MJLCH/
Oder
Der Erklaͤrung des Chriſt-
lichen
Catechiſmi
Das Fůnffte Hauptſtuck/ von
dem Sacrament des Heiligen
Abendmahls/
Zu Straßburg im Muͤnſter geprediget
Bey Johann Friederich Spoor.
M DC LXXII.
[][]DEDICATIO
Dem Hoch- und Wolgebohrnen
Grafen und Herꝛn/
HERRN
Caꝛl Luͤdwig
Des Heil. Roͤm. Reichs Erb-Schatzmei-
ſtern/ Grafen und Herꝛn von Sintzendorff/
Freyherꝛn auff Ernßbrunn/ Herꝛn der Herꝛſchaff-
ten Fridau/ Nennerſtorff/ Gattmanſtorff und
Rabenſtein an der Piellach/ Erbſchencken
in Oeſterreich ob der Enß ꝛc.
Meinem Gnaͤdigen Grafen
und Herꝛn!
):( ijHoch-
[]DEDICATIO
Hoch- und Wolgebohrner Graf/
Gnaͤdiger Graf und Herꝛ.
KOmmet/ zehret von meinem Brod/
und trincket des Weins/ den ich
ſchencke: Alſo ſchrieb vor Zeiten/ und
noch/ die unerſchaffene Weißheit GOt-
tes/ durch die Hand und Feder Salomo-
nis/ an alle und jede Albere/ ſie zur geiſt-
lichen und him̃liſchen Mahlzeit einzuladen. Prov. IX, 5. die
jenige Weißheit/ welche bey GOtt ihrem Vater gewe-
ſen/ da Er die Himmel bereitet/ und die Tieffe mit
ſeinem Ziel gefaſſet; da Er die Wolcken droben
feſtet/ da Er feſtiget die Brunnen der Tieffen/ da
Er dem Meer das Ziel ſetzet/ und den Waſſern/
daß ſie nicht uͤbergehen ſeinen Befehl: da Er den
Grund der Erden leget; da war Sie der Werck-
meiſter bey Jhm: wie ſie ſelbſten ſich dazu bekennet
c. VIII, 27. die Weißheit/ durch welche dem erſchaffenen
Menſchen gegeben wurde allerley Kraut/ das ſich
beſaamet auff der gantzen Erden/ und allerley
fruchtbare Baͤume/ und Baͤume die ſich beſaa-
men zu ſeiner Speiſe/Geneſ. I, 29. Nicht allein aber
Kraut und Obs/ ſondern auch Fleiſch; in dem ſie ihme
alles/ was ſich reget und lebet unter Thieren auff
Erden/ Voͤglen unter dem Himmel/ Fiſchen im
Meer/
[]DEDICATIO.
Meer/ zu ſeiner Speiſe gegeben/ gleichwie das
gruͤne Kraut/Gen. IX, 2. 3. Die jenige Weißheit/ wel-
che das Volck Jſrael in der hungerigen und durſtigen
Wuͤſten mit wunderſamer Speiß und Tranck/ als einem
reichen Zehr-Pfenning/ ſtattlich verſehen. Sie baten/
ſchreibt David Pſalm. CV, 40. 41. ſo ließ er Wachteln
kommen/ und er ſaͤttiget ſie mit Himmel-Brod/
er oͤffnet den Felſen/ da floſſe Waſſer auß/ daß
Baͤche lieffen in der duͤrren Wuͤſten. Die Weiß-
heit/ welche als eine liebreiche Mutter auch uns/ ihre Kin-
der/ noch heutiges Tages mildiglich mit Speiß und
Tranck verſiehet; und hertzlich erfreuet:Actor. XIV, 17.
Aller Augen warten auff Sie/ als die Augen der
Knechte auff den Herꝛn: dann ſie iſt ein Herꝛ: und ſe-
hen ihr in die Haͤnde/ damit ſie ihnen ihre Speiſe gibt zu
rechter Zeit/ und ſaͤttiget alles/ was da lebt mit Wolge-
fallen; Pſalm. CXLV, 15. 16.
Dieſe Weißheit nun iſts/ welche die geiſtliche hunge-
rige und durſtige Seele des Menſchen auch mit geiſtli-
cher und himmliſcher Speiſe und Tranck erfuͤllet. Wir
Menſchen ſind von unſerer verderbten Natur fern von
GOtt/ als welchen wir durch die Suͤnde von uns ge-
ſchieden/ Jeſ. LIX, 2. und wallen in dieſem Jammerthal/
als die Banditen in einer Wuͤſten/ da es fuͤr Hunger und
Durſt heulet:Deut. XXXII, 10. Es bemuͤhet ſich zwar
die unwidergebohrne Vernunfft Lebens-Mittel an die
Hand zu ſchaffen/ wil auß Steinen Brod machen/ und
in Ciſternen Waſſer ſuchen/ Jer. II, 13. Die hungerigen
und durſtigen Seelen zu ſaͤttigen/ und zu erquicken/ aber
es mundet dem Gewiſſen nicht/ bekommet ihm auch nicht/
wie es von noͤthen iſt: dann es ſchmaͤcket und ſtincket nach
der unfruchtbarn Erden: Phil. III, 19. Darum ziehet ſich
der Liebhaber des Lebens/ Sap. XI, 27. GOttes lieber
):( iijSohn/
[]DEDICATIO.
Sohn/ ſolchen Jam̃er zu Hertzen: Schlachtet ſein Viehe/
traͤgt Wein auff/ bereitet den Tiſch/ 1. c. ſeine Gnaden-
Mittel/ Wort und Sacramenten/ ſendet Lehrer und
Prediger/ als Diener/ Luc. XIV, 17. und Hochzeit-Bitter
Matth. XXII, 2. auß/ welche hie und da außgehen/ wo Men-
ſchen wohnen/ und im Nahmen ihres Herꝛn/ des groſſen
Koͤnigs und Menſchen-Freunds/ freund-ernſtlich einla-
den/ und ſprechen: Kommet/ zehret von meinem Brod/
und trincket des Weins/ den ich ſchencke! O unverhoffte
und unverdiente Freundlichkeit/ und Leutſeligkeit GOt-
tes gegen uns! Wir ſolten ihm/ in hertzlicher Reu geklei-
det/ entgegen gehen/ und mit gebogenen Knien Gnade
ſuchen/ ſo gehet Er mit unverdroſſenem Fleiß uns nach:
Wir haben mit unſern Suͤnden verdienet das ewige Diſce-
dite:Weichet von mir ihr Vbelthaͤter!Matth.
XXV, 41. ſo heiſſet es: Kommet: Kommet/ nicht zu ei-
nem erzoͤrnten Richter/ ſondern verſoͤhnten Vater; nicht
zum ſchroͤcklichen Tode/ ſondern zum erfreulichen Leben;
nicht zur leeren Hunger-Grub/ ſondern zur niedlichen
Mahlzeit; Einen/ auß gutem Hertzen/ zur Koͤniglichen
Mahlzeit beruffen laſſen/ iſt ein bewaͤhrtes Zeichen der
Verſoͤhnung und ſonderlichen Gnade: Jener oberſte
Schencke wurde des beſchwerlichen Kerckers entledigt/
erhielt ſein Leben/ als er zur Koͤniglichen Tafel geladen
wurde/ nur einzuſchencken/ Geneſ. XL, 21. Wieviel mehr
werden die Gnade erlangt haben/ welche zur geiſtlichen
Gnaden-Mahlzeit GOttes von ihme ſelbſten eingeladen
und zugelaſſen werden/ daß ſie daran ſelbſt mit zu Tiſche
ſitzen/ eſſen/ trincken/ truncken werden von den reichen
Guͤtern ſeines Hauſes/ Pſal. XXXVI, 9. und fuͤr froͤlichem
Muth jauchtzen/ Jeſ. LXV, 14. Bey groſſen Herren iſt
es zwar nicht immerdar gut und ſicher bey der Tafel zu
erſcheinen/ und zu eſſen des Brods/ und zu trincken des
Weins/
[]DEDICATIO.
Weins/ welcher auffgeſetzet wird: Wenn du ſitzeſt/ und
iſſeſt mit einem Herꝛn/ ſo mercke/ wen du fuͤr dir
haſt: und ſetze ein Meſſer an deine Kehle: wiltu
das Leben behalten/ wuͤnſche dir nicht ſeiner
Speiſe/ denn es iſt falſch Brod! vermahnet und
warnet Salomo der weiſſeſte Koͤnig unter den menſchli-
chen/ Prov. XXIII, 1. 2. 3. Es waͤre Haman beſſer geweſen/
Eſther die Koͤnigin haͤtte durch ihren Kaͤmmerer ihne zu
ihrer Mahlzeit nicht einladen/ noch ſagen laſſen: Kom-
me/ zehre von meinem Brod/ und trincke des Weins/ den
ich ſchencke; dann unter ſolchem Brod war ein ſpitziger
Angel/ der Anklag/ darin er behangen blieben/ und ein
toͤdtliches Gifft/ des Koͤnigs-Zorn/ welches ihm ſein Le-
ben abgekuͤrtzet/ Eſth. c. VII, 3. \& ſeqq. verborgen/ ſelig
aber iſt der/ welcher das Brod iſſet in GOttes
Gnaden- und Himmel-Reich!Luc. XIV, 15. Dann er
begehret nicht den Tod des Suͤnders und Gottloſen;
ſondern wil/ daß er ſich bekehre und lebe! Ezech. XXXIII, 9.
Darum ſo kommet alle/ die ihr hungerig und durſtig ſeyd/
zehret von meinem Brod/ und trincket des Weins/ den
ich euch ſchencke/ ſo werdet ihr leben!
Jſt die jenige freundliche Einiadung/ welche ſich der
HErꝛ JEſus/ unſer Heyland/ auch bey der Abend-
Mahlzeit ſeines Leibes und Blutes allergnaͤdigſt gefallen
laſſen. Es war ſeiner unerſchoͤpfflichen Guͤte nicht gnug/
daß er uns mit leiblicher Speiß und Tranck verpfleget;
Auch nicht/ daß er ſein Leib und Blut dem Glauben zu
genieſſen vorgeſetzet/ mit angehengter Verheiſſung: Wer
mein Fleiſch iſſet/ und trincket mein Blut/ der hat
das ewige Leben/ und ich werde ihn am Juͤngſten
Tag aufferwecken.Joh. VI, 54. ſondern ſie wolte uns
auch ſeyn/ des unſchuldigen Laͤmmleins GOttes/ Leib
und Blut gar muͤndlich/ doch Sacramentlich/ zu eſſen
und
[]DEDICATIO.
und zu trincken vorſetzen. Dann als es nun an dem war/
daß es ſolte auffgeopffert und geſchlachtet werden/ hat er
ſelbſten/ als der ewige Hoheprieſter eine Gnadenreiche
Opffer-Mahlzeit zubereiten wollen/ dabey die Speiſe und
der Tranck ſolte ſeyn die alleredelſte Creatur/ welche im
Himmel und Erden anzutreffen/ ſein Leib und ſein Blut/
welche er in die Selbſtaͤndigkeit ſeines Goͤttlichen We-
ſens auffgenommen/ in welchem die allerheiligſte Gott-
heit mit aller ihrer Fuͤlle leibhafftig wohnete; der Leib/
welchen er geben wolte fuͤr das Leben der Welt/ das
Blut/ welches er vergieſſen wolte zur Vergebung aller
ihrer Suͤnden/ auß dem Leib ſolte werden eine Hertzſtaͤr-
ckung/ welche uns hungerige Pilgrim ewig ſaͤttigte/ und
auß dem Blut ein Lab-Tranck/ welcher unſere troſtloſe
Gewiſſen hertzlich erfreuete/ beydes zum geiſtlichen und
ewigen Leben.
Die andaͤchtigen und Gottſeligen alten Kirchenleh-
rer habenihre heilige Gedancken uͤber dieſer Geheimnuß-
reichen Mahlzeit vielfaͤltig gehabt: der heroiſche Maͤrty-
rer Ignatius, nennet in ſeinem Brieff an die Epheſier ge-
ſchrieben/ das H. Abendmahl ϕάρμακον ἀϑανασίας, ἀν [...]ίδοτον το [...]
μὴ [...]ποθαν [...]ν, ἀλλὰ ζῆν [...]ν τῷ Θεῷ [...]ιὰ Ἰησ [...] Χρις [...], καϑαρτήριον ἀλεξίκα [...]ν!
ein Mittel der Vnſterblichkeit/ ein bewehrte
Artzeney wider den Tod/ daß man nicht ſterbe/
ſondern lebe in GOtt/ durch JEſum Chriſtum/
eine Reinigung wider alles boͤſe. O wie hertzlich
hat ihn darnach in ſeiner Seelen gehungert und geduͤrſtet!
Als er nun ſolte in den Tod gehen/ und den heiß-hungeri-
gen Loͤwen vorgeworffen werden/ ſchrieb er an die Roͤmer!
Mich geluſtet nach GOttes Brod/ welches iſt
das Fleiſch Chriſti/ des Sohns GOttes/ welcher
in der letſten Zeit auß dem Saamen Abrahams
und Davids iſt Menſch worden; mich duͤrſtet
nach
[]DEDICATIO.
nach ſeinem Blut/ der da iſt die unverweßliche
Liebe/ und das ewige Leben!Irenæus auch ein heili-
ger Maͤrtyrer/ und weyland Biſchoff zu Lyon in Franck-
reich/ gruͤndet ſeine Aufferſtehung auff dieſe Sacrament-
liche Speiß und Tranck: Vnſere Leiber/ ſchreibet er
Lib. IV, c. 34. wenn ſie das H. Abendmahl empfan-
gen/ ſind nun nicht mehr verweßlich/ in dem ſie ei-
ne Hoffnung der Aufferſtehung haben. Erklaͤret
es mit einem anmuthigen Gleichnuß/ genom̃en von einer
Rebe und Weitzenkoͤrnlein/ gleichwie/ ſagt er/ ein Reb-
ſchoß in die Erde eingelegt/ zu ſeiner Zeit wieder
herfuͤr wachſt/ und Trauben traͤgt/ und wie ein
Weitzen-Koͤrnlein/ ſo in die Erde fallet/ und ver-
faulet/ ſich mehret/ und durch die Krafft GOttes
wieder lebendig wird: Alſo werden auch unſere
Leiber mit Chriſti Leib und Blut geſpeiſet und
getraͤncket/ zwar in die Erde geleget/ und auffge-
loͤſet werden; aber zu ſeiner Zeit durch GOttes
Gnade wider aufferſtehen/ dem zu Ehren/ wel-
cher unſern ſterblichen Leib in die Vnſterblichkeit
kleidet.lib. V. c. 4. Zu dieſer Speiſe der Unſterblichkeit/
zu dieſem Tranck des Lebens ladet der Heyland aller
Menſchen noch taͤglich alle die ein/ welche nach der Verge-
bung der Suͤnden/ nach der Vereinigung mit GOtt/
nach der Seelen Seligkeit hungert und durſtet/ ſprechend:
Kommet/ zehret von meinem Brod/ welches iſt eine Ge-
meinſchafft meines Leibes/ und trincket des Weins/ den
ich euch ſchencke/ welcher iſt eine Gemeinſchafft meines
Bluts 1. Cor. X, 16. Und dieſes verrichtet er bey uns durch
Lehrer und Prediger/ als ſeine außgeſandte Knechte/ ſo
muͤndlich/ ſo ſchrifftlich.
Dergleichen getreuer Hochzeit-Bitter und Einlader
iſt auch ohnlaͤngſten geweſen/ der weyland Hoch-Ehr-
):( ):(wuͤrdige/
[]DEDICATIO.
wuͤrdige Großachtbare und Hochgelehrte Herꝛ Johann
Conrad Dannhauer/ der H. Schrifft Doctor, und weit-
beruͤhmte Profeſſor bey Unſerer loͤblichen Straßburgi-
ſchen Univerſitaͤt/ Prediger im Muͤnſter/ Kirchen-Con-
vents Præſes, und Dechant zu St. Thoman/ weyland mein
Hochverdienter Lehrer/ groſſer Befoͤrderer/ getreuer Col-
lega, Hertzgeliebter Vater in Chriſto/ und hoch-geehrter
Herꝛ Gevatter/ nunmehr in Gott ſelig ruhende! Dieſer
theure Mann Gottes/ iſt auch/ und zwar nicht der wenig-
ſten/ einer geweſen von den jenigen Knechten/ welche der
Hochzeit-machende Koͤnig außgeſendet/ die Gaͤſte zum
Hochzeit-Mahl ſeines Sohns zu beruffen. Dann er bald
auff der Schul-Catheder, bald auff der Kirchen-Cantzel
im Namen GOttes ſeines HErꝛn geprediget/ geſchrie-
ben/ geruffen: Kommet/ ſagt der HErꝛ/ zehret von meinem
Brod/ und trincket des Weins/ den ich ſchencke! Eſſet/
aber nicht allein/ wie die ungetreue Haußhalter im Pabſt-
thum lehren/ in dem ſie dem gemeinen Mann den Sacra-
mentlichen Kelch unbarmhertzig verſagen; ſondern eſſet
und trincket/ nicht aber von gemeiner Speiß und Tranck/
wie auff Calvini Tiſch auffgeſetzet wird/ ſondern von dem
Brod/ welches die himmliſche Weißheit Jhr Brod/ und
den Wein/ welchen ſie Jhren Wein/ i. c. durch Paulum
ihren Diener/ 1. Cor. X, 18. eine Gemeinſchafft mit ihrem
Leib und ihrem Blut nennet. Eine ſolche Speiſe und
Tranck hat Er angekuͤndet/ gelehret/ verfochten/ und
mannlich erſtritten. Seine Stimme zwar iſt in der Lufft
verſchwunden/ aber der Buchſtaben ſeiner hinterlaſſenen
Schrifften redet/ bittet/ ladet/ beruffet uns noch taͤglich
zur Mahlzeit.
Wir wollen dieſes gegenwaͤrtige Werck davon reden
und zeugen laſſen/ als in welchem der ſel. Mann von der
geiſtlichen und Sacramentlichen Nieſſung des Leibs und
Bluts
[]DEDICATIO.
Bluts ſeines und unſers Erloͤſers JEſu Chriſti fuͤrtreff-
lich ſchreibet und handelt. Es ſeind bey des lieben Man-
nes Leb-Zeiten allbereit die vier erſten Haupt-Stuͤcke des
Chriſtlichen Catechiſmi/ als vier Stroͤme der lautern
Milch 1. Cor. III, 2. auß ſeinem Mund und Feder reichlich
gefloſſen/ welche viel tauſenden GOtt ergebenen Hertzen
ihren Seelen Hunger und Durſt geſtillet/ und noch taͤg-
lich ſtillen; Derowegen ſie nicht ohne Urſachen ein ſehnli-
ches Verlangen getragen/ daß auch die uͤbrige Theile/
nemlich vom H. Abendmahl/ und Gewalt der Schluͤſſel
moͤchten hinzu gethan werden; Solchem ihrem Chriſtli-
chem Verlangen nun um etwas eine Genuͤge zu thun/ habe
ich/ der ich ſeine Handſchrifften davon unterhanden habe/
mich endlich bewegen laſſen/ durch fleiſſige Abſchrifft eines
dapffern jungen Predigers/ und darauff erfolgten Druck/
auch dieſe Bruͤnnlein/ und zwar fuͤr dieſes mal/ des fuͤnff-
ten Hauptſtuͤckes vom H. Abendmahl/ zu eroͤffnen/ und
offentlich flieſſen zu laſſen. Darinnen dann eine geiſtlich-
hungerige und durſtige Seele verhoffentlich finden wird/
nicht nur allein die Behauptung der reinen Lehr/ unſerer
der Augſpurgiſchen Confeſſion mit Hertz und Mund zuge-
thanen Kirchen/ ihren Seelen-Hunger und Durſt damit
zu ſtillen; ſondern auch die Widerlegung der Widrigen/
welche uns dieſe heilſame Speiſe und Tranck/ ſo viel an
ihnen iſt/ zu verfaͤlſchen/ zu vergifften/ ja wol gar hinweg zu
nem̃en/ ſich freventlich unterſtehen; Damit aber die Suͤſ-
ſigkeit dieſes Geheimnuſſes deſto beſſer gekoſtet/ und de-
ſto begieriger genoſſen wuͤrde/ habe ich noch etwas von des
ſel. Lehrers reliquiis hinzu thun wollen. Nemlich/ und
zwar anfangs/ ſeinen hertzlichen Schwanen-Geſang/ das
iſt/ die geiſtreichen Predigten/ welche er uͤber den XXXIII.
Pſalm Davids/ wiewol nicht voͤllig/ gehalten/ dann als
in Erklaͤrung dieſes Davidiſchen Hirten-Liedes er faſt in
):( ):( ijdie
[]DEDICATIO.
die mitten/ an das finſtere Thal des Todes/ gekommen/
iſt ihme Seele/ Leben/ Athem/ Klang und Geſang durch
einen ſeligen Tod nach Gottes Willen entgangen. So
nun frommer und heiliger Leute letſte Reden bedencklich
ſind/ und auch von GOtt dem H. Geiſt der H. Schrifft
einverleibet worden; Sintemal wir noch leſen koͤnnen die
letſten Worte Jſaacs/ Jacobs/ Moſis/ Davids/ ꝛc. Al-
ſo wird uns niemand verdencken/ daß wir auch die letſte
Wort Unſers ſeligen Dañhauers denen noch Lebenden zur
Lehr und Troſt haben abtrucken laſſen! Den Beſchluß
aber haben wir gemacht mit ſeinen Predigten uͤber das
holdſelige Geſpraͤch/ welches der groſſe Menſchen-Freund
JEſus Chriſtus mit Maria und Martha/ Lazari Schwe-
ſtern/ zu Bethanien gehalten; Dann darin findet ſich der
beſte Theil/ welchen Maria erwehlt/ und dieſer theure
Mann bey ſeinen Lebzeiten/ und hernach in ſeinem ſeligen
Tod/ aller Wolluſt/ Ehr und Reichthum vorgezogen.
Seind die heiligen Reliquien/ welche uns der getreue
Knecht Gottes von der Tafel ſeines HErꝛn JEſu hin-
terlaſſen; Von welchen wir in geſundem Verſtand ſagen
koͤnnen/ was dorten Jud. XIV, 14. Simſon von dem Ho-
nig auß des Loͤwen Rachen gefloſſen: Speiſe gieng
von dem Freſſer/ und Suͤſſigkeit von dem Star-
cken! Dann mir nicht zweiffelt/ wer durch fleiſſige Leſung
und andaͤchtige Betrachtung die Wort dieſes unuͤber-
windlichen Loͤwengenieſſen wird/ er werde in ſeiner See-
len ſchmecken die Suͤſſigkeit/ welche lieblicher als Honig
und Honigſeim!
Daß aber/ Euer Gnaden/ Hochgeborner Graf/
gegenwaͤrtiges Buch/ als einen Einladungs-Brieff zur
Geheimnuß-reichen Mahlzeit Chriſti/ ich dediciren und
unterthaͤnigſt uͤberreichen wollen/ iſt nicht eine/ ſondern
unterſchiedliche und viel Urſachen/ die mich bewogen ha-
ben.
[]DEDICATIO.
ben. Dann nachdem Sie einer loͤblichen Univerſitaͤt all-
hie/ die ſonderbare Gnad und Ehre gethan/ bey Jhrer
Gluͤcklichen Ankunfft in hieſige Stadt/ dero hohen Na-
men in die Matricul einzuverleiben/ habe ich/ dieſer Zeit
Univerſitatis Rector, die Gnade gehabt/ in meiner Behau-
ſung/ dahin Sie ſich freywillig verfuͤget/ Sie mit gebuͤh-
render Reverentz zu empfangen/ und Dero hoch-vernuͤnff-
tige Geſpraͤche mit zugenieſſen/ da ich dann das Hoch-
Graͤffliche Gemuͤth/ und angebohrne fuͤrtreffliche Tugen-
den/ alſobald verſpuͤrt/ mich inniglich daruͤber erfreuet/
und meinem GOtt fuͤr eine ſo hohe Perſon/ und Zierde
unſerer Univerſitaͤt/ ja gantzen Evangeliſchen Kirchen
hertzlich gedancket. Habe nachgehender Zeit die groſſe
Gnade unterſchiedlich gehabt/ mit Jhro in Geſpraͤch zu
kommen: darinnen Sie dann von keinen Welt-Eitelkei-
ten/ wie bey vielen heutiges Tages geſchicht; ſondern
meiſtens von wichtigen und die Religion betreffenden
Sachen ſich zu beſprachen gnaͤdig belieben laſſen.
Dieſe und andere herfuͤrleuchtende und hoͤchſt-ruͤhm-
liche Tugenden/ wie auch die ſonderbare Gnade gegen
mich Unwuͤrdigen haben mich bewogen mit Euer Gnaden
hohen Ehren-Nahmen dieſes Wercclein zu zieren/ und mit
unterthaͤniger Reverentz Jhr ſolches zu uͤberreichen. Sie
hat mir die Gnade gethan/ und mich zur leiblichen Tafel
gnaͤdig eingeladen und abholen laſſen/ ich hingegen er-
ſcheine fuͤr Jhr/ und lade Sie zu einer Sacramentlichen
und geiſtlichen Mahlzeit Jhres und meines Heylandes
JEſu Chriſti. Reiſende Perſonen haben eines Zehr-
Pfennings vonnoͤthen: Weil nun Jhr Gn. jetzt auch auff
der Reiſe begriffen/ wird ſich die heylſame Lehr vom H.
Abendmahl/ als ein heiliger Zehr-Pfenning dazu nicht
uͤbel ſchicken. Eu. Gn. ſeyen demnach unterthaͤnig gebet-
ten/ Solches geringe Denckmahl meiner ſchuldigſten
Obſer-
[]DEDICATIO.
Obſervantz gegen dieſelbe/ nach Jhrer angebohrnen Tu-
gend/ mit gnaͤdigen Augen anzuſehen/ und/ ſo viel andere
Geſchaͤffte zulaſſen/ jeweilen zu leſen! Befehle Sie ſampt
Dero Hoch-Graͤffl. lieben Eltern und gantzen Hochan-
ſehnlichen Familia in GOttes Allmaͤchtigen Gnaden-
Schutz/ wuͤnſche von Grund meiner Seelen Heroiſche
Beſtaͤndigkeit/ heylſames Wachsthum in der einmal er-
kanten/ und allein ſeligmachenden Evangeliſchen Reli-
gion/ erwuͤnſchten Fortgang in dero fuͤrhabenden Studiis
und Exercitiis, beſtaͤndige Geſundheit/ Engliſche Beglei-
tung auff vorhabenden Reyßen/ biß Sie dermalen eins
nach gluͤcklich vollendtem Jhrem Lauff in dieſem Jammer-
thal/ Krafft Jhres heylſamen Zehr-Pfennings des Leibs
und Bluts JEſu Chriſti in das ewige Vaterland hoͤchſt-
ſelig verſetzet werde! Das gebe GOtt um JEſu Chriſti/
unſers Seligmachers willen/ Amen.
Straßburg den 25. Auguſti
Anno1671.
hertzlich gewuͤnſchet
von Eu. Hoch-Graͤffl. Gn.
unterthaͤnigen Diener und
Fuͤrbitter bey Gott
Baltaſar Bebeln/ der H. Schrifft
Doctorn, und Profeſſorn auff der Loͤbli-
chen Univerſitaͤt Straßburg/ Predigern
im Muͤnſter/ und jetztmaligen Rectorn
gedachter Univerſitaͤt.
Eingangs-
Eingangs-Predigten/
Uber
Das Fuͤnffte Hauptſtuck deß Chriſtlichen
Catechiſmi/
TEXTVS.
Pſalm XXIII.
Ein Pſalm Davids.
DEr HErꝛ iſt mein Hirte/ Mir wird nichts
manglen. Er weydet mich auff einer gruͤnen
Auen/ und fuͤhret mich zum friſchen Waſſer. Er er-
quicket meine Seele/ er fuͤhret mich auff rechter
Straſſen/ umb ſeines Namens willen. Und ob ich
ſchon wandert im finſtern Thal/ foͤrcht ich kein Un-
gluͤck/ Denn du biſt bey mir/ dein Stecken und Stab
troͤſten mich. Du bereiteſt fuͤr mir einen Tiſch gegen
meine Feinde/ Du ſalbeſt mein Haubt mit Oel/
und ſchenckeſt mir voll ein. Gutes und Barmher-
tzigkeit werden mir folgen mein Leben-lang/ und
werde bleiben im Hauſe deß HErꝛn immerdar.
Die
[2]Die Erſte
Die Erſte Predigt/
Von des Pſalms Urheber/ Materi und Jnnhalt/
Form und Geſtalt/ Zweck und Ziel.
ES iſt je und allezeit die edleMuſicaund das lieb-
liche Geſang fuͤr ein Stuck eines guten und nuͤtzlichen/
lehrhafften Methodi, ein ſtattliche Beyhuͤlff deß Gedaͤcht-
nuͤs angeſehen und gehalten worden/ dadurch wie andere/
alſo auch inſonderheit das Fuͤrbild der heilſamen Lehr/
leichter und liechter dem Auditorio fuͤrgetragen/ eingebildet/ und in die
Schatzkam̃er deß Gedaͤchtnuͤs beygelegt/ und auff die Poſteritaͤt erhalten
werden koͤnnen.
Maſſen nicht allein der Heil. Geiſt dieſen Methodum ſelbs canoniſirt
und geweyhet/ in der bekanten Vermahnung S. Pauli an die gantze wer-
the Chriſtenheit. Col. 3, 16. Laſſet das Wort CHriſti unter euch
reichlich wohnen in aller Weißheit/ Lehret/ Vermahnet euch
ſelbs mit Pſalmen und Lobgeſaͤngen/ und geiſtlichen lieblichen
Liedern/ Singet und Spielet dem HErꝛn in eurem Hertzen.
Laſſet/ ſagt er/ das Wort Chriſti/ und deſſen Evangeliſten/ Prophe-
ten und Apoſtel/ als einen edlen Gaſt/ wohnen/ werben/ gewinnen/
Reichlich/ als πολυπόικιλον σοφίαν die mannigfaltige Weißheit/ in al-
ler Weißheit/ nicht in Sinnen/ und geiſtloſen/ bloſen/ figurirten Stim-
men/ Lehret/ Vermahnet euch ſelds mit Pſalmen uñ Lobgeſaͤn-
gen. Uberzuckert und durchſuͤſſet gleichſam die Chriſtliche Lehr mit den-
ſelben/ Singet im Hertzen/ nicht nur in Stimmen/ ſondern auch in
Siñen. Sondern es hat auch die geſunde Vernunfft Auguſtino gleich-
ſam die Feder gefuͤhrt/ damit er geſchrieben l. 10. confeſſ. c. 33. Religi-
oſius \& ardentius ſentio moveri animos noſtros in flammam pietatis,
cum ita cantantur ſancta dicta, quam ſi non ita cantarentur, \& omnes
Affectus ſpiritus noſtri pro ſuavi diverſitate habent modos in voce at-
que cantu, quorum neſcio, quâ occulta familiaritate excitentur. Jch
fuͤhle und empfinde es/ daß unſere Hertzen durch die Muſic gleichſam ent-
zuͤndet/ und unſere Geiſter bruͤnſtig werden/ und weiß nicht wie ermuntert/
wann man bald dieſen Thon/ bald einen andern anſtimmet. Auß wel-
chem
[3]Predigt.
chem Liecht der Vernunfft auch die blinde Heyden/ die ſonſt Barbariſche/
wilde/ alte Teutſchen geſehen/ daß ihre heroica und memorabilia, ruͤhmli-
che und denckwuͤrdige Heldenthaten nicht beſſer/ als durch Geſang koͤn-
ten im Gedaͤchtnuͤs bleiben/ und auff die Proſperitaͤt promoviret wer-
den. Unicum apud illos memoriæ \& annalium genus eſt, carminibus
celebrare gentis ſuæ Conditores. ſchreibet Tacitus. Trithemius ſtim-v. Bern-
egg. in
Tac. q. 6.
A.
met mit zu/ von den Alten Francken/ de veterum heroum geſtis.
Dietrich von Bern.
Jnmaſſen auch ſolches unterſchiedliche Hymni der heiligen Maͤnner
GOttes/ nicht nur im A. Teſt. außweiſen. Sonderlich daß ἐπινίκιον Mo-
ſis und Miriam/ da ſie die herrliche Thaten Gottes Reimens-weiß/ Ge-
ſangs-weiß/ mit Paucken und Trom̃enſchlagen figuͤrlich und zierlich mit
einander geſungen und geſagt: Laſſet uns dem HErꝛn ſingen/ dann
er hat eine herꝛliche That gethan/ Mañ und Roß hat er in das
Meer geſtuͤrtzt/ im 2. B. Moſ. 15/21. Sondern auch im N. Teſt. bey
der Reinigung Mariæ und darſtellung deß jungen Jeſus-Kind/ da Si-
meon ſeinen Schwanen-Geſang intonirt/ Haña geantwortet uñ nach-
geſungen/ ἀνθωμολογ [...]ιτο, in einem Nach-hall und Wechſel-ſchall/ Echos-Luc. 2, 38.
weiß/ iſt folgends continuirt worden in den erſten Pfingſten/ da die Ma-
gnalia Dei nicht nur in allerhand Sprachen außgeſprochen/ ſondern auchv. denck-
mahl. p.
64.
außgeſungen/ ἀιν [...]ντες Act. 2, 47. iſt folgends ein ritus und Sitt darauß
worden/ da die erſte Mutter-Kirch die Predigten des Worts mit Hy-
mnis geziert und begleitet/ wie Plinius bezeuget/ deren Reliquiæ uñ Heilig-
thumb noch uͤbrig in Ambroſio, Lactantio, Auguſtino, Prudentio (deſſen
Geſaͤng Lutherus gewuͤnſcht/ daß ſie [verteutſcht] in den Schulen moͤch-
ten geleſen und geſungen werden) [Tiſchreden. p. 375.]
Aber nachdem der Antichriſt in den Tempel GOttes geſeſſen/ iſt
es auff dem Feld maußſtill worden/ in Privat-Haͤuſern ſeind alle Pſal-
men erſtummet/ und wie man den armen Layen die Bibel genommen/ ſo
hat man ihnen auch die Pſalmen entzogen/ und dieſelbe allein in Cloͤſter
verwieſen/ da das unvernuͤnfftige Bruͤllen und Heulen angegangen/ biß
der Allmaͤchtige GOtt ſich wieder uͤber Teutſchland erbarmet/ und durch
den theuren Werckzeug Lutherum ſein Evangelium herfuͤr gebracht/ der
allerhand ſchoͤne Lehr und Troſt-Pſalmen in anmuthige Reimen verſetzt/
und mit lieblichen Tonis und Melodeyen gezieret/ dadurch viel 1000. lech-
zende Seelen erfriſcht und erquicket worden. Jn deſſen Fußſtapffen ge-
tretten/ Paulus Eberus, Juſtus Jonas, Eraſmus Albertus, Lazarus Speng-
A ijlerus,
[4]Die Erſte
lerus, der Gottes-gelehrte Syndicus zu Nuͤrnberg/ und ſonderlich der
theure und werthe Mann und Maͤrtyrer/ Paulus Speratus, dem wir
das geiſtreiche und recht Evangeliſche Lied/ Es iſt das Heyl uns
kommen her/ zu dancken haben.
Alles nach dem Exempel des Fuͤrtreflichen/ in aller Welt beruͤhm-
ten/ Sinnreichen Poeten/ und Geiſtreichen Muſicauten Davids/ der ſol-
che Kunſt in ſeinen Koͤniglichen Titul einzutragen/ kein ſcheu noch ſcham
getragen/ daß er ſey lieblich in Pſalmen Jſrael. Derſelbe hat nicht nur
Buß-Pſalmen/ Paſſional-Pſalmen/ Prophetiſche Gebet-Troſt- und
Danck-Pſalmen/ ſondern auch Catechetiſche Lehr-Pſalmen gedichtet/ ge-
ſungen und geſpielet/ und in denſelben alle Geheimnuͤſſe der Chriſtlichen
Lehr/ das Unum neceſſarium, das einige Noͤthige/ ſo zierlich und lieblich
gefaßt/ und gleichſam als in einem Butterfladen liecht und leicht einge-
ſtrichen. Dem zufolge wir neulich das erſte Stuck Chriſtlicher Lehr das
Sinaiſche Geſetz/ deſſen Tugend und Krafft im 29. Pſalm erklaͤrt/ und
gehoͤrt/ wie der HErr der Ehren donnert/ wie ſeine Stim̃e herꝛlich und
mit Macht gehe/ die Cedern zerbreche/ haue wie Feuerflam̃en/ errege die
Wuͤſten/ und entbloͤſe die Waͤlde. Jm 14. Pſ. als in einer idea inverſi
Decalogi beſchauet malitiam humanam legi obſtreperam, das durch
Suͤnd verderbte menſchliche Hertz/ ſo dieſem heiligen Geſetz allezeit ſich
entgegen ſetzt/ an dem Schaum eines gottloſen Mannes/ eines groſſen
Suͤndenknechts/ und Antinomi und widergeſetzers/ gelernet/ wie ſchwer-
lich ſich laſſe Fleiſch und Blut zwingen zu dem ewigen Gut.
Jetzt haben wir fuͤrgenom̃en in dem andern Stuck Chriſtlicher Lehr/
des Evangelij vom Glauben/ wie daſſelbe hell und klar auß dem 23. Pſal-
men/ tanquam Pſalmo gemello cum Pſ. 14. da auch dieſer Pſalm jung
worden/ herfuͤr leuchtet/ zubetrachten und zu Hertzen zunem̃en/ und in ge-
nere, deſſen Adel/ Krafft und Tugend mit Gott/ und geliebt es Gott/ ins
kuͤnfftig zu tractiren/ und den letſten Verſicul deß 14. Pſal. exemplifici-
ren/ und vernem̃en/ wie Jacob und Jſrael ſich freuen uͤber die Erloͤſung/
und Huͤlffleiſtung/ dißmal bleiben wir allein ſtehen bey folgenden fragen.
A quo? von wem dieſer Pſalm componirt/ getichtet/ geſpielet und ge-
ſungen worden. De quo? von wem er eigentlich rede und handele. Quâ
Formâ? in was fuͤr Geſtalt. Quo Fine? zu was Zweck uñ End er aufge-
ſetzet worden. Hievon nutzlich und aufferbaulich zu reden und zu handlen/
wolle uns der Vater des Liechts mit dem Gnadenliecht ſeines H. Geiſtes
mildiglich erſcheinen/ um Jeſu Chriſti ſeines lieben Sohns willen. Am.
I. A quo?
[5]Predigt.
I. A quo? Wer iſt ihr Vater/ moͤgen wir auch allhie fragen/ mit je-
nem ungenanten/ unbekanten/ δε῀ινα oder ungenanten Frager. 1. Sam. 10.
da ein gantzer Cuneus, Collegium, oder Hauffen der Propheten uñ Pro-
pheten-Kinder/ Meiſter und Schuler/ von dem Cananæiſchen Helicone
dem Huͤgel GOttes in der Proceſſion herab gegangen/ und mit Stim̃en
und ſingen/ Pſalter und Paucken/ Pfeiffen und Harpffen geweiſſaget/
das iſt/ Magnalia, Myſteria, Conſilia, allerhand Geheimnuͤſſe/ und Tha-
ten Gottes mit lieblichen/ zierlichen Stimmen und Muſicaliſchen Inſtru-
menten/ gelobet/ Saul der Baurenknecht/ und Eſelstreiber ploͤtzlich un-
ter denſelben angefangen zu weiſſagen/ daruͤber ſich maͤñiglich verwun-
dert/ und geſagt: iſt Saul auch unter den Propheten? ſo tritt einer her-
fuͤr und ſagt/ wer iſt ihr Vater? ihr Lehrmeiſter? ihr Wecker und Antrei-
ber? der Primus motor? alſo moͤgen wir auch gleich im erſten Antritt
dieſes 23. Pſal. fragen/ forſchen und außſpaͤen/ Quis author Principalis?
Wer iſt hier Vater/ Urheber und Meiſter? zwar im Titul ſtehet vornen
an/ ein Pſalm Davids/ welcher ratione vocationis, ſeinem Beruff nach
ein Schaafhirt/ der ſeines Vaters Schaaff gehuͤtet zu Bethlehem/ und
alſo ein Hirten-knecht/ ein Schaafhirt geweſen/ aber nicht ein grober igno-
rant und ungeſchickter Baurenbengel/ aſinus ad lyram, der auff der
Baͤrenhaut gelegen/ unter einem Baum gefaulentzet/ Himmel und Er-
den angeſehen/ wie eine Kuh ein neu Thor; ſondern ein Philoſophiſcher
Schaͤffer/ Patriſſans, der nach dem Exempel ſeines Urahns Jacob die
Naturen wol erkundigt/ das Buch der Natur erforſcht/ wie Jacob ein
Kunſt-Stuck ſeiner Phiſiologiæ gethan/ an den geſchehlten Staͤben/ die
er in die Trenckrinnen gelegt/ und die Schaaffmuͤter druͤber empfangen
laſſen/ alſo hat auch David die Natur/ Art und Eigenſchafft/ derſelben
Wartung und Verpflegung gar wol außſtudirt/ maſſen dann auch dieſer
Pſalm nicht liechter kan verſtanden werden/ als auß der Natur. (Man
kan ſchreibtLutherus Tom. 6. Jen. p. 361. f. 2.) diß troͤſtlich und lieblich Bilde nicht
beſſer verſtehen/ man gehe dann in die Creatur/ (darauß die Propheten diß und
dergleichen Bilder genommen) und lerne fleißig darauß/ was die Art und Eigen-
ſchafft eines natuͤrlichen Schaafs/ und das Ampt/ Arbeit und Fleiß eines from̃en
Hirten ſey. Wer darauff wol achtung hat/ der kan darnach nicht allein leichtlich
diß und andere Gleichnuſſen in der Schrifft von Hirten und Schaaffen verſtehen/
ſondern ſie werden ihm auch uͤber alle maſſen ſuͤß und troͤſtlich)
Opilio Poëta, ein Poetiſcher Schaͤffer/ der im fernern Nachſinnen
den Schoͤpffer ſolcher Creaturen gelobet/ mit ſchoͤnen Sinnreichen In-
ventionen uñ Fuͤnden/ Sinnen und Sitten/ Liechtern uñ Farben/ Wor-
A iijten
[6]Die Erſte
ten und Wort-blumen/ eigentlich und viel natuͤrlicher/ als der Mahler
mit ſeinem Penſcl abmahlt/ ein Panegyricus einen Lobſpruch verfertiget.
Opilio Muſicus, dann ſo mußt es ſeyn/ und zeugen die Naturkuͤndi-
ger/ und erfahrne Oeconomi, daß wann die Schaaffhirten auff Floͤten/
Pfeiffen/ Sackpfeiffen ſpielen/ die Schaaff davon munter und luſtig wer-
den/ wol gedeyen/ fett werden/ und frucht tragen: Alſo hat auch David
ſein Pſalterſpiel laſſen erklingen ſeine Schaaf zu beluſtigen. Wer iſt aber
der Vater/ der ihn/ den lieben David/ ſo ſinnreich/ ſo geiſtreich lehren ſin-
gen und pfeiffen? Wer hat ihm die invention ςόμα καὶ σοφίαν, Mund nñ
Weißheit/ ἰδίαν καὶ ἐξάιρετον χάριν, ſonderbare gratiam, und Lieblichkeit
eingegeben/ und damit berathen? Eben der/ der den ungeſchickten Bau-
renbengel Saul zu einen Propheten gemacht/ den David ſelbs geruͤhmet
in ſeinem Titul. 2. Sam. 23. der Geiſt deß HErꝛn hat durch mich
geredt/ und ſeine Rede iſt durch meine Zunge geſchehen.q. d.
was ich dichte/ ſinge und ſpiele/ iſt nicht mein Werck/ Fidelkunſt/ der bloſ-
ſe Mund kan nicht reden/ er werde dann animirt von einem lebendigen
Geiſt/ Jch bin gleichſam der Mund/ der Geiſt deß HErꝛn iſt der Redner/
mein Pſalter-ſpiel kan von ſich ſelbs nicht erklingen/ wo es nicht von einer
hoͤheren Hand beruͤhret wird/ Spiritus S. hieropſaltes, Ego Pſalterium,
der Geiſt deß HErꝛn iſt der Harpffenſchlaͤger/ ich bin mehr nicht/ als die
Harpffe/ die Feder auff dem Tiſch kan nicht ſchreiben/ wann ſie nicht von
der Hand eines Schreibers gefuͤhret wird. Meine Zung iſt ein Grif-
fel eines guten Schreibers.Pſ. 45. der Heil. Geiſt iſt der Schreiber.
