
sich die ersten Pulse des Lebens.
Die in den zusammengesetztern Theilen vor-
gehenden Veränderungen ihrer Verhältnisse gegen
den äuſsern Raum sind theils dauernd und in
gröſsern Perioden sich ereignend, theils vorüber-
gehend. Zu den dauernden gehören die Erschei-
nungen des Wachsthums und der Abnahme der
lebenden Körper. Die vorübergehenden sind ei-
gentlich diejenigen, die wir automatische nen-
nen und von welchen hier die Rede seyn wird.
Erster
[185]
Erster Abschnitt.
Aeuſserungen der bewegenden Kraft
bey den verschiedenen lebenden
Körpern.
Erstes Kapitel.
Erste Spuren der automatischen Bewe-
gungen auf den untersten Stufen der
lebenden Körper.
Wachsthum und Abnahme sind die einzigen
räumlichen Veränderungen, wodurch sich das Pflan-
zenleben im Allgemeinen offenbart. Insofern diese
nach Gesetzen vor sich gehen, die für jede Art
unveränderlich und von zufälligen Einflüssen bis
auf einen gewissen Grad unabhängig sind, ma-
chen sie keinen Gegenstand unserer gegenwärti-
gen Untersuchungen aus. Aber zum Theil wer-
den sie allerdings durch äuſsere zufällige Ursa-
M 5chen
[186] chen bestimmt. Diese sind den automatischen Be-
wegungen der Thiere ähnlich und verdienen hier
mit in Betrachtung gezogen zu werden.
Merkwürdige Beyspiele solcher Lebensäuſse-
rungen, die blos Folgen des Wachsthums, dabey
aber mit deutlichen momentanen Bewegungen ver-
bunden sind, finden wir schon auf den untersten
Stufen der lebenden Natur unter den, von Vau-
cher als ein eigenes Geschlecht mit dem Na-
men der Oscillatorien belegten Conferven. Das
Wachsthum der einfachen, geringelten Fäden der
Conferva limosa Dillw. ist so schnell, daſs man
dasselbe unter dem Mikroskop beobachten kann.
Die Verlängerung ist am gröſsten bey einer Tem-
peratur von 9° R., wobey sie ohngefähr 3 Linien
in einer Nacht beträgt; unter und über dieser
Wärme nimmt sie ab p). Während derselben sieht
man an der Spitze jedes sich verlängernden Fa-
dens ein durchsichtiges Bläschen, welches gleich-
förmig und in gerader Richtung vorrückt, bis es
an die Stelle gelangt, wo sich ein neuer Ring
bildet. Hier bleibt es einen Augenblick stehen,
und rückt dann wieder gleichförmig bis zu einer
ähnlichen Gränze fort q). Dabey macht die Spitze
des Fadens von Zeit zu Zeit eine drehende Be-
wegung, bald zur Rechten, bald zur Linken, we-
durch
[187] durch dieser stoſsweise etwas von der Stelle ge-
rückt wird r).
Aehnliche äuſsere und zugleich innere Bewe-
gungen sahe O. F. Müllers) an einer Art Was-
serfaden, die, wie er sagt, mit gleichem Recht
Conferva vitalis oder Vibrio vegetabilis
heiſsen könnte. Die einfache, grünliche, unge-
gliederte Röhre, woraus dieser Körper besteht,
richtet sich mit dem einen stumpfen, oft etwas
gekrümmten Ende etwas auf, bewegt sich lang-
sam in der Weite eines Sechszehntel des Kreises
ununterbrochen, oder in drey, schnell auf einan-
der folgenden Pausen fort, und kehrt dann auf
dieselbe Weise in ihre vorige Stellung zurück.
Durch das ganze Innere der Röhre erstreckt sich
der Länge nach ein zarter Strich, und an diesem
gehen zuweilen sanfte Wellen bis an das gekrümmte
Ende herauf.
Zwey-
[188]
Zweites Kapitel.
Automatische Bewegungen der Pflanzen.
§. 1.
Hinbewegen der Wurzeln, Zweige und Blätter der Pflanzen nach
der Feuchtigkeit, dem Licht u. s. w.
Deutlicher noch als bey diesen Oscillatorien zei-
gen sich bey den eigentlichen Pflanzen manche
Bewegungen, die mit den automatischen der Thiere
in einerley Classe gehören, als Folgen des Wachs-
thums. Die meisten Gewächse treiben ihre Zweige
nach dem Licht, und bey allen dringen die Wur-
zeln nach der Seite, wo sie die meiste Nahrung
finden. Warrent) sahe einen Kartoffelausläufer
in einem Keller, der blos durch ein kleines Loch
etwas Licht erhielt, sich zwanzig Fuſs weit über
dem Fuſsboden nach dieser Oeffnung hinziehen.
Eine nicht so unmittelbare Folge des Wachs-
thums und mehr schon den thierischen Bewegun-
gen ähnlich, ist eine andere Art von Bewegungen
der
[189] der Pflanzen, vermöge welcher sie den Stand ih-
rer Zweige und Blätter in kürzern Perioden ver-
ändern. Diese sind zum Theil abhängig von äu-
ſsern Ursachen; zum Theil aber haben sie eine
Selbstständigkeit, die beweist, daſs sie bis auf ei-
nen gewissen Grad unter denselben Gesetzen ste-
hen, nach welchen die Entwickelung des vegeta-
bilischen Organismus geschieht.
Die Blätter der meisten Pflanzen haben eine
solche Stellung, daſs ihre obere Seite dem Him-
mel, ihre untere der Erde zugewendet ist. In
diese Lage kehren sie, Bonnet’s u) Versuchen zu-
folge, nach jeder gewaltsamen Verrückung, auch
schon ehe sie ganz entwickelt sind, zurück. Nur
die Blätter der Mistel, deren beyde Seiten einan-
der gleich sind, bleiben in jeder Lage, die man
ihnen giebt, wie vor Bonnet schon Du Hamelv)
beobachtete. Das Herumdrehen geschieht in den
Knoten des Stiels. Es erfolgt schneller bey den
Kräutern als bey den Bäumen, geschwinder bey
warmem und hellem Wetter als bey kühlem und
nassem, am schnellsten bey heiſsem Sonnenschein.
Es geht desto langsamer von statten, je öfter die
Blätter schon umgedrehet sind. Zu häufige Wie-
derholung dieses Versuchs schadet dem Leben des
Blatts.
[190] Blatts. Durchstechung des Stengels in den Kno-
ten mindert ebenfalls jene Bewegung, und hebt
sie ganz auf, wenn der Stiche viele sind. Die
Sonne hat noch einen andern Einfluſs auf die Blät-
ter, indem sie die obere Fläche derselben hohl
macht. Nach einem kalten Thau hingegen krümmt
sich die untere Blattfläche. Mehrere Pflanzen,
besonders krautartige, folgen auch mit ihren Blät-
tern dem Lauf der Sonne. In den Blättern der
Acacie, der groſsen Malve und der Melde bewirkte
Bonnet ähnliche Bewegungen, wie die Sonne in
ihnen hervorbringt, durch ein brennendes Nacht-
licht, und in geringerm Grade durch ein heiſses
Eisen. Blätter der Acacie, unter welche ein nas-
ser Schwamm gelegt war, neigten sich nach die-
sem Schwamm hin.
So weit zeigen sich jene Bewegungen als ab-
hängig von dem Licht, der Wärme und der Feuch-
tigkeit der Luft. Aber in einem andern Versuch
von Bonnet bewegte sich eine Meldenstaude, die
in einer 20° bis 30° R. warmen Backröhre einge-
schlossen war, nicht nach der wärmsten Seite der
Röhre, sondern nach der einige Zolle weit geöff-
neten Thüre hin. Eben so sahe Gouchw) abge-
schnittene Zweige des Sedum acre L. nach ihrer
Trennung von der Wurzel sich gegen ihre son-
stige
[191] stige Gewohnheit von dem Licht wegbewegen.
Die Ranken der Ampelopsis quinquefolia Mich.
und des Epheus entfernen sich immer vom Lich-
te x). In Bonnet’s Versuchen setzten die Blätter
mehrerer Pflanzen ihre Bewegungen noch fort,
nachdem sie mit Oel bestrichen oder unter Wasser
getaucht worden waren.
Hier ist ein gewisser Grad von Selbstständig-
keit der vegetabilischen Bewegungen nicht zu ver-
kennen. Diese Abhängigkeit auf der einen und
Unabhängigkeit auf der andern Seite von äuſsern
Einflüssen werden wir jetzt noch an vielen an-
dern Bewegungen der Gewächse bemerken.
§. 2.
Schlaf und Wachen der Pflanzen. Linné’s Blumenuhr.
Nachdem Acostay) und Prosper Alpinz) an
einigen Gewächsen der wärmern Gegenden, be-
sonders am Tamarindenbaum, ein Senken der Blät-
ter zur Nachtzeit und ein Erheben derselben bey
Tage, bemerkt hatten, wurde Linné durch einen
Lotus ornithopodioides, woran er des Abends die
Blumen vergeblich suchte, die er am Tage gese-
hen hatte, zu weitern Untersuchungen über die-
ses
[192] ses Phänomen des Pflanzenlebens veranlaſst, de-
ren Resultate in seiner, 1755 erschienenen Ab-
handlung über den Pflanzenschlaf a) enthalten sind.
Linné unterschied die Gewächse in Bezie-
hung auf diesen Schlaf in solche, die einfache
Blätter haben, und in solche, deren Blätter zu-
sammengesetzt sind.
Bey den erstern geschieht der Schlaf, entwe-
der indem sich die entgegengesetzten Blätter mit
ihren obern Flächen dicht an einander legen (Atri-
plex hortensis); oder indem sich wechselsweise ge-
stellte Blätter erheben und dem Stengel nähern
(Sida Abutilon); oder indem Blätter, die des Ta-
ges horizontal stehen, des Nachts sich aufrichten
und um den Stengel oder die Spitze der Zweige
eine Art von Trichter bilden, worunter die jun-
gen Blumen oder Blätter geschützt sind (Malva
peruviana); oder auch indem die obersten Blät-
ter mit ihren, vorher horizontal stehenden Sten-
geln sich herabsenken und über den jungen Trie-
ben ein Gewölbe bilden. (Impatiens Noli tangere.)
Von den Pflanzen mit zusammengesetzten
Blättern schlafen einige, indem sich die Blättchen
mit ihren obern Flächen auf einander legen (Co-
lutea arborescens); bey andern kommen die Blätt-
chen blos mit den Spitzen zusammen, und las-
sen
[193] sen zwischen sich eine Höhlung, worin die junge
Pflanze beschützt liegt (Lotus tetragonolobus); von
manchen legen sich die Blättchen an der Basis
zusammen, entfernen sich aber von einander mit
der Spitze (Trifolium coeruleum); bey andern sin-
ken die Blätter herab (Robinia Pseudacacia); end-
lich bey noch andern legen sich die Blättchen wie
Dachziegel über einander und über den gemein-
schaftlichen Stiel, und kehren sich dabey zum
Theil um (Gleditschia triacantha.)
Manche Pflanzen verändern auch des Nachts
die Stellung ihrer Blumen. Bey Geranium stria-
tum, Ageratum conyzoides, Ranunculus polyan-
themos, Draba verna und Verbascum Blattaria
hängen diese des Nachts herab.
Eine andere Erscheinung des Pflanzenlebens,
die ohne Zweifel mit dem Schlaf und Wachen der
Gewächse in einerley Classe gehört, ist das Oeff-
nen und Schlieſsen der Blumen zu bestimmten
Zeiten. Dieses Phänomen wurde ebenfalls zuerst
von Linnéb) näher untersucht. Alle Blumen, die
eine bestimmte Zeit des Oeffnens und Schlieſsens
beobachten, nannte er Sonnenblumen (Flores
solares), und theilte dieselben in meteorische,
tropische und Aequinoctial-Blumen. Die
meteorischen Blumen sind in ihrem Oeffnen und
Schlie-
V. Bd. N
[194] Schlieſsen von äuſsern, besonders atmosphärischen
Einflüssen abhängig, und beobachten keine ganz
feste Zeit bey diesen Bewegungen. Die tropischen
öffnen sich am Morgen und schlieſsen sich am
Abend; die Zeit ihres Aufgehens und Schlieſsens
verändert sich aber mit der Zu- und Abnahme
der Tage. Die Aequinoctialblumen öffnen und
schlieſsen sich immer zu bestimmten, unveränder-
lichen Zeiten. Diejenigen der letztern, die Linné
selber zu beobachten Gelegenheit hatte, brachte
er in eine Tabelle c) und gründete darauf seine
Blumenuhr (Horologium Florae). R. Pulte-
ney wiederholte diese Linneischen Beobachtungen
und fand sie bis auf einige Abweichungen, die
von der Verschiedenheit des Englischen und Schwe-
dischen Clima herzurühren schienen, bestätigt d).
In den Schriften neuerer Botaniker sind manche
Bemerkungen enthalten, woraus sich Linné’s
Tabelle vermehren lieſse. So bemerkt Rothe),
daſs die Drosera longifolia L. von neun bis eilf
Uhr Vormittags blüht, und Thunbergf), daſs es
vorzüglich am Cap viele Pflanzen giebt, die zu
bestimmten Tageszeiten blühen, z. B. die Moraea
undu-
[195] undulata, die sich um 9 Uhr Vormittags öffnet
und um 4 Uhr Nachmittags schlieſst, und die Ixia
cinnamomea, die sich jeden Nachmittag um 4 Uhr
öffnet und die ganze Nacht hindurch blühet. Die
Familien der Cichoraceen und Ficoideen des Jussieu-
schen Systems sind übrigens diejenigen, worin
sich die meisten Pflanzen finden, die ihre Blu-
men zu bestimmten Zeiten entfalten und zusam-
menlegen.
Die Aequinoctialpflanzen beweisen, daſs die
erwähnten vegetabilischen Bewegungen nicht ganz
abhängig von äuſsern Ursachen sind. Aber da bey
ihnen die Zeit des Oeffnens und Schlieſsens durch
das Clima verändert wird, so sind sie doch auch
nicht ganz unabhängig von äuſsern Einwirkungen.
Diese Einflüsse sind vorzüglich das Licht, die
Wärme und die Feuchtigkeit der Luft.
Daſs das Licht auf die täglichen vegetabili-
schen Bewegungen einwirkt, daſs jedoch dieser
Einfluſs keinesweges ganz allgemein ist, zeigen
Decandolle’s Versuche g), die in zwey Kellern
angestellt wurden, wovon der eine durch einen
Ofen erwärmt, der andere durch sechs Lampen,
die ein eben so starkes Licht wie 54 Wachslichter
gaben, erleuchtet war. Auf einige Pflanzen (Con-
volvulus arvensis, Convolvulus Cneorum, Silene
fruti-
N 2
[196] fruticosa) hatte das künstliche Licht keinen Ein-
fluſs. Bey andern wurden dadurch in dem Oeff-
nen und Schlieſsen der Blumen merkliche Verän-
derungen hervorgebracht, die aber von verschie-
dener Art waren. Die regelmäſsigsten und bestän-
digsten Erscheinungen zeigten die zur Nachtzeit
blühenden Pflanzen. Diese öffneten sich früher
am Abend und schlossen sich später am Morgen
wie sonst, wenn sie sowohl einer fortdauernden
Dunkelheit, als einem anhaltenden Licht ausge-
setzt wurden. Als Decandolle drey Tage lang
von acht Uhr Abends bis sechs Uhr Morgens die
Lampen brennen lieſs, kamen diese Pflanzen am
zweyten Tage dahin, daſs sie sich am Morgen
öffneten und am Abend schlossen, also Nacht aus
Tag und umgekehrt machten. Das Ornithogalum
umbellatum öffnete und schloſs seine Blumen, je
nachdem es dem Sonnenlicht oder der Finsterniſs
ausgesetzt wurde. Beym Convolvulus purpureus
wurde die Zeit des Blühens durch das Lampen-
licht verlängert. Die Anthemis maritima, die ihre
Blumen zur Nachtzeit geöffnet hält, lieſs sie auch
beym Lampenlicht beständig offen. Eben so ver-
schieden war der Einfluſs des künstlichen Lichts
auf die täglichen Bewegungen der Blätter. Auf
das Oeffnen und Schlieſsen der Blätter von Oxalis
stricta und Oxalis incarnata hatte weder dieses,
noch eine dunkele Wärme irgend eine Wirkung.
Die Mimosa leucocephala öffnete und schloſs sich
sowohl
[197] sowohl beym Lampenlicht, als in der Finsterniſs,
um die gewöhnliche Zeit; doch war das Schlie-
ſsen am Abend unter diesen Umständen nicht so
vollständig wie in der freyen Luft. Zwey Pflan-
zen der Mimosa pudica hingegen, die des Tages
im Dunkeln gehalten, des Nachts aber erhellet
wurden, veränderten die Stunde ihres Schlafs all-
mählig so, daſs sie sich am dritten Tag des Abends
öffneten und des Morgens schlossen. In der freyen
Luft nahmen sie ihr gewöhnliches Verhalten wie-
der an.
An der Mimosa pudica hatte schon Hillh)
bemerkt, daſs sie sich um Mittag in den Zustand
des Schlafs versetzen läſst, wenn man sie in die
Dunkelheit bringt. Er fand auch, daſs beym
Abrus precatorius L. das Oeffnen und Schlieſsen
der Blätter mit dem Grad des Lichts, dem die
Pflanze ausgesetzt wird, in Verhältniſs steht. Aber
Decandolle’s obige Versuche beweisen, daſs er
Unrecht hatte, aus diesen einzelnen Erfahrungen
zu schlieſsen, das Licht müſste die allgemeine
und einzige Ursache des Schlafs der Pflanzen
seyn.
So wirken auch die Wärme und Kälte, die
Feuchtigkeit und Trockenheit, vielleicht selbst die
Elektricität der Luft auf die täglichen Bewegun-
gen
N 3
[198] gen der Gewächse. Aber der Einfluſs derselben
ist ebenfalls nicht allgemein. Adansoni) bemerk-
te, daſs die Hitze eines glühenden Eisens eben
so wie die Sonnenwärme eine Erhebung der Blät-
ter bey den Pflanzen hervorbringt; daſs die schla-
fenden Gewächse ihre Blätter auch senken, wenn
man sie einem künstlichen Thau aussetzt, und
daſs bey einer feuchten Hitze die Blättchen der
gefiederten Blätter sich in einerley Fläche mit ih-
rem gemeinschaftlichen Stiel, also in dem mitt-
lern Zustand zwischen Erhebung und Senkung,
befinden. Auch Linnék) beobachtete, daſs bey
manchen Pflanzen, z. B. bey Euphorbia Lathyris,
Ocymum fruticosum, Asclepias curassavica, Sola-
num bahamense, die Kälte im Herbst eine ähn-
liche Veränderung in der Stellung der Blätter,
wie bey andern der nächtliche Schlaf, hervorbringt.
Ich fand ebenfalls in dem kalten und nassen Som-
mer des Jahrs 1805 mehrere Pflanzen des Abends
schlafend, woran ich sonst nie eine auffallende
Veränderung in der Stellung der Blätter gegen
Abend bemerkt hatte. Linné erinnerte aber auch
schon l), daſs der Pflanzenschlaf eben so wenig
blos von der Veränderung der Temperatur als von
der Dunkelheit herrühren könne, weil die schla-
fenden Pflanzen auch in einem Treibhause, wo
im-
[199] immer der nehmliche Grad von Wärme unterhal-
ten wird, und selbst dann, wenn die Fensterla-
den verschlossen sind, sich um die gewöhnliche
Zeit schlieſsen und öffnen.
Daſs bey einigen Gewächsen das Schlieſsen
der Blätter durch die Feuchtigkeit der Luft eben-
falls befördert wird, machen nicht nur Adanson’s
angeführte Beobachtungen wahrscheinlich, son-
dern auch die ausgezeichnete, sich noch an trocke-
nen Pflanzen durch Oeffnen und Zusammenlegen
der Blumen äuſsernde hygroskopische Eigenschaft
einiger Pflanzen läſst dies vermuthen. Die Car-
lina vulgaris bleibt nach dem Verblühen mit Sten-
gel, Blättern und Kelch bis ins folgende Jahr ver-
trocknet stehen, und während dieser Zeit zieht
sich der Kelch bey feuchter, trüber Witterung
zusammen und öffnet sich bey heiterer, trockner
Luft m).
Für den Einfluſs der atmosphärischen Elek-
tricität auf die täglichen Bewegungen der Pflan-
zen endlich spricht eine Bemerkung von Oehmen),
zufolge welcher die Blätter der Robinia Pseuda-
cacia und einiger Arten des Lathyrus sich bey
ein-
N 4
[200] eintretendem Gewitter schon schlieſsen, ehe die
eigentliche Zeit ihres Schlafs gekommen ist.
Ich habe übrigens noch beobachtet, daſs der
Schlaf auch in abgeschnittenen Pflanzentheilen noch
einige Tage fortdauert, aber aufhört, wenn auch
die Vegetation der Theile noch lebhaft vor sich
geht. Abgeschnittene Zweige einer Colutea arbo-
rescens, die schon einige Tage in Brunnenwasser
gestanden hatten und des Abends ihre Blätter nicht
mehr zusammenlegten, fingen mit neuer Kraft an
zu vegetiren, nachdem ich sie in eine Campher-
Emulsion gesetzt hatte. Aber ihr Schlaf kehrte
nicht zurück.
Nach allen diesen Erfahrungen läſst sich Fol-
gendes als wahrscheinliches Resultat annehmen.
Die vornehmste unter den äuſsern Ursachen, wo-
von der Schlaf und das Wachen der Pflanzen ab-
hängt, ist das Sonnenlicht. Durch den regelmä-
ſsigen, von dem ersten Ursprung des Pflanzen-
reichs her statt gefundenen Einfluſs dieses Agens
ist aber in jedem vegetabilischen Körper eine, in
sich zurücklaufende Kette von Erregungen und
Gegenwirkungen gebildet worden, vermöge wel-
cher jene periodische Veränderungen auch ohne
den Einfluſs des Lichts eine Zeit lang erfolgen
können. Bey einigen Pflanzen ist diese Kette
schwächer, bey andern stärker. Nur bey den er-
stern ist ein künstliches Licht vermögend, die
Glie-
[201] Glieder der Kette zu trennen und die Zeit des
Schlafs und Wachens zu verändern. Bey den
übrigen hingegen kann nur eine Veränderung des
Clima, und auch diese erst nach mehrern Gene-
rationen, die letztern verrücken. Obgleich indeſs
das Licht einen Haupteinfluſs auf jene periodi-
sche Bewegungen im Allgemeinen hat, so giebt
es doch bey einigen Pflanzen noch andere Kräfte,
die ebenfalls darauf wirken, und zu diesen ge-
hört vorzüglich die Temperatur, auſserdem aber
auch der hygroskopische Zustand und vielleicht
auch die Elektricität der Luft.
§. 3.
Hedysarum gyrans.
Die gänzliche Abhängigkeit einiger vegetabili-
schen Bewegungen von äuſsern Ursachen und die
Unabhängigkeit anderer von denselben, die wir
bisher bey verschiedenen Gewächsen antrafen, fin-
den wir bey dem merkwürdigen, zuerst von Lady
Monson zu Dacca in Bengalen entdeckten, und
nachher von Linnéo), Broussonnetp), Pohlq),
und besonders von Hufelandr) näher untersuch-
ten
N 5
[202] ten Hedysarum gyrans in einerley Pflanze
vereinigt.
Jeder Stiel dieser Pflanze hat am Ende ein
gröſseres, elliptisch-lanzettförmiges Blatt, und
neben diesem sitzen auf demselben Hauptstiel
zwey kleinere, gestielte Nebenblätter. Die Haupt-
stiele und Hauptblätter haben ihre eigene Bewe-
gungen und die Nebenblätter ebenfalls. Beyde sind
von einander verschieden und von einander unab-
hängig.
Die Bewegung der Hauptstiele und Haupt-
blätter besteht in einem Aufrichten beym Licht
und in einem Niedersinken bey der Dunkelheit.
Sie geschieht in den Gelenken, wodurch das Blatt
mit dem Stiel und dieser mit dem Zweig verbun-
den ist. Die Abhängigkeit derselben vom Licht
ist so groſs, daſs nach Hufeland’s Beobachtun-
gen schon der Wiederschein der Sonne von einer
ohngefähr zwanzig Schritte entfernten Mauer ein
deutliches Aufrichten, so wie das Abhalten des
Sonnenlichts durch einen undurchsichtigen Kör-
per, und eine vor der Sonne vorüberziehende
Wolke ein Niedersinken der Blätter hervorbrachte.
Bey voller Mittagssonne und bey dem, durch ein
Brennglas concentrirten Sonnenlicht bemerkte Hu-
feland eine zitternde Bewegung der Hauptblätter
und der ganzen Pflanze. Das Mondlicht, ein
künstliches Licht, das elektrische Bad, chemische
und
[203] und mechanische Reitze hatten keinen Einfluſs auf
jene Bewegung. Wohl aber bewirkten elektrische
Funken ein Senken der Blätter.
Die zweyte Bewegung, welche blos von den
kleinen Seitenblättchen ausgeübt wird, äuſsert sich
durch ein abwechselndes Aufsteigen und Senken
jedes Paars dieser Blättchen, die an einerley Zweig
sich gegenüber stehen. Sie tritt erst ein, wenn
die Blättchen völlig entwickelt sind, hört dann
aber erst mit dem Tode der Pflanze auf. Es
giebt, nach Hufeland, keine äuſsere Ursachen,
die unmittelbar auf sie wirken, als das Abschee-
ren der langen Haare, womit der Stiel in zwey
Reihen vom Anfang desselben bis zu jedem Blätt-
chen besetzt ist, und das einfache elektrische Bad.
Jenes schwächt die Bewegung merklich; dieses,
welches auf die groſsen Blätter ganz unwirksam
ist, verstärkt dieselbe, es mag positiv oder nega-
tiv seyn. Hingegen mechanische Reitze, Wärme,
Kälte, elektrische Funken, der Magnet, flüchtige
Geister, das Bestreichen der Blättchen mit Oel,
die Unterbindung und das Abschneiden des Stiels
haben keinen Einfluſs auf sie. Es kommen zwar
oft Tage vor, wo die Bewegung nachläſst, und
selbst Stunden lang aussetzt, doch ohne bemerk-
bare äuſsere Ursachen. Am stärksten ist sie in-
deſs, nach Broussonnet, in der Zeit der Befruch-
tung.
§. 4.
[204]
§. 4.
Bewegungen der vegetabilischen Geschlechtstheile zur Zeit der
Befruchtung.
Eine mit dem Hinwenden der Pflanzen nach
dem Licht und dem periodischen Oeffnen und
Schlieſsen ihrer Blätter und Blumen verwandte
Erscheinung ist die, blos aus innern Ursachen
entstehende Bewegung, welche die Geschlechts-
theile mehrerer Pflanzen zur Zeit der Befruchtung
gegen einander äuſsern.
Auch hierüber machte schon Linnés) einige
merkwürdige Beobachtungen an Parnassia palu-
stris, Ruta graveolens, Nigella arvensis, Passiflo-
ra, Cassia und Tamarindus indica. J. E. Stiefft)
sahe solche Bewegungen bey Amaryllis formosis-
sima, und Leskeu) bey Aquilegia, Mespilus, Sa-
xifraga Cotyledon, Allium und Lilium. Desfon-
tainesv) und Medicusw) verfolgten jene Er-
scheinungen an vielen Pflanzen, und Humboldtx)
untersuchte sie besonders an der Parnassie.
Das
[205]
Das Resultat dieser und verschiedener mei-
ner eigenen Erfahrungen ist, daſs bey vielen Ge-
wächsen in der Periode der Befruchtung ein all-
mähliges Hinbewegen der Staubfäden zum Pistill
eintritt; daſs bey andern sich umgekehrt die weib-
lichen Theile den männlichen zu jener Zeit nä-
hern, und daſs bey noch andern beyderley Ge-
schlechtstheile sich bey der Begattung aufsuchen y).
Die Bewegung der Staubfäden zu den Griffeln ist
die häufigste. Bey den meisten Pflanzen der De-
candrie, Dodecandrie, Icosandrie und Polyandrie
trifft man Spuren derselben an. Die Staubfäden
einiger Pflanzen beobachten dabey eine regelmä-
ſsige Folge. Bey Lilium superbum, Amaryllis for-
mosissima und Pancratium maritimum nähern sich
die Staubbeutel nach einander der Narbe. Bey
Fritillaria persica biegen sie sich wechselsweise
nach dem Griffel hin. Bey Rhus Coriaria heben
sich zwey oder drey Staubfäden zugleich hervor,
beschreiben einen Viertelskreis und bringen ihre
Antheren ganz nahe an die Narbe. Bey Parnassia
palustris bewegen sich die männlichen Theile zu
den weiblichen in der nehmlichen Ordnung, in
welcher der Saamenstaub reift, und zwar, wenn
sie sich der Narbe nähern, schnell und auf ein-
mal,
x)
[206] mal, wenn sie sich nach der Befruchtung von
derselben wieder entfernen, in drey Absätzen.
§. 5.
Reitzbarkeit der vegetabilischen Befruchtungstheile.
Die bisher erwähnten Erscheinungen des Pflan-
zenreichs erfolgen entweder ohne unmittelbare äu-
ſsere Ursachen, oder es sind blos das Licht, die
Wärme, die Elektricität und die Beschaffenheit der
Luft, also Potenzen, die auf den ganzen vegeta-
bilischen Organismus wirken, wodurch sie erregt
werden. Die Geschlechtstheile einiger Gewächse
zeigen aber auch Empfänglichkeit für blos örtli-
che Einflüsse und äuſsern nach denselben Bewe-
gungen, die eine unverkennbare Aehnlichkeit mit
den Zusammenziehungen der thierischen Muskeln
haben.
J. Bauhiny*) war der Erste, der eine Er-
scheinung des Pflanzenlebens beobachtete, die zwar
nicht von wahrer Reitzbarkeit herzurühren scheint,
doch den Aeuſserungen der wahren Irritabilität
sehr analog ist, ein Ausstreuen des Saamenstaubs
aus den Antheren der Parietaria bey Berührungen
der Staubfäden.
Nach
[207]
Nach ihm sahen P. Borelz), Camerariusa)
und Covolob) Bewegungen des Griffels und der
Staubfäden nach mechanischen Reitzungen bey
mehrern Syngenesisten, besonders der Centaurea
Calcitrapa.
Ferner beschrieben Vaillantc), Du Hameld)
und Adansone) die Bewegungen der gereitzten
Staubfäden von Berberis vulgaris, Cactus Opuntia
und Cistus Helianthemum.
Die von jenen Schriftstellern gemachten Be-
obachtungen verfolgten vorzüglich Kölreuter und
Medicus.
Kölreuterf) bemerkte die von Borel, Ca-
merarius und Covolo gesehenen Erscheinungen
an mehrern Syngenesisten, besonders an Centan-
rea spinosa, ragusina, cineraria, glastifolia, erio-
phora und salmantica, doch immer nur, Covolo’s
An-
[208] Angabe gemäſs, an frischen Blumen, die sich
entweder eben öffnen wollten, oder in der vollen
Blüthe standen. Eine und dieselbe Blume lieſs
sich zu wiederholten Bewegungen reitzen; doch
muſste vor jeder neuen Berührung eine gewisse
Zeit, deren Dauer sich nach der Temperatur der
Atmosphäre richtete, abgewartet werden. Dieser
verschiedene Grad der Temperatur bestimmte auch
die gröſsere oder geringere Reitzbarkeit der Blu-
men. Die Bewegung zeigte sich nicht immer
gleich, sondern erst eine oder etliche Sekunden
nach geschehener Berührung. Die gereitzten Blu-
men kehrten aus ihrer gezwungenen Lage nach
einiger Zeit, aber ganz unmerklich, in ihre vorige
Stellung zurück.
Du Hamel hatte an der indianischen Feige
(Cactus Opuntia) bemerkt, daſs ihre Staubfäden
sich dem Pistill nähern, wenn man sie berührt;
am Sauerdorn (Berberis vulgaris), daſs sich des-
sen Staubfäden zusammenziehen und zum Pistill
hinbewegen, wenn man sie an der Basis mit der
Spitze einer Nadel reitzt; am Cistus Helianthe-
mum, daſs ein starker Stoſs die Staubfäden in
Bewegung setzt, und an allen dreyen, daſs schon
das bloſse Anhauchen eine zitternde Bewegung in
den männlichen Befruchtungstheilen hervorbringt.
Aehnliche Erscheinungen entdeckte Kölreuterg)
an Cactus Tuna und Cistus apenninus, Medi-
cus
[209]cush) an Cactus hexagonus, Cactus grandiflorus
und Cistus ledifolius, Linki) an Berberis humilis
und Berberis canadensis, Bewerk) an Ventenatia
maior Sm. Kölreuter fand, daſs die Bewegung
der Staubfäden von Cactus Tuna und Cistus apen-
ninus immer nach der entgegengesetzten Richtung
des ihnen beygebrachten Stoſses geschieht, und
daſs dabey die nehmlichen Gesetze und Bedingun-
gen statt finden, nach welchen die Zusammenzie-
hungen der Staubfäden bey den Syngenesisten er-
folgen. In der Folge machte er noch weitere Ver-
suche über die Reitzbarkeit der männlichen Theile
des Sauerdorns l). Diesen zufolge wirken auf sie
nicht nur mechanische Erschütterungen, sondern
auch das durch ein Brennglas concentrirte Sonnen-
licht und elektrische Schläge. Am reitzbarsten
sind die Staubfäden an ihrem untern Theil. Sie
lassen sich noch in Bewegung setzen, wenn man
ihnen auch den obern Theil abgeschnitten, oder
von ihrer Blume das Pistill, die Kelch- und Blu-
menblätter weggenommen hat. Verhindert man
sie in dem Augenblick, wo man sie reitzt, an
der Aeuſserung ihrer Bewegung, so bleiben sie
auch
V. Bd. O
[210] auch nachher unverändert in ihrer ersten Stellung.
Ist ihre Reitzbarkeit schon sehr geschwächt, so
werden sie von einer wiederholten Reitzung ent-
weder gar nicht, oder nur wenn der Reitz sehr
heftig ist, erregt.
Unter den Beobachtungen von Medicus giebt
es mehrere, wobey Bewegungen der Staubfäden,
die ohne Zweifel blos von der Elasticität herrüh-
ren, für Wirkungen der Reitzbarkeit angenommen
sind. Einige Resultate seiner Versuche an wirk-
lich reitzbaren Pflanzen haben indeſs Werth, wo-
hin besonders die gehören, daſs Pflanzen der käl-
tern Himmelsstriche Nachmittags und bey heiſser,
trockener Witterung wenig oder gar nicht, hin-
gegen Morgens nach starkem Thau und den gan-
zen Tag hindurch bey gelindem Regen sehr reitz-
bar sind; daſs Gewächse der wärmern Climate
ihre Reitzbarkeit nur bey heiterm Himmel äu-
ſsern, und daſs alle Pflanzen am reitzbarsten sind,
wenn der Saamenstaub eben reift und das Pistill
sich mit einem glänzenden Oel bedeckt.
Nach Kölreuter und Medicus wurden neue
Versuche über die Reitzbarkeit des Sauerdorns von
Smith, Ritter und Nasse angestellt.
Smith’s Versuche m) beweisen auſser dem,
was schon die Kölreuterschen gelehrt hatten,
daſs der eigentliche Sitz der Reitzbarkeit die in-
nere
[211] nere Seite der Staubfäden ist, daſs die Bewegung
keinesweges von bloſser Elasticität herrührt, in-
dem Staubfäden, die nach dem Stigma hingebo-
gen sind, gleich wieder in ihre vorige Lage zu-
rückspringen, sobald man mit dem Biegen auf-
hört, und daſs die Reitzbarkeit nicht nur vor,
sondern auch noch nach der Befruchtung statt
findet.
Von Rittern) und Nasseo) wurde die Wir-
kung der Voltaischen Säule, und von dem letz-
tern zugleich die der Wärme und reitzender Flüs-
sigkeiten p) auf die Staubfäden der Berberitze un-
tersucht. Nasse’s Versuche sind die entscheidend-
sten. Es ergiebt sich aus denselben, daſs jene
Theile auch von der Elektricität der Voltaischen
Säule in Bewegung gesetzt werden, wenn das
Innere des Blumenstiels mit dem positiven Pol
einer hinreichend starken Säule verbunden wird,
die Zuleitung des elektrischen Stroms zu den
Staubfäden aber, die noch ihre volle Reitzbarkeit
besitzen müssen, durch Berührung des der Narbe
zugekehrten Endes des Blumenblatts mit dem Lei-
ter des negativen Pols geschieht. In Betreff des
Ein-
O 2
[212] Einflusses der Wärme auf die Staubfäden des Sau-
erdorns beobachtete er, daſs das Eintauchen der
Blumen in Wasser, welches eine Temperatur von
90° bis 95° R. Wärme hat, die Staubfäden in
Bewegung setzt, Wasser von 135° bis 162° Hitze
bey längerer Einwirkung die Reitzbarkeit schwächt,
und weniger warmes diese für einige Zeit min-
dert. Auf gleiche Art wie 90° bis 95° warmes
Wasser wirken Weingeist, Aether und andere reit-
zende Flüssigkeiten.
Linnéq) hatte an der Gratiola gesehen, daſs
deren Stigma vor der Befruchtung geöffnet ist,
nach derselben sich zusammenzieht. Diese Reitz-
barkeit der Narbe nahmen Adansonr) und Köl-
reuters) auch an Gentiana, Martynia annua, Bi-
gnonia radicans und Bignonia Catalpa, Medicust)
an mehrern Pflanzen, doch in geringerm Grade,
und Kielmeyeru) an Mimulus guttatus Fisch.
wahr. Die Stigmate der Martynia annua und Bi-
gnonia radicans bestehen aus zwey über einander
liegenden Lappen, die sich um die Zeit der Reife
des Saamenstaubs von einander begeben und ihre
ganze innere, mit Wärzchen bedeckte Fläche der
freyen
[213] freyen Luft aussetzen. Trägt man in dieser Pe-
riode etwas Saamenstaub auf die Wärzchen bey-
der Lappen, reitzt man sie mit einer Nadel, einer
Feder u. d. gl. oder läſst man einen Tropfen Was-
ser darauf flieſsen, so bewegen sie sich augen-
blicklich gegen einander, schlieſsen sich, wenn
die Hitze groſs ist, fest zusammen und bleiben
eine längere oder kürzere Zeit geschlossen.
Verschieden von dieser Reitzbarkeit der weib-
lichen Organe ist das von J. Bauhin an der Pa-
rietaria bemerkte Ausstreuen des Saamenstaubs bey
Berührungen. Aehnliche Erscheinungen beobach-
teten P. Blairv) am Maulbeerbaum. Stähelinw)
an der Brennessel, Hallerx) an mehrern Che-
nopodien und am Satyrium albidum L., der jün-
gere Linnéy) an der Forskohlea tenacissima, und
J. F. Gmelinz) an Urtica pilulifera, Urtica Do-
dartii, Urtica cannabina, Spinacia oleracea, Hu-
mulus Lupulus und Atriplex patula. Der letztere
glaubte auch an den Antheren von Orchis bifolia,
coriophora, latifolia, maculata und Conopsea ein
Zu-
O 3
[214] Zusammenziehen und Zittern nach mechanischen
Reitzungen wahrgenommen zu haben.
Diese Erscheinungen wurden weiter von
Smitha) untersucht, der sie aber mit Haller
blos für Wirkungen der Elasticität erklärte. Die
Staubfäden der Parietarien werden, seiner Mei-
nung nach, durch die Kelchblätter in einer so ge-
krümmten Lage erhalten, daſs sobald der Kelch
sich entfaltet, oder gewaltsam geöffnet wird, die
elastischen Staubfäden aufspringen und ihren Saa-
menstaub aufwerfen. Etwas Aehnliches bemerkte
er an den Blumen der Medicago falcata.
Nasseb) schloſs dagegen wieder aus Versu-
chen, die er mit der Parietaria officinalis und Ur-
tica dioica angestellt hatte, daſs es bey diesen Pflan-
zen eine lebendige Thätigkeit und nicht bloſse
Schnellkraft ist, was die Bewegung ihrer Staub-
fäden, wodurch der Saamenstaub ausgeworfen
wird, hervorbringt. Diese Bewegung erfolgte an-
fangs immer häufiger in einer eingeschlossenen
Luft, die eine Temperatur von 100° bis 180° R.
hatte, als in der freyen Luft bey einer Wärme
von 62° bis 63°. Bey längerer Dauer einer stär-
kern Hitze gingen aber die Staubfäden, die ihren
Staub nicht ausgeworfen hatten, in einen Zustand
von
[215] von Erschlaffung über. Auch durch die Befeuch-
tung beyder Pflanzen mit Weingeist, Aether und
ätherischen Oelen wurde das Ausstäuben des Saa-
menstaubs befördert. Hingegen hatte die Voltai-
sche Säule auf die Explosion keinen Einfluſs.
Mir scheinen diese Erfahrungen den Schluſs,
den Nasse daraus zieht, nicht zu rechtfertigen.
Die Bewegung der Staubfäden des Glaskrauts und
der Nessel wurde blos durch Wärme und durch
schnell verdünstende Flüssigkeiten befördert. Bey-
de aber ändern die Spannung hygroskopischer Sub-
stanzen ab. Hätten sie einen andern als blos die-
sen Einfluſs auf die Staubfäden, so müſsten aller
Analogie nach auch mechanische Reitze und die
Elektricität der Voltaischen Säule auf die letztern
wirken, welches doch nicht der Fall ist. Nasse
erinnert zwar gegen Smith, man könne die Kelch-
blätter reifer Glaskrautblumen von den Staubfäden
abbiegen, oder selbst ganz wegnehmen, und den-
noch verlieſsen diese ihre gekrümmte Stellung nicht,
wenigstens nicht gleich und nicht in der Ordnung,
in welcher die Blätter weggenommen wären. Al-
lein die Schnellkraft der Staubfäden ist gewiſs ver-
schieden nach dem Feuchtigkeitsgrad der Luft und
dem Zustand der Pflanze. Es erfolgt daher bey
schwächerer Elasticität jener Theile nach der Weg-
nahme der Kelchblätter kein Aufspringen dersel-
ben, welches zu einer andern Zeit eintreten würde.
O 4Ganz
[216]
Ganz anders ist es mit den Bewegungen der
Staubfäden bey den Syngenesisten, den Cisten,
dem Sauerdorn u. s. w. Diese werden durch die
bloſse Berührung ohne alle Biegung der Theile
hervorgebracht. Sie werden durch Einflüsse er-
regt, die keine Wirkung auf den hygroskopischen
Zustand des Gewächses haben. Ihre Stärke steht
mit der Energie des Lebens der Pflanze in Ver-
hältniſs. Das Princip derselben wird durch hef-
tige Reitze erschöpft, durch Ruhe wieder ersetzt.
Kurz, sie haben, wie wir unten sehen werden,
die gröſste Aehnlichkeit mit den Muskelbewegun-
gen der Thiere. Eben diese Bewegungen sind
aber auf der andern Seite den im vorigen §. er-
wähnten Bewegungen der vegetabilischen Ge-
schlechstheile, die ohne äuſsere Veranlassungen ein-
treten, ganz ähnlich. Bey manchen Pflanzen er-
folgen auch die Bewegungen der Staubfäden bald
freywillig, bald nur nach äuſsern Reitzungen c).
Der innere Grund beyder muſs also von einerley
Art seyn. Bey den freywilligen Bewegungen ist
dieser ohne Zweifel der nehmliche, von welchem
das Wachsthum der Pflanze überhaupt abhängt.
Sind also etwa die Erscheinungen der Reitzbarkeit
Wirkungen derselben Ursache, die das Wachsthum
hervorbringt? Wir wollen diese Vermuthung nicht
auſser Acht lassen, doch, ehe wir sie verfolgen,
die verschiedenen Aeuſserungen des Princips der
auto-
[217] automatischen Bewegungen erst noch weiter un-
tersuchen.
§. 6.
Reitzbarkeit der Blätter mehrerer Pflanzen.
Schon Theophrastd) erzählt von einem bey
Memphis wachsenden Baum, dessen angerührte
Blätter sich senken und nach einiger Zeit wieder
aufrichten. Erst seit der botanischen Erforschung
beyder Indien sind aber die Pflanzen, deren Blät-
ter Erscheinungen der Reitzbarkeit zeigen, näher
bekannt geworden. Die meisten, hierher gehöri-
gen Arten enthält die Familie der Hülsengewächse
und darunter das Linneische Mimosengeschlecht.
Folgende Pflanzen sind es, die man als mit reitz-
baren Blättern versehen kennt:
- Dionaea muscipula L.
- Oxalis sensitiva L.
- Averrhoa Carambola L.
- Aeschynomene sensitiva Swartz.
- — — — indica L.
- — — — pumila L.
- Smithia sensitiva Ait.
- Desmanthus diffusus Willd. (Mimosa per-
nambucana L.) - Schrankia aculeata Willd. (Mimosa quadri-
valvis L.) - Mimosa viva L.
- — — casta L.
- — — sensitiva L.
- — — pudica L.
- — — asperata L.
- — — humilis Humb.
- — — pellita Humb.
- — — dormiens Humb.
Die Dionaea muscipula, Oxalis sensitiva, Aver-
rhoa Carambola und Mimosa pudica sind bis jetzt
näher beobachtet worden. Von den übrigen weiſs
man nur im Allgemeinen, daſs sie reitzbare Blät-
ter besitzen.
Die Dionaea muscipula, eine Carolinische, der
Drosera verwandte Sumpfpflanze hat zahlreiche,
in einem Kreis rund um den Stengel gestellte,
saftige Blätter, von welchen jedes aus zwey Glie-
dern besteht. Das untere Glied ist platt, länglich,
fast herzförmig; das obere besteht aus zwey Lap-
pen von halbovaler Gestalt, die auf ihrer obern
Fläche mit kleinen rothen Drüsen, am Rande mit
einer Reihe steifer Borsten und in der Mitte jedes
Lappens mit drey kleinen, aufrecht stehenden Sta-
cheln besetzt sind. Wird das Blatt auf der obern
Seite gereitzt, so legen sich die beyden Lappen
zusammen, und rührt der Reitz von Insekten her,
die, durch den Saft der Blattdrüsen angelockt, die
Pflanze häufig besuchen, so werden diese getöd-
tet,
[219] tet, indem sich die Stacheln beyder Lappen ge-
gen einander begeben. Die Reitzbarkeit der Pflan-
ze steht mit der Temperatur der Luft in Ver-
hältniſs e).
Die Blätter der Oxalis sensitiva, die aus ohn-
gefähr zwölf Paar eyförmigen Blättchen bestehen,
legen sich bey Berührungen so zusammen, daſs
die untern Flächen beyder Seiten an einander sto-
ſsen. Ihr Aufrichten wird blos durch das Sonnen-
licht bewirkt. Sie schlieſsen sich schon, wenn
man sich der Pflanze nähert und den Erdboden
erschüttert. Auch des Nachts und an regnigten
oder stürmischen Tagen sind sie geschlossen. Des
Morgens sind sie im Zustand der stärksten Erek-
tion und nicht so empfindlich gegen mechanische
Reitze als um Mittag, wo sie sich schon beym
bloſsen Anhauchen zusammenlegen f).
Die gefiederten Blätter der Averrhoa Caram-
bola, einer Ostindischen Pflanze, die den Tag
über gewöhnlich wagerecht stehen, doch ihre Stel-
lung immerfort verändern, wenn sie auch vor
Sonne, Regen, Wind u. s. w. geschützt sind, sen-
ken sich nieder, wenn man sie an ihrem Stiel
berührt, oder auf diesen durch ein Brennglas das
concentrirte Sonnenlicht richtet. Auf die steifen
und
[220] und harten Zweige erstreckt sich die Empfänglich-
keit für Berührungen nicht. Blos die Blattstiele
sind der Sitz der Reitzbarkeit, und an diesen ist
die Gegenwart der Rinde zur Fortdauer der letz-
tern nothwendig g).
Häufiger und genauer als alle übrige reitzbare
Gewächse ist die Mimosa pudica beobachtet wor-
den. R. Hookh) und De Mairani) waren die
Ersten, welche Versuche mit derselben anstellten.
Du Fay und Du Hamel wiederholten diese und
vermehrten sie mit vielen neuen Erfahrungen k).
Camusl). Ingenhouss und Schwankhardtm),
Landrianin), Delametherieo), Percivalp),
Ca-
[221]Cavalloq), van Marumr), und Ritters) un-
tersuchten den Einfluſs der Elektricität, Giuliot)
und C. Sprengelu) die Wirkung der Voltaischen
Säule, Ingenhoussv) und Humboldtw) die der
Gasarten, und zuletzt Sigwartx) den Einfluſs
mehrerer Reitze auf die Sinnpflanze. Ich werde,
indem ich von den Resultaten dieser Versuche
hier eine Uebersicht gebe, nur bey denen, worin
nicht alle Beobachter übereinstimmen, oder die ich
nicht aus eigener Erfahrung bestätigen kann, den
Gewährsmann anführen.
Bey der reitzbaren Mimose erstreckt sich die
Reitzbarkeit auf die Zweige, die Stiele der zu-
sammengesetzten Blätter und die einzelnen Blätt-
chen. Jeder dieser Theile dreht sich bey seiner
Bewegung um seine Axe und beschreibt zugleich
um seinen Befestigungspunkt einen Bogen. Die
Bewe-
[222] Bewegungen sind Expansionen und Contraktionen.
In der höchsten Expansion, worin alle Theile von
einander entfernt sind, befindet sich die Pflanze
an heiſsen Sommertagen des Vormittags beym vol-
len Sonnenlicht; in der völligen Contraktion, worin
die Blättchen dachziegelförmig über dem gemein-
schaftlichen Stiel liegen und die Blätter an einan-
der gedrängt sind, um Mitternacht.
Diesen Wechsel von Expansion und Contrak-
tion hat die Pflanze mit andern schlafenden Ge-
wächsen gemein. Sie geräth aber auch in den Zu-
stand der Zusammenziehung durch mechanische
Reitze; durch Verwundungen; durch den Einfluſs
der Elektricität und der Voltaischen Säule; durch
den plötzlichen Zutritt des vollen Sonnenlichts zu
einer im Helldunkel befindlich gewesenen Pflanze;
durch schnellen Uebergang von der Wärme sowohl
zur Hitze, als zur Kälte; durch das plötzliche
Zulassen der freyen Luft zu einer Staude, die
lange in einer eingeschlossenen Atmosphäre gestan-
den hat; durch die Berührung der Pflanze mit
mineralischen Säuren; durch den Dampf des bren-
nenden Schwefels; durch salzsaures Gas und Am-
moniakgas.
Alle diese Reitze wirken jedoch nicht auf ei-
nerley Art, und auch der Einfluſs eines und des-
selben Reitzes ist verschieden nach dem verschie-
denen Zustand der Mimose.
Mecha-
[223]
Mechanische Reitze wirken nur insofern, als
sie eine Erschütterung hervorbringen, die sich auf
die Gelenke fortpflanzt. Diese sind der Hauptsitz
der Reitzbarkeit. Von dem, unmittelbar gereitz-
ten Gelenk geht die Zusammenziehung aus und
pflanzt sich auf desto mehr Theile fort, je stär-
ker die Erschütterung war.
Verwundungen bringen, auch ohne alle Er-
schütterung, Contraktionen, doch nur langsame
und nur auf die nächsten Theile sich erstrecken-
de, hervor.
Elektrische Funken, plötzliche Erhitzung der
Luft, das plötzlich einfallende, volle Sonnenlicht
und der schnelle Zutritt der freyen Luft zu einer
verzärtelten Mimose wirken eben so heftig wie
mechanische Erschütterungen, hingegen die Hitze
des Focus eines Brennglases, einer brennenden
Kerze oder eines glühenden Eisens, mineralische
Säuren und das Ammoniakgas langsam, mehr ört-
lich und Verwundungen ähnlich.
In Betreff der Elektricität glaubte Ritter be-
obachtet zu haben, daſs der Einfluſs derselben
verschieden ist, je nachdem die positive zum äu-
ſsern, die negative zum innern Ende eines Blatts,
einer Blattabtheilung u. s. w. oder umgekehrt ge-
leitet wird. Die Abtheilung, die von auſsen + E
erhält, zieht sich ihm zufolge immer am stärk-
sten oder allein, die aber, welche von auſsen — E
auf-
[224] aufnimmt, am schwächsten oder gar nicht zusam-
men. Ueber die Richtigkeit dieser Angabe kann
ich aus eigener Erfahrung nicht entscheiden. Sie
bedarf aber, wie viele andere Beobachtungen Rit-
ter’s, um so mehr einer weitern Bestätigung, da,
nach Nasse’s oben erwähnten Versuchen über den
Einfluſs der Voltaischen Säule auf die Staubfä-
den der Berberitze, diese nur dann wirksam ge-
reitzt werden, wenn der positive Pol mit dem
äuſsern, der negative Pol mit dem innern Ende
der letztern verbunden wird.