Jch bin der Biſemsknopff/ der Athem des HErꝛn gibt den Geruch. Soli
Deo gloria. Jch hab meine Pſalmen nicht auß mir ſelbs/ wie die Spinn
ihr unnuͤtz Spinnen-gewepp erſunnen und erſpunnen. Jch bin der
Werckzeug und mehr nicht. Die Natuͤrliche Gaben und Zuneigungen/
die er an mir gefunden/ die hat er herfuͤrgezogen/ mit hoͤhern chariſmaſi
und Gnaden-Gaben gezieret/ und zu ſeinem Dienſt geweyhet/ der iſt
auch der Autor deß 23. Pſ. Jhm allein die Ehr. Das iſt die Antwort auff
die erſte Frag/ A quo, von wem dieſer Pſalm concipirt/ gedichtet und
geſpielet worden.
An dieſer erſten Frag/ à quo, hanget die andere Quando, quod [...]θος
καὶ πάθος, wañ und in welchem humor, Sitt uñ affect David geſtanden/
als er dieſen Pſalmen gedichtet? die umbſtaͤnd und der gantze Pſalm zei-
gen ſo viel an/ daß David dieſen Pſalmen gedichtet/ da er in der Wuͤſten/
als ein verirrtes uñ verlohrnes Schaff κα [...] ὄψιν dem aͤuſſerlichen Augen-
ſchein
[7]Predigt.
ſchein nach herum terminirt/ gantz Herꝛloß/ ohne Schutz/ Vogelfrey/ und
als ein Bandit, der in die Acht erklaͤrt/ den Na bal mit rauhen Worten an-
geſchnauft/ es gibt jetzt viel verloffene Burſt/ die ſich von ihren Herren reiſ-
ſen/ Herꝛloß machen. Solch Anfehen hatte es mit David in der Wuͤſten
Maon/ in dem finſtern Thal deß Todes. 1. Sam. 20, 3. da ſein Leben kaum
einer Handbreit/ und er als ein Schlachtſchaaf herumb gewallet/ dann
ſich Davids niemand mehr wolte annehmen/ niemand wolt ihn ſchuͤ-
tzen/ jederman mußte beſorgen/ es moͤchte ihm gerathen/ wie den Prieſtern
zu Nobe/ zu der Zeit/ da ihm/ als einem hungerigen/ lechzenden und haͤlli-
gen Schaaf/ Erquickung/ Speiß und Tranck vonnoͤthen geweßt/ da er
als ein Bettler umb ein ſtuck Brod und Ritterzehrung bey Nabal mo-
deſtè und beſcheidenlich angehalten/ da ihm die repuls worden/ eine trotzi-
ge/ abſchlaͤgige Antwort bekom̃en/ und fuͤr Brod Stein angebotten wor-
den/ wer iſt David/ und wer iſt der Sohn Jſai/ der arme Hungerleider
und Halunck/ ſolt ich mein Brod und Fleiſch nehmen/ und den Leuten
geben/ die ich nicht kenne/ wo ſie her ſind/ das werd ich wol laſſen. So
fangt hierauff David an Trutz gegen Trutz zu remuneriren: Der HErꝛ
iſt mein Hirt/ mir wird nichts mageln/ q. d. was bin ich eben an den Kar-
gen Filtz/ den Ertznarꝛen/ ſtoltzen Hirt uñ Wirth zu Carmel gebunden/ ich
weiß mir einen andern/ getreuern und freygebigern Wirth/ mein Sohn/
der Meſſias/ der iſt mein Hirt/ der mich ſein Schaaf weidet auff der gruͤ-
nen Auen ſeines Worts. Mein Wirth/ der mir einen koͤſtlichen Tiſch be-
reitet/ davon ich leb/ und ſeiner Verheiſſung geleb/ welche alſo lautet:
Der Menſch lebet nicht vom Brod allein/ ſondern von allem/
das auß dem Mund deß HErꝛn gehet/ das iſt mein Tiſch/ meine
Speiſe und Nahrung/ Trotz dir Nabal.
Zu derſelbigen Zeit/ da ihm ein Tiſch bereitet vor ſeinen Feinden/ ſaß
dort in der Hoͤhe Nabal mit ſeinen Schaͤfern/ denen er ein Koͤniglich
Mahl zugerichtet/ frißt und ſaufft ſich toll und voll/ ja gar den Tod an den
Halß/ ſein Koͤniglich Mahl wird ihm ein Henckermahl/ hie deckt Abigail
den Tiſch/ theilt ihm ein reichen Segen mit/ regalirt ihn mit 200. Brod/
und 2. Loͤgel Weins/ 5. gekochten Schaaffen/ und 5. Scheffel Meel/ und
100. ſtuck Roſin/ uñ 200. ſtuck Feigen/ dabey hat David mit ſeinen Maͤn-
nern auch koͤnnen froͤlich ſeyn/ da mangelt ihm nichts zu ſeiner Genuͤge.
Wer war froͤlicher als David und feine Maͤnner/ denen das geringe beſ-
ſer gedeyt/ geſegnet und bekommen/ als dem Gottloſen ſein Uberfluß/
darumb dann auch τὸ πάθος und affect voller Freuden geweſen/ mein
HErꝛ
[8]Die Erſte
HErꝛ iſt der edle Hirt/ der freygebige Wirth. Es redet David (ita
Luth. Tom. 6. Jen. p. 361.) diß Wort auß einem froͤlichen ſi-
chern Hertzen/ das voll Glaubens iſt/ und fuͤr groſſer Freu-
de und Troſt uͤbergehet/ und ſpricht nicht/ der HERR iſt
meine Staͤrcke/ Burg/ ꝛc. Welches auch ſehr troſtlich gere-
det iſt/ ſondern mein Hirte/ als wolt er ſagen/ iſt der HErꝛ
mein Hirt/ und ich ſein Schaaff/ ſo bin ich ſehr wol verſor-
get/ beyde an Leib und Seel.\& Tom. 2. Isleb. p. 86. das iſt
ein Wort eines uͤberauß reichen und vollen Glaubens/ wer
auch das glaubet/ der wird ſich umb zeitliche Nahrung die-
ſer Welt nichts bekuͤmmern.
Zu ſolchen Freuden und Springen haͤlt nun David ſeine Mahlzeit.
Περί τινὸς, De quo? Von wem redet der Prophet/ moͤgen wir fer-
ner fragen mit dem Kaͤmmerer der Koͤntgin Candaces. Act. 8. Re-
det er von ſich ſelbs/ oder von einem andern? Suchen wir die Antwort
in der Pupilla, und Augapffel deß Calviniſmi, dem Marotiſchen/ Fran-
tzoͤſiſchen Lobwaſſer/ ſo finden wir nichts/ als Davids zeitliche Wol-
fahrt/ und Gluͤckſeligkeit/ von Chriſto dem Kern und Stern iſt alles
maußſtill/ iſt ſich nicht zu verwundern/ Marotus kunte nicht anders
Pfeiffen/ als ihn ſein Meiſter Calvinus gelehret/ der gibt fuͤr/ David
hab dieſen Pſalmen getichtet eo tempore, quo proſpere \& ex voto a-
gebat, in ſummo dignitatis gradu, in ſplendore opum \& honorum.
Zu der Zeit/ da es ihm alles gluͤcklich und nach Wunſch ergangen/ da
er ein ruhig und friedlich Koͤnigreich beſeſſen/ in den hoͤchſten Ehren ge-
ſchwebet/ Reichthumb und volle Genuͤge gehabt/ und reitet ſo grob her-
ein/ daß er nicht nur den Kern und Stern den Meſſiam außlaßt/ ſon-
dern auch zu ſchreiben ſich nicht geſcheuet/ vias Juſtitiæ abſurdum eſſe
de directione Sp. Sancti accipere, es ſey ungereimt/ das leyten auff der
Rechten Straſſen/ von der Regierung des H. Geiſtes zu verſtehen. Ein
ander Lobwaſſer/ wir loben den Wein/ damit Lutherus dieſen Pſalmen
beſprengt/ und die anagogiam troͤſtlich gefunden/ inmaſſen ſein Teutſcher
lieblich gereimter Pſalm alles auff Chriſtum uud ſeinen Geiſt und Wort
richt. Er gibt mir Weyd ohn unterlaß/ darauff waͤchßt das
wolſchmeckend Graß/ ſeines heilſamen Wortes: Zum reinen
Waſſer er mich weißt/ das mich erquicken thute/ das iſt ſein
fron heiliger Geiſt/ der mich macht wolgemuthe/ er fuͤhret
mich auff rechter Straaß/ ſeiner Gebot ohn nnterlaß/ von
wegen
[9]Predigt.
wegen ſeines Namens. Maſſen auch in hoͤherm Verſtand hie geſtan-
den Auguſtinus, Theodoretus, und das hat Lutherus nicht auß ſich ſelbs
erſonnen und geſponnen/ ſondern der groſſe uñ unfehlbare Prophet Chri-
ſtus ſelbs hats alſo erklaͤrt/ auff ſich ſelbs klar und außtrucklich applicirt/
ſonderlich Joh. 10, 14. ἐγὼ εἰμὶ ὁ ποιμὴν ὁ καλὸς. Jch bin eben derſelbe gute
Hirt/ von dem mein Großvater geſungen uñ geſpielet. Er iſt das Vorbild/
ich das Gegenbild/ er der Schatten/ ich der Coͤrper. Er der Schaafhirt/ ich
der ἀρχιποιμὴν Ertzhirt/ der die Schaaff mit ſeinem eigenen Blut erloͤſet
hat. Er der Philoſophus, ich die Weißheit/ er der Poet/ ich die Brunn-
quell und Urſprung der Poëſi, er der Muſicus, Jch das Lied/ Meine Ev-
angelia ſind lauter nova Cantica, und neue Lieder.
Jch thue und erfuͤlle alle Werck/ Qualitaͤten und Eigenſchafften ei-
nes guten Hirten. Ein Hirt fuͤhret ſeine Schaaff auff gute Weyd/ mein
Wort iſt die recht guͤldene Au/ darauff ich meine Schaaff außfuͤhre/ ein
Hirt traͤncket ſeine Schaaff und erquicket ſie/ ich ruffe meine Schaaffen
zu mir als der Quell des lebendigen Waſſers/ Matth. 11. Kommet her
zu mir alle/ die ihr muͤhſelig und beladen ſeyd/ ich wil euch er-
quicken. Ein Hirt fuͤhret ſeine Schaaffe auff rechter Straſſen/ Jch bin
der Weg/ die Warheit uñ das Leben/ niemand kom̃t zum Va-
ter/ denn durch mich. Ein Hirt huͤtet der Schaaff/ und verlaͤßt ſie nicht
auch im finſtern Thal. Jch bin der Huͤter Jſrael/ der nicht ſchlaͤf-
fet noch ſchlum̃ert/ niemand wird mir ein Schaaff auß meiner
Hand reiſſen. Jch ſpeiſe auch meine Schaaffe/ und decke ihnen den
Tiſch/ den leiblichen Tiſch in der Wuͤſten/ mit Manna und Himmelbrod/
den Gnaden-tiſch/ in dem Wort des H. Evangelij/ den Sacramentlichen
Tiſch/ in dem H. Abendmahl/ den Glori-Tiſch in dem ewigen Leben/ da ſie
mit Abraham/ Jſaac und Jacob ſollen zu Tiſche ſitzen/ und mit Wolluſt
getraͤncket werden als mit einem Strom/ Jch traͤncke auß meinem Kelch
mit Freuden-Oel Pſ. 45. davon ſie truncken werden/ wie die Bruͤder Jo-
ſephs/ nach dem ſie auß ſeinem Kelch getruncken/ Jch halte ſie wie jener
Arme. 2. Sam. 12. von welchem gemeldet wird/ er nehret es/ daß es groß
war/ bey ihm und ſeinen Kindern zugleich/ es aß von ſeinem Biſſen/ und
tranck von ſeinem Becher/ und ſchlieff in ſeinem Schoß/ und er hielts wie
eine Tochter. Alſo auch hie. Summa/ nichts manglen/ Col tobh, volle
Genuͤge/ Schalom, Sonn und Schild.
Qua formâ? darauf deutet die Uberſchrift/ Mizmor, heiſſet eigentlich
ſo viel/ wie zu andern Zeiten außfuͤhrlich erwieſen worden/ als ein zierli-
Neundter Theil. Bcher
[10]Die Erſte
cher und lieblicher Vogelgeſang/ beſtehet auß unterſchiedlichen διαςολαῖς,
Thonen/ Melodeyen/ Cæſuren/ Figuren/ Abſchnitten/ Pauſen/ Minuri-
tionen/ und zwitzern der Lerchen/ das ſchlagen der Nachtigal/ das Modu-
liren der Graßmucken/ der Carnari Voͤgel. Alſo iſt auch David die He-
breiſche Nachtigal/ der hie nicht in tono triſti, wie dort in den Buß-Pſal-
men/ als ein Rohrdommel in der Wuͤſten/ als ein Kaͤutzlein in den ver-
ſtoͤrten Staͤtten Pſ. 102. ſondern luſtig und froͤlich dieſen Pſalm geſun-
gen und geſpielet/ und daſſelbe ſingulari charite, mit ſonderbahrem An-
muth und Lieblichkeit/ wie Athanaſius redet.
2. Forma Poëticâ, in Poetiſchen Fuͤnden/ Figuren/ außpolierten/
geſchmuͤckten/ liechten Wort-blumen. Luth. Tom. 6. Witt. p. 160. Solche
Blumen-Wort lehret man den Knaben in den Schulen/ und heiſſen auff Griechiſch
Schemata,auff Lateiniſchfiguræ,darumb, daß man die Rede damit verkleidet und
ſchmuͤcket/ gleich wie man einen Leib mit einem Kleinod zieret/ derſelben Blumen
iſt die Schrifft voll. Nach Mathematiſcher Proportion, Maaß/ Ziel/
und Gewicht/ die dieſem Pſalmen auß beyden Augen herauß gucket/ und
heutiges Tages gantz verborgen/ unſere teutſche Reimen/ und wann es
gleich Opitii Teutſche Vers ſind/ ſind viel zu kahl und ſchal/ und moͤgen
die Majeſtaͤt/ Liecht und Krafft/ der Davidiſchen Poeſi nicht erſchoͤpf-
fen/ es iſt Tag und Nacht gegen einander/ der Mann lebt nicht ſoll auch
noch gebohren werden/ der das metrum koͤnne erfinden und ergruͤnden.
Gomarus haͤtte mit ſeiner Lyra Davidica, wol koͤnnen daheim bleiben/
deliravit.
ad Amos.
p. 257. B.
Hieron. ad
Amos. O-
mnis arti-
fex artis
ſuæ Ioqui-
tur exem-
plis, navita
de ventis
\&c.
3. Forma Bucolicâ \& ænigmatica, wie Virgilius in ſeiner erſten Ec-
logâ (ſind Matheſii Gedancken uͤber Syrach c. 39. p. 143.) Alſo David
unter der Figur und Decke deß Hirten-Ampts den Schaaff ſtall der
Chriſtlichen Kirchen/ und der Geiſtlichen Seelenweyd/ und ſetzt dieſes
Nota benè hinzu/ derohalben wer ſich nicht in den Poeten wol umgeſe-
hen und geuͤbt/ der wird ſolche figuͤrliche/ verdeckte/ verbluͤmte/ gemahlte
Schrifften der Propheten langſam verſtehen.
Quo Fine? das lehret Syrach. c. 47, 9. Fuͤr ein jeglich Werck dan-
cket er dem Heiligen/ dem Hoͤchſten mit einem ſchoͤnen Lied. Nun hat
GOtt der HErꝛdißmal/ ſeine wunderliche Guͤte erwieſen an David/ und
eben ein ſolch groſſe und ſuͤſſe Wunderthat an ihme erwieſen/ als an Elia,
durch die Raben/ die waren Diebs- und Raub-Voͤgel/ haͤtten das Fleiſch
ſelbs gern geſſen/ daß ſie im Schnabel (vermuthlich von der Jeſabels
Tiſch) davon getragen/ aber ſie muͤſſens ohn ihren Danck Eliæ an dem
Bach zutragen. Alſo auch Nabal/ der Diebs-Vogel von Carmel der
Wuche-
[11]Predigt.
Wucherer und Schindfeſſel/ der wolte nichts weniger als den hungerigen
David ſpeiſen. Was ſagt er/ 1. Sam. 25, 11. Solt ich mein Brod/
Fleiſch uñ Waſſer nem̃en das ich fuͤr meine Scherer geſchlach-
tet habe/ uñ den Leuten geben/ die ich nicht kenne/ wo ſie her ſind?
Der Herr/ der Thearcha ſagt: Ja dein Brod und Speiß ſol David zu
gut kommen/ gibts Abigail in Sinn/ daß ſie ſich auffgemacht/ zweyhun-
dert Brod/ zwey Laͤgel Weins/ fuͤnff gekochte Schaaff/ und fuͤnff Schef-
fel Meel/ und hundert ſtuck Roſin/ und zweyhundert ſtuck Feigen David
entgegen gebracht/ und ihn damit verehret/ darum ἐυεργεσία, GOttes
wunderbare Gnad und Guͤte/ als die Mutter/ hat eine ſchoͤne und
edle Tochter gebohren/ ſo da heißt ἐυχαριςία, Danckbarkeit/ GOtt einen
ſchoͤnen Panegyricum geſungen. Pſ. 108. GOtt es iſt mein rechter
Ernſt/ ich wil ſingen und tichten/ meine Ehre auff/ wolauff
Pſalter und Harpffen/ ich wil fruͤhe auff ſeyn/ Jch wil dir
dancken unter den Voͤlckern/ ich wil dir lobſingen unter den
Leuten/ denn deine Gnade reichet ſo weit der Himmel iſt/ und
deine Warheit/ ſo weit die Wolcken gehen/ darinn David erken-
net/ admirirt/ æſtimirt/ und in die gantze Welt/ biß ans Ende der Welt/
GOttes Wunderguͤte außbreitet. Gleichwie aber bey den Hebreern Sitt
und Gewonheit war/ daß ſie ihre Convivia mit Muſicen und Lobgeſaͤng
gezieret/ wovon Syrach ſchreibt/ c, 32, 7. 8. Wie ein Rubin in fei-
nem Golde leuchtet/ alſo zieret ein Geſang das Mahl. Wie
ein Smaragd in ſchoͤnem Golde ſtehet/ alſo zieren die Lieder
beym guten Wein. Alſo auch David/ nach dem er geſaͤttiget worden/
hat er nach ſeiner Harpffen gegriffen/ wolauff Pſalter und Harpffen.
Dieſes Lied gedichtet/ und alſo den Lobgeſang geſprochen/ und damit als
der rechte Hebreiſche Orpheus nicht nur Felder und Waͤlder erfuͤllet/
nicht nur ſeine Maͤnner und Gefaͤrten zu gleichem Lobopffer angezuͤndet/
und angefriſchet/ nicht nur denſelben lamnazeach dem Vorſaͤnger und
Capellmeiſter uͤbergeben/ denſelben bey aller Gelegenheit zu ſingen und zu
ſpielen/ ſondern auch ad illicium ſequelæ der gantzen Chriſtenheit/ auff
daß alle Welt der Ehre GOttes voll werde.
Sintemahl auch dieſer Pſalm bonum Eccleſiæ commune, ein all-
gemein Gut der Chriſtlichen Kirchen. Etſi nemo noſtrum ſit David
(ſchreibt Lutherus Tom. 4. Lat. p. 268. f. 2.) tamen quia habemus com-
munia bona, idem verbum, ſpiritum, fidem, beatitudinem, eadem pe-
ricula \& afflictiones propter verbum ſuſtinemus, ideò \& meritò Da-
B ijvidis
[12]Die Erſte
vidis voces \& ſermones imitamur. Das iſt/ ob ſchon Niemand un-
ter uns David iſt/ dannoch dieweil wir einerley geiſtliche Guͤ-
ter theil und gemein haben/ ein Wort/ ein Geiſt/ ein Glauben/
ein ewiges Leben und Seligkeit/ einerley Gefahr und Anfech-
tung um des Worts willen außſtehen/ derowegen moͤgen wir
auch billich Davids Wort und Pſalmen nachſprechen/ und
uns derſelben bedienen. David iſt gleichſam die Hebreiſche Nachti-
gal/ wie nun die Nachtigal ihren Jungen vorſingt/ dieſelbe ſeine Kunſt
lehret ſeine Melodey und Weiſe/ und wo ſie irgends fehlen/ dieſelbe cor-
rigiret. Juniores meditantur, verſusque, quos imitentur, accipiunt, reddunt-
que, audit diſcipula magna attentione, vicibusque ſubticet, ut intelligeretur e-
mendata correctio, \& in docente reprehenſio, Plin. l. 10. nat. hiſt. cap. 29. Das
kan auch mit Warheit von der Hebreiſchen Nachtigal geruͤhmet werden/
daß er nicht allein ein Meiſter ſey geweſen/ lieblich mit Pſalmen Jſrael/
das iſt/ lieblich und zierlich geſungen/ lieblich und zierlich auff ſeinem
Pſalterzeug geſpielet/ ſondern auch andern vorgeſungen/ und ihm laſſen
angelegen ſeyn/ auß inniglicher hertzlicher Lieb/ ſeinen Geiſt und deſſen
heilige Brunſt/ ſeine Kunſt/ Affecten, Freud und Melodeyen/ ja das
gantze Hertz mitzutheilen. Uns gebuͤhret nun das Æmuliren/ Imitiren
und Nachſingen/ und nach der Vermahnung St. Pauli 1. Cor. 14. das
Streben nach den geiſtlichen Gaben. Wollen wir aber imitiren/ ſo muͤſ-
ſen wir zuvorderſt agnoſciren/ und erkennen/ ſollen wir erkennen/ ſo muͤſ-
ſen wir auch forſchen/ ſollen wir forſchen/ ſo muͤſſen wirs auch applici-
ren/ und uns zueignen/ ſollen wirs uns zueignen/ ſo muͤſſen wir auch
vermehren.
Zu allervorderſt/ ſag ich/ wird erfordert/ Agnitio intellectus, das
Verſtaͤndnuß/ ὁ ἀναγινώσκων, νοείτω, wer das liſet/ der mercke drauff/ es
iſt nicht genug an dem bloſen Wort und general-Verſtand hangen blei-
ben/ ſondern forſchen je laͤngeꝛ je mehr/ je laͤnger je tieffer graben/ die ver-,
borgene Quell/ die intimiora ſenſa, ἤθη καὶ πάθη, die Emphaſ[i]s verborum
den Nachtruck eines jeden Worts außſpaͤen/ und alſo den Sinn deß H.
Geiſtes erkennen lernen/ den Kern außſchehlen/ Safft und Krafft her-
auß ſaugen/ und fuͤr dißmal einen guten concept von dieſem Pſalmen
faſſen/ daß er kein inventum humanum, von Menſchen als Menſchen
ſeinen Urſprung habe/ daß er nicht handle von ungelegten Eyern. Lu-
therus ruͤhmet deßwegen die Juͤdiſche Synagog, uns zur Schande.
Tom. 2. Isleb, in Joh. 2. p. 481. uͤber die Wort deß 69. Pſalmen/ der Eyffer umb
dein Hauß hat mich gefreſſen. Hie ſihet man dennoch/ daß in dem Volck die H.
Schrifft
[13]Predigt.
Schrifft wol wird ſein bekand geweſen/ und daß ſie mit Fleiß in den Synagogen
und Schulen getrieben worden ſey. Sonderlich aber hat man dem Volck den
Pſalter fuͤrgelegt und bekant gemacht/ daß ſie haben die Pſalmen geleſen/ gepre-
diget/ und gehandlet/ daß man wol ſihet/ daß in allen Staͤtten und Flecken ſind
Prieſter und Leviten geweſen/ die haben ihre Pfarren/ Kirchen und Schulen/ wel-
che man Synagogen nennet/ gehabt/ dahin ſich das Volck/ GOttes Wort zu hoͤren
und zu lernen/ verſamlet hat/ und ſie alſo ſind verſorgt geweſen/ daß die Schrifft
der Propheten und der Pſalmen fleiſſig ſind außgeleget; der Tempel zu Jeruſa-
lem blieb gleichwol in ſeinen Wuͤrden/ und die Oberſte oder Haupt-Pfarr-Kir-
che/ dahin ſie des Jahrs dreymal kamen/ zum Zeugnuß daß ſie ſich an GOtt hiel-
ten/ der daſelbſt zu wohnen zugeſagt hatte/ und Rechenſchafft ihres Glaubens
und Lehre thaͤten. Alſo fein waren die Kirchen beſtellet/ und geordnet in dieſem
Volck und die Schrifft taͤglich gehandlet/ daß auch die Einfaͤltigen davon einen
zimblichen Verſtand haͤtten/ was in den Pſalmen und Propheten geſchrieben
ſtuͤnde/ und koͤntens behalten. Wie dann auch jetzund/ GOtt Lob und Danck
unſere Kirchen alſo beſtellt ſind/ daß man dennoch da zuſammen kom̃t/ GOtt an-
zuruffen/ zu loben und zu dancken; das Wort GOttes reichlich darinn getrieben
wird/ daß auch ein einfaͤltiger grober Mann die Schrifft etlicher maſſen verſte-
hen kan/ wie dann bey den Juden auch ſolches geweſen iſt. Wir wiſſen je/ was
des HErꝛn Chriſti Juͤnger fuͤr Leute geweſen ſind/ nicht kluge Hoheprieſter/ Pha-
riſeer und Schrifftgelehrte/ ſondern waren arme Bettler und Fiſcher/ geringe
Leut/ Petrus/ Andreas und Bartholomaͤus/ dennoch kennen ſie den Pſalter/ hoͤ-
ren ihn leſen/ ſingen und predigen/ haben alſo die H. Schrifft gelernet/ haben
ſchlecht von Zuhoͤren lernen muͤſſen/ daß ſie es behalten/ und daran gedacht ha-
ben. Alſo ſihet man dennoch/ was die Zucht und Vermahnung zum Goͤttlichen
Wort thut/ wenn man die Leute treulich unterrichtet/ und die Leuthe auch mit fleiß
zu hoͤren/ und muß ſonderlich in dieſem Volck eine feine Zucht/ Fleiß und Gehor-
ſam geweſen ſeyn/ daß ſie fleiſſig zugehoͤret haben/ wann man geſungen/ und gele-
ſen hat in ihren Schulen/ oder Kirchen/ wenn ſie am Sabbath zuſammen kom-
men ſind zu predigen/ zu beten und zu ſingen/ wie wir in unſern Kirchen thun/ diß
Exempel der Juͤnger ſol uns auch reitzen/ daß wir GOttes Wort gerne hoͤren/
glauben und annem̃en/ die Abſolution empfahen/ Sacrament gebrauchen. Weil
nun dem alſo war bey den Juden/ ſo iſts nicht Wunder/ daß die lieben Juͤuger in
Galilæa, in ihren Schulen den Spruch auß dem Pſalm behalten haben. Aber
das iſt ſich zu verwundern/ daß ſie ihn eben auff die That Chriſti deuten koͤnnen/
als ſey es eben von dem außtreiben der Kaͤuffer und Verkaͤuffer geredet/ und ſonſt
von nichts anders. Es iſt aber ſeltzam geredet/ der Eiffer hat mich gefreſſen/
aber ſie haben es nach der Ebreiſchen Sprach-Art verſtanden/ und iſt ihnen die-
ſe Rede nicht unkaͤntlich geweſen. Denn ſie haben die Propheten fleiſſig ge-
leſen.
2. Roratio, ſol ſolche Erſchoͤpffung geſchehen/ ſo muß man den Text
nicht uͤberhujen/ uͤberſudlen/ und uͤberlauffen/ eine/ zwo/ drey oder mehr
Predigten thun kein Satisfaction, der Schatz iſt zu reich/ Moſes hat nicht
vergebens in ſeinem Valet-Lied Deut. 32, 2. gewuͤnſcht/ daß ſeine Reden
trieffen/ wie der Regen/ daher die Propheten Traͤuffler genennet worden/
B iijgleich-
[14]Die Erſte
gleich wie zu der Zeit der Duͤrre im Sommer ein ſtarcker Platzregen/ der
auff einmal gantz herunter ſtoßt/ die Erde zwar benetzet/ aber ohne Frucht/
ergeußt ſich aber ein langſamer/ ſachter und ſanffter ſtiller Regen etlich
Tag nacheinander/ ſo penetrirt er/ dringt durch/ macht alle ſemina und
Garten-gewaͤchſe fruchtbar/ daß ſie wol gedeyen. Gutta cavat lapidem,
non vi, ſed ſæpè cadendo, ein Troͤpfflein Waſſers kan auch wol ein har-
ten Stein weich machen/ aber nicht durch Gewalt/ ſondern durch offt-
mahligen Fall. Jtem/ gleich wie die Majim Mephakim, die Spiritus,
und Olea, ſo auß dem diſtillir-Helm durchs Feuer außgepreßt werden/
fallen Tropffen-weiß herab/ muͤſſen auch Tropffen-weiß diſpenſirt wer-
den/ man ſchuͤttet keinem Patienten das koͤſtliche Perlenwaſſer Schop-
pen-weiß in die Gurgel hinein/ ſondern einen Tropffen nach dem andern/
ſo iſt die Wuͤrckung deſto ſtaͤrcker/ und kraͤfftiger. Alſo verhaͤlt ſichs
auch hie/ wie bey dem Wort GOttes ins gemein/ alſo auch in dieſem
Pſalm. Wird erinnert wegen der maßleidigen Ohren/ denen die lang-
ſame Erklaͤrung deß Pſalters zuwider iſt/ haͤtten lieber daß man derglei-
chen in ein oder der andern Predigt abſolvirte. Aber
Non ſunt longa, quibus nihil eſt, quod demere poßis.
Darauff laͤßt ſich 3. appliciren/ eliquiren/ Safft und Krafft herauß
ſaugen/ in Safft und Krafft verwandlen/ und zugleich Davids Geiſt/
ἤθος καὶ πάθος, Davids Brunſt im Geiſt/ Hertz und Muth mit einſau-
gen/ ein Hertz mit ihm werden/ wie Jonathan/ und alſo gluͤcklich imiti-
ren/ unſere Convivia auch zieren/ nicht mit Sinnen und Geiſtloſen Ge-
bratens-Geigern/ ſondern mit Pſalmen Davids/ wie zwar die Grandes
zu Zion auch gethan/ aber abuſivè, zu ſpott/ und alſo ſchlimme Applica-
tion gemacht. Amos 6, 5. und gehoͤrt zu ſolcher Imitation auch die acu-
tion, David als Vater hat uns ein reiches Patrimonium geſamlet/ Lu-
therus hats geteutſcht/ gereimet/ und in rechten Verſtand gebracht. A-
ber ſol das Wort GOttes reichlich unter uns wohnen in aller Weißheit/
ſo gehoͤret auch das Auctuarium dazu/ Geiſtliche Singſchulen/ ein rechte
Luth.
Tom. 7.
Witt. p.
397. f. 2. C.fruchtbringende Geſellſchafft/ Aſſaph, Core, Heman, Poetæ \& Muſici
(ita Luth. Tom. 2. Lat. p. 560.) nobis deſunt, aut nondum cogniti ſunt, qui
pias \& ſpirituales cantilenas (ut Paulus vocat) nobis concinant, quæ digna ſunt
in Eccleſia DEI frequ entari, nam non multas invenias, quæ aliquid gravis Spiri-
tus ſunt. Hæc dico, ut qui ſunt Poëtæ Germanici, extimulentur, \& nobis poëma-
ta
[15]Predigt.
ta pietatis componant. Es haben zwar viel unterſtanden/ und gar nach
Opitij Art zu reimen/ aber es ſind mehr nicht/ als Wort/ aber ohne
Geiſt/ dadurch der innere Sinn nicht beruͤhret wird/ Opitij Reimen ſchi-
cken ſich zu Davids Pſalmen/ wie Sauls Waffen. Res eſt voti, non
ſpei, Wir wuͤnſchen es zwar/ aber zu hoffen iſt es nicht/ wolte GOtt/ daß
wir verſtuͤnden/ was uns manglet! Wolte GOtt/ daß Groſſe Herren
was ſie auff unnuͤtze Krieg/ Pracht und Wolluſt/ Raſſeln und Spielen
wenden und verſchwenden/ zu dieſem Gottesdienſt ad majorem DEI
gloriam, anwendeten. Aber wir laſſen und befehlen es dem Juͤngſten
Gericht. Summa es bleibt beym Wunſch/ wolte GOtt/ daß alles Volck
deß HErꝛn weiſſagete! Amen.
Die Andere Predigt.
Von dem HErꝛn/ als Davids Hirten.
ES iſt erſchienen die Leutſeligkeit GOttes unſers Hey-
lands/ ſchreibt St. Paulus Tit, 3, 4. Die ϕιλανθρωπία, ſagt er/
und nicht ϕιλαγγελίἁ, nicht die Engel-Lieb/ zu denen kein GOtt
ſo freundlich ſich genaͤhert/ wie den Menſchen geſchehen/ die jenige Lieb
nun/ Affection, Neige/ Gnad/ Gunſt/ die er zu dem verdam̃ten gefallenen
menſchlichen Geſchlecht von Ewigkeit getragen/ die iſt in der Zeit erſchie-
nen/ von Ewigkeit verſchwiegen/ dunckel und finſter geweßt/ waͤre auch
ans Tagliecht nicht kommen/ wann der Fall nicht geſchehen/ und die mi-
ſeria miſericordiam, unſer Elend GOttes Barmhertzigkeit erwecket haͤt-
te/ da iſt ſie heiter/ hell und klar worden. Erſchienen/ ſag ich/ 1. In Incar-
nationis radice, da das Wort Fleiſch worden/ und in einem Kindlichen
groſſen Geheimnuß GOtt ſich geoffenbahret im Fleiſch/ hat nicht nur
Fleiſch und Blut an ſich genommen/ ſondern iſt gar eingefleiſcht/ Fleiſch
worden/ und ſich mit uns Menſchen verbruͤdert und befreundet. Was die
blinden Heyden zu Lyſtra ihnen faͤlſchlich eingebildet/ da Paulus einen
gebohrnen lahmen Menſchen wiederum geſund gemacht/ auffgerichtet/
und grad dargeſtellet/ ſo meynen ſie Paulus ſey Mercurius, Barnabas ſey
Jupiter, ſprechen und ſagen mit Verwunderung/ die Goͤtter ſind den
Menſchen gleich worden/ und zu uns hernider kom̃en.Act. 14, 8.
ſeqq. Was ſag ich/ die blinden Heyden zu Lyſtra in Lycaonia ihnen ein-
gebil-
[16]Die Andere
gebildet/ das iſt eine Fabel/ aber hîc veritas, die pur lautere Warheit/
freylich iſt GOtt den Menſchen gleich worden. Ein Jm̃anuel und Gott
mit uns/ in welchem die gantze Fuͤlle der Gottheit Leibhafftig wohnet/ Col.
2, 9. 2. In ſympolitia, in der leiblichen Beywohnung/ ἐσ κήνωσεν ἐν ἡμῖν,
er wohnet unter uns in eadem ſcenâ, als ein Tiſchgenoß und Tiſchgeſell
in einem Hauß und Loſament/ als ein Spießgeſell und Camerath unter
einer Zelt/ als ein Hirtengeſell unter einer Hut und Hurt/ wie dieſelbe mit
einander eſſen/ ſchlaffen/ wachen/ converſiren/ ſprachen/ ſpatzieren/ pfeif-
fen und ſpielen gantz gemaͤh/ ohne Scheu und Scham: Alſo iſt auch der
Sohn GOttes uns in allem gleich gefunden worden/ in Affecten und
Geberden/ Sitten und Wercken ſich als einen Menſchen geſtellet/ außge-
nommen die Suͤnd. Wir haben ihn (ſagt Johannes 1. Epiſt. c. 1, 1.)
geſehen mit unſern Augen/ und unſere Haͤnde haben betaſtet
vom Wort des Lebens/ und das Leben iſt erſchienen/ und wir
haben geſehen/ und zeugen und verkuͤndigen euch das Leben/
das ewig iſt/ welches war bey dem Vater/ und iſt uns erſchie-
nen. 3. In nominatione Symbolica, in Nahmen und Bildern. Viel
herꝛliche/ Majeſtaͤtiſche und erſchroͤckliche Namen fuͤhret der Allmaͤchti-
v. Saubert.
ad Dan. 9.
p. 118.ge GOtt in H. Schrifft/ Er heißt El hanorah, ein erſchroͤcklicher GOtt/
Exod. 15. Dan. 9. HErr iſt ſein Nahm. Pſ. 3. Heilig und HErꝛ iſt ſein
Nahm. Er vergleicht ſich einem verzehrenden Feur/ einem bruͤllenden Loͤ-
wen/ Amos 3, 8. einem grimmigen/ brummenden Beeren/ Oſe. 13, 8.
Aber auch holdſelige liebliche Nahmen/ eines Vaters/ eines Braͤuti-
gams/ eines Hirten/ dieſer Nahm ſchreibetLuth. Tom. 6. Jen. p.
begreifft in ſich einen Hauffen alles guts/ was von Gott troͤſt-
lich kan geruͤhmet werden. Jſt eben der Nahme/ den ihm ſein Uhr-
an David auch gegeben/ ihn einen Hirten genennet/ nicht nur hie Pſ. 23.
ſondern auch Pſ. 77, 21. Pſ. 78, 53. Nicht er allein/ ſondern ins geſam̃t/ und
gleichſam ex uno ore, andere Propheten/ Eſa. 40, 11. Ezech. 34, 11. c. 37, 24.
Mich. 5. Zach. 11, 13. St. Petrus nennet ihn einen Seelenhirten/ 1. Petr.
2. und c. 5. einen Ertzhirten. Sondern Chriſtus ſelbs/ Matth. 15, 24. c. 26,
31. Luc.. 15. Joh. 10. ſagt er zweymal/ ich bin ein guter Hirt/ ich bin ein guter
Hirt. Wollen wir aber dieſes ſo guten Hirten ϕιλανθρωπίαν, Tugend/ Guͤ-
te/ Treu/ Lieb/ Affection, Gunſt uñ Gnad recht verſtehen/ lernen/ uñ frucht-
barlich genieſſen/ ſo muͤſſen wir zuvor zum Fundament legen/ uñ verſtehen
lernen dieſes Hirten Wuͤrde/ Adel/ Hoheit/ Herrlichkeit/ Ehren-veſte und
Ehren-gruͤnde/ wie dieſelbe auch in der Idea eines herꝛlichen Hirten adum-
brirt/
[17]Predigt.
brirt/ und im Nahmen Jehova intimirt/ ein Nahm klein von Buchſta-
ben und Sylben/ aber voller Augen/ Liechts/ voll reichen Verſtands und
Nachdruck. Denſelben nun nicht zu erſchoͤpffen/ ſondern nur etlicher maſ-
ſen anzudeuten/ wolle uns der Vater deß Liechts ſeines H. Geiſtes Krafft
und Gnad reichlich mittheilen/ um JEſu Chriſti willen/ Amen.
Τὶ καὶ τὶς, Wer iſt nun diejenige Perſon/ ſagt David/ die mein Hirt
iſt/ deren zu Ehren und Lob dieſes mein Bucolicum und Schaͤffer-Lied-
lein gedichtet/ geſungen und geſpielet? Jſt kein gemeiner Hirt/ ſondern
ein edler/ fuͤrtrefflicher und herꝛlicher Hirt. Er mein Hirt iſt der HErꝛ/
Hirt und HERR. Ein Hirt war vor Zeiten/ und ſonderlich zu den
Zeiten Davids kein geringe/ nachguͤltige Perſon/ nicht fex populi, ein
armer Tagloͤhner und Miedling/ Hirtenſtand war/ wie der einfaͤltigſte
und aͤlteſte/ alſo auch der Edleſte Stand und Ampt. Abel der erſte Heil.
Maͤrtyrer/ ein Sohn Adams deß geehrteſten uͤber alles. Syr. 49, 20. war
ein Schaͤffer. Jabal der edle Cainit und Urheber der Viehzucht/ Abra-
ham/ Jſaac/ Jacob waren Schaaffhirten/ die 12. Patriarchen und dero
Kinder tretten fuͤr Pharao und ruͤhmen ſich dieſes Stands/ deine
Knechte ſind Vieh-Hirten/ wir und unſere Vaͤter.Gen. 37, 3.
c. 49, 23. Moſes der angewuͤnſchte Sohn und Stuhl-Erb Pharaonis
ſchaͤmet ſich des Hirtenſtabs gar nicht/ Nabal auß dem Heldenſtammen/
ein edler Calebit/ ſonderlich Abſalon der ſchoͤnſte Sohn Davids hielt ſei-
ne Schaͤfferey und Melckerey zu Baal Hazor. Jnmaſſen zu der Zeit die
Koͤnigliche Printzen/ Fuͤrſtliche und edle Kinder als abgetheilte Herꝛen
nicht zum Muͤſſiggang/ ſondern zur Arbeit aufferzogen/ nicht adigirt wor-
den entweder den Prieſter-Rock anzuziehen/ oder das Schwerdt anzuguͤr-
ten/ ſondern es haben dieſelbe ihr Fuͤrſtliche Unterhalt auff andere Weiſe
ſuchen koͤnnen/ David zog etliche ſeiner Soͤhn in Rath und Cantzley/ ſie
mußten Prieſter/ Sacerdotes juſtitiæ werden/ das iſt/ Amptleut/ Land-
voͤgt. 2. Sam. 8. die dem Koͤnig zur Hand ſind gangen. 1. Chron. 19. auß
etlichen machte er ſatellites regios, Koͤnigliche Leibquardi. Joſeph. l. 7.
c. 6. (Bidembach. in libb. Samuel. p. 680. hæc habet.)
Daß aber ferner allhier ſtehet die Soͤhne Davids ſeyen Prieſter geweßt/ das kan
nicht verſtanden werden von dem Levitiſchen Prieſterthum/ dann das koͤnnen
ſie nicht tragen/ die weil ſie nicht von dem Stammen Levi/ ſondern von dem
Stammen Juda ſeyen. Es waͤre denn Sach/ daß ſie haͤtten muͤſſen auff die
Prieſter warten/ und ihnen dienen/ wie im Papſtthum etwan Vorzeiten ein
Lay hat zu Altar gedienet. Aber ich halte das auch nicht fuͤr glaͤublich/ derent-
wegen muß entweder diß Wort (Prieſter) dahin verſtanden werden/ (wie etli-
che der H. Sprach verſtaͤndige halten) daß ſie der Prieſter Juͤnger oder Schuͤler
Neundter Theil. Cgewe-
[18]Die Andere
geweſen/ oder es kan im ſchreiben ſeyn uͤberſehen worden. Man wolle denn
ſagen/ daß durch die Prieſter die Raͤthe des Koͤnigs verſtanden werden allhie/
wie man bey uns die Juriſten Sacerdotes juſtitiæ, Prieſter der Gerechtigkeit
nennet/ denn diß ſtimmet mit demjenigen uͤberein/ was von deß Koͤniges aͤlte-
ſten Soͤhnen im 1. Buch der Chronick am 19. Cap. ſtehet/ ſie waren dem Koͤni-
ge zur Hand/ das iſt/ die vornemſte Diener/ die um den Koͤnig geweſen/ und
die er zu allerley Sachen und Verrichtungen gebraucht/ als Raͤthe und Offici-
rer. David hat die allezeit zur Hand gehabt. Denn er ſchicket ſie nicht hin-
auß unter die Frembden/ die nicht ſeines Glaubens ſeind/ und da ſie mehr boͤ-
ſes als gutes moͤchten lernen/ ſondern er ſihet auff ſie mit Fleiß. Joſephus mel-
det/ daß ſie inter Satellites Regis. das iſt/ unter deß Koͤnigs Leibdienern/ oder
den vornembſten Hoffdienern geweſen. Dabey man wol abnem̃en kan/ daß
David ſeine Soͤhne nicht habe laſſen muͤßig gehen/ ſondern hab ſie gebraucht/
und nicht als Herren/ ſondern als Diener/ zu allen fuͤrfallenden Geſchaͤfften/
zu Friedens und Kriegs-Zeiten. Sie muͤſſen die Sach angreiffen/ und ſind
dem Koͤnig zur Hand/ er iſt ſelbſt ihr Hoffmeiſter.)
Alſo hat er Abſolon zum Schaͤfferherꝛn gemacht. Hie mehr/ als
dieſe alle/ hie ein Schaͤfer oder Hirt/ der da heißt Jehovah ſelbs HErr/
ſelbsweſende/ im̃erwehrende/ glorwuͤrdigſte HErr nach der Goͤttlichen
Natur ein eingebohrner Herr von Ewigkeit/ und alſo ἐυγενέςατος der
alleredelſte/ ein gemachter HErꝛ nach der menſchlichen Natur/ den Gott
ſein himmliſcher Vater/ nach dem er Knechts-geſtalt an ſich genommen/
als ein Knecht ſeinen Juͤngern die Fuͤſſe gewaſchen/ ein Knechtiſches
und ſchmaͤhliches ſupplicium am Creutz außgeſtanden/ erhoͤhet und zu
einem groſſen Herꝛn gemacht worden. Zu gleicher weiß wie Joſeph
nach dem er eine Weil Profos, Diener und Steckenknecht geweßt/ her-
nach ein Herꝛ uͤber gantz Egyptenland worden/ und uͤber alle Raͤth und
Diener deß Koͤnigs Pharao erhoben. Gleich wie David auß einem Hir-
ten-Buben ein groſſer gewaltiger/ maͤchtiger und anſehnlicher Koͤnig uͤ-
ber das gantze Volck Jſrael. Alſo iſt auch Chriſtus/ nach dem er ſeinen
Knechtsſtand abgelegt/ und zur Rechten GOttes erhoben worden/ ein
HErꝛ aller Herren worden/ ein Hirt uͤber alle Hirten/ den armen Hirten
wird vermeld/ der Hirt und Schoͤpffer aller Welt. Er fuͤhret an ſeinem
Rock den Titul geſchrieben: Ein Koͤnig aller Koͤnige/ und HErꝛ
aller Herren.Apoc. 19, 16. Ein Koͤnig uͤber Teuffel und Menſchen/
aͤuſſerlich am Kleid/ zum Augenfall/ das jederman ſehen und leſen kan.
II. Dominus Proprietarius, ein Eigenthums-Herꝛ/ deſſen die
Schaaff eigen ſind/ ſein peculium, ſegulah, theur erworbener/ erkauff-
ter/ gewonnener Schatz/ die recht eigen gemacht. Joh. 10, 27. Eigentlich
iſt derjenige ein Herꝛ des andern/ der denſelben entweder von freyer
Hand/
[19]Predigt.
Hand/ oder durch erlangte Rantzion erkaufft zu ſeinem Eigenthum/ wie
in der Tuͤrckey die armen Chriſten-Sclaven zuſammen gekuppelt/ auff
dem Marckt feil gebotten werden. Kom̃t nun ein reicher Kauffherꝛ/ oder
Ambaſſador, oder Legat an die Ottomanniſche Pfort/ der ſich erbarmet/
und mit Gold oder Silber außloͤſet/ ſo wird er alsdann ſein eigen/ von
Rechtswegen/ ſein Sclav: Alſo bekennen wir im Chriſtlichen Glauben.
Jch glaub/ daß JEſus Chriſtus/ ſey mein HErꝛ/ der mich verlohrnen
und verdam̃ten Menſchen erloͤſet hat/ erworben und gewonnen von allen
Suͤnden/ vom Tod und von der Gewalt des boͤſen Geiſtes/ nicht mit
Gold oder Silber/ ſondern mit ſeinem heiligen theuern Blut/ unſchuldi-
gen Leiden und Sterben/ auff daß ich ſein eigen ſey. Und damit wir in
unſerer allegoria bleiben/ ſo iſts an dem/ als einsmals dem edlen Schaͤ-
fer David ein Loͤw und ein Baͤr ein Schaaff weggetragen/ und es allbe-
reit in ſeinem Rachen gehabt/ ſo laufft er der treue Hirt nach/ wagt Leib
und Leben/ und zeucht daſſelbe auß ihrem Rachen wieder herauß/ daſſelbe
Schaͤflein war Davids eigen von Rechtswegen/ ſein peculium, hat auch
daſſelbe ohne Zweiffel mehr geliebet/ als andere Schaaff/ weil gemeinig-v. Denck-
mahl. p.
373.
lich/ was einem blutſauer wird zu gewinnen/ das liebt er zarter/ als was
ihm geſchenckt/ oder anderwerts vom Gluͤck zugeflogen: Alſo hat auch
Chriſtus der HErꝛ Leib und Leben nicht nur gewagt/ ſondern auch ge-
laſſen/ er hat Blut ſchwitzen muͤſſen/ eine Heerde zu erkauffen/ περιποίη-
σιν, mit ſeinem eigenen/ herꝛlichen und goͤttlichen Blut. Act. 20. zu ei-
nem ſegulah, peculio und Eigenthum/ und daher ſolche auff das ſaur-
lichſte erworbene Heerd lieb gewonnen/ und alſo lieb gewonnen/ daß ſie
ihm mehr ans Hertz gewachſen als Himmel und Erden/ ja Himmel und
Erden ſind ihm ſo lieb nicht als ſeine Schaͤflein.
III. Dominus fortis \& victor, ein Siegs-Herꝛ/ Hirten muͤſſen
ſtarck ſeyn/ anſche chayl, Geneſ. 47, 6. Die den wilden Thieren und an-
dern Hirten-feinden gewachſen. Es iſt außgemacht/ nach aller Voͤlcker
Rechten/ iſt der Siegs-Herꝛ der das Feld behalten/ deſſen Herꝛn ſeind die
Uberwundene ſeine Sclaven. David hat nicht nur das Schaaff als die
Beut dem Loͤwen abgejagt/ ſondern auch denſelben als ein ſtarcker Held
mit groſſer Verwunderung uͤberwunden/ geſchlagen/ erwuͤrgt. 1. Sam.
17, 34. 35. die Haut abgezogen/ und darauff ſeinen Glauben gegruͤndet/
hab ich einen grim̃igen Loͤwen und wilden Baͤren koͤñen ermeiſtern/ war-
um auch nicht den Goliath. Gleich wie jener dapffere Teutſche Held
Nahmens Wiker/ welcher mit Gottfried von Bullion dem H. Grab zu-
C ijgezo-
[20]Die Andere
gezogen/ daſſelbe auß der Saracener Hand zu reiſſen/ als er einsmals
ſein Pferd bey Joppe in die Weyde gehen laſſen/ und im Graß gelegen/
daſſelbe zu huͤten/ da kam ein grauſamer Loͤw vom nechſten Berg herab/
der viel Vieh und Menſchen in derſelben Gegend zerriſſen hatte/ und lieff
dem Pferd in der Weyde zu/ der gute Wicker hatte ſeines Roſſes Sorg/
ergrieff den Schild und Schwerdt/ und tratt bey das Pferd. Der Loͤw
ließ das Roß gehen und begehrt mit offenem Rachen deß Mannes/ in die-
ſem Streit faſſet der Loͤw des Wickers Schild/ aber Wicker ſpaltet ihm
im erſten Streich den Kopff und Hirn entzwey daß diß ungeheure Thier
todt fuͤr ihm liegen blieb/ mit groſſer Freud der gantzen Landſchafft. Alſo
hat auch Chriſtus der ſtarcke Held uñ Hertzog des Lebens/ den hoͤlliſchen/
bruͤllenden Loͤwen uͤberwunden/ den ſtarcken Gewapneten außgetrieben/
Luc. 11, 21. ſeinen Kopff zertretten/ ſchau getragen offentlich/ einen Tri-
umph auß ihme gemacht/ diſarmirt/ und außgezogen/ und zu anzeig ſolcher
Victori die Schluͤſſel der Hoͤllen und des Todes occupirt. Als der rech-
te Clavarcha und Schluͤſſel-Herꝛ. Apoc. 1, 8. Tod/ Suͤnd/ Teuffel und
Gnad/ alles in Haͤnden er hat/ er kan erretten/ alle die zu ihm tretten. Wie
aber auch nach aller Voͤlcker Recht der Siegs-Herꝛ deß Uberwundenen
Herꝛ/ dann von welchem einer uͤberwunden/ deſſen Knecht iſt er. 2. Pet. 2.
Alſo iſt auch Chriſtus unſer HErꝛ deß Teuffels Herꝛ und Meiſter. Jm-
maſſen er ſolches ſelbſten bekant. Luc. 4, 36.
IV. Dominus opulentus, ein reicher und reichmachender Herꝛ/ πο-
λύμαςος, Schaͤfer waren reiche Leut/ wo meynen wir hab Abraham ſein
groſſes Gut/ Schatz und Reichthum/ davon Eleazar ruͤhmet/ Gen. 24, 35.
Der HErꝛ hat meinen Herꝛn reichlich geſegnet/ und iſt groß
worden/ und hat ihm Schaaf und Ochſen/ Silber und Gold/
Knecht uñ Maͤgd/ Camel und Eſel gegeben/ als von der Schaafe
Milch und Woll? damit er gehandlet/ und viel Schaͤtze geſamlet? Jacob
Pontanus
p. 573.dunckte ſich gar Reich ſeyn/ er hat alles gnug. Gen. 33, 11. Die Kinder
Jſrael in Egypten nahmen treflich zu/ im Lande Goſen/ durch GOttes
Segen wurden ſie reich/ welches den Egyptern dermaſſen wehe in den
Augen gethan/ daß ſie ſich fuͤr ihnen fuͤrchteten und beſorgten/ ſie werden
endlich Meiſter im Land werden/ darum ſie Pharao geſchwaͤcht und auß-
geſogen/ und woher hat das Land Canaan den Nahmen eines Milchflieſ-
ſenden Lands bekommen/ als von der reichen Viehezucht/ daß ſie ſo viel
Milch gemolcken/ und das Land davon uͤberſchwemmet/ wol dem Volck
dem es alſo gehet/ deren Schaaffe tragen tauſend/ und hundert tauſend
auff
[21]Predigt.
auff ihren Doͤrffern/ Pſ. 144. Aber Davids Hirt iſt wol viel ein reicherer
Hirt/ alles hat GOtt unter ſeine Fuͤſſe gethan/ Schaaffe und
Ochſen allzumal/ Pſ. 8. Alle Thier im Walde ſind ſein/ und
Viehe auff den Bergen/ da ſie bey tauſenden gehen/ Pſ. 50, 10.
Nicht nur aber ſelbs reich/ ſondern auch ein reichmachender HErr/ zu
gleicher weiß wie Joſeph nicht nur fuͤr ſich reich geweßt/ voller Schaͤtz und
Guͤter/ ſondern auch ein reichmachender/ ſattgebender/ freygebiger/ groß-
thaͤtiger und vollfuͤllender Herꝛ geweßt/ der erfuͤllet hat das Hauß Poti-
phar/ daß alles von Segen gefloſſen/ was er angeruͤhrt/ Alles was er
that/ da gab GOtt Gluͤck zu durch ihn.Gen. 39, 3. Erfuͤllet und
reich gemacht das gantze Koͤnigreich Egypten/ ſonderlich aber hat Joſeph
ſeinen alten Vater Jacob/ und duͤrfftige Bruͤder wol berathen/ denen er
Baͤuch und Saͤcke gefuͤllet/ Gen. 42, 25. Alſo auch Chriſtus unſer edle
Hirt und Wirth. Er iſt nicht nur fuͤr ſich ſelbſt der Reichſte/ in welchem
alle Fuͤlle der Gottheit/ das iſt/ auch aller goͤttlicher Reichthum gewohnet/
ſondern er iſt auch ein reichmachender/ milder GOtt/ und großthaͤtiger/
freygebiger HErꝛ/ der darum kommen/ daß ſeine Schaaffe leben
und volle Genuͤge haben ſollen.Joh. 10, 10. Er iſt gen Himmel ge-
fahren/ und Gaben empfangen fuͤr die Menſchen/ er gibt Safft und
Krafft/ huͤll und gefuͤll/ er ſaͤttiget alles und laͤßt nichts manglen/ lauter
volle Genuͤge/ nicht nur in regno potentiæ, in dem Macht-Reich/ die
Hungerigen fuͤllet er mit Guͤtern/ ſingt die holdſelige Jungfrau
von Nazareth/ Maria in ihrem Magnificat, Luc. 1, 53. hat uns viel
guts gethan/ und vom Himmel Regen und fruchtbare Zeitung
gegeben/ unſere Hertzen erfuͤllet mit Speiſe und Freuden.Act.
14, 17. Er decket auß dieſer ſeiner Fuͤlle alle Jahr den Tiſch/ die groſſe
Welt-Taffel/ die Lufft mit Gefluͤgel/ die Waſſer mit Fiſchen/ die Aecker
mit Brod und Wein/ das Feld und Gaͤrten mit fruchtbaren Baͤumen/
Laub und Graß/ die Eutern und Dutten der Kuͤhe mit Milch reichlich
und mildiglich. Sonderlich aber im Reich der Gnaden fuͤllet er ſeine
Schaaffe mit allerhand Gnaden-Schaͤtzen/ von ſeiner Fuͤlle nem̃en
ſie alle Gnad um Gnad.Joh. 1, 16. mit der Gab uͤber alle Gaben
dem H. Geiſt ſelbs/ die gantze Welt mit dem Evangelio von Rantzion
und Vergebung der Suͤnden/ von dem groſſen Gluͤck und hohen Adel
der Kindſchafft GOttes/ von dem ſchoͤnen Kleid der Erneuerung/ von
dem Schmuck der χαρισμάτων und Ampts-Gaben/ davon die Kirch
leuchtet/ ſonderlich aber erfuͤllet er das H. Tauffwaſſer mit ſeinen theur-
C iijerwor-
[22]Die Andere
erworbenen Gnaden-Schaͤtzen/ und ſchwaͤngert daſſelbe/ daß Kinder ge-
zeuget werden/ wie der Thau auß der Morgenroͤthe. Wein und Brod im
Sacrament deß H. Abendmahls erfuͤllet er mit der lebendigmachenden
Krafft und ſeligmachenden Tugend ſeines heilwaͤrtigen Rantzionbluts.
In regno gloriæ ſeinem him̃liſchen Gnaden-Reich der triumphirenden
Kirchen erfuͤllet er die him̃liſchen Reichs-genoſſen mit Glori, Freud und
Seligkeit/ mit Fuͤlle der Freude. Da iſt er alles in allem/ er ohne Mittel/
iſt (wuͤrcket nicht allein) alles in allem/ als das hoͤchſte Gut/ das allen ap-
petit ſaͤttiget und fuͤllet/ GOtt und genug und alle Fuͤlle.
V. Dominus Potentiſſimus, der Allmaͤchtigſte HErꝛ. Hirten wa-
ren vorzeiten maͤchtige Leute/ Nabal Gadol meod war ein maͤchtiger Po-
tentat/ hat ein groſſe Gewalt unter ſich/ der Bezirck ſeiner Bottmaͤſſigkeit
erſtreckte ſich ſehr weit. Aber ſo hoch/ ſo weit hats keiner gebracht/ als Da-
vids Hirt/ der ſagen darff Matth. 28. Mir iſt gegeben aller Gewalt im
Him̃el und auff Erden/ aller Gewalt/ Vollmacht/ Majeſtaͤt/ ſam̃t allen
goͤttlichen Regalien/ ein ungemeſſener ewiger Gewalt. Dan. 7, 14. Hertzbe-
wegender/ durchdringender/ Teuffelsbañender Gewalt/ Luc 4, 30. Was
iſt das fuͤr ein Ding/ er gebeut mit Macht und Gewalt den un-
ſaubern Geiſtern/ und ſie gehorchen ihm. Seinen Juͤngern hat er
auch die Macht gegeben uͤber die unſaubern Geiſter Luc. 10, 17. doch kei-
vid. Ab-
ſcheidbr.
p. 299.nen ſolchen herrlichen/ Majeſtaͤtiſchen/ gebietenden/ allezeit durchdringen-
den/ ſondern mehr nicht als einen Werckzeuglichen/ dienſtbaren/ erbette-
nen Gewalt. Wie ſprichſtu/ Gewalt uͤber den Teuffel/ wie reimet ſich das
mit der Experienz, iſt nicht der Satan allenthalben Meiſter? Jſt er nicht
der κοσμοκράτωρ, der Herꝛ und Fuͤrſt dieſer Welt/ ſolte man die Welt in
der Mappa außcirculn uñ abmeſſen/ die groͤßte Welt-portion wuͤrde dem
Satan zufallen/ Chriſto wuͤrde das wenigſte uͤberbleiben. Aber ô deß ar-
men Herꝛn/ er ſagt zwar Luc. 4. ſie iſt mir uͤbergeben (die Macht und
Gewalt uͤber die gantze Welt/) und ich gebe ſie wem ich wil. Aber er
leugt pro more. Der armen elenden Macht/ eines zwar ſelbſt angemaß-
ten groſſen Welt-Herꝛn/ aber in der Warheit armen/ ohnmaͤchtigen/ ge-
fangenen und mit Ketten der Finſternuͤß angebundenen Sclaven/ der
weiter nicht gehen kan/ oder thun/ als der/ ſo ihm verhaͤngt/ Maaß/ Ziel
und Gewicht ſetzet/ es gehet zwar offt uͤberzwerch daher/ und ſcheinet/ der
Teuffel ſey Meiſter worden; aber in fine videtur cujus toni, tandem
eſt rector in orbe Deus. Jm außkehren findet ſichs. GOtt bleibet doch
Richter und Herꝛ auff Erden. Daß der groͤßte Hauff der Menſchen dem
Sa-
[23]Predigt.
Satan dienet/ daß er ſo viel Land und Leut mit ſeiner Finſternuͤß erfuͤllet/
das iſt kein Zeichen der Ohnmacht Chriſti/ ſondern gerechten Gerichts uñ
Verhaͤngnuͤß/ der dem Satan verhaͤngt mit ſolchen kraͤfftigen Jrꝛthum̃en
zu ſtraffen/ weil man die reine Warheit ſo verachtet/ gleich wie der Wuͤrg-
Engel in Egypten durch Gottes Verhaͤngnuͤß groſſen Schaden gethan/
und alle Erſtgeburth geſchlagen/ aber Fried und Sicherheit/ Liecht und
Wohnung/ war in den Wohnungen der Kinder Jſrael. Dort war der
Platz/ darauff der Satan tyrañiſiret/ viel groͤſſer und weiter/ als derjeni-
ge Raum/ da die Kinder Jſrael gehauſet: alſo hat der hoͤlliſche Seelen-
Moͤrder durch goͤttliche Verhaͤngnuͤß uͤber die jenige/ ſo Chriſtum nicht
wollen zu einem Koͤnig habẽ/ groͤſſer Gewalt/ die ſind gemeiniglich die Erſt-
gebohrne/ das iſt/ die edelſten in der Welt/ ſein Gnadenreich iſt zwar nicht
in der gantzẽ Welt/ aber ſein Machtreich iſt ein allgemeines/ gehet uͤber den
gantzen Erdboden/ iſt auch mitten unter ſeinen Feinden. Conſequenter
VI. Paſtor unicus. Ein eintziger Hirt. Ezech. 34. Eccleſ. 12. und
das nicht nur Exochicè, dieweil er der Ertzhirt. 1. Petr. 5. ſondern Exclu-
ſivè. Sintemal ſolche jetzt erzehlte Prædicata und Eigenſchafften kein an-
dere Perſon weder im Himmel noch auff Erden ſuſtiniren und tragen
kan/ von keiner Creatur/ Engel oder Menſchen kan geſagt werden/ daß ſie
ſeye Jehova, ſelbsweſentliche Herꝛ/ ein Eigenthums-Herꝛ/ ein Siegs-herꝛ
der reichſte und reichmachende HErꝛ/ der allgewaltigſte HErꝛ/ ſo gar/ daß
auch kein andere goͤttliche Perſon mit ihrem eigenen Blut eine Heerde er-
kaufft und gewonnen. Darum bleibt er wol monadicus Paſtor, ein Phœ-
nix unter den Hirten/ der ſeines gleichen weder im Him̃el noch auff Er-
den ſehen kan. Es hat aber derſelbe als der Ertzhirt ſeine unter-Hirten/
alle getreue Lehrer und Seelſorger/ iſt deßwegen gen Himmel gefahren/
daß er etliche ſetze zu Apoſteln/ etliche zu Propheten/ etliche zu
Evangeliſten/ etliche zu Hirten und Lehrern.Eph. 4, 11. Aber de-
ren keiner heißt Jehova, Hirt und HErꝛ/ ſondern Hirten und Knecht/
Hirten-Knecht/ non Hierarchæ, ſed Hierurgi, Diaconi der Kirchen/
Haußhalter/ ὑπηρέται, ſie haben mehr nicht als werckzeuglichen/ dienſtba-
ren und erbettenen Gewalt/ Analogicè, ἀφ᾽ ἑνὸς π [...]ς ἕν, Gleichnuͤß-weiſe/vid. Artic.
Schmal-
cald. p.
346.
in welchem Verſtand auch die Obrigkeit Elohim, das iſt/ Goͤtter genen-
net werden. Sie haben ihren geiſtlichen Kirchen-Gewalt uͤber das Wort
uñ H. Sacramenten/ aber wie geſagt/ einen erbettenen Gewalt/ ἐὰν συμ-
φωνήσωσι. Matth. 18. Sie haben die Gewalt der Schluͤſſel zum Himmel-
reich/ aber nicht anders als Joſeph/ dem befahl der Am̃tman uͤber
das
[24]Die Andere
das Gefaͤngnuͤß alle Gefangene/ und alles was geſchach/ muß-
te durch ihn geſchehen/Gen. 39, 21. 22. doch alſo/ daß er ein Mitgefan-
gener war. Er hat ſeinen zween Thurn-geſellen/ gutes und boͤſes/ Leben uñ
Tod verkuͤndiget/ uñ ohn zweiffel den einen loßgelaſſen/ den andern feſt ge-
bunden/ biß auff den Tag ſeines ſupplicii, Urtheils/ und Straffe. Sum̃a
in actu officii, und Am̃thandlung iſt David dem Nathan unterworffen/
Theodoſius dem Ambroſio. Neben dieſen Unterhirten haben uñ tragen
auch dieſen Nahmẽ in H. Schrifft die weltliche/ Oberkeitliche Regenten/
ſie heiſſen Hirten. Num. 27, 17. Eſa. 44, 28. ποιμένες λαῶν, ihnen ſtehet zu
das Axioma, uñ fuͤrtrefliche Regale, das Jus Epiſcopale, das oberſte Hir-
ten-Recht in der Kirchen/ welches ihnen Gott der Herꝛ ſelbs eingehaͤndi-
get/ Exod. 4, 16. als ein groſſes Heiligthum̃ in Gold eingefaßt/ du ſolt
Aarons Gott ſeyn/ nicht Jehovah, ſelbs Herꝛ/ gemachter/ erhoͤheter/ ge-
meſſener Am̃ts-Gott/ gebietender Herꝛ/ darum als Aaron hoͤchlich ver-
griffen/ uñ eine groſſe Suͤnd auff das Volck gebracht/ durch Aufrichtung
deß guͤldenen Kalbs/ ſtellet er an ihn als ſeinen gebietenden Herꝛn eine
Supplication mit dieſen Worten: Mein HErꝛ laß ſeinẽ Zorn nicht
ergrim̃en.Exod. 32, 22. alles nach der Regul meines Worts/ und mei-
nem Exempel/ wie ich ſelbſt thue/ als ein Gott der Ordnung/ bey dem ἐυ-
ταξία uñ ἐξουσία, Gewalt uñ gute Ordnung zwo Schweſtern/ die ſich nicht
voneinander trennen laſſen. Und du Aaron ſolt ſein Mund ſeyn/ ſein
Ehrwuͤrdiger Mund/ Lehr und Rath-mund/ Bet-mund/ Segen-mund/
Straff-mund. Conſtantinus M. hat dieſe Gewalt gar artig ſequeſtrirt/
Euſeb. l.
4. de vita
Conſtant.
c. 29.wañ er an ſeiner Kaͤyſerl. Taffel den anweſenden Biſchoͤffen und Seelen-
Hirten geſagt: ϒμεῖς μὲν τῶν ἐσω τῆς Εκκλησίας, ἐγὼ δὲ τῶν ἐκτὸς ὑπὸ Θε [...]κα-
ϑεςάμενος ἐπίσκοπος ἄνει῎ην. Jhr meine liebe Biſchoͤffe/ Pfarrer uñ
Seelen-Hirten ſeid zwar Biſchoͤffe iñer halb der Kirchen. Jch
aber bin von GOtt beſtellet zu einem Biſchoff auſſer der Kir-
chen. Jſt folgends von Chriſtlichen Kaͤyſern alſo geuͤbet worden/ und
ſind in deſſen loͤbl. Fußſtapffen getretten Juſtinianus, Theodoſius, Gra-
tianus, Honorius, Dagobertus, der Amandum eingeſetzt/ und andere
mehr/ biß daß Fuͤrſten uñ Herꝛen durch Mißhaͤlligkeit untereinander den
Papſt das divide ſicher laſſen practiciren/ und ihm nicht widerſprechen
wollen/ und dadurch gar das Hefft auß Haͤnden gegeben/ und endlich gar
um daſſelbige geſprungen/ weil ſie es ſo haben wolten/ uͤber dieſen Paſtorat
hat ſich ein anderer Hirt eingedrungen/ ſervus ſervorum, Paſtorlarvatus,
der oberſte Hirt zu Rom/ als welchem Chriſtus mit dem Wort/ weide mei-
ne Schaaſt/ zu Petro/ als ſeinem erſten vermeinten Papſt uñ Statthalter
geſpro-
[25]Predigt.
geſprochen den hoͤchſten Gewalt eingeraumet. Bellarm. l. 1. P. R. c. 14.
Das iſt/ den Gewalt uͤber (a) Menſchen/ (b) Engel/ (c) Kirchen-
Guͤter/ (d) Bind- und Loͤß-Schluͤſſel.
- (a) Summus Pontifex [ita clarè Bellarm. l. 2. de Concil. c. 17.] ſimpliciter \& ab-
ſolutè eſt ſuprà Eccleſiam \& ſuprà concilium generale, ita ut nullum in terris
ſuprà ſe judicem agnoſcat. \& adverſ. Barclai. c. 3. p. 64. Quicunque infideles
poſſunt privari à S. Pontifice, à dominio quod habent ſuper fideles. Ibidem
repetit bullam excommunicatoriam Eliſabethæ Reginæ, ubi inter alia: Re-
gnans in excelſis unum Pontificem ſuper omnes gentes \& omnia regna Prin-
cipem conſtituit. - (b) Inauditi ac enormis faſtus ſpecimen in cœlites juxtà ac inferos imperii ex-
hibuit Clemens VI. Anno 1350. in bulla, quam his verbis deſcripſit Joh. Ba-
læus Cent. 4. ſcript. Britann. p. 375. Quicunque peregrinandi cauſa ad ſan-
ctam civitatem accederc propoſuerit, illa die, qua de hoſpitio ſuo viam arripe-
re voluerit, eligere poſſit confeſſorem, ſeu confeſſores \& in via \& in locis aliis
quibuscunque. Quibus quidem confeſſoribus autoritate noſtra concedimus
plenam poteſtatem abſolvendi omnes caſus papales, ac ſi perſona noſtra ibi eſ-
ſet. Item concedimus, quod ſi verè confeſſus in via moriatur, quod ab omni-
bus peccatis ſuis penitus immunis ſit \& abſolutus. Et nihilominus prorſus
mandamus Angelis Paradiſi, quatenus animam à purgatorio penitùs abſolu-
tam in Paradiſi gloriam introducant. - (c) Laymann. in juſta defenſ. p. 173. Idem Pontifex habet plenam poteſtatem
dandi \& auferendi bona Eccleſiaſtica etiam ſine cauſa. p. 266. \& ibid, p. 22 fa-
cultas ultimas voluntates aut fundationes mutandi ſeu diſpenſandi Pontifici
reſervata eſt. - (d) Bellarm. contrà Barclai. c. 31. p. 253. In bono ſenſu dedit Chriſtus Petro
poteſtatem faciendi de peccato non peccatum, \& de non peccato peccatum.
Peccatum eſt inire in matrimonium in gradu prohibito, non je junare in qua-
drageſima, die feſto laborare ſerviliter: Et tamen hæc omnia \& alia id genus
plurima, diſpenſante Petro, auctoritate clavium ſibi datarum peccata eſſe deſi-
nunt: contrà verò poteſt Petrus addere novum gradum conſanguinitatis \& af-
finitatis, addere novum diem jejunii, addere novum diem feſtum, \& hinc fient
peccata, ſi quis in gradu illo addito conjugium contrahat, aut diebus additis
non jejunet, aut ab opere ſervili non abſtineat, quæ tamen anteà peccata non
fuiſſent. Sic igitur peccatum fuiſſet Regi tali, vel tali non obedire, \& tamen
ſi per claves Petri ille talis Rex hæreticus declaretur, excommunicetur \& depo-
natur, jam non erit peccatum illi non obedire. Imò ſi Papa (ſententia eſt e jus-
dem Bellarm. l. 4. R. P. c. 5.) erraret in præc ipiendo vitia, vel prohibendo vir-
tutes, teneretur Eccleſia credere, vitia eſſe bona \& virtutes malas, niſi vellet
contrà conſcientiam peccare.
Aber ô Paſtor! ô Idolum! O Goͤtzenhirt. Auß waſer Macht thuſt
du das/ und wer hat dir die Macht gegeben? fuͤrwahr nicht von Chriſto/
dann die drey metaphoræ, Felß/ Schluͤſſel und Weiden/ als des Pabſt-
thum̃s Grund-Seulen moͤgen ſolchen ungeheuren Laſt nicht ertragen/
Neundter Theil. Dund
[26]Die Andere
und koͤnnen den Stich nicht halten/ O reiſſender Wolff! davon ſo viel
Zeugen/ als Blutbaͤder du angerichtet haſt. O grimmiger Tyrann! als
der du alle Characteres und Eigenſchafften deſſen erfuͤlleſt/ und in dir
zuſammen flieſſen. Solche Tyranney iſt nie erdacht/ nie auffkommen.
Pharaonis Tyranney/ Simſons Gefaͤngnuͤs/ die Viehiſche Dienſtbar-
v. vale Tri-
umph. p.
362.keit der Tuͤrcken iſt gulden gegen dieſer/ Urſach/ iene betrifft nur den Leib/
hie leidet die Seele Noth/ die Vernunfft muß ſich gefangen geben unter
den blinden gehorſam/ und muß gleichſam obbruteſciren/ die Zung wird
gehemmet und gelaͤhmet/ und darff nicht freymuͤndig wozu ſie Recht hat/
reden. Straßburg hat dergleichen an Guilhelmo II. erfahren/ welcher/
als er wegen ſeiner unertraͤglichen Schinderey und unnoͤthigen ſchaͤdli-
chen Krieg/ den er wider die Stadt erreget/ in hafft gezogen/ und in der
Sacriſtey deß Muͤnſters bewahret worden/ hat er beym Concilio zu Coſt-
nitz von dem Roͤmiſchen Kayſer Sigismundo erhalten/ daß die Stadt
Straßburg in Kirch- und Reichsbann gethan worden. Wolte die ver-
bannte Stadt wiederum außgeſohnet und loß werden/ mußte ſie der Apo-
vid. Wim-
pheling.
Catal, E-
piſc. Ar-
gent. pag.
104.ſtoliſchen Cam̃er zahlen und buͤſſen 6000. Gulden. Deßgleichen an Gual-
tero von Geroltzeck/ der ſchieſſet wider ſeinen Schaaffſtall einen ſolchen
ſtarcken Bañſtrahl auß/ daß er nicht allein alle Sacramenta verbotten/ ſon-
dern auch der gantzen Cleriſey ſam̃t den Knaben/ ſo die Lateiniſche Sprach
gelernt/ auß der Stadt außgebotten/ bloquirte hierauff die Stadt/ und
belaͤgert dieſelbe/ brennet ab/ pluͤndert in der Stadt Gebieth alles rein auß.
Wie koͤnnen/ wie ſollen und wollen wir doch dem Ertz-hirten Chriſto
gnug dancken/ daß er durch Lutherum Chriſtlichen Obrigkeiten die Au-
gen geoͤffnet/ die unerſchwingliche Tyranney und das nefas entdeckt/ das
Biſchoffliche Recht wieder in flor und Schwang gebracht/ und vermit-
telſt deß Paſſauiſchen Vertrags/ und nechſten Muͤnſteriſchen Frieden-
Schluſſes wiederum erſtattet und gefirmet. Wann alle unſere Gedan-
cken koͤnten in lauter feurige und flammende Andachten/ unſere Glied-
maſſen in lauter Zungen verwandlet werden/ koͤnten wir nim̃er erſchoͤpf-
fen und außſprechen die uͤberſchwengliche Goͤttliche Gnad/ die uns durch
ſolche Libertaͤt gegoͤnnet worden. Jſt eine Gutthat die danckens werth/
zuforderſt im Hertzen zu æſtimiren/ quantus noſter Paſtor, wie groß und
hoch unſer Hirt/ und ihn nicht ſo leichtlich wie Judas um 30. Silberling
zu verkauffen. Geſchicht ſo offt man die Goͤttliche Warheit verraͤth/ dar-
uͤber er klagen muß/ ey eine trefliche Summa/ deren ich bin werth geachtet
worden. Zach. 11. Sondern auff dieſen Jehovam und herꝛlichen Hirten
das
[27]Predigt.
das Fundament und Veſte unſers Glaubens und Vertrauens gruͤnden/
wie das Schaaf auf ſeinen Hirten/ recht guͤltige conſequentias machen/
wie David. Mein Hirt heißt Jehova,Herꝛ. E. wird mir nichts manglen/
weil er ein reicher und reichmachender Herꝛ/ ſo werde ich auch volle Genuͤ-
ge haben/ ſo viel ich bedarff/ und mir nutz iſt. Jſt mein Hirt ein Siegs-vid. D.
Schmid.
p. 1057.
Herꝛ/ E. ſo fuͤrchte ich kein Ungluͤck/ E. Trutz dir/ du hoͤlliſcher Geiſt/ du
bruͤllender Loͤw/ hie der Loͤw vom Stammen Juda/ der Uberwinder der
Hoͤllen und deß Todes/ ein einiges Woͤrtlein/ ſo auß dieſes HErꝛn Mun-
de gangen/ ſol dich matt machen/ ja faͤllen/ trutz dir Welt/ und aller deiner
Macht/ wo ſie am hoͤchſten iſt/ ſie iſt gleich einer krafftloſen Schweinblaas/
ſie kan/ wil nicht ſagen/ dem Wind und Meer/ ſondern einer einigen Peſt-
Druͤſen nicht wehren. Trutz dir Pabſt und Tuͤrck und deinen Gebotten/ ſo
fern ſie Chriſtum nach ihrer blinden Vernunfft wollen lehren ſein Regi-
ment fuͤhren. Welche edle und recht guͤldene Kunſt unſer theure und ſel.
Lutherus wol und herꝛlich practicirt/ dann als ihm der Stern auff den
Reichs-Taͤgen nicht leuchten wolte/ wie er gewuͤnſchet/ ſo appellirt er an
ſeine feſte Burg: und gibt ſich darauff zu Ruh. Jſt mein Hirt ein maͤch-
tiger ja der allermaͤchtigſte Herꝛ/ E. ſol mich niemand auß ſeiner ſtarcken
Hand reiſſen/ kein Gewalt/ kein Schwerd/ kein Strang/ kein Feuer/ auch
keine Kranckheit/ Bloͤdhaͤuptigkeit/ Aberwitz/ weder hohes noch tieffes/ ja
gar keine Creatur/ wie grim̃ig/ wie maͤchtig ſie auch ſeye/ außgenom̃en die
Suͤnde/ wann das Schaaf in einen garſtigen Suͤnden-bock degenerirt/
und durch freywillige Suͤnde ſich loßwuͤrcket/ die ſcheidet Schaf uñ Hir-
ten voneinander. Liegt nur daran/ daß ich Jhnanflehe/ und anlauffe/ kein
repuls, vielweniger lanien hab ich bey Jhm zu befahren/ wie Lurherus
vom Papſt Leone X. welcher/ ohnangeſehen Lutherus als das Schaaf
ſich fuͤr ihm/ als dem Loͤwen gedemuͤthiget/ Unterweiſung und Ablaß be-
gehrt/ daſſelbe mit Bannſtrahlen von ſich geſtoſſen/ (Tom, I. Jen. p. 56.)
Endlich dancken debito officii per ſervitutem, daß wir uns ihm gantz zu
eigen/ und ſchnldigem Dienſt dargeben/ dahin uns anweiſet unſer Cate-
chiſmus uñ ander Artickel des Apoſtoliſchen Glaubens/ er iſt mein Herꝛ/
der mich verlohrnen und verdam̃ten Menſchen erloͤſet hat/ erworben/ ge-
wonnen von allen Suͤnden/ vom Tod und von der Gewalt des boͤſen Gei-
ſtes/ auf daß ich ſein eigen ſey/ nicht mein/ nicht des Teuffels/ und in ſeinem
Reich unter Jhm lebe/ und ihm dienein ewiger Gerechtigkeit/ ꝛc. Si totum
me debeo, ſchreibt Bernhardus Tract. de diligendo Deo, pro me facto,
quid addam jam pro refecto, \& refecto hoc modo? Nec enim tàm fa-
D ijcilè
[28]Die Dritte
cilè refectus? Nam qui me ſemel tantùm dicendo fecit, in reficiendo
profectò \& dixit multa, \& pertulit dura, nec tantùm dura, ſed \& indi-
gna. In primo opere me mihi dedit, in ſecundo ſe, \& ubi ſe dedit, me
mihi reddidit. Datus ergò \& redditus me pro me debeo. Quid Deo
retribuam pro ſe? Nam etiamſi me millies rependere poſſem, quid
ſum ego ad Deum? So ich mich gantz ſchuldig erfinde fuͤr meine Schoͤpf-
fung/ was ſol ich dann hinzu thun und zugeben fuͤr meine Wiederſchoͤpf-
fung und Erloͤſung/ und zwar/ fuͤr ſolche Wiederſchoͤpffung/ wie obgemel-
det? Sintemahl ich nicht ſo leicht erloͤſet und aufs neue gleichſam erſchaf-
fen und gemacht worden/ ſonſt haͤtte der/ welcher mich durch ein eintziges
Wort geſchaffen/ in meiner Wiederſchoͤpffung nicht ſo viel Wort beduͤrft/
er haͤtte nicht ſo viel hartes Creutz/ Marter und Angſt (wiewol unſchul-
dig) erdulden und außſtehen duͤrffen. Jn der erſten Schoͤpffung zwar
hat er mich mir ſelbſt geſchenckt und gelaſſen/ in der andern aber hat er ſich
mir geſchenckt/ und wo er ſich geſchencket/ hat er mich mir wieder gegeben
und frey gemacht. Auff welche Weiß ich nun frey und mir gelaſſen bin/
befinde ich auch fuͤr mich GOtt zweyfaͤltig ſchuldig/ bin ich Gott fuͤr mich
ſchuldig/ was bin ich ihm dann ſchuldig fuͤr ſich/ fuͤr ſeine Muͤhe/ fuͤr ſein
Leiden und Sterben? Jn Betrachtung/ wañ ich gleich tauſendfaͤltig mich
bezahlen koͤnte/ bin ich doch nichts gegen einem ſo groſſen Gott. Das iſt ge-
wißlich wahr. Ey ſo werde es auch an uns gewißlich wahr. Fiat. Amen.
Die Dritte Predigt.
Vom Hirten.
GEliebte in Chriſto. Wuͤrden/ Buͤrde/Honos, onus. wo
groſſe Wuͤrde iſt/ da iſt auch ſchwere Buͤrde/ wo Ehr/ da Muͤh/
wo Hoheit/ da Arbeit/ wo Herꝛlichkeit und Ergoͤtzlichkeit/ da Be-
ſchwerlichkeit/ ſind zwey correlata, die ſich moraliter und tugendlicher
Weiß nicht trennen laſſen. Was GOtt zuſam̃en gefuͤget/ das ſol der
Menſch nicht ſcheiden. Die Eltern/ Vater und Mutter hat GOtt der
HErꝛ hochgeehret/ ſie in ſein Sinaiſch Geſetz einverleibt/ den Kindern
ernſtlich gebotten/ ſie ſollen Vater und Mutter ehren/ das iſt/ wie es eigent-
lich nach dem Grunde Text lautet/ gleichſam als Gold waͤgen/ ihre merita
und beneficia auff die Goldwag legen/ und dañenhero das precium ſchaͤ-
tzen/ ſie theur uñ werth halten/ was aber an dieſer Wuͤrde fuͤr ein Laſt und
Buͤrde
[29]Predigt.
Buͤrde hanget/ wie ſauer den Eltern der Kinder Geburth/ Zucht Pfleg/
Sorg ankomme/ zumahlen wann ſie mißrathen/ Creutz und Hertzenleid
machen/ davon klagen und ſagen fromme Eltern/ die es erfahren. Der
Oberkeitliche Stand iſt von GOtt dem HErꝛn ſo geadelt und geſegnet/
daß er denſelben/ als ein ſonderbar Heiligthum/ in die guldene monſtranz
ſeines Worts eingeſetzt/ und ſie mit dem hohen Namen GOttes regalirt.
Jch hab geſagt/ ihr ſeid Goͤtter/Pſ. 82. Was kan einem ſterblichen/
ſuͤndlichen Menſchen fuͤr groͤſſere Ehr wiederfahren/ als Gottes Namen
und Stammen tragen. Aber welch ein ſchwere/ unertraͤgliche Buͤrde den-
ſelben auff dem Hals liege/ daruͤber hat Moſes auß eigener Erfahrung
lamentirt und geſagt: Wie kan ich allein ſolche Muͤhe und Laſt/
und Hadder von euch ertragen?Deut. 1, 12. Samuel hat nicht
vergebens ominirt/ wann er dem Saul/ den er zum Koͤnig erwehlet hat/
uͤber der Taffel und Mahlzeit die Schulder vom Opfferfleiſch fuͤrgelegt/
und ihne dabey erinnert/ er werde nicht des Volcks Bauch ſeyn/ eſſen/ trin-
cken/ was ihm wolgeſchmackt/ ſondern Schulder/ und alle Laſt auff die
Achſel nehmen muͤſſen. Jene Bauren im Bauren-Krieg (ſchreibt Lu-
therus, Tom. I. Isleb. p. 379. 486.) ſagten: Wir wollen auch Mardern
Schauben und guldene Ketten tragen/ und Rebhuͤner freſſen/ aber nicht
gedacht/ was fuͤr Beſchwerlichkeit an ſolchen Ketten geſchrieben ſtehe/
wann Gott einen zu einem Martyrer machen wil/ ſo ſetzt er ihn in den Re-
genten-Stand. Sitzt er da nicht wie ein Scherg/ ſondern fuͤhret ſein Am̃t
ſorgfaͤltig/ treulich/ gewiſſenhafft/ mit Ernſt/ dem darff man den Teuffel
nicht uͤber die Hauß-Thuͤr mahlen/ und zu Gevattern beten/ der Poͤbel kan
ihn ſchon gelenck machen. Fuͤhrt er aber den Stand nicht/ wie es ſeyn ſol/
wil Wuͤrde ohne Buͤrde tragen/ nur wol leben/ uñ das Regiment an einẽ
Nagel haͤngen/ ſo ſitzt er wie ein Scherg. Viel groͤſſers Ding iſts um die
Seelen-ſorg/ und geiſtlich Hirten-Am̃t/ dem hat der H. Geiſt den Titul
der Ehrwuͤrde ſelbs gegeben/ 1. Tim. 5, 17. Die Elteſten/ die wol fuͤrſte-
hen/ die halte man zweyfacher Ehren werth/ ſonderlich die da arbeiten
im Wort/ und in der Lehre. Aber wie ſiehet Bernhardus daſſelbige
an? er ſagt/ es ſey onus angelicis humeris tremendum. Andere/ es ſey
negotium negotiorum, wann nichts waͤre/ als die ſchwere Verantwor-
tung einiger Seelen-Verſaumnuͤs/ die erſchreckliche Draͤuungen/ ana-
themata, fulmina und Donnerſtrahlen/ ſo in GOttes Wort ergangen/
ſam̃t den Exemplen/ da GOtt dergleichen Draͤuungen exequirt/ ſo waͤre
es ja Laſt genug. Das wußt auch David wohl/ hat deßwegen auff dieſe
D iijCon-
[30]Die Dritte
Conjunctur gedeutet/ mit derſelben intonirt/ die da heißt/ Wuͤrde/ Buͤr-
de. Hat ſeinen Hirten/ den er ſo hoch recommendirt/ nicht nur den glor-
wuͤrdigſten Jehovam geneñet/ denſelben beſchriebẽ/ als einen Selbsherꝛn/
gebohrnen Herꝛn/ Eigenthums-Herꝛn/ ein hochgebiet enden Herꝛn und
Helden/ den reichſten Herꝛn/ bey dem kein Mangel zu befahrẽ/ den Herꝛn
aller Herꝛen/ ſondern er ſtellet uns auch dar ſeine Buͤrde/ in dem Namen
eines getreuen Hirten/ die er uͤbernom̃en/ vom Himmel herab kom̃en/ ein
Hirtenfell angezogen/ den Hirten-ſtab ergriffen/ mit groſſer Muͤhe und
Sorgfalt das Hirten-Am̃t eines Seelen-Hirten gefuͤhrt/ Leib und Leben
druͤber eingebuͤßt/ und daſſelbe mit ſeinem theuren Blut uñ Tod verſieglet.