Von der Einwirkung der Galvanischen Elek-
tricität konnte Sprengel keine Veränderung an
einer Mimose bemerken, obgleich er den Versuch
einmal mit 60 und das andere mal mit 120 Plat-
ten-Paaren anstellte. Allein nach Giulio’s Ver-
suchen, der die Voltaische Säule nicht nur auf
die Mimosa pudica, sondern auch auf die Mimosa
sensitiva und asperata wirksam fand, läſst sich
doch der Einfluſs dieses Agens auf die Sinnpflanze
nicht bezweifeln. Wahrscheinlich ist die nicht
immer sich gleiche Leitungsfähigkeit der Oberhaut
des Gewächses eine Hauptursache des verschiede-
nen Erfolgs dieser Versuche.
Nach dem plötzlichen Zutritt einer Kälte, die
unter dem Gefrierpunkt war, zu einem Zweig ei-
ner Sinnpflanze sahen Du Fay und Du Hamely)
die-
[225] diesen sich mit seinen Blättchen erst stärker wie
vorhin öffnen, dann sich sehr schnell schlieſsen
und nachher wieder öffnen.
Die Reitzbarkeit der Mimose ist eine, jedem
ihrer einzelnen Organe zukommende Eigenschaft.
Sie hängt in diesen nur insofern von dem Gan-
zen ab, als das Leben derselben durch ihren Zu-
sammenhang mit dem letztern bedingt ist. Sie
dauert daher in abgeschnittenen Theilen noch fort
und ist nicht immer in allen Organen von gleicher
Stärke. Von dieser ihrer ungleichen Vertheilung
scheint es herzurühren, daſs, nach Sigwart’s Be-
obachtung z), heftige Reitzungen bey ihrem Fort-
gang zuweilen einzelne Blättchen oder Blattabthei-
lungen überspringen. Alles aber, was dem Leben
der Pflanze nachtheilig ist, z. B. das Untertauchen
derselben unter Wasser a), das Bestreichen der
Blätter mit Oel oder Weingeist b), die verdünnte
Luft der Luftpumpe c), eine kalte Atmosphäre und
die Entwickelung der Blüthe d), das kohlensaure,
salpetersaure und Stickgas e), schwächt mit der
Zeit
V. Bd. P
[226] Zeit auch die Reitzbarkeit. Mimosen, die, unter
dem Wasser gehalten, ihre Empfänglichkeit für
Reitze verloren haben, äuſsern indeſs noch regel-
mäſsig die Bewegungen des Einschlafens und Er-
wachens, bis sie endlich im Zustand einer bestän-
digen Expansion absterben f).
Alle diese Erscheinungen der Mimosa pudica
und der übrigen, einen hohen Grad von Reitz-
barkeit besitzenden Pflanzen scheinen isolirt zu
stehen, wenn man sie blos auf ihren höchsten
Stufen betrachtet. Uebersieht man aber die ganze,
bisher aufgezählte Folge von automatischen Pflan-
zenbewegungen, so wird es einleuchtend, daſs
jene blos Modifikationen einer allgemeinen Eigen-
schaft der vegetabilischen Natur sind. Wir fan-
den, daſs jedes Gewächs bey seinem Wachsthum
einen gewissen Grad von Licht zu erreichen sucht.
Dieses Erreichen geschieht durch eine Ausdehnung
in die Länge. Die meisten Pflanzen folgen aber
auch dem Licht durch ein Drehen ihrer Blätter,
also durch eine Ausdehnung auf der einen und
eine Verkürzung auf der andern Seite. Bey einer
kleinern Anzahl findet ein regelmäſsiger Wechsel
von Wachen und Schlaf, also von Ausdehnung
und Verkürzung statt, und bey vielen von denen,
welche diese Bewegungen äuſsern, haben noch
andere Einflüsse als Licht und Finsterniſs auf je-
nen
[227] nen Wechsel Einfluſs. Die eigentlichen reitzba-
ren Pflanzen unterscheiden sich von den letztern
nur darin, daſs es viele verschiedenartige Ursa-
chen giebt, welche bey ihnen die durch das Son-
nenlicht bewirkte Ausdehnung wieder aufheben.
Die Bewegungen der reitzbaren Gewäch-
se sind also Folgen eines, bis auf eine
gewisse Gränze beschränkten, vom Ein-
fluſs des Sonnenlichts herrührenden
Wachsthums, dessen Produkt durch meh-
rere äuſsere Einwirkungen wieder ver-
nichtet wird.
Um diese Bemerkungen über die reitzbaren
Pflanzen vollständig zu machen, muſs ich noch
einiger Gewächse, die ebenfalls zu diesen gerech-
net sind, die aber meiner Ueberzeugung nach nicht
zu denselben gehören, des Apocynum androsae-
mifolium L., der Drosera rotundifolia L. und der
Onoclea sensibilis L. erwähnen.
Am Apocynum androsaemifolium wollen Swa-
germanng) und Bartolozzih), an der Drosera
rotundifolia Rothi) und Witheringk) eine ähn-
liche
P 2
[228] liche Reitzbarkeit, wie die Dionaea muscipula hat,
bemerkt haben. Bey der erstern Pflanze sollen
es die Blätter seyn, die sich schlieſsen, wenn sie
von einem Insekt inwendig berührt werden, und
bey der letztern die Blätter, die sich oben zusam-
menlegen, wenn sie auf der obern Seite gereitzt
werden. Ich zweifele an der Richtigkeit dieser
Beobachtungen. In den Blumen des Apocynum an-
drosaemifolium habe ich häufig Insekten klebend
gefunden, die von dem giftigen Saft dieser Pflanze
getödtet waren. Aber nie habe ich solche Blumen
geschlossen angetroffen, und nie Zusammenziehun-
gen nach mechanischen Reitzungen ihrer innern
Fläche wahrgenommen. An den Blättern der Dro-
sera rotundifolia habe ich ebenfalls, so wie auch
Linkl), keine Spuren von Reitzbarkeit entdecken
können. Man findet zwar oft Blätter dieser Pflan-
ze, die sich zusammengelegt haben. Allein eine
äuſsere Ursache dieses Zusammenfaltens habe ich
nie bemerkt.
Von der Onoclea sensibilis erzählt Hedwigm),
daſs an einer jungen Pflanze, die von jemandem
angetastet wurde, alle die berührten Schüsse bis
auf den Boden abstarben. Man hat hieraus schlie-
ſsen wollen, daſs die menschliche Berührung ei-
nen
[229] nen eigenen, nachtheiligen Einfluſs auf jenes Ge-
wächs hätte. Allein dieser Schluſs aus einem ein-
zigen, oberflächlich beobachteten Fall wird durch
Rudolphi’s n) Erfahrungen widerlegt. Pohl und
Humboldto) fanden nie Spuren von Reitzbarkeit
an diesem Gewächs.
§. 7.
Bewegung der Säfte in den Pflanzen.
Noch eine Art von automatischen Bewegun-
gen des vegetabilischen Körpers sind diejenigen,
die im Innern desselben vor sich gehen. Die
Pflanze nimmt Flüssigkeiten aus dem Erdboden
auf, und diese steigen in ihr bis zum äuſsersten
Gipfel. Die bewegende Kraft ist hier nicht etwa
die Anziehung der Haarröhrchen: denn diese würde
sie, wie Van Marump) gezeigt hat, nicht weiter
als höchstens auf acht Zoll treiben. Es muſs hier
die nehmliche Kraft wirken, welche die äuſser-
lichen automatischen Bewegungen der reitzbaren
Pflanzen hervorbringt: denn sie folgt in ihrem
Verhalten gegen äuſsere Eindrücke denselben Ge-
setzen wie diese und wie die thierische Reitzbar-
keit; sie wird aufgeregt durch mäſsige, erschöpft
durch
P 3
[230] durch zu heftige Reitze, und diese Reitze sind für
sie zum Theil dieselben, die auf den thierischen
Körper wirken. Nach Van Marum’s Versuchen q)
wird ihre Thätigkeit durch schwächere elektrische
Funken beschleunigt, und nach meinen eigenen
Erfahrungen, womit auch die seinigen überein-
stimmen, durch stärkere aufgehoben r). Das Kei-
men von Gerstenkörnern und das Wachsthum ihrer
Keime sahe ich durch Begieſsen mit einer Opium-
Emulsion beschleunigt, hingegen durch Anfeuch-
ten der Erde mit einer Campher-Emulsion, wor-
in bey mir abgeschnittene Zweige einer Colutea
arborescens sehr lebhaft trieben und bey Barton,
so wie bey Willdenow, verwelkte Zweige und
Blumen des Tulpenbaums, der gelben Iris und
der Silene pendula sich schnell wieder erholten s),
aufgehalten werden t). Durch Begieſsen mit ver-
dünntem Kirschlorbeerwasser brachte ich Kressen-
saamen früher als durch Anfeuchten mit bloſsem
Wasser zum Keimen u). Andere beobachteten eine
Be-
[231] Beschleunigung der Vegetation von der oxygenir-
ten Salzsäure v), dem kochsalzsauren Ammoniak w)
und dem salzsauren Kali x). Aber diese und alle
übrige Reitze befördern die Vegetation, eben so
wie die Elektricität, das Opium und der Cam-
pher, nur unter gewissen Bedingungen. Die oxy-
dirte Salzsäure z. B. beschleunigt nur bey der Mit-
wirkung des Lichts und der Wärme das Keimen
der Saamen, und vorzüglich nur derjenigen, die
einen scharfen Stoff enthalten, wie der Kresse, des
Senſs, Meerrettigs u. s. w. y).
Man
P 4
[232]
Man hat für den Sitz der Kraft, wodurch die
Bewegung der Pflanzensäfte bewirkt wird, die Ge-
fäſse angenommen, und zum Beweise dieser Hy-
pothese angeführt, daſs Blutungen verwundeter
Pflanzen durch Vitriol und Alaun, die eine Zu-
sammenziehung jener Gefäſse hervorbringen, ge-
hemmt werden z), und daſs die Stengel- und
Kelchblätter der Lactuca sativa L. an Stellen, wo
sie berührt werden, einen milchigen Saft aus-
schwitzen a). Allein bey dem erstern Versuch wir-
ken der Vitriol und Alaun vielleicht blos auf che-
mische Art, und bey dem letztern wird vielleicht
durch jede Berührung die feine Oberhaut der Lak-
tuke
[233] tuke verletzt. Wenn aber auch in beyden Fällen
eine wirkliche vitale Zusammenziehung der Ge-
fäſse statt findet, so läſst sich hieraus doch kei-
nesweges schlieſsen, daſs diese durch solche Be-
wegungen das Aufsteigen der Pflanzensäfte her-
vorbringen. Nie sahe man bey den vielen mikros-
kopischen Untersuchungen, die über sie angestellt
sind, an ihnen eine deutliche Spur von Reitzbar-
keit. Ihr ganzer Bau widerspricht auch der Vor-
aussetzung, daſs sie diese Eigenschaft besitzen.
Es muſs hier eine ganz andere Ursache vorhan-
den seyn, eine Kraft, die auf ähnliche Art wirkt,
wie die Elektricität, durch welche das Ausflieſsen
von Flüssigkeiten aus Haarröhren beschleunigt
wird. Giebt es eine solche, so wird sich diese
ohne Zweifel durch ähnliche innere Bewegungen
der vegetabilischen Säfte äuſsern, wie wir in dem
thierischen Blute und Saamen entdeckten b), und
dergleichen Erscheinungen habe ich in der That
an den Milchsäften des Rhus Cotinus und der
Vinca maior beobachtet c).
P 5Drit-
[234]
Drittes Kapitel.
Automatische Bewegungen der Thiere.
Vergleichung derselben mit den ve-
getabilischen.
Im vorigen Kapitel habe ich alles Wichtigere zu-
sammengestellt, was bis jetzt in Betreff der auto-
matischen Bewegungen des Pflanzenreichs beob-
achtet ist. Vergleichen wir mit den letztern in
Hinsicht auf jene Erscheinungen das Thierreich,
so finden wir Analogien, die uns berechtigen, ei-
nerley Bewegungsprincip in beyden Reichen anzu-
nehmen.
Wir treffen die Empfänglichkeit der Blätter
und Geschlechtstheile mehrerer Pflanzen für me-
chanische und chemische Reitze, für Elektricität
u. s. w. und die Aeuſserung dieser Reitzbarkeit
durch Zusammenziehungen bey allen thierischen
Muskeln an.
Wir sehen, daſs auf mehrere reitzbare Theile
der Thiere, z. B. auf das Herz, beständig innere
Reitze wirken, wodurch in denselben ähnliche
fortdauernde Bewegungen, wie beym Hedysarum
gyrans in dessen kleinern Blättern, erregt werden.
Wie
[235]
Wie bey den meisten Pflanzen die Geschlechts-
theile blos durch solche innere Reitze zu einer
gewissen Zeit in Bewegung gesetzt werden, äu-
ſsere Erregungsmittel aber keinen Einfluſs auf sie
haben, so äuſsern auch die Muttertrompeten und
die Gebährmutter der Thiere in einer gewissen
Periode eigene Bewegungen, die auſser dieser Zeit
durch keine sonstige Reitze hervorgebracht wer-
den.
Von jenen langsamen Verkürzungen der Pflan-
zentheile, welche beym Hinbewegen derselben nach
dem Licht, der Feuchtigkeit u. s. w. statt finden,
giebt uns endlich das thierische Zellgewebe Bey-
spiele, z. B. bey der Zusammenziehung desselben
nach der Entleerung von Wasser, der Bauchhaut
nach der Entbindung u. s. w.
Nur für das Licht, das so mächtig auf die
ganze vegetabilische Natur wirkt, besitzen keine
andere thierische Bewegungs-Organe Empfänglich-
keit als die Iris, und auch diese wird nur mittel-
bar davon erregt. Alle reitzbare Theile der Thiere
stehen dagegen unter der Herrschaft des Nerven-
systems, und auf dieses muſs allerdings das Licht
ebenfalls Einfluſs haben, indem von dessen Ge-
genwart und Abwesenheit ein ähnlicher Wechsel
von Thätigkeit und Ruhe im thierischen, wie im
vegetabilischen Körper, entsteht.
Wir
[236]
Wir werden also bey unsern weitern
Untersuchungen die thierischen und ve-
getabilischen Bewegungen insofern für
gleichartig annehmen dürfen, als nicht
die unmittelbare Abhängigkeit der er-
stern vom Nervensystem und der letz-
tern vom Licht einen Unterschied macht.
Zwey-
[237]
Zweyter Abschnitt.
Grundformen der automatischen Be-
wegungen.
Die Grundformen der automatischen Bewegun-
gen sind Zusammenziehungen und Ausdeh-
nungen.
In den thierischen Muskeln folgt auf jede Zu-
sammenziehung eine Ausdehnung.
Nach der verschiedenen Form der Organe, der
längern oder kürzern Dauer der Zusammenziehung
und Ausdehnung, und des langsamern oder schnel-
lern Wechsels beyder Thätigkeiten erscheinen die
Muskelbewegungen als Palpitationen, Oscillatio-
nen, wurmförmige Bewegungen u. s. w.
Wir wollen zuerst die Zusammenziehung
näher betrachten.
Die meisten Muskeln verkürzen sich hierbey
der Länge nach, indem sie zugleich in der Dicke
etwas
[238] etwas zunehmen. Swammerdammd) schloſs ei-
nen langen Froschmuskel in einer gläsernen Röhre
ein, die etwas weiter im Durchmesser als der
Muskel, aber kürzer als dieser war, befestigte
die beyden Enden desselben auſserhalb der Röhre
leicht mit Stecknadeln, und erregte in ihm Zu-
sammenziehungen. Hierbey wurden die Steckna-
deln gegen einander gezogen und die Röhre von
den Muskeln ausgefüllt.
Die Zunahme an Dicke bey der Verkürzung
ist indeſs nicht allgemein. Sie scheint nicht bey
den reitzbaren Pflanzen und auch nicht bey allen
thierischen Bewegungsorganen, z. B. beym Ute-
rus, statt zu finden, und da, wo sie eintritt,
nicht so beträchtlich zu seyn, daſs der zusammen-
gezogene Theil eben so viel an Dicke gewinnt,
als er an Länge abnimmt; es ist vielmehr wahr-
scheinlich, daſs mit der Zusammenziehung
eine wirkliche Zunahme der Cohäsion
verbunden ist.
Durch Versuche hierüber etwas Gewisses aus-
zumachen, hat zwar groſse Schwürigkeiten. Doch,
glaube ich, sprechen wichtige Gründe für diesen
Satz.
Glissone) stellte zuerst einen solchen Ver-
such an. Er lieſs einen starken Mann den Arm
in
[239] in eine weite Glasröhre stecken, die an dem untern
Ende verschlossen war, oben zur Seite aber eine
kleine, sich trichterförmig erweiternde, senkrechte
Röhre hatte, verstopfte sorgfältig alle Zwischen-
räume zwischen dem Arm und dem obern innern
Rand der Röhre, goſs durch den Trichter so lange
Wasser ein, bis ein Theil davon in die kleinere
Röhre trat, und lieſs nun den Mann seinen Arm
bald so stark wie möglich anstrengen, und bald
wieder ruhen. Bey der Zusammenziehung der
Muskeln fiel das Wasser in der kleinen Röhre,
und beym Nachlaſs derselben stieg es wieder. Man
hat gegen diesen, in neuern Zeiten von Carlis-
lef) mit gleichem Erfolg wiederholten Versuch
eingewendet, daſs das Fallen des Wassers viel-
leicht von der Zusammendrückung der Adern des
Arms entstanden wäre. Allein so groſs ist schwer-
lich der Druck der bewegten Muskeln auf die
Blutgefäſse, daſs sich davon eine erhebliche Ver-
minderung des Raums eines angestrengten Gliedes
ableiten lieſse. Mit mehr Recht läſst sich einwen-
den, daſs die ganze Einrichtung des Versuchs kein
genaues Resultat zulassen konnte.
Nach Glisson untersuchte Swammerdammg)
den Zustand zusammengezogener Muskeln. Er
füllte das Herz eines lebenden Frosches durch ei-
nes der groſsen Gefäſse mit Luft an, unterband
das-
[240] dasselbe, brachte es in eine gläserne Sprütze, wo-
von das eine Ende in eine feine Röhre ausgezo-
gen war, und füllte diese Röhre durch Zurück-
ziehen des Stempels mit einer Flüssigkeit an.
Diese sank jedesmal, wenn das Herz sich zusam-
menzog, und stieg bey der Erweiterung dessel-
ben. Der Versuch gelang auch mit einem Herz,
welches nicht unterbunden war; doch lieſs sich
hierbey das Steigen und Fallen des Wassers nur
durch ein Vergröſserungsglas wahrnehmen. Swam-
merdamm schloſs in den nehmlichen Apparat auch
willkührliche Muskeln ein. Er gesteht aber, daſs
es ihm mit diesen nicht gelingen wollte, das Stei-
gen und Sinken der Flüssigkeit bemerklich zu
machen, weil es ihm nicht möglich war, die Mus-
keln auf eine solche Art zu reitzen, daſs der Zu-
gang der äuſsern Luft zum Innern der Sprütze
ganz verhindert wurde. Die erstern Versuche
scheinen mir allerdings eine vermehrte Dichtigkeit
der Substanz des Herzens bey der Systole darzu-
thun. Man hat zwar den Einwurf gemacht, sie
bewiesen blos eine Verminderung der innern Höh-
lung des Herzens bey der Zusammenziehung. Al-
lein ich sehe nicht ein, wie die Höhlung veren-
gert werden konnte, wenn nicht jene Zunahme
an Dichtigkeit statt fand. In dem zweyten Ver-
such hätte aber auch eine solche Verengerung al-
lein das Fallen des Wassers nicht verursachen kön-
nen, da hier das Herz offen war, sich also beym
Unter-
[241] Untertauchen ohne Zweifel gleich mit Wasser an-
füllte, und bey der Systole von diesem eben so
viel herausgedrückt wurde, als bey der Diastole
hineingetreten war.
Auf eine weit rohere Art als Swammerdamm
verfuhr nach ihm G. Blaneh). Dieser schloſs
ein Stück von der hintern Hälfte eines lebenden
Aals in einer Flasche ein, deren Hals in eine
dünne Röhre ausgezogen war, füllte das Gefäſs
so lange mit Wasser, bis dasselbe in die Röhre
hinaufgestiegen war, und brachte zugleich durch
die letztere einen feinen Eisendrath in die Flasche,
womit er das Aalstück reitzte. Es entstanden in
diesem Zusammenziehungen, aber in der Höhe
des Wassers war keine Veränderung zu bemer-
ken.
J. Barzellottii) sahe ein, daſs Blane’s Ver-
such nichts entschied, weil es unmöglich war,
den Stand des, durch die Bewegung des Eisen-
draths umgerührten Wassers genau zu beobach-
ten, und die, blos mechanisch gereitzten Muskeln
sich schwerlich kräftig und anhaltend genug zu-
sammenzogen, um diesen Stand merklich zu
ver-
V. Bd. Q
[242] verändern. Barzellotti glaubte auf folgende
Weise zu einem sicherern Resultat zu gelangen.
Er verschloſs die weitere Oeffnung eines kegel-
förmigen Gefäſses von Glas, aus welchem nahe
am Boden eine enge Röhre senkrecht in die Höhe
stieg, und worin an einem messingenen Haken
ein Froschschenkel hing, dessen Nerve mit einem
Zinkplättchen armirt war, mit weichem Wachs,
so daſs dieses den Stiel des Hakens umgab, legte
auf den Boden des Gefäſses eine Silbermünze,
füllte das Gefäſs mit Wasser, bis dieses ohnge-
fähr 2 Zoll hoch in der Seitenröhre stand, und
bewirkte nun Contraktionen, indem er den Stiel
des messingenen Hakens niederbog, und dadurch
sowohl die Muskeln, als die Nervenarmatur des
Schenkels mit der Silbermünze in Berührung brach-
te. Der Erfolg war, daſs der Stand des Wassers
in der kleinen Röhre bey den Zusammenziehun-
gen des Schenkels unverändert blieb. Es ist aber
offenbar, daſs auch bey diesem Versuch das Nie-
derbiegen des Hakens nicht ohne Einfluſs auf den
Stand des Wassers bleiben konnte. Die durch
den einfachen Galvanismus bewirkten Muskelbe-
wegungen sind zudem nicht anhaltend genug, um
genaue Beobachtungen zuzulassen.
Entscheidender sind Erman’s und Gruithui-
sen’s Versuche.
Er-
[243]
Ermank) verschloſs einen, an beyden Enden
offenen Glascylinder unten mit einem Kork, durch
welchen ein Platinadrath ging, und füllte ihn mit
Wasser. In dieses brachte er ein Stück von dem
Schwanz eines lebenden Aals, und verstopfte dann
die obere Oeffnung des Cylinders ebenfalls durch
einen Kork, durch welchen auch ein Platinadrath
und auſserdem noch eine, an beyden Enden offe-
ne, enge Glasröhre ging. Bey dem Eindrücken des
letztern Korks trat etwas Wasser in die Röhre,
dessen Stand genau bezeichnet wurde. Als hier-
auf Erman das Rückenmark mit dem einen, die
Muskeln mit dem andern Drath verband, und
beyde Dräthe mit den Polen einer Voltaischen
Säule in Berührung setzte, fiel jedesmal das Was-
ser in der kleinen Röhre bey der Zusammenzie-
hung der Muskeln um 4 bis 5 Linien, und zwar
stoſsweise. Während dem Geschlossenseyn der
Kette stieg dasselbe wieder auf den vorigen Punkt,
aber viel langsamer als es gefallen war, und auf
diesem erhielt es sich, so lange das Geschlossen-
seyn dauerte. Bey der Trennungszuckung fiel es
von neuem eben so schnell und eben so tief, wie
bey der Schlieſsung, und kehrte nachher auf den
vorigen Stand zurück.
Gruithuisen’s Versuche wurden auf ähnliche
Art und mit gleichem Erfolg wie die Ermanschen,
aber
Q 2
[244] aber mit Froschschenkeln und vermittelst Durch-
lassung des Strohms einer Batterie von Leidener
Flaschen angestellt l).
Erman glaubt auch etwas ganz Analoges von
jener, beym Zusammenziehen der Muskeln eintre-
tenden Zunahme ihrer Cohäsion bey der Wirkung
der Elektricität auf das Quecksilber entdeckt zu
haben. Eine an dem einen Arm einer empfindli-
chen Wage hängende Adhäsionsplatte, die mit ei-
ner dünnen, eine Quecksilberfläche bedeckenden
Wasserschicht so verbunden war, daſs die ganze
Wassermasse sich unter ihr cylindrisch anhäufte
und sie dem Abreiſsen möglichst nahe kam, wurde
bey Verbindung derselben mit dem einen und des
Quecksilbers mit dem andern Pol einer Voltaischen
Säule heruntergezogen, indem das Wasser rund
um ihren Umkreis hervortrat; beym Oeffnen der
Kette erfolgte eine Bewegung der Platte in entge-
gengesetzter Richtung, wobey sie sich immer vom
Wasser losriſs, und während des Geschlossen-
seyns der Kette fanden Schwingungen und wel-
lenförmige Bewegungen in dem Wasser und Queck-
silber statt.
Wir haben, nach Erman’s Meinung, an die-
sen Bewegungen eines unorganischen Systems ein
treues Bild der Veränderungen, die unter gleichen
Umständen der Muskel erleidet. Er hält die Schlie-
ſsungs-
[245] ſsungs- und Trennungszuckung der Wage für Wir-
kungen vermehrter und verminderter Cohäsion des
Wassers und des Quecksilbers. Mir scheint aber
Alles blos Folge von Anziehung und Abstoſsung
zwischen der Platte und dem Quecksilber, und
die Analogie zwischen dem Resultat jenes Ver-
suchs und den Erscheinungen, die ein Muskel
bey der Einwirkung der Voltaischen Elektricität
äuſsert, nicht so bedeutend zu seyn, wie sie Er-
man findet. Bey jenem Versuch reiſst sich die
Platte im Augenblick des Oeffnens der Kette vom
Wasser los, und es tritt das Entgegengesetzte
wie bey der Schlieſsung ein; der Muskel hinge-
gen zieht sich auf einerley Art beym Eintritt in
die Kette und beym Austritt aus derselben zusam-
men. Ferner ist die Schwürigkeit, daſs an dem
Muskel während des Verweilens in der Kette keine
Spuren von Bewegung zu bemerken sind, die doch
unter den nehmlichen Umständen im Wasser und
Quecksilber statt finden, von Erman keinesweges
befriedigend gehoben. Er glaubt zwar aus andern
Thatsachen, z. B. aus der Empfindung eines Wech-
sels von Zusammenziehung und Erschlaffung bey
einer anhaltenden Kraftäuſserung eines Gliedes,
schlieſsen zu müssen, daſs auch in dem Muskel
bey dem Geschlossenseyn der Kette ein Wechsel
der Cohäsionszustände vorgeht. Allein der Mus-
kel geräth nach der Schlieſsungszuckung in eine
Ausdehnung, die bis zum Oeffnen der Kette fort-
Q 3dau-
[246] dauert; in den Fällen hingegen, wo uns das Ge-
fühl von zitternden Bewegungen in willkührli-
chen Muskeln überführt, befinden sich diese im-
mer im zusammengezogenen Zustand. Beyde Phä-
nomene gehören also ganz und gar nicht in einer-
ley Classe.
Inzwischen diese unrichtige Analogie thut den
Erfahrungen Erman’s keinen Eintrag. Sie bewei-
sen allerdings, in Verbindung mit den von Gruit-
huisen und Swammerdamm gemachten Beobach-
tungen, daſs bey der Zusammenziehung des Mus-
kels eine Zunahme der Cohäsion desselben ein-
tritt, und reihen sich an die, von Borellim)
entdeckte und von Carlislen) bestätigte Thatsa-
che, die ohne sie schwer zu erklären seyn wür-
de, daſs die Muskeln während des Le-
bens im zusammengezogenen Zustand
Lasten tragen, wovon sie nach dem Tode
zerrissen werdeno), so wie an Carlisle’s
Er-
[247] Erfahrung, daſs zusammengezogene Mus-
keln eine gröſsere specifische Schwere
als erschlaffte habenp).
Von dem verschiedenen Grad dieser Zunahme
der Cohäsion muſs ohne Zweifel auch die ver-
schiedene Stärke der Thiere und ihrer einzelnen
Muskeln abgeleitet werden. Es fehlt hierüber noch
an Erfahrungen, die vielleicht auf manche wich-
tige Schlüsse führen würden. So viel ist aber wahr-
scheinlich, daſs sich bey näherer Untersuchung
die gröſste Stärke bey den Fischen finden würde,
die sich zum Theil in ihrem dichten Element mit
reiſsender Geschwindigkeit bewegen und oft mit-
ten in einem Wasserfall zu einer auſserordentli-
chen Höhe emporschwingen q).
Auf
Q 4
[248]
Auf jeden Fall ist es klar, daſs alle Muskel-
bewegungen nicht von mitgetheilter, sondern von
neu erzeugter Kraft entstehen, und es bedarf nicht
zum Beweise dieser Wahrheit der, den ersten
Grundsätzen der Statik widersprechenden Behaup-
tung eines sonst sehr verdienten Schriftstellers,
“ein Mensch, der auf einer frey aufgehängten
„Wage stehe, könne durch schnelles Anziehen des
„Arms der Wage mit seinem Arm das Gewicht
„auf eine Zeit lang in die Höhe heben, das ihm
„in der andern Wage vorher das Gleichgewicht
„hielt.”
Wir kommen jetzt zur zweyten Grundform
der automatischen Bewegungen, der Ausdeh-
nung.
Die Sinnpflanze ist während des Schlafs und
nach Reitzungen einem zusammengezogenen Mus-
kel gleich; ihre Stiele und Blättchen liegen so
fest an und auf einander, daſs sie sich ohne Ver-
letzung nicht von einander entfernen lassen. Am
Tage, bey der vollen Einwirkung des Sonnen-
lichts, befindet sie sich in einem ganz entgegen-
gesetzten Zustand, der aber keinesweges bloſser
Nachlaſs der vorigen Zusammenziehung ist, son-
dern in einer Anschwellung aller Theile besteht.
Eine ähnliche Turgescenz finden wir an allen
Thieren während des Lebens. Ihr ganzer Körper
hat eine Vollheit und Rundung, die sich mit dem
Tode
[249] Tode verliert, in Krankheiten und nach nieder-
schlagenden Gemüthsbewegungen abnimmt, hin-
gegen durch Freude, Liebe, Wein u. s. w. ver-
mehrt wird. In mehrern einzelnen Theilen zeigt
sich dieses Anschwellen unter gewissen Umstän-
den noch weit auffallender, z. B. in den Augen
der Thiere überhaupt und im Kamm der Hähne
beym Zorn, in den weiblichen Brustwarzen beym
Säugen und in den Zeugungstheilen beym Ge-
schlechtstrieb.
Woher diese Erscheinung? Ist sie etwa, wie
die Zusammenziehung, Wirkung einer lebendigen
Kraft, oder blos eine, von vermehrtem Andrang
der Säfte herrührende, mechanische Ausdehnung?
Die meisten frühern Schriftsteller waren der letz-
tern Meinung. Nur Pechlinr) wagte es, in Be-
treff der Diastole des Herzens ihnen zu wider-
sprechen. Um die Mitte des achtzehnten Jahrhun-
derts erklärte Krauses) die Ausdehnung der thieri-
schen Theile für eine lebendige Thätigkeit. Bar-
thezt) führte diesen Gedanken weiter aus. Heben-
streit
Q 5
[250]streitu) faſste die erwähnten Erscheinungen als
Wirkungen einer eigenen Kraft unter der gemein-
schaftlichen Benennung der Lebensturgescenz
(Turgor vitalis) zusammen, und Langguthv)
machte gegen die Meinung von dem Entstehen
der Erektion des männlichen Gliedes aus einer
Anhäufung des Bluts Erfahrungen bekannt, wo-
bey die schwammigen Körper der angeschwolle-
nen, unterbundenen und amputirten männlichen
Ruthe von Thieren keinesweges von Blut ange-
füllt und ausgedehnt waren. Roosew) erhielt in-
deſs bey Wiederholung der Langguthschen Ver-
suche ein entgegengesetztes Resultat.
So viel ist allerdings wahrscheinlich, daſs mit
der Turgescenz einzelner Theile gewöhnlich auch
ein vermehrter Zufluſs der Säfte verbunden ist.
Allein wenn man diesen für die Ursache und nicht
für Folge der Anschwellung annimmt, so ist es
unerklärbar, wie bey einem plötzlichen Tod der
ganze thierische Körper augenblicklich seine Voll-
heit und Ründung verliert, wie die in allen ihren
Theilen zusammengezogene Mimose sich beym
Sonnenlicht so schnell wieder ausbreitet, und wie
selbst abgeschnittene Theile dieser und anderer
reitz-
[251] reitzbarer Pflanzen, die keine Feuchtigkeit mehr
aus dem Erdboden aufnehmen können, sich noch
ausdehnen.
Doch dies beweist freylich noch nicht, daſs
auch die Ausdehnung der Muskeln Wirkung einer
höhern Kraft ist. Pechlin führte zwar mehrere
Gründe für seine Meinung an, daſs die Diastole
des Herzens gleich der Systole eine lebendige Thä-
tigkeit sey, z. B. daſs, wenn jene blos mechanisch
durch das einströhmende Blut hervorgebracht wür-
de, dieselbe sich durch einen Druck verhindern
lassen müſste, welches doch unmöglich ist. Allein
bey diesem und allen seinen übrigen Beweisen
bleibt doch immer die Möglichkeit, daſs bloſse
Elasticität die Ursache der Ausdehnung des Her-
zens und aller übrigen Muskeln seyn kann. Von
gröſserm Gewicht würde Bichat’s x) Erfahrung
seyn, daſs bey der Reitzung eines lebenden Her-
zens mit mechanischen Schärfen zuweilen der
Zusammenziehung eine Ausdehnung vorhergeht,
wenn man sich auf die Richtigkeit dieser Beobach-
tung verlassen könnte.
Ein Grund, gegen welchen meines Erachtens
keine Einwendungen statt finden, und den ich an
einem andern Ort y) umständlicher vorgetragen
habe,
[252] habe, läſst sich von den willkührlichen Bewegun-
gen der Mollusken und Zoophyten hernehmen.
Die Fühlfäden und Fangarme dieser Organismen
ziehen sich eben so kräftig wie die thierischen
Muskeln zusammen. Sie wirken aber eben so
sehr durch Anschwellungen, als durch Zusammen-
ziehungen, und ihre Turgescenz tritt so schnell
ein, ist so stark und so anhaltend, daſs diese
sich auf keine Weise von vermehrtem Zufluſs der
Säfte ableiten läſst; sie sind dabey so weich und
so ganz unelastisch, daſs auch die Federkraft durch-
aus keinen Antheil an ihrer Anschwellung haben
kann. Hiernach dürfen wir die Ausdehnung der
Muskeln überhaupt als eine lebendige Wirkung
ansehen, und wir können ferner schlieſsen, daſs,
wie mit der Zusammenziehung der leben-
den Theile eine vermehrte Cohäsion ih-
rer Elemente, so mit der Anschwellung
derselben eine Verminderung dieses Zu-
sammenhangs verbunden ist.
Drit-
[253]
Dritter Abschnitt.
Bewegungen der verschiedenen or-
ganischen Systeme.
Die automatischen Bewegungen gehen theils nur
zu bestimmten Zeiten, theils ununterbrochen das
ganze Leben hindurch vor sich. Zu jenen gehö-
ren die Bewegungen der Verdauungs- und Zeu-
gungstheile, so wie aller Organe der Ortsverän-
derung; zu diesen die, an einen festen Rhythmus
gebundenen Bewegungen des Herzens, der Lun-
gen und des Gehirns. Diese, die einen Haupt-
charakter des thierischen Lebens ausmachen, und
die wir mit dem Namen der rhythmischen oder
tonischen bezeichnen werden, verdienen eine be-
sondere Untersuchung.
Im Thierreich giebt es zweyerley rhythmische
Bewegungen, wodurch sich das Leben vorzüglich
äuſsert: die eine Art ist dem Herzen und dem
Blut, die andere den Werkzeugen des Athemho-
lens und dem Gehirn eigen. Die erstern kann
man
[254] man die hämatodischen, die letztern die ana-
pnoischen nennen.
Bey allen Thieren der vier höhern Classen ha-
ben diese Bewegungen einen verschiedenen Rhyth-
mus; bey manchen niedern Thieren flieſsen sie in
einander. Ganz aber fehlen sie nirgends als erst
bey den Zoophyten der untersten Classen. Selbst
die Medusen äuſsern fortdauernde Zusammenzie-
hungen und Erweiterungen des Deckels, die in
dem muskulösen Gewebe dieses Theils ihren Sitz
haben und noch in abgeschnittenen Stücken des-
selben fortdauern z).
Beyde Bewegungen stehen unter sich in be-
ständiger Wechselwirkung. Sie bilden eine Kette
von Thätigkeiten, woraus kein Glied ohne Auf-
hebung des ganzen Lebens genommen werden
kann.
Von den anapnoischen Bewegungen hängen die
hämatodischen ab. Der Blutumlauf kann zwar
bey unterbrochenem Athemholen noch einige Zeit
fortdauern, eine kürzere bey den Thieren der hö-
hern, eine längere bey denen der niedern Clas-
sen a). Aber er wird doch bey dieser Unterbre-
chung immer langsamer und hört endlich ganz
auf. Ist völliger Stillstand desselben eingetreten
und
[255] und sind die Kräfte des Nervensystems und des
Herzens noch nicht völlig geschwächt, so läſst er
sich auf die, nach R. Hook benannte, doch schon
vor ihm von Vesal, Highmore und W. Croone
angewandte Art, durch künstliches Einblasen von
Luft in die Lungen, wieder herstellen b).
Daſs, so wenig als die hämatodischen Bewe-
gungen ohne die anapnoischen, umgekehrt auch
diese ohne jene einen dauernden Fortgang haben
können, leidet keinen Zweifel. Eine andere Frage
aber ist: Ob auch die Bewegungen des Athemho-
lens durch die des Bluts wieder erweckt werden
können? Nach einer Beobachtung Bremond’s c),
zufolge welcher bey Hunden, denen nach Oeff-
nung der Brusthöhle die Lungen zusammengefal-
len waren, der Blutumlauf sich zwar durch Auf-
blasen der Lungen herstellen lieſs, hingegen nach
dem Aufhören des Blutumlaufs Reitzungen des
Zwerchfellsnerven die Bewegung des Herzens und
der Brustmuskeln, nicht aber die der Lungen wie-
der anfachten, scheint dies nicht der Fall zu seyn.
Allein diese Beobachtung ist nicht von Gewicht,
weil die Thätigkeit der Werkzeuge des Athemho-
lens nicht blos vom Zwerchfellsnerven, sondern
auch vom zehnten Nervenpaar abhängt. Bey
Schein-
[256] Scheintodten, die ohne Einblasen von Luft in die
Lungen wieder erwachen, scheint die erste Be-
wegung vom Herzen und nicht von den Lungen
auszugehen. Der Puls ist bey ihnen schon fühl-
bar und das Gesicht röthet sich wieder, ehe sich
eine Spur von Athemholen bemerken läſst d).
Sowohl die anapnoischen als die hämatodi-
schen Bewegungen werden durch den Einfluſs des
verlängerten Marks und des Rückenmarks, und
zwar die erstern vermittelst des Zwerchfellsnerven
und der herumschweifenden Nerven, die letztern
vorzüglich durch den Intercostalnerven, unterhal-
ten, wie schon im fünften Buch der Biologie e)
gezeigt ist. Wir werden unten sehen, daſs aber
auch umgekehrt jener Einfluſs des verlängerten
Marks und Rückenmarks zunächst von den häma-
todischen Bewegungen abhängt. In dem Fall, wo
nach dem Aufhören beyder Bewegungen der Blut-
umlauf durch Aufblasen der Lungen wieder an-
gefacht wird, wirken also die anapnoischen Be-
wegungen unmittelbar auf die hämatodischen, diese
auf das Nervensystem und das letztere wieder zu-
rück auf beyde; hingegen da, wo die Herstellung
beyder Bewegungen vom Blutumlauf ausgeht,
werden die Werkzeuge des Athemholens durch
diesen nicht unmittelbar, sondern vermittelst der
Ein-
[257] Einwirkung desselben auf das Nervensystem und
der Rückwirkung des letztern auf jene wieder in
Thätigkeit gesetzt.
Das Athemholen hat aber auſser dem Einfluſs,
den es vermöge der, dabey statt findenden chemi-
schen Processe durch das Blut auf das Gehirn
und Rückenmark äuſsert, noch eine andere Wir-
kung auf diese Theile. An dem entblöſsten Ge-
hirn eines lebenden Säugthiers bemerkt man eine
auf- und absteigende Bewegung, die zuerst von
Schlichting als mit dem Athemholen in Verbindung
stehend beobachtet, von Haller und Lamure als
Folge der Anhäufung des Bluts im Kopfe beym
Ausathmen und der Entleerung desselben beym
Einathmen erkannt f), und von Portalg) auch
an dem obern Theil des Rückenmarks wahrge-
nommen wurde. Beym Ausathmen stockt das Blut
im ganzen Venensystem. Man sieht in einem ge-
öffneten lebenden Thier die obere und untere
Hohlvene mit deren sämmtlichen gröſsern Zwei-
gen, besonders auch die Drosseladern, bey der
Zusammenziehung der Brustmuskeln und der Lun-
gen
V. Bd. R
[258] gen anschwellen und bläulich werden, hingegen
beym Einathmen zusammenfallen und eine blas-
sere Farbe bekommen. Mit dem Anschwellen der
Venen ist die Erhebung, mit der Entleerung der-
selben das Senken des Gehirns und Rückenmarks
verbunden. Man kann das Anschwellen des Ge-
hirns selbst noch bey einem todten Thier hervor-
bringen, wenn man das Blut durch Zusammen-
drücken der Brust nach dem Kopfe hintreibt h).
Die Bewegung des Hirns und Rückenmarks
ist also blos mechanischer Art. Dorignyi), der
gegen diesen Schluſs einwendet, das Anschwellen
nähme allemal zu, wenn irgend ein Reitz auf das
Rückenmark wirke, das Athemholen und der
Blutumlauf aber trügen nichts dazu bey, weil die
Bewegung des Gehirns auch dann durch Reitzun-
gen des Nervensystems beschleunigt würde, wenn
die Carotiden und die Luftröhre unterbunden wä-
ren, hätte wissen können, daſs Lamurek) schon
die nehmlichen Beobachtungen gemacht hat, daſs
sie aber als Einwürfe von keinem Gewicht sind,
indem jeder Nervenreitz auf das Athemholen und
den Blutumlauf wirkt, und der Einfluſs der ana-
pnoi-
[259] pnoischen Bewegungen auf das Gehirn nicht nur
bey unterbundenen Carotiden, sondern selbst bey
unterbundenen Jugularvenen durch die Wirbel-
adern fortdauert. Ob indeſs, wie Haller annahm,
die Anhäufung des venösen Bluts beym Ausath-
men ebenfalls blos von mechanischen Ursachen,
dem Druck des zusammengezogenen Thorax auf
die Lungen und dem weniger freyen Durchgang
des Bluts durch die gekrümmten Gefäſse der ver-
engerten Brust, herrührt, scheint mir nicht so
ausgemacht zu seyn. Wenigstens sehe ich nicht
ein, wie ein zu lange fortgesetztes Einathmen
ebenfalls den Rückfluſs des Venenbluts hemmen
kann, wenn blos diese Hindernisse jene Anhäu-
fung veranlassen.
Die auf- und absteigende Bewegung des Ge-
hirns und Rückenmarks findet blos bey den Säug-
thieren statt. Schlichting bemerkte sie nicht bey
Vögeln und Fischen, und ich habe keine Spur
davon bey Fröschen wahrgenommen l). Dieser
Um-
R 2
[260] Umstand spricht gegen eine, von Roosem) und
Bartelsn) geäuſserte Meinung, die auf den er-
sten Anblick Einiges für sich zu haben scheint.
Beyde nehmen an, daſs die Anhäufung des venö-
sen Bluts im Gehirn während dem Ausathmen ei-
nen Einfluſs auf die Hirnwirkung hat, wodurch
das Athmen hervorgebracht wird. Roose glaubte,
diese würde durch die Anhäufung erregt; Bar-
tels hingegen setzte voraus, die Hirnwirkung
verursache das Ausathmen, sie werde gehemmt
durch den stockenden Lauf des Venenbluts, und
das Einathmen erfolge vermöge einer eigenen Kraft
der Werkzeuge des Athemholens. So würde frey-
lich die Bewegung des Gehirns und Rückenmarks
Wirkung und zugleich Ursache des Athemholens
seyn. Allein auſser der erwähnten Abwesenheit
jener Bewegung bey den Vögeln, Amphibien und
Fischen ist auch noch dies ein Beweis, daſs hier
eine andere, höhere Ursache vorhanden seyn muſs,
weil meiner Erfahrung nach bey Fröschen, denen
sowohl die sämmtlichen Blutgefäſse, als die Lun-
gen unterbunden sind, und wo also aller Einfluſs
des Athemholens auf das Gehirn aufgehoben ist,
die anapnoischen Bewegungen der Kehlmuskeln
noch
l)
[261] noch eine ziemlich lange Zeit fortdauern, und,
nach Le Gallois’s o) Beobachtungen, auch ent-
hauptete Kaninchen den Mund noch wiederholt
zum Athmen öffnen und schlieſsen.
Das Anschwellen und Zusammenfallen der Ve-
nen und die damit verbundene Bewegung des Ge-
hirns und Rückenmarks ist heterochronisch mit
dem Ein- und Ausathmen. Hingegen synchronisch
mit den Lungen bewegen sich, auſser den eigent-
lichen Respirationsmuskeln, mehr oder weniger
auch die sämmtlichen Muskeln der Brust, des
Unterleibs, des Halses und des Gesichts. Diese
drücken bey ihren Zusammenziehungen alle un-
ter ihnen liegende Organe, besonders die des Un-
terleibs zusammen, und so nehmen alle Theile
des Körpers, nur die äuſsern Glieder ausgenom-
men, an den anapnoischen Bewegungen einen thä-
tigen oder leidenden Antheil.
Noch weiter erstreckt sich das Gebiet der
hämatodischen Bewegungen. Bey jedem Schlag
des Herzens erleidet der ganze Körper eine Er-
schütterung, wie man z. B. an dem Heben und
Senken des einen Fuſses bey über einander ge-
schlagenen Schenkeln sieht. Das arterielle Blut
wirkt zugleich als Reitz auf alle muskulöse Or-
gane, und bringt darin fortdauernde Palpitatio-
nen
R 3
[262] nen hervor, die man durch das Gehör wahrnimmt,
wenn man das eine Ohr mit Baumwolle u. d. gl.,
das andere mit einem Finger selber verschlieſst,
oder durch einen andern verschlieſsen läſst. In
diesem Ohr wird man ein fortwährendes, schwin-
gendes Sausen hören, das nicht etwa von Ströh-
mungen der Luft im Gehörgang herrührt, indem
es nicht statt findet, wenn man statt des Fingers
oder eines andern muskulösen Theils ein Stück
Holz, Metall, Siegellack u. d. gl. in das Ohr bringt,
hingegen zurückkehrt, sobald man einen sol-
chen Körper, der jedoch fähig seyn muſs, in
schwingende Bewegungen zu gerathen, mit dem
Finger berührt. Nur dann hört man bey dem
letztern Versuch auch ohne diese Berührung das
Sausen, wenn man die Kinnladen fest zusammen-
drückt. In diesem Fall aber empfindet man die
Palpitationen der Kaumuskeln, die zum Hörner-
ven durch die Kopfknochen fortgepflanzt werden.
Diese Schwingungen sind freylich weit häufiger,
als der Puls p). J. L. Rogerq), der zuerst ihre
wahre Ursache erkannte, so wie nach ihm Er-
manr) und Wollastons) glaubten deshalb den
Reitz
[263] Reitz des Bluts nicht für die Veranlassung dersel-
ben halten zu müssen. Allein der Strohm des
Bluts flieſst ununterbrochen, und nicht blos wäh-
rend der Systole des Herzens. Wären die Schwin-
gungen von dem Reitz dieser Flüssigkeit unab-
hängig, so würden sich ohne Zweifel unter star-
ken Vergröſserungen auch noch in abgeschnittenen
Faserbündeln lebender Thiere Spuren derselben
zeigen, die ich indeſs nie wahrgenommen habe.
R 4Vier-
[264]
Vierter Abschnitt.
Dauer der automatischen Bewegun-
gen in dem Ganzen und den einzelnen
Theilen. Tenacität des Lebens.
Die hämatodischen und anapnoischen Bewegun-
gen sind Ursache und zugleich Wirkung alles thie-
rischen Lebens und als solche gleichsam die Zei-
ger des Zustandes jedes thierischen Organismus.
Sie machen in ihrer, den Zwecken des Individu-
ums angemessenen Stärke, Dauer und wechselsei-
tigen Einwirkung das aus, was Stahl den Le-
benston (Tonus vitalis) nannte. So lange sie
dauern, währt das Leben, und so lange das Band,
wodurch sie unter sich und mit dem Ganzen ver-
bunden sind, unverletzt ist, findet die Fähigkeit
zum Leben statt. Auf der Dauer dieser Fähigkeit
beruht die Tenacität des Lebens, welche bey
den verschiedenen lebenden Körpern von sehr ver-
schiedener Stärke ist, und womit im Allgemeinen
die Dauer der automatischen Bewegungen in ein-
zel-
[265] zelnen, vom Ganzen getrennten Theilen in gera-
dem Verhältniſs steht.
Man hat in Betreff dieser Lebenstenacität den
Satz aufgestellt, daſs sie von den Säugthieren und
Vögeln an bis zu den niedrigsten Stufen des Thier-
reichs zunehme. Hiervon giebt es aber manche
Ausnahmen. Unter den Säugthieren haben der
Aï t), die Seelöwen und Seebären, unter den Vö-
geln die Pinguine u) fast ein eben so zähes Le-
ben wie die Amphibien. Unter den Säugthieren
giebt es auch mehrere, die noch eine andere Art
von Lebenstenacität besitzen, die Eigenschaft, den
Winter in Erstarrung zuzubringen.
Der Aï, die Phoken und die Pinguine sind
Thiere von wenig Lebhaftigkeit. Man könnte hier-
aus folgern, daſs es der Grad der Reitzbarkeit
sey, wovon die Lebenstenacität abhange. Allein
dieser Schluſs würde durch die lethargischen Säug-
thiere widerlegt werden, die in ihrem wachenden
Zustand sehr reitzbar sind.
Mir scheint ein allgemeiner Charakter der Le-
benstenacität die Abhängigkeit des Rhyth-
mus der tonischen, besonders der ana-
pnoi-
R 5
[266]pnoischen Bewegungen von äuſsern Ein-
flüssen zu seyn. Ueber das Athemholen des
Faulthiers fehlt es zwar an Beobachtungen. Die
Phoken und Pinguine aber besitzen das Vermö-
gen, dieses beym Untertauchen auf längere Zeit
auszusetzen, und bey den lethargischen Säugthie-
ren wird der Rhythmus desselben durch die Tem-
peratur der Atmosphäre bestimmt.
Jene Abhängigkeit nimmt nach den untersten
Stufen des Thierreichs immer mehr zu, und im
Allgemeinen steigt auch zu diesen herab die Le-
benstenacität desto mehr, je näher sie den Pflan-
zen stehen, deren Athemholen ganz abhängig von
äuſsern Einflüssen ist, und die im Ganzen ein
dauerhafteres Leben als die Thiere besitzen v).
Doch ist hierbey nicht zu übersehen, daſs diese
Tenacität nicht immer in jeder Beziehung gleich
groſs ist, daſs sie bey einigen Arten sich durch
Dauer der Lebensfähigkeit nach Entziehung der
äuſsern
[267] äuſsern Einflüsse, wodurch das Leben unterhal-
ten wird, bey andern durch Fortwähren des Le-
bens nach getrenntem Zusammenhang der Orga-
ne, auszeichnet, ohne daſs beyde Eigenschaften
immer mit einander verbunden sind.
Die Amphibien besitzen beyde Eigenschaften
in höherem Grade als die Säugthiere. Von dem
Winterschlaf derselben, so wie der übrigen Thie-
re, werden wir in der Folge handeln. Wir erin-
nern hier an die Beyspiele von Kröten und Ei-
dechsen, die man in völlig verschlossenen Höh-
lungen von Steinen lebend antraf w). Jede Er-
klärung dieser Thatsachen hat ihre Schwürigkei-
ten.
[268] ten. Aber welche man auch wählen mag, so be-
weisen doch die Fälle selber einen hohen Grad
von Lebenstenacität jener Thiere. Andere Beweise
dafür sind: die Fortdauer des Lebens mancher Am-
phibien in heiſsen Quellen x), im Nahrungscanal
des Menschen y), mitten im Eise z), und in gei-
stigen Flüssigkeiten a); ihr Vermögen, länger als
die Säugthiere und Vögel im luftleeren Raum b),
in mephitischen Gasarten c) und ohne Nahrung d)
ihre Lebensfähigkeit zu behalten, und das lange
Fort-
[269] Fortwähren ihrer automatischen Bewegungen nach
dem Verlust der wichtigsten Eingeweide e).