Die Wuͤrde im Namen des Herꝛn angezeigt/ haben wir vor 8. Tagen be-
ſchaut/ uñ erwogen/ folget nun daß wir die Buͤrde/ in dem Namen eines
Hirten angedeutet. E. L. vortragen. Da wir dann zu betrachten τὶ καὶ τὶς,
wer eigentlich der Hirt/ den David gemeynt/ ſey/ und worin ſein Hirten-
Am̃t beſtehe. Davon nun auferbaulich zu reden und zu handlen/ wolle uns
der Vater des Liechts ſeines H. Geiſtes Gnad reichlich mittheilen/ Amen.
Belangend τὶ καὶ τὶς, die Definition und Nomenclatur eines Hirten/
was David allhie durch den Hirten wolle verſtanden haben/ ſo iſt es zwar
an dem/ ſuchen wir die Nomenclatur und Antwort in Curia Romana,
am Roͤmiſchen Hof und Cantzley des Roͤmiſchen Pabſts/ ſo werden wir
einen hoch-auffgeblaſenen Hirten finden/ der ſtylus Curiæ wird uns den-
ſelben als einen weltlichen Regenten/ einen regierenden/ gebietenden/ her-
ſchenden Herꝛn beſchreiben/ dann ſo hat die Latina vulgata das Hebrei-
ſche Wort Roi oder Roah gedolmetſchet/ Dominus regit me, dero zu folg
ſo wol die neue außgelaſſene Chur-Maintziſche/ als alte deutſche Verſion
Dietenbergers es alſo gegeben: Der Herꝛ regieret mich: nach Bellarmi-
ni Meynung/ l. 1. R. P. c. 15. p. 878. bedeut das Wort paſce Joh. 21.
Weyde meine Schaafe/ ſo viel/ als den hoͤchſten Gewalt haben. Und wie
Gretſerus es außlegt Tom. 2. defenſ. p. 460. iſt der oberſte Hirt und
Pfarrherꝛ zu Rom.
1. Ein Koͤniglicher Monarch/ der alle Jura Majeſtatis, alle Regalia,
Oberkeitliche Hoheiten/ Macht/ Herꝛlichkeit uñ Gerechtigkeit beſitzt/ die Ju-
ra Majeſtatis das Koͤnigliche Recht 1. Sam. 8. zu uͤben vermag/ Sohn uñ
Tochter zu ſeinem Goͤtzendienſt durch den Gewiſſens-Strick des blinden
Gehorſams an ſich ziehen: er hat Jurisdiction nicht allein auff Erden in
v. Hodom.
Pap. p. 390.foro conſcientiæ, im Gewiſſens-gericht ſeine Beichtkinder als Partheyẽ
abzuhoͤren/ zum Beichtſtuhl zu verurtheilen/ Gewiſſens-ſtraffen aufzule-
gen/
[31]Predigt.
gen/ judicialiter uñ gerichtlicher-weiß zu inquiriren uñ zu erkennen; ſon-
dern auch externè allerhand Gerichtliche Proceſs nach dem Lauff des
Rechten/ richten uñ ſchlichten. Ein Roͤmiſcher Hirt iſt (2) ein Blutrich-
ter/ wiewol er nicht ſelbs/ ſondern durch ſeine Scharffrichter/ die weltliche
Obrigkeit/ vermittelſt der Inquiſition, in ſenatu ſanguinis, im Blutge-
richt/ dieſelbe Gewalt zu uͤben/ zu gleicher weiß/ wie ein Hirt (ita Bellarm.vid. Joh.
Læt. p. 598.
l. 5. R. P. c. 7. p. 1421.) die Woͤlff auff allerhand Weiß und Weg/ wie er
nur im̃er kan/ abhaltet/ damit ſie nicht in Schafſtall einbrechen/ die Stoß-
boͤck ſepariren/ die Schaaſ mit ſeinem Hirtenſtab zwingen/ daß ſie gehen
und thun muͤſſen/ was er gebeut: alſo kan auch der groſſe Hirt zu Rom/
Regenten uñ Herꝛen wañ ſie abfallen uñ Ketzer werden/ die Koͤnigliche A-
der ſchlagen/ die Cathol. Fuͤrſten/ wañ ſie nicht recht dem Pabſt wollen zu
Chor reiten/ abſondern/ Waſſer und Weyd verbieten/ mit Bannſtrahlen
vom Thron herab ſchlagen/ ja gar mit Ruthen caſtigiren/ dergleichen di-
ſciplin Henrico II. Koͤnig in Engelland wiederfahren. Davon pralet
Corn. à Lap. ad Matth. p. 112. die Ketzer/ ob ſie zwar ihrer Jrꝛthum̃ nicht uͤ-Corn. à
Lap. ad
Matth.
berwieſen (als welches ſie bißher an den Lutheranern nicht gekoͤnt) zum
Schwerd und Feuer verdam̃en/ anders nicht/ als Dieb und Moͤrder.
‘Docent omnes Catholici, hæreticos incorrigibiles, ac præſertim relapſos poſſe ac
debere ab Eccleſia re jici, \& à ſecularibus poteſtatibus (quibus à Cleto tradun-
tur, ut Chriſtus à Sacerdotibus Pilato,) temporalibus pœnis, atque ipſa etiam
morte mulctari, ita Bellarm. l. 3. de Laic. c. 21. vid. ib. arg. c. 22. Maldonatus ad
Luc. 9. pag. 96. Comburendi ſunt, tanquam proditores \& transfugæ hæretici,
nec ulla belli cauſa juſtior eſſe poteſt, qu am ut religionis poſſeſſio defendatur.
Bellarm. l. 5. de Pontif. Rom. Pontifex poteſt mutare regna, \& uni auferre, alte-
ri conferre, tanquam ſummus Princeps ſpiritualis, \& c. 7. Non licet Chriſtianis
tolerare Regem infidelem aut hæreticum, ſi ille conatur pertrahere ſubditos ad
ſuam hæreſin vel infidelitatem.’ ()
Ein Roͤmiſcher Hirt iſt (3) Bellator, ein Kriegsmañ/ der ohne ſcheu
Krieg fuͤhret/ die Schafe mit dem Kriegs-Schwerd verfolget/ maſſen die
Exempla vorhanden/ und die taͤgliche Praxis davon gnugſam zeuget und
jener Biſchoff in Franckreich. Ein Roͤmiſcher Hirt iſt (4) ein gewaltſa-vid. Gott-
fried p. 128
part. 3.
mer Melcker und Scherer/ oder vielmehr Schinder/ der das Schaf nicht
nur melckt und ſcheert/ ſondern gar ſchindet/ uñ die Haut uͤber die Ohren
abziehet/ davon zeuget das Roͤmiſche Corban/ die uͤberfluͤſſige/ unnuͤtze re-
ditus uñ Einkommen der Stiffter uñ Cloͤſter/ da die Eltern ihre Kinder
ſpolirt, ad remedium animarum, ihren Seelen damit Huͤlff und Rath
zu ſchaffen/ daß nun Acker- und Bauersleuth/ ja auch Edle und hohe
Stands-perſonen/ ihrer Guͤter uñ Herꝛlichkeiten reſpectivè entſetzt/ der
Cle-
[32]Die Dritte
Cleriſey Coloni/ Zinß uñ Guͤlt-Leut ſeyn muͤſſen/ die ihrẽ ſauren Schweiß
denſelben zutragen/ daß ſie davon praſſen und prangen/ und darff man
noch wol von des Papſts Schmarotzern ſo verwegen in die Welt hinauß
v. Anti-
chriſtos.
p, 751.ſchreiben/ Papam ne milleſimam partem excipere à Chriſtianis, quod
ipſi debetur. Bzo v. l. 10. de ſign. Eccleſ. c. 10. confer. l. 11. c. 11. p. m. 464.
Straßburg hat vorzeiten dieſes Scheermeſſer mit Schmertzen erfahren/
Bernhard.
Hertzog.
l 4 Chron.
Alſat. p.
114.es war ein gute reiche/ aber wol außgeſogene Melckkuh/ Biſchoff Albrecht
hat den Butterpfennig erdacht/ und um gewiſſen Taxt in der Faſten/ auß
ſolcher gepreßten Contribution die Butterbuͤchſen gefuͤllt. Ja gar der
Todten wurde nicht geſchonet/ ſondern unter dem Schein der portionum
Canonicarum, das ultimum vale, den Leibfall von den auch armen Leu-
ten erpreſſet/ und ehe die armen Leute unbegraben gelaſſen/ als daß ſie ei-
nes ſelbs angemaßten lytri oder Ranzion Gelt wolten ermanglen. Ein
Roͤmiſcher Hirt iſt (5) ein Selbs-Weider/ der mehr auff ſich/ ſein, Ge-
Luther.
Tom. 4.
Witt. p.
457. f. 2.mach/ Kirchen-Gewalt und Freyheiten/ Præbenden/ Einkom̃en ſihet/ uñ
angelegen ſeyn laͤßt/ als auf die Herd/ der Roͤmiſche Staat muß erhalten
ſeyn/ und ſolt kein Chriſt mehr in der Welt bleiben. Der beſte und helle-
ſte Commentarius iſt bellum ſacrum, da es um die geiſtlichen Guͤter zu
thun/ da der fromme Kaͤyſer Ferdinandus III. das Inſtrumentum pacis
eingangẽ/ wie bruͤllt/ wie heult der Lycanthropus zu Rom/ In nocentius
X. und ſein Schmarotzer der vermumte Euſebius macht alles zunicht.
Innocentius X. in Bulla Pacis Germanicæ abrogatrice, An. M. DC LXI. promul-
gata, hæc inter alia: ſanè cum infimo doloris ſenſu accepimus, quod per plu-
res annos Oſnaburgis die 6. Auguſti 1648. inter Clariſſimum in Chriſto Filium
noſtrum Ferdinandum Romanorum Regem \& Imperatorem electum, cum ſuis
fœderatis \& adhærentibus, ex una, \& Suecos cum eorum itidem fœderatis, \&
adhærentibus ex altera, nec non alterius pacis Monaſterii Weſtphal. 28. Octob.
ejusdem 48. inter eundem Ferdinandum Romanorum Regem \& Imperatorem
electum cum ſuis pariter fœderatis \& adhærentibus ex una, atque chariſſimum
etiam in Chriſto Filium noſtrum Ludovicum, Francorum Regem Chriſtianiſſi-
mum, cum ſuis ſimiliter fœderatis, ex altera parte reſpectivè initarum, \& mox
p. 43. Ipſo jure nulla, irrita, invalida, iniqua, injuſta, damnata, reprobata, inania
viribusque \& effectu vano omnia fuiſſe, eſſe, \& fore in perpetuo, neminemque
ad illorum, \& cujuslibet illorum, etiamſi juramento vallata ſint, obſervantiam
teneri, neque ex illis cuiquam aliquod jus vel actionem aut titulum coloratum,
vel cauſam reſcribendi, etiamſi longiſſimè \& immemorabilis temporis poſſeſ-
ſio, ſeu quaſi poſſeſſio, etiam citrà ullam interpellationem, ſeu interruptionem
ſubſequatur, acquiſitum fuiſſe nec eſſe, minusve ullo tempore acquiri \& com-
petere poſſe, neque illa ullum ſtatum facere, nec feciſſe, atque perinde, ac ſi nun-
quam emanaſſent, pro non exſtantibus \& non factis perpetuò haberi debere,
tenore earundem præſentium decern imus ac declaramus, atque uti ſequitur,
articulos pacis præfatos, \& poteſtatis plenitudine penitus damnamus, reproba-
mus,
[33]Predigt.
mus, nullamus, caſſamus, annullamus, viribusque \& eſſectu vacuamus
Das heißt nach dem ſtylo curiæ Romanæ ein Hirt/ das heißt paſ-
ce oves, weyde meine Schafe. Hat nun David in dieſem Pſalmen ei-
nen ſolchen Hirten verſtanden? iſt der Meſſias ein ſolcher Tyrann und
Miedling/ wie der ſtylus Curlæ lautet/ wie Paſtor larvatus, und ver-
mumte Hirt der Roͤmiſche Papſt denſelben in ſeiner Comœdi repræ-
ſentirt/ wie des Papſts Unter-hirten/ Prieſter und Pfaffen in die Ubung
gebracht/ ſo mag David dieſen Herꝛn fuͤr ſich behalten/ wir wollen nicht/
daß dieſer uͤber uns herſche/ wir ſetzen ihn in die Litaney/ GOtt wolle ſei-
ne Gemeine von Woͤlffen und Miedlingen erloͤſen und ledig machen/
kehren ihm den Ruͤcken und ſagen/ ade, vale, apage. Vale, ô Paſtor, ô
Idolum! O Goͤtzen-Hirt! aͤuſſerlich huͤbſch gemahlet mit vermeinter
Geiſtlichkeit/ er wil ein geiſtlicher Herꝛ ſeyn. Das iſt/ ein weiſer Raab/Luther.
Tom. 4.
Witt. pag.
455. f. 2. \&
p. 458.
ein Butz mit einem Engel-Kleid angezogen/ welches doch nicht ſeyn
kan/ dann was geiſtlich iſt/ das iſt unſichtbar/ er wil ein gnaͤdiger Herꝛ
ſeyn unter des Biſchoffs-Stab/ und iſt der ungnaͤdigſte/ ſtrengeſte/ un-
gerechteſte Tyrann titulo \& exercitio. Vale ô ἀλλοτριοεπίσκοπε, du
faulwitziger Allefentzer der Wuͤrde und Buͤrde ſeparirt/ das Predig-
Am̃t von dem Herꝛen- und Prælaten-ſtand/ der groſſe Ertz-hirt wil keinen
ſolchen larvatum und vermumten Hirten unter ihm in ſeiner Heerd lei-
den/ hat ihn außgemuſtert/ als er jung worden. Luc. 22, 25. Vos autem
non ſic.Jhr aber nicht alſo. Jſt ein Spruch/ der ihm ſo bald nicht
laͤßt die Zaͤhn außbrechen/ die Außflucht mit dem κατακυριεύιν mag denv Scherer.
p. 287.
Stich nicht halten/ q. d. nicht ſo praͤchtig/ ſtreng/ wie die Heidniſche
weltliche Herꝛen. Nein. Das Wort wird von dem frommen heiligen
Adam geleſen. Gen. 1, 28. GOtt dem HErꝛn und Chriſto ſelbſt zugelegt.
Jer. 3, 14. Pſ. 71, 8. Pſ. 110, 3. und werden hie die weltliche Herꝛen ἐυεργέται
gnaͤdige Herꝛen genant/ E. vale, ò Lupe! O Ertz-Wolff! dem der
Wolff auß den beeden Augen herauß ſihet/ man ziehe ihm die larv ab
und den Schafsbeltz auß/ ſo wird da ſtehen ein greulicher Lycanthr o-
pus, der der Heerde nicht verſchonet/ von anbegin ein lanien uͤber die an-
der angerichtet/ und viel 1000. Seelen der Hoͤllen in ihren Rachen ge-
luͤffert.
Salve im Gegentheil/ biß willkomm/ O du Edler/ du guter/ du ge-
treuer Hirt/ HErr JEſu Chriſt/ dich meynet/ dich characteriſirt Da-
vid/ dir zu Ehren hat er dieſes Bucolicum gedichtet/ geſungen und ge-
ſpielet; in curia cœleſti, nach dem ſtylo, Art und Meynung des H.
Geiſtes/ iſt ein Hirt/ gar viel ein anderer Mann/ als er im Papſtthum
Neundter Theil. Efigu-
[34]Die Dritte
figurirt und gebildet wird. Ein Hirt der ein Hirt iſt/ Hirten-Treu/ Hir-
ten-Lieb/ Hirten-Tugenden uͤbet/ der weydet/ leitet/ ſcheidet und heilet/
tractirt alſo dieſelbe als zarte Schaͤflein/ nicht als wilde Loͤwen/ Woͤlff/
Roß und Maͤuler/ kein weltlicher Regent. Dann ob zwar auch Koͤ-
nige/ Fuͤrſten und Herꝛen Hirten genennet werden/ ſo geſchicht doch
ſolches nicht ſo fern als ſie Koͤnige ſeyn/ herſchen und regieren/ ſon-
dern wegen der Liebe/ Milde und Art mit den Schafen umzugehen.
Homerus Agamemnonem paſtorem populorum dixit, ratione (non κυριότητος
ſed [...]εργεσίας amicæ [...]ν τροφῇ καὶ παιδεία. Competit amicitia Regi ſanè er-
ga ſubditos in beneficii ſupereminentia, benefacit enim iis, qui ſub regno ſuo
ſunt, ſiquidem bonus cùm ſit, ipſorum curam habet, ut bene agant. Non ſe-
cus atquc ovium paſtor. Unde Hometus Agamemnonem paſtorem populo-
rum dixit. Talis autem paterna etiam eſt; tametſi magnitudine beueficio-
rum præſtat. Hæc Ariſtot. l. 8. Eth. c. 13.
David hat den Nahmen eines Hirten/ und zwar paſtoris paterni,
zu dem ſich ſeine untergebene Schaf ſo viel als zu ihrem Bruder verſe-
hen: 2. Sam. 5, 1. Kamen alle Staͤmme Jſrael zu David gen He-
bron und ſprachen: Siehe/ wir ſind deines Gebeins/ und deines
Fleiſches. Dazu auch vorhin/ da Saul unſer Koͤnig war/ fuͤhreſtu
Jſrael auß und ein. Weil er ſeine Unterthanen ſanfft/ ſaͤuberlich/
zaͤrtlich/ mit Gelindigkeit/ und vielem Verſchonen/ mehr mit Worten
als mit Streichen tractiret. Ein Exempel ſeiner Liebe und Treu gegen
dieſelbe hat er erwieſen 2. Sam. 24, 17. Dann als der Wuͤrg-Engel einen
Einbruch unter ſie gethan/ und mit der Peſtilentz dermaſſen unter ihnen
hauſiret/ daß in dreyen Tagen ſiebentzig tauſend Mann von ihm erwuͤr-
get worden/ und nun biß zur Tenne Arafna des Jebuſiters in Jeruſa-
lem kommen/ und David denſelben geſehen/ ſo wirfft er ſich ihm zu ſei-
nen Fuͤſſen/ und wil gern ſein Leben mit dem Leben ſeiner Unterthanen
vertauſchen/ und ſpricht zum HErrn:Siehe ich habe geſuͤndi-
get/ ich habe die Miſſethat gethan/ was haben dieſe Schaaf
gethan? und Pſ. 78. ꝟ. ult. ſtehet: Er weydet ſie mit aller Treu/
und regieret ſie mit allem Fleiß. Anders als Rehabeam/ der mit
Peitſchen und Scorpionen drein ſchlagen wollen. Ein ſolcher Hirt/
ſagt David/ iſt mein Hirt/ der nicht weltlich regiert/ ſein Reich iſt nicht
von dieſer Welt. Sondern der ſeine Schaf fein ſaͤuberlich/ zaͤrtlich und
ſanfft tractirt/ mit Suaſionen/ mit Menſchen-Seilen/ nicht Zwangs-
weiß/ ſondern Bitts-weiß/ er hat ein Regiment angefangen nicht
mit
[35]Predigt.
mit Harniſch/ Schwerter/ Buͤchſen/ Bogen/ er wird ein ſon-
derliche Weiſe anfahen die Leute fromm zu machen/ nicht mit
dem Rad oder Galgen/ ſondern mit oder durch das Evange-
lium/ er wird die Leute faſſen/ dabey ſie am beſten zu faſſen
ſind/ nemlich bey dem Hertzen und nicht bey dem Halſe/ auf
daß ſie ſich willig unterthun und ihm gerne folgen. Sind
Wort Lutheri Tom. 5. Witt. p. 303. f. 2.
In ſpecie und inſonderheit ſo iſt ein Hirt (1) ein Beymann/ der im̃erVirtutes
Paſtoris
vid. Corn.
ad Proph.
p. 706.
um und bey den Schafen bleibt/ nicht muͤſſig/ ſondern immer geſchaͤfftig/
mit ſcharffen wachtſamen Augen/ wie Jacob/ er laͤßt ihm kein Schlaff
in ſeine Augen kommen/ zehlet ſeine Schaf/ und wo er eines verlohren/
ſucht er es. Alſo auch Chriſtus unſer HErꝛ und Heyland: Ob ich
ſchon wanderte im finſtern Thal/ fuͤrchte ich kein Ungluͤck/
dann du biſt bey mir. Er kennet ſeine Schafe/ er nennet ſie mit Na-
men/ dann der feſte Grund GOttes beſtehet und hat dieſen
Siegel/ der HErꝛ kennet die ſeinen. 2. Tim. 2, 19. entgeht ihm
eins/ ſo ſuchet ers wieder/ darum iſt er vom Himmel kommen zu ſuchen
das verlohren iſt/ hat kein Schlaff ihm laſſen zu lieb werden/ dieſelbe zu
bewachen/ oft und viel Naͤcht mit beten zugebracht. Dann der Huͤ-
ter Jſrael ſchlaͤffet noch ſchlummert nicht.Pſ. 121, 4. und ſein
Auffſehen bewahret unſern Athem.Job. 10, 12. (2) Ein Hirt iſt
ein Weydmann/ der ſeine Schafe außfuͤhret auff eine ſolche gute/ ſaffti-
ge/ thauende Weyde/ da es Leben und volle Genuͤge finden kan. Ein ſol-
cher Hirt iſt Chriſtus/ er weydet ſeine Schafe mit Lehr und Weißheit/
ſein liebes und ſuͤſſes Evangelium/ das lauter Milch und Honig/ iſt
die rechte Seelen-Weyd und guͤldene Aue/ voller Seel-Hertz- und
Geiſt-erquickenden Troſt-Blumen. Ja nicht nur das/ ſondern er hat
auch gar ſein Fleiſch und Blut zu einer Speiß und Tranck gegeben und
gelaſſen. Joh. 10, 11. 15. Quis paſtor oves paſcit proprio cruore?
fragt Chryſoſtomus hom. 60. ad popul. Antioch. Welcher Hirt hat
jemals ſein Schaf mit ſeinem eigenen Blut getraͤncket? (3) Ein Hirt
iſt ein Leit- und Beleitmann/ geht vor der Heerd her/ fuͤhret ſie auff rech-
ter Straſſen/ und zur Quellen. Alſo iſt auch Chriſtus unſer Hodoge-
ta, Wegweiſer/ Prodromus und Vorlaͤuffer, Hebr. 6, 20. der Weg/ die
Warheit und das Leben/ hat ſich ihnen ſelbſt zu einer lebendigen Quell
und Brunnen dargeſtellt. Joh. 7, 37. Wen da duͤrſtet/ der komme
zu mir und trincke. Er iſt den Schafen vorgegangen/ mit heiligem
E ijExem-
[36]Die Dritte
Exempel des Lebens und Wandels/ und damit ein Vorſchrifft hinter-
laſſen zu tretten in ſeine Fußſtapffen/ die da heiſſen Lieben und Leiden.
(4) Ein Hirt iſt ein Scheidmañ/ er ſcheidet ſeine Heerd von den Woͤlf-
fen/ die Schafe von den Boͤcken/ die Schabige von den Geſunden.
Eben das hat auch Chriſtus gethan/ dann das bezeugen die vielfaͤltige
Diſputationes, Concertationes mit den Phariſeern und Schrifftgelehr-
ten gehalten/ die Fulmina und Bannſtrahlen wider ſie außgeſchoſſen/
der Elenchus verbalis, und Wort-Straff/ ſo er an alle hartnaͤckige und
boßhafftige/ frevele Suͤnden-Knecht gethan/ dann auch der Stab wehe
wol thut/ wann ſchon nicht dem Leib/ doch der Seel/ oder wie Paulus
redet 1. Cor. 5, 5. Auff daß der Geiſtſelig werde an dem Tag des
HErꝛn JEſu. Ein Hirt iſt (5) ein Heilmann. Ein Hirt heilet/
des Schwachen wartet er/ das Krancke verbindet er/ das Verirrete ſu-
chet er. Ezech. 34, 3. Alſo iſt auch Chriſtus/ der HErꝛ unſer Artzt.
Exod. 15, 26. durch deſſen Wunden wir ſeind heil worden.Eſa.
53, 5. Ein Hirt iſt (6) ein Melckmann/ er ſcheert und melckt ſeine
Schaf/ iſt billich/ welcher weydet eine Heerd/ und iſſet nicht von der
Milch der Heerde? ſagt Paulus 1. Cor. 9, 7. Alſo hat auch Chriſtus
ſeiner Auditoren Milch und Woll genoſſen/ Maria Magdalena/ Mar-
tha/ Suſanna/ Johanna haben ihm gedienet/ und treulich verpfleget. Es
haben ihm auch wol die Raben beytragen muͤſſen/ die geitzige/ raͤuberiſche
Phariſeer/ als mit welchen er oͤffters gegeſſen und getruncken. Aber das
war ſein fuͤrnehmſte Speiß nicht/ er ſuchte eine andere. Epictetus ſchrei-
bet vom Schaf/ Non affert opilioni fœnum, ut oſtendat, quantum co-
mederit, ſed lac \& lanam, Das Schaf bringet ſeinem Hirten das Heu/
damit er es gefuͤttert hat/ nicht wieder/ damit es ihm zeige/ wie viel es
gegeſſen habe/ ſondern bringet dagegen Milch und Woll. Alſo hat auch
Chriſtus bey ſeinen Schafen geſucht/ Fruͤchte der Gerechtigkeit/ Fruͤch-
te des Geiſtes. Gal. 5. Milch/ ſo die Durſtigen getraͤncket/ Woll/ ſo die
Nackenden bekleidet/ Matth. 25. Ein Hirt iſt (7) ein Schaf-Freund/
προβατόϕιλος, Joh. 21. Ein recht getreuer Schaͤfer iſt ein liebreicher
Mann/ der zufoͤrderſt getreu iſt ſeinem Herꝛn/ wie Jacob dem Laban
ſeinem/ wiewol untreuen Schwaͤher getreu geweßt. Gen. 31, 6. Jhr
wiſſet/ (ſagt er zu ſeinen beeden Weibern/) daß ich auß allen mei-
nen Kraͤfften euerm Vater gedienet habe. Wo ſein Fuß hinge-
gangen/ hat ihn der Segen begleitet. Ein Hirt iſt vertraͤglich mit an-
dern neben-Hirten/ darum heißt das Hebreiſche Wort auch ſo viel als
einen
[37]Predigt.
einen Geſellen/ einen Freund/ Gen. 38. 12. Alſo hat Loth Abraham ce-
dirt/ als er ihm zugeſprochen: Lieber laß nicht Zanck ſeyn zwiſchen
mir und dir/ zwiſchen meinen Hirten und deinen Hirten. Son-
derlich aber einet und meynet ein Hirt ſeine Schafe/ bevorab ſein pecu-
lium, ihm zu lieb verſchmacht er bey Tag vor Hitz/ und des Nachts vor
Froſt/ und laßt kein Schlaff in ſeine Augen kommen/ wie Jacob/ oder
wagt Leib und Leben fuͤr daſſelbe/ wie David/ legt daſſelbe in ſeinen
Schooß/ wie jener armer Mann 2. Sam. 12, 3. legt es auff die Achſel/
wie jener Hirt in der Parabel. Luc. 15. Alſo und gleicher geſtalt iſt auch
Chriſtus ſeinem Himmliſchen Vater getreu/ er ſagt: Jch hab noch an-
dere Schafe/ die nicht ſind auß dieſem Stall/ dieſelbe muß ich auch her-
fuͤhren/ und wird ein Hirt und ein Heerd werden. Joh. 10. Er vertraͤgt
ſich mit ſeinem Freund Johanni dem Taͤuffer/ dieſer weicht ihm und
ſagt: Er muß wachſen/ ich aber muß abnehmen.Joh. 3, 30. ſon-
derlich liebt er ſein peculium tenerrimè und zartiglich/ als welches er mit
ſeinem eigenen Blut erkaufft/ errennt/ erworben/ und auff das ſauerlich-
ſte gewonnen. Das iſt nun die σκιαγραϕία, der Abriß/ die Tugenden
deßjenigen Hirten/ den David in ſeinem Pſalm gemeinet/ dem er ſein
Bucolicum und Hirten-Lied geſungen.
Selig ſind nun die Augen/ die Dich/ (ô Edelſter Hirte!)
ſehen/ Sehen/ nicht zwar oculo corporeo, mit leiblichen/ ſinnlichen
und Coͤrperlichen Augen/ dann das iſt unſern ſuͤndlichen/ ſterblichen
Augen nicht mehr muͤglich/ und mag uns in dieſer Welt nicht gedeyen/
ſondern mit erleuchteten Glaubens-Augen/ Sehen im Geiſt/ wie Da-
vid/ im Spiegel deines Worts/ dem heiligen Evangelio/ Dich und
keinen Frembden/ auch Moſen nicht/ und zwar in der Figur/ wie Du
Dich ſelbſt abconterfehet/ als einen guten/ getreuen/ mild- und liebreichen
Hirten/ nicht in einer erſchroͤcklichen Figur eines zornigen Richters/ wie
man ihn im Papſtthum abgemahlt/ ſondern in dieſem holdſeligen ſchoͤ-Tom. 6.
Jen. p. 363.
nen Bild/ und in demſelbigen ihn immer fuͤr Augen haben. Tertullia-
nus ſchreibt von der erſten Kirchen/ ſie hab am Sacramentlichen Kelch
das Bild eines Hirten/ der ein Schaͤflein auf der Achſel getragen/ ſchnei-
den und praͤgen laſſen/ auff daß der Prediger ihm und ſeinen Zuhoͤrern
dieſes Bild wol ins Hertz eintrucke/ und ſich/ ſo offt ſie dieſen Kelch
brauchten/ ihres Ertzhirten uñ deſſen Exempel ſich erinnerten. Selig ſind
die Augen die Dich O getreuer Hirt ſehen cum affectu fiduciæ, mit ver-
traulichen Hertzens-Augen/ als die Grundfeſt unſers Vertrauens/ der
E iijnichts
[38]Die Dritte
nichts werde manglen laſſen/ der uns kein Ungluͤck wird treffen laſſen/
ob ſchon das Hertz Nein dazu ſagt: und etwa gedenckt/ dieſer Hirt iſt mir
viel zu edel und zu koͤſtlich/ ich bin nicht David/ David iſt ein heiliger Pro-
phet und GOtt ein werther Mann geweßt/ darum hat er von der Sach
wol reden/ und wie ers geredet/ fein glauben koͤnnen. Jch werde es ihm
nicht nachthun/ dann ich bin ein armer Suͤnder. Antwort: (ſind
Wort Lutheri, Tom. 6. Jen. p. 364.) Jch habe droben ange-
zeigt/ daß ein Schaͤflein ſonderlich dieſe gute Art und Tu-
gend an ſich hat/ daß es die Stimme ſeines Hirten wohl ken-
net/ und ſich mehr nach den Ohren richtet/ dann nach den
Augen. Eben dieſelbe Tugend preiſet CHriſtus an ſeinen
Schaͤflein/ da er ſpricht: Meine Schafe kennen meine Stim-
me. Seine Stim̃e aber lautet alſo: Jch bin ein guter Hirt/
und laſſe mein Leben fuͤr die Schafe/ und ich gebe ihnen das
ewige Leben/ und ſie werden nimmermehr umkommen/ und
niemand wird ſie mir auß meiner Hand reiſſen/ ꝛc. Auff die-
ſe Stimme habe fleiſſig Achtung/ und richte dich darnach/
thuſt du ſolches/ ſo halte gewiß dafuͤr/ du ſeyeſt Chriſti Schaͤf-
lein/ er dein Hirte/ der dich nun wol kenne/ und wiſſe dich auch
mit Nahmen zu nennen/ haſtu ihn aber zum Hirten/ ſo wird dir
fuͤrwahr nichts manglen/ ja du haſt ſchon/ was du haben ſolt/
das ewige Leben. Jtem/ du ſolt nim̃ermehr umkom̃en. Es
ſol auch keine Gewalt ſo groß und maͤchtig ſeyn/ die da ver-
moͤg dich auß ſeiner Hand zu reiſſen. Deß ſoltu mir gewiß
ſeyn/ dann dieſes Hirten Stimme wird dir gewiß nicht feh-
len/ was wilt du mehr. Laͤſſeſt du aber dieſe Stimme fahren/
und richteſt dich nach dem die Augen ſehen/ und der alte A-
dam fuͤhlet/ ſo verleureſt du den Glauben und Zuverſicht/
die du als ein Schaͤflein zu ihm/ als deinem Hirten haben
ſolt/ fallt dir jetzt dieſer/ jetzt jener Gedancken ein/ daß du nicht
zufrieden ſeyn kanſt/ ſonderndiſputireſt bey dir ſelbſt/ und
ſprichſt: Jſt der HERR mein Hirte/ warum verhaͤnget er
dann uͤber mich/ daß mich die Welt ohn alle meine Schuld
ſo jaͤmmerlich zuplaget/ und verfolget? Jch ſitze mitten un-
ter den Woͤlffen/ bin meines Lebens kein Augenblick ſicher/
ich ſehe aber keinen Hirten der mich ſchuͤtzen wolle. Jtem/
warum geſtattet er dem Teuffel/ daß er mir ſo viel Leids thut
mit
[39]Predigt.
mit Schrecken und Zagen? Dazu ſo finde ich mich gantz un-
geſchickt/ ungedultig/ und noch mit vielen Suͤnden beladen/
fuͤhle keine Sicherheit/ nur Zweiffel/ keinen Troſt/ nur
Furcht und Zitteꝛn fuͤr GOttes Zorn. Wann hebet er dañ
an zu beweiſen an mir/ daß er mein Hirte ſey? Solche und
andere noch viel wunderlichere Einfaͤll wirſt du haben/ wann
du ſeine Stimme und Wort laͤſſeſt fahren. Bleibeſt du a-
ber feſt daran hangen/ ſo laͤſſeſt du weder des Teuffels Liſt/
noch der Welt Ungnad und Toben/ noch deine eigene
Schwachheit und Unwuͤrdigkeit dich anfechten/ ſondern ge-
heſt frey hindurch/ und ſprichſt: Es ſetze ſich der Teuffel/
die Welt oder mein eigen Gewiſſen wider mich/ ſo hefftig ſie
immer koͤnnen/ ich wil mich darum nicht zu todt graͤmen/
es muß doch und ſol auch gehen/ daß wer des HErꝛn Schaͤf-
lein iſt/ wird von den Woͤlffen unangefochten nicht bleiben/
es gehe mir/ wie es der liebe GOTT uͤber mich verhaͤnget/
man ſiede oder brate mich/ ſo iſt das mein Troſt/ daß mein
Hirte ſein Leben fuͤr mich gelaſſen hat. Dazu hat er auch
eine ſuͤſſe/ liebliche Stimme/ damit er mich troͤſtet/ und
ſpricht: Jch ſol nimmermehr umkommen/ mich ſol auch
niemand auß ſeiner Hand reiſſen/ ich ſol das ewige Leben habẽ/
das wird er mir treulich halten/ es gehe mir/ wie es wolle/
und laufft meiner Schwachheit halben etwa noch Suͤnde/
oder andere Fehle mit unter/ er wird mich darum nicht weg-
werffen/ dann er iſt ein freundlicher Hirte/ der der ſchwachen
Schaͤflein wartet/ ſie verbindet und heilet/ und daß ich deſto
gewiſſer ſey/ und ja daran nicht zweifele/ hat er mir die Heil.
Sacramenta zum Wahrzeichen hinderlaſſen. Welches Ver-
trauen dann dieſe und dergleichen Seufftzer auß dem Hertzen in den
Mund leget/ Du Hirte Jſrael hoͤre/ erſcheine/ erwecke deine
Gnade/ komme mir zu Huͤlff/ GOtt troͤſte mich/ laß dein
Antlitz leuchten/ ſo geneſe ich.Pſ. 80, 1. \& ſeq. Selig ſind die
Augen/ die auff dich ſehen/ auff deine Fußſtapffen/ die heiſſen Lieben und
Leiden. Wir ſind und ſollen ſeyn alle Hirten. Ein Regent ſeinen Un-
terthanen/ ein Vater ſeinen Kindern und Geſind/ ein jeder ſeinem Nech-
ſten/ ja ſein ſelbſt. Die rechte Hirten-Sitten und Tugenden ſind abge-
mahlt in Chriſto/ darum auch ein jeglicher ſol gefinnet ſeyn/ wie Chri-
ſtus
[40]Die Dritte
ſtus auch war. Phil. 2. Sonderlich aber iſt allhie das Ziel geſetzt den al-
ſo eigentlich genanten Seelen-Hirten/ offentlichen Seelen-Hirten/ Leh-
rern und Predigern. Der Nahm iſt general, und allen gemein. St.
Paulus meynet alle/ wann er ſagt Act. 20, 28. Habt acht auff euch
ſelbſt/ und auff die gantze Heerde/ unter welche euch der Heil.
Geiſt geſetzt hat zu Biſchoͤffen/ zu weyden die Gemeine Got-
tes/ welche er durch ſein eigen Blut erworben hat. Deßglei-
chen St. Petrus Epiſt. 1. c. 5, 2. Weydet die Heerde Chriſti/ ſo
euch befohlen iſt. Wiewol die Obligation ſtaͤrcker bindet/ die par-
ticular. Seelſorger ſeind/ und den Lehrern entgegen geſetzt werden. Eph.
4. Hirten ſollen ſie ſeyn/ und nicht Seelen-Herꝛen/ nicht uͤbers Volck
herſchen/ Herſchen und Weyden ſeind ἀσύςατα, ſondern Fuͤrbilde der
Heerde werden. 1. Pet. 5. Was die Fuͤrſtliche Biſtthum in Teutſchland
anlangt/ laßt unſer Augſpurgiſche Confeſſion ihne ſolche Ehr/ aber
als weltlichen Herꝛen/ ſo ſie auß reichen und milden Stifftungen und
Geſchencken gutthaͤtiger Koͤnige und Kaͤyſer erlangt.
Si quam (ita Auguſt. Confeſſ. p. 39.) habent Epiſcopi poteſtatem gladii, hanc non
habent Epiſcopi ex mandato Evangelii, ſed jure humano, donatam à Regi-
bus \& Imperatoribus ad adminiſtrationem civilem ſuorum bonorum. Hæc
interim alia functio eſt, quàm miniſterium Evangelii. Poteſtatem (ait My-
lius in Aug. Confeſſ. art. 7. de poteſt. Eccleſ. p. 177) temporalem jure huma-
no ab eis poſſideri concedimus, ſed deſiiſſe illos eſſe, quod fuerant, ſtatuimus.
Suſcepta enim poteſtate \& dominio temporali, Eccleſiaſtico ordine ipſos exci-
diſſe credimus, ita, ut Epiſcopale præter nudum \& inane nomen nihil habeant.
Heutige Biſchoͤffe ſind weltliche Fuͤrſten) inquit Lutherus Domin. 24. Trin.
p. 153. f. 2.
So laßt man auch die Lutheriſche Canonicat, und dero Adminiſtra-
tion paſſiren/ darinnen auch bißweilen Kirchendiener/ nicht als geiſtliche
Seelenhirten/ ſondern als organa und Werckzeug des Biſchoͤflichen
v. Theol.
conſc. p.
886.Rechts/ tractiren ſolche Sachen/ als πάρεργα, als Schul- und nicht als
Kirchen-Lehrer/ man muß auß der Noth eine Tugend machen. Das iſt
aber das ἔργον, Seelen-hirten ſollen Acht haben auf die gantze Heerd/ Act.
20. ſollẽ weyden/ leiten/ ſcheiden/ heilen/ moͤgen auch der Woll uñ der Milch
genieſſen als Arbeiter/ die des Lohns werth. Luc. 10. Sind deßwegen keine
Miedling; gleich wie reich werden nicht verbottẽ/ aber reich wollen werdẽ/
iſt ſuͤndlich/ die fallen in des Satans Netz uñ Stricke/ in Ehren-ſitz erhabẽ
werden/ iſt nicht unrecht/ aber geehrt wollen werden/ Ehrſucht und Ehr-
geitz iſt ein Laſter: Alſo Lohn empfangen/ macht keinen Miedling/ wann
man
[41]Predigt.
man aber den Lohn ὡς ἓνεκα, zum letſten Ziel und Zweck hat/ daß macht
einen Miedling/ wie bißweilen leichtſinnige Pfarrenwerber und Curren-
ten thun/ die mit aller Macht wollen auffgeſtellt werden/ fragſtu war-
um/ es bedarff da keiner Hertzens-Schau/ der Tag und der Mund re-
dets. S. Denarius, die guͤldene Ernd/ fette Martini/ Neu-Jahr ꝛc.
da iſt manchem wehe. Weit muͤſſen dieſe lauffen/ die der accuſation
eines Miedlings wollen entlauffen.
Alles ex motivo charitatis, auß Trieb der Liebe/ Lieben und Leiden ſind
die zween Fußſtapfen/ darein ſie dem Ertz-Hirten muͤſſen nachtretten/
Lieben/ das iſt/ das Leben laſſen/ das iſt/ vitæ commoda und Ergoͤtzlich-
keit/ wie Moſes/ otium und faule Menſchen-Tag/ dann ſolches laͤßt recht-
ſchaffene Hirten-Treu und Wacht fuͤr den Schaffſtall der Kirchen nicht
geſchehen/ dabey dann Leiden nicht außbleibt/ je eiferiger/ je verhaßter/
je getreuer/ je unangenchmer. Treue Hirten kan der Satan nicht leiden/
die Welt ſiehet ſolche lieber unter als auff der Erden. Chriſtus hat ſeine
Phariſeer und Judam/ Johannes der Taͤuffer ſeinen Herodem/ Pau-
lus ſeine zween Schmid/ die ihm das Leben ſaur gnug gemacht/ und um
ſeinen guten Leumund gebracht/ Demetrium den Goldſchmid. Act. 19.
und Alexandrum den Schmid/ der ihm viel Leids gethan/ 2. Tim. 4.
Lutherus das gantze Roͤmiſche Reich/ den Teuffel mit ſeiner Mutter/
aber da wird nichts anders auß/ es muß gelitten ſeyn/ und ſich deſſen er-
wegen/ wann man ſich an dem Teuffel verſuͤndiget/ ſo ſchencket ers kei-
nem/ darum man in Gegentheil das Leiden mit der Liebe Chriſti muß
uͤberzuckern/ und mit Paulo ſprechen 2. Cor. 12, 15. Jch wil faſt gerne
darlegen/ und dargeleget werden fuͤr eure Seele/ wiewol ich
euch faſt ſehr liebe/ nnd doch wenig geliebet werde. Selig aber
endlich/ die um ſich ſehen und fuͤr ſich ſehen/ nicht nur den Hirten/ ſon-
dern auch ſeine Æmulanten und Affen recht lernen erkennen und unter-
ſcheiden/ nach dem Wort Chriſti: Sehet euch fuͤr/ fuͤr den fal-
ſchen Propheten/ die in Schaffs-Kleidern zu euch kommen.