Zu allen diesen Thatsachen lassen sich nicht
nur ähnliche, sondern noch weit auffallendere un-
ter den Fischen, Mollusken, Insekten, Würmern
und Zoophyten auffinden.
Fische und Schnecken leben ebenfalls in hei-
ſsen Quellen f).
Von Insekten und deren Larven, die nicht
nur im Darmcanal, sondern auch in andern Thei-
len des menschlichen Körpers gefunden wurden,
giebt es eine Menge Beobachtungen g). Ich er-
hielt vor mehrern Jahren ein Glas mit einer Menge
Oestrus-Larven, die von einer Bäurin des Flecken
Bassum der Gegend von Bremen ausgebrochen
waren, und dabey von dem dortigen Arzt die
Nachricht, daſs solche Fälle dort häufig vorkä-
men.
Daſs
[270]
Daſs manche Insekten ohne Nachtheil für ihr
Leben lange eingefroren seyn könnem, haben wir
im vorigen Buch gesehen, und daſs sie, durch
Weingeist scheintodt gemacht und dann in warme
Asche gelegt, wieder erwachen, zeigen Socoloff’s
Versuche mit Fliegen, Käfern, Wanzen, Schaben
und Spinnen, von welchen ein Paar Individuen
der beyden letztern Geschlechter auf diese Weise
binnen drey Stunden fünf mal erstarrten und wie-
der auflebten h).
Von dem Mangel an atmosphärischer Luft lei-
den manche Fische noch weniger als die meisten
Amphibien. Bey Buniva’s Versuchen lebten Schlei-
hen in völlig ausgekochtem Wasser, welches auch
bey der Abkühlung gegen den Zutritt der Luft
verschlossen war, eben so lange als in frischem
Fluſswasser i). Noch weit unempfindlicher gegen
diesen Mangel sind mehrere Mollusken, Insekten
und Würmer. Eine Auster starb unter dem aus-
gepumpten Recipienten der Luftpumpe erst nach
24 Stunden k), und eben so lange lebte darunter
eine nackte Schnecke (Limax) l). Fliegen, Wes-
pen, Bienen und mehrere andere Insekten werden
bald nach Entziehung der Luft scheintodt, keh-
ren
[271] ren aber nach 24, und selbst nach 40 Stunden
noch ins Leben zurück m). Blutigel leben eine
lange Zeit in Oel n), und, nach Thomaso) über
24 Stunden, nach Boylep) fünf Tage im luft-
leeren Raum. In diesem sahe auch Musschen-
broekq) Regenwürmer 15 Stunden ohne Nach-
theil zubringen.
Von mephitischen Luftarten leiden die Thiere
der niedern Classen ebenfalls weit weniger als die
der höhern. Mehrere Käfer, z. B. Scarabaeus ster-
corarius, Coccinella 7 punctata, Chrysomela po-
puli, Elater aterrimus, Curculio germanus, kön-
nen in Wasserstoffgas zwey bis drey Tage leben r).
Die Ausdauer mancher dieser Thiere ohne alle
Nahrung gränzt ans Unglaubliche. Daſs sie meh-
rere Monate fasten, ist etwas ganz Gewöhnli-
ches.
[272] ches s). Ich habe Weinbergschnecken ein halbes
Jahr, und O. F. Müllert) Waldschnecken (Helix
nemoralis) und nackte Schnecken, denen sogar
der Kopf abgeschnitten war, über ein Jahr ohne
Nahrung leben sehen. Selbst aber Schnecken, die
funfzehn Jahre in einem Naturaliencabinet gelegen
hatten, sollen wieder lebendig geworden seyn,
nachdem sie zufällig in ein Gefäſs mit Wasser ge-
rathen waren u).
Das Wunderbare dieser Thatsachen wird noch
dadurch erhöhet, daſs die lange Fortdauer des Le-
bens jener Thiere selbst dann statt findet, wenn
sie nicht nur aller Nahrung entbehren, sondern
selbst die wichtigsten Organe verloren haben.
Vaillantv) nahm am Cap aus dem Bauch einer
groſsen Heuschrecke die Eingeweide, stopfte den-
selben mit Baumwolle aus, und steckte das Thier
mit einer Nadel, die durch den Vorderleib ging,
in eine Schachtel. In diesem Zustand bewegte
die Heuschrecke nach fünf Monaten noch die Beine
und Fühlhörner.
Doch alle diese Beyspiele kommen bey wei-
tem nicht denen gleich, die wir auf den unter-
sten Stufen der thierischen Natur antreffen. Hier
giebt
[273] giebt es Fälle von Lebenstenacität, die man be-
zweifeln müſste, wenn sie nicht zu wichtige Au-
toritäten für sich hätten. Die Räderthiere ziehen
sich zusammen und verlieren alle Bewegung, wenn
ihnen das Wasser entzogen ist; sie kommen ins
Leben zurück, sobald ihnen dieses zurückgegeben
wird. Leeuwenhoek erweckte sie auf diese Weise
nach zwey, Spallanzani nach vier Jahren noch.
Dieser lieſs eines derselben sogar eilf mal sterben
und wieder aufleben w). Fontanax) lieſs ein
Räderthier drittehalb Jahre in sehr trockener Erde
liegen, und setzte es des Sommers aller Sonnen-
hitze aus. Als es hierauf ins Wasser gesetzt wur-
de, bekam es nach zwey Stunden Leben und Be-
wegung wieder. Ein anderes, das auf einer trok-
kenen, den ganzen Sommer der Sonnenhitze aus-
gesetzten Glasplatte gelegen hatte, auf welchem
es so eingetrocknet war, daſs es einem Tropfen
trocknen Leim glich, wurde ebenfalls durch einige
Wassertropfen wieder lebendig gemacht. Auch die
mikroskopischen Aale, die man verdorret und
trocken im Mutterkorn findet, kommen, sowohl
Fontana’s y), als Home’s z) Versuchen nach, und
dem
V. Bd. S
[274] dem erstern zufolge auch der Gordius L., mit
Wasser angefeuchtet ins Leben zurück.
Bey allen diesen auffallenden Beyspielen be-
sitzen aber doch die niedern Thiere eben so we-
nig als die höhern diese starke Lebenstenacität alle
in gleichem Grade, gegen einerley Einwirkungen
und zu allen Zeiten. Unter den Räderthieren le-
ben bey weitem nicht alle Arten nach dem Ein-
trocknen wieder auf. Mehrere, womit Du Tro-
cheta) Versuche machte, zeigten nie eine Spur
der auffallenden, von Leeuwenhoek, Spallan-
zani und Fontana beobachteten Erscheinungen-
Manche Insekten, welche ohne Nahrung und bey
groſsen Verletzungen ihrer wichtigsten Organe lan-
ge fortleben, ertragen nur eine sehr kurze Zeit
den Mangel an athmenbarer Luft. Pringle sahe
eine Libellenart 71 Tage nach abgeschnittenem
Kopf leben, hingegen ungeköpft unter ein Glas
gesetzt sehr bald ersticken b). Der Salamander,
der von andern Seiten ein so höchst zähes Leben
hat, stirbt sehr schnell, wenn er mit Salz be-
streuet wird c). Den Mangel an athmenbarer Luft
und wichtige Verletzungen erträgt übrigens eine
und dieselbe Thierart desto länger, je näher sie
dem
[275] dem Zustand des Embryo ist. Eintägige Kanin-
chen äuſsern nach Ausschneidung des Herzens
und nach dem Untertauchen unter Wasser eine
vierzehn mal längere Zeit Lebenszeichen als drey-
ſsigtägige, und von jenem bis zu diesem Alter
nimmt die Lebenstenacität mit jedem Tage ab d).
Beym Vogel im Ey schlägt das Herz nach dem
allgemeinen Tode ungleich länger als beym er-
wachsenen Vogel e).
Das Vermögen, automatische Bewegungen zu
äuſsern, dauert auch in den einzelnen Organen
noch eine Zeit lang nach ihrer Trennung vom
Ganzen fort. Das ausgeschnittene Herz fährt noch
fort zu pulsiren, der Darmcanal wurmförmige Be-
wegungen zu machen, der willkührliche Muskel
sich nach Reitzungen zu verkürzen u. s. w. Man
hat
S 2
[276] hat in Betreff dieser Reitzbarkeit der einzelnen
Theile ebenfalls das Gesetz aufgestellt, daſs sie
bey den Vögeln früher als bey den Säugthieren,
bey diesen früher als bey den Amphibien, Fischen
und Mollusken, und bey ältern Thieren früher
als bey jüngern erlöscht f). Man hat eine Stufen-
leiter der Dauer der Reitzbarkeit angenommen,
auf welcher die oberste Stelle das Herz einnimmt,
dann der Magen und die Gedärme folgen, hierauf
das Zwerchfell kömmt, und auf der untersten
Stufe die willkührlichen Muskeln stehen g). Man
hat aus den Aeuſserungen der Muskelkraft in den
einzelnen Theilen des Herzens, von welchen die
sehr muskulösen Kammern früher als der weni-
ger starke Lungenvenensack zu schlagen aufhören,
und dieser früher als der noch schwächere Hohl-
venensack zur Ruhe kömmt, geschlossen, daſs
die Stärke und Dauer der automatischen Bewe-
gungen im umgekehrten Verhältniſs gegen einan-
der stehen h).
Alle
[277]
Alle diese Sätze gelten aber nur in Beziehung
auf gewisse Arten von Reitzen, und auch in Be-
treff dieser bringen das Alter und die Constitution
des Individuums, die Temperatur der Atmosphäre
und eine Menge anderer, nicht zu berechnender
Ursachen Abweichungen hervor. Die willkührli-
chen Muskeln, die nach der Hallerschen Stu-
fenleiter von mechanischen Schärfen bey weitem
nicht so lange als das Herz zu Bewegungen auf-
geregt werden, zucken noch lange bey Anbrin-
gung des Galvanischen Reitzmittels, wenn das
Herz schon längst zu schlagen aufgehört hat. Ue-
berhaupt hat jeder Theil wie jedes Ganze der le-
benden Natur seine eigenen Verhältnisse gegen die
Auſsenwelt. Keiner kann mit dem andern in je-
der Beziehung verglichen werden. Das Ganze
und mit diesem jeder Theil ist zwar am nächsten
durch das Athemholen mit der übrigen Natur ver-
bunden, und insofern ist die Beschaffenheit der
anapnoischen Bewegungen ein Maaſsstab aller übri-
gen Thätigkeiten. Aber das einzige Band zwi-
schen dem Organismus und der Auſsenwelt ist
das Athemholen auch nicht, und ohne Einschrän-
kung gilt daher auch von diesem kein Schluſs auf
die übrigen automatischen Bewegungen.
S 3Fünf-
[278]
Fünfter Abschnitt.
Bedingungen und Gesetze der auto-
matischen Bewegungen.
Für jede automatische Bewegung läſst sich eine
äuſsere Ursache angeben, wodurch sie veranlaſst
wird. Für die willkührlichen Bewegungen ist diese
der Wille, für den Herzschlag das Blut, für die
Zusammenziehungen des Nahrungscanals die ge-
nossenen Speisen und der Einfluſs der gastrischen
Säfte, für die Verengerung des Augensterns das
Licht u. s. w. Ein abgeschnittener, willkührlicher
Muskel bewegt sich ebenfalls ungereitzt nicht.
Das Herz und andere unwillkührliche Muskeln
scheinen zwar, getrennt vom übrigen Körper, ihre
Bewegungen ohne äuſsere Veranlassung fortzuset-
zen. Allein auch auf diese wird man nach ge-
nauer Untersuchung immer noch Eindrücke wir-
kend finden, wodurch schon während ihrer Ver-
bindung mit dem Ganzen ihre Bewegungen be-
schleunigt werden, z. B. den Einfluſs der Luft,
der Wärme oder Kälte, des Drucks, den jeder ab-
ge-
[279] geschnittene Theil auf irgend eine Weise erleidet,
man mag ihn hinlegen oder aufhängen, die Fort-
pflanzung der Erregungen von den ursprünglich
gereitzten Fasern nach andern und von diesen
wieder nach jenen u. s. w.
Man hat hieraus geschlossen, daſs alle auto-
matische Bewegungen unter den Gesetzen der
Reitzbarkeit stehen, und diese Folgerung seit
Haller’s Zeit auf alle Erscheinungen des Lebens
übertragen. Hierin ist man, wie wir im folgen-
den Buch sehen werden, zu weit gegangen. Von
den automatischen Bewegungen scheint sie frey-
lich zu gelten. Nur ist es sehr unrichtig, unter
der Benennung Reitz die verschiedenartigsten
Einflüsse zu begreifen. Die Ursache, die in ei-
nem Theil Anschwellungen hervorbringt, ist ge-
wiſs von ganz anderer Art als die, welche in ihm
Zusammenziehungen erregt. Es kann Eindrücke
geben, die nur dadurch Reaktionen veranlassen,
daſs sie das Hinderniſs der Einwirkung eines, vor-
her schon statt findenden Reitzes entfernen. Diese
und ähnliche Fälle bedürfen einer nähern Unter-
suchung, ehe sich über die Wirkungsart der Reitze
etwas bestimmen läſst.
Ein groſser Theil des Muskelsystems wird
durch den Willen in Bewegung gesetzt. Hierbey
aber findet schon gleich die erwähnte Schwürig-
keit statt. Veranlaſst der Wille nicht vielleicht da-
S 4durch
[280] durch die Zusammenziehung eines Muskels, daſs
er in dessen Antagonisten die ihr entgegenwirken-
de Spannung aufhebt? So dachte sich der, der
Welt und den Wissenschaften zu früh entrissene
L. H. C. Niemeyeri) die Entstehung der willkühr-
lichen Bewegungen. Allein so scharfsinnig und
folgerecht diese Meinung von ihm durchgeführt
ist, so beruhen doch die Beweise, die er für sie,
und die Einwendungen, die er gegen die gewöhn-
liche Theorie anführt; ganz auf der einseitigen
Brownschen Erregungslehre, und es steht seiner
Hypothese entgegen, daſs der Wille noch in einem
Muskel, dessen Antagonist durchschnitten ist, Ver-
kürzungen zu bewirken vermag, auch daſs das
System der willkührlichen Muskeln im Schlaf bey
aufgehobenem Einfluſs des Willens sich nicht in
einem gespannten, sondern in einem turgesciren-
den Zustand befindet.
Wenn indeſs auch der Wille allerdings als
unmittelbare Ursache der Muskelbewegung betrach-
tet werden muſs, so giebt es doch andere veran-
lassende Ursachen automatischer Bewegungen, de-
ren Wirkungsart sich nicht bestimmen läſst, so
lange nicht die innern Bedingungen dieser Bewe-
gungen aufgeklärt sind. Wir werden uns daher
zuvörderst hierüber Licht zu verschaffen suchen.
Die
[281]
Die erste Bedingung der Reitzbarkeit eines
Muskels ist das ungehinderte Einströhmen des Ar-
terienbluts in das innere Gewebe desselben. Sten-
son machte zuerst die Beobachtung, daſs Unter-
bindung der absteigenden Aorta den Verlust des
Bewegungsvermögens in den hintern Gliedmaaſsen
nach sich zieht. Der Versuch ist nachher von
mehrern Physiologen und auch an andern Arte-
rien, z. B. in neuern Zeiten von Arnemannk),
Bichatl) und Emmertm) wiederholt worden n).
So viel geht aus diesen Versuchen hervor, daſs
die Lähmung immer eintritt, wenn die Aorta im
Bauche so unterbunden ist, daſs kein Blut zu den
hintern Gliedmaaſsen weiter gelangen kann, daſs
sie jedoch nicht plötzlich und oft gar nicht er-
folgt, wenn blos die Arterie eines einzelnen Glie-
des, z. B. die Cruralarterie, unterbunden wird.
Towler’s o) Versuche beweisen zugleich, daſs
auch
S 5
[282] auch die Empfänglichkeit für den Galvanischen
Reitz nach Unterbindung der Arterie eines Glie-
des weit schneller als nach Durchschneidung der
Nerven desselben abnimmt.
Es sind zwey Erklärungen dieser Thatsache
möglich. Man kann annehmen, daſs die Ligatur
entweder wegen des gehemmten Zuflusses des Bluts
zu den Muskeln, oder wegen des gehinderten
Laufs desselben zu den Nerven eintritt. Bey der
erstern Voraussetzung hat die Unterbindung der
bloſsen Cruralarterie deshalb nicht immer diesen
Erfolg, weil dabey noch Blut durch anastomosi-
rende Gefäſse zu den Muskeln gelangen kann;
bey der letztern, schon von J. Lallemantp) vor-
getragenen und von Percyq) erneuerten Hypo-
these geht die Bewegungsfähigkeit darum nach
Unterbindung der Aorta, nicht aber beständig nach
Zusammendrückung der bloſsen Cruralarterie ver-
loren, weil in jenem, nicht aber in diesem Fall,
der Blutumlauf in dem Theil des Rückenmarks,
woraus die Nerven der Hinterfüſse entstehen, auf-
gehoben ist. Die letztere Meinung aber ist offen-
bar sehr einseitig. Die Gröſse und Weite der Ar-
terien eines Muskels steht immer mit dem Grad
der
[283] der Thätigkeit desselben in Verhältniſs. Die Glied-
maaſsen der rechten Seite haben deshalb weitere
Arterien als die der linken r). Beym Lemur tar-
digradus, Lemur Lori, Bradypus didactylus und
Bradypus tridactylus bilden die Arterien der Extre-
mitäten Bündel, die aus einer Menge paralleler,
mit einander anastomosirender Cylinder bestehen;
die Schlagadern des übrigen Körpers hingegen zer-
ästeln sich auf die gewöhnliche Weise s). Dieser
Bau steht ohne Zweifel mit den langsamen Bewe-
gungen jener Thiere in Beziehung, und so giebt
es noch manche andere Eigenheiten in dem Fort-
gang der Arterien zu einzelnen Muskeln, die ge-
wiſs auf die Wirkungsart der letztern selber, und
nicht blos der Nerven, einen Einfluſs haben.
Eine andere Frage ist: Ob bey der Zusam-
menziehung eines Muskels ein vermehrter Zufluſs
des Arterienbluts zu demselben eintritt? Ein sol-
ches stärkeres Einströhmen wurde in frühern Zei-
ten von Cowper. Baglivi, Le Cat u. s. w. t)
und unter den Neuern von Prochaskau) ange-
nommen. Man berief sich dabey auf Erfahrun-
gen, nach welchen Wasser, das in die Arterie
eines Gliedes gesprützt ist, eine Anschwellung und
Mus-
[284] Muskelbewegung desselben hervorbringt. Die An-
schwellung bey diesem Versuch entsteht aber wohl
blos von der mechanischen Ausdehnung der Gefä-
ſse v). Die dabey eintretenden Muskelbewegungen
scheinen von der Reitzung der Muskelfasern herzu-
rühren, besonders wenn es richtig ist, was Va-
terw) versichert, daſs der Versuch nur mit kal-
tem, nicht aber mit warmem Wasser gelingt. Da
indeſs kaltes Wasser, blos auf die Oberfläche ei-
nes Muskels gegossen, ebenfalls Zusammenziehun-
gen in demselben verursacht, so läſst sich aus
jenem Versuch nichts in Betreff der Mitwirkung
des Bluts bey der Muskelbewegung schlieſsen.
Barzellotti’s x) Erfahrungen und meine eige-
nen Beobachtungen sind aber auch der obigen
Meinung entgegen. Jener fand an den geöffneten
Blutgefäſsen der Muskeln von Froschschenkeln,
die er vor und nach dem Galvanisiren mit dem
Vergröſserungsglas untersuchte, nie eine Spur von
Blut, das bey der Zusammenziehung der Muskeln
aus den Oeffnungen der Gefäſse hervorgedrückt
worden wäre, und ich habe in den Schwimmhäu-
ten von Fröschen, die ich auf einer Lieberkühn-
schen Maschine ausgespannt hatte, und in deren
Schenkeln ich durch den Metallreitz Zuckungen
erreg-
[285] erregte, niemals eine beschleunigte Bewegung des
Bluts wahrgenommen, sondern im Gegentheil oft
bemerkt, was auch J. Thomsony) beobachtete,
daſs dieses während den Zusammenziehungen der
Muskeln auf Augenblicke stockte z).
Hängt aber die Muskelbewegung auch von
dem Einfluſs der Nerven ab? Diese schwürige
Frage war vorzüglich im letzten Decennium des
achtzehnten Jahrhunderts ein Gegenstand vieler
Streitigkeiten unter den damaligen Physiologen a).
Sie
[286] Sie blieb im Grunde unbeantwortet, theils weil
die
a)
[287] die eigentliche Streitfrage nie fast genug bestimmt
wurde, theils weil zur entscheidenden Beantwor-
tung der Frage Gründe erforderlich sind, die den
Streitern fehlten.
Der Einfluſs der Nerven auf die Muskeln kann
auf eine doppelte Art Bedingung des Wirkens der
letztern seyn:
Erstens, insofern die Nerven den Muskeln
die zum Wirken derselben erforderliche Kraft mit-
theilen, oder die Erzeugung dieser Kraft vermit-
teln;
Zweytens, insofern alle Reitze, welche die
Muskeln zur Thätigkeit erwecken, nur durch die
Nerven zu den Muskeln gelangen.
Beyde Wirkungen können wieder auf eine
zweyfache Art statt finden:
1. Der Muskel wird von dem Nerven in dem
der Zusammenziehung entgegengesetzten Zustand
der Turgescenz erhalten, und der Reitz wirkt da-
durch, daſs er unmittelbar, oder vermittelst des
Nerven diesen Zustand in den entgegengesetzten
umwandelt.
2.
[288]
2. Der Zustand der Turgescenz wird durch den
Einfluſs des arteriellen Bluts hervorgebracht und
unterhalten, und der Reitz wirkt, indem er un-
mittelbar, oder durch Vermittelung des Nerven
diese Turgescenz aufhebt.
So viel ist gewiſs, daſs es zur Entstehung blo-
ſser Zusammenziehungen keines Nerveneinflusses
bedarf. Pallasb) beobachtete, daſs sich verschie-
dene Spongien, selbst wenn sie schon viele Jahre
auſserhalb ihrem Element aufgehoben gewesen
sind, mit einer bewunderungswürdigen Schnellig-
keit und Gewalt augenblicklich zusammenziehen,
als ob sie lebten, wenn man sie in kaltem Was-
ser weichen läſst, bis sie zu ihrer völligen Aus-
dehnung gelangen, und dann mit siedend heiſsem
Wasser übergieſst. Hier ist ein Beweis, daſs es
auch ohne Vitalität Bewegungen geben kann, die
den Zusammenziehungen der Muskeln ganz ähn-
lich sind, und daſs, wie im 1ten Band der Biolo-
gie (S. 61.) erinnert ist, nicht die Art der Reaktio-
nen, sondern die gleichförmige Fortdauer dersel-
ben bey ungleichförmigen Einwirkungen den Cha-
rakter des Lebens ausmacht.
Dieser Charakter kömmt zwar den automati-
schen Bewegungen der Gewächse zu, die ohne
Nerven vor sich gehen. Allein die Pflanzenreitz-
bar-
[289] barkeit ist von dem Lichte abhängig, welches auf
die thierische Reitzbarkeit keinen Einfluſs hat.
Auch die Arterien der Nabelschnur, welche
pulsiren, ohne Nerven zu haben, könnte man als
einen Beweis für die Unabhängigkeit der Muskel-
kraft von der Nervenkraft anführen. Aber daſs
die Pulsationen der Arterien Wirkungen einer Mus-
kelkraft derselben sind, ist eine unwahrscheinliche
Voraussetzung. Ich zweifele zwar nicht, daſs
diese Gefäſse zum Theil Reitzbarkeit besitzen.
Bichatc), der ihnen diese absprach, weil ihre
Fasern mit den eigentlichen Muskelfasern nicht
ganz übereinkommen, scheint mir eben sowohl
Unrecht zu haben, als Berzeliusd), der aus der
Verschiedenheit ihrer Mischung von der chemi-
schen Zusammensetzung der willkührlichen Mus-
keln auf die Abwesenheit der Reitzbarkeit bey ih-
nen schloſs. Die Organe der automatischen Be-
wegungen bey den Pflanzen haben ebenfalls eine
ganz andere Textur und Mischung als die thieri-
schen Muskeln, und sind doch dabey zum Theil
sehr reitzbar. Allein wenn sich nach Zimmer-
mann’s, Lorry’s, Bicker’s und besonders Ver-
schu-
V. Bd. T
[290]schuir’s e) Versuchen nicht läugnen läſst, daſs
ein Theil der Arterien Rückwirkungen gegen Reitze
äuſsert, so beweisen doch Bichat’s f) entgegen-
gesetzte Erfahrungen, daſs nicht allen Schlagadern
Reitzbarkeit zukömmt. Es läſst sich aber auch
aus einer blos örtlichen Verengerung einer gereitz-
ten Arterie keinesweges schlieſsen, daſs der Puls
von automatischen Bewegungen des arteriellen Sy-
stems herrührt. Diese müſsten in einer fortschrei-
tenden Zusammenziehung der Arterier bestehen,
die von mir und andern Beobachtern bey mikros-
kopischen Untersuchungen des Blutumlaufs wohl
an den Arterienstämmen in der Nähe des Herzens,
die freylich Muskelkraft zu besitzen scheinen, nie
aber an den Zweigen und Aesten wahrgenommen
ist. Nur wenn das Thier gereitzt wird, sieht
man zuweilen einzelne Blutströhme sich veren-
gern, oder ganz verschwinden g). Allein es läſst
sich nicht unterscheiden, ob diese Zusammenzie-
hung in den Gefäſsen oder im Blute selber vor-
geht. Im ruhigen Zustand flieſst das letztere so
gleichförmig, daſs an keine Verengerung oder Er-
weiterung der Gefäſse zu denken ist.
Von
[291]
Von diesen Thatsachen lassen sich also keine
Gründe wider die Abhängigkeit der Muskelbewe-
gungen von dem Einfluſs der Nerven hernehmen.
Folgende Erfahrungen werden uns hierüber Auf-
schluſs geben.
1. Alle willkührliche Muskeln werden in Be-
wegung gesetzt, man mag ihre Fasern selber, oder
ihre Nerven reitzen. Der mächtigste unter allen
Reitzen dieser Muskeln ist die bey der Berührung
zweyer verschiedener Metalle entstehende Elektri-
cität, (der Galvanismus und die Voltaische Säule)
die am kräftigsten dann wirkt, wenn man beyde
Metalle, oder beyde Pole der Voltaischen Säule
mit zwey verschiedenen Stellen des Muskels oder
Nerven, oder auf der einen Seite mit jenem, auf
der andern mit diesem unmittelbar oder durch ei-
nen leitenden Körper in Verbindung setzt. Eben
so heftig, doch weniger anhaltend wirkt der elek-
trische Funken. Ferner bringen plötzliche Verän-
derungen der Temperatur, ätzende Alkalien und
mineralische Säuren Muskelbewegungen hervor.
Die mineralischen Säuren bewirken aber auch in
leblosen thierischen Substanzen Zusammenziehun-
gen und geben daher oft unsichere Resultate.
2. Das Herz geräth in Bewegung, wenn man
die Muskelfasern desselben reitzt. Hingegen Reit-
zungen der Herznerven haben auf dasselbe kei-
T 2nen
[292] nen Einfluſs h). Nur nach heftigen Erschütterun-
gen des ganzen Nervensystems, z. B. nach dem
plötzlichen Einstoſsen eines Metalldraths in die
Höhlung der Wirbelsäule und nach Anbringung
von Weingeist, Opium, Tabacksöl und ähnlichen
Substanzen an das Gehirn und Rückenmark, be-
obachtet man einen veränderten, jedoch immer
noch regelmäſsigen Rhythmus der Schläge des Her-
zens, während es durch den Reitz des Bluts fort-
dauernd in Bewegung gesetzt wird i).
Wo-
[293]
Woher diese Verschiedenheit zwischen dem
Herzen und den willkührlichen Muskeln? Ha-
ben etwa die Herznerven etwas Eigenes in ihrer
Bildung, wodurch die Fortpflanzung der an den-
selben angebrachten Reitzungen aufgehalten wird?
Aber wenn dies ist, wozu hat denn das Herz
Nerven, und zwar Nerven, die sich, nach Scar-
pa, darin auf ähnliche Art wie in andern Mus-
keln verbreiten?
Man erhält die Antwort auf diese Fragen und
zugleich die Erklärung der übrigen, bey den au-
tomatischen Bewegungen statt findenden Umstän-
de, wenn man voraussetzt, daſs die Nerven
Bedingungen der Muskelreitzbarkeit
sind, daſs aber nicht alle Reitze durch
die Vermittlung derselben auf die Mus-
keln wirken.
Mit dieser Theorie harmonirt die bey jeder
andern Hypothese nicht befriedigend zu erklärende
Wirkung des Opiums und anderer narkotischer
Mittel. Wäſsrige Auflösungen der letztern erregen
nicht Muskelbewegungen, man mag die Muskeln
selber oder deren Nerven damit bestreichen. Wohl
aber bestehen oft nach der Anwendung derselben
stär-
i)
T 3
[294] stärkere Reaktionen als vorher, wenn an die be-
strichenen Stellen andere Reitze, besonders der
Metallreitz, angebracht werden. Befeuchtet man
mit den nehmlichen Substanzen das verlängerte
Mark und Rückenmark, so wird, je nachdem die
Quantität des Giftes gröſser oder kleiner war, der
Herzschlag dadurch beschleunigt oder langsamer
gemacht, und die schwächende Wirkung mancher
dieser Mittel tritt nicht als Folge vorhergegan-
gener heftiger Reaktionen, sondern unmittelbar
ein k). Der natürlichste Schluſs aus diesen That-
sachen ist, daſs jene Mittel nicht als Reitze wir-
ken, sondern, in geringerer Quantität angewandt,
die Empfänglichkeit für Reitze erhöhen, und daſs
sie diese Exaltation durch ihren Einfluſs auf die
Nerven hervorbringen. Hätten sie auf das Herz
eine reitzende Wirkung, so würden sie auch in
den willkührlichen Muskeln Zusammenziehungen
erregen müssen. Philipl) hat zwar aus den obi-
gen Thatsachen die der unsrigen ganz entgegen-
gesetzte Folgerung gezogen, daſs die Reitzbarkeit
des Herzens und der übrigen Muskeln nicht vom
Nervensystem abhängt, daſs aber die Fortpflan-
zung der Reitze zu jenen Organen durch die Ner-
ven geschieht. Zum Beweise seiner Meinung führt
er an, daſs die Reitzbarkeit der willkührlichen
Muskeln durch heftige Reitzung ihrer Nerven er-
schöpft
[295] schöpft wird, obgleich sie fortdauert, wenn diese
blos durchschnitten werden, und daſs auf gleiche
Weise plötzliche Zerquetschung des Rückenmarks
den Schlag des Herzens bedeutend schwächt, der
bey bloſser Durchschneidung des Rückenmarks un-
geschwächt fortdauert. Diese Thatsachen führen
aber gerade auf das Gegentheil von dem, was
Philip daraus folgert. Heftige mechanische Reitze
erschöpfen die Reitzbarkeit der willkührlichen Mus-
keln erst, nachdem sie anhaltende convulsivische
Bewegungen in denselben hervorgebracht haben.
Der Herzschlag hingegen wird durch Zerstöhrung
des Rückenmarks augenblicklich geschwächt. Die-
se Verschiedenheit beweiet, daſs die letztere Ope-
ration eine ganz andere als reitzende Wirkung
auf das Herz hat.
Die Erscheinungen der reitzbaren Pflanzen
stimmen ebenfalls mit unserer Theorie überein.
Die Irritabilität der Gewächse hat ganz den nehm-
lichen Charakter wie die thierische Erregbarkeit;
nur ist das, was für die letztere die Nerven sind,
für jene das Licht. Dieses unterhält die Reitz-
barkeit der Vegetabilien. Es hat aber diese Wir-
kung nur, so lange der Einfluſs desselben gleich-
förmig ist. Ein plötzlich einfallendes, heftiges
Licht verursacht bey der Mimosa pudica eben so
wohl ein Schlieſsen der Blätter, als die Finster-
niſs und als ein mechanischer Reitz. Auf ähnli-
che Weise erfolgen im thierischen Körper Muskel-
T 4bewe-
[296] bewegungen, wenn die beyden innern Bedingun-
gen der Muskelreitzbarkeit, der Zufluſs des arte-
riellen Bluts und die gleichförmige Einwirkung
des Nervensystems, bey Verblutungen und bey
Durchschneidungen der Nerven plötzlich aufgeho-
ben werden. Nach dieser Aufhebung behält aber
der Muskel immer noch auf einige Zeit ein ge-
wisses Maaſs von Reitzbarkeit, und so besitzt
auch die Mimose, selbst nach gänzlicher Entzie-
hung des Lichts, an den Blattstielen noch Em-
pfänglichkeit für mechanische Reitze m). Da nun
bey diesen Reitzungen alle unmittelbare Mitwir-
kung des Lichts ausgeschlossen ist und die thie-
rischen Muskeln sich in allen übrigen Stücken
wie die reitzbaren Theile der Pflanzen verhalten,
so sind gewiſs auch bey jenen die Nerven blos
Bedingungen der Reitzbarkeit, nicht aber noth-
wendig der Reitzung.
Nach allen den bisherigen Gründen ist es wahr-
scheinlich der Einfluſs der Nervenkraft auf
eine gewisse, aus dem Arterienblut in
die Substanz der Muskeln abgesetzte Ma-
terie, was die Reitzbarkeit derselben
hervorbringt und unterhält.
Diese Materie kann kein anderer als der Ey-
weiſsstoff seyn. Schon im fünften Buch der
Bio-
[297] Biologie n) ist erinnert worden, daſs man in halb-
durchsichtigen, muskulösen Theilen mancher Thie-
re, z. B. in der Bauchscheibe der Weinbergschnek-
ken, während der Thätigkeit derselben wellenför-
mige Bewegungen sieht, die ganz wie die Bewe-
gungen flüssiger Körper erscheinen. Hieraus läſst
sich schlieſsen, und andere Erfahrungen, wie die
Verminderung des Volumens der Muskeln bey der
Zusammenziehung derselben und die zuckenden
Bewegungen, welche das Blut beym Gerinnen äu-
ſsert o), stimmen damit überein, daſs die Verkür-
zung der Muskelfasern in dem plötzlichen Ueber-
gang einer gewissen Substanz derselben aus dem
flüssigen Zustand in den der Festigkeit besteht.
Der Eyweiſsstoff ist die einzige unter den Ele-
mentarsubstanzen sowohl der Pflanzen, als der
Thiere, welche eines solchen Ueberganges fähig
ist. Wir finden ihn auch, und zwar in demsel-
ben Zustand, worin er als Faserstoff im geronne-
nen Blut enthalten ist, in allen muskulösen Or-
ganen. Er macht den Hauptbestandtheil derselben
aus. Er ist desto flüssiger in ihnen, je jünger
das Thier ist, und je reitzbarer die Muskeln sind.
An Fröschen, die ich in siedendem Wasser hatte
sterben lassen, fand ich alle Muskeln eben so
starr wie Eyweiſs, das in der Siedehitze erhärtet
ist.
T 5
[298] ist. Nach Carlislep) entsteht diese Zusammen-
ziehung bey kaltblütigen Thieren in einer Hitze
von 100° F., bey warmblütigen in einer Hitze von
110°. Nach Nystenq) tritt bey allen Thieren,
die ein deutlich entwickeltes Nervensystem haben,
nach dem völligen Tode, also nach dem gänzli-
chen Aufhören des Nerveneinflusses, eine gänzli-
che Steifheit ein, und blos die Muskeln sind der
Sitz dieser Erstarrung, die nicht aus bloſsen phy-
sischen Eigenschaften abgeleitet werden kann, son-
dern von der lebenden Contraktilität abhängt. Die
Zusammenziehung des Muskels entsteht
also von dem Gerinnen des im Blutwas-
ser enthaltenen und aus den letzten En-
den der Arterien in die Substanz der Mus-
keln abgesetzten Eyweiſsstoffs.
Während der Ruhe des Muskels befindet sich
dieser Stoff im flüssigen Zustand, und der Ein-
fluſs der Nerven ist es, der ihn darin erhält. Für
die letztere Voraussetzung spricht das Aufhören
des Blutumlaufs und das Gerinnen des Bluts in
einem einzelnen Theil nach der Durchschneidung
der sämmtlichen Nerven desselben r), so wie die
Fort-
[299] Fortdauer der Flüssigkeit und Bewegung dieses
Safts in Gliedern, deren Muskeln zwar das Zu-
sammenziehungs-Vermögen verloren haben, de-
ren Nerven aber noch Empfindlichkeit besitzen.
Alle Einwirkungen erregen Muskelbewegun-
gen, indem sie jenen Nerveneinfluſs ganz aufhe-
ben, oder unterbrechen. Durch gänzliche Aufhe-
bung desselben verursachen heftige elektrische
Schläge, plötzliche Zerstöhrungen des Rücken-
marks und starke Gaben narkotischer Mittel Zuk-
kungen. Durch temporäre Unterbrechung des Ner-
veneinflusses bringen alle örtliche Muskelreitze Zu-
sammenziehungen hervor. Viele von diesen be-
wirken zugleich ein Gerinnen des Eyweiſsstoffs.
Allein aus einem unmittelbaren, blos chemischen
Einfluſs der Reitze auf diesen Stoff läſst sich die
Verkürzung der Muskeln doch nicht erklären. Al-
kalien sowohl, als Säuren, also ganz entgegen-
gesetzte chemische Agentien erregen Muskelbewe-
gungen, welches nicht seyn könnte, wenn sie
blos auf chemische Art wirkten. Auch läſst sich
von den blos mechanischen Reitzen nicht anneh-
men, daſs sie den Eyweiſsstoff unmittelbar gerin-
nen machen. Diese scheinen auf ähnliche Weise
Muskelbewegungen zu veranlassen, wie Erschüt-
terungen das Wasser, das unter den Gefrierpunkt
erkalten kann, ohne seine Flüssigkeit zu verlie-
ren, so lange es in Ruhe ist, bey der Frostkälte
so-
[300] sogleich zum Gefrieren bringen. Es ist ohne Zwei-
fel ein elektrisches Verhältniſs zwischen dem le-
benden Muskel und dem Reitz, worin der Grund
aller Reitzungen liegt.
Nach der Rückkehr des, durch die Reitzung
unterbrochenen Nerveneinflusses wird der Eyweiſs-
stoff des Muskels wieder flüssig und dieser geräth
in den entgegengesetzten Zustand der Anschwel-
lung. Die Nerven wirken hierbey auf ähnliche
Art wie das Licht, welches die Blätter der reitz-
baren Pflanzen, die sich bey der Abwesenheit des-
selben zusammenziehen, in Expansion versetzt.
Wenn es verstattet ist, auf dieser Analogie weiter
zu bauen, so wird man annehmen dürfen, daſs
die Nerven gleich dem Licht eine desoxydirende
Wirkung haben. Hiermit harmonirt auch die Mei-
nung, die ich im fünften Buch der Biologie s)
geäuſsert habe, daſs der Eyweiſsstoff im Blute
durch ein Alkali aufgelöset ist, und daſs das Ge-
rinnen desselben eintritt, wenn dieses Alkali durch
eine Säure gesättigt wird. Die Nerven erhalten
hiernach den Eyweiſsstoff der Muskeln im flüssi-
gen Zustand, indem sie die Verbindung der alka-
lischen Auflösung desselben mit Sauerstoff verhin-
dern. Dieser Idee gemäſs muſs bey jeder Mus-
kel-
[301] kelcontraktion eine neutrale Verbindung von Al-
kali und Säure entstehen. Eine solche finden wir
in der That auch in den Muskeln an dem Thou-
venelschen Fleischextrakt (Thenard’s Osmazo-
me), einer Zusammensetzung aus milchsaurem Na-
trum und einem thierischen, der Gallerte ähnli-
chen Stoff, von der schon Berzeliust) vermu-
thet hat, daſs sie von einer Zersetzung der ge-
reitzten Muskeln herrührt.
Mit dieser Hypothese ist aber freylich der
ganze Proceſs der Muskelbewegung noch keines-
weges erklärt. Eine wichtige Rolle spielt gewiſs
auch dabey der Kohlenstoff. Wir sahen in fünf-
ten Buch dieses Werks u), daſs eine Hauptwir-
kung des Lichts auf die Pflanzen die Bildung die-
ses Stoffs ist. Wirkt also in der That das Ner-
vensystem im thierischen Körper auf ähnliche Art
wie das Licht im vegetabilischen Organismus, so
muſs der Nerveneinfluſs auch auf die Hervorbrin-
gung von Kohlenstoff gerichtet seyn. Wie bey
den Pflanzen in der Abwesenheit des Lichts koh-
lensaures Gas entweicht, so wird dieses auch bey
dem, während der Muskelbewegungen unterbro-
chenen Nerveneinfluſs abgeschieden werden, und
hieraus ist dann der Ursprung des bey der Aus-
dün-
[302] dünstung und dem Ausathmen entweichenden koh-
lensauren Gas erklärbar.
Nach unserer bisherigen Theorie können die
Muskelfasern keinesweges der einzige Sitz der au-
tomatischen Bewegungen seyn. Diese Meinung
hat schon Homev) geäuſsert und mit dem Bey-
spiel der Blasenwürmer zu beweisen gesucht, de-
ren Bewegungen ganz den Zusammenziehungen
und Ausdehnungen der Muskeln gleichen, obgleich
sich an den frischen Häuten derselben selbst mit
dem Mikroskop keine Fasern entdecken lassen.
Es fehlen überhaupt aber, nach Rudolphi’s w) und
meinen Untersuchungen x), Muskelfasern den mei-
sten Eingeweidewürmern und den Polypen. Selbst
bey den Mollusken bestehen die Bewegungsorgane
meist aus einer schwammigen Substanz, worin
sich nur an einzelnen Stellen Fasern unterscheiden
lassen. Alle Bewegungen jener Zoophyten und
dieser Thiere sind auch mehr Anschwellungen als
Zusammenziehungen. Bey ihnen scheint zum
Theil die Verkürzung blos Folge der aufgehobe-
nen Expansion zu seyn, so wie umgekehrt bey
den Thieren, die wahre Muskelfasern besitzen,
die Ausdehnung oft das Ansehn einer bloſsen Er-
schlaf-
[303] schlaffung hat. Der Bau der wahren Muskelfa-
sern ist aber auch vorzüglich auf Verkürzung ein-
gerichtet. Sie zeigten sich mir immer als lange,
häutige Cylinder, die inwendig mit einer halbflüs-
sigen Materie, worin sich die organischen Elemente
des Eyweiſsstoffs unterscheiden lassen, angefüllt
und auswendig ihrer ganzen Länge nach in kur-
zen, regelmäſsigen Zwischenräumen mit ringför-
migen Queerstrichen besetzt sind y). Gäbe es in
diesen Ringen Scheidewände, so würden die Mus-
kelfasern den nehmlichen Bau besitzen, wie die
Cylinder, woraus die elektrischen Organe des Zit-
terrochens bestehen. Indeſs solche Scheidewände
habe ich nicht entdecken können. Die Queerringe
scheinen mir Falten zu seyn, worin die Verkür-
zung der Fasern vorgeht.
Wir haben bisher die äuſsern, auf die Bewe-
gungsorgane wirkenden Kräfte blos als Reitze be-
trachtet. Es giebt aber auch äuſsere Agentien,
welche die Reitzbarkeit verändern, ohne über-
haupt Erregungen, oder wenigstens solche, die
mit ihrem Einfluſs auf die Reitzbarkeit in Verhält-
niſs stehen, hervorzubringen. Ich habe schon vor
zwanzig Jahren im ersten Theil meiner Physio-
logischen Fragmente (S. 70 fg.) das Vorhan-
denseyn solcher exaltirender und deprimi-
render Potenzen gelehrt, und zugeich gezeigt,
daſs der Ausdruck der erhöhten Reitzbarkeit Tur-
ges-
[304] gescenz ist, so wie sich die verminderte Erreg-
barkeit durch Zusammenziehung äuſsert. Man hat
mir in der damaligen Zeit, wo Alle dem Systeme
Brown’s huldigten, widersprochen, und mich mit
Gründen bestritten, die ich nicht für gültig aner-
kennen konnte. Jetzt, da man nicht mehr in dem
engen Kreis einer Lehre befangen ist, worin das
Wort Reitz das Schwerdt war, mit dem alle
Knoten zerhauen wurden, wird es jedem einleuch-
ten, daſs es Thatsachen in Menge giebt, die sich
nur aus meiner Meinung genügend erklären las-
len. Auf die reitzbare Mimose wirkt offenbar das
Licht nicht als reitzende, sondern als exaltirende
Potenz; die Folge des Einflusses der Sonnenstrah-
len ist Anschwellung aller Theile, also gerade das
Gegentheil von der Zusammenziehung, welche
durch wirkliche Reitze hervorgebracht wird, und
die Expansion tritt so schnell ein, daſs man ein
vermehrtes Einströhmen von Flüssigkeiten in die
ganze Pflanze wohl als Folge, nicht aber als Ursa-
che derselben annehmen kann. Durch eine gleich-
förmige Wärme wird ebenfalls die Reitzbarkeit al-
ler Thiere und Pflanzen, und zugleich die Tur-
gescenz derselben erhöhet, obgleich sie für sich
weder in den reitzbaren Gewächsen, noch in thie-
rischen Bewegungsorganen, die vom Ganzen ge-
trennt sind und worauf keine wirkliche Reitze
Einfluſs haben, Reaktionen erregt. Das Bestrei-
chen eines Muskels mit wäſsriger Mohnsaftauflö-
sung
[305] sung verursacht keine Zusammenziehungen des-
selben; reitzt man aber die bestrichenen Stellen,
so erfolgen oft stärkere Reaktionen als vorher.
Läſst man hingegen Salpetergas auf ihn wirken,
so findet man ihn aller Reitzbarkeit beraubt z).
Nur aus jener Voraussetzung läſst es sich
auch erklären, wie die von der anhaltenden Ein-
wirkung eines und desselben Reitzes erschöpfte
Reitzbarkeit durch Reitze anderer Art wieder auf-
geregt und durch diese sogar die Empfänglichkeit
für den erstern wieder erweckt werden kann.
Zahlreiche Beobachtungen über solche Herstellun-
gen der Empfänglichkeit für den Galvanischen
Reitz durch chemische Mittel enthält Humboldt’s
Werk Ueber die gereitzte Muskel- und
Nervenfaser. Pfaffa) hat dagegen erinnert,
daſs hier nicht die Reitzbarkeit ersetzt, sondern
die absolute Stärke des Galvanischen Reitzmittels
durch die chemischen Agentien vermehrt worden
wäre. Diese Einwendung gilt allerdings gegen
manche jener Versuche. Allein nach meinen Er-
fahrungen muſs ich doch glauben, daſs chemi-
sche Agentien auch einen Einfluſs auf die Reitz-
barkeit selber haben. Unter andern machte ich
im
V. Bd. U
[306] im April 1799 an den abgeschnittenen Hinterschen-
keln eines Frosches, woran eine Nervenarmatur
von Zink mit einer Muskelarmatur von Eisen
starke Zusammenziehungen hervorbrachte, folgen-
de Beobachtungen. Ich bestrich sowohl die Ner-
ven als die Muskeln mit Belladonna-Extrakt, rei-
nigte dann beyde wieder aufs sorgfältigste mit
destillirtem Wasser, und prüfte jetzt die Reitz-
barkeit der Schenkel von neuem mit den beyden
vorigen Armaturen. Es erfolgten nur noch drey
sehr schwache Bewegungen. Ich tauchte den
Schenkel in Oleum tartari per deliquium, wusch
ihn sorgfältig ab, und brachte die vorigen Arma-
turen auf die nehmliche Weise wie vorhin an.
Das Glied zuckte wieder lebhaft. Als auch jetzt
die Reitzbarkeit wieder so weit gesunken war,
daſs eine Nervenarmatur von Zink mit einer Mus-
kelarmatur von Silber keine Zusammenziehung
mehr bewirkte, gelang es mir durch nochmaliges
Eintauchen des Schenkels in Oleum tartari per
deliquium, denselben von neuem für den Reitz des
Zinks und Silbers empfänglich zu machen.
Diese Erfahrungen beweisen zugleich, daſs
die Vermehrung oder Verminderung der Reitzbar-
keit, welche die exaltirenden und deprimirenden
Po-
[307] Potenzen hervorbringen, nicht immer nach allen
Richtungen, sondern oft nur von gewissen Seiten
statt findet, und zwar insofern, als bey Erhö-
hung der Empfänglichkeit für eine gewisse Art
von Reitzen die Receptivität für Reitze anderer
Art unverändert bleibt oder selbst herabgestimmt
wird, und umgekehrt. Das Nehmliche zeigt sich,
wenn man die Nerven eines Froschmuskels mit
Zink, den Muskel selber mit Silber armirt, und
die Kette eine Zeit lang geschlossen läſst. Eine
solche Kette bewirkt oft eine erhöhete Reitzbar-
keit, die sich durch sehr heftige, bey der Tren-
nung der Metalle eintretende Zuckungen äuſsert.
Diese Erhöhung findet aber blos in Beziehung
auf jene Kette statt. Ich habe in mehrern Fällen
Froschschenkel, die sich zwischen den erwähnten,
geschlossenen Armaturen befanden, mit zerflosse-
nem Weinsteinöl bestrichen, aber niemals nach
diesem Reitz unter solchen Umständen stärkere
Zusammenziehungen erfolgen sehen, als er schon
vorher in den unbewaffneten Gliedern erregt
hatte.
Es ist überhaupt ein Gesetz, welches, nach-
dem der Begriff der Reitzbarkeit einmal festge-
setzt war, bald entdeckt werden muſste und auch
U 2bald
[308] bald entdeckt wurde, daſs jedes organische Sy-
stem seine eigenen Reitze hat, von denen es vor-
zugsweise in Thätigkeit gesetzt wird, daſs es eine
specifische Reitzbarkeit der einzelnen Theile
giebt b). So besitzen die willkührlichen Muskeln
eine specifische Empfänglichkeit für den Reitz des
Willens, das Herz für den Reitz des Bluts, die
Iris für den Einfluſs des Lichts u. s. w. Diese
Eigenschaft erstreckt sich auch auf die verschie-
denen Arten der lebenden Körper und auf die ver-
schiedenen Individuen einer und derselben Art.
Jedes Wesen wird von der äuſsern Welt auf seine
eigene Weise erregt. Es giebt, wie im dritten
Abschnitt des vorigen Buchs erwähnt ist, Bey-
spiele von Menschen, worauf sogar die Kraft,
die sonst auf alles Lebende heftiger als jeder an-
dere Reitz wirkt, die Elektricität, keinen Ein-
druck machte.
Man
[309]
Man kann mit Wahrscheinlichkeit annehmen,
daſs die Reitzbarkeit durch jede anhaltende Ein-
wirkung nicht nur in der Quantität, sondern auch
in der Qualität verändert wird, und daſs alle
Reitze in Beziehung auf andere zugleich als exal-
tirende und deprimirende Potenzen wirken. Jeder
Reitz vermindert nach einer gewissen Dauer sei-
nes Einflusses für sich selber die Empfänglichkeit
der Organe; aber er vermindert sie nicht noth-
wendig für andere Reitze, so lange noch Ersatz
der Reitzbarkeit möglich ist. Erst wenn das Blut
seine zum Leben nothwendige Beschaffenheit ver-
loren hat und das Nervensystem erschöpft ist,
tritt allgemeine Abstumpfung der Reitzbarkeit ein.
Die Verminderung der Erregbarkeit, die ein
Reitz, der nicht so heftig ist, daſs er gleich völ-
lige Erschöpfung nach sich zieht, bey längerer
Einwirkung in Beziehung auf sich selber hervor-
bringt, erfolgt aber oft erst nach vorhergegange-
ner Zunahme der Lebensbewegungen. Der Ein-
fluſs desselben ist nicht auf die Theile, die er
unmittelbar trifft, beschränkt. Immer werden auch
andere Organe mit in Thätigkeit gezogen, die
wieder auf den ursprünglich erregten Theil zu-
rückwirken, und bey der neuen Einwirkung des
U 3er-
[310] ersten Reitzes die Erregung verstärken. Man sicht
dies vorzüglich bey mechanischer Reitzung des
Ventrikels eines ausgeschnittenen Froschherzens,
dessen Erregbarkeit schon so weit gesunken ist,
daſs die Bewegungen desselben nicht mehr zu
schnell auf einander folgen. Die nach der ersten
Anwendung des mechanischen Reitzes folgende Zu-
sammenziehung des Ventrikels wirkt dann als er-
regend auf die Aurikel, die Systole der letztern
zurück auf jenen, u. s. w. Durch wiederholte
Anbringungen des äuſsern Reitzes werden diese
Bewegungen verstärkt, doch nur bis zu einer ge-
wissen Gränze, jenseits welcher wieder Abnahme
derselben und endlich völlige Ruhe eintritt. Et-
was Aehnliches läſst sich auch an willkührlichen
Muskeln, deren Reitzbarkeit schon gesunken ist,
bey Anwendung des Metallreitzes beobachten, wel-
cher in solchen Theilen oft erst nach wiederhol-
ten Oeffnungen und Schlieſsungen der Kette Zu-
sammenziehungen erregt, die anfangs nur auf ein-
zelne Faserbündel beschränkt sind, und erst bey
fortdauernder Reitzung sich über den ganzen Mus-
kel ausbreiten. In diesen Fällen ist es nicht Zu-
nahme der Reitzbarkeit, sondern der Stärke des
Reitzes, was die Vermehrung der Lebensbewegun-
gen
[311] gen verursacht. Es bleibt also zwar ein Grund-
gesetz der Biologie, daſs die Erregbarkeit bey fort-
dauernder Erregung vermindert wird, doch ein
Gesetz, das nur von einerley, nicht von verschie-
denartigen Reitzen gilt.
Wenn die bisherigen Sätze richtig sind, so
muſs die Reitzbarkeit des einzelnen Theils immer
abhängig von der Beschaffenheit des ganzen Kör-
pers und von andern vorhergegangenen Einwir-
kungen seyn. So verhält es sich in der That
auch. Nie wirkt ein Reitz zu der einen Zeit
ganz wie zu der andern. Ich habe viele Versuche
über den Einfluſs des Opiums, der Belladonna,
des Kirschlorbeerwassers und des Weingeists auf
die Reitzbarkeit der willkührlichen Muskeln und
des Herzens an Fröschen gemacht, von keinem
dieser Mittel aber eine beständige Wirkung wahr-
genommen. Bald erhöheten sie die Erregbarkeit,
bald deprimirten sie dieselbe, und bald brachten
sie gar keine Veränderung hervor. Man hat jene
Wahrheit nicht gehörig anerkannt oder anerken-
nen wollen, und nach einzelnen Erfahrungen Ge-
setze der Muskelbewegung aufgestellt, die nichts
weniger als allgemein sind. Besonders trifft die-
ser Vorwurf Ritter’n, der aus seinen Versuchen
U 4über
[312] über den Einfluſs der Galvanischen Ketten auf
die thierische Reitzbarkeit mehrere Sätze gefolgert
hat, die höchstens als Regeln, nicht aber als Ge-
setze gelten können. Er gab als ein allgemeines
Gesetz an, daſs die Reitzbarkeit in einzelnen Mus-
keln erhöhet wird, wenn deren Nerven mit Sil-
ber, sie selber mit Zink armirt sind, und diese
Kette eine gewisse Zeit geschlossen bleibt c).
In vielen Fällen haben solche geschlossene Ketten
freylich diese Wirkung. Daſs der Erfolg aber
nichts weniger als beständig ist, sondern durch
den Zustand der Reitzbarkeit, durch den Einfluſs
anderer, vor der Anbringung der Metalle ange-
wandter Reitze und durch eine Menge sonstiger
Umstände modifizirt wird, ergiebt sich sowohl aus
meinen Erfahrungen d), als aus Pfaff’s Versu-
chen e). Späterhin glaubte Ritter auch eine
entgegengesetzte Reitzbarkeit in den Extensoren
und Flexoren der Gliedmaaſsen bemerkt zu ha-
ben
[313] ben f). Aber diese Entdeckung hat sich gar nicht
bestätigt g).
Alles dies setzt voraus, daſs Erregbarkeit nicht
eine Eigenschaft ist, wovon jeder lebende Körper
bey seinem Entstehen nur ein gewisses Maaſs
empfängt, sondern daſs es einen Ersatz derselben
giebt. Die Anhänger Brown’s haben diesen ge-
läugnet, oder wenigstens behauptet, die Erschei-
nungen, die für denselben zu sprechen schienen,
lieſsen sich auch ohne ihn erklären. Allein ihr
Beweis fängt von der unbewiesenen und uner-
weislichen Behauptung an, daſs der Ersatz der
Erregbarkeit von vorhergegangener Erregung ab-
hängen müsse. Nie ist auch von ihnen genügend
die Frage beantwortet worden: Wie eine, sich
fortdauernd gleich bleibende und mit gleichen Zwi-
schenräumen von Ruhe abwechselnde Erregung
ohne Ersatz der Erregbarkeit möglich seyn könne?
Der scharfsinnigste unter ihnen, Niemeyerh),
sahe keinen andern Ausweg als vorauszusetzen,
daſs
U 5
[314] daſs das Aufhören und die Erneuerung der Er-
regung in diesem Fall eben so gut von der, aus
dem Gegenwirken der gereitzten Organe entste-
henden Verzehrung des Reitzes, als von der Ver-
zehrung und dem Ersatz der Erregbarkeit abge-
leitet werden könne. Niemeyer übersah aber,
daſs der Reitz von dem erregten Organ nicht ver-
ändert werden kann, ohne daſs dieses selber eine
Veränderung erleidet, und daſs hiervon nothwen-
dig eine Veränderung der Reitzbarkeit die Folge
seyn muſs.
Die sämmtlichen bisherigen Sätze sind noch
einer weitern Ausführung fähig. Eine solche wür-
de indeſs tiefere Untersuchungen über die Wir-
kungsart des Nervensystems erfordern, wozu erst
im folgenden Buch der Ort seyn wird. Auf die-
ses versparen wir daher die nähere Erklärung der-
jenigen Erscheinungen der Bewegungsorgane, die
mit den Funktionen des Nervensystems in enge-
rer Beziehung stehen.
Ge-
[[315]]
Geschichte
des
physischen Lebens.
Achtes Buch.
[[316]][[317]]Achtes Buch.
Verrichtungen des Nervensystems
im Allgemeinen.
Das ganze Leben ist ein tiefes Geheimniſs, aber
vorzüglich sind es die Erscheinungen des Systems,
wozu wir uns jetzt wenden. Man hat sich einge-
bildet, das Dunkel wäre erhellet, indem man
diese Phänomene unter die nehmlichen Gesetze
brachte, welchen die automatischen Bewegungen
unterworfen sind. Es giebt freylich Thätigkeiten
des Nervensystems, die nur auf Veranlassung äu-
ſserer Einflüsse erfolgen; es giebt aber auch Wir-
kungen desselben, die entweder ununterbrochen
das ganze Leben hindurch vor sich gehen, oder
in gewissen Perioden entstehen, ohne unmittelbar
durch äuſsere Ursachen erregt zu seyn. Mit an-
dern Worten: die Verrichtungen jenes Systems
sind theils Folgen einer ähnlichen Reitzbarkeit,
wie den Muskeln eigen ist, theils aber in einer
Autonomie desselben begründet. Diese, bisher
ent-
[318] entweder ganz verkannte, oder zu wenig gewür-
digte Autonomie desselben näher zu bestimmen,
wird ein Hauptzweck unserer gegenwärtigen Un-
tersuchungen seyn.
Ehe wir aber die Funktionen des Nervensy-
stems betrachten, werden wir zuvörderst Eini-
ges über die Organisation desselben bemerken.
Erster
[319]
Erster Abschnitt.
Vorläufige Bemerkungen über die
Organisation des Nervensystems.
Was ist das Charakteristische der Nervensub-
stanz? Ist sie einerley mit der Substanz des Hirn-
und Rückenmarks, oder von dieser verschieden?
Giebt es wesentliche Verschiedenheiten zwischen
der grauen Materie und dem Mark dieser Einge-
weide? Wie verhält sich die innere Bildung der
Nerven in den Geflechten, den Ganglien und den
Organen des animalischen und vegetativen Le-
bens? Welche Veränderungen der Gestalt erleidet
das ganze Nervensystem in den verschiedenen Clas-
sen und Familien der Organismen vom Menschen
an bis zu den Zoophyten?
Auf diese Fragen stoſsen wir bey allen Unter-
suchungen über die Verrichtungen des Nervensy-
stems. Es fehlt noch Vieles an der Zahl sicherer
Erfahrungen, die zu ihrer genügenden Beantwor-
tung erforderlich ist. Was mir indeſs von eige-
nen
[320] nen und fremden Beobachtungen über jene Ge-
genstände der Wahrheit am nächsten zu kommen
scheint, werde ich als Bruchstücke eines gröſsern
Werks hier mittheilen.
Man hat bisher bey der Untersuchung des
thierischen Baus die Beschaffenheit der organischen
Elemente desselben entweder, aus einem unge-
gründeten Vorurtheil gegen den Gebrauch der Ver-
gröſserungsgläser, zu wenig beachtet, oder doch
mit zu wenig Methode bestimmt. Wer das Mi-
kroskop gehörig anzuwenden versteht und mit
demselben die ursprünglichen organischen Bestand-
theile der Hirn-, Rückenmarks- und Nervensub-
stanz unbefangen beobachtet, wird mit mir fin-
den, daſs diese [ni]chts anders sind als ein Schleim-
stoff, welcher mit einer eigenen weiſslichen Flüs-
sigkeit getränkt ist. Jener Stoff besteht aus den-
selben Elementen, wie alles übrige thierische Zell-
gewebe; dieser Saft hingegen ist eine eigene, dem
männlichen Saamen verwandte Materie. Nur in
dem letztern läſst sich also der Grund der eigen-
thümlichen Funktionen des Nervensystems aufsu-
chen.
Zwischen der grauen Substanz und dem Mark
des Gehirns finde ich keinen andern als blos den
Unterschied, daſs jene reicher an Blutgefäſsen ist.
Es giebt nur bey den Thieren der vier höhern
Classen, die rothes Blut führen, einen deutli-
chen
[321]chen Unterschied zwischen Rinde und Mark,
und bey ihnen hat das Mark in der ersten Zeit
des Lebens, wo dasselbe mehr Cruor als in spä-
tern Zeiten enthält, eine nicht viel hellere Farbe
als die Rinde. Bey den Amphibien und Fischen
ist jener Unterschied geringer als bey den erwach-
senen Säugthieren. Am Gehirn der Insekten und
Würmer habe ich nie verschiedene Substanzen be-
merken können *). Wir finden auch in den Nie-
ren, in der Leber a) und selbst in den gelben
Körpern der Eyerstöcke b) eine Verschiedenheit
der äuſsern und innern Substanz, die offenbar
nur von der Vertheilungsart der Gefäſse herrührt.
Die Rinde würde in Weingeist nicht so schnell
ihre Farbe verlieren und dem Mark ähnlich wer-
den, wie in der That der Fall ist, wenn sie eine
andere Mischung als diese besäſse. Die Farbe der
Rin-
V. Bd. X
[322] Rindensubstanz endlich wird eben so wie die Far-
be des Bluts durch Alkalien erhöhet.
Nach Gallc) ist die Rinde die erzeugende
und ernährende Materie des Marks, weil allent-
halben, wo das letztere an Masse zunimmt, auch
jene in gröſserer Menge vorhanden ist, und alle
Nerven aus einer Anhäufung von Rinde entsprin-
gen, deren Quantität mit der Gröſse dieser Ner-
ven in Verhältniſs steht. Gegen diese Behauptung
sprechen mehrere Gründe. Man vergleiche das
Gehirn der Vögel mit dem des Menschen in Hin-
sicht auf das Verhältniſs beyder Hirnsubstanzen.
Dort wird man sehr viel Rinde und wenig Mark,
hier umgekehrt viel Mark und wenig Rinde fin-
den. Zur Hervorbringung des Edlern sollte es
also eines geringern Aufwandes von ernährender
Substanz als zur Erzeugung des Niedern bedür-
fen? Daſs alle Nerven aus grauer Substanz ent-
stehen, ist ungegründet. Die Nerven des Rücken-
marks haben gar keinen Zusammenhang mit der
grauen Substanz dieses Theils. An einer dünnen
Scheibe von dem Rückenmark des Frosches und
einer mit demselben verbundenen Nervenwurzel
habe ich unter dem Vergröſserungsglas die Sub-
stanz der Wurzel in das Mark übergehen sehen,
nicht aber irgend eine Verbindung zwischen ihr
und der Rinde gefunden.
Die
[323]
Die Hirn- und Rückenmarkssubstanz enthält
geronnenen Eyweiſsstoff, dessen Erhärtung mit
dem Alter zunimmt, und durch alle die Mittel,
die sonst auf denselben wirken, z. B. Hitze, mi-
neralische Säuren, Weingeist, Naphten und Me-
talloxyde, vermehrt wird. Dieser Stoff coagulirt
immer in parallelen Schichten, wie man an jedem
hart gesottenem Ey und an allem, in der Hitze
geronnenem Blutwasser sieht. Solche Schichten
findet man in jedem Gehirn, das während des
Lebens von Alter einen gewissen Grad von Härte
angenommen hat, oder nach dem Tode dem Ein-
fluſs der erwähnten Mittel ist ausgesetzt worden.
In einem völlig erhärteten Gehirn entsteht von
ihnen der muschlige Bruch, wovon Reil in sei-
nen Aufsätzen über das Gehirn d) spricht, bey
dessen Untersuchung er Salpetersäure, Alcohol und
andere der stärksten zusammenziehenden Mittel
anwandte. In einem Gehirn, das noch einige
Weichheit besitzt, nehmen sie, mit dem Stiel des
anatomischen Messers geschabt, oder nach gewis-
sen Richtungen durchschnitten, die Gestalt von
Fasern an. Von solcher Art sind viele der Fa-
sern, die Gall im Gehirn entdeckt zu haben
glaubt. Aber der gröſste Theil dieses Eingewei-
des hat nicht eine fasrige, sondern blättrige Tex-
tur. Aus Blättern bestehen alle Windungen des
gro-
X 2
[324] groſsen und kleinen Gehirns, so wie auch der
Balken und die äuſsere Substanz der Varolischen
Brücke. In jenen liegen sie meist perallel mit
der äuſsern Fläche der Windungen; im Balken
und der Varolischen Brücke haben sie eine ver-
tikale Stellung. Auf den Flächen solcher Durch-
schnitte dieser Theile, worauf blos die Ränder
der Blätter sichtbar sind, glaubt man Fasern zu
erblicken. Biegt man aber diese scheinbaren Fa-
sern aus einander, so findet man concentrische
Schichten. Wirkliche Fasern giebt es in den Py-
ramiden des verlängerten Marks, den Schenkeln
des groſsen Gehirns, den gestreiften Körpern, den
Sehehügeln, dem vordern und hintern Queerbänd-
chen und dem Gewölbe. Sie machen, wie die Ner-
venfasern, Bündel aus, die sich verbinden und zer-
ästeln. Im Innern der Varolischen Brücke, in den
Hirnschenkeln und den Sehenervenhügeln liegen
sie schichtenweise. Neben ihnen findet man al-
lenthalben Massen sowohl von Mark als von Rin-
de, die theils aus Blättern bestehen, theils weder
blättrig noch fasrig sind.
Eben so wenig als das ganze Gehirn hat das Rük-
kenmark allenthalben einen fasrigen Bau. Keuf-
fele) fand zwar in sehr dünnen Queerscheiben von
Stücken des Rückenmarks, die in einer Lauge von
ätzen-
[325] ätzendem Kali gelegen hatten, ein netzförmiges
Gewebe der feinsten Fasern, die in der äuſsern
weiſsen Masse zum Theil vom Umfange zum Mit-
telpunkte gingen und mitunter ziemlich dick wa-
ren, in der innern grauen Masse eine völlig netz-
artige Struktur ohne alle vorherrschende Richtung
und nicht die Dicke wie jene hatten. Zugleich
sahe er in dem, der Länge nach aufgeschnittenen
Rückenmark deutliche Längenfasern. Er nimmt
an, daſs die über einander liegenden Queerfibern,
obgleich sich nicht völlig deckend, doch in Häu-
ten zusammenflieſsen, die sich in der Länge vom
Anfang bis zum Ende des Rückenmarks, in der
Breite wie die einzelnen Fibern vom Umfange zum
Mittelpunkt erstrecken, und neben einander liegen-
de, längslaufende Canäle bilden, worin das Mark
enthalten ist. Aber diese Hypothese muſs jeder
höchst unwahrscheinlich finden. Ich kann die
Queerfibern für nichts anders als Blutgefäſse halten.
Wahre, längslaufende Fasern habe ich bis jetzt
nie in frischem Rückenmark gesehen. In solchem,
welches in Alcohol oder Sublimatwasser gelegen
hatte, traf ich zwar hin und wieder längslaufende
Streifen an. Diese aber zeigten sich bey genaue-
rer Untersuchung als die Ränder ähnlicher con-
centrischer Schichten, wie in den Hirnwindungen
enthalten sind. Nur da, wo die Wurzeln der
Nerven des Rückenmarks aus der Substanz des-
selben ihren Ursprung nahmen, waren die, an
X 3den
[326] den übrigen Stellen unregelmäſsig neben einan-
der liegenden, organischen Elemente des Marks
bis auf eine kurze Strecke in geraden Linien an
einander gereihet.
Anders verhält es sich mit den Nerven. In
diesen bildet die nehmliche Substanz, woraus das
Gehirn und Rückenmark besteht, längslaufende,
äuſserst zarte Fäden, die sich, von ganz frischen
Nerven genommen und so behutsam wie möglich
behandelt, unter starken Vergröſserungen als ein-
fache Reihen von Kügelchen zeigen. In den Ner-
ven der rothblütigen Thiere ist jeder dieser Fä-
den in einer häutigen Scheide (Reil’s Neuri-
lem) eingeschlossen. Fontanaf) glaubte gefun-
den zu haben, daſs die letztere aus einer äuſsern
und innern Haut bestände, und daſs die äuſsere
aus höchst feinen, längslaufenden, geschlängelten
Cylindern zusammengesetzt wäre. Diese Cylinder
scheinen mir aber blos Falten zu seyn, in wel-
chen das Nervenmark mit der innern Wand der
häutigen Röhren genauer als andere Stellen ver-
bunden ist. Eine doppelte Haut der Scheide habe
ich nie bemerken können. In den Nerven der
Mollusken, Insekten und Würmer konnte ich nicht
einmal einfache Scheiden an den letzten Nerven-
fäden mit Bestimmtheit wahrnehmen. Ich fand
zwischen den letztern zwar dunkele, längslaufen-
de
[327] de Streifen, und ich glaube auch, daſs hier eben
so wohl als bey den höhern Thieren die letzten
Nervenfasern in Häuten eingeschlossen sind. Aber
diese müssen wenigstens hier von auſserordentli-
cher Feinheit seyn g).
An vielen Stellen gehen die Nervenfäden auf
ziemlich weite Strecken parallel neben einander
fort, ohne sich mit einander zu verbinden. Al-
lenthalben aber, wo die Nerven Geflechte ma-
chen, anastomosiren die Scheiden der Fäden mit
einander. Ob sich diese Vereinigung auch auf die
Marksubstanz der Fäden erstreckt, habe ich bis-
her nicht erkennen können.
Sehr verschieden von den bloſsen Geflechten
(plexus) sind die Knoten (ganglia) der Nerven.
Es fehlt uns noch viel an einer genauen Kennt-
niſs des innern Baus der letztern. Allein daſs
nicht bloſse Verbindungen und Trennungen der
Nervenfäden in ihnen statt finden, kann man we-
nigstens für ausgemacht annehmen. Vergleiche
ich die bisherigen Untersuchungen dieser Organe,
besonders die von Lancisih), Haasei), Pfef-
fin-
X 4
[328]fingerk), Scarpal), Reilm) und Carusn) an-
gestellten, unter sich und mit den meinigen, so
scheinen mir folgende Sätze die Summe dessen
zu seyn, was sich mit Wahrscheinlichkeit von der
innern Struktur dieser Theile angeben läſst.
Die Ganglien sind in einer doppelten Haut
eingeschlossen. Beyde bestehen aus verdichtetem
Zellgewebe und sind an verschiedenen Knoten
von verschiedener Dichtigkeit. Von ihrer gröſsern
oder geringern Stärke rührt die verschiedene Härte
der Knoten her.
Die meisten Ganglien zeichnen sich durch eine
röthliche Farbe vor den übrigen Theilen des Ner-
vensystems aus, die ohne Zweifel in einem gro-
ſsen Reichthum an Blutgefäſsen ihren Grund hat.
An dieser Farbe nehmen auch die aus ihnen ent-
springenden Nerven bis auf eine gewisse Strecke
Antheil. Nerven, die selber keine Knoten haben,
sich aber mit den Knoten anderer Nerven ver-
binden, sind bis zu dieser Verbindung von wei-
ſser, nach derselben aber von röthlicher Farbe.
Die Masse aller Nervenknoten ist weit gröſser
als daſs sie blos von den zu ihr gehenden Ner-
ven
[329] ven und Gefäſsen gebildet seyn könnte. Es muſs
zur Substanz der letztern noch ein anderer Be-
standtheil hinzukommen, wovon sie ihre gröſsere
Masse haben. Dieser zeigt sich an den meisten
Knoten der Rinde des Gehirns ähnlich. Sie sind
also in gewisser Hinsicht untergeordnete Gehirne.
Es findet nicht, wie in den Geflechten, eine
bloſse Verbindung, sondern eine völlige Auflösung
der zu ihnen gehenden Nervenfäden statt, und
die aus ihnen entspringenden Fäden sind nicht
Fortsätze der letztern, sondern, zum Theil we-
nigstens, ganz neue Spröſslinge.
Indeſs hiervon giebt es auch Ausnahmen. In
Betreff der Rückenmarksknoten hat Scarpao) ge-
zeigt, daſs sie von den übrigen Ganglien sehr
verschieden sind, indem die Fasern der zu ihnen
gehenden Nerven in ihnen fast parallel neben ein-
ander fortlaufen, sich blos von einander entfer-
nen und in die Fäden ihrer Zweige sich unmit-
telbar fortsetzen, auch daſs blos die hintern Rük-
kenmarksnerven zu diesen Knoten anschwellen,
die vordern hingegen nur durch Zellgewebe mit
denselben verbunden sind und sich erst bey ih-
rem weitern Fortgang mit den hintern Nerven
inniger vereinigen. Auf ähnliche Weise laufen
die Fasern der kleinern, und, wie es scheint,
auch
X 5
[330] auch mehrere der gröſsern Portion des fünften
Hirnnerven an dem Gasserschen Ganglion, zu wel-
chem die letztere bey ihrem Durchgang durch die
harte Hirnhaut anschwillt, herab, ohne darin ein-
zudringen p).
Die meisten Knoten haben mehrere Wurzeln.
Manche sind auch blos Anschwellungen eines ein-
zigen Nerven. Man hat diese bisher nicht genug
beachtet, und es sind daher einigen Nerven, die
Ganglien zu besitzen scheinen, dieselben nicht von
allen Anatomen zugeschrieben. Dies ist nament-
lich mit dem herumschweifenden Nerven der Fall,
der, wie Prochaskaq) schon erinnert hat, in der
Gegend des Halses eine knotenartige Stelle besitzt.
Nach Gallr) ist die Substanz der Ganglien
die ursprüngliche, ja sogar die ernährende Materie
der Nerven. Diese Hypothese, die blos zum Be-
huf des Systems ihres Urhebers ersonnen ist, fällt
sogleich zusammen, wenn es wahr ist, daſs die
Nerven ein weiteres Gebiet als die Ganglien ha-
ben. So aber verhält es sich wirklich. Die Ner-
vensubstanz ist viel weiter bis zu den Zoophyten
herab verbreitet, wie man bisher geglaubt hat.
Ot-
[331]Ottos) fand Nerven in der Leber-Egel (Fascio-
la hepatica), Tiedemannt) in den Asterien, Le
Sueuru) in den Pyrosomen, Cuvierv), J. F.
Meckel und H. F. Schalckw) in den Ascidien.
Es giebt hier freylich auch Ganglien. Aber die
Gröſse derselben ist so gering gegen die der Ner-
ven, daſs es widersinnig seyn würde, diese von
ihnen abzuleiten. Auch bey den Würmern sind
die Ganglien nur sehr geringe Anschwellungen der
Nerven. Bey den Mollusken und Insekten treten
diese Theile sehr ausgebildet hervor. Sie verlie-
ren sich aber wieder bey den Fischen und Am-
phibien. An dem Nervensystem des Frosches habe
ich keine wahre Ganglien als die Rückenmarks-
knoten gefunden, und diese sind nicht viel grö-
ſser als der erste Brustknoten der Biene x).
Die Rückenmarksknoten sind überhaupt unter
allen Ganglien am weitesten im Thierreich ver-
breitet. Der Bauchstrang der Insekten und Wür-
mer
[332] mer läſst sich nur mit den, zu einem symmetri-
schen Ganzen verschmolzenen Rückenmarkskno-
ten der höhern Thiere vergleichen *). Man nennt
zwar jenen Theil das Rückenmark, aber sehr
uneigentlich. Schon seine Lage auf der Bauchseite
deutet auf eine groſse Verschiedenheit desselben
von dem Rückenmark der vier obern Thierclas-
sen. Bey den Spinnen und Phalangien, die doch
in andern Stücken mit den übrigen Insekten ver-
wandt sind, giebt es auch einen solchen Strang
nicht mehr, sondern, wie bey den Mollusken,
einzelne Ganglien, die nicht in gerader Richtung
hinter einander liegen y). Ein wahres Rücken-
mark findet sich blos bey den Säugthieren, Vö-
geln, Amphibien und Fischen, und dieses ist,
wie man besonders deutlich am Frosche sicht,
eine
[333] eine aufgerollte Platte. die auswendig aus Mark,
inwendig aus Rinde besteht, und woran sich ih-
rer ganzen Länge nach nirgends eine Verschieden-
heit der Textur bemerken läſst. Gall’s z) Be-
hauptung, daſs dieser Theil eine Zusammenset-
zung von Ganglien sey, und zwar eben so vie-
ler, als Nervenpaare daraus entstehen, ist eben
so unrichtig, wie viele seiner übrigen Sätze. Ich
finde so wenig wie Keuffela), Arsakyb) und
Carusc) an jeder Stelle, wo ein Nervenpaar aus
dem Rückenmark hervortritt, eine Anschwellung.
Nur bey den Triglen scheint das verlängerte Mark,
von oben angesehen, aus Knoten zusammenge-
setzt zu seyn c*). Indeſs sehe ich bey Trigla
Gurnardus, daſs die Anschwellungen blos auf der
obern Fläche des verlängerten Marks vorhanden
sind; daſs der untere Theil des letztern von dem
obern durch eine Furche getrennt ist und nichts
Aehnliches zeigt; endlich, daſs von den Nerven
jenes Organs nur die drey vordersten aus den
Anschwellungen, die übrigen hingegen aus die-
sem untern Theil entspringen.
Eine
[334]
Eine andere Hypothese hat J. F. Meckeld)
vorgetragen. Dieser glaubt. daſs bey den niedern
Thieren das Rückenmark und der sympathische
Nerve der Wirbelthiere zu einem einzigen Gan-
zen verschmolzen sind. Aber der Bauchstrang der
Insekten und Würmer hat eine ganz symmetri-
sche Bildung, die dem sympathischen Nerven fehlt;
hingegen haben die zerstreuten Ganglien des Ner-
vensystems der kopflosen Mollusken nichts von
der Symmetrie des Rückenmarks.
Meines Erachtens läſst sich also keine Ansicht
des Bauchknotensystems der niedern Thiere als
die obige rechtfertigen. Nach dieser erscheint aber
auch Cuvier’s e) Meinung, daſs der groſse sym-
pathische Nerve blos den rothblütigen Thieren an-
gehört, als unrichtig. Gerade dieser ist der am
weitesten verbreitete, der ursprüngliche aller Ner-
ven. Nur ist er in den verschiedenen Thierclas-
sen auf verschiedene Art modificirt. Bey den Wür-
mern und Insekten giebt es blos Rückenmarkskno-
ten ohne die coeliacischen Ganglien der Säugthiere
und Vögel; bey den kopflosen Mollusken sind diese
Knoten ohne jene vorhanden; bey den Sepien und
Schnecken sind einzelne Rückenmarksknoten mit
einzelnen coeliacischen Ganglien zugegen. Alle
diese niedern Thiere haben kein Rückenmark.
Die
[335] Die Fische und Amphibien besitzen dasselbe und
zugleich Rückenmarksknoten; aber die coeliaci-
schen Knoten sind bey ihnen noch nicht vorhan-
den, oder doch nicht so ausgebildet wie bey den
Vögeln und Säugthieren.
Bey den Würmern zeigen sich von einem Ge-
hirn entweder noch gar keine, oder nur undeut-
liche Spuren. Erst bey den Insekten und Mollus-
ken giebt es eine gröſsere Masse, welche zusam-
mengesetzter als einer der übrigen Knoten ist und
den Sinnesnerven zum Ursprunge dient. Bey
manchen Arten, z. B. den Skolopendern, besteht
dieses Gehirn nur aus zwey Anschwellungen, aus
welchen die Kopfnerven unmittelbar entspringen.
Bey andern, z. B. den Bienen, Wespen, Hornis-
sen u. s. w. sind mit diesen noch besondere An-
schwellungen verbunden, woraus einzelne Nerven
hervorgehen. Bey allen haben die beyden hin-
tern Wulste einen bald breitern, bald schmälern
Fortsatz von Hirnsubstanz, welcher von ihren
beyden Seiten-Enden ausgeht und ringförmig die
Speiseröhre umfaſst. Dieser Hirnring verschwin-
det mit der Bildung eines wahren Rückenmarks.
Mit dem letztern entwickeln sich bey den Fischen
und Amphibien zugleich die ersten Keime eines
groſsen Gehirns, welches sich auf den höhern
Stufen der thierischen Organisation immer weiter
ausbildet und immer mehr das Uebergewicht über
die übrigen Theile des Nervensystems erlangt.
Söm-
[336]
Sömmerring sprach bekanntlich zuerst das wich-
tige Gesetz aus, daſs dieses Uebergewicht des Ge-
hirns am gröſsten beym Menschen und nächst dem-
selben bey denjenigen Säugthieren ist, welche ihm
an geistigen Fähigkeiten zunächst verwandt sind.
Dieses Gesetz hat sich bis jetzt bey allen Thie-
ren der höhern Classen im Allgemeinen bestätigt.
Bey den Mollusken und Insekten finde ich eben-
falls, daſs das Gehirn in Vergleichung mit den
Ganglien des Bauchstrangs desto kleiner ist und
einen desto einförmigern Bau hat, je unentwickel-
ter die Sinne und die Kunsttriebe jener Thiere
sind. Das Zuckerthier (Lepisma saccharinum),
die Skolopendern und mehrere andere, ungeflü-
gelte Insekten, die in Hinsicht auf die letztern
eine niedrige Stufe einnehmen, haben ein sehr
wenig ausgebildetes Gehirn. Beym Zuckerthier ist
dasselbe nicht bedeutend gröſser als jeder der drey
vordersten und der hinterste Rückenmarksknoten,
und auch in der Gestalt von diesem Knoten we-
nig verschieden f). Hingegen bey den Hymenop-
teren, unter welchen sich so kunstreiche Geschöpfe
finden, besteht dasselbe aus mehrern bedeutenden
und sehr genau unter sich verbundenen Anschwel-
lungen. Das Gehirn der Bienen hat nicht nur
besondere Anschwellungen für die Nerven der zu-
sammengesetzten Augen, sondern auch für jedes
der
[337] der drey einfachen Augen und für die Fühlhör-
ner. Auch alle Larven haben ein weit einfache-
res Gehirn als die vollkommenen Insekten. Bey
den Raupen giebt es im Kopfe zwey Halbkugeln,
die nicht gröſser als die obern Ganglien des Bauch-
strangs sind und nirgends besondere Anschwellun-
gen haben, nicht einmal für die Nerven der Fühl-
hörner und Augen, von welchen überdies noch
die erstern zu andern Organen als den Antennen
Nebenzweige abgeben. Das Gehirn der Schmet-
terlinge hat einen weit zusammengesetztern Bau.
Bey der Liguster-Sphinx besteht dieses aus zwey
vordern Hemisphären, von welchen auf beyden
Seiten die beyden groſsen kegelförmigen Sehener-
ven ausgehen, und aus drey Paar kugelförmigen,
zwischen den Sehenerven und dem Anfang des
Bauchstrangs liegenden Anschwellungen, von wel-
chen das mittlere den Nerven der Fühlhörner zum
Ursprunge dienet.
So richtig indeſs das Gesetz von dem Abneh-
men der relativen Gröſse des Gehirns gegen die
Gröſse der übrigen Ganglien und der Nerven mit
der Abnahme der höhern thierischen Kräfte im
Allgemeinen ist, so bedarf dasselbe doch noch nä-
herer Bestimmungen, besonders bey den Thieren
der niedern Classen. Nach meinen Beobachtun-
gen glaube ich annehmen zu müssen, daſs es
vorzüglich die Ganglien und Nerven des vegeta-
V.Bd. Ytiven
[338] tiven Lebens sind, in Vergleichung mit welchen
die Gröſse des Gehirns vom Menschen zu den
untersten Thieren herab immer mehr abnimmt,
daſs aber bey den Nerven der willkührlichen Mus-
keln und der Sinnesorgane manche Ausnahmen
eintreten. Bey der Biene ist das Gehirn gegen
die Nerven der Baucheingeweide und die Knoten
dieser Nerven weit gröſser als bey irgend einem
andern Insekt. Hingegen mit den Sehenerven und
dem Brustknoten, aus welchem die Nerven der
Füſse und Flügel entspringen, verglichen, ist das-
selbe keinesweges gröſser bey ihr, wie bey an-
dern, weniger kunstreichen Insekten. Jene Ner-
ven und diese Knoten sind überhaupt bey allen
geflügelten Insekten von vorzüglicher Dicke. Beym
Cimex rufipes z. B. ist der Brustknoten eben so
groſs als das Gehirn. Die beyden Nerven der
zusammengesetzten Augen machen in der Mitte
eine Anschwellung, die ebenfalls nicht viel klei-
ner als das Gehirn ist. Die aus jenem Brustkno-
ten entspringenden Nerven der Bewegungswerk-
zeuge sind auffallend dick gegen die der Bauch-
eingeweide und der Zeugungstheile. Beym Dytis-
cus marginalis laufen die Sehenerven von ihrem
Ursprung an nach den Augen hin kegelförmig zu
und erreichen eine Dicke, welche der des Vorder-
theils des Gehirns nichts nachgiebt. Der dritte
Rückenmarksknoten ist auch hier nicht viel klei-
ner als das Gehirn. In den höhern Thierclassen
ist
[339] ist es bey den meisten Arten nicht mehr der Sehe-
nerve, sondern der, den Mollusken und Insekten
ganz fehlende Geruchsnerve, der sich durch vor-
zügliche Dicke auszeichnet. Die Nerven des ve-
getativen Lebens aber stehen auch hier weder mit
der Gröſse der Eingeweide, zu welchen sie ge-
hen, noch mit der Mannichfaltigkeit, Dauer und
Stärke der Funktionen dieser Organe in Verhält-
niſs.
Die den Processen der Ernährung und Repro-
dnktion vorstehenden Nerven zeichnen sich über-
haupt von manchen Seiten vor den übrigen aus.
Sie haben einen weit weniger symmetrischen Bau
und einen weniger regelmäſsigen Ursprung und
Verlauf als die Nerven der Sinne und der Be-
wegungsorgane. Von dem Mangel an Symmetrie
jener Nerven giebt es zwar Ausnahmen, beson-
ders bey den Harnwerkzeugen und den Geschlechts-
theilen g). Aber diese beweisen nur, was sich
ohnehin versteht, daſs es keine scharfe Gränze
zwischen dem vegetativen und animalischen Le-
ben giebt. Immer bleibt es wahr, daſs die Ver-
dauungsorgane und die kopflosen Mollusken, also
die Theile und die Thiere, in welchen das ve-
geta-
Y 2
[340] getative Leben das Uebergewicht über das anima-
lische hat, im Ganzen und beso ders auch in
ihren Nerven weit weniger Symmetrie als dieje-
nigen zeigen, bey welchen das Uebergewicht auf
der entgegengesetzten Seite ist.
In Betreff der Entstehung und des Fortgangs
der Nerven überhaupt läſst sich in den meisten
Fällen annehmen, daſs dieselben bey Nerven ähn-
licher Theile von ähnlicher Art sind. Aber dieser
Satz ist nur Regel, nicht Gesetz, und die Aehn-
lichkeit geht nicht bis zur völligen Gleichheit.
Schon unter den Sängthieren finden wir bey meh-
rern sehr groſse Abweichungen von dem Typus,
nach welchem die Nerven des Menschen entsprin-
gen und verlaufen. Beym Maulwurf haben die
Nerven des ersten, zweyten und fünften Paars
einen Bau, der sich von der Struktur dieser Ner-
ven bey den übrigen Säugthieren sehr entfernt.
Die Form der Geruchsnerven selber ist die nehm-
liche, wie bey den Nagethieren und Fledermäu-
sen. Sie stehen aber nur zum Theil auf jeder
Seite durch einen länglichen Markbündel mit dem
mittlern Lappen des groſsen Gehirns in Verbin-
dung. Ihren Hauptursprung haben sie aus zwey
eigenen, rundlichen Abtheilungen des groſsen Ge-
hirns, die den vordern Hirnlappen der höhern
Säugthiere zwar analog, aber von ungewöhnlicher
Gestalt sind. Zwischen diesen Abtheilungen und
dem
[341] dem Trichter entspringen die Nerven des zweyten
Paars auf die, von Carush) der Natur ganz ge-
mäſs angegebene Weise, als zwey graue Fäden,
die nicht viel dicker als ein Menschenhaar sind
und in der Gestalt zweyer, mit ihren untern En-
den gegen einander [gekehrter], Römischer S fort-
gehen, ohne sich an irgend einem Punkt mit ein-
ander zu verbinden. So klein diese Nerven des
Maulwurfs sind, so groſs sind bey ihm die des
fünften Paars, und diese ersetzen durch ihre Gröſse
die Kleinheit der vorigen. Der eigentliche Sehe-
nerve ist hier ohne Zweifel (wie ich schon im
1sten Bd. der Biologie [S. 209.] mit Zinn bemerkt
habe) ein Ast des fünften Hirnnerven. Der Nerve
des zweyten Paars läſst sich zwar nicht bis zum
Auge verfolgen. Allein das letztere hat eine, ob-
gleich auch nur kleine, doch weit gröſsere Netz-
haut, als ein so zarter Nerve erzeugen kann.
Hingegen trennt sich von dem mittlern Ast des
fünften Nervenpaars, gleich nach dessen Ueber-
gang zur Kinnlade, ein Zweig, welcher in gera-
der Richtung zum Auge läuft, und derjenige
Nerve zu seyn scheint, von welchem die Retina
eigentlich entspringt. Der Gröſse dieses fünften
Nervenpaars entspricht ein sehr ausgezeichneter
Ursprung desselben aus dem verlängerten Mark.
Die Wurzeln der gröſsern Portion werden ganz
durch
Y 3
[342] durch die Seitentheile des letztern gebildet. Es
giebt zu beyden Seiten des verlängerten Marks
eine, von dem Anfang des Rückenmarks bis zum
Austritt jener Nerven aus der Hirnmasse sich er-
streckende, durch ihre weiſse Farbe sich aus-
zeichnende Anschwellung. An einem, in Wein-
geist erhärteten Gehirn fand ich diese Wulste mit
einer dünnen, aus queerlaufenden Fasern beste-
henden, von dem äuſsern Rand der Pyramiden
entspringenden Markhaut bedeckt, nach deren Ab-
sonderung sich beyde Anschwellungen als unmit-
telbare, bis zum Rückenmark gelangende Fort-
sätze der Nerven des fünften Paars zeigten.
Wie der Maulwurf in Betreff der Sehenerven,
so weicht der Delphin in Ansehung der Geruchs-
nerven von allen übrigen Säugthieren ab. Sie
fehlen zwar bey ihm nicht ganz, wie man früher
geglaubt hat. Ich habe Blainville’s und Jacob-
son’s Beobachtung h*), daſs sie allerdings vorhan-
den sind, bestätigt gefunden. Aber sie bestehen
blos in zwey weiſsen, äuſserst dünnen Fäden,
die sich nur mit Hülfe eines Vergröſserungsgla-
ses deutlich unterscheiden lassen. Stärker wie
bey den übrigen Säugthieren sind dagegen beym
Delphin die Nerven des siebenten und zehnten
Paars.
Eine
[343]
Eine Menge ähnlicher Beyspiele kommen in
den niedern Thierclassen vor. Bey den Insekten
herrscht vorzüglich in dem Ursprung und Verlauf
der Fühlhörner-Nerven eine groſse Verschieden-
heit. Meist sind diese eigene Hirnnerven, oft
aber auch (z. B. bey den Raupen) Zweige von
Nervenstämmen, die zugleich andern Organen an-
gehören. Bey der Scolopendra flava De Geer.,
die keine Augen, dafür aber weit dickere Fühl-
hörner als die Scolopendra forficata L. hat, ent-
springen die Nerven der Antennen an derselben
Stelle des Gehirns, aus welcher bey der Scolo-
pendra forficata die Augennerven hervorkommen,
und die Nervensubstanz, welche bey der letztern
die Sehenerven bildet, ist bey der erstern ganz
auf die Nerven der Fühlhörner verwandt i).
So viel habe ich geglaubt, über die Organi-
sation des Nervensystems vorläufig bemerken zu
müssen. Ueber manches, was ich hier nur habe
berühren können, werde ich mich in der Lehre
vom Gehirn und den Sinnesorganen umständlicher
erklären.
Y 4Zwey-
[344]
Zweyter Abschnitt.
Reitzbarkeit der Nerven.
Erstes Kapitel.
Vermögen der Nerven, Eindrücke auf-
zunehmen und fortzupflanzen.
Reitzungen eines Nerven erwecken Empfindun-
gen in der Seele und Bewegungen in den Mus-
keln, worin sich Zweige von ihm verbreiten k).
Es findet also in den Nerven eine doppelte Thä-
tigkeit statt: eine, wodurch Eindrücke von innen
nach den äuſsern Theilen geleitet werden, und
eine andere, wodurch die Fortpflanzung äuſserer
Ein-
[345] Eindrücke zum Sensorium geschieht. Die letztere
wird blos durch das Nervenmark bewirkt. Die
Nervenscheiden besitzen keine Empfindlichkeit l).
Heftige Aeuſserungen der einen dieser Thätigkei-
ten, die von innen nach auſsen geht, heben die
andern auf. Stark zusammengezogene Muskeln
sind fast ganz unempfindlich. Beyde Thätigkei-
ten hören auf, wenn der Nerve durchschnitten,
zusammengedrückt oder unterbunden ist m). Die
Wirkungen der Nerven hängen also nicht nur von
der Mischung, sondern auch von der Struktur
derselben ab; sie verhalten sich bey der Fortpflan-
zung der Reitze nicht blos als leitende Conduc-
toren. Nimmt man sie nur für diese an, so
muſs man freylich mit Humboldtn) gestehen,
daſs es nichts Schwürigeres giebt, als die Beant-
wortung der Frage, wie bey den Galvanischen
Versuchen ein um den Nerven gelegtes feuchtes
Band, daſs doch seiner Natur nach nicht isoli-
rend ist, die Leitung hemmen kann. Wie läſst
sich auch die unendliche Mannichfaltigkeit der Em-
pfindungen blos aus der einförmigen, nur einer
quan-
Y 5
[346] quantitativen Verschiedenheit fähigen Bewegung
einer feinen Materie erklären?
In einer, schon vor zwanzig Jahren geschrie-
benen Abhandlung stellte ich die Hypothese auf,
daſs die Fortpflanzung der Willensreitze zu den
Muskeln und die Ueberbringung der äuſsern Ein-
drücke zum Gehirn Wirkungen verschiedener Be-
standtheile der Nerven seyen, daſs jene durch die
Nervenhäute, diese durch das Nervenmark ge-
schehe o). So vieles sich seit jener Zeit in mei-
nen Ansichten geändert hat und so wenig ich die
Art, wie ich als Jüngling diese Hypothese weiter
ausgeführt habe, als Mann vertheidigen will, so
halte ich doch so viel noch für richtig, daſs die
Veränderung der Nerven, wodurch Muskelbewe-
gungen erregt werden, blos durch die Nerven-
häute zu den äuſsern Theilen fortgepflanzt
werden kann, obgleich ich keinesweges behaupte,
daſs bey der Entstehung jener Veränderung das
Nervenmark nicht mitwirkend ist. Die Fortpflan-
zung der Willensreitze zu den Muskeln ist ein
einfacher Act, der sich blos aus einer gewissen
Spannung der Nervenhäute erklären läſst. Die
Ueberbringung der verschiedenen Sinneseindrücke
zum Sensorium hingegen kann nur durch eine
höchst
[347] höchst zusammengesetzte, der mannichfaltigsten
Mischungsveränderungen fähige Materie, von wel-
cher Art das Nervenmark ist, geschehen. Die
von Arnemann gemachte Erfahrung, daſs durch-
schnittene Nerven das Vermögen, Muskelbewe-
gungen hervorzubringen, wieder erlangen, wenn
sie nur durch einfaches Zellgewebe vereinigt sind,
daſs sich aber nicht das Vermögen. Empfindun-
gen zu erwecken, damit wieder einstellt, ist eben-
falls ein triftiger, noch von Niemandem wider-
legter Grund für jene Meinung. Auch scheint
das entgegengesetzte Verhalten der Nervenhäute
und des Nervenmarks gegen Säuren und Alkalien
auf einen Gegensatz in der Wirkungsart beyder
Substanzen hinzudeuten.
Zwey-
[348]
Zweytes Kapitel.
Unterbrechung des Fortgangs der Ner-
veneindrücke durch die Ganglien.
Nicht alle Nerven aber pflanzen äuſsere Ein-
drücke zum Sensorium und innere zu den äuſsern
Theilen fort. Der Wille hat auf die Ernährungs-
und Zeugungsorgane und auf die innern Sinnes-
werkzeuge keinen unmittelbaren Einfluſs. Mecha-
nische oder chemische Reitzungen der Herzner-
ven beschleunigen den Herzschlag nicht, und das
Herz ist zugleich ein sehr wenig empfindlicher
Theil p). Die Lungen, die Leber, die Milz und
die Nieren zeigten in Haller’s q) Versuchen we-
nig oder gar keine Empfindlichkeit. Die Trau-
benhaut des Auges ist fast ganz unempfindlich r),
und gehört doch zu den nervenreichsten Theilen
des thierischen Körpers. Ueberhaupt steht die
Empfindlichkeit eines Theils nicht immer mit
der Zahl der Nerven desselben in Verhältniſs.
Die Markhaut der Knochen ist sehr empfindlich,
obgleich noch keine Nerven in ihr entdeckt
sind
[349] sind s); hingegen sind die willkührlichen Mus-
keln weniger empfindlich, als man bey ihrem
Reichthum an Nerven erwarten sollte.
In diesem Mangel an Leitungsvermögen ein-
zelner Theile des Nervensystems herrscht zwar
eine Verschiedenheit unter den verschiedenen Ar-
ten der Thiere und selbst unter den verschiede-
nen Individuen einer und derselben Art. Zum
Magen, der bey den Säugthieren der Herrschaft
des Willens ganz entzogen ist, scheinen bey den
Vögeln geistige Eindrücke fortgepflanzt zu wer-
den t). Bey den Räderthieren fängt ein Organ,
welches zwar von Spallanzani und Fontana un-
richtig für das Herz gehalten wurde, das aber
doch ein, zum Nahrungscanal gehöriger Theil zu
seyn scheint, an, sich zusammenzuziehen und zu
erweitern, sobald das Thier seine Räder willkühr-
lich in Bewegung setzt u). Die Bewegungen der
Iris, worauf bey dem Menschen der Wille kei-
nen
[350] nen Einfluſs hat, scheinen bey den Hunden, den
Katzen und den meisten Vögeln von geistigen
Eindrücken abhängig zu seyn v). Einige Men-
schen sollen die Bewegung des Herzens, des Nah-
rungscanals und anderer Organe, die sonst der
Willkühr ganz entzogen sind, willkührlich haben
unterdrücken können. Beyspiele von Menschen,
die sich willkührlich in eine Art von Scheintod
versetzen konnten, hat Martinw) gesammelt.
Fontana versichert in zwey seiner letzten Briefe,
durch lange Uebung es dahin gebracht zu haben,
daſs die Bewegungen der Iris, des Herzens und
der äuſsern Ohren seiner Willkühr ganz unter-
worfen waren x). Perraulty) erwähnt eines
Menschen, der sich willkührlich erbrechen konnte,
und Darwinz) eines Mannes, der sich durch
willkührliche Anstrengung zu jeder Zeit binnen
einer halben Stunde eine Darmausleerung zu be-
wirken vermogte. Es ist indeſs wahrscheinlich,
daſs
[351] daſs in keinem dieser Fälle ein unmittelbarer Ein-
fluſs des Willens auf die Verdauungsorgane, das
Herz u. s. w. statt fand. Bey den Thieren läſst
sich nicht unterscheiden, ob es nicht vielmehr
eine Gemüthsbewegung als der Wille ist, was die
erwähnten Bewegungen zur Folge hat. Fontana
hat das Wichtigste für den Physiologen, die Art,
wie er dahin gelangt ist, sich einen willkührli-
chen Einfluſs auf die Iris, das Herz und die äu-
ſsern Ohren zu erwerben, nicht angegeben. Die
Einwirkung auf das Herz geschahe ohne Zweifel
in allen Fällen durch den Einfluſs des Willens
auf das Athemholen, oder auf das ganze System
der willkührlichen Muskeln. Jeder kann, wie Ra-
sori gegen Fontana sehr richtig bemerkt hat a),
die Zahl der Pulsschläge in einer Minute um 30
bis 40 willkührlich steigen machen, wenn er die
willkührlichen Muskeln in eine anhaltende Span-
nung versetzt, die nicht einmal sichtbar zu seyn
braucht. Das willkührliche Erbrechen, wovon
Perrault erzählt, wurde vielleicht durch Ver-
schlucken von Luft hervorgebracht, und in dem,
von Darwin erzählten Fall wirkte der Wille viel-
leicht nicht unmittelbar auf die Gedärme, sondern
auf die Bauchmuskeln und das Zwerchfell.
Zur Erklärung der Thatsache, daſs nicht alle
Nerven empfangene Eindrücke fortpflanzen, giebt
es
[352] es zwey Wege: man muſs entweder vorausset-
zen, daſs der ganze Nerve vermöge seiner Or-
ganisation zu dieser Fortpflanzung untüchtig ist;
oder man muſs annehmen, daſs es einzelne, be-
sonders organisirte Stellen des Nervensystems giebt,
welche die letztere verhindern.
Jeder Sinnesnerve besitzt eine eigene Empfäng-
lichkeit für gewisse Eindrücke. Der Geruchsnerve
ist unempfänglich für den Schall, der auf den
Gehörnerven wirkt; die Geschmacksnerven wer-
den nicht von dem Licht gereitzt, das den Ge-
sichtsnerven so mächtig erregt. Diese specifische
Reitzbarkeit muſs ihren Grund in einer eigenen
Organisation jedes Nerven haben. Nun aber giebt
es Nerven, die blos den Ernährungsprocessen vor-
stehen und denen jede Empfänglichkeit für äuſsere
Einwirkungen bey ihren Funktionen hinderlich
seyn würde. Haben wir also nicht Grund, in
diesen eine eigene Organisation vorauszusetzen,
wodurch ihnen alle Empfänglichkeit für Reitzun-
gen benommen ist?
Dies ist es, was zu Gunsten der erstern Mei-
nung von den Vertheidigern derselben b) gesagt
ist. Man kann noch die Fälle von Verlust des
Gefühls bey fortdauernder Beweglichkeit der Glied-
maa-
[353] maaſsen c) als Beweise anführen, daſs das Lei-
tungsvermögen eines Nerven von gewissen Seiten
aufgehoben seyn und doch eine andere Funktion
desselben fortdauern kann. Allein wenn man auch
zugeben muſs, daſs die verschiedenen Theile des
Nervensystems einen verschiedenen Grad von Lei-
tungsvermögen besitzen, so bleibt doch so viel
gewiſs, daſs alle Sinnesnerven neben ihrer speci-
fischen Reitzbarkeit auch Empfänglichkeit für die
Einwirkung mechanischer und chemischer Schär-
fen besitzen, daſs die Analogie nicht erlaubt, de-
nen Nerven, welchen das Vermögen Eindrücke
fortzupflanzen fehlt, die allgemeine Reitzbarkeit
abzusprechen, und daſs also ein anderer Grund
als Mangel an der allgemeinen Reitzbarkeit die Ur-
sache jenes Unvermögens derselben seyn muſs.