Matth. 7. Προσέχετε, ſehet fuͤr euch/ huͤtet euch/ haltet gute Wacht/
ſchauet den Wolff an/ mit eigenen/ puren/ ungefaͤrbten/ uneingenom-
menen/ erleuchteten Augen/ ſo genau und ſcharff/ als genau und ſcharff
der Satan auff den frommen Job und ſeines gleichen ſchlechte und rech-
te Gottsfoͤrchtige Hertzen Achtung gibt. Job. 1, 8. (LXX. προσέχες τῇ
διανοίᾳ σου.) eben mit ſo genauen und ſcharffen Augen gebt ihr auch
Achtung auff der Woͤlffe Gaͤng. Wir haben Urſach/ wann wir zuruck
Neunter Theil. Fſehen
[42]Die Dritte
ſehen auff die Zeiten unſerer Vorfahren/ wie greulich die Woͤlff hie ein-
geriſſen/ und was fuͤr Hirten und Biſchoͤffe dieſelbe gehabt/ als deren
keiner hatte vor 1478. geprediget oder predigen laſſen/ allererſt in bemel-
tem Jahr hat Biſchoff Robertus einen Prediger im Muͤnſter beſtellt/
wie Guilman bezeuget/ p. 425. ſie waren non paſtores, ſed deglubito-
res, nicht Hirten/ ſondern Schinder/ Biſchoͤffe/ aber nicht der Seelen/
ſondern der Seckel/ die allerhand Fuͤnd erdachten den Leuten das Geld
auß dem Seckel herauß zu ſchwaͤtzen. Durch was groſſe Gnad und
panicos terrores, ſie von dem Oberſten Ertz-Hirten außgejaget worden
Anno 1559. Sie koͤnnen aber wieder kommen/ wann Gott wil zor-
nig ſeyn: Es iſt Jhm nur um ein Ziſchen und Wincken zu thun. Wann
wir bedencken/ was der Satan im Sinn gehalt/ gleich Anfangs bey
dem erſten Anblick des wiederum erſcheinenden Liechts deß Evangelii/
was fuͤr Lehrer in ſuggeſtu \& cathedra auff der Cantzel und Schul-
Stul eingeniſtet/ Calvinus ſelbſt/ der zaͤnckiſche Zanchius, Piſcator ab-
ſoluti decreti Apoſtolus Apoſtaticus und unartige/ abtruͤnnige Straß-
burger? Wie nahe es dran geweſen/ daß dieſe Stadt mit dem Calvi-
niſmo waͤre inficirt worden/ wann wir hinauß ſehen/ wie an andern
Orten es hergehe/ wie Anglia ein Diabolica worden/ was fuͤr greuli-
che Jrꝛwiſch da vagiren/ die Puritaner, die Independenten, die Expe-
ctanten, die Bruniſten, die neuſte Brut der Quacker/ und andere der-
gleichen. Wann wir in præſens bedencken/ wie das Thier Hyæna
Thomas Heinrici, Duræus ſchon lang des Hirten Stimm imitirt, in
Hoffnung den Hirten herauß zu locken/ wuͤrde es geſchehen/ ſo waͤre es
um die Schaaf geſchehen. Wie die Woͤlff unſern Schaafſtall umge-
ben/ und heulen/ wie ſchwach die Gegenwehr/ was ins kuͤnfftig zu hof-
fen/ es iſt dem Allmaͤchtigen Gott nur um ein Wincken zu thun/ ſo
vid. Voſſ.
p. 1116.reiſſen ſie ein/ und iſt alsdann die Vorſorg und Wacht zu ſpat. Plinius
ſchreibt/ wann der Wolff den Menſchen ehe ſehe/ als dieſer ihn/ ſo ver-
ſtumme der Menſch. Daß ſey wahr oder nicht/ ſo iſt es doch bey geiſt-
lichen Woͤlffen wahr/ wann derſelb mit ſeiner wachſamen Fuͤrſichtig-
keit uns vorkommt/ ſo verſtummet man/ man darff nicht mehr reden/
nicht mehr ſchreiben/ die Federn ſind nieder gelegt. Sapienti ſat di-
ctum: Jch ſchlieſſe mit Paulo in den Worten/ damit er ſeine Epiſtel
an die Hebreer beſchloſſen: Der GOTT des Friedens/ der von
den Todten außgefuͤhret hat den groſſen Hirten der Schaafe/
durch das Blut des ewigen Teſtaments/ unſern HErꝛn
JEſum/
[43]Predigt.
JEſum/ der mache euch fertig in allem guten Werck zu thun
ſeinen Willen/ und ſchaffe in euch/ was fuͤr ihm gefaͤllig iſt/
durch JEſum Chriſt/ welchem ſey Ehre von
Ewigkeit zu Ewigkeit/
Amen.
Die Vierte Predigt/
Von
David/ als dem Schaaf.
GEliebte in Chriſto. Jn der uralten/ ſehr ſchoͤnen
Legend und Hiſtori des H. Patriarchen Jacob und ſeiner
Schaͤferey leſen wir von einem ſonderbaren/ Sinn- und
Geheimnuͤßreichen Artificio, Kunſt-Stuͤck/ Weyd-Kunſt/
und Weyd-Fund/ welche er der H. Jacob gebraucht/ ge-
uͤbet/ und einen reichen Nehr-Schatz damit gewonnen und
erworben/ dann als er der kluge und getreue Knecht mit ſeinem vortheil-
ſichtigen/ geitzigen/ Gott- und treuloſen Schweher Laban/ dem umge-
kehrten Nabal einen ſolchen Contract getroffen/ daß alle die bundten/
flecken und vielfaͤrbige Laͤmmer und Ziegen/ ſo von einfaͤrbigen/ weiſſen
Schaaf-Muͤttern fallen wuͤrden/ Jacob zum Lohn und Gewinn/ zum
peculio und Eigenthum gedeyen/ die uͤbrigen aber Labans ſeyn/ heiſſen
und bleiben ſollen/ ſo hat er in die Traͤnck-Rinnen geſtreiffte geſchelte und
faͤrbige Staͤb von Pappelbaum/ Haſeln und Caſtaneen gelegt/ worauff
erfolget/ daß wann ſie im Fruͤhlings-Lauff uͤber den Staͤben empfangen/
ſie in und auß Anblick gleicher Geſtalt/ gleichfoͤrmige Geburt geworf-
fen/ eine groſſe Menge und Anzahl von flecketen und bundten Laͤmmern/
davon Jacob uͤber alle maß reich und geſegnet worden/ und zur anſehn-
lichen Nahrung kommen. Es hat zwar die Natur das ihrige bey die-
ſer Wunder-Kunſt gethan/ ihr influenz und Wuͤrckung durch die Phan-
taſey beygetragen/ als dero Tugend/ Krafft und Art bey den Empfaͤng-
nuͤſſen/ Geburten und Bildnuͤſſen der Thier wundergroß. Und man
der Exempeln in Hiſtorien und Experienz beſchienen/ unterſchiedlich je
und allezeit gehabt/ wie bey ſchwangern Weibern durch Anſchaw eines
F ijund
[44]Die Vierte
und andern/ ſo ſchroͤcklichen/ ſo lieblichen objecti die Geſtalt der Ge-
burt ſich geaͤndert und nachgeahnet: Sonderlich iſt beruͤhmt die Hiſtoria
jener Moͤrin oder Moren-Koͤnigin/ die wider die Natur der Moren ei-
ne nicht ſchwartze Geburt/ ſondern ſchneeweiſſes Kind gezeuget und ge-
bohren/ Urſach/ ſie hatte in ihrer Kammer das ſchoͤne weiße Bild der
Andromeda, auff einer Mappa hangen/ daran vergaffte ſie ſich/ daß die
Phantaſie hernach das Kind demſelben nachgebildet. Alſo mag auch
die Natur bey dieſer Aenderung der Natur der Schaaf das ihrige ge-
than haben. Aber allein und ſeorſim die bloſe Natur nicht/ wann ſie
nicht von einem hoͤhern principio waͤre elevirt worden/ wuͤrde Jacob
wol laͤr Stroh gedroſchen haben/ und ſeinen Zweck nicht erreichet. Es
probiere es heutiges Tages ein Schaͤfer und mache es nach/ was gilts/
ob es ihm gelingen wird. Darum muͤſſen wir auff ein hoͤheres princi-
pium ſehen/ von dem dieſe Aenderung der Natur und reicher Segen er-
folgt/ nemlich der unerſchaffene Engel/ Gott ſelbſt/ der ihm zu Bethel
erſchienen/ der hat ihm im Traum dieſe Kunſt geoffenbahret/ und dieſel-
be geſegnet/ wie er ſelber nicht unlauter bejachzet und bekennet. Gen.
XXXI, 10. Der Engel iſt ihm erſchienen/ und gewieſen/ daß dieſe Kunſt
natuͤrlich und gut ſey/ ſagt Lutherus, derſelbe Gott hat euerm Vater
ſein Gut entwendet/ und mir gegeben/ als ein gerechter Richter. Weß-
wegen auch dieſes Kunſt-Stuͤck fuͤr kein Exempel eines Betrugs und
Diebſtals anzuſehen/ noch unfuͤglich und unvernuͤnfftig in dem Catechiſ-
mus-Buͤchlein dieſe Hiſtori als ein Exempel des Diebſtals dem achten
Gebot zuzufuͤgen und beyzumahlen. Sintemal quod DEUS jubet, id
ſine omni dubitatione ſanctum eſt \& licitum. Luth. Was Gott
heiſſet/ das iſt ohne allen Zweiffel heilig und erlaubt. Gleichwie der
Herr den Kindern Jſrael in Egypten wuͤrcklich recht geſprochen/
und ihre Frondienſt compenſirt, mit der Egypter guͤldenem und ſilbe-
rem Geraͤth/ gleich einem rechten Richter den Heimgang gethan/ und
den rechten/ wolverdienten/ bißher gehaltenen Liedlohn erſtattet. Alſo
hat die Gerechtigkeit fur Jacob gezeuget. Gen. XXX, 33. Es iſt aber
auch dieſes Artificium ein Vorbild auff den Ertz-Biſchoff und Hirten
unſerer Seelen/ und ſeine heilige Nachfolg/ den wir als den Kern und
Stern der gantzen heiligen Schrifft ſuchen und forſchen ſollen/ wie billig
in der gantzen heiligen Schrifft/ wo wir ihn finden koͤnnen/ alſo auch in
Jacobs Schaͤferey und Traͤnck-Rinnen. Er iſt der getreue Hirt/ Ja-
cobs Sohn und Antitypus, wir ſind ſeine außerwehlte Schaaf und
Laͤmmer/
[45]Predigt.
Laͤmmer/ derſelbig hat freylich auch in die Traͤnck-Rinnen und Quellen
Jſraelis/ das Wort ſeines H. Evangelii ſich ſelbſt gelegt/ als den gruͤ-
nenden Stab Aarons auß Jacobs Stamm/ die Ruth und Zweig Jeſſe/
ſamt aller ſeiner Farb/ Geſtalt/ Qualitaͤten/ Tugenden und Fußſtapf-
fen/ auff daß wann ſeine geiſtliche Schaafe/ glaubige/ außerwehlte See-
len/ geiſtlicher weiß im Glauben empfangen/ er ſich mit auffgedecktem
Angeſicht ſo lang ſpiegele/ biß er eine Geſtalt in uns gewinne/ und ſie in
daſſelbige Bild verklaͤret werden/ wie S. Paulus redet. Gal. IV, 19.
2. Cor. III. omnia εἰς ὑπογραμμὸν, daß wer ſein Schaaf ſeyn wil und
ſoll/ auch ſich ihm gleichfoͤrmig nachahne/ und alſo mit Warheit ſagen
koͤnne; Der HERR iſt mein Hirt/ und ich bin ſein Schaaf/ ohne
Falſch und Trug/ auff Art und Weiß/ wie wir anjetzo mit mehrerem ver-
nehmen wollen. Dann nachdem wir betrachtet den Herrn und
Hirten/ und auch den Hirten und Herrn/ einen getreuen/ liebreichen
Schaaf-Hirten/ als einen Weydmann/ Leitmann/ Scheidmann/ Heil-
mann und Melckmann/ wie ihn David abmahlt/ lernen erkennen/ ſo
folgt Davidica ἰδιοϖοίησις, die Eignung deſſelbigen mit Davids Hertzen/
weſſen Hirt Er ſey/ und was eigentlich ſein gewiſſes Schaaf ſey; Ex-
primirt in dem kraͤfftigen Wort MEJN. Hievon nun fruchtbarlich
zu reden und zu handeln/ wolle uns der Allerhoͤchſte Gott Liecht/ Gnad
und Beyſtand des H. Geiſtes reichlich verleihen/ Amen.
GEliebte in Chriſto. Ob nun in unſerm XXIII. Pſalm das
Wort oder der Nahme Schaaf mit keinem Buchſtaben hell
und klar außgedruckt/ und nirgends der Nahme eines Schaafes
benamſet wird/ ſo bringts doch der Verſtand auff dem Ruͤcken
mit ſich ex correlatione, wer ſagt: Dieſer Mann iſt mein Herus und
Haußherꝛ/ der ſagt zugleich mit/ ich bin ſein Knecht/ Magd/ ꝛc. Dieſer
mein Koͤnig. E. ich bin ſein Unterthan/ dieſer iſt mein Patron. E. bin
ich ſein Client, dieſer iſt mein Præceptor. E. bin ich ſein Diſcipul, dieſer
iſt mein Medicus. E. bin ich ſein Patient. Alſo ſeind auch dieſe beyde
Conjugata, Schaaf-Hirt und Schaaf/ die Gott zuſammen gefuͤget
hat/ unzertrennlich. 2. Ex prædicatorum confluxu. Er weydet mich
auff einer gruͤnen Aue/ E. bin ich ſein Weyd-Schaaf. Er traͤncket
mich. E. ſo bin ich ſein laͤchzendes und durſtiges Schaaf. Er fuͤhret
mich auff rechter Straß. E. bin ich ſein Geleit-Schaaf. Ob ich ſchon
wandelt im finſtern Thal/ fuͤrchte ich kein Ungluͤck. E. bin ich ſein
F iijSchutz-
[46]Die Vierte
Schutz-Schaaf. 3. Ex Chriſti explicatione \& [...]πιλύσει, der es alſo
erklaͤrt Joh. X. da Er ſich einen guten Hirten nennet/ aber darneben der
Schaaf nicht vergißt; ſondern deren mit Ehren gedenckt/ deren Elogia
und Tugenden er herauß ſtreicht/ paſcit manifeſtis, exercet obſcuris,
Aug. tract. 45. in Joh. IV. Sonderlich ex Davidis ipſius agnitione,
David hats ſelbſten erkennet/ der ſein lang Alphabeth den 119. Pſalm
mit dieſem bedencklichen Wort beſchloſſen: Jch bin wie ein verir-
ret und verlohren Schaaf/ HErꝛ ſuche deinen Knecht.Ani,
Ani, ach ich armſeliger/ exulirender Reichs-Bandit. Jch werde dort
durchaͤchtet leiblich von dem wuͤtenden Wolff/ dem Koͤnig Saul/ ich
werde in allerhand Jrꝛſahl getrieben/ gejaget uͤber Berg und Thal/ von
einer Wildnuͤß/ Einoͤde/ Klufft und Hoͤle in die andere/ und ſuchet wie
er mich moͤge zerreiſſen/ hie der wuͤtige/ grimmige Loͤw/ gehet um mich
her zu verſchlingen. O wehe mir. O Edler Hirt/ verlaß mich nicht/
ſuche mich/ ſonſt verdirb ich/ ruffe mir durch deine liebliche Hirten-Pfeiff.
Votum Catholicum, Davids flehender Mund alle Manns Mund.
Davids Wunſch/ aller und jeder Menſchen Wunſch. Wir gehen
alle in der Jrre wie Schaafe/ wir wiſſen weder Weg noch Steg/ wohin
und wodurch wir gehen ſollen/ wir bloͤcken und ſchreyen alle auß dem
Propheten Eſai. LIII, 6. Wir giengen alle in der Jrre/ alle/ alle/
deren Suͤnde auff den Hirten geleget worden/ wir ſind alle verirꝛte
Schaafe/ ein Jrꝛwiſch fladert daher/ der ander dorther/ einer rufft da-
her/ der ander dorthin/ und muͤſten wir uns gelaſſen alle in die hoͤlliſche
Wolffsgrube fallen. Ach ſo ſuche deinen Knecht/ bring ihn wieder zu
recht/ durch dein ſuͤſſes Evangelium und theures Miniſterium. Jſt
demnach Chriſtus Paſtor Catholicus, ein allgemeiner Hirt/ und iſt von
dieſer Hirten-Genoßſchafft und Gemeinſchafft niemand abſolutè und
bloß außgeſchloſſen/ juxta voluntatem \& intentionem antecedentem,
nach dem vorgehenden Willen und Meynung GOttes. Chriſtus der
allgemeine Hirt/ der ſein Leben fuͤr alle gegeben/ auff welchen alle unſere
Suͤnde geworffen worden/ iſt kommen zu ſuchen das Verlohrne/ nun
ſind wir alle verlohren/ aller unſer Suͤnd iſt auff Jhn geworffen. Nicht
ſind bloß außgeſchloſſen die ſtinckende Boͤck/ dann der verlohrne Sohn
war derſelben einer/ aber ſeines Vaters Huld und Gunſt wieder gewuͤr-
diget/ nicht die fremde Hunde/ dann das Cananeiſche Weiblin war der-
ſelben eine/ und doch begnadet. Er hab noch andere Schaaf
drauſſen/ ſagt Er ſelbſt/ Joh. X. Nicht die wutende Woͤlffe/ denn
Paulus
[47]Predigt.
Paulus war ein ſolcher/ quam multæ oves foris, Auguſt. tract. 45. in
Joh.
‘Notandum hoc contrà Calvinum \& Spanhem. de gratia univerſali. p. 835.
Maſſon. p. 200. juxta Calvinum omnes ſumus hirci, hinc argumentum:
Nullus hircus eſt, pro quo Chriſtus vitam ponit. Omnis homo eſt hircus.
Juxta Calv. ad Joh. X. E. Calvine, quo ruis?’ ()
Nicht ſind außgeſchloſſen die Reprobi und Verworffene/ die nicht Schaa-
fe ſeyn wollen/ als die blinde/ ſtoltze und ſelbſtgerechte Phariſeer/ deren
der Herr 99. in der Wuͤſten gelaſſen/ denn Er hatte ſie beruffen zu ſei-
ner Heerde/ und das verlohrne Schaaf ihnen wieder zugeſellet. Nichtvid. Denck
mahl. pag.
534.
ſind bloß außgeſchloſſen die Verdam̃te ſelbſt/ in ſenſu compoſito ſo fern
ſie noch ſalvabiles, und in ſolchem Stande/ daß ihnen noch kan geholf-
ſen werden/ Judas war auſſer Streit ein Reprobus, [...]ὸς ἀϖωλείας, ein
Kind des Verderbens/ dennoch hat ihn Chriſtus in ſeinen Schaafſtall
gezogen/ ſo viel an ihm/ denſelben zugewinnen/ fuͤr den Er auch geſtor-
ben und gelitten/ und ſein Leben dahin gegeben. Woher die ἀϖοτυχία,
der Mißrath? nicht ex abſoluto decreto, auß einem zum Verderben be-
zielenden und eingerichteten/ fuͤrtringenden/ fuͤrzielenden Schluß und
Noth-Kett/ wie Calvinus, Beza, Piſcator ſchwermen/ Judas dicitur Fi-
lius perditionis, non modò quia periit, ſed etiam quia huic exitio
erat deſtinatus ac devotus. Beza in notis ad Joh. 17. p. 433. Judas
wird ein Kind des Verderbens genennet/ nicht nur weil er verdorben
und untergangen/ ſondern auch/ weil er zu dieſem Verderben und Un-
tergang beſtim̃t war. Wie aber das zu verſtehen/ hat er in der Lateini-
ſchen Gloß angezeigt/ in dem 702. Blat. Er iſt zum ewigen Verderben
beſtim̃t (idque æterno conſilio \& decreto) und daß auß Goͤttlichem
Rath und Beſchluß. Calvinus in ſeiner Evangeliſchen harmoni p. m.
333. ſchreibet. Semper nobis occurrat divina pro videntia, cui Judam
ipſum \& omnes impios, (licet invitos \& aliud agentes) parere neceſſe
fuit. Wir ſollen uns allezeit GOttes Schickung vor Augen ſtellen/
welcher der Judas und alle Gottloſe mit ihm/ (wiewol ſie es ungern
und wider ihren Willen thun) gehorchen muͤſſen. Noch groͤber reitet
herein D. Zvvinger, in der Diſputation, ſo Anno 1641. zu Baſel wider
uns allhie gehalten worden/ fuͤrgebend/ es ſey in und mit dem Biſſen/
den Chriſtus Juda gereicht/ der Teuffel in ihn gefahren/ jhn alſo vol-
lends beſeſſen. Pfuy dich der Gottloſen Rede! hat Chriſtus wiſſent-
lich dem Judas mit dem Biſſen den Teuffel eingegeben/ ſo kommt er in
die Gemeinſchafft der ſchroͤcklichen Suͤnde/ welche Judas begangen.
Ein
[48]Die Vierte
Ein anders berichtet uns der Evangeliſt Johannes/ und ſchreibet klar/
es ſey der Satan erſt nach dem Biſſen in ihn gefahren/ und was noch
mehr. Es erkuͤhnet ſich Maſſonius zu ſchreiben part. 1. anatom. 39.
cap. V. 1456. Das Judas wegen ſeiner Suͤnde verdam̃t wor-
den/ iſt richtig. Allein haͤtte Chriſtus fuͤr Judam auch ge-
beten/ wie fuͤr Petrum/ haͤtte Chriſtus Judam auch mit
Gnadenblick angeſehen wie Petrum/ ꝛc. Daß Chriſtus fuͤr
Judam nicht gebeten/ bezeuget der Außgang/ ſonſt waͤre er
glaubig worden. Solcher maſſen waͤre Judas nicht ſchuldig/ ſon-
dern GOttes unumgaͤnglicher Wille. Alſo reden die Reformirten.
Woran hats dann gemangelt? Was hat ihn verdam̃t? Antwort/ die-
weil er muthwillig ein Kind des Verderbens hat ſeyn wollen/ merito
\& ſtudio, das iſt/ nach Hebreiſcher Art zu reden/ auß ſeiner eigenen
Schuld und Verdienſt.
‘Regula Hebræorum eſt, ſi ad nomen Filii additur præmium vel pœna, ſtu-
dium, meritum, reatum denotat. [...] filius mortis, h. e. reus,
mortis. 1. Sam. XX, 31. [...]ὸς εἰρήνης filius pacis, h. e. ſtudioſus pacis.
Luc. X, 6.’ ()
Wie er gerungen/ ſo iſt ihm auch gelungen. Er wolte den Fluch
haben/ der iſt ihm auch kommen/ er wolte des Segens nicht/
ſo blieb er auch fern von ihm. Er zog an den Fluch/ wie ſein
Hembd/ und iſt in ſein inwendiges gegangen wie Waſſer/
und wie Oele in ſeine Gebeine.
Ob nun wol Paſtor Catholicus, beſagter maſſen dieſer Edle Hirt/
von ſolcher edeln Natur/ daß Er kein verlohrnes Adams-Kind/ von
der Gemeinſchafft ſeines Hirten-Ampts/ Treu und Genuͤß deren daher
flieſſenden Gutthaten/ ſondern nichts anders ſucht/ als daß alle und jede
Menſchen Jhn mit dieſem Nahmen anſprechen und begruͤſſen moͤchten:
Ach Herr unſer aller Hirt/ wir alle ſind die Schaafe deiner Weyde.
Jedoch ſo ſind eigentlich/ wuͤrcklich/ thaͤtlich/ genießlich ſeine rechte und
aͤchte Schaafe/ die ihnen denſelben appropriiren/ und mit Warheit ſa-
gen koͤnnen/ MEJN Hirt. Allein die τεταγμένοι, Act. 13. Ductiles,
die ſich ohn widerſetzen ſuchen und finden laſſen/ und namentlich
I. Soli Transformati, die eine ſtarcke/ gewaltige und ſelige μετα-
μόρϕωσιν und Veraͤnderung uͤber ſich gehen laſſen/ ein Natur-Wechſel
und Tauſch gethan/ die wilde Natur abgelegt/ und zahm worden. Es
ſey
[49]Predigt.
ſey dann daß der Menſch wiedergebohren werde/ kan er das
Reich GOttes nicht ſehen.Joh. III. Es ſey dann/ daß der Bock
ein Schaaf werde/ bleibt er ohne Aenderung ein ſtinckender Bock/ ſo
wird er zur Lincken geſtellet werden. Es ſey dann/ das der verlohrne
Sohn/ als ein ſtinckender Bock/ der ſein Patrimonium im Gaſt- und
Huren-Hauß durch gejagt/ durchs liebe Creutz/ Hunger und Armut/ in
ſeinem Hertzen/ ſeinen Affecten, ſeinem Leben und Wandel anders wer-
de/ wie er dann worden: Es ſey dann/ daß die Cananiten auß dem
Heidniſchen Hund-Stall in den Schaaf-Stall Chriſti ſich laſſen ver-
ſetzen: Es ſey dann/ daß der Bluthund/ der raſende Wolff Paulus in
ein andere Haut ſchlieffe/ und auß dem reiſſenden Wolff ein zartes und
zahmes Schaaf/ ja Schaaf-Hirt ſelbſt werd/ aus einem Blindling ein
Taͤuffling/ auß einem Verſtoͤhrer ein Vermehrer des Reichs Chriſti/ ſo
kan dere[r] keiner in Chriſti Schaaf-Stall und Weyd-Fall auffgenom-
men werden. Darum auch David eine ſolche μεταμόρφωσιν gar herꝛlich
von ſich ſcheinen laſſen; Von Natur war er ſo wol als ich und andere
Menſchen ein ſtinckender Bock/ biſſiger Hund/ grimmiger Wolff/ er
heulet daruͤber/ Pſ. LI.Siehe/ ich bin auß ſuͤndlichem Samen
gezeuget/ und meine Mutter hat mich in Suͤnden empfangen.
Jn ſeiner Jugend hat er nicht allezeit Seiden geſponnen/ er verrath ſich
ſelbſt. Pſal. XXV.Gedencke nicht der Suͤnde meiner Jugend/
und meiner Ubertrettung. Der angebohrne Bock hat ſich mercken
laſſen in ſeinem Ehebruch; der zornige/ wuͤtende Hund hat ſich herfuͤr
gethan in ſeinem Wiederbellen wider Nabal/ der Wolff in Ermoͤrdung
Uriaͤ des Hethiters. Aber durch Goͤttliche Krafft hat er ſolche boͤſe
Natur mortificirt/ die Affecten gezaͤhmet/ er hat ſich durch GOttes Ge-
ſetz/ darin er ſich Tag und Nacht geuͤbt/ aͤndern laſſen/ iſt ſo geſchlacht wor-
den/ als ein Schaaf/ und durchs Creutz wol muͤrb gemacht worden/ und
in ſolchem Stand ſagt er: Mein Hirt.
II. Soli fideles appropriantes, allein die Glaubige/ die ihnen ih-
ren Hirten zueignen/ und gantz eigen machen. Chriſtus ſagt: Jhr
glaubet nicht/ denn ihr ſeyd nicht von meinen Schaafen.
Joh. X, 26.
Τὸ quia non αἰτιατικῶς, ſed συλλογιςικῶς accipiendo: ſicut Matth. XXV. 29.
Pſ. LI, 6. Joh. XII, 39. Rom. XI, 32. non creditis, E. non eſtis ex ovibus
meis. Mitum non eſt (ita παραφράζει ad h. l. Ægid. Hunnius, de præ-
deſt. p. 247.) vos non credere, quia reipſa declaratis, vos non eſſe ex meis
Neunter Theil. Govibus
[50]Die Vierte
ovibus, ſiquidem vobis notæ illæ deſunt, quos ego Paſtor in ovibus
meis requiro. Conf. eundem in Joh. X, p. 267. \& Tarnov. in Joh. q. 10.
pag. 784.
E. Wer glaubt/ der iſt mein Schaaf; Es iſt zwar das Schaaf ein al-
beres/ einfaͤltiges/ irꝛſames verfuͤhriſches Thier/ iſt bey weitem nicht ſo
vid. Eraſm.
Chiliad.
p. 647. 648.
Rivet. ad
Eſa. p. 454.argliſtig/ als die Schlang/ wann es ohne Hirten iſt/ ſo verirꝛt es/ kan
ihm ſelbſt nicht wieder zu recht helffen; Jſt aber nicht allerdings thum̃
und ſtum̃ in reflexion ſeines Hirten/ es hat ſcharffe Augen/ und noch
ſchaͤrffere Ohren/ fuͤr allen Stimmen kennet es ſeines Hirten Stim̃/
ein fremde Stimm achtet es nicht/ es fleucht davon/ verliert es ſeinen
Luther.
Tom. 6.
Jen. p. 362.Hirten/ ſo blecket es/ ſo bald es ſeiner gewar und anſichtig wird/ lauffet
es ihm ſtracks wegs zu/ gehet dem Hirten nach/ wohin ers fuͤhret/ tritt
gleichſam in ſeine Fußſtapffen. Sind lauter ſolche Elogia, deren pa-
rallela David von ſich ſpuͤren laſſen/ der Welt-Kluͤgeſten war er zwar
keiner/ Schlecht und Recht hat ihn behuͤtet/ vor der Welt mußte er ein
Narꝛ und Thier ſeyn/ Pſalm. LXXIII, 22. Aber in reflexion auff ſei-
nen getreuen Hirten/ da war ſein Hertz voll Liecht/ voll Geiſt/ voll Glau-
ben/ voll Erkanntnuͤß/ voll Freude. Hat je einiger Patriarch/ Koͤnig
und Prophet im Alten Teſtament den Meſſiam und Hirten der Seelen
recht erkannt/ und verſtanden/ was er von Jhm zu hoffen/ ſo war es Da-
vid. Ho-
doſ. p. 1313.vid. Er hat Jhn zwar im Geiſt/ in typis und Vor-Bildern geſehen/
und was haͤtte er darum gegeben/ daß er Jhn im Fleiſch mit leiblichen
Augen haͤtte koͤnnen ſehen. Luc. X. Aber unterdeß iſt das Gehoͤr deſto
ſchaͤrffer geweßt/ er hat gehoͤrt dialogos divinos, Goͤttliche Geſpraͤch/
von unerhoͤrten und uͤbernatuͤrlichen Geheimnuͤſſen/ als von dem Sions-
Koͤnig/ welchen der Himmliſche Vater auff den Berg Zion eingeſetzt/
und von einer ſolche Weiſe hoͤren predigen/ daß der Herr zu Jhm geſagt
hat/ Du biſt mein Sohn/ heut hab ich dich gezeuget/Pſal. II, 8.
und Pſ. CX, 1. Der HErꝛ ſprach zu meinem HErꝛn/ ſetze dich
zu meiner Rechten/ biß daß ich lege deine Feinde zum Sche-
mel deiner Fuͤſſe. Hat jemand ſeines Hirten Stimm gekennet/ und
im Gegentheil das Wolff-Geheul geflohen/ ſo war es David. Er hat
fremde Hirten und Flader-Geiſter gehaßt/ und auff das Wort und Zu-
ſag GOttes ſich verlaſſen Pſ. XXVII.Mein Hertz halt dir fuͤr dein
Wort/ ihr ſolt mein Antlitz ſuchen/ darum ſuche ich auch
vid. part. 8.
Lact. Cat.
p. 863.HErꝛ dein Antlitz. Er hat ihm die Verheiſſungen wol appropriirt/
und wie das Eiſen der Magnet an ſich gezogen. Bevorab in ſchweren
Anfech-
[51]Predigt.
Anfechtungen iſt er nicht auff ſein fuͤhlen gangen/ dann er kunte nicht
allezeit dieſen Pſalmen ſingen. Jſt je ein Heiliger geweßt/ der in Noͤ-Tom. 6.
Jen. p. 365.
then/ in Jrꝛſahl ſeinen Hirten angebloͤckt/ angeflehet/ ſo iſts abermal Da-
vid geweſen. Pſ. LXXX. 1. Du Hirte Jſrael erſcheine/ erwecke/
und komme zu Huͤlff/ troͤſte uns/ und komme uns zu Huͤlff/
laß dein Antlitz leuchten uͤber uns/ ſo geneſen wir. So hat er
freylich auch die Fußſtapffen ſeines Hirten wol beobachtet/ und aller-
hand ſchoͤne Schaaf-Tugenden von ſich leuchten laſſen/ als ϕιλανθρωπίαν
die holdſelige Leutſeligkeit/ darum ihn das kluge Weib von Thekoa unter
andern auch mit dieſem Elogio und Lob-Spruch angeſprochen: Mein
Herꝛ der Koͤnig iſt wie ein Engel GOttes. 2. Sam. IV. ſeqq. Der
Sanfftmut/ er ſtoßt nicht wie ein Bock/ der Demut/ er ſpiegelt ſich nicht
in ſeiner Woll/ wie ein Pfau/ der Gedult/ er erſtum̃t fuͤr ſeinem Scherer/
nicht nur dem Saul der ſich ſelbſt daruͤber verwundert. 1. Sam. XXIV, 10.
Wie ſolt jemand ſeinen Feind finden/ und ihn laſſen einen guten Weg
gehen? Sondern auch vor Simei/ deſſen ſteinerne Pillulen er einneh-
men muͤſſen. Seine heroiſche Demut im hoͤchſten Gluͤck und Ehren-
ſtand/ Seine Treu und Freygebigkeit. Das Schaaf iſt animal libera-
liſſimum, ein freygebiges Thier/ es hat einen guͤldenen Fuß/ wo es hin-
gehet/ iſt lauter Segen/ es erfuͤllet/ was Johannes der Taͤuffer von ſei-
nem Taͤuffling fordert. Luc. III, 11. Was Chriſtus am Juͤngſten Ge-
richt an den Schaafen zur Rechten loben wird. Es hat das Schaaf
zween Roͤck/ Haut und Woll/ eines behalts fuͤr ſich/ das ander gibts dem
Menſchen zur Decke/ die Hungerige ſpeißts mit ſeinem Fleiſch/ die
Durſtigen traͤnckets mit ſeiner Milch/ die Nackenden bekleidets mit ſei-
ner Woll. Und das alles hat auch David gethan/ groſſe Barmhertzig-
keit hat er an Mephiboſeth erzeigt/ ja ſich ſelbſt/ ſein Leib und Leben pro
lege \& grege dargegeben und auffgeopffert/ und ſein Haut daran ge-
wagt/ darum hat er wol ſagen koͤnnen/ der Herr iſt mein Hirt/ und ich
ſein Schaaf. Conſequenter
Ovis feliciſſima, ein gluͤckhafftiges Schaaf/ dann er ſagt/ mir
wird nichts mangeln. Es iſt zwar das Schaaf auſſer und ohne ſei-
nen Hirten ein ſchwach/ wehrloß/ ſchutzloß/ ſchuͤchter und fluͤchtig/ irꝛſam
Thierlein/ zu dem mit allerhand Gebrechen und Wehetagen behafftet/
mit Grind/ Reyd/ Rotz/ Blatern/ Huſten/ Aegeln/ Darmgichten/ Lungen-
wuͤrm/ Unziffer: Aber dafuͤr iſt ihm gut ſein Hirt und Artzt. Ezech.
XXXIV. Der das verwundete verbindet/ und das krancke heylet. Der
nimts in ſeinen Boſen/ laßt es eſſen auß ſeinem Schoß. 2. Sam, XII, 3.
G ijEſa.
[52]Die Vierte
Eſai. XL, 11. ſparet es ehe an ſeinem Mund/ bricht ſeinen Schlaff ab/ wie
Jacob/ damit ihm nichts mangele/ er ſpeißt/ traͤnckt/ fuͤhret/ ſchuͤtzet es/
und daß iſt auch Davids Troſt/ er hat nicht immer ſingen koͤnnen/ Der
HErꝛ iſt mein Hirt/ mir wird nichts mangeln/ es hat ihm offt
nur zu viel gemangelt/ er hat ein ſtuͤck Brod von Nabal betteln muͤſſen/
und alſo nach Brod gehen/ Troſt und Freud iſt ihm offt zerronnen/
Furcht und Schrecken/ Zittern und Zagen uͤberfallen. Der Hoͤllen
Band haben ihn umfangen. Aber alle dieſe Maͤngel hat ihm ſein Hirt
reichlich erſetzt/ ſo er auch im Glauben erkannt/ darum ſpricht er/ Der
HErꝛ iſt mein Hirt:q. d. Jſt er mein Hirt/ bin ich ſein Schaaf/ ſo
wird Er mich wol verpflegen und verſorgen. Jch bin jung gewe-
ſen und alt worden/ und hab noch nie geſehen den Gerechten
verlaſſen/ noch ſeinen Samen nach Brod gehen.Pſ. XXXVII.
ſc. vergebens gehen und ſuchen/ ohne Fund/ ohne Erlangen/ ohne Ge-
waͤhrung. Es muͤßten ehe alle Raben herzu fliegen/ ehe mußte Nabal
an ſeinem Tiſch und Maul ermangeln/ ehe mußten die Heyden ihm ein
Taffel decken/ wie geſchehen. 2. Sam. XVII. 27.
Bidembach. in libb. Sam. p. 887. hæc habet: Dieweil (wie obgemelt) GOtt
der Herr ſolches dem David beſchehret/ und verſchaffet/ und vielmehr
dann Sobi und Barſillai daran ſchuldig/ dieweil Er ihre Hertzen hierzu
neiget/ ſo ſollen wir lernen GOtt dem Herrn vertrauen. Dann wann
wir ins Elend kommen/ wir habens jetzt verſchuldet/ oder es geſchehe an-
derer Vrſach halb/ jedoch/ wann wir uns darinn verhalten wie David/
ſo werden wir nicht allein an den unſern einen Zadock/ Huſai und Abiathar
haben/ ſondern auch an den Fremden. Ja die Heyden werden uns muͤſſen
proviantiren/ und wann es je die Heyden nicht thaͤten/ ſo muͤſſen es ehe die
Raben thun/ wie dem Elias geſchehen. Den Abraham und Jacob ſpeiſſen
die Egypter/ den Daniel in der Loͤwengruben der Habacuc. Den Eliam
haben die Wittib zu Zarpath/ die Raben/ und die Engel geſpeiſet/ den Da-
vid muß der Hoheprieſter ſpeißen mit Schau-Broden. Die Abigail/ der
Siba/ ja die Heyden mußten ihme zu fuͤhren. Des alten Kirchenlehrers
Baſilii Eltern haben ſich zur Zeit der Verfolgung des Kayſers Maximiani in
die Hoͤlen verſteckt/ und da ſie ſolten Hungers ſterben ſind die Hirſch un-
gejagt fuͤr ſich ſelbſt zu ihnen kommen/ die ſie gefangen und geſſen haben.
Jndem Sobi der Ammoniter/ ihm Weitzen/ Gerſt/ Meel/ Sangen/
Bonen/ Linſen/ Gruͤtz/ Honig/ Butter/ Schaafe/ Rinder und Kaͤſe ih-
me entgegen gebracht. Was aber am Zeitlichen abgegangen/ das iſt
ihm an den beſten Guͤtern erſetzt worden/ keinen Mangel hatte er an
geiſtlichen Guͤtern/ er hatte GOttes Geiſt und ſeine χαρίσματα, Ver-
gebung
[53]Predigt.
gebung der Suͤnden/ Leben und Seligkeit. Jene ſind ἀλλότρια \& ἐλά-
χςα die fremden und geringſten/ dieſe aber ἀληθινὰ die warhafftigen
Guͤter.
Die Reichen dieſer Welt (ſind Auguſtini Gedancken uͤber den 66. Pſalmen)
denen GOtt ihren Bauch gefuͤllet mit den verborgenen Schaͤtzen der Er-
den/ wie alles nach ihrem Wunſch und Willen daher fleußt/ laſſen ſich bald
von dieſem Betrug/ in dieſen Schlauraffiſchen Himmel fuͤhren mit ihren
Gedancken/ als ob ſie nothwendig muͤßten die allerliebſten Kinder GOt-
tes ſeyn/ weil ihnen GOtt fuͤr andern/ ihrem Beduͤncken nach/ die beſten
Bißlein allein darreicht. Aber wie kom̃ts/ daß der Himmel/ der rechte Ort
der ewigen Freud und Seligkeit/ ſo gar leer von ſolchen Guͤtern iſt/ da ſind
keine Gold-Grubeu/ da findet man keine Silber-Adern/ gleichwol iſt und
wird in Ewigkeit kein Mangel da ſeyn/ an der allervollkommenſten Seel-
und Herꝛligkeit/ der Ort da dieſe vermeinte Gluͤckſeligkeit gefunden
wird/ iſt der Hoͤllen naͤher als dem Himmel/ darum geſchichts auch/ daß
ihrer viel durch den anklebenden Hoͤlliſchen Dampff der irdiſchen zeitlichen
Guͤter erſticken/ und dem Geld und Gut ſo tieff nachgraben/ biß ſie gar
durchbrechen/ und mit ihrem Koth-Gut ſamt Leib und Seel in die Hoͤll
hinunter ſtuͤrtzen. Der getreue GOtt behuͤte uns gnaͤdiglich fuͤr ſolcher er-
baͤrmlichen Gluͤckſeligkeit/ ja wie Reichthum der weiſen Krone iſt/ alſo iſt
es den Gottloſen ein Narrenkapp/ dadurch ihre Thorheit nur deſto mehr fuͤr
aller Welt entdeckt und offenbahret wird. Ein gute Feder iſt zwar ein
Mittel wol zu ſchreiben/ aber wann ſie ſchon noch ſo gut waͤre/ ſo machet
ſie doch keinen guten Schreiber. Soll etwas ſchoͤn und ſauber geſchrie-
ben werden/ daß muß von des Schreibers Kunſt erſt herauß quellen/ und
in die Feder kommen. Wann einer ſchon ein gantzes Zimmer voll Geigen/
Lauten/ und andern Jnſtrumenten haͤttel ſo wird er doch dadurch kein Mu-
ſicant/ wenn man nicht weiß/ wie man eines und das andere brauchen/ und
durch rechtmaͤſſige Vbung zur Kunſt gelangen ſolle.
Und endlich das περιοσὸν die volle Genuͤge und Uberfluß/ die rechte Fuͤlle
der ewigen/ himmliſchen Guͤter/ ſo droben deponirt/ und verwahrlich
beygelegt ſeynd/ allen rechtſchaffenen Juͤngern/ Bruͤdern und Miterben
Chriſti.
O ein ſeliges Schaaf! ſeliger als der aries aurei velleris, πρό [...]ατονv. Eraſm.
Chiliad.
p. 648.
χρυσόμαλον, wer koͤnte daſſelbe verdencken/ wann es vor Freuden ſolte
huͤpffen und ſpringen/ wie jene Schaaf und Laͤmmer Pſ. CXIV. Wer
wolte nicht auch gleiche Gluͤckſeligkeit wuͤnſchen? Daß es allezeit/ in al-
lem Zuſtand Menſchlichen Lebens/ in Gluͤck nnd Ungluͤck/ wohl und
weh/ mit Warheit ſagen koͤnne/ der Herr iſt mein Hirt/ an den ich
glaub/ der mir kein Mangel wird laſſen/ an irgend einem Gut. Aber
hie ſtehet uns zum Nutz und Muſter-Bild fuͤr Augen der Koͤnig David/
der lehrt uns den Pſalmen und Wort verſtehen/ tauſend und aber tauſend
G iijmal
[54]Die Vierte
mal wird er geleſen/ gebetet/ geſungen/ aber ohne Verſtand und innern
Geiſt/ und alſo wie ein Papagey einem nachſchwetzt. Wer demnach
dieſen Pſalmen recht beten wil/ von dem wird zu allerforderſt erfordert
μεταμόρφωσις, wie Nebucadnezar auß einem vernuͤnfftigen Menſchen
in ein unvernuͤnfftiges Thier iſt verwandelt worden/ ſo muß ein unver-
nuͤnfftig Thier in einen Menſchen/ ja der Bock der Wolff in ein Schaaf
verwandelt werden/ und daſſelbe durchs Wort und Creutz. Darum
ſchickt Gott die Truͤbſal her/ Damit das Fleiſch gezuͤchtigt werd/ Zur
ewigen Freud erhalten. Chriſtus iſt kein Bock- und Wolffs-Hirt/ ſon-
dern die ſtinckende Boͤck ſtellet Er zur Lincken: und ſagt: Diſcedite:
Weichet von mir ihr Ubelthaͤter/ Er iſt kein Saͤu-Hirt/ das iſt/ der jeni-
gen Unflaͤter/ die das Heiligthum mit Fuͤſſen tretten/ und ſich im Suͤn-
den-Koth taͤglich herum weltzen. Er iſt kein Hunds-Hirt/ deren die
das Heiligthum anbeiſſen/ anbellen/ und das geſpeyte wieder freſſen/
und bey ihrer alten Gewonheit bleiben.