Wenn man diesen Grund in eine eigene Orga-
nisation einzelner Stellen des Nervensystems setzt,
so hat man eine wichtige Analogie für sich. Die
Unterbindung eines Nerven hebt die Fortpflan-
zung aller Reitzungen, sowohl innerer als äuſse-
rer, auf, ohne die Reitzbarkeit desselben zu zer-
stören. Giebt es Theile des Nervensystems, die
auf ähnliche Art wie eine Ligatur wirken, so
läſst sich ohne weitere Voraussetzungen erklären,
nicht
V. Bd. Z
[354] nicht nur warum gewisse Nerven unempfindlich
sind, sondern auch warum das Herz und der
Nahrungscanal, Organe, deren Muskelfasern durch
unmittelbare Anbringung mechanischer und che-
mischer Reitze so leicht in Thätigkeit zu setzen
sind, von keiner Nervenreitzung erregt werden,
obgleich in der Art, wie sich die Nerven mit
ihnen verbinden, nichts ist, was eine Hemmung
des Fortgangs dieser Reitzung vermuthen läſst,
Solche Theile giebt es wirklich. Sie sind die
Nervenknoten. Läſst man diese Organe gelten,
wofür man sie ihrer ganzen Struktur nach gelten
lassen muſs, für untergeordnete Gehirne, so muſs
man auch zugeben, daſs durch sie die Nerven-
eindrücke nicht auf dieselbe Weise wie durch die
Nerven fortgepflanzt werden können. Zur unge-
hinderten Leitung dieser Eindrücke ist ohne Zwei-
fel ein ununterbrochener Fortgang der Nervenfä-
den nothwendig. Wo der letztere aufgehoben ist,
muſs ein Hinderniſs der Leitung statt finden. Eine
solche Unterbrechung finden wir in denjenigen
Ganglien, die von Scarpad) zusammengesetzte
genannt sind. Hier lösen sich die Fäden, die in
den Nerven zwar anastomosiren, doch übrigens
ununterbrochen fortgehen, in ein netzförmiges Ge-
webe auf; die Zweige dieser Knoten haben mit
den Wurzeln derselben keine unmittelbare Verbin-
dung mehr. Von diesen Ganglien, besonders von
dem
[355] dem halbmondförmigen und dem obern und un-
tern Halsknoten, wissen wir auch aus Bichat’s e)
und Magendie’s f) Erfahrungen, daſs sie unem-
pfänglich für Reitzungen sind. Wie aber bey ei-
nem heftigen Reitz, oder bey einem hohen Grade
von Reitzbarkeit einer Unterbindung ohngeachtet,
die den organischen Zusammenhang der Nerven-
fäden nicht ganz aufhebt, die Reitzung dennoch
fortgepflanzt wird, so können unter ähnlichen Um-
ständen auch die Ganglien aufhören zu isoliren.
Diese Gründe werden noch durch andere That-
sachen unterstützt. Den Blutigel, der einen Kreis-
lauf des Bluts hat, bey dem aber jeder einzelne
Ring des Körpers sein eigenes Gangliensystem be-
sitzt, kann man zur Hälfte in Kirschlorbeeröl
oder Weingeist tauchen, und die andere Hälfte
lebt noch fort, wenn jene schon abgestorben ist g).
Von der knotigen Struktur des Rückenmarks der
niedern Thiere, vermöge welcher jede einzelne
Abtheilung des Körpers ihr eigenes Nervensystem
hat, rührt es auch her, daſs nicht nur mecha-
nische
Z 2
[356] nische und chemische Schärfen, sondern selbst
der Galvanische Reitz, an das Rückenmark der
Würmer und Insekten angebracht, weit weniger
heftige Muskelbewegungen als bey den Säugthie-
ren, Vögeln, Amphibien und Fischen erregt h).
Bey den Thieren der vier obern Classen haben
alle, ganz der Willkühr unterworfene Organe,
zu welchen vorzüglich die der örtlichen Bewegung
und der Stimme gehören, Nerven, deren Zusam-
menhang mit dem Gehirn durch keine Knoten
unterbrochen ist. Die Fäden, woraus die Nerven
der willkührlichen Muskeln dieser Thiere entste-
hen, gehen, wie ich im vorigen Abschnitt nach
meinen eigenen Beobachtungen bemerkt habe und
wie auch Bichat’s i) Untersuchungen lehren, zum
Theil sehr weit fort, ohne sich mit andern Fä-
den zu vermischen, obgleich sie oft ihren ur-
sprünglichen Stamm verlassen und nach andern
Stämmen ablenken. Hingegen alle andere Theile,
die, obgleich Bewegungen äuſsernd, doch nicht
unter der Herrschaft des Willens stehen, z. B.
die Iris, das Herz, der Darmcanal, die Saamen-
bläschen, die Fallopischen Röhren und der Ute-
rus, besitzen Ganglien-Nerven. Diejenigen Theile
endlich, deren Nerven theils unmittelbar vom Ge-
hirn
[357] hirn und Rückenmark, theils von Ganglien ent-
stehen, z. B. das Zwerchfell, die Harnblase und
der Mastdarm, sind sowohl von dem Einfluſs des
Willens, als von andern Reitzen abhängig.
Der Urheber dieser Meinung von der Eigen-
schaft der Ganglien, die Fortpflanzung der vom
Willen herrührenden Reitzungen aufzuheben, war
J. Johnstonek). Daſs auch die Leitung der Ein-
drücke äuſserer Reitze zum Gehirn durch die Ner-
venknoten unterbrochen würde, scheint zuerst
Metzgerl) gemuthmaſst zu haben. Hallerm)
machte einige Einwürfe gegen Johnstone’s Hy-
pothese, die aber, wie Pfeffingern) zeigte,
auf einem Miſsverständniſs beruheten. Wichtiger
waren Haase’s o) Einwendungen, daſs alle Rük-
kenmarksnerven, die doch zum Theil zu den In-
tercostalmuskeln, also zu willkührlichen Organen
gehen, Ganglien bilden, daſs hingegen der Ma-
gen, auf welchen der Wille keinen Einfluſs hat,
Zweige vom herumschweifenden Paar, woran es
keine
Z 3
[358] keine Knoten giebt, erhält. Der erstere Einwurf
ist von Scarpap) und nach ihm fast von allen
neurologischen Schriftstellern wiederholt worden.
Aber wir haben schon im vorigen Abschnitt ge-
sehen, daſs die Rückenmarksknoten nach Scar-
pa’s eigenen Untersuchungen eine besondere Bil-
dung haben, indem die Fäden ihrer Wurzeln zum
Theil in die der Zweige unmittelbar übergehen,
und sie weit mehr der Durchkreutzung der Sehe-
nerven, deren Fäden an dieser Stelle ebenfalls ih-
ren ununterbrochenen Fortgang behalten, als den
übrigen Nervenknoten ähnlich sind. Die aus dem
Rückenmark entstehenden Nerven willkührlicher
Muskeln können auch Fortsätze der vordern Rük-
kenmarksnerven seyn, welche blos durch Zellgewe-
be mit den Rückenmarksknoten verbunden sind.
Dies sahe schon Pfeffingerq) ein. Auch
Bichatr) gestand, daſs die Rückenmarksknoten
mit den übrigen Ganglien weder in Hinsicht auf
ihren Bau, noch in Betreff ihres Verhaltens ge-
gen Reitzungen in einerley Classe gesetzt werden
können. Nur die Schwürigkeit, daſs das herum-
schweifende Paar, welches doch keine Knoten ha-
ben soll, Zweige für Theile abgiebt, die nicht
unter der Herrschaft des Willens stehen, wuſste
Pfeffinger nicht zu heben. Er fand auch noch
eine
[359] eine andere in Zinn’s Beobachtung, daſs es zu-
weilen Ciliarnerven giebt, welche zur Iris gehen,
ohne in den Augenknoten getreten zu seyn s). Die
von dem herumschweifenden Nerven hergenom-
mene Schwürigkeit fällt aber weg, wenn man Fol-
gendes erwägt. Die Eigenschaft der Ganglien, die
Leitung der Reitzungen zu verhindern, beruht
auf der in ihnen statt findenden Unterbrechung
des Fortgangs der Nervenfäden. Es ist nicht ein-
zusehen, warum zu dieser Unterbrechung ein An-
schwellen der Nervensubstanz durchaus erforder-
lich seyn sollte. In Gilbert’s Annalen der Phy-
sik t) habe ich Versuche mit dem Galvanischen
Reitzmittel an Fröschen bekannt gemacht, die auf
den Schluſs führen, daſs es Stellen giebt, an wel-
chen die Leitung der Reitzungen geschwächt oder
aufgehoben wird, obgleich keine Ganglien an den-
selben bemerkbar sind. Daſs namentlich der her-
umschweifende Nerve eine solche Stelle in der
Gegend des Halses hat, habe ich schon im vori-
gen Abschnitt erinnert. Vielleicht wird die Lei-
tung allenthalben gehemmt, wo die Nervenfäden
wirklich mit einander anastomosiren und sich nicht
blos an einander legen.
Die Schwürigkeit, die Pfeffinger’n aus Zinn’s
Beobachtung von dem, oft anomalen Verlauf der
Ciliar-
Z 4
[360] Ciliarnerven zu entstehen schien, ist von gerin-
gem Gewicht. Woher weiſs man denn, daſs in
den Fällen, wo einzelne Ciliarnerven nicht durch
den Augenknoten gingen, nicht ein gewisser Grad
von willkührlicher Beweglichkeit der Iris vorhan-
den war? Aber diese Frage auch bey Seite ge-
setzt, so entspringen ja die Ciliarnerven aus dem
ersten Hauptast des fünften Hirnnervenpaars, wel-
cher aus dem Gasserschen Knoten des letztern
entsteht. Die Fortpflanzung willkührlicher Ein-
drücke durch die Ciliarnerven wird also nicht nur
durch den Augenknoten, sondern auch durch das
letztere Ganglion verhindert.
Von dem Gasserschen Knoten des fünften Paars
hat Prochaskau) einen Einwurf gegen Johnsto-
ne’s Meinung hergenommen. Die drey Haupt-
äste dieses Knotens geben Zweige an die Stirn-
muskeln, an die Muskeln der Augenlieder, an
die Lippenmuskeln, an die Zunge, kurz an Theile,
die sowohl zur willkührlichen Bewegung, als zur
Empfindung dienen. Wie läſst sich dies mit jener
Hypothese vereinigen? Ich glaube, sehr gut,
wenn man nicht übersieht, daſs der Gassersche
Knoten nur von der gröſsern Portion des fünften
Hirnnerven gebildet wird, daſs aber die kleinere
Portion mit diesem Ganglion in keiner Verbindung
steht,
[361] steht, sondern sich erst hinter demselben mit den
Hauptästen der gröſsern, besonders mit dem drit-
ten Hauptast (maxillaris inferior) vereinigt, auch
daſs nicht einmal alle Fäden der gröſsern Portion
in diesen Knoten zu dringen scheinen. Es ist
hier derselbe Fall wie bey den Rückenmarksner-
ven. Von den Zweigen jenes Nervenpaars, die
zur willkührlichen Bewegung und zur Empfin-
dung dienen, entsteht vielleicht keiner aus dem
Gasserschen Knoten.
Johnstone’s Meinung ist also durch alle bis-
herige Einwendungen noch nicht erschüttert wor-
den, und schwerlich wird sich eine befriedigen-
dere an die Stelle derselben setzen lassen. Es
sind auch meines Wissens seit jener keine andere
Erklärungen des Unvermögens gewisser Nerven,
Reitzungen fortzupflanzen, gewagt worden, als
die, wobey dasselbe von der Organisation des gan-
zen Nervens abgeleitet wird, und die von Le
Galloisv) gegebene, nach welcher die Nerven
der willkührlichen Muskeln blos aus einer einzi-
gen Stelle des Gehirns oder Rückenmarks, die
der unwillkührlichen Organe hingegen mit meh-
rern Wurzeln aus verschiedenen Stellen des Rük-
ken-
Z 5
[362] kenmarks entstehen. Von der erstern Hypothese
ist schon oben die Rede gewesen. Die letztere
beruhet auf einer ganz willkührlichen Vorausset-
zung. Es ist mit nichts bewiesen, daſs z. B. die
Nerven der Zwischenrippenmuskeln nur aus Einer
Stelle des Rückenmarks entspringen. Die Hirn-
nerven haben ja auch mehrere Wurzeln. Diese
kommen zwar zum Theil neben einander aus der
Hirnmasse hervor. Aber die gröſsere oder gerin-
gere Entfernung der Stellen ihres Ursprungs kann
hier keinen Unterschied machen.
Drittes
[363]
Drittes Kapitel.
Consensuelle Nervenwirkungen.
Wir kennen den innern Bau der Nervenkno-
ten nicht genug, um bestimmt sagen zu können,
daſs nicht immer eine gänzliche Unterbrechung des
Verlaufs der Nervenfasern in denselben statt fin-
det, sondern daſs diese Fasern zum Theil nur
von ihrem geraden Wege ablenken und in andere
Nerven übergehen. Läſst man diese Vorausset-
zung aber gelten, so ergiebt sich daraus die Er-
klärung mehrerer, im thierischen Körper vorkom-
mender Erscheinungen. Häufig folgen auf Ner-
venreitzungen sowohl Muskelbewegungen als Em-
pfindungen in ganz entfernten Theilen. Man be-
greift diese Erscheinungen unter dem Namen der
consensuellen. Sie entstehen gewiſs nicht alle
auf einerley Weise. Einige aber scheinen aller-
dings in Nervenverbindungen gegründet zu seyn.
So scheint helles Licht Niesen hervorzubringen,
indem sich die Reitzung der Ciliarnerven zu den
mit ihnen verbundenen Nasennerven, und von
diesen über Zweige des sympathischen Nerven zu
den phrenischen Nerven fortpflanzt. So entste-
hen bey Magenentzündungen Schmerzen in den
Schul-
[364] Schulterblättern nebst Steifheit dieser Theile und
des Kopfs wegen der Verbindung des zum Ma-
gen gehenden Stimmnerven (Nervus vagus) mit
dem Beynerven (Ad par vagum accessorius), von
welchem der Kopfnicker (Musculus sterno- et clei-
do-mastoideus) und der Kappenmuskel (M. cucul-
laris) Zweige erhalten. Und so läſst sich aus der
Verbindung des Antlitznerven mit dem dritten
Halsnerven, von welchem der Zwerchfellsnerve
entspringt, erklären, warum sardonisches Lachen
ein Symptom der Verletzungen des Zwerchfells
ist. Mehrere andere consensuelle Erscheinungen,
von welchen jedoch einige vielleicht einen andern
Grund haben, hat Scarpaw) auf ähnliche Art
zu erklären gesucht.
In manchen jener Fälle äuſsert sich die an
einzelnen Nerven heraufsteigende Reitzung durch
einen Schmerz, ein Gefühl von Kälte oder Amei-
senkriechen. Diese Empfindung kömmt immer
höher herauf und bringt endlich entweder blos
partielle Zuckungen bey fortdauerndem Bewuſst-
seyn hervor, wenn sie noch unterhalb dem Ge-
hirn reflektirt wird, oder allgemeine, wenn sie
bis zum Gehirn gelangt. Beobachtungen der er-
stern Art haben Pisox) und Collingwoody) er-
zählt. Piso’s Kranke, ein zwölfjähriges Mädchen,
bekam
[365] bekam nach einem heftigen, halbseitigen Kopf-
weh am kleinen Finger der linken Hand die Em-
pfindung des Ameisenkriechens, welche zu den
übrigen Fingern, zum Arme und Halse fortging,
eine krampfhafte Zurückziehung des Kopfs erregte
und zuletzt einen Kinnbackenzwang verursachte,
der zwar mit völliger Ermattung des ganzen Kör-
pers, aber nicht mit Verlust des Bewuſstseyns ver-
bunden war. In Collingwood’s Fall war es ein
Frauenzimmer, das nach einem Fluſsfieber plötz-
lich einen heftigen Schmerz im kleinen Finger der
linken Hand empfand, der am Arm zum Halse,
der Brust und dem Magen heraufstieg, worauf
Convulsionen aller Gliedmaaſsen der linken Seite
erfolgten. Häufiger sind die Fälle der letztern
Art, von welchen man mehrere im 2ten Theil
meiner Physiologischen Fragmente (S. 42 fg.) ge-
sammelt findet. In beyden Fällen läſst sich der
Fortgang der Reitzungen durch Ligaturen verhin-
dern.
Umgekehrt verbreiten sich auch Nervenreit-
zungen, die Empfindungen zur Folge haben, z.
B. der Schmerz, den das Zusammendrücken der
Ellenbogennerven am Ellenbogen oder des Waden-
beinnerven am Unterschenkel erregt, der Gesichts-
schmerz, das Hüftweh u. s. w. von dem Stamm
zu den Zweigen z).
Es
[366]
Es ist wahrscheinlich, daſs in den Fällen,
wo eine, an einem Nerven heraufsteigende Reit-
zung auf Bewegungsorgane reflektirt wird, ohne
zum Gehirn zu gelangen, Ganglien dasselbe thun,
was da, wo die Empfindung zum Gehirne fort-
geht und allgemeine Convulsionen erregt, durch
das Gehirn geschieht. Jene wirken dort eben so
auf die ihnen unterworfene Sphäre, wie dieses
hier auf den ganzen Körper.
Hallera) suchte die erwähnten consensuel-
len Erscheinungen auf eine andere Art zu erklä-
ren. Er nahm nicht die Nervenknoten, sondern
das Gehirn selber für das Organ an, wodurch die
Fortpflanzung der Reitzungen einzelner Theile
auf andere entfernte Organe geschähe. Für eine
solche partielle, ohne Bewuſstseyn vor sich
gehende Rückwirkung des Gehirns giebt es aber
keinen Grund als die Thatsache, daſs nicht der
unmittelbare Einfluſs des Lichts auf die Iris diese
in Bewegung setzt, sondern daſs blos dann eine
Verengerung der Pupille erfolgt, wenn das Licht
in das Innere des Auges dringt. Hier, sagt man,
bewirkt die Reitzung der Sehenerven eine Reak-
tion des Gehirns auf die Iris durch die Ciliar-
nerven. Aber diese Erscheinung läſst vielleicht
eine andere Erklärung zu. Haller setzte vor-
aus, was unbewiesen und unwahrscheinlich ist,
daſs
[367] daſs jede Nervenreitzung zum Gehirn fortschrei-
tet. In den erwähnten Beobachtungen Piso’s und
Collingwood’s wurde die aufsteigende Nerven-
reitzung schon reflektirt, ehe sie zum Gehirn ge-
langt war. Haller’s Hypothese erklärt auch blos
die Entstehung consensueller Muskelbewegungen,
nicht aber die der consensuellen Empfindungen,
die sich begreiflich machen läſst, wenn man an-
nimmt, daſs die in einem gewissen Nerven er-
regte und aus ihm durch ein Ganglion in einen
andern Nerven geleitete Reitzung in dem letztern
zum Gehirn aufsteigt und von der Seele nicht
auf den ursprünglich gereitzten, sondern auf den
zuletzt durch Mittheilung gerührten Nerven be-
zogen wird. Auf jeden Fall ist so viel gewiſs,
daſs wenn auch einige consensuelle Erscheinun-
gen aus einer Rückwirkung des Gehirns entste-
hen, andere doch blos aus einer Reaktion der
Ganglien abzuleiten sind.
Viertes
[368]
Viertes Kapitel.
Associationsvermögen des Nervensy-
stems.
Auſser den consensuellen Nervenwirkungen giebt
es noch eine andere, von äuſsern Eindrücken ab-
hängige Thätigkeit der Nerven, die ebenfalls ohne
den Einfluſs des Willens vor sich geht, nehm-
lich die, welche in dem Associationsvermö-
gen derselben ihren Grund hat.
Nervenwirkungen, die in einer gewissen Fol-
ge vor sich gegangen und entweder ursprünglich
durch einen heftigen Reitz erregt, oder oft in der
nehmlichen Ordnung wiederholt sind, werden so
mit einander verbunden, daſs bey jedem zufäl-
ligen Eindruck, der die eine veranlaſst, auch
die übrigen in der ursprünglichen Folge wieder
eintreten.
Dieses Vermögen ist blos der thierischen Na-
tur eigen. Bey den Pflanzen giebt es keine Er-
scheinung, die sich nicht ohne Voraussetzung des-
selben erklären lieſse.
Die Thiere besitzen das Associationsvermögen
in desto höherm Grade, je mehr ihr Gehirn ge-
gen
[369] gen das übrige Nervensystem ausgebildet ist. Am
vollkommensten findet es sich beym Menschen.
Die meisten seiner Empfindungen und Bewegun-
gen sind Folgen desselben. Auf dem Associations-
vermögen beruhen alle Fertigkeiten bey Künsten
und mechanischen Arbeiten.
Man könnte hieraus schlieſsen, daſs dieses
Vermögen blos eine Eigenschaft des Gehirns sey.
Dies ist aber nicht der Fall. Frösche, denen
man das Rückenmark durchschnitten hat, deren
Hinterschenkel also mit dem Gehirn gar keine
Verbindung mehr haben, ziehen sich, wenn sie
an den Zehen gestochen oder gedrückt werden,
eine Zeit lang noch eben so zurück, als wenn
sie noch unter dem Einfluſs des Gehirns ständen.
Hier sind diese Bewegungen Folgen einer Asso-
ciation zwischen der, von einer äuſsern Ursache
herrührenden Reitzung der Zehen und den Zu-
sammenziehungen der Schenkelmuskeln, die nur
im Rückenmark oder in den Schenkelnerven ihren
Grund haben kann. Bey den Associationen des
Menschen sind indeſs die höhern Hirnwirkungen
immer so sehr mit im Spiel, daſs es schwer hält,
die Gränzen zwischen dem Geistigen und Kör-
perlichen dabey zu bestimmen. So entsteht häufig
beym Geruch einer Speise, womit man sich ein-
mal den Magen überladen hat, Uebelkeit und Er-
brechen. In diesem Fall rührt aber die antipe-
V. Bd. A aristal-
[370] ristaltische Bewegung des Nahrungscanals wohl
nicht unmittelbar von einer Association derselben
mit einer gewissen Reitzung der Geruchsnerven,
sondern von einer, mit dieser Reitzung associir-
ten Idee her. Ueberhaupt scheinen unter den
Bewegungsorganen nur die willkührlichen der As-
sociationen fähig zu seyn. Sie verketten sich un-
ter einander und mit Empfindungen als Folgen
von ihnen. In den unwillkührlichen Bewegungs-
organen können sich gewisse Bewegungen mit ge-
wissen Ideen, aber wohl nicht mit blos körper-
lichen Empfindungen oder mit willkührlichen Be-
wegungen associiren. Auch verbinden sich selten
blos körperliche Empfindungen mit andern solchen
Empfindungen oder mit Muskelbewegungen so,
daſs die Erneuerung der letztern jene Empfindun-
gen selber, und nicht blos die Vorstellungen da-
von, wieder hervorriefen. Zuweilen aber finden
diese Associationen doch statt. Ich habe ein Frauen-
[zimmer] gekannt, der ein, hinter das eine Ohr
gelegtes Blasenpflaster immer zugleich Schmerzen
hinter dem andern erregte.
Je öfterer Bewegungen in einer gewissen Folge
wiederholt werden, desto fester associiren sie sich
in derselben Ordnung mit einander. Manche sol-
che, sehr fest begründete Associationen scheinen
sogar erblich werden zu können. Hieraus ent-
steht vielleicht die gröſsere Tauglichkeit mancher
Thier-
[371] Thier-Raçen und Menschen-Familien zu gewis-
sen Arbeiten und Künsten. Es kann auch seyn,
daſs manche Bewegungen, die jetzt im thieri-
schen Körper immer auf einander folgen, z. B.
die gemeinschaftliche Bewegung beyder Augen,
bey den ersten Stammeltern der Thiere in keiner
genauen Verbindung standen, sondern erst nach
und nach sich associirt haben und von dieser
erblich gewordenen Association ihre jetzige Ver-
bindung haben. Einige dieser, in dem Associa-
tionsvermögen begründeter Erscheinungen sind von
den consensuellen, die blos auf Nervenverbin-
dungen beruhen, schwer zu unterscheiden.
A a 2Fünftes
[372]
Fünftes Kapitel.
Nervenreitze und deren Wirkungsart.
Alle die bisher erwähnten Erscheinungen des
Nervensystems lassen sich aus einer ähnlichen
Reitzbarkeit desselben, wie wir an den Muskeln
fanden, ableiten. Der Nerve nimmt nach den-
selben Gesetzen wie der Muskel Eindrücke auf;
nur äuſsert sich sein Wirkungsvermögen nicht
wie bey diesem durch Bewegungen, sondern durch
Fortpflanzung der empfangenen Eindrücke.
Die Reitze der Nervenkraft sind so mannich-
faltig wie die Kräfte der ganzen, sowohl geisti-
gen, als materiellen Welt. Aber nicht jeder Nerve
besitzt Empfänglichkeit für den Einfluſs jeder die-
ser Kräfte, und nicht jeder reagirt gegen gleiche
Eindrücke auf gleiche Weise. Der Schall wirkt
nur auf den Gehörnerven, das Licht nur auf den
Gesichtsnerven. In jedem Nerven erregt ein me-
chanischer Eindruck eine verschiedene Empfin-
dung. Beym Amputiren des Schenkels ist der
Schnitt durch die Haut mit einem andern Schmerz
als der Schnitt durch die Muskeln, und dieser
mit einem andern als die Trennung des Kno-
chen-
[373] chenmarks verbunden b). Der Galvanische Reitz
bringt im Auge einen plötzlichen Glanz, auf der
Zunge Geschmacksempfindungen, und an entblöſs-
ten Hautnerven einen stechenden Schmerz her-
vor. Die verschiedenen Nerven besitzen also wie
die verschiedenen Muskeln eine specifische
Reitzbarkeit.
Es giebt für jeden Nerven innere Reitze, wo-
durch derselbe zu ähnlichen Reaktionen wie durch
äuſsere aufgeregt wird. Wirken diese Reitze auf
Sinnesnerven, so entstehen Phantome, denen keine
äuſsere Gegenstände entsprechen. Hysterische und
hypochondrische Personen sehen häufig des Abends
vor dem Einschlafen bey verschlossenen Augen,
zuweilen auch am Tage bey offenen Augen, aller-
hand Bilder, die sich mit solcher Lebhaftigkeit
aufdrängen, daſs sie kaum von Eindrücken äuſse-
rer Dinge zu unterscheiden sind c).
Aehnliche Phantome erscheinen in den Sin-
nesorganen, so oft ein stärkerer Reitz auf diese
gewirkt
A a 3
[374] gewirkt hat und dann der Einfluſs anderer Reitze
von ihnen abgehalten wird. An den Nerven des
Gehörs, Geruchs, Geschmacks und Gefühls läſst
sich das Letztere nicht bewerkstelligen. Aber in
den Gesichtsnerven, von welchen sich durch Ver-
schlieſsung der Augenlieder alle äuſsern Reitze ab-
halten lassen, erscheint immer eine gewisse Reihe
von Farbenbildern, wenn die Augen eine Zeit
lang unverwandt auf einen hellen, farbigen Ge-
genstand gerichtet gewesen sind und sie dann
plötzlich geschlossen werden. Erasmus Darwin
schloſs aus diesen Erscheinungen, daſs die Netz-
haut und die übrigen Sinnesnerven ein Bewe-
gungsvermögen besitzen, und daſs die Bewegun-
gen der einzelnen Nervenfasern unsere Ideen aus-
machen d). Allein jene Phänomene lassen sich
eben so gut mit der Voraussetzung reimen, daſs
das Licht gewisse chemische Veränderungen in
den Sinnesnerven bewirkt.
So
[375]
So viel beweisen indeſs jene Farbenbilder,
daſs in den Nerven, wie in den übrigen erreg-
baren Theilen, nach jeder Reitzung nicht blos
eine einfache Reaktion, sondern mehrere, auf
einander folgende Rückwirkungen entstehen. In
einzelnen Fällen finden wir dieses Gesetz auch
an andern Nerven bestätigt. Dem nervenkranken
Moses Mendelssohn klangen des Nachts die Töne
wieder, die er am Tage gehört hatte.
Eine Reitzung, die nur einen einzelnen Ner-
ven trifft, hat aber blos örtliche Wirkungen, wenn
dieser nicht zu denen gehört, von welchen die
anapnoischen und hämatodischen Bewegungen ab-
hängen, oder wenn die Erregung desselben sich
nicht auf Nerven, welche mit diesen Bewegun-
gen in Beziehung stehen, fortpflanzt. Zu den
letztern gehören vorzüglich der herumschweifen-
de, der phrenische, der sympathische und die
Rückenmarksnerven. Alle Reitzungen derselben
wirken auf die Quelle des Lebens selber und sind
häufige Ursachen allgemeiner Krankheiten.
Eine allgemeine Wirkung auf das Nervensy-
stem haben auch chemische Reitze, die durch
den Nahrungscanal, die Lungen und die Ober-
fläche des Körpers, oder durch Einsprützung in
die Adern, zur Blutmasse gelangen. Dieser Satz
bedarf aber einer nähern Erläuterung, ehe wir
darauf weiter bauen.
A a 4Felix
[376]
Felix Fontana war der Erste, der zahlrei-
che und genaue Erfahrungen über den Einfluſs
der thierischen und vegetabilischen Gifte auf den
thierischen Körper machte. Seine Versuche betra-
fen vorzüglich das Vipern-, Tikunas- und Kirsch-
lorbeergift und das Opium e). Das Endresultat
derselben ist, daſs diese und ähnliche Gifte ihre
allgemeinen Wirkungen auf den thierischen Kör-
per nur hervorbringen, wenn sie in die Blut-
masse gelangen, daſs sie aber auf die Nerven
keinen andern, unmittelbaren Einfluſs als einen
blos örtlichen haben. Man hat diesen Satz, der
mit herrschenden Meinungen in Widerspruch stand,
mit Unrecht angefochten. Alle zuverlässige Er-
fahrungen, die in spätern Zeiten gemacht sind,
nachdem der Galvanische Reitz, ein sichereres
Mittel zur Prüfung der Vitalität thierischer Or-
gane als Fontana besaſs, entdeckt war, stimmen
mit demselben ganz überein. Fontana fand un-
ter andern, daſs schon der tausendste Theil eines
Gran Viperngifts, durch einen Einschnitt in das
Fleisch gebracht, einen Sperling tödten kann f),
und der hundertste Theil eines Grans, der in die
Adern von Tauben und andern kleinen Thieren
gelangt, binnen wenig Minuten den Tod verur-
sacht
[377] sacht g). Ein so heftiges Gift müſste, unmittel-
bar an einen Nerven angebracht, seine tödlichen
Wirkungen noch weit schneller äuſsern, wenn es
geradezu auf das Nervensystem Einfluſs hätte.
Aber diese Anwendung hat keinesweges so nach-
theilige Folgen h). Versuche mit dem Tikunas-
gift und dem Opium gaben das nehmliche Re-
sultat i). Kirschlorbeeröl und Mohnsaft tödteten
zwar, wenn sie auf das Gehirn getröpfelt wur-
den k). Aber das Kirschlorbeeröl hatte auch eine
starke örtliche Wirkung auf die Nerven; es be-
nahm denselben an der Stelle, wo es angebracht
war, alle Reitzbarkeit l). Eine solche örtliche
Wirkung muſste freylich beym Gehirn tödlich
ausfallen.
Daſs der Mohnsaft, das Kirschlorbeerwasser
und ähnliche Gifte entweder gar keinen, oder
blos einen örtlichen, unmittelbaren Einfluſs auf
die Nerven äuſsern, ergiebt sich auch aus den
Versuchen, die mit dem Galvanischen Reitzmit-
tel angestellt sind. Humboldtm) glaubte groſse
Veränderungen der Reitzbarkeit bey der Anbrin-
gung
A a 5
[378] gung dieses Reitzes an Nerven, die mit jenen
Giften bestrichen waren, beobachtet zu haben.
Spätere Erfahrungen haben zwar gezeigt, daſs
die Reaktionen durch sie nicht immer vermehrt
werden, indem sie die Reitzbarkeit erhöhen oder
herabstimmen, sondern indem sie als Glieder der
Galvanischen Kette den Reitz vermehren oder ver-
mindern n). Doch von manchen derselben, be-
sonders den narkotischen Giften, läſst sich nicht
läugnen, daſs sie auch die Reitzbarkeit selber
verändern. Diese Wirkung ist aber beständig nur
auf die mit dem Gift berührte Stelle des Nerven
eingeschränkt. Ich bestrich die Nerven beyder
Hinterschenkel eines Frosches mit Kirschlorbeer-
wasser und galvanisirte sie mit Zink und Silber.
Die Zuckungen blieben unverändert, wenn ich
die Silberarmatur der Nerven an einer nicht be-
feuchteten Stelle der letztern anlegte. Brachte ich
hingegen das Silber an einer befeuchteten Stelle
an, so erfolgten sowohl beym Oeffnen, als beym
Schlieſsen der Kette lebhaftere Zuckungen wie
zuvor. Es ist ein Beweis von Fontana’s Be-
obachtungsgeist, daſs es ihm, der doch blos me-
chanische Reitzmittel zur Ausmittelung der Reitz-
barkeit anwenden konnte, gelang, diese örtliche
Wirkung der Gifte zu entdecken. Eben so äu-
ſsern auch die narkotischen Mittel einen blos loka-
len
[379] len Einfluſs, wenn sie auf die Oberhaut, oder
auf seröse, nicht entzündete Häute gebracht wer-
den. Nie verursachen sie bey dieser Anwendung
Betäubung o).
Ganz übereinstimmend mit den Erfahrungen
Fontana’s sind ferner die Resultate neuerer, von
Magendie, Delille, Brodie, Emmert und J.
Schnell angestellter Versuche.
Magendie und Delille brachten eine Sub-
stanz, die mit der gröſsten Heftigkeit auf das
Nervensystem wirkt, das Upas-Tieute-Gift, an
Theile, die blos noch durch Blutgefäſse mit dem
übrigen Körper zusammenhingen. Sie trennten
von einem Darmstück alle Anhänge des Gekrö-
ses, so daſs blos die Arterien und Venen unver-
letzt blieben, schnitten die beyden Enden dessel-
ben ab, und unterbanden diese, nachdem sie die
innere Fläche des Stücks mit Upasgift bestrichen
hatten; sie schnitten den Schenkel eines Thiers
so weit ab, daſs er nur durch die Blutgefäſse
mit dem Körper in Verbindung blieb, und ver-
gifteten den Fuſs; sie nahmen endlich, um allen
Verdacht von unsichtbaren lymphatischen Gefä-
ſsen zu entfernen, die etwa in den Häuten der
Blutgefäſse befindlich seyn und das Gift leiten
möchten, von jedem Gefäſs ein Stück weg und
ersetzten dessen Stelle durch eine Röhre von ei-
ner
[380] ner Federspuhle, so daſs das Gift vom Fuſse aus
einzig und allein durch das Blut zum Gehirn und
Rückenmark gelangen konnte. In allen diesen
Fällen erfolgten allgemeine Convulsionen und der
Tod eben so, als wenn die Thiere im unver-
letzten Zustand vergiftet gewesen wären p).
Brodieq) legte die Achselhöhle eines Kanin-
chen blos, durchschnitt sorgfältig die hier zum
Vorderfuſs gehenden Nerven, gerade vor ihrer
Vereinigung zum Achselgeflecht, und brachte Woo-
rara, eine Pflanzenmaterie, womit die Eingebor-
nen von Gujana ihre Pfeile vergiften, in zwey
Wunden des Fuſses. Er unterband aufs genaue-
ste den Brustgang eines Hundes da, wo sich die-
ses Gefäſs durch den Winkel der linken Schlüs-
selbein- und Drosselader begiebt, und streuete
etwas gepulverte Woorara in zwey Wunden des
linken Hinterbeins. Beyde Thiere bekamen in
weniger als einer Viertelstunde die Zufälle der
Vergiftung und starben einige Minuten nachher.
Hierauf entblöſste er bey drey Kaninchen den
Schenkelnerven an dem obern und hintern Theil
des Schenkels, zog unter dem Nerven ein Band
durch, und schnürte vermittelst des letztern alle
weiche
[381] weiche Theile des Gliedes mit Ausnahme des Ner-
ven zusammen, nachdem er mit Wasser ver-
mischte Woorara in eine am Bein gemachte Wunde
gebracht hatte. Keines der Thiere, bey welchem
die Gefäſsverbindung zwischen der verwundeten
Stelle und dem übrigen Körper auf jene Weise
unterbrochen war, wurde vergiftet. Als aber bey
dem einen Kaninchen nach einer Stunde das Band
gelöst worden war, erfolgten binnen zwanzig Mi-
nuten alle Zufälle der Vergiftung. Diese Symp-
tome deuteten insgesammt, sowohl bey den obi-
gen, als andern, mit Weingeist, dem wesentli-
chen Oel der bittern Mandeln, Eisenhutsaft, brenz-
lichem Tabacksöl und dem Wooraragift gemach-
ten Versuchen auf ein Leiden des Gehirns. Sie
waren ganz denen der Hirnerschütterung ähnlich.
Die Thätigkeit der Lungen war die erste auto-
matische Bewegung, die durch jene Gifte gehemmt
wurde. Der Herzschlag dauerte nach dem Auf-
hören des Athmens immer noch eine Zeit lang
fort. Die Bewegung des Bluts lieſs sich, wie
bey enthaupteten Thieren, durch künstliche Her-
stellung des Athemholens vermittelst Lufteinbla-
sen unterhalten. In Einem Fall wurde ein, mit
dem wesentlichen Oel der bittern Mandeln ver-
giftetes Kaninchen, und in einem andern eine
junge Katze, der Woorara in eine Wunde ge-
bracht war, durch dieses Einblasen aus dem
Scheintod erweckt. Tabacksaufguſs, der in den
Darm-
[382] Darmcanal gesprützt war, und in eine Wunde
gebrachtes Upasgift wirkten dagegen zuerst auf
die Bewegung des Bluts. Bey Thieren, die mit
diesen Mitteln vergiftet waren, schlug das Herz
schwach und unregelmäſsig, ehe noch die Ver-
richtungen des Gehirns und der Lungen zu lei-
den schienen.
Emmertr) und Schnells), deren Versuche
vorzüglich mit der unächten Augusturarinde und
dem Upas-Antiar-Gift angestellt wurden, fanden
nicht, daſs das letztere, wie Brodie glaubt, zu-
nächst den Blutumlauf hemmt. In allen übrigen
Stücken stimmen ihre Erfahrungen mit den Re-
sultaten der Versuche Fontana’s, Magendie’s,
Delille’s und Brodie’s ganz überein. Sie be-
obachteten überdies noch, daſs die Heftigkeit der
Wirkung jener Gifte immer mit der Lebhaftig-
keit des Kreislaufs und der Blutmenge der Or-
gane, womit sie in Berührung gebracht sind, in
Verhältniſs steht; daſs alle Gifte von den ver-
schiedensten Theilen des Körpers aus beständig
die
[383] die nehmlichen Zufälle des Nervensystems erre-
gen; daſs die Wirkungen derselben desto schnel-
ler und gleichförmiger, und die organischen Ver-
änderungen, welche einige sonst verursachen, de-
sto geringer sind, je gröſser ihre Menge ist; daſs
sie durch die Wände der Blutgefäſse auf ähnliche
Art dringen, wie die eingeathmete Luft durch
die Wände der Lungengefäſse, und durch Töd-
tung eines Thiers äuſserst wenig an Gewicht ver-
lieren; daſs endlich die meisten vegetabilischen
und animalischen Gifte den Grund ihrer Wirk-
samkeit in einem der Blausäure ähnlichen Bestand-
theil zu haben scheinen.
So viel ist also gewiſs, daſs diejenigen Gifte,
die vorzüglich das Nervensystem angreifen, erst
auf das Blut wirken müssen, ehe sie ihren Ein-
fluſs auf den ganzen Körper äuſsern können.
Es scheint aber, daſs überhaupt die Hauptwir-
kung aller Arzneyen, die nicht blos mechanische
Veränderungen erregen, erst eintritt, nachdem
das Blut von ihnen auf eine gewisse Art verän-
dert ist. Schon aus den ältern Versuchen mit der
Infusion von Arzneyen in die Adern der Thiere
ergiebt sich, daſs Substanzen, auf solche Art bey-
gebracht, die nehmlichen Zufälle verursachen,
die sie vom Magen aus hervorbringen. Schon
Olaus Borrichiust) wuſste, daſs Purgiermittel,
in
[384] in die Adern gesprützt, Abführen erregen. Fon-
tanau) bemerkte dasselbe nicht nur von diesen,
sondern auch von den Brechmitteln und beson-
ders vom Tabacksöl. Neuere Versuche haben ge-
zeigt, daſs noch viele andere Mittel eben so von
den Adern, wie vom Nahrungscanal aus, wir-
ken v). Brechweinstein und salzsaure Schwererde
erregen nicht nur in die Adern gesprützt, son-
dern auch blos in Wunden gestrichen, Erbre-
chen w). Das Veratrum album bringt schon, den
Pferden als Haarseil an den Brustmuskel gelegt,
Brechen hervor x). Die nach Arsenikvergiftungen
entstehende Magenentzündung erfolgt schneller
und heftiger, wenn der Arsenik in eine Wunde
gebracht wird, als nach der innerlichen Vergif-
tung y). Wie läſst sich annehmen, daſs bey die-
sen
[385] sen Versuchen die örtlichen Wirkungen der dem
Blute beygemischten Substanz etwas Anderes, als
Folgen eines allgemeinen Einflusses auf das Ner-
vensystem sind? Arsenik, salzsaure Schwererde
und Brechweinstein tödten auch ganz auf die-
selbe Art, wie der Tabacksaufguſs und das Upas-
gift, deren Wirkung auf das Nervensystem sich
nicht bezweifeln läſst. Sie hemmen, wie diese,
die Bewegung des Bluts, indem sie eine Läh-
mung des Nervensystems hervorbringen. Die Ma-
genentzündung, die nach der Arsenikvergiftung
entsteht und die man sonst für die Ursache des
nach der letztern erfolgenden Todes hielt, tritt
weder so schnell, noch mit solcher Heftigkeit
ein, daſs man sie mit Recht dafür annehmen
kann z). Der in die Blutmasse gebrachte Brech-
weinstein wirkt vorzüglich auf die herumschwei-
fenden Nerven. Thiere, denen man denselben
in die Adern gesprützt hat, sterben nicht so
schnell, wenn man ihnen vor dem Einsprützen
diese Nerven durchschnitten hat, als wenn sie
unverletzt geblieben sind a).
Es giebt aber auch zahlreiche Erfahrungen,
die beweisen, daſs viele in den Magen gebrachte
Substanzen wirklich in die Blutmasse übergehen.
Li-
V. Bd. B b
[386]Listerb), Musgravec) und Hallerd) fanden
den Chylus in den Milchgefäſsen von Hunden,
denen, nachdem sie einige Zeit gehungert hatten,
eine mit Indigo gefärbte Flüssigkeit eingegeben
war, von blauer Farbe. Das Pigment der Fär-
berröthe geht unzersetzt in die Knochen über,
und zwar indem es von dem Eyweiſsstoff des
Bluts aufgelöst und aus diesem durch den phos-
phorsauren Kalk der Knochen niedergeschlagen
wird e). Bredin entdeckte bey Pferden und
Eseln, denen Salpeter und Salmiak eingegeben
waren, diese Substanzen im Blute wieder f). Au-
tenrieth und Zeller fanden bey der Destilla-
tion des Bluts aus dem rechten Herzohr, der
untern Hohlvene und der Pfortader einer Katze,
eines Hundes und eines Kaninchen, denen man
sechs bis sieben Tage lang täglich Quecksilber-
salbe eingerieben hatte, in der Vorlage Queck-
silberkügelchen g), und Hamilton traf bey einer
Frau,
[387] Frau, die eine beträchtliche Menge eben dieses
Mittels gebraucht hatte, dasselbe in der Milch
wieder an h).
Man hat sich oft gesträubt, eine Wirkung
der Gifte und Arzneyen durch das Blut einzu-
räumen, weil man voraussetzte, daſs, so lange
die Nerven des Magens und Darmcanals nicht
krankhaft verändert wären, keine andere als assi-
milirte Stoffe in die Milchgefäſse aufgenommen
würden. Diese Meinung ist vielleicht richtig.
Nach Brugmann’s Bemerkung i) saugen die Lymph-
gefäſse niemals scharfe und giftige Materien ein,
so lange sie nicht krankhaft verändert sind. Al-
lein das lymphatische System ist nicht das Mit-
tel, durch welches die Gifte auf das Nervensy-
stem wirken. In Brodie’s Versuchen traten die
tödlichen Folgen des innerlich gegebenen Wein-
geists und Wooraragifts auch ein, wenn der Brust-
gang unterbunden war k). Blos durch das Blut
geschieht die Wirkung jener Substanzen. Es ist
sogar
B b 2
[388] sogar wahrscheinlich, daſs einige derselben nicht
von den Blutgefäſsen absorbirt zu werden brau-
chen, um das Blut zu verändern. Der Einfluſs
mancher unter ihnen auf diese Flüssigkeit ist ge-
wiſs ein plötzlicher, sich schnell über die ganze
Blutmasse verbreitender Eindruck, der mehr nach
den Gesetzen der Elektricität, als der Auflösung
wägbarer Substanzen geschieht. Nimmt man dies
nicht an, so ist es unerklärbar, wie die betäu-
benden Wirkungen des Weingeists so augenblick-
lich erfolgen, wenn man nicht der Hypothese
Brodie’s l) beytreten will, daſs durch dieses Mit-
tel das Gehirn ohne Vermittlung des Bluts an-
gegriffen wird, einer Meinung, die nicht nur
den Einwurf, daſs der Weingeist im Wesentli-
chen auf die nehmliche Art und nicht schneller
als das Vipern- und Wooraragift wirkt, von de-
nen es doch ausgemacht ist, daſs sie nicht einen
unmittelbaren Einfluſs auf das Gehirn haben, son-
dern auch den Umstand, daſs der Weingeist, an
entblöſste Nerven angebracht, immer nur eine
örtliche Veränderung bewirkt, gegen sich hat.
Es war nöthig, diese Sätze ausführlich zu
beweisen, weil von der Wahrheit derselben die
Befugniſs abhängt, aus den Erscheinungen, wel-
che nach der Anwendung der Gifte und Arz-
neyen erfolgen, auf die Wirkungsart der Nerven
zu
[389] zu schlieſsen. Aus demselben Grunde werden
wir die Wirkungen der Miasmen und Contagien
in Betrachtung ziehen müssen.
Diese haben meist keinen so unmittelbaren
Einfluſs auf die Nerven, als viele Gifte und Arz-
neyen. Einige, z. B. die Krätze, die Gonorrhoe
u. s. w. wirken blos örtlich, und zwar nur auf
die Haut, oder auf absondernde Organe, nicht
aber, als etwa zufällig, auf die Nerven. An-
dere, z. B. das Gift der Lustseuche, haben einen
allgemeinen Einfluſs, der sich aber anfänglich blos
auf die Ernährungsprocesse beschränkt. In der
Folge leiden zwar auch die Nerven, doch nur
weil die Ernährung derselben krankhaft verändert
ist. Bey vielen ansteckenden Krankheiten, z. B.
den Pocken, dem Scharlachfieber, den Masern,
den Nerven- und Faulfiebern, der Hundswuth
u. s. w. findet allerdings ein Leiden des Nerven-
systems statt, das nur von einem sehr heftigen
Reitz herrühren kann. Aber auch hier ist die
Ernährung immer die Funktion, von welcher das
Uebel ausgeht. Die Contagien jener Krankheiten
verändern nicht ganz auf dieselbe Art das Blut
wie die Gifte. Ihre Wirkungen hängen nicht von
ihrer Quantität ab; sie können Wochen und Mo-
nate im Körper verborgen liegen, ehe sie be-
merkbare Symptome hervorbringen; die Krank
heiten, die sie erregen, sind immer von einerley
B b 3Art
[390] Art mit denjenigen, in welchen sie entstanden
sind; nach ihrem Einfluſs auf den Körper bildet
sich wieder die nehmliche ansteckende Substanz,
wodurch sie erzeugt sind, und der Verlauf der
Krankheiten, die sie veranlassen, hält feste Pe-
rioden, welche sich durch kein Mittel aufheben
lassen. Alles dies beweist, daſs die Contagien
erst eine gewisse Mischungsveränderung in den
Säften verursachen, ehe das Nervenleiden nach
ihrer Mittheilung ausbricht. Die Symptome der
ansteckenden Krankheiten sind also zwar zum
Theil ähnliche Folgen einer heftigen Reitzung des
Nervensystems, wie die Gifte hervorbringen; aber
manche rühren auch von andern Ursachen her.
Es läſst sich daher aus diesen Phänomenen nur
unter gewissen Einschränkungen auf die Wirkungs-
art der Nerven schlieſsen.
Einen reinen und allgemeinen Einfluſs auf
das ganze Nervensystem hat dagegen der thieri-
sche Magnetismus. Die Zeiten sind vorüber, wo
man an Täuschung und Betrug dachte, so oft
dieses Wort genannt wurde. Es wird keiner Be-
weise der physischen Wirkungen desselben und
keiner Widerlegung der Hypothesen, woraus man
diese zu erklären gesucht hat, bedürfen. Nur
über die psychischen Erscheinungen des magne-
tischen Schlafs können noch Zweifel statt finden.
Auf diese werden wir indeſs in der Folge kom-
men.
[391] men. Hier wird blos von den körperlichen Wir-
kungen jenes Mittels die Rede seyn.
Man weiſs, unter andern aus Pechlin’s m)
Erzählungen, daſs der Einfluſs gewisser Berüh-
rungen von Menschen auf andere Menschen schon
längst beobachtet ist. Mesmer scheint zuerst ent-
deckt zu haben, daſs dieser Einfluſs sich vor-
züglich dann äuſsert, wenn der zu Magnetisi-
rende vom Gehirn nach den peripherischen En-
den der Nerven durch den Manipulirenden ge-
strichen wird. Dieses Streichen ist wirksamer
als bloſse Berührung. In Fällen, wo die Em-
pfänglichkeit für den thierischen Magnetismus sehr
groſs ist, kann aber auch schon das bloſse Auf-
legen der Hände, oder selbst schon das nahe
Zusammenleben mit gewissen Personen alle Er-
scheinungen des Somnambulismus hervorbringen.
Ich habe einen Fall gehabt, wo ein siebenzehn-
jähriges, sonst gesundes und starkes Mädchen,
die in der Entwickelungsperiode plötzlich von
Zuckungen befallen war, nach und nach in einen
Schlafwandel gerieth, der in seiner gröſsten Höhe
acht Tage ununterbrochen anhielt, ohne daſs ich
mehr als blos ein Streichen mit der flachen Hand
im Anfang der Krankheit, und auch dieses nur
einige male bey ihr versucht hätte. Der Som-
nam-
B b 4
[392] nambulismus ist aber immer eine seltene Wir-
kung des Magnetismus. Gewöhnlich erfolgen nach
der Anwendung desselben nur Fieberregungen,
wobey sich vorher unterdrückt gewesene Aus-
leerungen, besonders die monatliche Reinigung,
wieder einstellen n).
So viel über die Wirkungsart der Reitze des
Nervensystems als Einleitung zum folgenden Ka-
pitel, welches die Gesetze der Erscheinungen, die
in der Reitzbarkeit dieses Systems ihren Grund
haben, enthalten wird.
Sechstes
[393]
Sechstes Kapitel.
Gesetze der Reitzbarkeit des Nerven-
systems.
Alle Gesetze der Reitzbarkeit, die wir im vier-
ten Abschnitt des vierten Buchs dieses Werks o)
aus den Erscheinungen des Wachsthums und der
Abnahme der lebenden Körper und im vorigen
aus den Erscheinungen der Muskelkraft ableite-
ten, gelten auch für das Nervensystem. Manche
lassen sich noch strenger bey diesen als bey jenen
beweisen. Wir werden hier bey den letztern und
bey denen, die den Nerven vermöge ihres Baus
und ihrer Verrichtungen eigenthümlich sind, län-
ger verweilen, die übrigen aber nur berühren.
1. Die nächste Wirkung jedes Reitzes sind
Erregungen. Jede reitzende Flüssigkeit, die man
einem Thier durch die Carotis in das Gehirn
sprützt, verursacht immer zuerst Convulsionen p).
Dieselbe Wirkung ist die erste, welche erfolgt,
wenn ein narkotisches Gift in stärkerer Dose ge-
nom-
B b 5
[394] nommen ist, oder wenn der thierische Magne-
tismus bey reitzbaren Personen angewandt wird.
Ist die Dose des Gifts nur gering, und geschieht
die Anwendung desselben bey weniger reitzbaren
Menschen, so beschränkt sich die Erregung auf
vermehrte Thätigkeit des Herzens und erhöhete
Neigung des Bluts zum Gerinnen. Durch krampf-
hafte Bewegungen äuſsert sich auch der Anfang
jeder ansteckenden Krankheit.
2. Bey fortgesetzter Wirkung eines und des-
selben Reitzes nimmt die Empfänglichkeit für
denselben immer mehr ab. Die Abnahme ist um
so gröſser, je mehr der Reitz specifisch auf das
ganze Nervensystem wirkt. Man beobachtet sie
daher vorzüglich bey der Anwendung des Mohn-
safts und der übrigen narkotischen Mittel, doch
in minderm Grade auch bey örtlichen mechani-
schen Reitzungen der Nerven q). Auf diesem
Gesetz beruhet das Gewöhnungsvermögen der
Thiere. Die Abstumpfung gegen einen und den-
selben Reitz findet indeſs nur in Beziehung auf
den unmittelbaren, reitzenden Einfluſs desselben
statt. Jener kann aber Nebenwirkungen äuſsern,
die durch keine Angewöhnung aufgehoben wer-
den. Die Oxyde des Arseniks, Bleys, Queck-
silbers u. s. w. können nach und nach ihren un-
mittelbaren schädlichen Einfluſs auf das Nerven-
system,
[395] system, aber nie ihre nachtheiligen Nebenwir-
kungen verlieren. Das Quecksilber wird immer
fortfahren, Speichelfluſs hervorzubringen, so oft
dasselbe auch genommen wird. Mit jener Ab-
nahme der Reitzbarkeit ist übrigens nicht immer
schnelle Abnahme der Erregung verbunden. Der
in kurzer Zeit wiederholte Einfluſs eines und des-
selben Reitzes oder ähnlich wirkender Irritamente
auf einen isolirten Nerven kann die Erregung bis
auf einen gewissen Punkt steigern, indem nach
jeder Reitzung nicht blos eine einfache Reaktion,
sondern eine Reihe von Reaktionen entsteht, und
daher jede folgende Reitzung durch die fortdau-
ernde Wirkung der vorhergehenden vermehrt wird.
Diese Zunahme der Erregung hat jedoch eine ge-
wisse Gränze, jenseits welcher sie wieder sinkt,
wenn nicht der Reitz in eben dem Verhältniſs,
wie die Reitzbarkeit abnimmt, verstärkt wird.
3. Jede Art von Reitzen erregt eine eigene
Art von Empfindungen. Auſser der Wirkung,
die ein Irritament als solches überhaupt hat, muſs
dasselbe also noch gewisse Nebenwirkungen her-
vorbringen, worin die Verschiedenheit der Em-
pfindungen ihren Grund hat. Durch diese Ne-
benwirkungen wird die Reitzbarkeit auf verschie-
dene Art gestimmt; sie wächst für eine andere
Art von Reitzen, indem sie für diejenige, wo-
durch ihre Erhöhung bewirkt wurde, abnimmt.
Vor-
[396] Vorzüglich erhöhen gewisse geistige Eindrücke
die Empfänglichkeit für äuſsere Reitze und brin-
gen dadurch manche Ausnahmen von dem Gesetz
des Sinkens der Reitzbarkeit bey fortdauerndem
Einfluſs eines und desselben Reitzes hervor. So
erregt oft ein Brechmittel, zum zweyten mal ge-
nommen, leichter Brechen als einige Zeit vorher,
blos weil die widrigen Gefühle, die das erste
mal bey der Wirkung des Mittels entstanden,
nachher schon beym Einnehmen wieder rege wer-
den und die Neigung zum Brechen vermehren.
Noch mehr wird die Empfänglichkeit für einerley
Eindrücke in den Sinnesnerven durch die Auf-
merksamkeit erhöhet, wodurch zugleich die äu-
ſsern Sinnesorgane dem Grade des Eindrucks im-
mer genauer angepaſst werden. Geringe Gaben
narkotischer und spirituöser Mittel vermehren eben-
falls die Empfänglichkeit der Sinnesnerven für die
äuſsern specifischen Sinnesreitze. Gröſsere Dosen
vermindern diese, erhöhen aber die Receptivität
für innere Reitze und verursachen Phantasmen,
denen keine äuſsere Gegenstände entsprechen.
Umstimmungen der Reitzbarkeit, vermöge welcher
Reitze, die sonst nur einen schwachen Eindruck
machen, heftig wirken, andere, wofür die Em-
pfänglichkeit sonst groſs ist, wenig oder gar nicht
percipirt werden, und noch andere Reaktionen
erregen, die von den gewöhnlichen ganz abwei-
chen, sind überhaupt in jedem krankhaften Zu-
stand
[397] stand die häufigsten Symptome. Durch äuſsere
Eindrücke wird vorzüglich die Reitzbarkeit der
Geschmacksnerven schnell verändert. Der Genuſs
säuerlicher Getränke erhöhet die Empfänglichkeit
der Zunge für süſse Sachen, und fast nach jeder
genossenen Speise ist der Geschmack für eine
andere Kost auf eigene Weise modifizirt. An
den Nervenwärzchen der Zunge bemerkt man auch
ein Anschwellen, so oft ihre Empfänglichkeit für
diejenigen Reitze, wofür sie besonders organisirt
sind, erhöhet ist r). Wahrscheinlich findet eine
solche Turgescenz unter ähnlichen Umständen in
den peripherischen Enden aller Nerven eben so,
wie in den Bewegungsorganen, statt.
4. Durch jede Reitzung, wofür ein Nerve
eigends organisirt ist, wird eine entgegengesetzte
Aktion erregt, welche die, durch jenen erschöpfte
Reitzbarkeit wieder ersetzt. Auf diesem Gesetz
beruhet das Vermögen, die Empfänglichkeit für
gewisse Reitze durch Uebung zu verstärken, eine
Eigenschaft, die mit dem Gesetz des Abnehmens
der Erregbarkeit bey fortdauernder Wirkung eines
und desselben Reitzes in Widerspruch stehen
würde, wenn nicht die erwähnten Gegensätze
vorhanden wären. Die Nothwendigkeit derselben
für jeden lebenden Körper haben wir schon im
drit-
[398] dritten Band der Biologie (S. 589.) aus dem Be-
griff des Lebens abgeleitet. Für die allgemeinen
Reitze sind es vorzüglich die anapnoischen und
hämatodischen Bewegungen, die mittelbar durch
sie vermehrt werden und durch welche die ver-
zehrte Reitzbarkeit wieder ersetzt wird. Durch
manche jener Reitze wird auch dieser Ersatz ver-
mittelt, indem sie die Thätigkeit der Verdauungs-
organe und das Bedürfniſs nach Nahrung ver-
mehren. Für die blos örtlichen Reitze ist es
im Allgemeinen verstärkte, lokale Thätigkeit des
Bluts, was dem erschöpfenden Einfluſs derselben
auf die Reitzbarkeit entgegenwirkt. In einigen
Organen findet aber auch ein solcher Gegensatz
zwischen Nerven und Nerven statt, daſs Reit-
zung des einen den andern zur Hervorbringung
gewisser Veränderungen in äuſsern Theilen auf-
regt, wodurch für den erstern die Stärke hefti-
ger Reitze vermindert, schwacher vermehrt wird.
Im Auge läſst sich ein solcher Gegensatz zwischen
dem Sehenerven und den Ciliarnerven nachwei-
sen. An den übrigen Sinnesorganen ist noch zu
Vieles dunkel, um bey ihnen diesen Beweis eben
so leicht führen zu können. Mehrere, von Bran-
diss) aufgestellte Gründe lassen aber vermuthen,
daſs
[399] daſs auch bey ihnen ähnliche Gegensätze vorhan-
den sind.
5. Sowohl die allgemeinen, als die örtlichen
Reitze haben specifische Wirkungen auf einzelne
Theile. Wer blos die Erfahrung kennt, daſs
Brechweinstein in den Magen gebracht, Brechen
erregt, wird sich überreden, daſs jener nur durch
seine unmittelbare Wirkung auf den Magen diese
Bewegung verursacht. Wer aber weiſs, daſs
auch das Einsprützen einer Auflösung des Brech-
weinsteins in Blutgefäſse Brechen erregt, wird
zugeben müssen, daſs dieses nur örtliche Folge
eines allgemeinen Eindrucks auf das Nervensy-
stem seyn kann. Aber auch alle Reitze, von
denen es ausgemacht ist, daſs sie einen allgemei-
nen Einfluſs auf das Nervensystem haben, äu-
ſsern doch specifische Nebenwirkungen. Die Bel-
ladonna, der Hyoscyamus und andere narkotische
Mittel verursachen eben so wohl in den Magen,
als blos an das Auge gebracht, eine Erweiterung
der Pupille. Sie machen zugleich einen eigenen
Eindruck auf den Schlund und auf die Retina,
indem sie Brennen im Halse und Funkeln vor
den Augen erregen. Unter den Giften wirken
einige
s)
[400] einige mehr auf das Gehirn, andere mehr auf
das Rückenmark oder den Intercostalnerven. Jene
heben zuerst die Lungenthätigkeit, diese die Be-
wegung des Bluts auf. Ohne Zweifel hat jede
kräftige Arzney eine specifische Nebenwirkung.
Viele sind darum wohlthätig in gewissen Krank-
heiten, weil sie diesen ähnliche, specifische Zu-
fälle verursachen. Aber wo sie auf solche Art
heilbringend sind, betrifft die Aehnlichkeit ihrer
Wirkungen mit den Symptomen gewisser Krank-
heiten nur die Form; dem Wesen nach stehen
sie den letztern gerade entgegen. Jene Analogie,
die Hahnemann zur Grundlage der Heilkunst
machen wollte, kann daher den Arzt nicht lei-
ten, so lange er die Krankheiten und die Wir-
kungen der Arzneyen blos der Form und nicht
dem Wesen nach kennt.
6. Es giebt für jeden thierischen Organismus
einen bestimmten Grad der Nerventhätigkeit, wel-
cher nicht fortdauern kann, ohne von Zwischen-
räumen der Ruhe unterbrochen zu werden. Die
vornehmste dieser Intermissionen ist der Schlaf.
Es findet aber in demselben nicht gänzliches Auf-
hören aller Nervenwirkungen, sondern blos Ruhe
des Empfindungs- und Bewegungsvermögens statt.
Diejenige Thätigkeit der Nerven, welche der Er-
nährung und den von der Ernährung abhängen-
den Processen vorsteht, ist, wie wir in der
Fol-
[401] Folge, wo dieses Gesetz umständlicher erläutert
werden wird, sehen werden, während des Schlafs
erhöhet.
7. Treten jene Intermissionen nicht ein, so
erfolgt nach heftigen, anhaltenden Reitzungen ent-
weder der Tod, oder Lähmung einiger Organe,
indem sich die Thätigkeit des Nervensystems auf
den übrigen Organismus concentrirt, und zugleich
oft die Reitzbarkeit so umgestimmt wird, daſs
jene Reitzungen aufhören. Viele betäubende Gifte,
besonders das Opium, bewirken in starken Ga-
ben genommen apoplektische Zufälle und Läh-
mungen in den Organen der willkührlichen Be-
wegung. Man nimmt gewöhnlich die letztern für
Mitwirkungen der Apoplexie an. Indeſs kann es
auch seyn, daſs sie erst mit dem Aufhören der
Lähmung des Gehirns entstehen. Nach Bleyver-
giftungen hört die Colik auf, sobald die äuſsern
Gliedmaaſsen paralytisch werden, und schmerz-
stillende Mittel, wodurch jene besänftigt wird,
z. B. Opium und ölige Substanzen, befördern den
Ausbruch der Lähmung.
8. Die Erregbarkeit und das Reaktionsvermö-
gen der Nerven stehen nicht immer in gleichem
Verhältniſs. Die Reaktionen können schwach und
von kurzer Dauer bey sehr hoher, so wie stark
und anhaltend bey geringer Empfänglichkeit für
Reitze seyn. Stärke und Ausdauer des Reaktions-
V. Bd. C cver-
[402] vermögens hängen von der Beschaffenheit der Er-
nährungsprocesse ab. Sie sind immer mit anhal-
tend starken, hämatodischen und anapnoischen
Bewegungen und mit vermehrter Gerinnbarkeit
des Bluts verbunden. Wo sie vorhanden sind,
wirkt jeder allgemeine Reitz mehr auf jene au-
tomatische Bewegungen, als auf die Nerven der
Empfindung und willkührlichen Bewegung. Bey
schwachem, bald erschöpftem Reaktionsvermögen
hingegen geht die Reitzung mehr auf die Em-
pfindungs- und Bewegungsthätigkeit der Nerven
über, und hier tritt häufig ein Wechsel dieser
Thätigkeit in den verschiedenen Organen ein.
Fast bey jeder, mit Schwäche verbundenen, ho-
hen Reitzbarkeit der Nerven wechseln convulsi-
vische Bewegungen mit Schmerzen, diese mit
Phantasmen u. s. w. Convulsionen befallen plötz-
lich einen Theil, verlassen eben so plötzlich
diesen, und ergreifen ein anderes, oft sehr ent-
ferntes Organ t). Es ist, als ob hier ein flüch-
tiges, der Elektricität ähnliches Wesen sein Spiel
triebe. Ob dieses Wesen Substrat der Erregbar-
keit oder des Reitzes ist, läſst sich nicht in allen
Fällen ausmachen. Oft aber scheint allerdings
ein Wandern der Reitzbarkeit von Theilen zu
Thei-
[403] Theilen, eine Anhäufung derselben in einigen
auf Unkosten anderer, statt zu finden. Aus einer
solchen ungleichen Vertheilung der Nervenreitz-
barkeit entstehen eine Menge Erscheinungen, die
das Ansehn sympathischer haben, welche aber
von denen sehr verschieden sind, deren Grund
in dem organischen Zusammenhang der Nerven
und dem Associationsvermögen der thierischen Or-
gane liegt. So zeigt sich bey Leberkrankheiten
oft ein consensueller Schmerz in den Waden u),
also in Theilen, die mit jenem keine unmittel-
bare Verbindung durch Nerven haben. Man kann
hier blos annehmen, daſs die Krankheit der Le-
ber einen Einfluſs auf das ganze Nervensystem
hat, der eine Erhöhung der Reitzbarkeit in den
Wadennerven nach sich zieht. Aus der nehmli-
chen Ursache entsteht in manchen Fällen von
Entzündung des Zwerchfells, so wie von Verlet-
zungen der Hoden, sardonisches Lachen v), und
von einigen Krankheiten des Unterleibs Erweite-
rung der Pupille. Dieselbe Erklärung ist viel-
leicht auch auf einen, von Odierw) beobachte-
ten
C c 2
[404] ten Fall von einer, nach einem Säbelhieb ent-
standenen Epilepsie anwendbar, deren Anfällen
Zuckungen im kleinen Finger der rechten Hand
vorhergingen, die sich nach dem Kopf verbrei-
teten, und wobey doch die materielle Ursache
der Krankheit eine Geschwulst im Gehirn sel-
ber war.
9. Eine partielle Erhöhung der Nerventhätig-
keit tritt auch ein, wenn ein Theil des Nerven-
systems, der keine Funktion bey der Ernährung
des ganzen Körpers hat, lange unthätig geblie-
ben, oder vertilgt ist. Hier wird jene Thätigkeit
oft in einem andern Theil dieses Systems weit
über die gewöhnliche Gränze vermehrt. Die häu-
figsten Beyspiele dieser Exaltation geben die Sin-
nesorgane. Besonders wird das Gefühl auf Un-
kosten des Gesichts erhöhet x). Aber auch an
den Organen der willkührlichen Bewegung zeigen
sich ähnliche Erscheinungen. Man weiſs, in
welchem Grade Menschen, die ohne Hände ge-
boren wurden, den Mangel dieser Gliedmaaſsen
durch die Füſse haben ersetzen können. Zum
Theil läſst sich dieses Gesetz zwar auf das der
Uebung
[405] Uebung zurückführen, doch ganz nicht. Durch
Uebung wird nur die Empfänglichkeit für einer-
ley Eindrücke erhöhet. Aber bey vielen Blinden
war das Gefühl nicht blos verfeinert, sondern es
schien ein ganz neuer, dem Gesicht ähnlicher
Sinn bey ihnen erwacht zu seyn y).
10. Bey einer allgemeinen Erhöhung der Ner-
venthätigkeit kann keine örtliche Zunahme der-
selben eintreten, ohne daſs das ganze Nervensy-
stem daran Theil nimmt. Im entzündlichen Sta-
dium fieberhafter Krankheiten wird das Fieber
durch blasenziehende Mittel und ähnliche örtliche
Reitze verstärkt. Ist aber die Nerventhätigkeit bis
auf einen gewissen Grad geschwächt, so nimmt
sie im übrigen Körper ab, indem sie in einzel-
nen Theilen wächst. Diese partielle Zunahme
kann unter gewissen Umständen einen hohen
Grad
C c 3
[406] Grad in Hinsicht sowohl auf die Dauer, als auf
die Heftigkeit erreichen. Immer aber geschieht
sie auf Unkosten des Ganzen. So schlafen Thiere
in einer Stellung, die sie wachend nicht lange
würden behaupten können. Aber ihr Nervensy-
stem hat im Schlaf nur diese Eine Stellung, im
Wachen hingegen noch viele andere Verrichtun-
gen, von welchen jede nur bey einem mittlern
Grad von Stärke und Dauer der übrigen voll-
zogen werden kann, zu unterhalten. Auf dem-
selben Grund beruhet die Erklärung der in der
Catalepsie statt findenden Fortdauer der Stellung,
die der Kranke im Anfang des Paroxysmus an-
genommen hat, oder worin er während demsel-
ben versetzt ist, bey gänzlicher Unthätigkeit aller
übrigen willkührlichen Organe und aller Sinnes-
werkzeuge.
Dritter
[407]
Dritter Abschnitt.
Autonomie des Nervensystems.
Erstes Kapitel.
Einfluſs der Nerven auf die Ernährung.
Wir kommen auf einen Gegenstand, worüber
schon in mehrern der obigen Abtheilungen unsers
Werks einzelne Bemerkungen mitgetheilt sind.
Es ist jetzt nöthig, dieses Einzelne von einem
höhern Standpunkt zu betrachten und die allge-
meinen Gesetze des Wirkens der Nerven bey der
Ernährung aufzusuchen.
Vorläufig erinnern wir, was schon im Anfang
des vierten Bandes erinnert ist, daſs wir das
Wort Ernährung in der allgemeinsten Bedeu-
tung nehmen, und alle Funktionen darunter be-
greifen, deren nächster Zweck die Erhaltung und
Ausbildung der Organisation ist. Wir verstehen
das Nehmliche darunter, was von mehrern neuern
C c 4Schrift-
[408] Schriftstellern mit dem nicht ganz passenden Na-
men der Reproduktion bezeichnet ist.
Bey unsern frühern Untersuchungen fanden
wir Beweise für den Einfluſs der Nerven auf die
Verdauung z), die beym Athemholen eintretende
Veränderung des Bluts a), die eigene Bewegung
dieser Flüssigkeit b) und die thierische Wärme c).
Zu allen diesen und den übrigen, ebenfalls schon
angeführten Gründen d) kommen noch folgende,
die in Verbindung mit jenen bey dem Unbefan-
genen keinen Zweifel in Betracht des gedachten
Einflusses übrig lassen können.
1. Mit der Zerstörung eines Sekretions-Or-
gans hört die Absonderung der eigenthümlichen
Flüssigkeit desselben auf. Nach der Exstirpation
der Brüste und der Hoden wird keine Milch und
kein Saamen weiter secernirt. Die Bildungskraft,
die den Organismus hervorbrachte, ist also nach
dieser Hervorbringung von ihrem Produkt abhän-
gig. Jede besondere Thätigkeit derselben ist jetzt
an einen besondern Theil gebunden. Durch die
Zerstörung dieses Theils wird die Mannigfal-
tigkeit ihrer Aeuſserungen vermindert und ihre
Sphäre
[409] Sphäre beschränkt. Nach der Zerstörung eines
Organs schwinden aber zugleich oft andere, mit
demselben in Sympathie stehende Theile. Die
Folgen der Castration sind Aufhören des Wach-
sens der Barthaare bey dem Menschen und der
Geweihe bey den Hirschen. Nach der Exstirpa-
tion der Eyerstöcke fallen die Brüste zusammen e).
Die Organe der Sympathie sind die Nerven f).
Jene Thatsache beweist also, daſs die Nerven es
sind, durch welche die Bildungskraft zu wirken
fortfährt und woran sie gebunden ist, nachdem
ihre ursprüngliche, bey der Zeugung statt fin-
dende Thätigkeit aufgehört hat.
2. Man kennt die heftigen Wirkungen der
Leidenschaften auf die Absonderungen, z. B. des
Zorns auf die Galle, der Wuth gereitzter Thiere
auf den Speichel, der Furcht auf den Darmsaft
u. s. w. Man weiſs, daſs nach Furcht und Schrek-
ken plötzlich scirrhöse Verhärtungen in drüsen-
artigen Theilen entstanden sind g). Diese Wir-
kungen geschehen gewiſs durch die Nerven. Man
kann nicht sagen, daſs hier Aktionen der letz-
tern eintreten, denen nichts Aehnliches im ruhi-
gen
C c 5
[410] gen Zustand entspricht. Nervenwirkungen kön-
nen vermehrt, vermindert und verändert werden,
aber keine können entstehen, wo keine vorhan-
den waren.
3. Es giebt eine Art von Auszehrung, wo-
bey alle Verdauungs- und Sekretionsorgane gesund
sind und blos das Nervensystem der ursprüng-
liche Sitz der Krankheit seyn kann (Tabes dor-
salis). Diese kann aber nur von demselben aus-
gehen, wenn jenes einen regelmäſsigen Einfluſs
auf die Werkzeuge der Verdauung und Absonde-
rung hat, der hier entweder aufgehoben, oder von
seiner natürlichen Beschaffenheit abgewichen ist.
4. Zerrüttungen des Gehirns, die in der Ju-
gend entstanden sind, haben immer einen gro-
ſsen Einfluſs auf das Wachsthum. Ein blödsin-
niger Knabe, bey welchem der Hirnknoten eine
solche Härte hatte, daſs man ihn kaum durch-
schneiden konnte, die Marksubstanz der Schen-
kel und einiger anderer Theile des kleinen Ge-
hirns eine Menge erdiger Theile enthielt, und
das groſse Gehirn, so wie der obere Theil des
kleinen, ungewöhnlich weich waren, hatte bey
seinem, im sechszehnten Jahr erfolgten Tode vom
Kopfe an die Gröſse eines dreyjährigen Kindes;
der Kopf hingegen war [s]o groſs, wie bey einem
zwölfjährigen Knaben h).
5.
[411]
5. Die Pflanze ist ganz abhängig, das Thier
ganz unabhängig bey der Ernährung von dem
Einfluſs des Lichts. Woher diese Verschiedenheit
bey Organismen, wobey es nicht einen völligen
Gegensatz in der Ernährungsweise giebt, als da-
her, daſs der thierische Körper eine Kraft be-
sitzt, die eben so den Ernährungsproceſs bey ihm
von innen regelt, wie er bey der Pflanze durch
einen äuſsern Einfluſs geleitet wird? Und wel-
ches andere organische System kann bey jenem
der Sitz dieser Kraft seyn, als das einzige, wel-
ches das Thier vor der Pflanze voraus hat, das
Nervensystem?
Bey allen diesen Gründen ist es zu erwar-
ten, daſs sich hier, wie in jedem Theil der Bio-
logie, Umstände finden werden, die auf den er-
sten Anblick mit Sätzen, welche von andern Sei-
ten noch so fest begründet sind, unvereinbar zu
seyn scheinen. In der That sind von Bichati)
Gründe aufgestellt worden, aus welchen er schloſs,
daſs die Nerven keine wesentliche Funktion bey
der Haargefäſscirculation, der Aushauchung und
Einsaugung, der Absonderung, kurz bey den
sämmtlichen Ernährungsprocessen haben. Alles,
was er zum Beweise seiner Meinung vorgebracht
hat, läſst sich indeſs auf folgende Sätze zurück-
füh-
[412] führen, wovon sich bey näherer Prüfung zeigen
wird, daſs sie als Einwürfe gegen unsere Mei-
nung von keinem Gewicht sind.
1. “Jene Processe werden nicht beschleunigt,
„wenn sich die Nerven in einem gereitzten Zu-
„stand befinden, und nicht immer geschwächt
„oder aufgehoben, wenn der Nerveneinfluſs ver-
„mindert oder gehemmt ist.” Hierauf dient Fol-
gendes zur Antwort. Daſs unter Umständen, wo
die Nerven willkührlicher Bewegungsorgane ge-
reitzt sind, oder die Bewegung in diesen Thei-
len aufgehoben ist, die Haargefäſscirculation, die
Aushauchung u. s. w. im erstern Fall nicht ver-
mehrt sind, im letztern noch fortdauern, be-
weist weiter nichts, als was sich auch aus an-
dern Erfahrungen ergiebt, daſs diese Processe
von einer Thätigkeit der Nerven abhängen, die
mit der, welche die Muskelbewegung hervor-
bringt, in keiner nothwendigen Verbindung steht.
Daſs aber in einem Theil, dessen Nervenverbin-
dung mit dem Gehirn oder Rückenmark gänzlich
aufgehoben war, die Ernährung fortgedauert hätte,
dafür spricht keine Thatsache, sondern alle Er-
fahrungen sind diesem Satz völlig entgegen.
2. “Die erwähnten Processe gehen mit der-
„selben Stärke in Theilen, die wenig oder gar
„keine Nerven haben, z. B. in den Knorpeln,
„Sehnen, Bändern u. s. w. als in nervenreichen
„Orga-
[413] „Organen vor sich.” Dieser Einwurf beruhet auf
der unrichtigen Voraussetzung, daſs die Nerven
nur bis so weit wirken, als sie sich mit dem
anatomischen Messer verfolgen lassen. Alle Er-
nährungsprocesse werden durch Flüssigkeiten ver-
richtet, die in beständiger Bewegung sind, und
welchen der Impuls zu den Mischungsverände-
rungen, die bey jenen Processen in ihnen vor-
gehen, an einem ganz andern Ort als dem, wo
diese Veränderungen eintreten, von den Nerven
mitgetheilt seyn kann. Die Arterien sind die
Organe, worauf der Nerveneindruck bey der Er-
nährung gerichtet ist. In diese verbreiten sich
immer zahlreiche Nerven, wenn auch zum Pa-
renchyma des zu ernährenden Theils nur wenige
gehen.
3. “Die Entzündung, die eine Exaltation der
„Haargefäſscirculation ist, entsteht eben so wohl
„in Organen, die wenig Nerven besitzen, z. B.
„in den Knorpeln, Flechsen, Bändern, den serö-
„sen Häuten und dem Zellgewebe, als in sehr
„nervenreichen Theilen; ja, in den letztern ist
„sie nicht sehr häufig, wie die Muskeln, die
„Zunge, die Nervenhäute, die Nerven selbst, und
„die innere Substanz des Gehirns beweisen.” Die
Entzündung ist nicht blos eine Exaltation der
Haargefäſscirculation. Eine Bedingung derselben
ist ohne Zweifel die Mitwirkung der Nerven;
eine
[414] eine zweyte ist aber auch die Struktur des Theils.
Wo die letztere nicht zur Entzündung geeignet
ist, kann ein groſser Reichthum an Nerven statt
finden, ohne daſs jene Krankheit eintritt.
Alle obige Einwürfe lassen sich also heben,
und wir können als ausgemacht annehmen, daſs
es eine Kraft der Nerven giebt, die der Ernäh-
rung vorsteht. Wir werden diese die plasti-
sche Nervenkraft nennen, und dieselbe jetzt
näher zu bestimmen suchen.
1. Diese plastische Kraft wird nicht auf ähn-
liche Art, wie das Empfindungs- und Bewegungs-
vermögen der Nerven, durch Reitze in Thätig-
keit gesetzt. Fände eine solche Aufregung bey
ihr statt, so müſste sich diese zuerst durch eine,
unmittelbar nach Anbringung eines Nervenreitzes
eintretende, partielle Beschleunigung der Bewe-
gung des Bluts äuſsern. Aber schon Spallan-
zani, Fontanak) und Bichatl) bemerken, daſs
sie niemals diese Bewegung in einem einzelnen
Theil nach Reitzung der Nerven desselben haben
zunehmen sehen, und ich habe ebenfalls in den
Schwimmhäuten von Fröschen, worin ich den
Blutumlauf unter einer Linse beobachtete, keine
andere Veränderungen des letztern nach dem Gal-
vanisiren der Schenkelnerven als solche, die offen-
bar
[415] bar durch den Druck der zusammengezogenen
Schenkelmuskeln verursacht wurden, entdecken
können. Von dieser mechanischen Ursache rührte
vermuthlich auch die stärkere Bewegung des Bluts
her, die Thomsonm) in den Schwimmhäuten
von Fröschen, an deren Gefäſse chemische Reitze
angebracht waren, beobachtete n). Wenn dies
nicht der Fall war, so fand hier wahrscheinlich
eine Zusammenziehung der gereitzten Gefäſse,
schwerlich aber eine unmittelbare Einwirkung der
Nerven auf den Blutlauf statt. Homeo) will
zwar eine Zunahme des Klopfens der Carotis bey
einem Hunde und Eichhörnchen wahrgenommen
haben, deren Intercostalnerven er mit ätzendem
Laugensalz bestrichen hatte. Allein in der Be-
schreibung seiner Versuche sind die nähern Um-
stände mit zu wenig Genauigkeit angegeben, um
beurtheilen zu können, ob das vermehrte Pulsi-
ren der Schlagader eine unmittelbare Wir-
kung der Reitzung des Intercostalnerven war.
Man kann die Wirkungsart der plastischen
Nervenkraft mit der Wirkung des männlichen
Saamens vergleichen. Wie dieser der weiblichen
Bildungskraft eine bestimmte Richtung giebt, so
wird durch jene der Bildungstrieb der Säfte, der
sich
[416] sich ohne ihren Einfluſs in zwecklosen Produk-
ten erschöpfen würde, zu einer, dem Organis-
mus angemessenen Thätigkeit geleitet. Der männ-
liche Saamen und die Nervensubstanz zeigen auch
in ihren physischen und chemischen Eigenschaf-
ten Analogien. Beyde sind weiſsliche, halbflüs-
sige Substanzen, die im frischen Zustand aus
Kügelchen und einer schleimigen Flüssigkeit be-
stehen; beyde enthalten Phosphor in Verbindun-
gen, worin dieser in keiner andern thierischen
Materie vorkömmt p), und beyde haben einen
ähnlichen, specifischen Geruch q).
2. Obgleich aber die plastischen Nervenwir-
kungen nicht durch Reitze veranlaſst werden, so
sind sie doch einer mittelbaren Erhöhung und
Verminderung durch äuſsere Einflüsse fähig. Ihre
Erhöhung äuſsert sich entweder durch Vermeh-
rung der Sekretionen und Exkretionen, oder durch
Beschleunigung der eigenen Bewegung des Bluts
und vermehrte Ausdehnung desselben. Beyspiele
der erstern Art sind: der stärkere Zufluſs des
Spei-
[417] Speichels beym Käuen scharfer Sachen, die Zu-
nahme der Absonderung des Darmschleims bey ört-
lichen Reitzungen des Mastdarms u. s. w. Durch
örtlich wirkende Ursachen können sogar Theile,
die sonst nicht absondern, z. B. die männlichen
Brüste, zu Sekretionsorganen gemacht werden r).
Die zweyte Art von Erhöhung der plastischen
Nerventhätigkeit ist immer mit Erhöhung der thie-
rischen Wärme und der Sensibilität verbunden.
Sie macht, wenn sie örtlich ist, die Entzün-
dung, wenn sie allgemein ist, das Fieber aus.
Für beyde Krankheiten sind vermehrte Sekretio-
nen und Exkretionen die Mittel, wodurch die un-
regelmäſsig erhöhete Thätigkeit auf den der Ge-
sundheit angemessenen Grad zurückgeführt wird.
Bey der Entzündung entsteht eine neue und eigene
Art von Sekretion, die Eiterung. Beym Aus-
gang des Fiebers, der Crise, bildet sich viel-
leicht in der ganzen Blutmasse Eiter, der aber
in
V. Bd. D d
[418] in den Exkretionsorgenen abgesetzt und hier so
verändert wird, daſs er nicht mehr als solcher
deutlich zu erkennen ist.
3. Alle Thätigkeit der plastischen Nervenkraft
geht auf zweckmäſsige Erhaltung jedes Theils für
das Ganze, und des Ganzen sowohl für jeden
Theil, als für die übrige Natur. Jede Erhöhung
derselben über die gesetzmäſsige Gränze ist also
ein krankhafter Zustand. Diese Zunahme kann
extensiv oder intensiv seyn. Die exten-
sive setzt immer vermehrten Zufluſs des Mate-
rials, worauf sich die Wirksamkeit der bilden-
den Kraft richten kann, und dieser Verstärkung
der automatischen Bewegungen, wodurch das letz-
tere herbeygeführt wird, voraus. Die automati-
schen Bewegungen aber werden durch Reitzun-
gen beschleunigt. Extensiv erhöhete Thätigkeit
der plastischen Nervenkraft ist also immer eine
mittelbare Folge von Reitzen, welche auf dieje-
nigen Bewegungsorgane, wodurch der Stoff zur
Ernährung herzugeführt wird, wirken, und durch
diesen Einfluſs ein stärkeres Zuströmen des letz-
tern veranlassen. Intensive Zunahme jener Thä-
tigkeit hingegen kann nur aus der Wirkung ge-
wisser Potenzen auf die plastische Kraft selber
entstehen. Wie die erstere Folge, so ist diese
Ursache der verstärkten automatischen Bewegun-
gen. Bey ihr wird der Nahrungsstoff schneller
als
[419] als im gesunden Zustand verbraucht; es entsteht
gröſseres Bedürfniſs desselben und daher Beschleu-
nigung der automatischen Aktionen. Erhöhete
Thätigkeit der plastischen Nervenkraft ist daher
mit einer solchen Beschleunigung stets als Ur-
sache oder Wirkung verbunden. Wie dieses Cau-
salverhältniſs in jedem einzelnen Fall beschaffen
ist, läſst sich aber selten bestimmen. Immer
sind die Wirkungen jener Kraft mit denen des
Empfindungs- und Bewegungsvermögens der Ner-
ven vermischt, und hieraus entstehen auf der
einen Seite Analogien, auf der andern Verschie-
denheiten zwischen diesen Kräften.
4. Die Bildungskraft wirkt periodisch wie
das Empfindungs- und Bewegungsvermögen der
Nerven. Dieser Charakter derselben zeigt sich
deutlicher im kranken, als im gesunden Zustand.
Doch finden wir auch in dem letztern, daſs wäh-
rend dem Wachen die Verdauung und die Ab-
scheidung der auszuleerenden Materien, hingegen
während dem Schlaf die Absonderung der edlern
Theile, z. B. des Saamens, und die Ernährung
der festen Theile am lebhaftesten vor sich gehen.
Unter den Krankheiten sind es vorzüglich die
fieberhaften, die sich durch periodisches Ab- und
Zunehmen der Thätigkeit jener Kraft auszeich-
nen. Cosmische Agentien haben vielleicht einen
Einfluſs auf diesen Wechsel. Doch muſs man
D d 2auch
[420] auch Associationen, die sich nicht nur bey dem
Individuum gebildet haben, sondern die zum
Theil von vielen Generationen her angeerbt sind,
einen Antheil daran einräumen.
5. Auch unter den örtlichen Wirkungen der
bildenden Kraft finden nehmlich Associationen,
wie unter denen der übrigen Nervenkräfte, statt.
Von ihnen rühren die Rückfälle mancher Krank-
heiten her, die vorzüglich bey denen, deren Ur-
sache in den Verdauungsorganen liegt, z. B. bey
den Wechselfiebern, so häufig sind.
6. Erblichkeit bestimmter Richtungen ihrer
Thätigkeit ist ein Hauptcharakter der Bildungs-
kraft. In der Degeneration der Thiere und der
Fortpflanzung zufälliger Verstümmelungen äuſsert
sich derselbe am auffallendsten s). Aber auch all-
gemeine Krankheiten sind erblich, und zwar vor
allen die, welche sich durch unregelmäſsige Wir-
kungen der plastischen Kraft am meisten aus-
zeichnen, z. B. die Gicht und die Skropheln. Sie
erben von dem Vater oder der Mutter vorzüglich
auf die Kinder, die jenem oder dieser am ähn-
lichsten sind t), und oft bis ins dritte Glied fort.
7.
[421]
7. Die Thätigkeit der plastischen Kraft wird,
wie jede der übrigen Nervenwirkungen, bey ei-
nerley Individuen zu verschiedenen Zeiten auf
verschiedene Art durch äuſsere Einflüsse verän-
dert. Die Miasmen und Contagien, diejenigen
Potenzen, wovon sie unter gewissen Umständen
aufs heftigste angegriffen wird, äuſsern unter an-
dern Umständen gar keine Wirkung auf sie. Die
Veränderung ihrer Thätigkeit durch äuſsere Ur-
sachen ist indeſs von ganz anderer Art als die
der Nervenwirkungen, welche Folgen der Reitz-
barkeit sind. Die Contagien einiger Krankheiten,
z. B. der Pocken und Masern, verursachen eine
Erhöhung derselben, die sich mit der Bildung
neuer Sekretionsorgane auf der Oberfläche der
Haut endigt, und mit dieser Bildung hört alle
Empfänglichkeit für eine neue Ansteckung auf,
Für andere Contagien, z. B. das der Pest, bleibt
hingegen die Empfänglichkeit ungeschwächt, so
oft auch das Nervensystem von ihnen ist angegrif-
fen worden. Manche Materien, die anfangs für
die plastische Kraft unbezwinglich waren, werden
durch Gewöhnung zur Assimilation fähig gemacht.
Dies sind Vorgänge, die sich unter die Gesetze
der Reitzbarkeit, denen das Leitungsvermögen der
Nerven unterworfen ist, nicht bringen lassen.
8. Es giebt für jeden Zustand des Organis-
mus ein bestimmtes Maaſs von Thätigkeit der
D d 3plasti-
[422] plastischen Kraft. Erhöhung derselben in einzel-
nen Theilen zieht ihre Abnahme in andern nach
sich. Häufig folgt auch umgekehrt auf ihre Ver-
minderung in einigen Organen Zunahme dersel-
ben in andern. So vermindert sich der Abfluſs
des Harns bey vermehrter Hautausdünstung, und
umgekehrt. Ueberhaupt finden sich die meisten
Belege zu diesem Gesetz bey den Exkretionen.
Die Sekretionen werden nicht so leicht in ihrem
Gang gestöhrt. Vermehrte Absonderung des Spei-
chels kann einen Einfluſs auf die Ernährung im
Allgemeinen und auf die Exkretionen haben; es
giebt aber nichts, woraus sich schlieſsen lieſse,
daſs irgend eine andere Sekretion, z. B. die der
Galle, des Saamens u. s. w. besonders dadurch
verändert würde. Die in diesen Fällen eintre-
tende, örtliche Zu- und Abnahme der plastischen
Thätigkeit scheint blos extensiv zu seyn.
9. Die secernirenden Organe aber überneh-
men in manchen Fällen eines des andern Funk-
tion. Die gehemmte Thätigkeit des einen zieht
nicht nur vermehrte Wirkungen des andern nach
sich, sondern dieses secernirt bey einer solchen
Hemmung eine Flüssigkeit, welche der des er-
stern ähnlich ist. Dieses Gesetz des Metasche-
matismus bedarf indeſs noch einer nähern Be-
stimmung. Nicht immer erfolgt eine stellvertre-
tende Absonderung nach der Unterdrückung einer
Sekre-
[423] Sekretion. Man hat nie gesehen, daſs nach der
Castration in andern Organen eine saamenartige
Materie wäre abgesondert worden; im Gegentheil
hören nach jener Operation alle übrige Ernäh-
rungsprocesse auf, die mit der Saamenbereitung
in enger Verbindung stehen, z. B, das Wachsen
der Barthaare beym Manne und der Geweihe bey
Thieren. Wohl aber hat man eine Beobachtung
von einem Hervordringen des Saamens bey un-
verletzten Hoden, anfangs durch den After und
einige Monate nachher sogar durch die innere
Fläche beyder Hände, welches auf dieselben Ver-
anlassungen und mit denselben Empfindungen wie
der Abgang auf dem gewöhnlichen Wege erfolg-
te u). So giebt es auch kein Beyspiel, daſs nach
der Exstirpation der Brüste in andern Theilen
Milch wäre abgesondert worden. Anders aber ist
es, wenn bey unverletzter Struktur der Brüste
die Funktion derselben gehemmt ist. Es giebt
hier zwey Fälle, die man nicht immer gehörig
unterschieden hat. Die Hemmung betrifft entwe-
der blos die Ausleerung; oder sie erstreckt sich
auch auf die Absonderung. In jenem Fall wird
die secernirte, aber stockende Materie von dem
Zellgewebe aufgenommen und in andern Organen
abgesetzt; es findet hier eine Metastase statt.
So
D d 4
[424] So fand Galvaniv), daſs die Unterbindung der
Harnleiter bey Vögeln binnen einigen Tagen den
Tod verursacht, und daſs nach dem Tode alle
Theile, vorzüglich die Membranen, und unter
diesen besonders das Bauchfell, mit einer weiſsen,
erdigen Materie bedeckt sind. Bey diesem Ver-
such dauert die Sekretion des Urins in den Nie-
ren fort, aber der abgesonderte Harn, dessen
Ausleerung verhindert ist, setzt sich auf den in-
nern Häuten ab. Ist hingegen auch die Sekretion
in einem Absonderungsorgan aufgehoben, so tritt
unter gewissen Umständen eine wahre vicarii-
rende Thätigkeit eines andern Organs ein. Bran-
dis, dem das Verdienst angehört, die Wirklich-
keit des letztern Falls in seinem Versuch über
die Metastasen zuerst bewiesen zu haben,
hat doch das Gebiet desselben zu weit ausge-
dehnt. Der erstere Fall ist ohne Zweifel der häu-
figere. Der letztere scheint immer aus einer, auf
das ganze Nervensystem wirkenden Ursache zu
entstehen, und Integrität der Nerven desjenigen
Organs, dessen Funktion unterdrückt ist, voraus-
zusetzen. An der stellvertretenden Sekretion ha-
ben die Nerven Antheil. Wo sie zerstört sind,
können keine vicariirende Thätigkeiten weiter statt
finden. Diese Thätigkeiten übrigens ganz zu läug-
nen, und zu meinen, die Natur würde die Or-
gane nicht so kunstreich gebildet, denselben Bau
eines
[425] eines jeden in Modifikationen bey allen Thieren
nicht durchgeführt haben, wenn ein Theil wie
der andere wirken könnte w), ist sehr unrichtig.
Aus dem Bau der Organe läſst sich nichts erklä-
ren, als ihre mechanische Wirkungsart. Ueber
ihre höhern Funktionen giebt dieser nicht den
mindesten Aufschluſs. Es ist eben so begreiflich,
daſs unter der Oberhaut ein gallenartiger Saft ab-
gesondert werden kann, als daſs die Leber Galle
bereitet, oder daſs die von der Leber secernirte
Galle unter der Oberhaut abgesetzt wird.
10. Wie Organe in Hinsicht auf die Ernäh-
rung gegen andere und die Aeuſserungen des
Empfindungsvermögens gegen die des Bewegungs-
vermögens in Antagonismus stehen, so werden
auch oft die beyden letztern Nervenwirkungen
durch erhöhete Thätigkeit der plastischen Kraft,
und umgekehrt, unterdrückt. Man sieht oft so-
wohl convulsivische Zufälle, als Schmerzen nach
vermehrter Sekretion des Speichels, der Galle,
des Darmsafts u. s. w. aufhören, und umgekehrt
auf Unterdrückung einer Sekretion Krämpfe oder
Schmerzen folgen. Bey einer, von Wienholtx)
behan-
D d 5
[426] behandelten Kranken, die sechszehn Jahre mit der
Epilepsie behaftet gewesen war, trat nach der
Anwendung des thierischen Magnetismus an die
Stelle der Fallsucht ein Schweiſs, der über fünf
Jahre täglich drey bis vier Stunden dauerte. Das
Empfindungsvermögen steht indeſs mit der plasti-
schen Kraft häufiger in Sympathie als in Antago-
nismus, und ist mit dieser enger als das Bewe-
gungsvermögen verbunden. Bey jeder Entzün-
dung eines äuſsern Theils nimmt darin die Em-
pfindlichkeit in gleichem Verhältniſs mit der Thä-
tigkeit der plastischen Kraft zu, indem die Be-
weglichkeit abnimmt. Entzündungen einiger Ein-
geweide sind zwar oft wenig schmerzhaft, doch
wohl nur, weil der Einfluſs derselben auf das
Gehirn durch Ganglien unterbrochen ist. Die
Ernährung kann auch bey gänzlichem Verlust der
Beweglichkeit fortdauern, wie man häufig an ge-
lähmten Gliedern sieht. Umgekehrt kann diese
in einem Glied, worin die Ernährung und die
Empfindlichkeit gröſstentheils aufgehoben sind,
noch einige Zeit übrig bleiben. Bey einer, in
Zimmermann’s Werk Von der Erfahrung in
der Arzneykunst (Th. 2. S. 249.) erwähnten
Kriebelkrankheit verloren die Glieder so sehr alle
Empfindlichkeit, daſs selbst Verwundungen der-
selben keine Schmerzen erregten; der Blutum-
lauf und die thierische Wärme hörten zugleich
darin auf; aber es blieb doch einige Beweglich-
keit
[427] keit in ihnen übrig. Hingegen ist mir kein Fall
bekannt, wo in einem Glied, das nicht etwa
blos an der Oberfläche, sondern auch im Innern
aller Empfindlichkeit beraubt war, die Ernährung
noch fortgewährt hätte.
11. Alles Miſsverhältniſs zwischen der Thä-
tigkeit der plastischen Kraft und den übrigen
Nervenwirkungen ist mit dem höchsten Leben un-
vereinbar. Doch kann innerhalb gewisser Grän-
zen die Gesundheit dabey bestehen. Je veränder-
licher aber die Thätigkeit jener Kraft ist, desto
leichter wird die Disharmonie zu einem krank-
haften Zustand anwachsen. Diese Veränderlich-
keit findet vorzüglich in der Jugend statt, wo
die bildende Kraft nicht blos für die Erhaltung,
sondern auch für die Ausbildung des Organismus
wirkt, und wo ihre Thätigkeit sich bald mehr
gegen diese, bald mehr gegen jene Theile wen-
det. Hier entstehen aus dieser Quelle Entwicke-
lungskrankheiten, Abweichungen vom ge-
sunden Zustand. die ohne wichtige äuſsere Ur-
sachen ausbrechen, und sich, gemäſs dem obigen
Gesetz, daſs die plastische Kraft vorzüglich mit
dem Bewegungsvermögen in Antagonismus steht,
besonders durch krampfhafte Zufälle äuſsern.
12. Zweckmäſsigkeit in ihren Wirkungen ist
ein anderer Charakter der plastischen Nervenkraft,
und diesen hat sie mit der ursprünglichen Bil-
dungs-
[428] dungskraft, von welcher sie ein Ausfluſs ist, ge-
mein. Aber im gesunden Zustand ist ihre Thä-
tigkeit ein regelmäſsiges, dem der Wärme, des
Lichts und der Elektricität ähnliches Wirken. Sie
verbindet im thierischen Körper, wie die Wärme
in der leblosen Natur, den Sauerstoff mit dem
Kohlenstoff; sie bildet in jenem Eyweiſsstoff und
andere Substanzen, die in den Gewächsen durch
den Einfluſs des Lichts hervorgebracht werden;
sie hält in demselben, wie die Elektricität in der
Voltaischen Säule, Säuren und Alkalien von ein-
ander getrennt, die ohne ihren Einfluſs vereinigt
seyn würden. Nur bey der periodischen Ausbil-
dung des ganzen Körpers und seiner einzelnen
Theile zeigen sich im gesunden Zustand Spuren
ihrer eigenmächtigen Thätigkeit. Diese scheint in
demselben Verhältniſs abzunehmen, wie das Em-
pfindungs- und Bewegungsvermögen an Stärke
wächst. Sie erwacht aber in Krankheiten, und
zwar oft desto mehr, je mehr die beyden letz-
tern Kräfte geschwächt sind. Sie äuſsert sich
dann als Heilkraft der Natur, als eine hö-
here Kraft, worauf keine Gesetze der Reitzbar-
keit anwendbar sind, und deren Wirkungen in
einerley Classe mit den instinktartigen Handlun-
gen der Thiere gehören, von welchen im fol-
genden Kapitel die Rede seyn wird.
Zweytes
[429]
Zweytes Kapitel.
Instinktartige Nervenwirkungen.
Ein Thier, daſs blos unter den Gesetzen der
Erregbarkeit stände, würde nur ein reitzbares
Automat seyn. Es gab eine Zeit, wo man selbst
in den Regungen des höchsten Lebens nur Wir-
kungen von Reitzen und Reitzbarkeit fand. So
sahe Unzer die thierische Natur an, und noch
einseitiger wurde sie aus diesem Gesichtspunkt
von Brown und Darwin betrachtet. Aber es
waltet eine Kraft im Thierreiche, deren Wirkun-
gen schon das Alterthum als göttlich pries, und
deren Wesen nie ganz enthüllt werden wird.
Es ist dieselbe, die in Krankheiten, wo das Le-
ben schon entflohen zu seyn scheint, oft noch
erwacht, und, wie die ursprüngliche Bildungs-
kraft der formlosen Flüssigkeit eine lebendige Ge-
stalt, so dem Körper, der fast schon Leiche ist,
wieder blühende Gesundheit giebt. Es ist der
Instinkt.
Das ganze Leben hindurch gehen Thätigkei-
ten vor sich, die einen sehr bestimmten Zweck
haben und sonst in Beziehung auf diesen Zweck
nur
[430] nur durch den Willen mit Bewuſstseyn hervor-
gebracht werden, wobey aber ursprünglich kein
Bewuſstseyn weder des Zwecks, noch der Mittel
statt findet. Solche Handlungen nennen wir in-
stinktartige, und die innere Ursache derselben
den Instinkt, oder den Naturtrieb.
Alle diese Handlungen beziehen sich entwe-
der auf das Individuum, oder auf die Gat-
tung. Zu den erstern gehören die Triebe der
Selbsterhaltung und der Selbstvertheidigung; zu
den letztern die Tiebe der Fortpflanzung und die,
welche die Nachkommenschaft betreffen y). Sie
haben insgesammt den Charakter hoher Zweck-
mäſsigkeit. Zwar ist nicht jedes Resultat instinkt-
artiger Handlungen Zweck derselben, sondern
Folge von Nebenursachen. So rührt z. B. nach
Wollaston’s Bemerkung die regelmäſsige Ge-
stalt der Bienenzellen, die man dem Kunstsinn
der Bienen zugeschrieben und für eine so wun-
derbare Erscheinung gehalten hat, blos von dem
Druck her, den die weichen Cylinder gegenseitig
auf einander äuſsern. Sie nehmen die eckige Form
auf dieselbe Art an, wie das vegetabilische Zell-
gewebe. Die Zellen der einsamen Bienen sind
im-
[431] immer walzenförmig. Eine ähnliche Regelmäſsig-
keit, wie an den Zellen der gesellschaftlichen Bie-
nen, findet man an mehrern andern thierischen
Kunstprodukten. Es giebt Galläpfel, in welchen
sechs, sieben und mehr Larven von Gallwespen
ihre Wohnung haben. Diese liegen aber nicht,
wie bey solchen Galläpfeln, worin nur Eine Larve
wohnt, in einer einzigen Oeffnung mitten in der
Frucht beysammen, sondern der Mittelpunkt ist
ganz frey; um diesen befinden sich so viel Zel-
len, als Larven vorhanden sind; jede Zelle hat
ihre eigenen Scheidewände, und alle stehen in
einer so regelmäſsigen Ordnung, wie die Fächer,
in welcher die Kerne der Aepfel und Birnen lie-
gen z). Woher diese Regularität? Sie ist gewiſs
nicht Folge absichtlicher Handlungen der Gall-
wespe, sondern blos der Art, wie sie ihren Kör-
per beym Eyerlegen zu wenden genöthigt ist.
Die Ausbildung der Zellen geschieht nachher durch
den vegetabilischen Bildungstrieb. Indeſs wenn
wir auch in vielen Fällen den Naturtrieben ganz
andere Zwecke unterlegen, als sie wirklich ha-
ben, oder von dem Instinkt Wirkungen ableiten,
die von ganz andern Ursachen herrühren, so
bleibt es doch unläugbar, daſs ihnen allen Zweck-
mäſsigkeit eigen ist.
Das
[432]
Das Gebiet des Instinkts ist so ausgebreitet,
daſs ohne denselben die thierische Natur nicht
würde vorhanden seyn können. Selbst der ein-
fache, mit den Pflanzen so nahe verwandte Polyp
muſs Instinkt besitzen, um seine Beute zu ken-
nen und die zweckmäſsigsten Bewegungen zum
Haschen derselben zu machen. Indeſs sehen wir
selten die instinktartigen Handlungen in ihrer ur-
sprünglichen Reinheit. Fast immer sind sie mit
Wirkungen der Seele und des Associationsvermö-
gens so eng verbunden, daſs es leicht ist, die
letztern für ihre einzige Ursache anzunehmen. In
diesen Irrthum gerieht Condillaca), indem er
alle jene Handlungen für erworbene Fertigkeiten
hielt. Er würde auf seine, schon von Reima-
rusb) gründlich widerlegte Meinung nicht ver-
fallen seyn, wenn er den Instinkt mehr in sei-
nen einfachsten Aeuſserungen betrachtet hätte. Er-
worbene Fertigkeiten haben ursprünglich in See-
lenwirkungen ihren Grund, werden aber in der
Folge durch öftere Wiederholung unter sich und
mit andern Nervenwirkungen so verkettet, daſs
sie endlich ohne Zuthun der Seele vor sich gehen.