Spalatinus hatte einsmals an Churfuͤrſt Friderichs zu Sachſen Hoffe geſagt:
Das Cornelius Tacitus ſchreibe; daß bey den alten Teutſchen keine Schand
geweſen/ Tag und Nacht zu ſauffen. Solch es hoͤrete nun ein Edelmann/
und fragt ihn/ wie alt ſolches ſeye/ da diß geſchrieben worden waͤre? Als
er nun geantwortet/ es waͤre bey 1500. Jahren: Da ſpricht der Edelmann:
O lieber Herꝛ: weil ſauffen ſo ein alt ehrlich Herkommen iſt/ ſo laßts uns
jetzunder nicht abbringen. Luth. Colloq. menſ. p. 437.
Auch kein Eſels-Hirt/ wie der Pabſt-Eſel zu Rom/ der jederman mit ſei-
nem implicitâ fide, durch den blinden Gehorſam zu Eſeln machen wil/
die Haberſtroh fuͤr Ablaß freſſen/ ovis non judicat de paſtore. Bel-
larm. l. 3. de V. D. c. 8. und was gebe er darum/ daß alle Reichen in der
Welt adremedium animarum ihr Haab und Nahrung ins Cloſter/ in
die Collegia der Patrum auß Lieb zu ihrem hoͤchſten Hirten/ in Patrimo-
vid. Corn.
ad Luc.
p. 171.nium Petri außflieſſen laſſen/ wie Graf Hermann gethan/ und Carolo-
mannus, daß iſt des H. Teuffels Affenſpiel. Einfaͤltig ſollen wir zwar
ſeyn wie die Tauben und Schaafe/ in weltlichen Sachen/ aber in Glau-
bens-Sachen kein thumme nnd ſtumme Eſel/ ſondern hoͤren/ unterſchei-
den/ lernen/ ſehen/ bloͤcken und folgen. Chriſtum koͤnnen wir zwar
nicht ſehen; aber hoͤren/ da muͤſſen wir die Ohren ſpitzen/ die rechte
Hirten-Stimm von des Wolffs und der Hyenæ Stimm wol unter-
ſcheiden/ dann es iſt zart Werck/ es laßt ſich da nicht ſchertzen/ iſt kein
Sach von verwirꝛtem Garn/ oder Nußſchalen/ ſondern es gilt der See-
len Seligkeit/ und demnach judiciren und urtheilen/ nicht κα [...] ὄψιν, den
Augen
[55]Predigt.
Augen nach/ nach dem aͤuſſerlichen ſplendor, apparenz, und Anſehen/
dann da iſt das Schaaf bald betrogen/ wann der Wolff im Schaafs-
Beltz auffzeucht/ ſondern κα [...] ἀκο [...], nach dem Gehoͤr/ wodurch ſich dann
der Wolff bald verraͤth/ und leicht erkannt werden kan/ wann er gleich in
einer Maſcarada auffzeucht/ zum Exempel/ wann der rechte Hirt ſagt:
Du ſolt kein andere Goͤtter neben mir haben; ſo heulet der Wolff alſo:
Du ſolt neben dem wahren einigen Gott auch die H. Engel/ abgeſtorbe-
ne Heiligen ꝛc. anruffen/ anbeten/ mit Goͤttlicher Ehr verehren und alſo
vergoͤttern/ der Hirt ſagt: Niemand kom̃t zum Vater/ dann durch mich
(Chriſtum.) Es iſt in keinem andern Heyl/ iſt auch kein anderer Nah-
me den Menſchen gegeben/ darinnen wir ſollen ſelig werden/ ohn der
Nahme Jeſus/ der Wolff heult: So viel Weg und Thor zum Vater
und in den Himmel/ ſo viel Heyland und Mittler/ als Heiligen/ als de-
roſelben meriten und Buſſen/ ja eigene gute Werck. Der Hirt ſagt:
Wann ihr betet ſolt ihr alſo ſprechen/ Unſer Vater/ der du biſt im Him-
mel/ der Wolff heult alſo: Wann ihr betet/ ſolt ihr alſo ſagen/ Ave Ma-
ria, Unſer Mutter bitt fuͤr uns. Der Hirt ſagt: Die Sacramenta
ſeind Siegel und Zeichen/ in welchen uns die Erloͤſung und Gemein-
ſchafft unſers HErꝛn JEſu Chriſti dargegeben und mitgetheilet wird
zum ewigen Leben/ der Wolff heulet alſo: Comparatio illa, quâ ver-
bum diplomati, ſacramentum ſigillo confertur, tàm inepta eſt, ut
nihil ineptius fingi queat. Es iſt ein ungereimte thoͤrichte Vergleich-
ung/ wann man das Wort GOttes einem Oberkeitlichen Siegel oder
Koͤniglichem Diplomati, und die Sacramenta dem daran gehengten
Siegel vergleichen wolle/ es koͤnne nichts ungereimters erdacht werden.
Bellarm. in præfat. Tom. 3. l. 1. de Sacram. c. 14. Conf. Hodom. noſtr.
Pap. phant. 10. p. 410. 432. Der Hirt ſagt: Eſſet/ das iſt mein Leib/
der Wolff: Opffert meinen Leib/ der Hirt ſagt: Trincket das iſt mein
Blut/ der Wolff/ eſſet mein Blut per concomitantiam, in und mit dem
Leib/ der Hirt ſagt/ Nehmet eſſet das iſt mein Leib/ der Wolff: Nehmet/
eſſet/ das iſt Brod in meinen Leib verwandelt. Alſo auch auff der an-
dern Seiten: Der Hirt ſagt: Du ſolt kein Goͤtzen-Bild anbeten/ und
neben dem einigen wahren GOtt Vater in Chriſto JEſu nichts haben/
dabey du Goͤttliche Huͤlff oder Troſt ſucheſt und erwarteſt/ der Wolff
heult: Du ſolt neben dem einigen wahren Gott auff das Vernunffts-
Bild des bloſen Rathſchluſſes von der ewigen Gnadenwahl/ dein Ver-
trauen ſetzen: Dann was iſt dein einiger Troſt/ (fragt der Heydelber-
giſche
[56]Die Vierte
giſche Catecheta) im Leben und im Sterben? Antwort/ daß ich mit Leib
und Seel im Leben und im Sterben nicht mein/ ſondern meines getreuen
Heylands Jeſu Chriſti eigen bin/ der mit ſeinem theuren Blut Matth. 26.
fuͤr alle meine Suͤnde vollkommlich bezahlet/ und mich auß allem Ge-
walt des Teuffels erloͤſet hat/ und alſo bewaͤhret/ daß ohne den Willen
meines Vaters im Himmel kein Haar von meinem Haupt kan fallen/
ja alles zu meiner Seligkeit mir dienen muß/ darum Er mich auch durch
ſeinen H. Geiſt deß ewigen Lebens verſichert/ und Jhm forthin zu leben
von Hertzen willig und bereit macht/ das iſt/ mein einiger Troſt iſt die
bloſe und unbedingte Gnadenwahl/ Krafft welcher ich zum ewigen Le-
ben erwehlt/ Chriſto unentfaͤlliglich eigen worden bin/ und meiner Se-
ligkeit bloß und unfehlbar gewiß. Der Hirt ſagt: Jch glaub daß Got-
tes eingebohrner Sohn von der Jungfrauen Maria gebohren/ gelitten/
gecreutziget/ geſtorben/ und begraben ꝛc. Der Wolff heult: Jch glaub
an den eingebohrnen Sohn Gottes der nicht eigentlich und ohne Wort-
Blum/ ſondern per ἀλλαίωσιν und als ein bloſer Menſch gebohren von der
Jungfrauen Maria/ gelitten/ geſtorben/ begraben/ ꝛc. Der Hirt ſagt:
Unſer Vater/ der du biſt im Himmel/ der Wolff ſagt nicht/ Unſer Va-
ter/ ſondern Vater aller Anßerwehlten/ der Hirt ſagt: So viel euer ge-
taufft ſind/ die haben JEſum Chriſtum angezogen: Der Wolff: Nicht
ſo viel euer getaufft ſind/ ſondern die bloß Außerwehlten. Der Hirt
ſagt: Nehmet eſſet/ das iſt mein Leib/ der Wolff: Nehmet/ eſſet/ das iſt
Brod und nicht der Leib. Nicht nur aber das/ ſondern weil Satan ein
neu monſtrum eingefuͤhrt/ ein Art des Wolffs/ der da heißt Hyena,
Syr. 13, 22. ſo iſt nit gnug die Stimm auß dem bloſen reſonanz und Thon
zu urtheilen/ ſondern auch noch uͤber das/ die Stimm nach der Qualitaͤt
zu examiniren/ und ob ſie natuͤrlich oder gekuͤnſtelt und angenommen/
zu unterſcheiden. Es iſt ein Thier/ das heißt Hyena, von Wolffs-Art/
hat die Weiß und Kunſt/ daß es deß Menſchen/ ſonderlich deß Hirten
Stim̃ kan imitiren/ und wie der Papagey nachſprechen/ gibt acht wie ein
jeder Hund der den Schaaf-Stall verwahret/ heiſſet/ ruffet ihm mit Nah-
men/ und locket ihn alſo von ſeinem Schaafſtall und Hut/ wann er nicht
wol Achtung gibt/ ſo meynet er der Hirt rufft/ begibt er ſich dann davon/
und laͤßt ſich betriegen/ ſo zerreißt es ihn. Solche Hyenas gibts auff den
heutigen Tag/ die auf der Cantzel nicht merckſam ein Wolffsgeheul ma-
chen/ ſondern von lauter Lieb und Freundſchafft reden/ ſtellen ſich als ob ſie
der Augſpurgiſchen Confeſſion mit Mund und Hertzen zugethan/ fuͤhren
wol
[57]Predigt.
wol einerley Wort mit derſelben/ und ahnen dem Hirten in ſeiner
Stimm nach/ nennen etliche Stall-Waͤchter mit Nahmen/ locken ſie
herauß auff ihre Seit/ die uͤbrige zwey oder drey Hund die noch bellen/
machen ſie verhaßt/ koͤnten ſie die abtreiben/ ſo waͤren die Schaaf preiß/
und waͤre um ſie geſchehen. Solcher geſtalt ſind Baſel/ Colmar/ ja die
gantze Chur-Pfaltz verfuͤhret worden. Und hat ſich neulich als eine
ſolche hyenam præſentirt Thomas Henrici Profeſſor zu Freyburg in
Irenico Catholico, die Zeit leidets nicht weiter außzufuͤhren/ alle Syn-
cretiſten μίαν γνώμ [...] ἔχουσι. Da gehoͤren leiſe und ſcharffe Ohren zu/
die natuͤrliche Stimm von der verkuͤnſtelten zu unterſcheiden. Darum
wir billig Urſach haben zu beten: O Herr behuͤt vor fremder Lehr/
daß wir nicht Meiſter ſuchen mehr/ dann JEſum Chriſt mit rechtem
Glauben/ und durch denſelben Jhn zuforderſt recht lernen erkennen/
daß wir wiſſen/ was wir an ihm haben/ weſſen wir uns zu Jhm zuver-
ſehen/ erkennen ſeine ſuͤſſe Wunderthaten/ und wiſſen wie wir Jhn brau-
chen ſollen/ nemlich appropriiren/ an ſeinem Wort und Zuſag feſt hal-
ten/ in aller Anfechtung und Truͤbſal von Jhm nicht laſſen abtreiben/
und alſo die recht guͤldene Kunſt des Glaubens practiciren/ Gott bey
ſeinen Verheiſſungen ergreiffen und ſagen: Hat mir Gott ſeinenLuther.
Tom. 6.
Jen. p. 365.
Sohn geſchenckt/ wie wolt Er mir mit Jhm nicht alles geben? und
auß motivo fidei, Beten/ Folgen/ und Frolocken. Beten und
blaͤcken wie das Schaaf ſeinen Hirten anſchreyt/ Folgen in ſeinen
Fußſtapffen/ welche Folg dann auch geſchicht durch Wachen und Ar-
beiten/ pro lege \& grege, und daß umſonſt/ ohne Danck. Und dann
auch Frolocken/ laut des C. Pſalmen. Und endlich genieſſen hie
ἐλάχιςα, dort ἀληθινὰ, das περιοσὸν und volle Genuͤge/ Gott und alles
gnug/ darum: Jauchzet dem HERRN alle Welt/ dienet
dem HERRN mit Freuden/ kommt fuͤr ſein Angeſicht
mit Frolocken. Jhm ſey Ehr und Danck.
Amen.
Neundter Theil.Die
[58]Die Fuͤnffte
Die Fuͤnffte Predigt/
Vom
Schaaf-Stall.
GEliebte in Chriſto. Gleichwie alle Geſchicht
und Geſchick/ alle Handlungen und dero Umſtaͤnd/ die
ſich mit Chriſto dem Herrn in den Tagen ſeines Fleiſches
begeben/ und von den H. Evangeliſten auffgezeichnet hin-
terlaſſen worden/ ihre gewiſſe Urſachen/ omina und Be-
deutungen gehabt/ alſo iſt es auch freylich plumbsweiß/
ohne gefaͤhr/ ohne Goͤttlichen/ ſonderbahren Rath und Bedacht nicht
geſchehen/ daß das H. Kind JEſus/ ſo bald es gebohren/ in eine Krip-
pen/ und conſequenter in einen Viehe-Stall geleget und gehalten wor-
den/ ob es ein Roß- oder Eſel- oder Schaaf-Stall geweßt/ laſſen wir un-
eroͤrtert/ dulten die alte nænian und tradition vom Oechslein und Eſe-
lein/ als tolerabilem errorem wie ihn Lutherus nennet Tom. 3. Lat.
p. 287. ſo auß Mißverſtand etlicher Wort Eſaiaͤ erwachſen/ wollen aber
ehe und lieber glauben/ es ſey ein Schaaf-Stall geweſen/ dieweil Beth-
lehem ein reiche Schaaf-Stadt geweßt/ die Buͤrger ihre beſte Nahrung
und Werbung mit der Schaͤfferey getrieben/ und eben damal der Stall
laͤr geweſen/ weil die Heerd auff dem Feld pernoctirt, und von den Hir-
ten bewachet worden/ woran uns aber nicht viel ligt/ mehr aber an der
Bedeutung ſolches Stall-Laͤgers. Es iſt ohne Zweiffel dieſes Stall-
Laͤger des H. Kinds JEſu geweſen omen officii paſtoralis, wohin dieſe
neue Geburt gezwecket und gezielet/ was ſein Beruff und Ampt ſeyn
werde/ nemlich Er werde ein Hirt ſeyn/ der geiſtliche Schaafe zu huͤten
uͤberkommen werde/ darum auch der Engel ſolche Zeitung ſeinen Stall-
Bruͤdern und Hirten alſobald hinterbracht/ die hernach Evangelia na-
talitia in der Gegend außgebreitet/ und vermeldet/ es ſey gebohren der
Hirt und Schoͤpffer aller Welt.
2. Veſtigium ein Merckmal des Stamm-Hauſes/ auß welchem
dieſer Edle Hirt entſprungen. Der H. Evangeliſt ſagt/ es ſey geweſen/
kein Koͤniglicher Saal/ ſondern ein Hirten-Stall und Jammerthal/
nicht
[59]Predigt.
nicht irgend ein koͤſtlich porphyret, ein Purpur-Gemach/ in welchem
vor Zeiten zu Conſtantinopel die Kayſerliche junge Printzen/ und Muͤnd-
ling gebohren worden/ ſondern ein elende Hurt und Pferch/ ohne Welt-
Pracht und Anſehen. Der Sammet und die Seiden dein/ War grobes
Haͤu und Windelein/ Darauff du Koͤnig ſo groß und Reich Herge-
prangt/ als waͤrs dein Himmelreich. Gleichwie Romulus der Urheber
und Anfaͤnger der letſten Roͤmiſchen Welt-Monarchi/ des Roͤmiſchen
Reichs/ auß einer Caſa und ſchlechten Hirten-Hauß entſprungen/ dar-
in er von einem Vieh-Hirten und ſeinem Weib der Laurentia erzogen
worden: Alſo iſt auch der erſte Urheber des alleredelſten Reichs/ das
ewig waͤhren ſoll und wird/ entſproſſen è caſa auß einer Bauren-Hurt
und Huͤtte/ und damit den Abgrund ſeiner tieffſten Erniedrigung erwie-
ſen/ fuͤr uns arm worden/ ein armer Stall-Knecht/ an einem unflaͤtigen
Ort gebohren worden/ auff daß wir durch ſeine Armut reich wuͤrden/
anſehnliche Himmels-Fuͤrſten/ und uns das Himmliſche Paradiß er-
werbe/ und wieder braͤcht zu GOttes Reich.
3. Indicium domicilii, Eccleſiæ militantis, ein Anzeig ſeiner
Wohnung/ der ſtreitenden Kirchen. Da/ ſpricht der Engel/ werdet
ihr ihn finden/ in der Krippen/ in Windeln gewickelt/ der Stall iſt ſeine
Wohnung/ da Er wil wohnen/ werben und wuͤrcken/ ἐσκ [...]ωσεν [...]ν ἡμῖν,
mit uns Menſchen in einer Stall-Zelten und Huͤtten wohnen/ das iſt/
die Chriſtliche/ wallende und ſtreitende Kirch ſoll ſein Schaaf-Stall/ und
ſein Schaaf-Stall ſoll die Chriſtliche Kirch ſeyn: Hoc tenete, ovile
Chriſtieſſe Catholicam Eccleſiam, ſchreibt rund/ kurtz und gut Auguſt.
tract. 45. in Joh. Allermaſſen wie wir anjetzo mit mehrerm hoͤren wer-
den. Dann nachdem wir den herꝛlichen Hirten producirt/ ſeine geiſt-
liche Schaaf und dero Qualitaͤt und Beſchaffenheit beſchrieben/ ſo folget
in richtiger Ordnung ovile, der Schaaf-Stall. Von demſelbigen nun
aufferbaulichen zu reden uud zu handeln/ wolle uns der Vater des Liechts/
mit dem Gnaden-Liecht ſeines H. Geiſtes mildiglich erſcheinen/ Amen.
DAß Anfangs und zuforderſt der Koͤnigliche Prophet im Pſalm.
XXIII. nicht nur auff den Hirten und Schaaf/ ſondern auch
auff den Schaaf-Stall in ſeinem Hirten-Lied/ dem Sinn und
Verſtand nach gedeutet/ und deſſelben nicht vergeſſen/ daſſelbe
erhellet nicht nur auß der Correlation, und nothwendiger Zuſammen-vid. Tom.
2. Isleb.
p. 112.
fuͤgung/ wo ein Schaaf-Hirt iſt/ da muͤſſen auch Schaaf ſeyn/ wo
H ijSchaaf/
[60]Die Fuͤnffte
Schaaf/ da der Stall/ Hurt und Pferch/ darein die Schaaf gethan wer-
den/ nicht allein ex Chriſti Exegeſi, und Außlegung deß Herꝛn Chriſti
ſelber/ der in der allegori Joh. X. als der Gloß und Erklaͤrung des
XXIII. Pſalmen außtrucklich auch des Schaaf-Stalls Meldung thut.
Warlich/ warlich/ ich ſage euch/ wer nicht zur Thuͤr hinein
gehet in den Schaaf-Stall/ ſondern ſteiget anders wo hinein/
der iſt ein Dieb und Moͤrder.Joh. X, 1. Sondern es gibts der
klare/ außgedruckte/ Hebraͤiſche Buchſtaben in dem Grund-Text/ da
die Wort alſo lauten: Bineoth deſche jarbizeni, in tugurio graminis
accubare me facies. Du wirſt mich lagern in der/ Hurt des Graßes/
in einer Graß-Huͤtten/ welche Wort/ weil ſie dem teutſchen Mann ſchwer/
undeutlich und unteutſch/ dunckel und unverſtaͤndlich fuͤrkommen/ hat
Lutherus wie mehrmalen/ mehr auff den Sinn/ als Buchſtaben ſehen
wollen/ und es alſo gedolmetſchet: Er weydet mich auff einer gruͤnen
Auen/ verſteht dadurch per ſynecdochen, die Au/ das gantze Feld/ ſamt
allen deſſen Begriff. Das Hirten-Hauß und Hirten-Stall zugleich
mit/ welche auff derſelben Au gepflantzet und gebauet worden. Jnmaſ-
ſen er ſich ſelbſt alſo erklaͤret in ſeinem ſehr ſchoͤnen und Lehrreichen
Luther.
Tom. 5.
Jen. p. 366.Commentario uͤber dieſen Pſalmen Tom. V. Jen. p. 366. Daß aber
auch durch ſolchen Schaaf-Stall des edeln Hirten des Meſſiaͤ ſein
Kirchſpiel/ ſeine Kirch/ nicht der Coͤrperliche/ [ſichtbare]/ in die Augen
leuchtende Steinhauffen/ Gebaͤu/ Tempel und Baſilic, ſondern ein hei-
lig/ Chriſtlich Volck (Tom. VII. Witt. p. 543.) die Menge der Glaubi-
gen/ Act. IV, 32. Nicht aber auch dieſe/ als die triumphirende Kirch
der Außerwehlten im Himmel/ als welche eigentlich kein geringfuͤgiger
Schaaf-Stall nicht mehr/ ſondern das Jeruſalem/ das droben iſt/ die
uͤber alle maſſen herꝛlich gezierte und außpolierte Stadt GOttes/ ſon-
dern die wallende und ſtreitende Kirch verſtanden werde/ das zeigt St.
Paulus an/ Act. XX, 28. da er die Heerde Chriſti Eccleſiam die Gemei-
ne genennet: So habt nun acht auff euch ſelbſt/ und auff die
gantze Heerd/ unter welche euch der H. Geiſt geſetzet hat zu
Biſchoͤffen/ zu weyden die Gemeine GOttes/ welche Er
durch ſein eigen Blut erworben hat. Jtem 1. Tim. III, 15. Da
er das Hauß des lebendigen/ eingefleiſchten/ und im Fleiſch geoffenbahr-
ten GOttes nennet Eccleſiam, die Gemeine deß lebendigen GOttes/ ein
Pfeiler und Grundveſte der Warheit. Nun iſt der geiſtliche Schaaf-
Stall das Hauß Chriſti darinnen Er wohnen wil. Auguſtinus, tan-
quam
[61]Predigt.
quam os totius Antiquitatis ſchreibt hell und klar: Hoc tenete, ovile
Chriſti eſſe Catholicam Eccleſiam, daß haltet feſt und gewiß wahr/ der
Schaaf-Stall Chriſti ſeye die Allgemeine Chriſtliche Kirch. Luth.
Tom. V. Jen. p. 366. Die Chriſtliche Kirch iſt die ſchoͤne Au/ und
GOttes Luſt-Garten. Am helleſten aber erſcheinet dieſer Verſtand in
dem Paralleliſmo und Vergleich der Chriſtlichen/ wallenden und ſtrei-
tenden Kirchen mit einem Schaaf-Stall. Dann was iſt 1. ein Schaaf-
Stall/ und zwar Davids Stall eigentlich? Ein elend Gebaͤu und Ge-
maͤcht/ ein gering-guͤltige/ unanſehnliche/ unflaͤtige Pferch. Es habenvid. Sanct.
ad Reg.
p. 1472.
zwar zu den Zeiten Davids groſſe Herren/ Koͤnigliche Printzen/ und
nahrhaffte Grandes praͤchtige Hirten-Haͤuſer/ koͤſtliche Vorwerck/ und
Meyer-Hoͤff gehabt/ darinnen ſie ihre Panqueten gehalten/ wie Abſolon
dergleichen einen gehabt zu Baal-Hazor/ da er ſein-Schaaf-Schur ge-
halten und gaſtirt. 2. Sam. XIII. und mag der groſſe Pracht-Hans zu
Carmel auch dergleichen Palatium und Luſt-Hauß gehabt haben/ da er
ſeinen Schaͤffern ein Koͤniglich Mahl zugerichtet. Aber Davids Hurt
und Stall/ darin er in unſerm Pſalm alludirt, was war dieſelbe? Der
Herr ſagts ihm 2. Sam. VII, 8. Jch hab dich genommen von den
Schaaf-Hirten/ daß du ſeyn ſolleſt ein Fuͤrſt uͤber mein Volck
Jſrael. Das iſt/ ex imo ad ſummum, ich hab dich auß dem geringſten
Stand erhoben/ und in den hoͤchſten Ehren-Stand geſetzet. Solcher
Art iſt nun auch die Chriſtliche Kirch. Kein Pracht-ſondern Stall-
Hauß/ wie ein Stall ſeiner Subſtanz nach auß ſchlechter materi beſteht/
keinem Gold/ Edel- oder Marmelſtein/ ſondern von Stroh/ Leymen
und Gerten zuſammen gepackt und geflickt/ hat dannenhero ein ſchlecht
Anſehen/ iſt der Quantitaͤt nach ein enge Pferch/ je enger/ je waͤrmer/ je
beſſer/ da die Schaaf ſich tuͤcken und ſchmuͤcken muͤſſen/ der Qualitaͤt
nach ohnmaͤchtig/ wehrloß/ nicht feſt/ mit keinen Waͤhlen/ Graͤben und
Schantzen verſehen/ ſondern allein der vigilanz und Treu ſeiner Hirten/
und guter ſtarcken/ wachſamen Hunden ergeben. Der Relation nach
begreifft er in ſich geſunde und ſchaͤbichte Schaaf und Stoß-Boͤck paſ-
ſione wird ſie von oben her mit Platz-Regen und Sturm-Winden/ auſ-
ſen von der antipathia luporum verfolgt/ dem ubi nach iſt er endlich/ hat
keine bleibende Stadt/ bald hie/ bald dort/ bald zu Sichem/ bald zu Do-
than. Gen. XXXVII, 17. bald im Land Canaan/ bald in Goſen Egypti/
der Zeit nach bleibt er nicht in einem Stand/ bald hell/ bald dunckel/ bald
gantz verloͤſcht/ wird wie ein Zelt bald auff und abgeſchlagen/ die ſitua-
tion iſt unter den Woͤlffen/ wo ein Aaß/ da ſamlen ſich die Adler/ wo ein
H iijSchaaf-
[62]Die Fuͤnffte
Schaaf-Stall iſt/ da ſind auch Woͤlff/ ein jedes Thier gehet ſeiner Nah-
rung nach. Alſo iſt auch die wallende Kirch JEſu Chriſti auff Erden/
der Subſtanz nach/ ſchlecht und unanſehnlich: Nicht viel Weiſe nach
dem Fleiſch/ nicht viel Gewaltige/ nicht viel Edle ſind beruf-
fen. Sondern was thoͤricht iſt fuͤr der Welt/ das hat GOtt
erwehlet. 1. Cor. I, 26. Nicht gefuͤrſtete Prælaten, Cardinaͤl/ Biſchoͤf-
fe ꝛc. ſondern verachtete Fiſcher/ Teppichmacher/ Zoͤllner ꝛc. ſie heiſſen
grex puſillus, eine kleine Heerd/ Luc. X. 32. Sie iſt ohnmaͤchtig/ hengt
gleichſam allein am Himmel/ die Fuͤrſten und Gewaltigen/ deren
Schutz ſie ſolten genieſſen/ haben ſo viel mit Pancketten und Baletten/
mit Frauen-Zimmer und Pracht/ mit den libris Regum (Kartenſpiel)
Hetzen/ Kriegen ꝛc. zu ſchaffen/ daß ſie an der Kirchen Wolfart nicht
dencken koͤnnen: Waͤr Gott nicht mit uns dieſe Zeit/ So ſolt Jſrael
ſagen/ Waͤr Gott nicht mit uns dieſe Zeit/ Wir haͤtten muͤſſen verza-
gen/ Die ſo ein kleines Haͤufflein ſind/ Verlaſſen von ſo viel Menſchen-
Kind ꝛc. Es begreifft die Kirch Schaaf und Boͤcke/ Glaubige und
Unglaubige/ die ſind in Eccleſia, in der Kirch/ aber nicht de Eccleſia,
von der Kirch/ ſondern am Juͤngſten Tag wird eine ſeparation geſche-
hen/ und die Schaafe von den Boͤcken/ die Fromme von den Boͤſen ge-
ſchieden werden. Die Kirch iſt die Troſtloſe/ uͤber die alle Wetter auß-
gehen/ von auſſen her durch die Woͤlff und Unthier verfolgt/ ſie bleibet
nicht an einem Ort/ der Leuchter wird weg geſtoſſen/ Anfangs war ſie
im Morgenland/ nachmals hat ſie ſich gewendet gegen Mittag/ nun-
mehr gegen Abend und Mitternacht/ ſie aͤndert ſich auch wie der Mond/
bald hell/ bald dunckel. Sonderlich aber iſt ſie ſituirt in Lycaonia, und
Wolffshoͤl/ deren gedacht wird Act. XIV. war ein Landſchafft in dem
kleinern Aſia, voller wilden/ frechen/ Barbariſchen/ Raͤuberiſchen und
Moͤrderiſchen Voͤlckern/ ſo auch in novellis, den Kayſerlichen Rechten
verruffen/ da Paulus zwar ſeinen Schaaf-Stall auffgericht/ aber zur
Stadt hinauß gegeiſſelt worden. Was iſt die gantze Welt anders/ als
eine groſſe/ allgemeine/ ungeheure Lycaonia, Mord- und unerſaͤttliche
Wolffs-Grub/ darin homo homini lupus, ein Menſch iſt des andern
Wolff. Was iſt die Roͤmiſche Kirch anders/ als Lycaonia, eine
Wolffs-Grub/ darinnen die Chriſtliche Kirch gleichſam als wie Daniel
in der Loͤwen-Grub ſitzet und ſchwitzet/ und durch ihres Haupts Chriſti
Camerat.
l. 1. c. 28.Macht erhalten wird. Camerarius erzehlt/ l. 1. horar. c. 28. daß in
Engelland keine Woͤlffe gebe: Jſts wahr/ ſo iſts ein unvergleichlich groß
περιοσὸν
[63]Predigt.
περιοσὸν, privilegium, und vor auß vor allen andern Laͤndern und Koͤ-
nigreichen. Aber der Chriſtlichen Kirchen mags ſo gut nicht werden.
Es muͤſſen Rotten unter euch ſeyn. 1. Cor. XI, 19.
Es iſt II. der Stall/ den Koͤnig David ſo ſchoͤn und herꝛlich ruͤh-
met/ Tugurium graminoſum, ein Graß-Au/ graſſichter Ort und Feld/
da das Graß voll und dick ſtehet/ Bineoth Deſcha, gruͤn von Farb/ die
ohne das den Augen wol thut. Die Schaaf wann ſie es von fern er-
blicken/ ſo ergoͤtzen ſie ſich damit/ lauffen ſolcher gruͤnen Weyd mit Luſt
zu/ ein ſolche Au/ die gruͤn von Wachsthum/ anmuthig von lieblichen
Blumen/ kraͤfftig von heylſamen Kraͤutern/ ſafftig und nahrhafft von
wolgeſchmackten Klee-Blaͤttern/ wol benetzte und bethauete Wieſen.
Et ros in tenera pecori gratiſſimus herba.
Fruchtbar von Milch und Honig/ ſo darauß geſogen und gezogen wird/
davon Luth. in Tiſchreden P. 444. f. 2. Darum auch gute/ erfahrne/Luth. coll.
menſ. p.
444. f. 2.
kluge/ getreue Hirten jederzeit ſolche Schaͤtz/ Felder und Auen erwehlt/
da gut und viel Graß gewachſen. Loth erwehlet Sodom/ als einen
Garten GOttes/ die Kinder Jſrael erwehlten das Land Goſen. Gen.
XLVII, 4. Die Rubeniter Gilead. Num. XXI, 23. cap. XXXII, 1. Na-
bal den Berg Carmel/ ſo hat auch David Bethlehem erwehlt/ als ein
Graß-Huͤrten und ſchoͤne Graß-Au/ darum nimmet er das Gleichnuͤß
davon/ und ſagt: So kom̃e ihm auch die Chriſtliche Kirch vor: Sie ſey
ein Au voll Graß. Er gibt mir Weyd ohn unterlaß/ Darauff waͤchſt das
wolſchmeckend Graß/ Seines heilſamen Wortes/ deß theuren werthen
Evangelii/ in welchem ſich Chriſtus auff das allerliebſte erzeigt/ erluſtirt
das Hertz mit dem ſchoͤnen Augenluſt aller ſeiner Evangeliſchen Ge-
heimnuͤſſen/ Menſchwerdung/ Empfaͤngnuͤß/ Geburt/ der Θεοφανεία,
am Jordan/ ſeiner Lehr/ die Er gefuͤhrt im Tempel und Schulen/ in
Gaſſen und Straſſen/ zu Waſſer und Land/ in Wuͤſten und Staͤdten/
ſein heilwerthe Paſſions-Theatra, ſein Oſtern und Auffarth/ darin ſich
dann herfuͤr thut/ die geiſtliche Seelen-Weyd/ deren der Gerechte lebet/
Dein ſuͤſſes Evangelium iſt lauter Milch und Honig/ die Heil-Kraͤuter
wider den Schlangen-Biß/ und toͤdtliche Seelen-Wunden/ ros gratiæ
Spiritus S. der Gnaden-Thau des H. Geiſtes/ und daſſelbe ohn unterlaß/
immer gruͤn/ immer neu/ es iſt manchmal ein einiges Kraͤutlein/ ein ei-
niges Wort/ davon mille deliciæ flieſſen.
III. Es iſt auch in dieſem Davidiſchen Lob-Spruch dieſer Schaaf-
Stall ein angenehmes Refectorium, ein Ruhſtatt/ Jarbizeni, du wirſt mir
ein gut Lager verſchaffen/ daß ich raſten und ruhen kan/ dann das Woͤrt-
lein
[64]Die Fuͤnffte
lein (ita Luth. in h. Pſ. Tom. V. p. 366.) daß er hie braucht/ heißt liegen
und ruhen/ wie ein Thierlein auff ſeinen Fuͤßen ligt und ruhet. Gleich-
wie ein treuer Hirt ſeine Schaafe/ wann ſie eine Zeitlang gegraßet/
wann ſie des Tages Laſt und Hitze getragen haben/ und ſich ermuͤdet/
dieſelbe/ ſonderlich am Mittag/ wann die Sonn am heiſſeſten ſticht/ un-
ter ſchattichte Baͤum und Waͤlder fuͤhret/ zu Nacht aber in den Schaaf-
Stall begleitet/ da ſie die Speiß ruminiren/ raſten/ ruhen und ſchlaffen
vid. Geſ-
ner. p. 242.koͤnnen/ laſſen unterdeſſen ihre Hirten wachen und ſorgen. Wie
Jacob ein ſolches treues Hertz geweſen/ der ſeinen Schlaff gebrochen/
nur daß ſeine Schaaf haben ruhen koͤnnen. Alſo ruͤhmet auch David
von der Chriſtlichen Kirchen/ daß wiewol ſie Hitz und Trangſal/ Un-
gluͤck und Unruh muß außſtehen/ dennoch es nimmer ſo Arg mit ihr be-
ſtellet/ daß ſie nicht bißweilen reſpiriren/ Lufft bekommen und Frieden
haben ſolte. Und wahr machen die Weiſſagung Ezech. XXXIV, 14.
Jch wil ſie auff die beſte Weyde fuͤhren/ und ihre Huͤrten
werden auff den hohen Bergen in Jſrael ſtehen/ daſelbſt wer-
den ſie in ſanfften Huͤrten liegen/ und fette Weyde haben auff
den Bergen Jſrael. Da der Frieden-Fuͤrſt Chriſtus gebohren/ hat
Gott der Herr dem gantzen Roͤmiſchen Reich einen guͤldenen/ allge-
meinen Frieden beſchehrt/ nachdem Kayſer Auguſtus Egypten bezwun-
gen/ Antonium und Cleopatram uͤberwunden/ drey unterſchiedene Tri-
umph gehalten/ ſo hat man ſicher reiſen und wallen koͤnnen/ die Magi und
Weiſen auß Morgenland ſind inſicherem Geleit nach Bethlehem kom-
men/ die Apoſtel haben in aller Welt ungehindert paſſiren/ und das Ju-
bel-Jahr des N. Teſt. außblaſen koͤnnen/ und Chriſti Reich außbreiten/
erweitern/ pflantzen/ und alſo wahr machen/ was Chriſtus propheceyet.
Maldona-
tus 384.Johan. X, 16. Daß ein Hirt und ein Heerd werde werden.
Act. IX, 31. wird vermeldet/ wie nachdem Saul außgeſchnaubet und
außgewuͤtet/ und er als ein Wuth und Bluthund gedaͤmpffet worden/
die Gemeine in Judea/ Galilea und Samaria ſich gebauet/ und gewan-
delt in der Furcht des Herrn/ und erfuͤllet mit dem Troſt des Heiligen
Geiſtes. Jſt eben auch die hohe Goͤttliche Gnad/ die nach 300. Jaͤhri-
ger Verfolgung die Chriſtliche Kirch genoſſen/ da Conſtantinus M.
zum Kayſerlichen Thron erhaben worden/ da die Kirch halcyonia, und
edele galenen erlangt/ da von Heraclio angerechnet/ die Heydniſche
Verfolgungen ihr End und Ziel erreicht/ und der Satan tauſend Jahr
gebunden
[65]Predigt.
gebunden geweßt/ wiewol er in einer andern Maſcarada auffgezogen/
und innerliche Krieg erweckt/ und endlich den Antichriſt außgebrutet.
Hie M. L. thut ſich herfuͤr. I. Lumen, ein heller Morgenſtern/
ein helles Liecht/ in welchem uns die Geſtalt der wahren/ ſtreitenden und
wallenden Kirchen/ hell und klar in die Glaubens-Augen einleuchtet/
daß wir verſtehen lernen unſern dritten Articul unſers Glaubens. Jch
glaub eine heilige Chriſtliche Kirch/ und zwar eine Kirch/ die fuͤr der
Welt unſichtbar/ dann fides eſt τῶν μὴ βλεϖομένων, der Glaub iſt eine
gewiſſe Zuverſicht deſſen/ das man nicht ſiehet. Sie iſt nicht ſplendida
Civitas von Silber und Edelgeſtein/ praͤchtig und maͤchtig/ wie das
Koͤnigreich Franckreich/ die Republic der Venediger/ wie Bellarminus
ſie abmahlet.
‘Eccleſia (ita Bellarm. l. 3. de Eccleſ. c. 2.) eſt cœtus hominum ita palpabilis \&
viſibilis, ut eſt cœtus populi Romani, vel Regnum Galliæ, aut Reſpublica
Venetorum. Et cap. 12. l. 3. ſemper fundamentum Eccleſiæ eſt aliquid ſen-
ſibile, ac proinde Eccleſia ipſa eſt ſenſibilis; ſive viſibilis. Nam etſi nunc
neque Chriſtum neque Petrum videamus, tamen tunc uterqueſenſibus cor-
poreis expoſitus erat ad videndum: \& tunc uterque videtur, non in ſe, ſed
in vicario, aut ſucceſſore ſuo: ſicut Regnum Neapolitanum non ideò eſt
inviſibile, quia Rex abeſt, nam Rex videtur in ſuo prorege. DEUS vult
Eccleſiam ſanctiſſimam quandam eſſe civitatem ſuprà montem poſitam,
omnibuſque conſpicuam, atque aditu facilem, ne quis eâ relicta peſtiferas
hæreticorum ſpeluncas latebra ſque conſectetur.’ ()
Aber die Lugen hat ſich neulich ſelbſt verrathen in editione Romæ ſub-
terraneæ. Philoſophi manſiſſent, ſi tacuiſſent. Sondern ein Schaaf-
Stall/ fuͤr den Augen der Welt nicht hoch æſtimirt/ doch ovile ſacrum
non hara profana, ein heiliger Stall und Ort/ kein gemeiner und un-
flaͤtiger Schwein-Stall/ weßwegen auch unſere Kirchen reiner und ſaͤu-
berer ſolten gehalten werden/ und auffs wenigſt ſo gut haben/ als in ir-
gend ein Dorff-Kirch/ deren keine ſo bloß und nackend da ſtehet/ daß ſie
nicht mit Mauren und Gattern verwahret waͤre/ auff daß fremde Leute/
ſonderlich Papiſten nicht Anlaß haͤtten ſich zu aͤrgern/ und zu ſagen: Es
ſey zu Straßburg faſt kein Unterſcheid inter aram \& haram, unter
Gottes-Hauß und Schwein-Stall. Wie dann hieruͤber ſchon vor al-
ters dieſer Kirchen Præſident Bucerus geklagt.
l. 1. de Regno Chriſti. c. 10. p. 66. Certa, ajens, oportet habere Chriſtianos lo-
ca, ſacris cœtibus, \& traditis à Chriſto Domino Religionibus deputata,
quæ nullis aliis uſibus, niſi ſumma cogat neceſſitas, debent patere. Quod
Dominus nos admodum graviter docuit, cum templo ejecit, qui tamen
non niſi hoſtiarum mercatum in eo inſtituerant, quo copiam facerent omni-
Neundter Theil. Jbus
[66]Die Fuͤnffte
bus ſacriſicandi, \& menſas numulariorum, quibus peregrini itidem adjuva-
bantur, ad faciendum ſacrificia, \& offerenda munera, in lege DEI partim
mandata, partim commendata. Sed nec vel ullum patiebatur per templum
deferri. Quamobrem priſcæ Eceleſiæ templa ſemper clauſa tenue[n]unt,
quando nulla in eis publica religionis actio exhibebatur, niſi aliud poſtu-
laſſet aliqua populi Chriſtiani neceſſitas. Quibus itaque curæ eſt, ut
Chriſti regnum \& religio apud ſe ve[r]è reparetur \& vigeat, hos certè ne-
ceſſe eſt probè perpendere, ædes hujuſmodi religionis cœtibus \& ſacris Chri-
ſti conſecratas vocari in Scripturis Domus Dei don us orationis, atque hinc
cognoſcere, quàm horrendam ii faciant divinæ Majeſtati contumeliam, qui
templum Domini habent pro deambulacris, lociſque tàm profanis, ut in
illis quævis impura \& profana cum ſimilibus ſuis garriant \& pertractent,
idque nonnunquam etiam, cum ſacra Chriſti in templis adminiſtrantur.
II. Elenchus ſequeſter. Abermal Kirch und Kirch ara und ara
von einander zu unterſcheiden. Es ſind drey groſſe Haupt-Kirchen in
Deutſchland/ die dreyerley Confeſſion und Religion zugethan. Rom/
die ſich zur Roͤmiſchen bekennet/ Witteberg/ ſo der Augſpurgiſchen
Confeſſion zugethan/ und Genv/ welche Calvinus und Beza geſtifftet/
da der Puritaniſmus gebohren/ der prædeſtinatianiſmus jung worden/
und dero Dependenten. Ein jede wil Chriſti Schaaf-Stall ſeyn und
heiſſen: Accede ad hunc ignem \& lucem, der Tag wirds offenbaren/
und wird ſich gar leicht finden/ was Schaaf-Stall oder Wolffs-Grub
ſeye. Unſer Kirch iſt ovile, ein geringer/ ſchwacher/ unanſehnlicher
Stall/ dort Maazim, Stiffter und Cloͤſter wie Schloͤſſer/ Collegia, wie
Salomons Hauß. Unſer Kirch beſtehet nicht auß viel Edeln/ Weiſen
nach dem Fleiſch/ dort prangt man mit Kayſer/ Koͤnigen/ Fuͤrſten/
Herren/ und gefuͤrſteten Prælaten. Unſer Kirch iſt eng/ dort prangt
man mit der Weite.
‘Coriol. in ſumm. Concil. p. 85. \& 86. Eccleſia Romana ex quinque mundi
partibus conſtat, Aſia, Africa, Europa, America \& Magellanica, tria mem-
bra propria tota complectitur, aliorumque duorum maximam continet par-
tem Americæ \& Magellanicæ, quicquid cognitum \& diſcoopertum eſt.
Europa verò ferè tota noſtræ eſt Eccleſiæ; prætereà magna pars Aſiæ verſus
Sinarum oram, \& in Africa vaſtiſſimæ regiones, quibus Presbyter Johannes
(vulgo il Prete Gaini appellatur,) imperat, præterquam quod omnes illæ
provinciæ, quas Luſitani ſuo adjecerunt imperio. uti decet, Papæ mandatis
parent.’ ()
Unſer Kirch iſt ohnmaͤchtig/ verlaſſen/ dort muß jederman ſtuͤtzen/ hal-
ten/ und dem Roͤmiſchen Stul advocatur leiſten. Curia Romana
und der Staat der Roͤmiſchen Kirch muß erhalten werden/ ſolte die gantze
Welt untergehen/ hie Schaaf und Boͤck untereinander/ aber nicht de
Eccleſia,
[67]Predigt.
Eccleſia, ſie ſind kein Glieder der Kirchen/ aber dort auch de Eccleſia, ſo
gar/ daß auch der allerſchaͤndlichſte und ſtinckende Stoß-Bock auff dem
Stul Petri ſitzen kan/ und wuͤrcklich geſeſſen/ wie Baronius ſelbſt nicht in
Abred/ Annal. ad ann. 900. hie Pathemata, Creutz/ Verfolgung und
allerhand Truͤbſal/ dort immerwaͤrende Gluͤckſeligkeit. Hie wallende
Kirch/ Gott weiß/ wie lang/ wir halten uns darnach/ daß vielleicht der
Leuchter wird weg geſtoſſen werden. Wir dancken Gott/ wann wir
ein Huͤttlein behalten. Dort iſt die Kirch an Rom und an den Roͤmi-
ſchen Stul gleichſam angebunden. Hie lauter gruͤnes Graß/ dort mit
falſchen Gloſſen vergifftet. Man leſe Dietenbergers Bibel/ man wird
es finden. Den Leyen wird Waſſer und Weyd verbotten/ und alſo auff
ein duͤrres Land außgefuͤhret/ da es kein Evangeliſcher Troſt gibt/ der
groͤſte Troſt iſt das Fegfeur. Hie Fried/ dort Krieg. Belangend dievid. Pr. ad
2. Reg.
p. 379.
drute: als Reformirte Kirch/ ſo mag dieſelbe ſeyn wie ſie mag im uͤbri-
gen/ ſie mag in etlichen Orten ſonderlich in Franckreich gedruckt und ge-
preßt ſeyn/ ſo mangelts doch an geſunder Weyd/ an pur lauterem un-
vergiffteten Wort GOttes. Man leſe die Herborniſche/ Toſſaniſche/
Pfaͤltziſche/ Baſeliſche Bibel/ ſo viel darin der Glaubens-Regul wiedri-
ge Gloſſen anzutreffen/ ſo viel Gifft und operiment. Zu geſchweigen
wo der Wolff loß wird/ da wuͤtet und verfolget er: Der Vers iſt noch
nicht vergeſſen: O Caſimire potens ſervos expelle Lutheri, und ſeind
die jenige Reimen/ die Pareus und ſeine Spieß-Geſellen/ in einem Buͤch-
lein/ ſo zu Heydelberg Anno 1606. außgegangen/ am End deſſelben/ an
unſern Magiſtrat laſſen abgehen/ noch in friſcher Gedaͤchtnuͤß.
Die Hadermetzen und Bachan[t]en/
Die nichts koͤnnen/ dann calumniren/
Und die Chriſtlich Kirch turbiren.
Welches dann practicirt worden/ in der Pfaltz/ in Heſſen/ in der Marck
Brandenburg/ da es geheiſſen/ fort mit den Ubiquitiſten/ nun aber ver-
folgt der Wolff/ und nicht das Schaaf.
III. Calcar gratitudinis, wann wir dann nunmehr verſichert/
daß wir im wahren Schaaf-Stall Chriſti gebohren/ auff der gruͤnen
Au deß gruͤnen wolſchmeckenden Graßes geweydet werden. Ja gleich-
ſam in der Weyd gehen biß an die Weich/ ſehen daß im Gegentheil die
Auen jaͤm̃erlich ſtehen/ und der Berg Carmel oben verdorret. Amos I, 2.
Daß die Ohim und Zihim im Roͤmiſchen Babylon wohnen. Eſ. XIII, 20.
J ijWir
[68]Die Fuͤnffte
Wir alsdann danckſagen dem Vater/ der uns tuͤchtig ge-
macht hat zu dem Erbtheil der Heiligen im Liecht/ daß Er
uns errettet hat von der Obrigkeit der Roͤmiſchen Finſternuͤß/
und verſetzet in das Reich ſeines lieben Sohns.Col. I. Uns
gezogen in ſeine gruͤne Au zur Gemeinſchafft deß Evangelii/ welche
Danckſagung darin fuͤrnemlich beſtehet/ daß wir wol bedencken und er-
wegen quantitatem \& precium beneficii, die Groͤſſe/ Wichtigkeit und
hohen Adel dieſer Gutthat/ wie David gethan/ (ſchreibt Luth. Tom. V.
Jen. p. 365. f. 2.) Ja wann ein Koͤnigreich oder Stadt voll pactolis
und Gold-flieſſenden Waſſern waͤre/ wann auch ein ſolch cornu copiæ,
oder durch Wort und Gebet geweyhete Gluͤck Topff/ voll Silber/ Gold/
Perlen/ Edelgeſtein/ in einiger Stadt moͤchte erſcheinen/ daß allen ap-
petit erfuͤllen koͤnte/ und daſſelbe mit gutem/ unanſtoͤſſigen ſerenen Ge-
wiſſen koͤnte außgetheilt und angenommen werden/ ohn Abgang deß
achten Gebotts/ daß nicht zulaͤßt einem das nehmen/ was man einem an-
dern gibt/ haͤtte aber das Evangelium nicht/ den bittern Seelen-Hunger
zu ſtillen/ wie in Franckreich/ Welſchland ꝛc. Was waͤre das? Dann
die Seel iſt ein unſterblicher Geiſt/ die kan nichts ſaͤttigen/ als das un-
vergaͤngliche Wort GOttes. Da lechzet die Erde/ weil es nicht
regnet auff Erden/ die Ackerleute gehen traurig und verhuͤl-
len ihre Haͤupter.Jer. XIV, 4. Alſo gehets auch wo kein ſolidirter
und gegruͤndeter Troſt den wachſamen Gewiſſen kan ſatisfaction
thun.
IV. Pacis precium, daß man auch den beſchehrten Frieden wol
anlege/ und das templum pacis auffrichte/ abermal nach dem loͤblichen
Exempel des lieben Davids/ als welcher auß Goͤttlichem Trieb und An-
hauchen des H. Geiſtes an alle Koͤnige/ Potentaten/ Fuͤrſten und Her-
ren dieſer Welt nicht nur geſunnen und begehrt/ daß ſie die Thore
weit/ und die Thuͤre in der Welt hoch machen ſollen/ daß
der Koͤnig der Ehren einziehe.Pſ. XXIV. ſondern ihnen auch mit
ſeinem eigenen Exempel vorgeleuchtet/ indem er der Lade GOttes (wel-
cher Nahme heißt/ der Nahme deß Herrn Zebaoth wohnet darauff
uͤber den Cherubim) ein Huͤtten bereitet/ Raum und Platz gemacht/
daß der ewige Sohn GOttes/ der Koͤnig der Ehren einziehen koͤnte/
welchem loͤblichen Exempel dann nachgeartet und gefolget/ Salomon
Jedidia/ Davids liebſter und weiſſeſter Sohn/ deſſen erſte und angele-
genſte Solgfalt war/ nachdem das gantze Land die Blut-trieffende Krieg
mit
[69]Predigt.
mit dem Rucken/ den lieben guldenen Frieden mit froͤlichen Augen an-
geſehen/ die Thor zu erweitern und einen wunder-ſchoͤnen Tempel auff-
zurichten/ daß der Koͤnig der Ehren einziehe/ davon zu leſen 1. Reg. V,
3. 4. 5. Gleichmaͤſſigem Exempel nach haben folgends andere groſſe He-
roiſche Potentaten gleich-ruͤhmliche Sorgſalt von ſich [erſcheinen] laſſen.
Nachdem Gott der Herr erwecket den Geiſt Cores/ deß Koͤnigs in
Perſien/ ließ derſelbe außruffen: Wer unter euch des Volcks
Jſrael iſt/ mit dem Zug ſey ſein GOtt/ und er ziehe hinauff
gen Jeruſalem in Juda/ und baue das Hauß deß HERRN.
Und wer noch uͤbrig iſt an allen Orten/ da er ein Fremdling
iſt/ dem helffen Leute deß Orts mit Silber und Gold/ Gut
und Vieh/ auß freyem Willen zum Hauße GOttes zu Je-
ruſalem.Auguſtus der Roͤmiſche Kayſer hat eben dazumal/ da er
Jani Tempel zugeſchloſſen/ und das Roͤmiſche Reich in Ruhe geſetzt/
dem Reich Chriſti/ wiewol unwiſſend/ Thuͤr und Thor geoͤffnet/ und
dem Lauff des Evangelii ſichern Commeat und Geleit gegeben/ dadurch
Chriſto dem Herrn Kinder gezeugt worden/ ſo viel/ ſo wunderlich/ als
der Thau auß der Morgenroͤth. So bald Conſtantinus M. der erſte
Chriſtliche Kayſer Maxentium, den andern Pharaonem mit ſeinem
Heer in der Tiber erſaͤufft/ und die bißher aͤuſſerſt betrangte Chriſtliche
Kirch von der uͤber Egyptiſchen ſervitut entlediget und zur Freyheit be-
ruffen/ ſind die Jndianiſche/ Jberiſche/ Saraceniſche/ Engel-Saͤchſi-
ſche/ Hiberniſche/ Schottiſche/ Marcomanniſche und Boariſche Thor
erweitert/ und alſo dem Einzug des Koͤnigs der Ehren Platz gemacht
worden. Heraclii Sieg wider die Perſianer iſt der Kirchen groſſes
Gluͤck geweſen/ durch deſſelben ſiegreiche Waffen haben ſich die Halcyo-
nia wiederum blicken laſſen/ Chriſto ſind in der gantzen Welt Chriſtli-
che Gemeinden ohne Zahl geſamlet worden. Welch ein willkommer
Gaſt bey faſt allen Kreyſen des H. Roͤmiſchen Reichs iſt der Koͤnig der
Ehren mit ſeinem Gnaden-Reich geweſen/ da zu unſerer Groß- und
Uhrgroß-Vaͤter Zeiten/ nach vielfaͤltigen/ ſchweren/ Kayſer-Paͤbſti-
ſchen und Huſſitiſchen Kriegen/ daß lang verdunckelte Liecht deß Evan-
gelii/ durch Luthers und Bucers Dienſt wiederum zu viel tauſend mal
tauſend Seelen Erleuchtung/ gebutzet/ erleuchtet/ und auff den gulde-
nen Leuchter wieder auffgeſtellet worden/ davon redet der helle Mittag
der Erfahrung. Alſo/ ſag ich/ ſollen wir auch dem HERRN
bringen Ehre ſeines Nahmens.Pſal. XXIX. durch gute diſciplin,
J iijheylſame
[70]Die Fuͤnffte
heilſame Ordnung/ Kirchen Reformation und Viſitation, durch Er-
greiffung der Mittel den Kirchen-Frieden zu erjagen/ durch Colloquia,
Synodos \&c. Aber wo ſind die Cronen/ die das thun/ wo die Com-
munen/ die darauff bedencken/ und ſolche Goͤttliche Ehren-Werck
befoͤrdern. Alle Comitia und Rathſchlaͤge bedachten/ vor Zeiten die
Ordnung/ die in dem Vater Unſer geſtellet/ die heißt: Dein Nahm
werde geheiliget/ und dann unſer taͤglich Brod gib uns heut/ welche heut
zu Tag gantz umgekehrt wird/ da man alſo betet: Unſer Vater der du
biſt im Himmel/ unſer taͤglich Brod gib uns heut/ GOttes Nahm und
deſſen Heiligung ſetzet man zu letſt. Darum muß Gott wieder auff-
wachen/ und ſeinen vier Reutern auffgebieten/ darunter der auff dem
fahlen Pferd den Vortrab hat/ der fallt zu erſt GOttes Hauß an/ die
zarten/ unſchuldigen/ außerwehlten Kinder/ deren das Himmelreich
unwiederſprechlich iſt/ die muͤſſen die Suͤnden-Boͤcklein ſeyn/ und einer
gantzen Gemein Suͤnde und dero Straffen tragen/ und auffgeopffert
werden. Anderswo greifft er nach den Alten/ und kom̃ts je laͤnger je
naͤher/ und ob man wol præſerviren wolte/ welches zwar an und vor
ſich ſelbſt nicht unrecht/ dann Goͤttliche Providenz, und Menſchliche
Prudenz nicht wieder einander lauffen. Chriſten ſeind und ſollen
nicht ſein ſtoiſche Fataliſten. Dannoch wann Gott ſtraffen wil/ ſo
helffen keine Porten ſperren und Palliſaten. Der Tod hat gar lange
Bein/ er ſteigt uͤber alle Thuͤrn und Waͤll hinein/ ja gar durch die Fen-
ſter. Jer. IX, 21. Der Tod faͤllt zu unſern Fenſtern hinein/
und kom̃t in unſere Pallaͤſt/ zu wuͤrgen die Kinder auff den
Gaſſen/ die Juͤnglinge auff den Straſſen. Die Urſach iſt an-
gezeigt/ Amos VI, 21. Sie haben nicht gern von Religion/ von Re-
formation gehoͤrt/ die Ehre ſeines Nahmens nicht gebracht: gloriam
magnam, majorem, maximam. Unterdeſſen kennet der Herr die
Seinen/ ob ſie gleich wandeln im finſtern Thal.Pſal. XXIII.
Pſalm. XCI. Und ob gleich dieſelbe per contagionem peccatorum
(contagio peccati generat contagionem peſtis) auch der Contagion
muͤſſen unterworffen ſeyn/ ſo wiſſen ſie doch/ wo ſie hinfallen/ in deß ver-
ſoͤhnten GOttes gnaͤdige/ mildreiche Hand/ und zwar unmittelbar/
nicht den Tyranniſchen Kriegs-Gurgeln/ den Tyranniſchen Wuche-
rern in ihre Haͤnde/ zur Zeit deß Kriegs und Theurung/ und werden
im Gegentheil deſto zeitlicher befoͤrdert in das himmliſche Refectorium,
in die rechte Sicherheit und ſtoltze Ruh.Eſai. XXXII, 18. in
Haͤuſer
[71]Predigt.
Haͤuſer des Friedens/ und darin werden ſie ruhen und ſagen auß
dem LXXXIV. Pſ.Wie lieblich ſind deine Wohnungen HErꝛ
Zebaoth/ mein Leib und Seel freuen ſich in dein lebendigen
GOTT. Dann der Vogel hat ſein Hauß funden/ und
die Schwalbe ihr Neſt/ wol denen die in deinem Hauſe woh-
nen/ die dich loben immerdar. Hilff uns dahin lieber HErre
GOtt/ Durch Chriſti Tod und Wunden roth/ Amen.
Die Sechste Predigt/
Von
Der Thuͤr des Schaaf-Stabls.
GEliebte in Chriſto. Gluͤck zu/ ſagte die Ertz-
Mutter Lea Gen. XXX. Da ihr auff dem Schoß ihrer
Magd Silpa ein Sohn gebohren/ den ſie Gad genennet/
und gefagt: Bagad, ruͤſtig/ wie es Lutherus gedeutſchet/
ἐν τύχη, mit Gluͤck/ die LXX. feliciter, Hieronymus, in
der Lateiniſchen Verſion: Gluͤcklich/ Gluͤck zu. Gott
geb/ daß dieſer mein Sohn ein Gluͤcks-Kind/ ein gluͤckhaffter Menſch
werden moͤchte. Jſt votum Catholicum, ein Allemanns Wunſch/
aller Welt Wunſch/ dichten und trachten. Jſt die Braut/ darum
jederman dantzt: Sie hat mehr Werber/ als die Penelope in Griechen-
land vor Zeiten gehabt: Sie heißt fortuna allerlland Gluͤck/ nach un-
terſchiedlichen geniis und Zueignungen der Menſchlichen Affecten und
Begierden/ Ehr-Gluͤck-Reichthum- und Schatz-Gluͤck/ Spiel-Gluͤck/
Erb-Gluͤck/ Geſchenck-Gluͤck/ Freund-Gluͤck/ Heurath-Gluͤck/ gluͤckli-
chen ſucceſs in allem Thun und Handlungen/ darum buhlen um ſie Koͤ-
nig und Kayſer/ Edel und Unedel/ Impiger extremos currit Merca-
tor ad Indos, Der Soldat ſetzt Leib und Seel in ſtich/ nur daß er das
Gluͤck bring unter ſich. Kom̃t Gluͤck/ ſo laufft man von allen Gaſſen/
Straſſen/ Officinen und Kuchen herzu. Aber meiſtentheil peccami-
nos, befleckt/ ſuͤndlich/ ungoͤttlich/ wann der Wunſch entſpringt auß
fleiſch-
[72]Die Sechste
fleiſchlichem Sinn/ Hertz und Affect, zum fleiſchlichen Zweck zielet/
Fleiſches Luſt/ Augenluſt und hoffaͤrtigen Leben/ durch ungoͤttliche Mit-
tel/ ohne Gott und ſein Wort/ wider Gott und ſein Wort/ unordent-
liche Conjunctur des Gluͤcks mit dem opere illicito, und verbottenen
Mittel/ und alſo auß Unglauben/ der auß allen Actibus und Handlun-
gen/ ſonſt adiaphoris, und weder gut noch boͤß/ Suͤnden macht/ wann
ein Dieb wuͤnſchen und beten wolt von Gott/ Er wolte ſeinen Dietrich
mit gutem ſucceſs begleiten/ wann ein Soldat oder Fechter wuͤnſchte/
Gott wolle ſeine Paſſauiſche Kunſt/ daß er Schutz-frey ſeyn moͤchte/
wol gelingen laſſen/ wann ein Segen-Sprecher uͤber die Kraͤuter/ ſo
von der Natur die Heil-Krafft nicht empfangen/ die drey hoͤchſten Nah-
men wolte anruffen/ ſo waͤre es lauter Katzen-Gebet/ daß nicht gen
Himmel gehet. Solcher Art iſt auch der alſo genannte Gluͤck-Hafen/
ein abentheurlicher Gauckel-Sack/ ohne und wider GOttes Gebott und
Wort/ wider alle Goͤttliche und vernuͤnfftige Menſchliche Rechten auff-
gerichtet/ in foro conſcientiæ nimmermehr zu billigen/ wie ſolches ſchon
vorlaͤngſt gewiſſenhaffte/ Gotts-gelehrte Theologi erwieſen/ und wider
alle inſtanzen vindicirt und erhaͤrtet. Dennoch aber auch ſelten/ wie-
wol bißweilen votum bonum \& laudabile, ein loͤblich und heilſamer
Wunſch. Es kan (nicht ſag ich der Gluͤck-Topff ſelbſt/ ſondern) der
Gluͤck-Wunſch gut und loͤblich ſeyn und heiſſen/ wann zum Exempel
Joſeph wuͤnſcht/ daß Gott ſeine ordentliche Hauß-Arbeit/ mit de-
ren er ſeinem Herꝛn/ dem Potiphar/ fleiſſig und treulich auffgewartet/
mit froͤlichem ſucceſs moͤchte benedeyen/ wie er ohn Zweiffel gethan/
und dannenhero ein gluͤckſeliger Mann worden. Geneſ. XXXIX.
Wann Salomon gewuͤnſcht/ daß der Herr ſein prudenz und obe-
dienz wolle ſegnen/ wie Er auch gethan/ und daher ein gluͤckſeliger
Mann in allen ſeinen Beginnen. 1. Chron. XXIII, 13. Wann noch
auff den heutigen Tag ein Chriſtliches Hertz/ durch ordentliche Mittel/
auß Glauben an das Wort von der Arbeit/ das Wort des Befehls/
Jm Schweiß deines Angeſichts ſolt du dein Brod eſſen/
der Verheiſſung Pſalm. CXXIIX, 2. Du wirſt dich nehren dei-
ner Haͤnde Arbeit/ wol dir/ du haſt es gut/ als ein mantiſ-
ſam, deß zuvor geſuchten Reichs GOttes/ und alſo mit der Gluͤck-Zucht/
zwiſchen zweyen Extremis, der Stoiſchen Gluͤck-Flucht/ und geitzigen
Gluͤck-Sucht hindurch ſegelt/ ſo iſt der Wunſch loͤblich und gut. Loͤb-
licher aber und beſſer/ wann der Wunſch zielet auff die Gnaden-Schaͤtz
im Reich der Gnaden/ nach dem Exempel Davids/ da er deß Gnaden-
Koͤnigs
[73]Predigt.
Koͤnigs Chriſti Einzug zu Jeruſalem im Geiſt lang zuvor geſehen Pſ.
CXVIII, 25. da er gewuͤnſcht Jehova hazlichana,O HErꝛ laß wol
gelingen. Am allerbeſten aber iſt der Wunſch um den geiſtlichen Se-
gen in himmliſchen Guͤtern/ daher St. Paulus ruͤhmet ἐκληρώθημεν,
wir ſind zum Erbtheil kommen.Eph. I. 11. Gluͤcksweiß/ durchs
Loß gleichſam/ ohn unſer Verdienſt/ und Col. I, 12. vermahnet er ſeine
Coloſſer: Danckſaget dem Vater/ der uns tuͤchtig gemacht
hat zum Erbtheil der Heiligen im Liecht. Die κληρονομια, der
Loßfall auff das edelſte Erbtheil/ deß unvergaͤnglichen und unbefleckten
Erbes/ das behalten wird droben in dem Himmel. 1. Petr. I, 4. Jſt
das jenige Gluͤck/ darauff auch David in dieſem Pſalmen reflectirt/
und ſein Abſehen hat/ da er ſagt: Ob ich wandelt im finſtern
Thal/ fuͤrchte ich kein Ungluͤck.E. Hoffe und troͤſte ich mich
ex oppoſito auff gut Gluͤck/ auff Leben und alle Genuͤge/ ohne Mangel/
deſſen ich gewaͤrtig Vorſchmacks-weiß in der rechten ſeligſten Gluͤck-
Stadt und Gluͤcks-Stall der Kirchen GOttes/ und daſſelb durch die
guldene Gluͤcks-Pfort/ durch die Thuͤr des Schaaf-Stalls/ durch wel-
che ich eingehen/ und ſolcher himmliſchen Guͤter und Gaben theilhafftig
werden. Wann wir dann E. L. vor acht Tagen gewieſen auff den geiſt-
lichen Schaaf-Stall der ſtreitenden und wallenden Kirchen Chriſti/ ſo
folget anjetzo die Betrachtung deß Schaaf-Thors/ der Thuͤr/ dadurch
die Schaaf in den Schaaf-Stall eingehen/ davon wir folgende vier
Fragen zu beantworten fuͤrgenommen/ 1. εἰ ἐϛὶ, Ob eine dergleichen ſey/
und David derſelben Meldung thue? 2. und 3. τίς καὶ τί, Wer und was
dieſelbe ſey? 4. διότι, wohin dieſelbe zwecke? Der groſſe Hirt der Schaa-
fe/ Chriſtus JEſus eroͤffne anjetzo Mund/ Ohren und Hertzen/ frucht-
barlich zu hoͤren und zu lehren/ um ſeiner ſelbſt Ehre willen/ Amen.
GEliebte in Chriſto. Εἰ ἐϛὶ, An ſit? Hat dann dieſer unſer
Schaaf-Stall auch ſeine Thuͤr? und iſt dieſes Thema auch in
unſerm Pſalm fundirt? Antwort/ wie anders/ was waͤre das
fuͤr ein Hauß oder Stall/ wann er kein Thuͤr und Thor haͤtte? Es ſind
ja die Schaaf in ihrem Stall und Hurten nicht arreſtirt/ und in hafft/ ſie
muͤſſen ja zur Weyde auß- und eingehen/ auß zur Weyd/ ein zur Ruhe/
es henget alles Kettenweiß aneinander/ wo Hirt/ da Herd/ wo Herd/ da
Hurt/ wo Hurt/ da Fuhrt/ wo Fuhrt/ da Thuͤr. Da die Juden nach
der Babyloniſchen Gefaͤngnuͤß wieder zuruck/ und ihren Schaaf-Stall
Neunter Theil. Kwieder
[74]Die Sechste
wieder gebauen/ da vergeſſen ſie deß Schaaf-Thors nicht. Nehem. III, 1.
David ſelbſt deutet darauff/ wann er in unſerm Pſalm gedenckt deß
Fuͤhrens auff rechter Straß/ zum friſchen Waſſer: Er fuͤhret mich
zum friſchen Waſſer. Wo nun ein Fuhrt iſt/ da muß auch ein
Port ſeyn/ wo der Terminus ad quem, daſelbſt auch der Terminus per
quem. Am allerhelleſten aber und gewiſſeſten hat Chriſtus ſelbſt/ Da-
vids Sohn (der ſeines Groß-Vaters Davids Sinn und Geiſt am be-
ſten verſtanden) in dem jenigen Commentario den Er uͤber dieſen
Pſalm gemacht/ Joh. X. darin Er ſolches erklaͤrt/ bejachzet/ mit einem
doppelten Warlich/ und beſagtes Capitel damit intonirt und ange-
fangen. Warlich/ warlich/ ich ſage euch/ wer nicht zur
Thuͤr hinein gehet in den Schaaf-Stall/ ſondern ſteiget an-
derswo hinein/ der iſt ein Dieb und Moͤrder. Wer aber
zur Thuͤr hinein gehet/ der iſt der Hirt der Schaafe/ dem-
ſelben thut der Thuͤr-Huͤter auff/ und die Schaafe hoͤren ſei-
ne Stimme/ und er ruffet ſeinen Schaafen mit Nahmen/
und fuͤhret ſie auß/ und wann er ſeine Schaafe hat außgelaſ-
ſen/ gehet er fuͤr ihnen hin/ und die Schaafe folgen ihm/
denn ſie kennen ſeine Stimme. Einem Fremden aber fol-
gen ſie nicht nach/ ſondern fliehen von ihm/ denn ſie kennen
der Fremden Stimme nicht. Dieſen Spruch ſaget JEſus
zu ihnen/ ſie vernamen aber nicht/ was es war/ daß Er zu ih-
nen ſaget. Da ſprach JEſus wieder zu ihnen: Warlich/
warlich ich ſage euch/ ich bin die Thuͤr zu den Schaafen/ alle
die vor mir kommen ſind/ die ſind Diebe und Moͤrder gewe-
ſen/ aber die Schaafe haben ihnen nicht gehorchet: Jch bin
die Thuͤr/ ſo jemand durch mich eingehet/ der wird ſelig wer-
den/ und wird ein- und außgehen und Weyde finden. Es
hatte dazumal Chriſtus ein unerhoͤrt Miracul gethan/ an einem blind-
gebohrnen Menſchen/ den Er wieder ſehend gemacht/ daß ſchmirtzt ſeine
abgefagte Feind die Phariſeer/ und brennt ſie in die Augen/ und als der
ſehend wordene Menſch Chriſtum bekennet fuͤr einen groſſen Prophe-
ten/ und aber ſchon die Glock gegoſſen geweßt/ und das Urtheil im
Synedrio gefaßt/ wer Chriſtum bekennet/ der ſoll ein ἀϖοσυνάγωγος,
und in Bann gethan ſeyn/ Joh. IX, 22. ſo ſtoſſen ſie derowegen dieſen
armen Menſchen auß der Synagog hinauß/ verfolgen ihn mit Bann-
Strahlen/ ſchlieſſen ihm die Thuͤr des Schaaf-Stalls zu. O blinder
Eiffer!
[75]Predigt.
Eiffer! O uͤbel gethan! wil der Herr ſagen. Von Rechtswegen
gehoͤret dieſes Schaaf in Stall/ weil es durch die rechte und echte Thuͤr
eingegangen/ ihr Phariſeer aber die ihr wie die Sodomiten verblendet/
und die Thuͤr nicht finden koͤnnet/ ſteigt anderswo hinein/ durch unge-
weyhete Thuͤren und Thor/ da ihr ſelbſt einbrecht/ ihr gehoͤret hinauß/
als Dieb und Moͤrder/ als Woͤlff und Unthier. Jſt alſo die Quæſtio
an ſit? außgemacht und eroͤrtert.
Τίς? Wer iſt aber dieſelbe Thuͤr zum Schaaf-Stall? Wo finden
wir dieſelbe? Da darff es nicht viel divinirens/ fragens und rathens/
der Mund und Grund aller Warheit tritt ſelbſt auff/ ſagt klar und duͤrꝛ
herauß/ und bekraͤfftigets mit einem zweyfachen Warlich: Jch bin die
rechte/ himmliſche/ guldene Gluͤcks-Port/ wer durch mich eingehet/ der
wird ſelig werden/ gleich wie ich zugleich der Prieſter und das Opffer
bin/ im H. Abendmal zugleich die Speiß und der Gaſtgeb/ der Hertzog
deß Lebens/ der Hodegeta und Wegweiſer/ und zugleich der Weg/ die
Warheit und das Leben: Alſo bin ich zugleich Hirt und Thor. Und
damit niemand zu zweiffeln Anlaß bekommen/ damit nicht die Phariſeer
einwenden moͤchten: Tu es teſtis de domo, propria laus ſordet, dein
Zeugnuͤß iſt nicht wahr/ dann du zeugeſt von dir ſelbſt. Joh. VIII, 13.
ſo weißt Er ſie anders wohin/ in die heilige Schrifft/ darin werdet ihr
meine Weihe/ und dero ſatten Beweiß gnug finden/ und erkennen/ daß
ich nicht liege/ gleichwie das Thor deß Sanctuarii und Heiligthums mit
Opffer und Gebet geweihet worden. Nehem, III, 1. Alſo bin ich auch
durch das Wort der Propheten und dero Weiſſagung verſigelt und
conſecrirt worden. Sonderlich bey dem Propheten Eſaia c. LIV, 12.
Da der Prophet gezeuget von einem Bau/ ſo in den Zeiten deß N. Teſta-
ments/ und Erſcheinung deß Meſſiaͤ ſoll auffgerichtet werden/ daß deſ-
ſelben Thuͤr mit Edelgeſteinen und Rubin ſolle verſetzet werden/ was ſind
das anders/ als die Gaben des Geiſtes/ damit Chriſtus ohne maß iſt ge-
ſalbet worden/ die ſich unvergleichlich augenſcheinlich erzeigt in Worten
und Thaten. Eſa. LX, 11. wird gedacht eines immer offenen Thors.
Deine Thor ſollen ſtets offen ſtehen/ weder Tag noch Nacht
zugeſchloſſen werden/ daß der Heyden Macht zu dir gebracht/
und ihre Koͤnige herzu gefuͤhret werden. Das alte Kirch-Thor
mußte beſchloſſen bleiben/ der Fuͤrhang war fuͤr dem Allerheiligſten;
aber jetzt alles Angel-weit offen/ die Schiedwand iſt abgethan/ und al-
lenthalben Paß und Platz. Was iſt das anders/ als das Myſterium
K ijvon
[76]Die Sechste
von dem Eingang der Heyden. Gen. XXVIII, 12. wird einer Leiter ge-
dacht/ deren Spitzen an den Himmel geruͤhret/ und darauff die Engel
GOttes auff- und abgeſtiegen. Was war dieſelbe Leiter? Jacob er-
klaͤrets ſelbſt/ und ſagt: Es ſey porta cœli,die Pforte des Him-
mels. Was war dadurch gemeynet? deß Menſchen Sohn/ Joh. I.
ꝟ. ult.Warlich/ warlich ich ſage euch/ von nun an werdet ihr
den Himmel offen ſehen/ und die Engel GOttes hinauff
und herab fahren auff des Menſchen Sohn. Jſt wuͤrcklich
wahr gemacht worden am Jordan/ da die Janua Eccleſiæ eingeſetzet und
geſtifftet/ da die Thuͤr des Himmels ſich geoͤffnet/ da der Vater als die
erſte Perſon/ dieſelbe mit ſeinem Finger geweihet/ der H. Geiſt als der
Finger GOttes auff Jhn gedeutet/ und ohne Zweiffel werden die heili-
gen Engel GOttes ſich auch dabey gefunden haben. Exod. XII. fin-
den wir die Thuͤr an den Haͤuſern der Kinder Jſrael/ ſo mit dem Blut
des Oſterlam̃s beſtrichen/ dadurch die Jſraeliten vor dem Wuͤrg-Engel
ſicher und frey geweſen. Was war dieſelbe Thuͤr anders als Chriſtus
mit ſeinem eigenen Blut beſpritzt/ dadurch wir die ἀσυλίαν, Sicherheit/
und ſalva quardia erlanget. Darum wir mit der Kirch alſo ſingen:
Hie iſt das rechte Oſterlamm \&c. Deß Blut zeichnet unſer
Thuͤr/ Das hůlt der Glaub dem Tode fuͤr/ Der Wuͤrger
kan uns nicht ruͤhren.Lev. XVI. leſen wir von dem Fuͤrhang deß
Allerheiligſten/ durch welchen niemand als der Hoheprieſter deß Jahrs
einmal durffte kommen/ und daſſelbe mit Boͤck- und Kaͤlber-Blut/ was
das bedeutet/ hat der H. Apoſtel Paulus herꝛlich erklaͤret/ wann er ſagt:
Chriſtus iſt nicht durch der Boͤcke und Kaͤlber Blut/ ſondern
durch ſein eigen Blut einmal in das Heilige eingegangen/
und eine ewige Erloͤſung erfunden.Hebr. IX, 12. und cap. X, 10.
Jn welchem Willen wir ſind geheiliget/ einmal geſchehen
durch das Opffer deß Leibs JEſu Chriſti.verſ. 20. Chriſtus
hat uns (den Eingang in das Heilige/ durch ſein Blut) zubereitet
zum neuen und lebendigen Weg durch den Vorhang/ das iſt
durch ſein Fleiſch: Nemlich durch ſeinen heiligſten Leib/ und heilig-
ſtes Opffer am Stammen deß Creutzes/ und ſein allertheurſtes Ran-
zion-Blut/ und was ſind die Wunden Chriſti anders geweßt/ ſonder-
lich die letſte Wund/ die er allererſt nach ſeinem Tod von einem Kriegs-
knecht mit einem Speer empfangen/ als Janua cœli, ein Heil-Port/ ein
Lebens-
[77]Predigt.
Lebens-Thuͤr. Jnmaſſen ſie Auguſtinus alſo nennet. Tract. 120. in
Johann. vigilanti verbo uſus eſt Evangeliſta, non dicit percuſſit, vel
vulneravit, ſed aperuit, ut illic quodammodo vitæ oſtium apertum
intelligeremus. Das iſt: Der Evangeliſt ſagt nicht/ der
Kriegsknecht hab Chriſtum geſchlagen/ oder verwundet/
ſondern eroͤffnet/ daß wir daher etlicher maſſen verſtuͤnden/ es
ſeye die Lebens-Thuͤr eroͤffnet. Als durch welche der Schaͤcher
an dem Creutz/ der Hauptmann unter dem Creutz/ die viel tauſend/ die
mit Chriſto im Triumph gen Himmel gefahren/ ja alle glaubige Him-
mels-Buͤrger in das ewige Leben eingegangen. Niemand iſt jemals
zum Vater kommen/ als durch dieſe Pfort. Darum Er dann auch in
ſingulari redet zweymal Emphaticè. Jch Jch bin die Thuͤr. Schließt
damit alle Daͤcher und Loͤcher/ alle Neben- und Hinder-Thuͤren zu/ und
ſagt: Wer anderswo hinein ſteigt in den Schaaf-Stall/ der ſey ein
Dieb und Moͤrder. Solche waren nicht nur die alten Phariſeer/ die
ihre ſelbſt eigene Gerechtigkeit und ſtrengeſten Orden zum Himmels-
Thurn auffgeworffen. Sondern auch die neuen Phariſeer im Pabſt-
thum. Bellarm. de ætern. felicit. p. 119. hat vier Nebens-Thuͤren er-
dacht/ den Glauben/ Hoffnung/ Liebe und Demuth/ und wann dieſe
nicht glecken wolten/ ſo pfleget der Pabſt alle Jubel-Jahr die groſſe
Ablaß-Thuͤr portam ſanctam zum Ablaß-Schatz/ der auß den Buſen
und Verdienſten der Heiligen zuſammen geſammelt/ in der St. Peters
Kirch mit gewiſſen Ceremonien eroͤffnen.
Appropinquat (ita Intimator jubilæi inſtituti nuper ab Innocentio X.) dile-
ctiſſimi Filii continuis expetitus bonorum omnium votis annus ſanctifica-
tionis atque indulgentiæ, annus à partu virginis quinquageſimus ſuprà
milleſimum ſexcenteſimumque: \& mox: Nos univerſale maximumque
jubilæum in hac ſacrâ urbe à primis veſperis vigiliæ Nativitatis Salvatotis
noſtri JEſu Chriſti proximè futuræ incipiendum, \& per totum ejuſdem
prænarrati anni, DEO dante, perſequendum, auctoritate DEI omnipoten-
tis, ac beatorum Apoſtolorum Petri \& Pauli, ac noſtra, maxima ac inenar-
rabili cordis noſtri jubilatione ad ipſius omnipotentis DEI gloriam, ſanctæ
Eccleſiæ exaltationem \& tranquillitatem, hæreſium extirpationem, Catho-
licorum Principum concordiam, Chriſtianorumque populorum omnium
ſolatium \& ſanctificationem indicimus, promulgamus \& ſtatuimus. Au-
dite, omnes Chriſti ſanguine redemti. Invitat vos ſanctarum apertione
portarum Civitas Sacerdotalis \& regia Petri ſedes, ærarium divitiatum ex
meritis Chriſti \& ſanctorum congeſtum. Pleniſſima omnium peccatorum
Indulgentia. Primò (ita Læl. Zecchius de Indulgent. Jubil. c. 4.) inſtitui-
tur ſolennis proceſſio, in qua Papa, Cardinales, \& omnes Prælati Curiæ
K 3adſunt,
[78]Die Sechste
adſunt, ubi Papa pluviali indutus, \& alii ſuis indumentis, accedunt ad Ca-
pellam Palatii Apoſtolici, ubi Papa genu flexus orat ante ſacramentum, \&
interim accenduntur faces Cardinalibus, \& aliis dandæ: tum Papa genu
flexus imponens in thuribulo incenſum incenſat ſacramentum, præcinendo
hymnum, Veni Creator Spiritus, \& Cantores proſequuntur, \& omnes rece-
dentes à Capella, tendunt ad Eccleſiam ſancti Petri, Papa delato in ſella
geſtatoria ad portam ſanctam, adhuc obſtructam, aliis Januis clauſis ma-
nentibus, ubi Papa accipiens candelam ſuam aſcendit ad aliam Cathedram
ibi paratam cum tribus gradibus prope portam ſanctam adhuc obſtructam,
aliis Januis clauſis manentibus, ubi Papa accipiens candelam ſuam aſcen-
dit ad aliam cathedram ibi paratam cum tribus gradibus prope portam ſan-
ctam, in qua aliquantum quieſcit, tùm deſcendens cum malleo ter percutit
murum portæ aperiendæ, ter dicens verſus ſequentes V. Aperite mihi
portas juſtitiæ, R. ingreſſus in eas confitebor Domino. V. introibo
in domum tuam Domine. R. adorabo ad templum ſanctum tuum in ti-
more tuo. V. aperite portas, quoniam nobiſcum DEUS. R. quia fecit
virtutem in Iſrael. Tum Papa redit ad ſedem, dicens V. Domine exaudi
orationem meam. R. \& clamor meus ad te veniat, \& ſtatim fabri demo-
liuntur murum portæ ſanctæ, lapidibus ac cœmentis amotis, \& Papa ſequi-
tur Dominus vobiſcum. R. \& cum ſpiritu tuo, \& dicat orationem. Et
ib. p. 70. anno porrò ſancto decurſo, clauditut à Papa porta ſancta ritibus,
de quibus Benzon. d. libr. 4. c. 16. \& 17. Ita vineulis ſpiritualibus obliga-
ti, liberi à vinculis redduntur, \& è carcere educuntur, \& hoc videtur ſignifi-
care ſolennis illa portæ aureæ apertio, quæ fit Romæ: Deſignare quoque
poteſt apertionem illam portarum Limbi, quam fecit Dominus, cum ani-
ma ejus deſcendit ad liberandos Patres ſanctos incarceratos, de quibus in-
telligunt aliqui iliud Pſalmi; Attollite portas principes veſtras \&c. Quia
\& tunc in Limbo fuit jubilæum maximum \& Univerſale, quo liberavit
omnes ibidem exiſtentes, \& ſecundum aliquos omnes etiam in purgatorio
detentos. Significat quoque illa portæ apertio, virtute clavium Petri ape-
riri theſaurum aureum Eccleſiæ, imò \& januam cœli, remotis omnibus
impedimentis, culpâ per pœnitentiam, pœnâ per indulgentiam.
Wer ſind dieſe anders als Dieb und Moͤrder/ Chriſtus ſagts/ mit dem
moͤgen ſie es außmachen. Bleibt alſo janua unica, ein einige Thuͤr/
wie ein Schaaf-Thuͤr ſeyn ſoll/ damit das Schaaf nicht in Jrꝛſal gera-
the. Viel Thuͤren/ Begebenheiten zu verirren.
Quæ \& qualis janua, was iſt dann das fuͤr ein Thuͤr? und mit was
fuͤr Qualitaͤten behafft/ damit wir ſie recht eigentlich erkennen und von
andern unterſcheiden moͤgen. Antwort/ ſie hat alle Qualitaͤten/ die eine
rechte Thuͤr zum Hauß haben ſoll. Nemlich 1. Janua index \& illex,
ἐυϖρόσιτος, omnibus patens, ein Angelweite offene Thuͤr/ die nach Goͤtt-
licher intention allen und jeden Menſchen offen ſtehet/ und ihnen den
Ein- und Durchgang goͤnnet/ aber nach der Ordnung den Schaafen
Chriſti
[79]Predigt.
Chriſti nimmer beſchloſſen. Es iſt nicht mehr um die Zeit deß Alten Te-
ſtaments/ da der Fuͤrhang fuͤr dem Gnadenſtul henget/ er iſt zerriſſen
durch den Tod Chriſti/ vorhin und jetzt nicht mehr wars alles verſchloſ-
ſen. Die Columna und Saͤul ſtehet nicht mehr da/ daran mit Lateini-
ſchen und Griechiſchen Buchſtaben geſchrieben war/ daß kein Fremder/
kein Griech/ kein Heyd in das Heilige doͤrffte eingehen. Daher die Ju-
den zetter und mordio uͤber Paulum geſchrien/ daß er (wiewol auß fal-
ſchem Argwohn) Trophimum den Epheſer in den Tempel gefuͤhret.
Act. XXI, 30. Nein die Pforte deß Tempels iſt von ſich ſelbſt auffgan-
gen/ Drum ſey Gott Lob der Weg iſt gemacht/ Und ſteht der Himmel
offen. Nachdem wir ſind gerecht worden/ durch den Glau-
ben/ ſo haben wir Friede mit GOtt/ durch unſern HErꝛn
JEſum Chriſt/ durch welchen wir auch einen. Zugang haben
haben im Glauben zu dieſer Gnade.Rom. V, 1. 2. Er iſt der
Weg/ der jederman offen ſtehet/ und zu ſich locket. Matth. XI.Kom-
met her zu mir alle die ihr muͤhſelig und beladen ſeyd. 2. Por-
ta obex: Soll ein Thor feſt halten/ ſo muß es feſt geſetzt/ mit Riegel
und Schloſſen wol verwahret ſeyn. Deut. III, 5. Syr. XLIX, 11. ſonder-
lich ein Schaaf-Stall/ damit der Wolff nicht einreiſſen/ auff- und ein-
brechen kan. So iſt auch die Pfort der Chriſtlichen Kirchen geartet/
ſie iſt feſt gegruͤndet auff einen Felſen/ Thor und Fels zugleich/ alſo gar/
daß auch die Pforten der Hoͤllen ſie nicht ſollen uͤberwaͤltigen. Matth.