Diese Bedingungen finden nicht bey jenen Hand-
lungen des neugebornen Thiers statt. Durch
Uebung erlangt dasselbe zwar gröſsere Leichtig-
keit im Gebrauch seiner Glieder; aber es gebraucht
sie
[433] sie doch schon vor aller Uebung auf eine zweck-
mäſsige und von aller Uebung unabhängige b*)
Weise. Das Ueben in willkührlichen Bewegun-
gen ist auch nur den Thieren der höhern Clas-
sen eigen, die nach der Geburt mütterlicher Pflege
genie-
V. Bd. E e
[434] genieſsen. Der Schmetterling bedient sich seiner
Flügel, seiner Füſse und seines Rüssels gleich,
nachdem er seine Hülle abgestreift hat und diese
Theile sich entfaltet haben, mit der nehmlichen
Leichtigkeit wie in der Folge. Alle willkührliche
Bewegungen setzen schon Instinkt voraus. Die
Seele giebt zu diesen den Befehl; doch ohne den
Instinkt würden ihre Befehle nicht ausgeführt
werden. Sie handelt nach Ueberlegung; sie wählt
ihre Mittel, verwirft die unpassenden und ver-
bessert die unvollkommenen. Ueberlegen, Wäh-
len, Verwerfen und Verbessern ist ihr aber nur
bey Gegenständen der äuſsern Sinne möglich. Sie
kennt nicht die Nerven, worauf sie zu wirken
hat, um gewisse Bewegungen hervorzubringen.
Der Instinkt läſst sich auch keinesweges von dem
Gefühl des körperlichen Zustandes, von dem,
was Reil das Gemeingefühl nannte, ableiten.
“Der junge Vogel”, sagt dieser Schriftsteller c),
“der auch ohne seine Mutter erzogen wird, fühlt
„die Kraft seiner Brustmuskeln und die Bestim-
„mung seiner Flügel, und versucht zu fliegen,
„das Kalb zu stoſsen.” Aber das Gefühl der
Kraft eines Muskels enthält nicht den Grund der
zweckmäſsigen Anwendung desselben. Dieser liegt
allerdings in dem Gefühl der Bestimmung des
Mus-
[435] Muskels. Doch das letztere ist der Instinkt sel-
ber, der sich nicht unter das Gemeingefühl brin-
gen läſst, wenn man nicht unter dieser Benen-
[un]g die verschiedenartigsten Dinge zusammen-
fassen will.
Obgleich aber die Seelenkräfte ursprünglich
an den Aeuſserungen des Instinkts keinen Antheil
haben, so erwacht doch bey der fortdauernden
Wirksamkeit desselben das Bewuſstseyn des Zwecks
und der Mittel, und dann können freylich Hand-
lungen erfolgen, die nicht mehr von dem reinen
Trieb herrühren d). Bey den Thieren beschrän-
ken sich indeſs alle Abänderungen der instinkt-
artigen Handlungen auf Modifikationen derselben
nach den äuſsern Umständen. Die Affen erwär-
men sich an dem, von Menschen angelegten
Feuer; aber sie wissen nicht, das Feuer zu un-
terhalten. Nur der Mensch weiſs die Umstände
nach sich zu modifiziren. Er hat deswegen Per-
fektibilität vor den Thieren voraus; aber er steht
ihnen darum auch in dem Besitz von Kunsttrie-
ben weit nach.
Einige Kunsttriebe erfordern immer zur Mo-
difikation ihrer Aeuſserungen auf jeden einzelnen
Fall die Mitwirkung der Seelenkräfte. Hierzu
sind
E e 2
[436] sind die letztern bey jedem Thier besonders de-
terminirt, und in dieser Bestimmung hab [...]
sehr enge Schranken, aber auch eine hohe [...]
kommenheit. In Beziehung auf jene Art des en-
stinkts hatte Reimaruse) nicht Unrecht, in seine
Erklärung des Kunsttriebs die Seelenkräfte mit
einzumischen. Aber diese Erklärung gilt nicht
von dem Instinkt im Allgemeinen, den Reimarus
nicht immer genug vor Augen hatte.
Dauern die erwähnten Modifikationen fort, so
kann endlich das Bewuſstseyn bey der Hervor-
bringung derselben verloren gehen, und der In-
stinkt eine andere, sogar erbliche Richtung be-
kommen. Auf diese Weise sind die Kunstfertig-
keiten unserer Hausthiere, besonders der verschie-
denen Hunderaçen, entstanden. Der Jagdhund
äuſsert in seinem jetzigen Zustand schon gleich
nach der Geburt einen andern Instinkt wie der
Pudel, dieser einen andern wie der Schäfer-
hund u. s. w. Aber daſs die ersten Stamm-
eltern dieser Thiere ganz andere, ihrem ursprüng-
lichen Zustand angemessenere Naturtriebe beses-
sen haben müssen, zeigt sich an den verwil-
derten Hunden, die in Heerden von mehrern
Hunderten leben, gemeinschaftlich auf Raub aus-
gehen, vereinigt die stärksten Thiere anfallen,
in Südamerika ihre Jungen in Höhlen aufzie-
hen
[437] hen f), und in einigen Gegenden von Afrika das
Bellen verlernt haben g).
Darum sind jedoch keinesweges, wie E. Dar-
win glaubt, die instinktartigen Handlungen der
Thiere zufällige, den Künsten der Menschen ähn-
liche Fertigkeiten, die sie von ihren Zeitgenossen
gelernt, oder durch Ueberlieferung von ihren Vor-
fahren erhalten haben. Keine Meinung führt auf
so ungereimte Folgen als diese. “Was bewegt”,
sagt Darwinh), “die Biene, welche von Honig
„lebt, einen vegetabilischen Staub für ihre Jun-
„gen aufzubewahren? Was bewegt den Schmet-
„terling, seine Eyer auf Blätter zu legen, da er
„selber Honig friſst? Was bewegt die andern
„Fliegen, für ihre Jungen eine Nahrung zu su-
„chen, die sie sonst nicht verzehren? Wenn
„das nicht Ableitungen von ihren vorhergegange-
„nen Erfahrungen oder Beobachtungen sind, so
„lassen sich auch alle Handlungen des Menschen
„in Instinkt auflösen.” Ich würde dagegen sa-
gen:
E e 3
[438] gen: Wenn jene und ähnliche Handlungen der
Thiere von vorhergegangenen Erfahrungen abge-
leitet sind, so muſs man den Thieren einen Be-
obachtungsgeist, ein Gedächtniſs und einen Scharf-
sinn zuschreiben, welche über die ähnlichen See-
lenkräfte des Menschen sehr weit erhaben sind.
Der Schmetterling muſs sich dann noch erinnern,
als Raupe aus einem Ey entstanden zu seyn; er
muſs den Schluſs machen können, daſs aus den
Eyern, die er legt, wieder Raupen entstehen wer-
den, für welche die nehmliche Nahrung, wovon
er als Raupe zehrte, nothwendig seyn wird; er
muſs endlich die Pflanze, worauf er im Raupen-
zustand lebte, wieder zu erkennen im Stande
seyn. Wem fällt hierbey nicht der Ausspruch
ein, daſs nichts so widersinnig ist, was nicht
ein Philosoph behauptet hätte! Darwin ist übri-
gens auch bey den Thatsachen, die er zur Be-
stätigung seiner Meinung anführt, mit sehr we-
nig Critik zu Werke gegangen. Seine Gewährs-
männer sind zum Theil sehr unzuverlässig, und
oft wirft er Thierarten zusammen, die offenbar
specifisch verschieden sind i).
Wovon hängt denn aber der Instinkt ab,
wenn er nicht von geistigen Kräften herrührt?
Die
[439] Die Antwort auf diese Frage ergiebt sich, wenn
man folgende Thatsachen erwägt. Boylek) be-
obachtete, daſs Fliegen, denen die Köpfe abge-
schnitten waren, sich noch paarten, und Lyon-
netl) sahe den Körper einer Raupe ohne Kopf
noch einige Tage herumkriechen, den Rumpf ei-
nes Regenwurms, den ein Wasserinsekt fast um
ein Drittel an beyden Enden verkürzt hatte, noch
eine Woche nachher im Wasser leben, und den
Vorder- und Hintertheil einer durchschnittenen
Wespe sich noch drey Tage bewegen. Berührte
Lyonnet die Raupe, so machte sie die nehmli-
chen Bewegungen wie vorher, als sie noch ihren
Kopf hatte, und setzte er die Berührungen fort,
so ergriff sie die Flucht. Wurde der Rumpf des
Regenwurms angetastet, so setzte dieser sich,
selbst wenn er in völliger Ruhe gewesen war,
gleich in Bewegung. Reitzte man den Vordertheil
der Wespe, so biſs sie in alles, was man ihr
vorhielt, und berührte man ihren Rumpf, so
streckte sie ihren Stachel aus und bewegte ihn
nach allen Seiten, als wenn sie stechen wollte.
Ich habe ähnliche Versuche an Fliegen und Wes-
pen gemacht. Schnitt ich diesen Thieren den
Kopf
E e 4
[440] Kopf ab, so verfielen sie anfangs in Betäubung,
erholten sich aber bald wieder und machten dann,
wenn sie gereitzt wurden, Bewegungen, denen
nichts fehlte, als daſs sie nicht durch Gesichts-
empfindungen geleitet wurden, um denen, die
vor der Enthauptung statt fanden, völlig zu glei-
chen. Hier wurden zweckmäſsige Handlungen
ohne Einfluſs des Gehirns vollzogen. Blos Ner-
ven konnten diese hervorbringen. Die nächste
Ursache der instinktartigen Bewegungen eines Or-
gans liegt also in den Nerven desselben. Das
Gehirn regiert die Wirkungen dieser Nerven in-
sofern, als es durch die Sinne mit der äuſsern
Welt zunächst in Verbindung steht. Bey äuſsern
Eindrücken aber, die unmittelbar zu einem Ner-
ven gelangen, bewirkt dieser die, jenen Eindrük-
ken entsprechenden Handlungen ohne Hülfe des
Gehirns. Nur fehlt hier das Vermögen, die Hand-
lungen nach den äuſsern Umständen zu modifizi-
ren. Der Grad des Instinkts steht ja auch kei-
nesweges mit der Ausbildung des Gehirns in Ver-
hältniſs. Die ausgezeichnetsten Kunsttriebe sind
den Insekten eigen, einer Thierclasse, in welcher
dieses Organ eine sehr niedrige Bildungsstufe
einnimmt; der Mensch hingegen, bey welchem
dasselbe einen zusammengesetztern Bau als bey
allen übrigen Thieren hat, besitzt weniger Na-
turtriebe als irgend ein anderes Thier.
Aber
[441]
Aber hat etwa, wie Reimarusm) glaubte,
jeder Haupttheil der niedern Thiere eine Seele,
“deren jede zur Erhaltung dieses Haupttheils,
„und so zur Vollkommenheit des Ganzen geschäf-
„tig ist, insofern ihre Naturtriebe mit einander
„harmoniren, und von einer Hauptseele im Kopfe
„regiert werden?” Diese Meinung, zu deren
Annahme Reimarus gezwungen war, weil er die
instinktartigen Handlungen überhaupt für Wirkun-
gen geistiger Kräfte hielt, hemmt alle weitere
Forschungen. Es giebt Fälle bey der Untersu-
chung der Natur, wo es wichtig ist, jeder Ana-
logie nachzugehen, deren Folgesätze sich mit der
Erfahrung vergleichen lassen; hingegen eine Ana-
logie, die auf eine Theilbarkeit der Seele, oder
auf eine Vielheit derselben in einem und demsel-
ben organischen Ganzen führt, ist nie zu verfol-
gen. Der reine Instinkt ist gewiſs eine Nerven-
thätigkeit. Die Frage ist nur, ob er für eine
eigene Nervenwirkung angenommen werden muſs,
oder ob er sich von den übrigen Nervenkräften
ableiten läſst? Um hierüber zu urtheilen, ist es
nöthig, die Entstehung des Instinkts und der von
ihm herrührenden Handlungen näher zu unter-
suchen.
Die instinktartigen Handlungen sind vorzüg-
lich darum die räthselhaftesten Erscheinungen der
thie-
E e 5
[442] thierischen Natur, weil das Grundgesetz aller au-
tomatischen Bewegungen, daſs jeder Wirkung eine
Reitzung vorhergegangen seyn muſs, auf sie nicht
allgemein anwendbar ist. Welcher Reitz ist es,
der den Vogel zum Bau seines Nestes und zum
Brüten, die Biene zur Anlegung ihrer Zellen,
die Spinne zur Verfertigung ihres Gewebes treibt?
Man kann nach der Analogie des Begattungs-
und Nahrungstriebes annehmen, daſs so wie von
diesen der Reitz gewisser, abgesonderter Säfte die
erregende Ursache ist, so auch innere Reitze jene
Kunsttriebe rege machen. Aber die Absonderung
der Säfte wird durch den Einfluſs des Nerven-
systems vermittelt. Hat man nicht eben so viel
Grund, die Nerventhätigkeit, welche die Sekretion
der gastrischen Säfte und der Zeugungsflüssigkei-
ten hervorbringt, für Mitwirkung, als für Ur-
sache derjenigen, die sich als Nahrungs- oder
Geschlechtstrieb äuſsert, anzunehmen? Ist nicht
vielleicht jeder Trieb eine ungehemmte Thätig-
keit des Nervensystems, und zwecken nicht etwa
alle instinktartige Handlungen auf diese Hem-
mung, nicht aber auf die Entfernung eines Reit-
zes ab? Liegt nicht überhaupt in den Aeuſserun-
gen des Instinkts etwas Wundervolles, aus kei-
nem Gesetz der bloſsen Reitzbarkeit Erklärbares?
Woher entsteht bey beyden Geschlechtern der Be-
gattungstrieb zu einerley Zeit, und zwar bey
beyden, wenn sie auch ganz von einander ge-
trennt
[443] trennt sind? Woher weiſs das Männchen gleich
beym ersten Anblick des Weibchens, daſs dieses
der Gegenstand seines Sehnens ist? Wer lehrte
beyde durch eine körperliche Vereinigung ihr Seh-
nen stillen, und diese Paarung durch eine Folge
sehr mannigfaltiger Handlungen bewerkstelligen?
Die Beantwortung dieser Fragen beruhet auf
folgenden Punkten.
Das Erwachen des Triebes setzt immer eine
körperliche Veränderung voraus, die nicht unmit-
telbar durch einen Reitz bewirkt seyn, sondern
nur in der fortdauernden und auf eine eigene Art
modifizirten Thätigkeit des ursprünglichen Bil-
dungstriebs, der einzigen unter den Lebenskräf-
ten, die, gleich dem Instinkt, bey ihren Wir-
kungen Zweckmäſsigkeit und einen Schein von
Spontaneität zeigt, ihren Grund haben kann.
Diese Abstammung des Instinkts von dem Bil-
dungstrieb ergiebt sich auch noch aus andern
Gründen. Die Kunsttriebe finden sich am ausge-
zeichnetsten bey den geschlechtslosen Insekten.
Sie hören bey vielen Thieren nach der Begattung
auf, da sie vorher sehr rege waren. Sie sind
alle Stellvertreter des Bildungstriebes. Der In-
stinkt ist ferner ohne allen Zweifel Wirkung des
nehmlichen Princips, worin die Heilkraft der Na-
tur ihren Grund hat. Diese äuſsert sich selbst
in manchen Fällen als reiner Instinkt. Sie erregt
in
[444] in Krankheiten unwiderstehliches Verlangen nach
heilsamen Dingen und unbezwinglichen Abscheu
gegen schädliche Einflüsse. Es giebt sogar in den
Schriften der Aerzte Beyspiele von Vorgefühlen
in Krankheiten, die den Wirkungen des Instinkts
bey manchen Thieren ähnlich sind, z. B. bey
Tulpiusn) einen Fall von einem melancholischen
Jüngling, der auf den Rath eines Wundarztes
Euphorbiensaft nahm, und darauf in eine Ner-
venkrankheit verfiel, deren Paroxysmen er unfehl-
bar immer auf acht Tage vorhersagte o). Die
Heilkraft der Natur aber ist eine Modifikation des
Bildungstriebes. Auch der Instinkt muſs also von
dem letztern abstammen.
Einige Arten des Instinkts enthalten indeſs
nicht den einzigen Grund der Handlungen, die
sie zur Folge haben, sondern blos die Anlage zu
denselben. Durch den Geschlechtstrieb werden
Bewegungen, die auf dessen Befriedigung ab-
zwecken, erst dann hervorgebracht, wenn ein
Thier des andern Geschlechts die Sinne reitzt.
Ohne diese Reitzung erregt jener Trieb nur eine
Unruhe, ein bloſses Schmachten nach einem un-
bekann-
[445] bekannten Gegenstand. Hat die Reitzung schon
einmal statt gefunden, so steigt mit dem Wieder-
erwachen des Triebes die Erinnerung an den Ge-
genstand desselben auf, und nun können freylich
Handlungen, die auf die Befriedigung des Seh-
nens abzwecken, hervorgebracht werden, ehe
noch der Gegenstand wieder auf die Sinne ge-
wirkt hat.
Diese Veranlassung durch äuſsere Eindrücke
findet aber nicht bey allen Arten des Instinkts
statt. Es ist nicht ein äuſserer Reitz, wodurch
die Spinne zur Verfertigung ihres Gewebes, der
Vogel zum Bau seines Nestes angetrieben wird.
Selbst da, wo äuſsere Einflüsse die erregenden
Ursachen gewisser instinktartiger Handlungen zu
seyn scheinen, sind jene doch schwer zu bestim-
men. Schon die Entstehung des Hungers und
Durstes, zweyer Triebe, die doch eine sehr ma-
terielle Ursache zu haben scheinen, ist nicht leicht
zu erklären. In Dumas’s Versuchen p) stillten
Opium, Campher, spirituöse und tonische Mittel,
kaltes Wasser und oxygenirt-salzsaures Queck-
silber den Hunger bey Hunden, die eine Zeit
lang gefastet hatten; Oel, Emulsionen und lau-
warmes Wasser bewirkten dieses nicht. Bey aus-
gehungerten Hunden fand sich der Magen zusam-
mengezogen; die Eingeweide waren verrückt und
die
[446] die Säfte der Verdauungswerkzeuge absorbirt. Bey
einem Hunde, der vor Hunger umgekommen
war, schienen die einsaugenden Gefäſse auf die
Substanz der Digestionsorgane selber gewirkt und
diese angegriffen zu haben. Der Durst wurde
vermehrt durch Opium, geistige, in Uebermaaſs
genommene Getränke, oxygenirt-salzsaures Queck-
silber und künstlich erregtes Fieber, hingegen
vermindert durch Wasser, Salpeter und Aderlässe.
Bey einem sehr durstigen Hund, dem der Durst
durch ein Aderlaſs gestillt worden war, hatte sich
auf dem Blut eine Entzündungshaut gebildet.
In einem andern, von Durst sehr gemarterten
Hund, den man öffnete, fand man die Einge-
weide entzündet, an einigen Stellen des Magens
und der Gedärme wirklichen Brand, und das
Blut in der Nähe des Herzens geronnen. Dumas
schlieſst hieraus, daſs alles, was das Nervensy-
stem und die absorbirenden Gefäſse reitzt, Hun-
ger verursacht, was aber die Thätigkeit des Sy-
stems der Blutgefäſse vermehrt, Durst hervor-
bringt. Diese Versuche sind die einzigen, die
bis jetzt über die Entstehung des Hungers und
Durstes angestellt sind. Es läſst sich daran aus-
setzen, daſs vielleicht nicht gehörig zwischen ge-
stilltem Hunger und krankhaft verminderter Eſs-
lust unterschieden ist, und daſs Nebenwirkungen
für Ursachen angenommen sind. So viel ist aber
wohl gewiſs, daſs jene Triebe nicht blos von
einer
[447] einer örtlichen Reitzung der Magennerven, son-
dern von einer Umstimmung der Nervenreitzbar-
keit überhaupt, die in einer gewissen Mischungs-
veränderung des Bluts ihren Grund hat, her-
rühren.
Eben so schwer hält es, den äuſsern Reitz
anzugeben, wodurch der Wanderungstrieb gewis-
ser Thiere geweckt wird. In Betreff einiger Ar-
ten ist vielleicht die, von Reimarusq) geäuſserte
Vermuthung richtig, daſs es die atmosphärische
Wärme ist, was sie nach gewissen Gegenden hin-
zieht. Allein diese Ursache findet nur bey wenig
Thieren statt. Die meisten wandern aus, oder
bereiten sich ein Winterlager, lange vorher, ehe
sich die Temperatur der Luft ändert. Der Bo-
back (Marmota Bobac), der im Sommer kein
Nest hat, bereitet sich im Herbst ein Lager,
worin er den Winter schlafend zubringt. Was
ihn zu dieser Arbeit antreibt, ist aber nicht die
abnehmende Sommerwärme: denn er macht sich
auch ein Nest, wenn er in einem Zimmer ge-
halten wird, wo immer eine gleiche Temperatur
herrscht r). Er muſs also eine Vorempfindung
der Annäherung des Winters haben. In Canada
sind die Wanderungen der wilden Tauben, der
Bären
[448] Bären und Eichhörnchen ein unfehlbares Vorzei-
chen eines bevorstehenden strengen Winters s).
Diese Thiere haben also eine Vorempfindung nicht
nur von der Ankunft des Winters überhaupt,
sondern auch von der Beschaffenheit desselben.
Nach C. A. Schmid’s t) Beobachtungen findet ein
solches Vorempfindungsvermögen auch bey den
Insekten statt. Er bemerkte, daſs die meisten
dieser Thiere, die überwintern, sich, wenn ein
anhaltender und harter Winter folgte, ungewöhn-
lich früh in ihre Winterlager begeben hatten, daſs
hingegen in Herbsten, die gelinden und verän-
derlichen Wintern vorhergingen, die gewöhnlichen
Zufluchtsörter der Insekten im Winter oft noch
tief in den November hinein von überwinternden
Käfern leer waren. Manche Thiere zeigen durch
ihr Verhalten auch vorübergehende Veränderungen
der Witterung an. Von dem Laubfrosch und dem
Schlammpeitzger (Cobitis fossilis) ist diese Eigen-
schaft allgemein bekannt. Sie erstreckt sich aber
auch auf manche Zoophyten, z. B. auf die See-
anemonen (Actinia senilis), die einen bevorste-
henden Sturm ankündigen, indem sie sich zu-
sammenziehen und schlieſsen u).
In
[449]
In diesen und ähnlichen Fällen wirken gewiſs
cosmische Kräfte. Bey manchen ist vielleicht die
atmosphärische Elektricität die erregende Ursache.
Aber bey allen kann es diese nicht seyn. Herr
Jacobson aus Kopenhagen und Herr Professor
Heineken, die hier in Bremen Versuche über den
Einfluſs des elektrischen Bades auf den Schlamm-
peitzger mit einer starken Elektrisirmaschine mach-
ten, bemerkten gar keinen Einfluſs davon auf
diesen, für Veränderungen des Wetters so em-
pfindlichen Fisch.
Von welcher Beschaffenheit die hier wirken-
den Einflüsse aber auch sind, so ist es doch ge-
wiſs, daſs sie eine gewisse Stimmung des Ner-
vensystems verursachen, wodurch Vorstellungen
erweckt werden, die das Begehrungsvermögen in
Thätigkeit setzen und dadurch die instinktartigen
Handlungen hervorbringen. Bey dieser Art des
Instinkts, welche auf die Erlangung oder Abwen-
dung eines künftig eintretenden Eindrucks ab-
zweckt, sind also immer die Seelenkräfte mit
thätig. Von ihr läſst sich nicht annehmen, daſs
sie nach der Trennung des Gehirns noch eine
Zeit lang fortdauert. Ein solches Fortwähren fin-
det nur bey der Art statt, die durch einen ge-
genwärtigen Eindruck veranlaſst wird und sich
blos auf diesen bezieht. Enthauptete Fliegen und
Wespen suchen nur zu entfliehen, oder strecken
V. Bd. F fnur
[450] nur ihren Stachel hervor, wenn sie berührt wer-
den. Eine Schlange aber, die, wie Perraultv)
erzählt, nach abgehauenem Kopf noch auf dem
Hof nach einem Steinhaufen kroch, unter wel-
chem ihr gewöhnlicher Aufenthalt war, und zwey
Seeschildkröten, die, wie Azaraw) sahe, nach-
dem ihnen in ziemlich weiter Entfernung vom
Meer die Köpfe abgeschlagen waren, umkehrten
und in die See liefen, hatten schwerlich mehr
als blos den vordersten Theil des Gehirns ver-
loren. Bey beyden Arten des Instinkts können
jedoch in den meisten Fällen die nächsten ver-
anlassenden Ursachen der instinktartigen Handlun-
gen nicht bloſse Sinnenreitze seyn. Diese Ursa-
chen müssen auf einem Verhältniſs der Auſsen-
welt zum Nervensystem beruhen, das von dem
Verhältniſs der Gegenstände zu den äuſsern Sin-
nen sehr verschieden ist und wovon im folgenden
Kapitel die Rede seyn wird.
Drittes
[451]
Drittes Kapitel.
Dynamische Wirkungen des Nerven-
systems.
Nichts ist gewisser, als daſs es unter Allem,
was Leben hat, eine Verbindung giebt, die nicht
blos materieller Art ist. Myriaden lebender We-
sen gehen täglich unter; Myriaden kommen täg-
lich zum Daseyn; von tausend Zufällen ist ihr
Entstehen, ihr Daseyn und ihr Vergehen abhän-
gig; und doch flieſst der Strohm des allgemeinen
Lebens stets in demselben Bett, in derselben Rich-
tung und in gleicher Fülle. Woher diese ewige
Beständigkeit bey allem Wechsel? Woher die be-
ständige Gleichheit in dem Verhältniſs der Ge-
borenen gegen die Gestorbenen, der männlichen.
Individuen gegen die weiblichen und der Arten
gegen Arten? Es läſst sich aus Gründen der
Wahrscheinlichkeitsrechnung darthun, daſs diese
Unveränderlichkeit nicht vom Zufalle abhängig
seyn kann x). Aber alle Individuen der lebenden
Natur sind dem Zufall unterworfen. Giebt es
nicht
F f 2
[452] nicht höhere Wesen, die immer wieder ausbes-
sern, was das Ohngefähr verrückt hat, so ist
nichts übrig, als eine Abhängigkeit aller Kräfte,
die der Erzeugung und dem Daseyn der einzel-
nen lebenden Wesen vorstehen, von einander,
oder von einer gemeinschaftlichen Urkraft anzu-
nehmen. Für ihre Abhängigkeit von einer ur-
sprünglichen Kraft kann uns die Erfahrung keine
weitere Beweise als die erwähnten Thatsachen lie-
fern. Hängen sie aber auch wechselseitig von
einander ab, so ist es möglich, daſs noch andere
Erscheinungen in diesem ihrem gegenseitigen Ver-
hältniſs begründet sind.
Hier erheben sich aber Schwürigkeiten. Jene
Abhängigkeit kann nicht an die materielle Sphäre
des lebenden Wesens gebunden seyn, sondern
muſs auf reinen Kraftäuſserungen (dynamischen
Wirkungen) beruhen. Aber worin besteht das
Kennzeichen der letztern? Licht, Wärme und
Elektricität gehören vielleicht ebenfalls zu densel-
ben. Mehrere lebende Körper wirken durch diese
Agentien in die Ferne. Allein ein solcher Wir-
kungskreis ist ein blos physischer, von welchem
manche merkwürdige Erscheinungen in der leben-
den Natur herrühren können und wirklich herrüh-
ren, wovon sich aber nicht jene höhere, zwischen
den sämmtlichen Individuen und Arten des Thier-
und Pflanzenreichs statt findende Verbindung ab-
leiten
[453] leiten läſst. Besonders scheint ein elektrischer
Wirkungskreis der Thiere den Grund mehrerer
Phänomene zu enthalten. Vielleicht lassen sich
alle, blos physische Erscheinungen des thierischen
Magnetismus aus demselben erklären.
Humboldty) entdeckte, daſs bey der Anwen-
dung des Galvanischen Reitzmittels an abgeschnit-
tenen, noch sehr reitzbaren Gliedern von Thieren
oft schon Muskelbewegungen erfolgen, wenn die
Armaturen noch nicht mit dem Nerven oder dem
Muskel in unmittelbarer Berührung sind, oder
auch wenn der Nerve durchschnitten und das
obere, armirte Ende desselben von dem untern
um einen Zwischenraum von 1 bis 5/4 Linien ent-
fernt ist. Er glaubte hierin einen Beweis für
eine dynamische Wirkungssphäre der thierischen
Organe gefunden zu haben. Allein auch aus die-
ser Erfahrung, so wie aus allen übrigen, wobey
Metalle und andere leblose Körper aus der Ent-
fernung auf den thierischen Körper Einfluſs ha-
ben z), läſst sich, wie Rudolphia) mit Recht
erin-
F f 3
[454] erinnert hat, blos auf elektrische Wirkungen
schlieſsen.
Erheblicher ist der Grund, den Reilb) von
der krankhaften Empfindlichkeit in Theilen, die
keine Nerven haben, z. B. in den Knochen, für
jenes dynamische Wirken hernahm. Indeſs die
Möglichkeit bleibt auch hierbey, daſs mit den
Blutgefäſsen solcher Theile Nervenmasse verwebt
seyn kann, deren Reitzbarkeit in gewissen Krank-
heiten erhöhet wird, oder zu welcher durch die
krankhaft veränderten, umliegenden Organe Reit-
zungen gelangen, die im gesunden Zustande kei-
nen Eindruck machen c).
Die eigentlichen Beweise für ein Wirken des
Lebendigen, das nicht durch materielle Conduk-
toren und nicht durch bloſse physische Kräfte
vermittelt wird, sind in Erscheinungen zu suchen,
bey welchen die Seele mit thätig ist, die man
deswegen von dieser abzuleiten leicht verführt
wird, die aber näher untersucht eine andere
Quelle haben müssen.
Zuerst gehören hierher alle solche Aeuſserun-
gen des Instinkts, die auf einer Anziehung thie-
rischer
[455] rischer Individuen gegen einander zu beruhen
scheinen. Eines der merkwürdigsten Beyspiele ist
die Begattung der Frösche. Die Männchen dieser
Thiere haben kein äuſseres Zeugungsglied. Sie
können das wollüstige Gefühl, wodurch andere
männliche Thiere bey der Begattung zur Auslee-
rung des Saamens gebracht werden, nur durch
die Ballen der Vorderfüſse erhalten, welche bey
ihnen gegen die Brunstzeit anschwellen, die mit
dieser Turgescenz sehr empfindlich zu werden
scheinen, und die sie dey der Paarung gegen den
Bauch des Weibchens drücken. Aber was treibt
sie, sich hierdurch und nicht durch Umfassung
eines jeden andern weichen Gegenstandes das Ge-
fühl der Wollust zu verschaffen? Ist es ein eige-
ner, materieller Eindruck, den das Weibchen auf
die Sinnesorgane des Männchens hervorbringt?
Die Annahme eines solchen Eindrucks erklärt nur
die Erregung des Triebes, nicht die Anziehung
des Männchens zum Weibchen, und noch weni-
ger das Gleichzeitige der Ausleerung des männ-
lichen Saamens und der weiblichen Eyer. Fin-
den wir doch selbst im Innern des thierischen
Körpers, besonders an den innern weiblichen
Zeugungstheilen, Bewegungen gewisser Organe
gegen andere, die sich schwerlich anders als aus
einer, durch ein wechselseitiges, dynamisches
Wirken vermittelten Anziehung, einer thieri-
schen Affinität, wie Laplace sie genannt
F f 4hat
[456] hat d), erklären lassen. Wie gelangen sonst bey
den Fröschen die Eyer in die Muttertrompeten?
Schon Swammerdamm sahe dieses Räthsel für ei-
nes der schwersten in der Anatomie an e), und
jeder, der die Struktur und Lage der weiblichen
Zeugungstheile jener Thiere kennt, wird geste-
hen müssen, daſs hierbey noch andere Gesetze
als
[457] als die, nach welchen die übrigen automatischen
Bewegungen im thierischen Körper erfolgen, zu
herrschen scheinen.
Zu den erwähnten Erscheinungen gehören
zweytens die Phänomene der sympathetischen
Reitzbarkeit, des Vermögens der Thiere, von
dem Anblick gewisser Bewegungen anderer, mit
ihnen der Art nach gleicher, oder wenigstens
verwandter Individuen unter gewissen Umständen
zu ähnlichen Bewegungen gezwungen zu werden.
Am auffallendsten äuſsert sich dieselbe bey den
Affen, den Kindern, mehrern uncultivirten Na-
tionen und in krankhaften Fällen. Unter den
Lappen fand Högström mehrere, die alle Be-
wegungen Anderer unwillkührlich nachahmten.
“Wenn jemand den Mund zusammenzieht”, sagt
Högströmf), “oder mit den Fingern auf etwas
„hinweist, oder tanzt, oder andere Gestikulatio-
„nen vornimmt, so ahmen sie alles dies auf das
„Vollkommenste nach, und wenn dies geschehen
„ist, so fragen sie, ob sie sich ungeberdig auf-
„geführt hätten, indem sie, wie sie selber ge-
„stehen, nicht wissen, was sie gethan haben.
„Eben diese Lappen sind in einem so hohen
„Grade reitzbar, daſs sie durch den kleinsten un-
„erwarteten Schall und durch die unbedeutendste,
„nicht
F f 5
[458] „nicht vorhergesehene Erscheinung, z. B. durch
„einen abspringenden Feuerfunken, in Ohnmach-
„ten oder Zuckungen versetzt werden.” Boer-
haaveg) führt das Beyspiel eines Mannes an,
der zwar klein und mager, sonst aber gesund,
von Kindheit an der sympathetischen Reitzbarkeit
so sehr unterworfen war, daſs er alle Bewegun-
gen Anderer wider seinen Willen nachahmte h).
Hierbey erstreckt sich zwar jene Sympathie
blos auf willkührliche Bewegungen, und darum
scheinen auf den ersten Anblick die Aeuſserungen
derselben psychischen Ursprungs zu seyn. Allein
mit ihnen hat offenbar der Uebergang unwillkühr-
licher und mit Verlust des Bewuſstseyns verbun-
dener Bewegungen auf Andere beym Anblick epi-
leptischer, cataleptischer und ähnlicher Zufälle
einerley Grund i). Die bloſse Gesichtsempfindung
und der Schreck über das Uebel kann nicht den
Grund des Ausbruchs der nehmlichen Krankheit
bey dem sich Entsetzenden enthalten. Die Form
der
[459] der letztern muſs von einer andern Ursache ab-
hängen, einer Wirkung des Lebenden auf das
Lebende und besonders verwandter Wesen auf
einander, vermöge welcher vielleicht auch ohne
sinnliche Eindrücke jener Uebergang der Epilepsie
und anderer Nervenübel von Menschen auf an-
dere eintreten kann. Wer ohne Voraussetzung
einer solchen, von dem denkenden Princip ver-
schiedenen Ursache jene Thatsachen zu begreifen
glaubt, der erkläre, wie selbst der Anblick von
leichten Augenentzündungen, wobey nicht die
mindeste geistige Rührung vorgeht, in manchen
Menschen die nehmliche Krankheit veranlaſst.
Wir leiten überhaupt vielleicht zu Vieles aus
bloſsen psychologischen Gründen ab, dessen Haupt-
ursache in jener Sympathie und Synergie der or-
ganischen Individuen liegt. Die wunderbarsten
und verwickeltsten aller willkührlichen Bewegun-
gen, diejenigen, wodurch die Sprache hervorge-
bracht wird, lernt der Mensch in der Periode
des unbewuſsten Lebens. Es ist, sagt man, der
Nachahmungstrieb, vermöge welchem die erste
Bildung der Sprachtöne geschieht. Aber jeder
Trieb, der ohne Bewuſstseyn durch den Orga-
nismus auf die äuſsere Welt wirkt, ist nicht
rein geistiger Art, sondern mit in der Organi-
sation begründet. Er ist weit stärker bey dem
blos sinnlichen, als bey dem geistigern Men-
schen.
[460] schen k). Höchst langsam und meist nur sehr
unvollkommen würde der Mensch den Gebrauch
der Sprache erlangen, wenn die Sprachorgane
ursprünglich blos durch freye Willkühr und nicht
zugleich durch dieselbe Synergie, wodurch in den
Werkzeugen des Athemholens beym Anblick eines
Gähnenden wider unsern Willen die Bewegung des
Gähnens entsteht, in Thätigkeit gesetzt würden.
Auch die wunderbare Einwirkung mancher
Raubthiere auf andere Thiere, die ihnen zur
Beute dienen, läſst sich mit Recht als ein Beweis
des dynamischen Einflusses lebender Organismen
auf andere anführen. Montaignel) erzählt von
einer Katze, die einen Vogel auf einem Baum
in die Augen faſste, und der sich dieser, nach-
dem sich beyde eine Zeit lang starr angegafft hat-
ten, wie tod in die Krallen stürzte. Gäbe es
blos diese einzelne und etwa noch einige ähn-
liche Beobachtungen, so würde sich nichts Siche-
res in Beziehung auf unsern Gegenstand daraus
schlieſsen lassen. Allein in den verschiedensten
Welt-
[461] Weltgegenden herrscht allgemein unter den Ein-
gebornen der Glaube an ein Bezauberungs-
vermögen gewisser Schlangen, wodurch diese
aus der Entfernung dergestalt auf andere Thiere
wirken, daſs dieselben sich ihnen nähern müs-
sen, als ob sie von ihnen angezogen würden.
Kalmm). Michaelisn) und Bartramo) fanden
diesen Glauben in Nordamerika allgemein herr-
schend, wo vorzüglich der Klapperschlange (Cro-
talus horridus L.) und der schwarzen Schlange
(Coluber Constrictor L.) das Bezauberungsvermö-
gen zugeschrieben wird. Dobrizhofferp) traf
unter den Spaniern und Eingebornen in Paraguay
die Meinung an, daſs der Blick der dortigen Am-
palaba-Schlange bezaubernd wirke. Nach Vail-
lant, J. R. Forsterq) und Barrowr) wird
die
[462] die Bezauberung ganz mit denselben Umständen
in Südafrika wie in Amerika erzählt. Vaillant
erhielt ferner von einem Gouverneur Blamhot
die Versicherung, daſs am Senegal ebenfalls kei-
ner der Eingebornen an einem Bezauberungsver-
mögen der Schlangen zweifele, welches sich so-
gar auf Menschen erstrecke. Daſs auch schon
die Alten dieses Vermögen der Schlangen kann-
ten, beweist sowohl eine Stelle des Pliniuss),
wo von Schlangen am Flusse Rhyndacus im Pon-
tus die Rede ist, welche vorbeyfliegende Vögel
zu sich herabzögen, als die Sage derselben von
dem bezaubernden Blick des Basilisken t).
An der Wahrheit der Sache selber läſst sich
nach diesen übereinstimmenden Zeugnissen nicht
nur der verschiedensten und in keiner Vesbindung
mit einander stehenden Völker, sondern auch un-
terrichteter Augenzeugen u) nicht zweifeln. Nur
über die Ursache der Erscheinung können Zwei-
fel statt finden. Man hat mehrere Erklärungen
derselben gegeben, unter welchen aber nur zwey
eini-
[463] einigen Schein für sich haben: Eine, wobey die
giftigen Ausdünstungen der Schlangen für die
Ursache ihrer Einwirkung auf andere Thiere an-
genommen wird, und eine zweyte, wobey man
voraussetzt, daſs die Zauberkraft der Schlangen
sich nur auf Vögel erstreckt, die Nester mit
Jungen in der Nähe haben, und daſs die Angst
dieser Thiere und ihr Herabkommen zur Schlange
blos Wirkungen der elterlichen Liebe sind, die
das Thier antreibt, seine bedroheten Jungen mit
eigener Lebensgefahr zu vertheidigen v). Für die
erstere Erklärung scheint zwar dies zu sprechen,
daſs die Ausdünstung der Klapperschlange giftiger
Art ist. Allein nach den Beobachtungen von Mi-
chaelisw) äuſsert dieses Gift betäubende Wir-
kungen, also ganz andere als die, welche der
Blick der Schlange hervorbringt. Thiere, die
jener mit einer Klapperschlange in einerley Be-
hälter setzte, wurden still, schläfrig und wie be-
rauscht. Vögel. Eichhörnchen u. s. w. hingegen,
die von einer Schlange angestarrt werden, blei-
ben nicht unbeweglich, sondern hüpfen von Zweig
zu
[464] zu Zweig den Baum herab, worunter diese liegt.
In Betreff der zweyten Erklärung hat schon Mi-
chaelisx) erinnert, daſs ihm Beyspiele bekannt
seyen, wo schwerlich ein Nest des bezauberten
Thiers in der Nähe seyn konnte, und die Schlange
anfangs sehr weit von dem Vogel entfernt war,
der ganz zu ihr herabkam. Nach einigen, von
Kalmy), Vaillant und dem ältern Forsterz)
erzählten Beyspielen scheint sich ferner die Be-
zauberung auch auf Menschen zu erstrecken,
worauf diese Erklärung keine Anwendung leidet.
Was ihr aber alle Wahrscheinlichkeit benimmt,
ist die Thatsache, daſs der Armpolyp einen Ein-
fluſs auf seine Beute äuſsert, der jenem Bezau-
berungsvermögen analog ist. Der Regenwurm,
der sonst ein so zähes Leben hat, erstarret in
dem Augenblick, da ihn der Polyp angreift. Nach
der Erstarrung findet man an ihm keine Spur
einer Verletzung, die der Polyp, dem es an jedem
verwundenden Werkzeug fehlt, auch nicht hervor-
bringen kann, und die auch den Regenwurm,
der selbst zerstückelt noch fortlebt, nicht tödten
würde. Fontanaa), dem diese Erscheinung auf-
fiel,
[465] fiel, nahm an, daſs der Armpolyp jenen Einfluſs
durch ein Gift äuſsere, welches auf ähnliche Art
wie das Viperngift wirke. Aber es giebt unter
den Zoophyten nur Beyspiele von scharfen Giften
bey den Seeblasen (Physalis), die allenthalben,
wo man mit ihnen in Berührung kömmt, einen
brennenden Schmerz und Bläschen auf der Haut
wie von Brennessein erregen b), keines aber von
Absonderung einer narkotischen Substanz, wie
man hier doch voraussetzen müſste.
Einen Hauptbeweis für ein dynamisches Wir-
ken der lebenden Körper liefert noch die Entste-
hung der Muttermäler, Abweichungen des
Embryo von der regelmäſsigen Gestalt, die nach
der ersten Bildung desselben als Folgen gewisser
Empfindungen oder Vorstellungen der Mutter ent-
standen sind und mit diesen in einer unverkenn-
baren Beziehung stehen. Es läſst sich nicht läug-
nen, viele Fälle von solchen Mälern, die man
in ältern Schriften, besonders in den Abhandlun-
gen der Kaiserlichen Akademie der Naturforscher,
findet, ertragen keine genaue Prüfung. Seitdem
Hallerc) sie einer Critik unterwarf, sind ähn-
liche Beobachtungen auch in den Werken der
Aerzte und Naturforscher immer seltener gewor-
den. Aber nach der strengsten Sichtung bleiben
doch noch eine Menge Fälle übrig, die man für
Beweise einer Einwirkung von Empfindungen oder
Vorstellungen auf die Gestalt der Frucht gelten
lassen
V. Bd. G g
[466] lassen muſs, wenn man nicht jeden Schluſs durch
Induktion für ungültig erklären, oder glaubwürdi-
gen Beobachtern allen Glauben entziehen will.
J. D. Brandis hat unter andern einen Fall von
einem zwölfjährigen Knaben bekannt gemacht,
bey welchem er eine sehr glücklich operirte Ha-
senscharte zu bemerken glaubte, der diese aber
mit auf die Welt gebracht hatte, nachdem die
Mutter in ihrer Schwangerschaft bey der Opera-
tion einer Hasenscharte zugegen gewesen war d).
Nach Klein’s Beobachtung gebahr eine Frau, die
im achten Monat ihrer Schwangerschaft plötzlich
ihren geschlagenen Mann mit seiner blau gesch wol-
lenen, linken Seite des Gesichts und Ohrs, mit
seiner aufgequollenen, herabhängenden Unterlippe
und geschwollenen Nase erblickte, im neunten
Monat ein Mädchen mit einer aufgequollenen Nase,
sehr aufgedunsenen, herabhängenden, blauen Un-
terlippe und einem blaulichrothen, schwammigen
Auswuchs, der die ganze linke Hälfte der Stirne
und das obere Drittel der linken Wange be-
deckte e). Nach einer Anzeige in den Abhandlun-
gen der Londoner Linneischen Gesellschaft wurde
eine trächtige Katze von einer Magd zufällig auf
den Schwanz getreten. Das Thier warf fünf
Junge, von welchen vier einen Schwanz mit zur
Welt brachten, dessen hinteres, nach der linken
Seite gekehrtes Ende mit dem vordern einen rech-
ten
[467] ten Winkel machte und welcher an der Spitze
dieses Winkels einen Knoten von der Gröſse einer
Erbse hatte f).
Läſst sich aus diesen und so vielen ähnlichen
Fällen nicht auf ein Causalverhältniſs zwischen
dem Muttermal und gewissen geistigen Eindrücken
von Seiten der Mutter schlieſsen, so ist der gröſste
Theil aller ärztlichen Erfahrungen auf einem noch
weit schwächern Grunde gebauet. Muſs man aber
ein solches Verhältniſs hier gelten lassen, so muſs
man auch zugeben, daſs die Ursache des Mals
nur eine inmaterielle und hyperphysische Wirkung
der Mutter auf die Frucht seyn kann. Es findet
zwischen beyden keine Verbindung durch Nerven
und keine durch Blutgefäſse statt. Ein nährender
Saft gelangt zwar von der Mutter zum Embryo.
Aber schwerlich ist dieser der materielle Leiter
jener Einwirkung g). Bechsteinh) erzählt aus
eigener Erfahrung, daſs aus den Eyern von
schwarzschwingigen Maskentauben, deren Junge
sonst nie von ihren eigentlichen Eltern in der
Farbe abweichen, rothschäckige und einzelne rothe
Flügel- und Schwanzfedern besitzende Tauben
auskriechen, wenn man sie durch rothgefleckte
Schleiertauben ausbrüten läſst. Wenn diese Er-
fahrung eines unbefangenen, von Vorurtheilen
freyen,
G g 2
[468] freyen, und geübten Beobachters richtig ist, so
läſst sich nicht an einem inmateriellen Einfluſs
der Mutter auf die Frucht zweifeln. Und ge-
schieht er bey den Säugthieren auch durch den
nährenden Stoff, den der Foetus von der Mutter
empfängt, so bleibt er doch wenigstens eben so sehr
hyperphysisch, als der Einfluſs des Vaters auf die
körperliche und geistige Beschaffenheit des Kindes.
An alle diese Gründe reihen sich endlich noch
die Erscheinungen der höhern Grade des Som-
nambulismus. Es giebt bey den Schlafwandlern
sehr viele, denen, die wir an Thieren finden,
ähnliche Beyspiele von Erwachen eines wunder-
baren und unwiderstehlichen Instinkts, von Sym-
pathie und Antipathie, von einem, durch nichts
Materielles vermitteltem Wirken des Geistigen auf
das Körperliche verschiedener Individuen; diese
Fälle wurden von sehr verschiedenen Beobachtern
und unter den verschiedensten Umständen wahr-
genommen, und unter ihnen herrscht im Wesent-
lichen die gröſste Uebereinstimmung. Man kann
bey manchen derselben ohne Aberglauben oder
Leichtgläubigkeit Nebensachen nicht für richtig
anerkennen; aber man kann auch bey den mei-
sten ohne übertriebenen Skepticismus die Haupt-
sachen nicht verwerfen. Zu bestimmen, wo auf
diesem Felde die Gränze zwischen Wahrheit und
Irrthum liegt, ist hier indeſs noch nicht der Ort.
Wir werden im folgenden Buch, welches die
Seele in biologischer Hinsicht zum Gegenstande ha-
ben wird, auf jene Erscheinungen zurückkommen.
Erklärung
[469]
Erklärung der Kupfertafeln.
Die vier, dem gegenwärtigen Band beygefügten
Kupfertafeln dienen zur Erläuterung dessen, was ich im
ersten Abschnitt des achten Buchs über das Nervensy-
stem der Bienen, des Maulwurfs und des Delphins be-
merkt habe, und zugleich als Proben eines gröſsern
Werks über das Nervensystem der verschiedenen Thiere,
wovon jener Abschnitt ein Auszug ist.
Tab. I.
Das Nervensystem der männlichen Moosbiene
(Apis muscorum L.) von der Bauchseite.
- I. I. Die vordere Gränze des Kopfs.
- II. II. Die des Halses.
- III. III. Die des Bauchs.
- IV. IV. Das hintere Ende des Bauchs.
- c. Die beyden vordern Halbkugeln des Gehirns.
- a. a. Die beyden hintern Hemisphären des letztern.
- t. Die Oeffnung des Hirnrings, durch welche der
Schlund und der Speichelgang dringt. - o. o. Die Sehenerven.
- 1. Der Halsknoten.
- 2. Der erste, 3. der zweyte Brustknoten.
- 4‒8. Die fünf Bauchknoten.
Tab. II.
Fig. 1. Das Gehirn einer andern männlichen Moos-
biene von der obern Seite unter einer stärkern Ver-
gröſserung vorgestellt.
G g 3d. d.
[470]
- d. d. Zwey runde Hügel, aus welchen die Nerven
der Fühlhörner entspringen. - δ. Der zur Oeffnung des Hirnrings gehende Schlund.
- o. o. Die Nerven der zusammengesetzten Augen.
- p. p. Das Pigment, womit die äuſsern Enden die-
ser Nerven bedeckt sind. - r. r. r. Die drey einfachen Augen.
- h. h. Zwey kugelförmige Hervorragungen des Ge-
hirns, auf welchen die beyden äuſsern einfachen
Augen ruhen. - n. n. Zwey, aus den hintern Hemisphären des Ge-
hirns hervorgehende Nerven, deren Verlauf mir
unbekannt ist. - x. Die beyden Stränge, wodurch das Gehirn mit
dem ersten Brustknoten zusammenhängt.
Mit diesem Gehirn der Moosbiene kömmt das der
Erdbiene (Apis terrestris L.) im Wesentlichen über-
ein. Auch der Bauchstrang der Honigbiene (Apis
mellifica) zeigt keine erhebliche Abweichungen von dem
auf der 1ten Tafel vorgestellten Bauchstrang der Moos-
biene. Hingegen finden zwischen dem Gehirn der
männlichen Moosbiene und dem der geschlechtslo-
sen Arbeitsbiene (Apis mellifica operaria) bedeu-
tende Verschiedenheiten statt.
Fig. 2 und 3. Das Gehirn der geschlechtslosen
Arbeitsbiene, in Fig. 2 von der obern, in Fig. 3
von der untern Seite.
- d, d, δ, o, o, p, p, r, r, r, h, h bezeichnen
die nehmlichen Theile, wie in Fig. 1. - z. Der mit dem Schlund δ zur Oeffnung des Hirn-
rings gehende Speichelgang.
π. π.
[471]
- π. π. Die beyden, zu den Speichelorganen sich
fortsetzenden Seitenzweige dieses Gangs. - v. v. Die Nerven des Rüssels.
- i. i. Ein zartes Nervenpaar, das zu den Zungen-
muskeln und zum Pharynx zu gehen scheint.
In Fig. 3 sieht man auſserdem noch
bey c die vordern Halbkugeln des Gehirns;
bey Δ und Δ vier zu beyden Seiten der Hervor-
ragungen, worauf die einfachen Augen ruhen,
liegende Anschwellungen;
bey t die Oeffnung des Hirnrings.
Vergleicht man diese Organe mit dem Nervensy-
stem anderer, in Rücksicht der Kunsttriebe eine nie-
drigere Stufe einn hmenden Insekten, so fällt gleich
der weit zusammengesetztere Bau des Gehirns der Bie-
nen und die Kleinheit der Brustknoten dieser wunder-
baren Thiere gegen das Gehirn derselben auf.
Aber selbst zwischen dem Gehirn der männlichen
Moosbiene und dem der geschlechtslosen Honigbiene
zeigt sich eine bedeutende Verschiedenheit. An jenem
hat der mittlere Theil gröſsere, aber nicht so zahl-
reiche Hervorragungen, wie an dem letztern.
Unter den Hirnnerven der Bienen sind die der
zusammengesetzten Augen (o. o.) von ausgezeichneter
Dicke. Sie bestehen aus parallelen, vom Hirnringe
ausgehenden Fasern. Nach dem äuſsern Ende hin tren-
nen sich diese, werden mit einem schwarzbraunen Pig-
ment (p) bedeckt und gehen zu den einzelnen Abthei-
lungen jener Augen.
Von den drey einfachen Augen (r. r. r.) liegen
die beyden äuſsern auf zwey halbkugelförmigen Her-
vor-
[472] vorragungen; das mittlere scheint Nervenfasern aus die-
sen Anschwellungen zu erhalten. Die Stellen, worauf
die Hornhäute jener Augen ruhen, sind mit einem ähn-
lichen braunen Pigment wie die Enden der Nerven
beyder zusammengesetzter Augen überzogen.
Der Zwischenraum zwischen dem Gehirn und dem
Schädel ist mit einer körnigen Masse ausgefüllt. wo-
von Ramdohr*) vermuthet hat, daſs sie mit den
Funktionen der Sinnesorgane in einer Beziehung stehe,
die mir aber zu den Speichelorganen zu gehören scheint.
Vielleicht hat das Gehirn der Biene auch Muskeln.
Bey einer Arbeitsbiene fand ich auf demselben Bündel
von Muskelfasern, die sich in die Hirnhaut zu inseri-
ren schienen. Inzwischen dieser Punkt bedarf noch
näherer Untersuchungen.
Tab. III.
Fig. 1. Das Gehirn eines männlichen Maulwurfs, von
der Grundfläche angesehen.
- h, h die vordern, H, H die hintern Lappen der
Hemisphären des groſsen Gehirns. - p. Die Varolische Brücke.
- q. Das verlängerte Mark.
- o. Das Ruckenmark.
- m. m. Die Seitentheile des kleinen Gehirns.
- Σ. Σ. Anschwellungen des groſsen Gehirns neben
der Varolischen Brücke, die durch den geroll-
ten Wulst gebildet werden. - r. Der Trichter.
- x. x. Markfortsätze der beyden hintern Lappen
des groſsen Gehirns zu den Riechkolben. - 1. 1. Die Riechkolben.
- 2. 2. Die Sehenerven.
- a. a. Wulstige Seitentheile des verlängerten Marks
und der Brücke, die sich in die Nerven des
fünften Paars fortsetzen. - 5. 5. Nerven des fünften Paars.
Die übrigen Nervenpaare sind unbezeichnet geblie-
ben, um die Figur nicht mit Zahlen und Buchstaben
zu sehr zu überladen.
Fig. 2. Fortgang des mittlern Asts der Nerven des
fünften Paars am Oberkiefer des Maulwurfs.
- 5. Der Anfang dieses Asts nach seinem Austritt
aus der Schädelhöhle. - r. Zweig desselben, welcher sich zum Auge o be-
giebt. - t. Seitenfäden, die sich von diesem Zweig trennen.
- k. k. Ausbreitung der Fäden des Hauptzweigs des
Astes 5 am Oberkiefer. - D. Die Zähne des Oberkiefers.
- A. Der mit dem Fell bedeckte Vordertheil des
Rüssels. - N. Die Naſe.
Fig. 3. Ursprung der gröſsern Portion des fünften Hirn-
nervenpaars des Maulwurfs aus dem verlängerten Mark.
- P. Die Varolische Brücke.
- p. p. Die Pyramiden des verlängerten Marks.
- 5. 5. Die Nerven des fünften Paars.
- q. q. Ursprung dieses Nervenpaars aus dem ver-
längerten Mark. - ψ. Eine dünne, aus queerlaufenden Fasern bestehen-
de, hier rechter Hand zurückgeschlagene Mark-
haut, welche diese Nervenwurzeln q, q bedeckt. - χ. Starke, von dem Rückenmark heraufsteigende
Faserbündel, die sich in dem Zwischenraum
zwischen den Pyramiden p, p und den Nerven-
wurzeln q, q nach den letztern hin ausbreiten.
Tab. IV.
Das groſse Gehirn des Delphins (Delphinus
Phocaena) von der untern Seite mit den Gesichts-
und Geruchsnerven.
- A, A die vordern, B, B die mittlern Lappen des
groſsen Gehirns. - 1. 1. Die Geruchsnerven.
- 2. 2. Die Gesichtsnerven.
Bey der ersten Auffindung der Geruchsnerven des
Delphins war ich ungewiſs, ob diese dünnen Fäden
nicht Gefäſse wären. Auch Herr Dr. Albers, dem
ich sie zeigte, wagte nicht, sie für Nerven anzuneh-
men. Als ich sie aber, abgesondert vom Gehirn, un-
ter einer 150maligen Vergröſserung untersuchte, fand
ich in ihnen die Struktur der Nerven. Ich konnte
übrigens diese Zeichnung erst entwerfen, nachdem das,
ohnehin von Fäulniſs schon sehr erweichte Gehirn seit
mehrern Tagen aus dem Schädel genommen gewesen
war. Sowohl das ganze Gehirn, als die einzelnen
Windungen sind deswegen hier mehr in die Länge
und Breite gezogen, als sie im frischen Zustand ge-
wesen seyn würden.
Zusatz.
[475]
Zusatz.
Ueber die Phosphorescenz der leuchten-
den Springkäfer.
(Zu S. 103.)
Nachdem diese Seite schon abgedruckt war,
erhielt ich in einem Briefe des Herrn von Langs-
dorff aus Rio de Janeiro vom 18. Mai 1817 fol-
gende Bemerkungen über die leuchtenden Spring-
käfer, wodurch meine Vermuthung, daſs das
Licht dieser Insekten mehr oder weniger aus dem
ganzen Rumpf ausströhmt, bestätigt wird: “Sie
„haben vollkommen Recht zu behaupten, daſs
„diese Insekten im Innern zwiechen der Brust
„und dem Hinterleib und in der Nähe der Zeu-
„gungstheile leuchten; doch habe ich diese Be-
„merkung nur zweymal gemacht. Der Elater
„noctilucus leuchtet nur zu gewissen Zeiten, d. h.
„z. B. nach Willkühr im Fluge, und dann leuch-
„tet er wie eine helle glühende Kohle. Sein Flug
„ist ganz gerade und stark, so daſs man ihm
„leicht mit einem Satz entgegenkommen und ihn
„fangen kann. Beym Ruhigsitzen auf Blättern.
„an Baumrinden, auf Häusern u. s. w. macht er
„sich zuweilen bey Nachstellungen durch gänz-
„liches Nichtleuchten unsichtbar, und entgeht
„seinen Verfolgern. Ich sollte denken, daſs wohl
„die Phosphorescenz mit der Periode der Begat-
„tung zusammentrifft, so wie überhaupt diese
„Käfer nur in einer gewissen Periode des Jahrs
„erscheinen, besonders in den Sommermonaten.”
Druck-[476]
Appendix A Druckfehler.
- S. 8. Z. 1 von oben. Statt nur lese man um.
- — 20. — 12 — — — — Jetzt l. m. Indeſs.
- — 66. — 2 — — — — nur l. m. um.
- — 77. — 20 — — — — zweymal l. m. einmal.
- — 141. — 16 — — — — Haller l. m. Heller.
- — 142. — 1 — — — — Haller’s l. m. Heller’s.
- — 228. — 3 — — — — Blätter l. m. Blumen.
- — 281. — 18 — — — — Towler’s l. m. Fowler’s.
- — 293. — 24 — — — — bestehen l. m. entste-
hen. - — 301. In dem Citat t). — Veiw l. m. View.
- — 326. Z. 21 von oben. — andere l. m. an andern.
- — 345. — 6 — — — — andern l. m. andere.
- Ebend. — 13 — — — — leitende l. m. leidende.
- S. 443. — 24 — — — — alle l. m. also.
- — 456. — 24 in dem Citat e) Z. 2 st. non modo l. m.
res non modo. - — 463. — 2 von oben st. giftigen Ausdünstungen
l. m. giftige Ausdün-
stung.
[]
Appendix B
sammte Naturkunde. B. 1. H. 1. S. 27.
Jahrg. 2. S. 316.
mie. B. IV. S. 478.
116.
gét. T. III. p. 316.
F. stand, fiel auf 69° herab, wenn er zwischen die
Kronen stark belaubter Bäume, oder in schattige
Hecken gebracht wurde. (Schrank’s Briefe an
Nau, naturhist., physikal., u. öconom. Inhalts.
Erlangen. 1802. S. 169.)
der ausländischen med. chirurg. Litteratur, von Har-
les u. Ritter. B. V. St. 2.
Sennebier Physiol. végét. T. 3. p. 314.
nehmsten Inseln der Afrikanischen Meere.
vegetab. u. animalischer Substanzen. S. 8.) fand die
Temperatur dieses Krauts 40 R. indem das Thermo-
meter in der Luft auf 10° stand.
Ed. d’Amsterd.
331.
p. 293.
Royal Institution of Great Britain. Vol. II. p. 247.
Wärme der Thiere. Uebers. von Crell. S. 297. 298.
p. 419. sq.
Ed. d’Amsterd. p. 423.
ipsius instituta, quam praes. J. H. F. Autenrieth
def. G. F. Schüz. Tubing. 1799.
S. 299 fg.
p. 15. — Noch gröſser fand Pallas die eigene Wär-
me bey der schwarzen Varietät dieses Haasen. An
ergo, frägt er, inter calorem animalem auctum et co-
lorem insolitum aliquis nexus? (A. a. O. p. 15.)
thiere. Zürich. 1809. S. 126.
p. 22.
Bat. 1754.
taz. In der Déscript. de l’Egypte. Paris. 1809. T. I.
dert, beweisen Martin’s Versuche. (Abhandl. der
Schwed. Akad. J. 1764. S. 299.)
duit dans l’économie animale. à Paris. 1806.
don. 1814. — J. F. Meckel in dessen Archiv f. d.
Physiol. B. 1. S. 250.
Thiere. Uebers. von Crfll. 2te Ausg.
qu’il parcourt? à Paris. 1802. p. 44.
gen u. Leipz. 1805. S. 40.
S. 409.
B. 3. S. 328.
Versuche über das Vermögen der Pflanzen u. Thiere,
Wärme zu erzeugen u. zu vernichten. Uebers. von
L. v. Crell. Helmst. 1778. S. 60.
Archiv f. d. Physiol. Bd. 2. S. 200 fg.
constituunt. Jenae. 1804.
mal heat. London. 1785.
konomie.
Arzneywissenschaft. St. 17. S.3 fg.
nals of Philosophy. Y. 1814. March. p. 229.
venosum. Gottingae. 1756. p. 18.
Physiologie. B. 1. S. 238. — Nasse in Reil’s u. Au-
tenrieth’s Archiv f. d. Physiol. B.XII. S.421.
Royal Institution. Vol. II. p.246.
Abth. 1. S. 258.
chirurg. Society of London. Vol. V. p. 166.
J.1815. St.3. S.55.
p. 292.) nimmt 5½ Unzen an.
maux mammiféres hybernans. à Paris. 1809. p. 19.
ner Temperatur der Luft von — 1,5° R. und bey ei-
ner eigenen Wärme von + 3° aus dem Winterschlaf
erweckt war, nach einer Stunde 25° und nach zwey
Stunden 36°. Ein Igel, der bey der nehmlichen
Temperatur der Luft im Erwachen eine Wärme von
12,5° zeigte, hatte nach einer Stunde eine Tempera-
tur von 30°, und nach zwey Stunden von 32°.
(Saissy a. a. O. p. 20.). Bey der Haselmaus wuchs
also
als das Doppelte, bey dem Igel gar um das Acht-
bis Neunfache, wie in der folgenden.
Haaren beym Reiben Funken hervordrangen, haben
Bartholin (De luce animal. p. 54. 57. 110. 121.) und
Kopp (Ausführliche Darstellung u. Untersuchung der
Selbstverbrennungen des menschl. Körpers. Frankf.
a. M. 1811. S. 73.) gesammelt. Ich kannte ebenfalls
einen, an der Epilepsie leidenden jungen Mann, des-
sen Haare beym Kämmen Funken sprühten.
S. 54.
Montpellier. Par J. A. P. Ducluzeau. p. 18.
liana. T. II. p. 603.
Th. Leipz. 1796. S. 173 fg.
Müller. Newyorck. Vol. IV. p. 375.
te Naturkunde. B. 3. H. 2. S. 567.
tinent. Th. 1. S. 109.
444.
Vol. I. p. 367.
aterd. p. 287.
marina. Ven. 1749.
Ven. 1750.
Macartney (A. a. O. p. 261.) behauptet, diese, so
wie die von Bruouiere und Flauguergues am Re-
gen-
p. 269.
weil, wenn jene so häufigen Thiere wirklich leuchte-
ten, das Licht derselben schon öfter gesehen seyn
müſste, so ist dies einer von den voreiligen Macht-
sprüchen, deren man in seiner Abhandlung über die
leuchtenden Thiere mehrere findet.
d’Amsterd. p. 295.
p. 563.) konnte das Leuchten dieser Skolopender nie-
mals entdecken. Er verwechselte aber mit der Sco-
lopendra electrica die Scolopendra flava. Goeze führt
in seiner Uebersetzung des De Geerschen Werks ei-
nen Fall an, wo das Leuchten der Scolopendra elec-
trica ebenfalls beobachtet wurde.
S. 62.
Paris. p. 340.
p. 245.
p. 49.
d. neuesten Entdeckungen in der Naturk. J. 1. S. 152.
J. 3. St. 2. S. 281.
p. 80.
Von G. R. u. L. C. Treviranus. Th. 1. S. 87.
J. 2. S. 248.
1815. S. 375.
ling sopra la luce del fosforo di Kunkel etc. Mo-
dena. 1796. p. 119.
1766. p. 342.
P. W. J. Müller in Illiger’s Magazin für Insekten-
kunde. B. IV. S. 175. — Macartney a. a. O. p. 276.
Geer, Mém. présentés à l’Acad. des sc. de Paris. T. II.
p. 261. — C. A. Schmid’s Versuche über die Insek-
ten. Th. 1. Gotha. 1803. S. 245. — Guénau de Mont-
beillard a. a. O.
Art, womit Hulme seine Versuche machte, ist von
ihm nicht bestimmt worden.
de Lausanne. T. II. P. I. p. 240. — Spallanzani.
Hulme. Hermbstädt. Von Grotthuss. Heinrich.
A. a. O. — Nach Spallanzani und Hulme hört
das Leuchten in Stickgas und Wasserstoffgas ganz
auf; Hermbstädt hingegen nahm in diesen Gasar-
ten und im luftleeren Raum noch ein schwaches Licht
wahr. Blos Macartney führt (A. a. O. S. 287.) ei-
nen Versuch an, wo keine merkliche Abnahme des
Lichts in Wasserstoffgas eingetreten seyn soll.
Grotthuss. A. a. O.
Fauna. Von J. Sturm. Abth. 3. H. 2. — Lienert in
Reil’s u. Autenrieth’s Archiv f. d. Physiol. B. 10.
S. 85.
par F. d’Azara. T. 1. p. 213. — Lanosdorff’s Be-
merkungen auf einer Reise um die Welt. Th 2. S. 184.
T. XLVIII. A. 1813. Septbre.
Bruce’s Reise nach Abyssinien. Th. 5. S. 116, der
Voikmannschen Uebers.
Neueste aus der Physik u. Nat. Gesch. B. VIII. St. 3.
S. 106.
u. allgem. Naturgesch. S. 57.
caethiopum, auctoris ipsius et sororis eius. Solisbaci.
1812. p. 52.
Himly’s Journal der praktischen Arzney- u. Wund-
arzneyk. B. 35. S. 54.
dert. B. 3. S. 337.
1812. S. 199.
s. w. Substanzen. 4te Forts. S. 245.) hat eine Beobach-
tung von Phosphorescenz ganz frischen Fichtenholzes.
S. 316 fg.
der Naturk. B. 2. St. 1. S. 67.
Naturgesch. B. 7. St. 2. S. 74.
Zerlegung des Luftkreises. S. 200. — Spallanzani
Chimico Essame degli Esperimenti de Sign. Gött-
ling etc. — Gärtner in Scherer’s Journal der
Chemie. B. 3. S. 14. — Bökmann ebendas. B. 5. S.
8. — Hulme, Philos. Transaet. Y. 1801. p. 483. —
Heinrich a. a. O. S. 332.
18. — Bökmann a. a. O. S. 9. — Dessaiones, Journ.
de Physique. A. 1809. Juillet. p. 250.
ner. S. 15. — Heinrich. S. 329.
saignes a. a. O.
Bökmann. S. 20. — Heinrich. S. 328.
Bökmann. S. 21.
saignes a. a. O.
von Menschen, Ochsen, Schaafen und andern Säug-
thieren finden sich beym Bartholin (De luce animal.
p. 169. 176. 180.), Fabricius ab Aquapendente (De
oculo. Cap. 14.), Boyle (Works. T. III. p. 304.), Bea-
le (Philos. Transact. Vol. XI. p. 599.) und Bernoul-
li (Ueber das Leuchten des Meers. S. 135.). Bar-
tholin führt eine Beobachtung von Vesling an, die
näher untersucht zu werden verdiente. In genere,
sagt er, de cerebro recentium mactatorum pecudum
tenuius dissecto me monuit illustris Eques J. Veslin-
gius, Anatomicorum iam splendor, nitorem aliquem
luminis evidenter oculis usurpari. (L. c. p. 169.) Hul-
me (Philos. Transact. Y. 1800. p. 161.) sahe Kaulquap-
pen in Auflösungen von Küchensalz und Glaubersalz,
und Spallanzani (A. a. O.) eine todte Sepia offici-
nalis phosphoresciren.
Fi-
einer Sepie, die er leuchten sahe, der Glanz erst im
Zustande der wirklichen Fäulniſs eingetreten sey.
Aber alle übrige Beobachter stimmen darin überein,
daſs das Licht mit der eigentlichen Fäulniſs ver-
schwindet. Unter andern machte schon Bartholin
(De luce animal. p. 182.) diese Bemerkung an leuch-
tendem Ochsenfleisch.
ist, zusammengetragen, dem sich noch Hablizl’s Be-
obachtungen über das Leuchten des Acipenser Sturio
und der Perca Lucioperca (in den Neuen Nordischen
Beyträgen. B. IV. S. 13.) beyfügen lassen. Süſswasser-
fische lassen sich ebenfalls durch Einsalzen zum
Leuchten bringen. Doch gelingt der Versuch nur
selten. (Heinrich. A. a. O. S. 378.)
kung des Sauerstoffgas und des Stickgas auf das Fisch-
licht stimmen beyde Beobachter nicht überein. Hul-
me fand das Licht in Sauerstoffgas nicht merklich
stärker, Spallanzani hingegen doppelt so stark als
in atmosphärischer Luft. Dieser bemerkte, daſs der
Glanz in Stickgas völlig verschwand; jener hingegen
will gefunden haben, daſs die Stickluft das auf ei-
nen Kork gestrichene Fischlicht glänzender machte
und länger erhielt, doch auch das Fischfleisch ver-
hinderte, leuchtend zu werden.
pera-
höher, als beym leuchtenden Holz.
nach einem langen Miſsbrauch geistiger Getränke.
Von P. Aimé Lair. Aus d. Franz. übers. von C.
W. Ritter. Hamburg. 1801. — J. H. Kopp’s aus-
führliche Darstellung und Untersuchung der Selbst-
verbrennungen des menschl. Körpers in gerichtl. medic,
patholog. Hinsicht. Frankf. 1811.
St. 2. (Weimar. 1811.) S. 111.
VI. physic. p. 119.
tenberg’s u. Voiot’s Mag. f. d. Neueste aus d. Phy-
sik u. s. w. B. VIII. St. 3. S. 121.
B. I. St. 3. S. 79.
1671.
d’Amsterd.
p. 325.
S. 288.
372.
1769. p. 191.
vermischte Schriften, physisch-med. Inhalts. Uebers.
von Molitor. B. 1. S. 412.
Vol. 1. p. 81.
gen Benennung Raia Torpedo.
270. Nieuhof nennt diesen Fisch Meeraal. Was
er von den elektrischen Wirkungen desselben sagt,
son als Forskål mit dem der Leidener Flasche, und
jener bemerkt, daſs die Erschütterung sich durch ei-
nen 5 bis 6 Fuſs langen eisernen Stab fortpflanzte.
Galvanisme. T. II. p. 61.
deze meir-aelen: want de genen, die hen dooden of
ontwyden, worden als met schriken beving, ja by-
wyle met slaeute bevangen: hoewel die niet lang
deurt: maer anstonts overgaet en ophoudt.
son, A. a. O. — Spallanzani A. a. O. Avr. 1786. —
Gay-Lussac u. Humboldt, A. a. O. — Todd, A.
a. O. p. 125.
Récueil. I. p. 73. — Todd. p. 123. 124. 125.
a. O. — Gay-Lussac u. Humboldt a. a. O. — Hum-
boldt u. Bonpland. p. 79.
nom andern Galvanischen Versuch an den beyden,
noch sehr reitzbaren Hälften eines unter dem Herzen
durchschnittenen Gymnotus wirkte hingegen der Me-
tallreitz blos auf das Herz, nicht auf die willkührli-
chen Muskeln. (Ebendas. p. 73.) Diese, aller Analo-
gie widersprechende Beobachtung bedarf aber wohl
einer nähern Bestätigung.
boldt u. Bonpland, Récueil. I. p. 70.
V. Bd.
hat noch verschiedene Abänderungen dieses Apparats
beschrieben, die aber im Wesentlichen mit dem obi-
gen übereinstimmen.
Hoffn. Uebers. von Groskurd. S. 26.) kannte einen
Mann, der den Zitterrochen ohne alle Erschütterung
handhaben konnte. Nach Flagg’s Versicherung (A.
a. O.), die mir indeſs wenig Glauben zu verdienen
scheint, sollen Menschen, welche die Auszehrung ha-
ben, den Zitterrochen ohne Nachtheil berühren kön-
nen. — Beyspiele von Unempfindlichkeit für Elektri-
cität erzählen Muschenbroek (Introd. ad philos. na-
tur. §. 832. No. 3.), Fahlberg (A. a. O.) und Clos
(Journ. de Phys. T. LIV. p. 316.) — Man könnte
vermuthen, daſs auch der Zitteraal diese Unempfind-
lich-
p. 68.
boldt’s (Récueil. Vol. I. p. 79, 80.) der Schlag eines
solchen Fisches durch den Körper eines andern Zit-
teraals gehen kann, ohne daſs der letztere davon er-
schüttert wird. Allein dieser Hypothese widerspricht
die Empfänglichkeit der elektrischen Fische für den
Schlag der Leidener Flasche und für den Galvanischen
Reitz.
p. 18. — Arsaky traf solche Anschwellungen noch
bey mehrern andern Fischen an. Er glaubt, daſs mit
ihnen die Wurzeln der herumschweifenden Nerven
und der Nerven des fünften Paars in Verbindung ste-
hen
Zusammenhang zu haben. Daſs es aber auch eine Be-
ziehung zwischen ihnen und dem fünften Nervenpaar
giebt, ist mir nicht wahrscheinlich. Ich fand ähnli-
che Anschwellungen auch beym Maulwurf und beym
Grasfrosch (Rana esculenta.). Jener hat zwar ein
fünftes Nervenpaar von ausgezeichneter Gröſse; aber
bey diesem ist dasselbe weit kleiner, als bey vielen
andern Thieren, die jene Hervorragungen nicht be-
sitzen.
A. 1767. p. 564.
VII. A. 1776. p. 47. — Vaucher Hist. des conferves
d’eau douce. p. 169. — Biologie Bd. 2. S. 505. Bd. 3.
S. 283. — Die Algen des süſsen Wassers, nach ihren
Entwickelungsstufen dargestellt, von Nees von Esen-
beck. Bamberg. 1814. S. 18. — Auffallend ist es,
daſs Roth blos die Verlängerung und nie die fort-
rückende Bewegung der Conferva limosa sahe.
S. 171.
ces. Vol. II. P. I.
sterd. p. 706.
p. 1.
liber. Antverp. 1593. p. 266.
gazin von merkwürdigen neuen Reisebeschreibungen
B. 7.
J. 1782. S. 80.
de. B. 2. S. 88.
Th. I. St. 4. S. 502.
aus d. Physik u. s. w. B. VI. St. 3. S. 5.
Disquis. de sexu plantar. p. 25. — Philos. botan. p. 91.
§. 145. — Amoenitat. acad. Vol. I. p. 360 sq.
Pflanzenphysiolog. Abhandl. B. 1. S. 1 fg.
Hum-
der Pflanzen. Uebers. von Fischer. S. 57.
Obs. 87. p. 194.
scoperta. In Firenze. 1764.
Pflanzen betreffenden Vers. u. Beobachtungen. S. 125.
§. 66.
zenphysiolog. Abhandl. B. 1. S. 24. 139.
gie. B. 6. S. 456.
S. 258.
turwissensch. u. Arzneyk. B. I. St. 1. S. 99.
stirp. indigen. Helvet. T. II. p. 137. 265.
explorata. Tubing. 1768.
S. 258.
von Schreber. 2te Aufl. Erlangen. 1780.
fallend ist es, daſs Loureiro (Flora Cochinchin. Edid.
Willdenow. T. I. p. 354.), der die Averrhoa Caram-
bola in ihrem Vaterland zu beobachten häufig Gele-
genheit hatte, ihrer Reitzbarkeit nicht erwähnt. Viel-
leicht sind die von ihm und von Bruce beschriebe-
nen Pflanzen verschiedener Art.
sterd. p. 47.
Vol. 2.
der Elektricität, A. d. Engl. 3te Ausg. S. 319.
Teylerienne. Continuat. IIde. p. 160.
B. 2.
S. 13.
235. — Humboldt a. a. O. S. 95 fg.
Bl. 284. D. 9. Bl. 1.
der chemischen Physiol. der Pfl. S. 159.
caeterae quaedam animalium plantarumque functiones
consentiunt. Groning. 1773.
dem positiven Conduktor einer Elektrisirmaschine
schlagen lieſs, keimte gar nicht, oder trieb nur
kleine, krüpplige Pflanzen.
und Arzneywissensch. B. 1. S. 274.
mit
nico indole, a vi vitali vasorum derivando. Praes.
Brugmanns. Lugd. Bat. 1789. p. 29.
157. — Trommsdorf in Gren’s Journal der Physik.
B. I. St. 1. S. 29.
oxydatarum in germinationem efficientia etc. Tubing.
1805.
einen mit bloſsem Wasser, den zweyten mit einer
Mischung aus 2 Drachmen Kirschlorbeerwasser und
6 Unzen Wasser, den dritten mit einer ähnlichen
Mischung, worin aber die Quantität des Kirschlor-
beerwassers 3 Drachmen betrug. In den beyden letz-
tern Töpfen keimte der Saamen drey Tage früher als
in dem ersten. Nachher aber zeigte sich in dem
Wachsthum der Keime kein Unterschied mehr.
cietà Italiana. T. XII. P. II. p. 30. — Corradori
führt auch folgenden Versuch als einen Beweis der
Reitzbarkeit der Pflanzengefäſse an: Schneidet man
eine junge Pflanze der Euphorbia Cyparissias unten
ab, so dringt aus der Wunde ein milchiger Saft;
schneidet man sie hierauf oben ab, so fängt die neue
Wunde an zu bluten und der Ausfluſs aus der untern
hört auf; macht man hingegen die Operation auf die
entgegengesetzte Art, indem man die Pflanze erst oben
und dann unten verwundet, so dauert das Bluten
aus der obern Wunde fort, aus der untern aber drin-
gen nur wenige Tropfen. Ich habe diesen Versuch
an der Vinca maior wiederholt. Bey dieser aber fand
kein Unterschied zwischen dem Ausfluſs aus der obern
und untern Wunde statt.
tom. u. physiolog. Inhalts von G. R. u. L. C. Tre-
viranus. B. 1. S. 123.
nus. B. 1. S. 157.
the 13 Nov. 1788. London. 1791.
prossima della contrazione muscolare. Siena 1796.
tauchen in Wasser von 115° F. Wärme seine Reitz-
barkeit genommen war, und dem man die Schenkel-
knochen in der Mitte zerbrochen hatte, ohne die
Muskeln zu verletzen, wurde schon von 5 Pfund
zerrissen, indem der andere, noch reitzbare, unter
denselben Umständen 6 Pfund trug. In einem zwey-
ten
getödtet sind und gleich nachher in kaltes Wasser
gelegt werden, kräuseln sich die Muskeln. Eine
Scholle, die auf diese Weise behandelt war, hatte
eine specifische Schwere = 1,105; bey einer andern
ungekräuselten betrug die letztere nur 1,090. (Car-
lisle a. a. O. p. 23.)
Ehrmann. S. 79.
benskraft durch Opiumauflösung und Kirschlorbeer-
Oel entzogen war, ein Sechstel weniger als ein reitz-
barer Schenkel. (Carlisle a. a. O.)
Halleri Disp. anat. select. Vol. II. p. 326.
von den empfindlichen u. reitzbaren Theilen des
menschl. K. Leipz. 1756.
pellier. 1778. p. 72.
tum. Viteb. 1790. — Journal der Erfindungen u. s. w.
in der Natur- u. Arzneywissensch. St. 3. S. 129.
S. 330.
von G. R. u. L. C. Treviranus. B. 1. S. 138.
186 fg.
p. 247.
auf Haller verweise ich auf dessen Elem. Physiol.
T. II. L. VI. S. 4. §. 8. p. 330. — T. IV. L. X. S. 5.
§. 38 sq. p. 171.
p. 545.
et Boyfr. T. XVII. A. 1809. Juin.
Seidenraupe eine fortdauernde, oscillirende Bewe-
gung, die blos durch Zerreiſsung, nicht aber durch
Zerschneidung jenes Organs geschwächt oder aufge-
hoben wurde. (Comm. Bonon. T. V. P. 2. Opusc. p.
61 sq.) Aber hing vielleicht das Rückenmark noch
mit den Bauchmuskeln zusammen, und rührten etwa
hier-
gung und als chemischer Proceſs. Breslau. 1813. S. 99.
nie bey Insekten etwas Aehnliches vorgekommen.
Sekunde. (Philos. Transact. Y. 1810.)
tingae. 1760.
p. 322. — Buffon Hist. nat. Quadr. T. VI. p. 69 der
Octav-Ausg.
eine, von Pott gemachte, merkwürdige Beobachtung
über die Lebenstenacität der Fritillaria regia. Eine
noch auffallendere Erscheinung habe ich am Sedum
Telephium bemerkt. Ein frisches Exemplar dieser
Pflanze, das zum Einlegen ins Herbarium mehrere
Minuten in kochendem Wasser gehalten und dann
vierzehn Tage unter der Presse gewesen war, hatte
nach Verlauf dieser Zeit einen Stengel von der Länge
eines halben Zolls mit Blättern getrieben.
von zwey Eidechsen, die in einem Kreidefelsen 15
Fuſs tief unter der Oberfläche zu Elden in Suffolk
entdeckt wurden, finden sich in Tilloch’s Philos.
Magazine. Y. 1816. Decbr. p. 469. Die beyden Thiere
schienen anfangs völlig leblos zu seyn. Nach und
nach fingen sie an, Zeichen von Leben zu äuſsern,
besonders nachdem sie in die Sonne gelegt waren.
Beyden war der Mund durch eine klebrige Materie
verschlossen, wodurch sie am Athemholen verbin-
dert wurden, und die ihnen sehr beschwerlich zu
seyn schien. Die eine Eidechse wurde in Wasser ge-
setzt, die andere auf dem Trocknen gelassen. Jener
gelang es, sich von der klebrigen Substanz zu be-
freyen, worauf sie mehrere Wochen lebte, endlich
aber entkam. Die andere starb in der folgenden
Nacht.
anim, et végétale. Traduits par Sennebier. T. I. p. 55.
comp. inter anim. calidi et frigidi sanguinis. p. XIX.
(Mém. de l’Acad. des sc. de Paris. A. 1729. p. 200 der
Octav-Ausg.), von der Rana arborea Blumenbach
(A. a. O. p. XXI.)
bersetzung von Vaillant’s neuer Reise in das Innere
von Afrika, B. 1.) sahe eine kleine Schlange in einem
Glase voll Weingeist, dessen Stöpsel diesen dicht be-
rührte, drey Tage leben.
mento. p. 102.
p. 96.
Fay a. a. O. S. 200.)
450. — Blumenbach a. a. O. p. XXI. — Ich habe
bey einer Lacerta agilis, der ich alle Eingeweide bis
auf das Herz ausgenommen hatte, dieses nach drey
Tagen noch reitzbar gefunden.
a Societ. litter. editarum. Scient. natur. T. I. p. 377
sq. und Ploucquet Litteratura medic. digest. T. IV.
p. 216. 314.
et phys. p. 78.
Tentamina experim. natural. captor. in Acad. del Ci-
mento. p. 98. — Réaumur Mém. pour. servir à l’Hist.
des Ins. T. I. Mém. 2. — Hausmann de animal. ex-
sang. respir. p. 9.
p. 106. — Corradori, Opuscoli scelti sulle scienze
etc. T. XX. p. 204.
169.
T. II. p. 309.
u. Nat. Gesch. B. 1. St. 1. S. 184.
p. 78.
B. 1. S. 577. — Nach Hartig sollen männliche Thiere
auch zur Brunstzeit ein zäheres Leben als sonst ha-
ben. (Magazin der Gesellsch. naturf. Freunde zu
Berlin. J. VII. Q. 1. S. 77.) Er führt indeſs nur Ein
Beyspiel von einem Hirsch an, das vielleicht eine
andere Erklärung zuläſst. Bey Amphibien erinnere
ich mich nicht, die Dauer der Reitzbarkeit zur Zeit
der Paarung gröſser als in andern Perioden gefunden
zu haben.
les organes musculaires de l’homme et des animaux
à sang rouge. Paris. An 11. — Tiedemann a. a. O.
S. 574. — J. F. Meckel’s Handb. der menschl. Ana-
tomie. B. 1. S. 504.
Phys. T. IV. L. XI. S. 2. §. 11. p. 463.
S. 3 fg.
S. 225.
kunde. J. 1815. St. 3. S. 59.
(Elem. Phys. T. IV. L. XI. S. 3. §. 19. p. 544.) gesam-
melt.
ence lately discovered by Mr. Galvani. p. 122.
In Halleri Disput. anat. select. Vol. III. p. 426.
sur le principe de la vie. p. 318.
trägen für die Zergliederungskunst. B. 1. II. 1. S. 30.
prossima della contrazione muscolare.
die eine Zeit lang in einer Kälte unter dem Gefrier-
punkt gelegen hatten, noch reitzbar, indem Blut von
denselben Fröschen, welches eben so lange in der
nehmlichen Temperatur gestanden hatte, unterdeſs
geronnen war. Er glaubt, daſs ein Gerinnen auch
bey dem Blut in den Gefäſsen habe eintreten müssen,
und daſs also die Reitzbarkeit der Muskeln noch fort-
dauere, wenn schon das Blut in den Gefäſsen coagu-
lirt ist. Dieser Schluſs ist aber unrichtig. In den
Gefäſsen verhält sich das Blut ganz anders als auſser-
halb denselben. Auch wird das Gerinnen durch Kälte
mehr zurückgehalten, als befördert.
Einfluſs der Nerven stritten vorzüglich
Haller (El. Physiol. T. IV. L. XI. S. 2. §. 10. p.
457. — Opp. min. T. I. p. 434. 482.),
Fontana (Beobacht. u. Versuche über die Natur
der
S. 63.),
Metzger (Exercitat. academ. p. 157. — Ueber Ir-
ritabilität u. Sensibilität als Lebensprincipien in der
organisirten Natur. Königsberg. 1794.),
Sömmerring (Muskellehre. S. 29. §. 44.),
Behrends (Diss. qua demonstr. Cor nervis carere.
Mogunt. 1792. In Ludwioii script. neurol. min. T.
III. p. 13.),
und Bichat (Recherches physiol. sur la vie et la
mort. p. 388. §. 1.).
Die Hauptgegner dieser Lehre waren
Whytt (Essay on vital and other involuntary mo-
tions of animals. Edinb. 1751. — Physiological Es-
says. Edinb. 1755.),
A. Monro (Ueber die Struktur und Verrichtungen
des Nervensystems. S. 67.),
Unzer (Erste Gründe einer Physiologie u. s. w. S.
378.),
Hebenstreit (In Fontana’s angeführtem Werk.
S. 265.),
Prochaska (Opp. minora. T. II. p. 90.),
Platner (Quaest. physiolog. p. 103.),
J. U. G. Schäffer (Ueber Sensibilität, als Lebens-
princip in der organisirten Natur. Frankf. a. M. 1793.
— Vertheidigung einiger Sätze in seiner Schrift über
Lebensprincip u. s. w. Ebendas. 1795.),
Reil (in Gautier’s Diss. de irritabilitatis notione,
natura et morbis. Halae. 1793.).
Scarpa
diacorum nervorum.)
Kielmeyer und Pfaff (Ueber thierische Elektrici-
tät und Reitzbarkeit. S. 236.)
Le Gallois (Expér. sur le principe de la vie.) und
Percy (Ebendas. p. 252.)
Chemistry. p. 24.
1766.
p. 75.
der Physik. B. VI. S. 391. — Dessen Experiments
on animal electricity. p. 15. — Volta in den Schrif-
ten über die thierische Elektrieität, herausgegeben von
Mayer. S. 140. — Behrends Diss. qua demonstr.
Cor nervis carere. p. 21. In Ludwioii Script. neurol.
T. III. — Die Richtigkeit der Beobachtungen Fow-
ler’s, Pfaff’s und Humboldt’s, daſs Reitzung der
Herznerven durch den Galvanischen Reitz Reaktionen
des Herzens bewirkt, ist mir, wie ich schon in der
eben angeführten Stelle der Biologie erinnert habe,
zweifelhaft. Wenn aber auch bey den Versuchen die-
ser Schriftsteller keine Täuschung statt gefunden hat,
so traten doch die von ihnen wahrgenommenen Be-
wegungen des Herzens blos bey Fröschen ein, an
deren Herznerven es keine Ganglien giebt und von
welchen sich daher nicht auf die warmblütigen Thie-
re unbedingt schlieſsen läſst.
312.
Inhalts von G. R. u. L. C. Treviranus. B. 1. S. 103
fg. — Philip. Philos. Transact. Y. 1815. p. 63. 424.
Physiol. B. XII. S. 23. 35.
que. Paris. 1811.
von G. R. u. L. C. Treviranus. B. 1. S. 109. — Phi-
lip a. a. O. p. 443.
Theorie der Ernährung” zu lesen ist: “Folgende
„Theorie der Gerinnung des Bluts.”
mistry.
1. S. 137.
und Arzneywissensch. B. 1. St. 1. S. 17.
ses Gesetzes. Allein schon vor ihm war es von Bar-
thez (Nouveaux Eléments de la science de l’homme.
à Montpellier. 1778. p. 62.) und Hebenstreit (In
dessen Anhang zu Gardiner’s Untersuchungen über
die Natur thierischer Körper. Leipz. 1786. S. 297.)
aufgestellt. Blumenbach (De vi vitali sanguinis
neganda) will dasselbe auch schon bey dem Englän-
der Blane gefunden haben.
nismus den Lebensproceſs in dem Thierreich begleite.
Weimar. 1798.
u. Arzneywissensch. B. IV. St. 3. S. 3.
nismus. B. II. St. 3 u. 4. S. 65.
auch hier eine geringe Verschiedenheit zugegen ist,
und daſs Swammerdamm (Biblia Nat. T.I. p.498.)
und J. F. Meckel (In seinen Zusätzen zu Cuvier’s
Vorlesungen über vergl. Anatomie. B.2. S.49.), die
graue und weiſse Substanz in dem Gehirn und den
Nervenknoten einiger Insekten wahrgenommen zu ha-
ben glaubten, sich getäuscht haben.
IV. p.78.
Archiv f. d. Physiol. B. X. S. 163 fg.
halts. Von G. R. u. L. C. Treviranus. B. 1. S. 128 fg.
versar. anat. V.
rol. T. I.
60 fg.
cerebri. Halae. 1812. §.57. In Reil’s u. Autenrieth’s
Archiv für die Physiol. B. XI. S.72.
Jahrg. VII. Q.3. S.223.
1815. Mai. p.70.
kus. B.I. S.94.
Bauchstrangs der niedern Thiere schon in meiner,
am 6ten Januar 1816 erschienenen Recension des 1ten
Theils von Gall’s und Spurzheim’s Anatomie et
Physiologie du Systême nerveux in den Göttingischen
gelehrten Anzeigen (St. 4. S. 29.) bekannt gemacht.
Herrn E. H. Weber, der sie jetzt (anderthalb Jahre
nach der Erscheinung meiner Anzeige) in seiner Ana-
tomia comparata nervi sympathici (Lipsiae. 1817. p.
95.) als die seinige vorträgt, ist vielleicht jene An-
zeige nicht bekannt geworden.
niden. Tab.V. Fig.45. — Vermischte Schriften, von
G. R. u. L. C. Treviranus. B.1. Tab.IV. Fig.24.
H. 1. S. 103.
nus. B. 2. H. 1. Tab. IV. Fig. 3.
nen Beyträgen zur vergl. Anatomie (B. 2. H. 2. S.
85 fg.) gesammelt.
1815. p. 195.
nus. B. 2. H. 1. Tab. VII. Fig. 2. 5.
ler’s Elementis Physiologiae (T. IV. L. X. S. 7. §. 1.
p. 269. §. 24. p. 322. §. 26. p. 324.), worauf ich bey
allen, schon durch frühere Erfahrungen ausgemach-
ten Lehren verweisen werde.
Th. 1. Abth. 1. S. 238.
323 sq.
S. 482.
Physiologische Fragmente, von G. R. Treviranus.
Th. 1.
1700. p. 252 der Ausg. in 8.
B. 1. S. 441.
der thierischen Körper. Uebers. von Hebenstreit.
S. 201. — Dessen Abhandl. über das Viperngift. S.
59 fg. — Blumenbach’s Handb. der Nat. Gesch.
3te Ausg. S. 518. — Du Trochet, Annales du Mu-
séum d’Hist. nat. T. XIX. p. 361.
151. — F. Muck dissert. de ganglio ophthalmico et
nervis ciliaribus. Landshuti. 1815. p. 84.
11. 12.
teratur. Herausgegeben von Harles u. Ritter. B.
V. St. 2. S. 41.
J. 1816. St. 2. S. 50.
veux. T. I. p. 37. — Stieglitz über den thierischen
Magnetismus. S. 504 fg.
the med. and chirurg. Society of London. Vol. III.
p. 151.
thierischer Körper. S. 240. — Ebendesselben Abhandl.
über das Viperngift. S. 435. 441.
Egelarten. S. 19. — Pfaft über thierische Elektri-
cität u. Reitzbarkeit. S 116, 117.
Shrewsbury. 1771. — Philos. Transact. Y. 1764. p.
177. Y. 1767. p. 118. 120. Y. 1770. p. 30.
neurol. min. T. I. p. 27.
eiusque processus vitalis. p. 83.
Dictionaire des sciences médicales par une Societé
de médesins et de chirurgiens. Art. Coeur. p. 461.
kräfte. Aus d. Franz, übers. von Schütz. Th. 2. S.
62. — Reimarus im Götting. Magazin der Wissensch.
u. Litteratur, von Lichtenberg u. Forster. Jahrg.
1. St. 6. S. 381. — Scheidemantel’s Beytr. zur Arz-
neyk. Abth. 2. S. 324. — F. Nicolai in der Berliner
Monatschrift.
1. Abth. 1. S. 18 fg. — Vor E. Darwin sind diese
Farbenbilder schon von D’Arcy (Mém. de l’Acad.
des sc. de Paris. A. 1743. p. 215), Jurin (in Smith’s
Optik), Aepinus (Nov. Comment. Petropol. T. V.
p. 10.), Buffon (Hist. de l’Acad. des sc. de Paris.
A. 1767.), Beguelin (Mém. de l’Acad. des sc. de
Berlin. A. 1771.), Godart (In Rozier’s Observat.
sur la Physique etc. A. 1776. Juillet, Octobre, No-
vembre.) und R. W. Darwin (Philos. Transact.
Y. 1786. p. 313.) untersucht worden.
Amerikanischen Gifte u. s. w. Aus d. Franz. übers.
Berlin. 1787.
für Natur- u. Arzneywissensch. B. 1. St. 1. S. 17.
Upas tieuté, présentée et soutenue à la Faculté de
Médecine de Paris le 6 Juillet 1809 par R. Delille.
162. — Hufeland’s u. Harles’s Journal der prakt.
Heilkunde. J. 1815. St. 3. S. 3. — Meckel’s Archiv
f. d. Physiologie. B. 1. S. 176.
experim, et ratiocinia quaedam de effectibus illius.
Tubingae. 1815.
u. Arzneywissensch. B. 1. St. 3. S. 535. — B. 2. St. 1.
S. 119. St. 3. S. 630. 652. — B. 3. St. 2. S. 91.
die Mém. sur le vomissement. p. 16. 30. — Idem
de l’influence de l’émétique sur l’homme et les ani-
maux. p. 35. — Brodie, Philos. Transact. Y. 1812.
p. 218. 221.
B. 1. St. 3. S. 543.
Gehlen’s Journal f. d. Chemie. B. 6. S. 289 fg. —
Brodie a. a. O. p. 209.
L. 25. S. 1. §. 4. p. 207.
Chemie. B. IV. J. 1805. S. 120.
vétérinaire à Lyon. 1809.
S. 213.
1779. — Mehrere ähnliche Beobachtungen sind schon
im 4ten Band der Biologie (S. 498.) angeführt wor-
den.
lymphatica. Lugd. Bat. 1795.
P. I. Paris. 1813. p. 138.) fand unter mehr als drey-
hundert, von ihm magnetisirten Personen nur zwölf,
welche merkwürdige Erscheinungen des Schlafwan-
delns zeigten.
p. 115.
sätze auf Galvanische Polaritäten zurück. Diese Mei-
nung läſst sich schwerlich vertheidigen. Allein daſs
bey
zwischen den eigentlichen Sinnesnerven und den
Hülfsnerven eintreten, ist allerdings von ihm be-
wiesen worden.
dical observat. and inquiries by a Society of phy-
sicians, Vol. I, no. 20, und bey Brandis (Ueber
die Lebenskraft. S. 156.)
tis. p. 348. — Metzger’s verm. med. Schriften. B. 3.
S. 110.
nehmungen. S. 502 fg.
Génève. 1813.
tin, Abhandl. der Schwed. Akad. der Wissensch.
J. 1777. S. 3. 101. — Wienholt’s Heilkraft des thie-
rischen Magnetismus. Th. 3. Abth. 1. S. 100 fg. —
Comstock, London med. and physical Journ. Sept.
1808.
Vorlesungen über den natürlichen Somnambulismus
(A. a. O. Th. 3. Abth. 1.), wo für denselben sehr
triftige Gründe angeführt sind. In vielen Fällen,
besonders in denen, die Martin gesammelt hat,
scheinen zwar nach dem Verlust eines Sinns die übri-
gen blos innerhalb ihrer Sphäre erhöhet worden zu
seyn. Daſs dies aber immer der Fall sey und nie
ein Sinn aus seinem Gebiet heraustrete, kann ich
nicht mit Stieglitz (Ueber den thierischen Magne-
tismus. S. 593.) annehmen.
Arzneyk. H. 2. S. 192.
S. 134 fg.
s. w. Substanzen. Forts. 4. S. 175: “Bemerkenswerth
„ist die ungemein groſse Analogie, welche in Rück-
„sicht der Fischmilch und des Hirnmarks statt fin-
„det.”
p. 164.
Nicht so bekannt ist es, daſs, nach der Erzählung
des Jesuiten Dos Santos, im Caffernlande manche
Männer eben so gut wie Weiber ihre Kinder säu-
gen. Histoire de l’Aethiopie Orientale, composée
en Portugais par le R. Pere Jean dos Santos, et
traduite en Français par le R. P. D. Gaetan Charpy.
A Paris 1684. — Bayle Nouvelles de la Republ, des
lettres. T. 3. p. 1162.
Philos. Transact. Y. 1814. P.I.
hirns, der Nerven und einige Krankheiten derselben.
S. 186.
de Lyon. An VI. p. 387.
schen Akad. der Wissensch. f. d. J. 1812 u. 1813.
S. 219.
S. 240 fg. — Zu einer dieser Classen lassen sich
alle, von Reimarus (Ueber die Triebe der Thiere.
3te Aufl. S. 140 fg.) aufgezählte Arten bringen.
XXXVI. Fig. 10.
Diemens-Cap auf Neuholland eine Art Meerschild-
kröten, deren Jungen von gewissen Vögeln, die
Flinders Trappen nennt, verzehrt werden, von ei-
nem wunderbaren Instinkt getrieben, gleich, nach-
dem sie dem Ey entschlüpft waren, eiligst und in
der geradesten Richtung dem Meere zulaufen, als
wüſsten sie, daſs die Trappen ihnen nachstellten.
Wenn Flinders und seine Begleiter sie in einer,
von der See abgewandten Richtung niedersetzten, so
dreheten sie sich um und nahmen den kürzesten Weg
nach dem Meere. (M. Flinders’s Reise nach dem
Austral-Lande. Uebers. von Götze. Weimar. 1816.
S. 391.) Hier ist offenbar nichts Erlerntes. Daſs es
aber auch Handlungen selbst der kleinsten Thiere
giebt, die auf Erfahrungen beruhen, ist freylich eben
so gewiſs. Auf den Pellew-Inseln im Carpentaria-
Busen von Neuholland giebt es eine Art schwarzer
Fliegen, die anfangs, als Flinders diese Inseln zu-
erst besuchte, sich mit der nehmlichen Sorglosigkeit
auf jeden Theil des Körpers der Engländer wie auf
einen Baum setzten, nach einigen Tagen aber eben
so scheu wie die Europäischen Fliegen wurden.
(Flinders a. a. O. S. 405.)
Roche’s Zergliederung der Verrichtungen des Ner-
vensystems. Uebers. von Merzdorf. Th. 2.
S. 172 fg.
findet man in F. Cuvier’s Observat. sur les chiens
de la Nouvelle-Hollande, précedées de quelques re-
flexions sur les facultés morales des animaux. (An-
nales du Muséum d’Hist. nat. T. XI. p. 458.)
über die verschiedenen Sitten der Wespen und Amei-
sen in verschiedenen Gegenden sagt.
sectes. p. 84.
Osiander über die Entwickelungskrankheiten in den
Blüthen-Jahren des weibl. Geschlechts. Göttingen.
1817.
Ed. 2. p. 106.
S. 366. Im Berlin. Magazin von merkwürdigen neuen
Reisebeschreibungen. B. 20.
p. 271.
2de édit. (Paris. 1814.) p. 95. 99. 103.
B. 1. S. 211 fg.
Metallen auf Schlafende, in dessen Heilkraft des thie-
rischen Magnetismus. Th. 3. Abth. 1. S. 233 fg.
113. — Reil de structura nervorum. Cap. VIII. p. 28.
der physikal. Klasse der Königl. Preuſsischen Akad.
d. Wissensch. f. d. J. 1812-13.
à mesure que la similitude des organes avec les nô-
tres, diminue; mais elle est toujours très-forte,
même pour les insectes. En voyant ceux d’une
même espèce, exécuter des choses fort compliquées,
exactement de la même manière, de générations en
générations, et sans les avoir apprises; on est porté
à croire qu’ils agissent par une sorte d’affinité, ana-
logue à celle qui rapproche les molécules des cri-
staux, mais qui se mêlant au sentiment attaché à
toute organisation animale, produit avec la régularité
des combinaisons chimiques, des comhinaisons beau-
coup plus singulières: on pourroit peut-être nommer
affinité animale, ce mélange des affinités électi-
ves et du sentiment. (La Place a. a. O. p. 173.)
non modo valde obscura est, sed etiam adeo difficilis
demonstratu, ut in universa Anatome haud sciam
aliud quidpiam aeque absconditum reperiri. Fateor,
isrius motus ratio in aliis quidem animalibus pa-
riter obvoluta tenebris latet: at vero in rana penitus
inexplicabilis est. (Swammerdammii Biblia Nat.
T. II. p. 802.)
land’s Journal der praktischen Heilk. (B. 12. St. 1.)
erzählte. Ein junges Mädchen wurde in der Berliner
Charité von Zuckungen befallen. Vierzehn anwe-
sende weibliche Personen, auf welche der Schreck
von diesem Anblick wirkte, bekamen ähnliche Zu-
fälle.
Wallis eine ausgezeichnete Fertigkeit im Nachahmen
der Bewegungen Anderer. (Turnbull’s Reise um
die Welt, im Berlin. Magazin der Reisebeschreibun-
gen. B. 27. S. 32.
Uebers. von Bode. B. 1. S. 176.
S. 61. — Reise nach dem nördl. Amerika. B. 2. Gör-
tingen. 1764. S. 457 fg.
tenberg u. Forster. Jahrg. 4. St. 1. S. 114 fg.
der Reisebeschreibungen. B. 10.
Afrika. Mit Anmerk. von J. R. Forster. B. 1. Im
Berlin. Mag. der Reisebeschr. B. 12.
u. 1798. A. d. Engl. Leipzig. 1801. S. 174.
Uebersetzung von B. S. Barton’s Abhandl. über die
vermeinte Zauberkraft der Klapperschlange u. s. w.
Leipzig. 1798.
S. 115.) mehrere anführt.
handl. der Schwed. Akad. J. 1753. S. 63.) Die letz-
tere hat Barton in seiner angeführten, sehr ober-
flächlichen Schrift, nicht nur ohne Nennung des
wackern Kalm als ihren Urhebers, sondern selbst
mit Herabsetzung desselben, weiter ausgeführt.
per. Uebers. von Hebenstreit. S. 192, 198. — Ab-
handl. über das Viperngift. S. 55 der Deutschen Uebers.
Th. 3. S. 1 fg.
1815. St. 8. S. 38.
Einige ähnliche Beobachtungen Klein’s findet man in
Siebold’s Journal f. d. Geburtshülfe. B. 1. H. 2.
IX. p. 323.
cellen. Herausgegeben von Scherf. (Bremen. 1807.)
S. 19 fg.
Jahrg. 4. S. 287.
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- Zitationsvorschlag für diese Edition
- TextGrid Repository (2025). Treviranus, Gottfried Reinhold. Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). https://hdl.handle.net/21.11113/4bqf8.0