XVI. Chriſtus aber hat im Gegentheil vielmehr die Pforten der Hoͤl-
len auß dem Angel gehoben. Daß kan wol geſchehen/ daß die aͤuſſerli-vid. Fabric.
ad judic.
p. 1122.
che Kirch und Gemein/ wann dieſelbe nicht halt/ und vom Felſen loß
reißt/ kan uͤberwaͤltiget werden/ wie Breyſach durch Hunger bezwungen
worden. Jſt geſchehen der Kirchen zu Epheſo/ ob ſie gleich ein Pfeiler
und Grundfeſte der Warheit geweſen. 1. Tim. III, 16. als welcher der
Apoſtel geweiſſaget: Daß auß ihnen entſtehen werden greuliche
Woͤlffe/ die der Heerde nicht verſchonen.Act. XX. Rom hat
kein Siegel und Brieff dafuͤr/ vielmehr beſorgt ſich Paulus das Gegen-
theil/ Rom. XI, 20.Steheſt du durch den Glauben/ ſo ſey nicht
ſtoltz/ ſondern fuͤrchte dich. Welche Warnung umſonſt waͤre/
wann die Kirch abſolutè indeficibilis, ſchlechter Dings unfallbar waͤ-
re/ dann wann dem alſo/ haͤtte Paulus eben ſo thoͤricht gethan/ als haͤtte
er einen heiligen Engel/ der im Guten alſo beſtaͤtiget/ daß er auß demſel-
ben nicht mehr fallen kan/ gewarnet/ er ſolle ſich vor dem hoͤlliſchen
Wolff vor ſehen/ damit er ihn nicht verſchlinge: Aber unterdeſſen bleibt
der
[80]Die Sechste
der unſichtbarn Kirch/ von deren wir glauben/ credo Eccleſiam, derglei-
chen geweſen die Kirch zur Zeit Eliaͤ/ die Kirch vor Luthero/ daß ſie von
den Hoͤllen-Pforten nicht kan uͤberwaͤltiget werden. 3. Porta judex,
dann ſo pflegte man in der Juͤdifchen Policey/ die offentliche Ge-
richt/ Stadt-Gericht/ Blut-Gericht/ Ehe-Gericht/ Rechts-Haͤndel
und. Urtheil offentlich unter den Pforten der Stadt/ da jederman auß-
und eingehet/ und ohne Scheu jederman zuhoͤren koͤnnen/ wie die Ur-
theil gefaßt/ zwiſchen Blut und Blut/ Schaden und Schaden/ Handel
und Handel/ Deut. XVII, 8. c. XXV, 7. Ruth. IV, 1. Alſo auch hier
porta juſtitiæ, die Thor der Gerechtigkeit/ Pſ. CXVIII, 19. 20. hie judex
controverſiarum, ſonderlich in foro juſtificationis, deſſen helles und
klares Exempel wir gehabt im verwichenen Sonntaͤglichen Evangelio/
in der Parabel vom Zoͤllner und Phariſeer/ da erſcheint auff dieſer Seit
Actor und Klaͤger ein geiſtlicher Ordens-Mann/ ein geſchwuͤlſtiger/
lebendig heiliger Phariſeer/ der in ſeinem Hertzen beredt/ er waͤre gantz
fromm/ rein und gerecht (ἀυτόδικος πεϖοιθὼς ὅτι δίκαιος) der auff ſeine
Froͤmmigkeit getrotzet und gepochet/ ϛαθεὶς, ſein Fuß ſtund ungebogen
auffrecht/ er hat ſich im Tempel empor auffgebaͤumet/ und das Angeſicht
gegen das Allerheiligſte gewendet/ ſtarꝛ/ auffrecht und trotzig/ gleich
einem der ein perfect gutes Gewiſſen/ vor niemand ſich zu ſchaͤmen und
zu ſchenen hat/ jactans jejunia, o[i] ans Euchariſtiâ, accuſans zelo, ſein
Mund pralet mit Ruhm ſeines Faſtens/ klaget den Zoͤllner an mit groſ-
ſem Eiffer/ er begert Rach und Straff/ wie ers verdienet/ nach dem
rigor deß Geſetzes/ ſtoßt ihn in die Hoͤlle hinab/ verflucht ſey er dieweil
er nicht gehalten alles was im Geſetz geſchrieben ſtehet. Hîc reus
publicanus, auff dieſer Seit der Verklagte/ verruchte und verruffte
Zoͤllner/ mit Ach und Weh/ mit demuͤtigem/ zerſchlagenen und zerbro-
chenen Hertzen/ das Hertz klopffet ihm vor groſſer Angſt ſeiner Suͤn-
den/ er ſtehet von ferne/ in der Heyden Vorhoff/ als ein Dieb mit nie-
dergeſchlagenen Augen/ wolt ſeine Augen nicht auffheben/ als deſſen
er nicht wuͤrdig und werth/ ſondern von Rechtswegen cœlo excluſiſ-
ſimus, als einer der vom Himmel außgeſchloſſen ſey. Bekennet/
beichtet und betet/ [...]άσϑητί μοι: GOtt ſey mir Suͤnder gnaͤdig/
er haͤnget ſich/ wie Jacob an die Hoͤrner des Altars/ an den Gnaden-
und Mittlers-Thron zwiſchen ſich und Gott dem gerechten Richter/
an aram miſericordiæ, an die Burg-Freyheit und Frieden-Saͤul.
Ach Herr nicht mich/ ſondern den Gnadenſtul ſiehe an/ um deß
Meſſiaͤ willen/ der durch den Gnadenſtul bedeutet worden/ ſeye mir ar-
men
[81]Predigt.
men Suͤnder gnaͤdig. Darauff der Richterliche Außſpruch [erfolget]/
der den Gerichts-Sieg dem Pariſeer ab- und dem Zoͤllner zugeſprochen:
Du Phariſeer haſt deine Sach verlohren/ du aber Zoͤllner haſt uͤberwun-
den und gewonnen: Warlich/ ich ſage euch/ dieſer gieng hinab
gerechtfertiget in ſein Hauß vor jenem.
Διότι: Wozu und wohin zwecket dieſe Thuͤr? Σωτηρία, Heil/
Gluͤck/ dann ſo lautet die klare Verheiſſung Chriſti Joh. X, 9. 10.Jch
bin die Thuͤr/ ſo jemand durch mich eingehet/ der wird ſelig
werden/ der wird ein- und außgehen/ ich bin kommen/ daß
meine Schaafe Leben und volle Genuͤge haben ſollen. Σωθή-
σεται, begreifft zwey Stuͤck in ſich/ freyen Paß/ ein- und außzugehen/
dann das bringt die Phraſis mit ſich/ ein gluͤcklichen/ ungehinderten
freyen Paß in allerhand Ampts-Geſchaͤfften/ Num. XXVII, 17. Deut.
XXXI, 2. 1. Sam. VIII, 20. Pſ. CXXI, 8. Alſo wird ein ſolches Chriſt-
Schaͤfflein in dem Lauff und Kampff ſeines Chriſtenthums ſicher und
wol ein- und außgehen/ freyen Paß und Repaßhaben/ es wird zwar hart
hergehen/ die Thuͤr ſey eng/Matth. VII, 14. bißweilen kom̃t man
zwiſchen Thuͤr und Angel/ da man ſich klemmet und quetſchet/ wer gar
zu groß/ El gibbor, allzuſchwer auffgeladen/ der kan ſchwerlich einkom-
men/ nach dem Wort Chriſti: Es iſt leichter/ daß ein Camel durch ein
Nadeloͤhr gehe/ ſo iſt auch der Weg belegt von Woͤlffen/ die lauren im
Verborgenen/ daß ſie den Elenden erhaſchen und zerreiſſen; Aber
ἐκληρώθημεν, Col. I, 12. Wir ſeind errettet/ und befreyet/ Teuffels-frey/
Welt-frey/ Suͤnden-frey/ der Huͤter Jſrael bewahret Leib und Seel/
auch in dem finſtern Todes-Thal/ poſitivè, nicht nur Weyd/ ſondern
Leben und volle Genuͤge/ das vollkommene ſchalom und complement
alles guten/ ἐκληρωθημεν, wir ſind errettet in der μεταθέσει in der Ver-
ſetzung in das Reich der ewigen Herꝛligkeit/ deß ewigen Lebens/ friedli-
chen Lebens/ Freuden-Lebens/ Ehr-Lebens/ heiligen Lebens/ froͤlichen
Lebens/ ewig Leben und volle Genuͤge. Was wollen wir mehr: Wer
iſt der nicht gern gute Tage und gut Leben haͤtte/ ſagt und fragt David.
Pſ. XXXIV. Laßt uns wol leben/ ſagt die rohe Burſt von ihrem Sau-
Leben/ damit man ſich zu Tod lebet. O todtes Leben! Laßt uns wol
leben/ hie in progeuſi, in dem Vorſchmack. Aber da gehoͤrt keine laſſe
Hand zu/ kein faule Fuͤß: Es iſt zwar das ewige Leben χάρισμα, ein
Geſchenck/ und ein Gnaden-Gab; Doch hat Gott gewiſſe Ordnung
geſtifftet/ Er wil das wir gehen und wandeln ſollen/ prudenter, fuͤrſich-
tig Epheſ. V, 9. 15. nicht als die Unweiſen/ ſondern als die Weiſen.
Neundter Theil. LErgò
[82]Die Sechste
Ergò prudentiâ opus: Die koͤnnen wir fuͤr dieſes mal nicht beſſer
lernen/ als an dem Abentheuer des Gluͤck-Hafens/ der noch taͤglich vor
den Ohren drommet und pfeiffet/ unſchuldige Hertzen zu verfuͤhren.
Aber in dieſem tertio, gleichwie Chriſtus den Haußhalter lobet. Luc.
XVI. als an dem er nicht gelobt den anklebenden Mißbrauch/ ἀταξίαν,
und Unordnung/ die Schalckheit/ ſondern das ingenium, die Scharff-
ſinnigkeit/ die ſubſtantiam prudentiæ, und ſchließt darauff/ die Kinder
dieſer Welt ſind kluͤger/ als die Kinder des Liechts. Alſo auch allhie:
Es iſt einmal das gewinnſichtige Affenſpiel per ſe nichts flaͤtigs/ Suͤnd
und Unrecht/ und kan mit keinem Titul des Rechten cohoneſtirt wer-
den. Jſt Abgoͤttiſch/ dann ſo machtens die Abgoͤttiſche Juden Eſa.
LXV, 11. die decken der Fortun ein Tiſch oder Altar und opffern drauff.
Jſt ein Aberglaub/ Gott hat ſeinen Segen auff die Arbeit gelegt/ und
nicht auff das Gluͤck-Spiel: Jſt in foro conſcientiæ ein Diebſtahl/
dann was einem die blinde Fortun gibt/ das raubt ſie hundert oder tau-
ſenden. Je ſubtiler/ je aͤrger. Jſt kein proportion, unter der Gab und
pretio, maſſen einer um einen Schilling ein Geſchirꝛ von 30. 40. oder
mehr Loth Silber außtauſcht: folgt nicht/ die Obrigkeit hats verhaͤngt.
E. gebilligt. E. gut geheiſſen. Moſes hat διὰ τὴν σκληροκαρδιαν des
Hertzens Haͤrtigkeit/ den Scheid-Brieff den Juden erlaubt/ darum aber
nicht gebilliget und gut geheiſſen. Es haben ja die Handwercker ihre
ertz-boͤſe Gewonheiten/ welche auch der Roͤmiſche Kayſer nicht gern ſie-
het/ wie vermuthlich/ doch de facto im Schwang gehen/ und nicht ab-
geſchaffet werden/ die unmaͤſſige uſur uͤber das was geſetzt iſt/ iſt ja gnug-
ſam hell und klar am Tag/ und gleich wie 1. Reg. XXII. ein boͤſer Geiſt
außgangen/ der ein falſcher Geiſt geweßt in aller Propheten Munde.
Alſo vor 40. Jahren die Kipperey: Chriſtliche Obrigkeit habens dar-
um nicht gern geſehen. Alſo iſt auch ein boͤſer Geiſt außgegangen/ die
Gluͤckſucht zu befoͤrdern/ und den Gluͤck-Hafen angerichtet durch Goͤtt-
liche Verhaͤngnuͤß/ dann dieſer iſt der πάρεδρος der boͤſe Engel/ der es
dirigirt und alſo fuͤgt. Auguſt. l. 5. C. D. c. 9.
Dennoch weil Gott nichts boͤſes laßt fuͤrgehen/ er wiſſe dann et-
was guts darauß zu machen: Alſo kan uns auch dieſer berichteter Gluͤck-
Hafen zu etwas gut ſeyn. Er erweckt ſanctam avaritiam, ein heiligen
Geitz. So bald der Gluͤck-Hafen geoͤffnet/ und der Gott dieſer Welt
die Leut auff den Berg gefuͤhrt/ und die Reich dieſer Welt gezeigt/ ſo hat
ſich jederman faſt darzu gedraͤngt/ ein jeder wolte der erſte ſeyn. Mein
Gott
[83]Predigt.
Gott/ wie ſeind doch vieler Hertzen Gedancken offenbar worden. Ubi
theſaurus, ibi cor: Wie hat mancher ſein Mammons Begierd und
Dienſt verrathen. Solten die Barbariſche wilde Leute in der Neuen
Welt dieſes Spiel geſehen haben/ wuͤrden ſie nicht geſagt haben: Au-
rum eſſe Chriſtianorum Deum, Gold ſey der Chriſten Gott. Wie
recht und billig wuͤrden am Juͤngſten Tag unſer Chriſten-Volck verdam-
men die Spartaner/ von denen Plutarchus ſchreibet in Lycurgo. Ly-
curgus habe es durch ſtrenge diſciplin dahin gebracht/ daß der Abgott
Pluto ἀσυλος, ἄζηλος, ἄϖλουτος gelaſſen worden.
‘Plutarchus (ita Corn. à Lap. ad Ezech. p. 1033.) in vita Lycurgi eum laudat,
quod ſuis legibus effecerit; ut Plutus apud Spartanos eſſet ἄσυλος, id eſt
tutus à furibus, \& quaſi in aſylo poſitus, ἄζηλος, id eſt neglectus, quem
nemo zelaret; atque ἄϖλουτος, id eſt pauper. Docuerat enim Spartanos
per frugalitatem contemnere divitias, opeſque parvipendere, quaſi imbe-
cilles \& inopes. Ideoque ait Plutarch. Plutus ex omnibus civitatibus,
quæ ſub ſole ſunt, in una Spartâ ſervabatur τυφλὸς id eſt cœcus, ac repoſi-
tus, non aliter quàm tabula, anima carens, aut vile metallum.’ ()
Aber O ihr unverſtaͤndigen Straßburger/ wer hat euch bezaubert! wen-
det doch die Chart um und bezeugt/ daß ihr Chriſten ſeyd/ die da trachten
nach dem das droben iſt/ die da von ſich laſſen leuchten ein heiliges Ver-
langen/ nach himmliſchen Guͤttern/ nach der Gnade deß Vaters/ nach
dem Burgerrecht das droben iſt/ nach den Gaben deß H. Geiſtes/ Fried/
Gerechtigkeit/ Liecht und Troſt. Wir koͤnnen bey dieſem Spiel lernen
ſpem vivam, ein lebendige Hoffnung/ der Gluͤck-Topff macht Hoff-
nung/ aber todte Hoffnung/ eitele und blinde Hoffnung/ hoffen und
harren macht manchen zum Narren/ fortuna cui arridet irridet, wen
das Gluͤck anlachet/ den lachet es auß/ bekom̃t er nichts/ ſo wird er betro-
gen um ſein Geld/ bekom̃t er etwas/ ſo verwundet er ſein Gewiſſen/
Chriſtus zeiget uns viel ein ander oſtium bonæ ſpei: Er ſagt Oſe. II, 15.
Jch wil ihr geben das Thal Achor/ die Hoffnung auffzu-
thun Er wil ſeine Schaaf ins Angſt- und Jammerthal Achor fuͤh-
ren/ aber da freundlich mit ihnen reden/ das iſt durch ſein Honigſuͤſſes
Evangelium dermaſſen troͤſten/ daß ſie mit lebendiger Hoffnung mitten
im Creutz ſollen erfreuet werden/ wie Jacobs Himmel-Pfort mitten in
der Nacht ihn mehr erfreuet/ als Eſau betruͤben koͤnnen/ und Stepha-
nus/ da er den Himmel offen geſehen/ ibat ovans animis \& ſpe ſua da-
mna levabat. Es truckte ihn zwar das groſſe Hertzenleid/ doch uͤber-
L ijwand
[84]Die Sechste
wand ſeine Hoffnung und groſſe Freud. Darum laßt uns eingehen zu
dieſer Ruhe/ und nicht verſaͤumen/ das unſer keiner dahinden bleibe.
Hebr. IV. lernen Agoniſmum: Man muß ſich duͤcken und ſchmuͤcken/
drengen und pfrengen laſſen. Es wird manchem gar ſaur hinzu zu
kommen ſi tanti vitrum, quantimargarita, Ambroſius. Ε. ἀγωνίζεσϑε
εἰσελθει̃ν: Ringet darnach daß ihr eingehet/ klopfft an bey Zeiten/ ehe
die Gluͤcks-Thuͤr verſchloſſen wird/ damit ihr nicht muͤſſet anfahen
drauß zu ſtehen/ und an die Thuͤr klopffen und ſagen: HErꝛ/
HErꝛ/ thu uns auff. Und Er wird antworten und zu euch
ſagen: Jch kenne euer nicht/ woher ihr ſeyd.Luc. XIII, 25. Le-
get Gewalt an: Seyd nicht faule und traͤge Leute/ die ſich dahin ſtrecken
und ſchlaffen/ oder die Haͤnde in den Schooß legen/ ſondern eiferige/ ar-
beitſame/ unverdroſſene Leute/ die allen ihren Fleiß/ Sorg und Muͤhe
anwenden/ damit ſie das vorgeſetzte Ziel deß ewigen Lebens einnehmen.
Quo quis violentior, eò religioſior, je gewaltthaͤtiger und reiſſender
einer iſt/ je heiliger iſt er. Das Gluͤck iſts ja wol werth/ daß man ihm
ein wenig laſſe Wehe geſchehen. Lernen egreſſionem pœnitentem:
Die Ungluͤckhafftigen kommen herauß mit traurigen Geberden/ der
Reu-Kauff folget ihnen auff dem Fuß nach. Sie kratzen am Kopff/
ſie verſpeyen und maledeyen ihn. Pfuy dich du ſchand Gluͤck-Hafen.
O ich Narꝛ was hab ich gedacht/ daß ich das Geld nicht beſſer angelegt.
Die Sonntags-Kinder und Gluͤck-Voͤgel gehen mit Freuden herauß/
prangen und pralen mit ihren Gaben/ waͤren ſie weiſe/ wuͤrden ſie es im
Nachſinnen vielmehr deteſtiren/ Urſach zur Reu und Buß gnug fin-
den. Und die Wort des HerrnJoſ. VII, 12. zu Hertzen nehmen: Es
iſt ein Bann unter euch/ einanathema.Jch wil forthin nicht
mit euch ſeyn. Aber O wehe ihnen/ wann ich werde von ih-
nen gewichen ſeyn.Oſe. IX, 12. Was wird dann mit uns ſeyn? ihr
gnaͤdiger Herꝛ der Teuffel/ der Gluͤcks-Geiſt/ der wird ſein Teuffels
Danck und Geſtanck mit ſich ziehen/ mit uns ſeyn/ wie der Wuͤrg-Engel
bey den Egyptiern/ durch GOttes Verhaͤngnuͤß. Lauter Ungluͤck/ da-
von Jer. I, 13. Jch ſiehe einen heiß-ſiedenden Topf/ darin die Stadt Je-
ruſalem mit Angſt und Schrecken ſieden und kochen wird/ dann es wird
das Ungluͤck außbrechen uͤber alle die im Lande wohnen/ und daſſelb
um ſo viel deſto eher und aͤrger/ als ſteiff/ ſtoltz und hoͤniſch man die Pre-
digten/ die hievon gehalten werden/ verlacht. Nach dem Wort/
das du uns im Namen des HErꝛn ſagſt/ wollen wir nicht
thun/
[85]Predigt.
thun/ das ſolt ihr wiſſen. Ey ſo ſolt ihr auch das wiſſen/ daß
Gott allbereit einen Topff zum Feur geſetzt/ er ſiedet ſchon. Jer. I, 13.
Dann Jeruſalem ſoll ſieden/ ſitzen und ſchwitzen. Auch die Heyden ſte-
hen/ Thren. IV. Da ſie geſehen/ was fuͤr Laſter im Schwang gehen/
und werden ſagen/ eine ſolche Stadt kan nicht lang bleiben. Gott er-
barme ſich uͤber die unſchuldigen noch uͤbrigen Kinder deß Liechts/ die
druͤber ſeuffzen/ gebe die rechte pœnitenz denen die in der Predigt getrof-
fen/ und finden daß ſie unrecht gethan. Vnterdeſſen haben die recht
Heiligen im Liecht den Troſt/ und die inſtruction, ſie ſollen auch außge-
hen/ aber mit Freuden und Dancken/ freuen/ daß der Herr ihr Gott
iſt/ daß Er ſie gemacht zu ſeinem Volck/ und Schaafen ſeiner Weyde.
Dancken dem Vater deß Liechts/ der ſie tuͤchtig gemacht hat zum Erb-
theil der Heiligen im Liecht/ der ſie errettet von der Obrigkeit der Finſter-
nuͤß/ und verſetzet in das Reich ſeines Sohns/ in welchem ſie auch ha-
ben die Erloͤſung durch ſein Blut/ nemlich die Vergebung der Suͤnden/
die iſt der Schluͤſſel deß Himmelreichs/ der Schluͤſſel zur Gluͤcks-Pfort/
der allerſeligſten Gluͤck-Stadt. Zu dero Gemeinſchafft uns allen helf-
fen wolle/ der/ der ſie uns erworben hat/ dem dafuͤr ſey Danck und Preiß/
jetzt und zu ewigen Zeiten/ Amen.
Die Siebende Predigt/
Von
Der Thuͤr des Hirten.
GEliebte in Chriſto. Auß waſſer Macht thuſt du
das/ und wer hat dir die Macht gegeben. Jſt die
jenige ſpitzige Frag/ welche Matth. XXI, 23. dem edeln
und werthen Ertz-Hirten und Biſchoff unſerer Seelen/
die Hohenprieſter/ Schrifftgelehrten und Elteſten des
Volcks vorgetragen/ damal als Er der HErꝛ JEſus zu
Jeruſalem eingeritten/ den Meſſias-Segen/ und Meſſias-Gruß/ das
Hoſianna angenommen/ ſeinem Schaaf-Stall dem Tempel zu Jeruſa-
lem ſtrack zu geritten/ durch das Tempel-Thor hinein gegangen/ an-
L iijfangen
[86]Die Sechste
fangen zu lehren und zu predigen/ zu reformiren und rumoren/ die
Kaͤuffer und Verkaͤuffer außgetrieben/ die Wechſel-Tiſch umgeſtuͤrtzt/
da tritt beſagter Außſchuß deß Synedrii und groſſen Raths zu Jeruſalem
zuſammen/ ſtellen Jhn zu Red/ fragen und ſagen: Auß waſſer Macht
thuſt du das. Matth. XXI, 23.
II. Quæſtio categorica, ein Klag-Frag/ ein Anklags-Frag/ in
welcher ſie Jhn nicht undunckel anklagen und bezuͤchtigen eines Frevels/
begehren er ſoll ſein vocationem legitimiren/ ſein jus dociren/ ſein
Credenz-Schreiben auffweiſen/ und anzeigen/ wer Jhm die Macht ge-
geben/ ſo gethane Reformation anzuſtellen/ werde Ers nicht koͤnnen/ ſo
werde Er der ſeyn muͤſſen und bleiben/ fuͤr den ſie Jhn bißher gehalten/
ein falſcher Prophet/ Verfuͤhrer deß Volcks/ Auffruͤhrer und Meutma-
cher/ ein ſelbſthergeloffener Wolff. Ja ein Dieb und Moͤrder/ als der
nicht durch die rechte Thuͤr der Prieſterlichen vocation eingegangen/
Macht und Gewalt zu lehren nicht empfangen/ ſonden ſelbſt genommen.
III. Quæſtio reſponſione eliſa, eine Frag welche der Herr be-
antwortet/ zwar damal und daſſelbe obſcurè dunckel und nicht lauter/
wann Er als ein trefflicher Diſputator ſie mit einer anteroteſi und Ge-
gen-Frag verſtrickt und abfertiget/ und begehrt von ihnen zu wiſſen/ von
wannen Johannis Tauff und Lehr-Ampt geweſen/ vom Himmel oder
von den Menſchen/ von bloſen Menſchen doͤrffen ſie nicht ſagen auß
Furcht deß Volcks/ welches Jhn fuͤr ein Propheten gehalten/ darum
waren ſie in ihrem Gewiſſen uͤberwieſen/ λόγῳ ἔσω, daß ſie vom Himmel.
Nun hat Johannes von Chriſto gezeuget/ daß Er von Gott geſandt/
daß Er GOttes Sohn/ Joh. I, 34. vom Himmelherab von oben her kom-
men/ Joh. III, 31. gar heuter aber hell und klar hat Er auff fuͤrgelegte Frag
geantwortet/ in dem Commentario, den Er uͤber den XXIII. Pſalmen
gemacht/ und dieſen Pſalm das groſſe Heiligthum/ mit dem Evangelio
Johannis/ als eine monſtranz mit einem guͤldenen Stuͤck gezieret/
wann Er das X. Capitel Johannis mit dieſen Worten angefangen und
geſagt: Der habe Macht und Recht zum Schaaf-Stall/ er ſey der rech-
te Hirt/ der zur rechten Thuͤr eingehet. Wer nicht zur Thuͤr hinein ge-
het/ ſondern ſteiget anders wo hinein/ der iſt ein Dieb und Moͤrder. Jch
bin der rechte und echte Hirt/ der zur rechten Thuͤr hinein gegangen/ ihr
aber ſeyd nicht zur rechten Thuͤr eingegangen. Wann zum Exempel je-
ner edle Boͤßwicht Cuntz von Kauffen Anno 1455. zu Altenburg bey
eiteler Nacht in Abweſen deß Churfuͤrſten Friderici das Schloß mit
Leitern
[87]Predigt.
Leitern erſtiegen/ durchs Fenſter hinein/ und nicht durch die Schloß-
Port/ in die Kammer kommen/ da Erneſtus und Albertus, zween junge
Printzen geſchlaffen/ ſie erhoben/ in den Boͤhmer Wald verfuͤhret/ was
war der anders als ein plagiarius ein Menſchen-Dieb und Moͤrder/ der-
gleichen waren auch die Hohenprieſter/ Schrifftgelehrten und Elteſten
im Juͤdiſchen Volck. Jch aber bin zur rechten Thuͤr hinein gegangen:
Wer nun zur rechten Thuͤr hinein geht/ der iſt der rechte Hirt der Schaa-
fe/ der bin ich/ und wils erweiſen. Ja nicht nur Hirt/ ſondern auch die
Thuͤr ſelbſt. Alles auff Art und Weiß/ wie wir anjetzo mit mehrerm
vernehmen wollen. Dann nachdem wir bißber in gruͤndlicher Tracta-
tion der hoch-troͤſtlichen Schaͤfferey Davids gehabt den Hirten/ des
Hirten Schaaf/ des Schaafs Schaaf-Stall/ des Schaaf-Stalls ge-
meine Thuͤr/ dadurch die Schaaf auß- und eingehen/ alſo folget/ daß wir
beſehen oſtium paſtoris, die Thuͤr des Hirten/ unum idemque, non
ἄλλο ſed ἀλλοῖον, dadurch Er zuvorderſt der groſſe Hirt eingegangen/ und
nachmalen alle Unter-Hirten ſecundirt. Gott gebe ſeine Gnad/
Amen.
SO iſt nun/ Geliebte in Chriſto/ die groſſe rare und
wunderbare Perſon/ Chriſtus der Welt-Heyland nicht allein
der rechte Hirt/ der durch die rechte Thuͤr eingehet/ ſondern
auch die Thuͤre ſelbſt/ wie Er ſolches bejachzet mit einem doppelten War-
lich: Warlich/ warlich ich ſage euch: Jch bin die Thuͤr zu
den Schaafen/ alle die vor mir kommen ſind/ die ſeind Diebe
und Moͤrder geweſen/ aber die Schaafe haben ihnen nicht ge-
horchet: Jch bin die Thuͤr/ ſo jemand durch mich eingehet/
der wird ſelig werden/ und wird ein- und außgehen und Wey-
de finden.Joh. VIII, 7. 8. 9. Jch bin die Thuͤr zu den Schaafen/ nicht
nur die Thuͤr der Schaafe zum Hirten/ durch welche ſie zu ihrem Hirten
gelangen moͤgen/ ſondern auch die Thuͤr der Hirten zu den Schaafen.
Und demnach bin ich perſona quæ janua, aber τὸ quo iſt λόγος προφητι-
κὸς, durch welches er zu einem Hirten authentiſirt und authoriſiret wird/
und iſt zu wiſſen/ daß hie durch die Perſon/ die Lehr/ Wort und Zeugnuͤß/
ſo von Jhm erſchollen/ verſtanden werden metonymicè, heißt demnach
Chriſtus ſo viel als das Zeugnuͤß von JEſu/ das Wort GOttes/ das
feſte Prophetiſche Wort/ das iſt die Thuͤr/ durch welche der Herr einge-
gangen/ und ein jeder rechtſchaffener Hirt eingehen muß/ maſſen nicht
allein
[88]Die Sechste
allein ſolche metonymia in der H. Schrifft fundirt/ Luc. XVI, 29. Act.
XV, 21. ſondern es hat es auch alſo die uralte reine und rechtglaubige
Kirch gloſſiret und verſtanden/ und namentlich der Biſchoffliche Pa-
triarch Joh. Chryſoſtomus Hom. 58. in Joh. p. 277. meritò oſtium vo-
catur Scriptura Sacra, quæ oves cuſtodit, lupos arcet, qui non per
hanc ingreditur, lupus eſt. Theophylactus ſtimmet mit zu ad Joh. X.
p. 706. διὰ τῆς ϑύρας του̃τ᾽ ἔϛιν διὰ τῶν γραφῶν, ϑύρα αἱ γραφαὶ. Luthe-
rus Tom. IV. Jen. Comm. in Gen. VI. p. 50. Jch nemme dieſe Gloſſ an/
als der Schrifft nicht ungemaͤß. Es erfordert aber auch dieſen Ver-
ſtand die Analogia mit dem Hirten-Ampt/ dann was hat dorten Gen.
XLVII. den Bruͤdern Joſeph den Paß in die Schmaltz-Grub deß Lan-
des Goſen gegeben? Welches war die Thuͤr dadurch ſie die Gnad be-
kommen/ daſſelbe zu occupiren? Ein Wort hats gethan/ ein Koͤniglich
Macht-Wort/ Paß-Wort/ und Credentz-Brieff. Wann der Koͤnig
Pharao zu Joſeph ſagt: Laß ſie wohnen im beſten Land/ im Land Goſen/
und ſo Leute unter ihnen tuͤchtig/ ſo ſetze ſie uͤber mein Vieh/ dieſes Paß-
Wort hat ihnen Thuͤr und Thor Angelweit auffgethan/ durch dieſes Wort
ſind ſie eingangen/ geſchalten und gewalten. Jſt alſo auch das feſte
Prophetiſche Wort/ und namentlich das Koͤnigliche Wort Davids
Pſ. XXIII. Dieſelbe Thuͤr/ dadurch der groſſe Ertz-Hirt/ der HErꝛ
Meſſias in ſeinen Schaaf-Stall eingegangen. Gott der H. Geiſt/ der
durch David geredet/ mich ein Hirten genennet/ zu mir iſt das Wort
GOttes geſchehen. Ergò ſo hab ich ἐξουσίαν, das Thuͤr-Recht/ ich bin
berechtiget hinein zu gehen/ trotz dem der mir ſolt wehren. Maſſen der
H. Geiſt ſelbſt ſolchen Verſtand auß beſagtem Pſalmen geſponnen/ ge-
ſogen und gezogen/ wer demnach durch dieſe Thuͤr eingehet/ der hat Macht
zu lehren und reformiren/ ich bin durch das Prophetiſche Wort autori-
ſirt/ legitimirt/ befugt und berechtiget.
In ſpecie aber und inſonderheit wird durch das rechte Paß-Wort als
die Thuͤr deß Schaaf-Stalls verſtanden. I. Verbum conſecrationis \&
unctionis, das Salb- und Weih-Wort/ durch welches er inveſtirt/ einge-
weihet und eingeſegnet worden. Solten die Bruͤder Joſeph das Hirten-
Ampt verſehen/ ſo mußten ſie Teſtimonium donorum haben/ daß ſie
taugliche Leute waͤren. Gleichwie David/ den Gott der Heilige Geiſt
von den Schaafen genommen/ und zu einem geiſtlichen verbluͤmten Hir-
ten ſeines Volcks gemacht. Pſ. LXXVII. 70. 1. Sam. XVI. ſo bald ge-
rieth der Heilige Geiſt uͤber ihn. 1. Sam. XVI, 13. er wurde ein anderer
Mann/
[89]Predigt.
Mann mit heroiſchen Ampts-Gaben außgeruͤſtet/ in groſſer maß/ mit
Weißheit/ heroiſchem Muth und Heldenſtaͤrck. Alſo mußte auch der
Ertz-Hirt geſalbet werden/ mehr als David/ und andere ſeine Geſellen/
mit unermaͤßlicher Weißheit/ unendlicher Allmacht/ unerſchaͤtzlichem
Reichthum/ mit der Cron der Goͤttlichen Tugenden und Regalien.
Von ſolchen zeuget nun das Prophetiſche Wort Pſ. XLV. O Gott/
O Jmmanuel/ O Jchovah/ Herr und Hirt/ dein Gott und Vater
hat dich geſalbet/ verehrt/ geſchmuͤckt mit dem Freuden-Oel/ das iſt/
mit dem Heiligen Geiſt. Eſa. LXI, 1.Der Geiſt des HERRN
HERRN iſt uͤber mir/ darum hat mich der HERR geſal-
bet/ er hat mich geſandt/ den Elenden zu predigen/ die zer-
brochene Hertzen zu verbinden/ zu predigen den Gefangenen
eine Erledigung/ den Gebundenen eine Oeffnung. Worauß
dieſe unauffloͤßliche Schluß-Rede folget. Welche Perſon von Gott
dem Vater ſelbſt zu einem Meſſia/ Ertz-Hirten und Biſchoff inveſtirt
und eingeweihet/ mit unermaͤßlichen Gaben geziert und außſtaffiert
worden/ dieſelbe geht in den Schaaf-Stall durch die rechte Thuͤr/ iſt
der rechte Hirt der Schaafe. Nun hat die Sonn/ ſo lang ſie am Him-
mel laufft/ keine ſolche Perſon geſehen/ wird auch keine ins kuͤnfftige
geſehen werden/ die zum Hirten-Ampt ohne Maß geſalbet worden/
ohne den JEſum von Nazareth. Ergò iſt JEſus von Nazareth in
den Schaaf-Stall durch die rechte Thuͤr eingegangen \&c. Der Vorſatz
iſt das feſte Prophetiſche Wort/ das nicht luͤgen noch truͤgen kan/ den
Nachſatz hat Chriſtus ſelbſt auff ſich gezogen Luc. IV, 16.Und
JEſus kam gen Nazareth da Er erzogen war/ und gieng in
die Schul nach ſeiner Gewonheit am Sabbath-Tage/ und
ſtund auff und wolte leſen/ da ward Jhm das Buch des
Propheten Eſaiaͤ gereicht/ und da Er das Buch rum̃ warff/
fand Er den Ort da geſchrieben ſteht: Der Geiſt des
HERRN HERRN iſt bey mir/ darum Er mich geſalbet
hat/ und geſandt zu verkuͤndigen das Evangelium den Ar-
men/ zu heilen die zuſtoſſene Hertzen/ zu predigen den Ge-
fangenen/ daß ſie loß ſeyn ſollen/ und den Blinden das Ge-
ſicht/ und den Zuſchlagenen/ daß ſie frey und ledig ſeyn ſol-
len/ und zu predigen das angenehme Jahr des HERRN/
und da Er das Buch zuthaͤt/ gab Ers dem Diener und ſatzte
Neunter Theil. Mſich:
[90]Die Siebende
ſich: und aller Augen/ die in der Schul waren/ ſahen auff
Jhn: Und Er fieng an zu ſagen zu ihnen: Heut iſt dieſe
Schrifft erfuͤllet fuͤr euren Ohren. Als wolt Er ſagen: Kund
und offenbar ſey maͤnniglich/ daß ich dieſelbe Perſon bin/ von deren der
Prophet in dieſen Worten geweiſſaget. Es hat dieſen Nach-Satz fer-
ner erhaͤrtet nicht nur Petrus. Act. X, 38.GOtt hat JEſum von
Nazareth geſalbet mit dem Heiligen Geiſt und Krafft/ der
iſt umher gezogen/ und hat wol gethan und geſund gemacht/
alle die vom Teuffel uͤberwaͤltiget waren/ dann GOtt war
mit Jhm. Nicht nur ein Engel des Liechts/ der in der Warheit be-
ſtanden. Luc. II, 11.Euch iſt heute der Heyland gebohren/
welcher iſt Chriſtus/ der Geſalbte/ damal ſchon in Mutterleib/ durch
die ἐϖέλευσιν und Uberkunfft des Heiligen Geiſtes/ ſondern es hats auch
der Tag ſelbſt geredet/ ſeine Predigten/ die Er gethan/ haben es erwieſen/
wann ſich uͤber dieſelbe jederman entſetzet: Er lehrte gewaltiglich.
Matth. VII, 29. Es hatte alles Haͤnd und Fuͤſſe/ Er hat den Saddu-
ceern das Maul geſtopfft. Matth. XXII, 23. Marc. I, 27. c. VI, 2. 3.
Joh. VII, 46.Es hat nie kein Menſch alſo geredet/ wie dieſer
Menſch. Da behuͤte Gott vor/ daß wir an einen ſolchen Menſchen
Hand anlegen ſolten/ die unerhoͤrte miracula und Wunderwerck haben
ja allen Menſchen in die Augen geſchienen/ daß ſie faſt alle der Warheit
haben muͤſſen weichen und außruffen: Digitus DEI hic: Das iſt GOt-
tes Finger. E. Wo ſolche Wunder-Gaben/ da iſt der Goͤttliche Be-
ruff und das Recht zu lehren.
II. Verbum ordinis \& vocationis externæ: Es hatten zwar die
Bruͤder Joſeph die gute Gaben/ die Koͤnigliche Schaafe zu verwalten/
ſie habens von Jugend auff gelernet/ ſie haben anſche chayl, dadurch
hatten ſie jus ad rem, den Wolff zu ermeiſtern/ aber noch nicht jus in
re. Solten ſie aber in den Schaff-Stall eingelaſſen werden/ ſo muß-
te das verbum vocationis ſie bekraͤfftigen. Alſo iſt Chriſtus ſchon in
Mutterleib darzu tuͤchtig gemacht worden/ in Jhme waren dazumal al-
le Schaͤtze der Weißheit und Erkaͤnntnuͤß verborgen gelegen/ ſein Leib
war der Tempel/ in welchem die Fuͤlle der Gottheit leibhafftig gewoh-
net/ und hatte alſo dazumal ſchon vocationem internam \& chariſma-
ticam den innerlichen Gaben-Beruff empfangen. Er hat deſſen Stra-
len herfuͤr leuchten laſſen in dem zwoͤlfften Jahr ſeines Alters; aber Er
prangt
[91]Predigt.
prangt nicht damit/ Er wartet der Zeit/ die von Gott beſtimmt/ biß
ins dreiſſigſte Jahr ſeines Alters/ da kam das Wort deß Herrn zu
Johanne/ da wird Er inaugurirt/ per teſtimonium trium teſtium,
ſolenniter und ſonderlich am Jordan beym eroͤffneten Himmel/ in
groſſer ſolennitaͤt und frequenz des Volcks. Nachmals auff dem
heiligen Berg/ und drittens Joh. XII, 27. 28.Jetzt iſt meine Seele
betruͤbt/ und was ſoll ich ſagen? Vater hilff mir auß dieſer
Stunde/ doch darum bin ich in dieſe Stund kommen/ Va-
ter verklaͤre deinen Nahmen. Da kam eine Stimme vom
Himmel: Jch habe ihn verklaͤret/ und wil ihn abermal ver-
klaͤren. Darum Er als der groſſe Prophet bezeichnet und verſiegelt/
als der Biſchoff ordiniret und eingeweihet/ als der Doctor gekroͤnt/
das Doctor-Paret auff geſetzt und offentlich proclamirt worden: Dann
wie nach altem Gebrauch der Hebreer/ dero Rabbini, Doctores und
Lehrer haben muͤſſen mit gewiſſen Ceremonien offentlich durch Gebet
und Hand-Aufflegung/ mit Begleitung gewiſſer Wort inauguriret
werden. Dergleichen auch noch in Chriſtlichen/ Kirchen und Schulen
uͤblich daß offentliche Doctores, Lehrer/ Prediger/ Pfarꝛherren ordinirt/
und durch Wort und Gebet eingeweihet werden. Alſo (ſchreibt Luther.
Tom. II. Isleb. p. 421.) Jſt auch Chriſtus der groſſe Prophet
eingeweihet/ als der Biſchoff und Ertz-Hirtordinirt/ als
der groſſeDoctorund Koͤnig von Jſrael geſalbet und gekroͤnet
worden: ſeinBrabeutaundPromotorder Himmliſche Vater/
hat Jhm das Pareth oderDoctor-Huͤtlein und Cron auffge-
ſetzt/ nemlich den H. Geiſt/ und oͤffentlichproclamirt/ einmal
in tertia perſona,dieſer iſts/ und dannin ſecunda,Dieſer iſt
mein lieber Sohn. \&c.
III. Verbum profeſſionis, ſeu doctrinæ, Prob-Wort/ Prob-
Predigt/ das Werck lobt den Meiſter. Wann Jacob ſeine Schaafe
treulich weydet und leitet/ des Tags verſchmachtet vor Hitz und des
Nachts vor Froſt/ und ließ kein Schlaff in ſeine Augen kommen/ Da-
vid dieſelbe ſchuͤtzet/ und das Schaaf dem Loͤwen und Baͤren abjagt/ ſo
iſt das ein Zeugnuͤß à poſteriori, daß Er die Macht empfangen/ daß
ſein vocation juſt/ niemand kan etwas gutes thun/ es werde ihm dann
gegeben. Joh, III, 27. Die Fruͤchten zeugen von dem Baum/ kan man
auch Trauben leſen von den Dornen/ oder Feigen von den Diſteln.
M ijAlſo
[92]Die Siebende
Alſo ſolche Fruͤchten/ qui benè cocti, ſapidi, ſafftige/ ſuͤſſe/ wolge-
ſchmackte Fruͤchten/ die riechen nach ihrem Urſprung und Wurtzel/
demnach fructus ἐυγενει̃ς, edle Fruͤchten/ ſymphonici, σύμφωνα ταῖς
γραφαῖς, ſolche Fruͤchten die da fuͤhren zu einem heiligen Leben und
Wandel/ die auß der Lehre ſelbſt herflieſſen/ die da kraͤfftigen und ſaffti-
gen Troſt geben koͤnnen in aller Anfechtung/ Creutz und Verſuchung/
die den Menſchen ſelig machen/ dadurch er den Vorſchmack der Selig-
keit geneußt/ wer eingeht zu dieſem Hirten/ der wird Weyde finden/ ſi-
cher auß- und eingehen/ Leben und volle Genuͤge haben/ ja ewig ſelig wer-
den. Maſſen ſolche Krafft der Lehr Chriſti empfunden nicht nur ſeine
Juͤnger/ deren einer ſagt. Joh. VI, 68.Du haſt Wort des ewigen
Lebens.Luc. XXIV, 32.Brandte nicht unſer Hertz in uns in
Goͤttlichem Liecht und Liebes-Feur/ ſondern auch die Feinde ſelbſt/
Joh. III, 2.Meiſter wir wiſſen (ſpricht Nicodemus) daß du biſt ein
Lehrer von GOtt kommen/ dann niemand kan die Zeichen
thuͤn/ die du thuſt/ es ſey dann GOtt mit ihm.Matth.
XXII, 16.Meiſter/ wir wiſſen daß du warhafftig biſt/ und leh-
reſt den Weg GOttes recht. Bleibet alſo dieſem allem nach
GOttes Wort die H. Schrifft/ das feſte Prophetiſche Wort/ das
Weih-Wort/ Beruffs-Wort/ Lehr-Wort. Diß iſt 1. Janua vera,
dadurch ein jeder rechtſchaffener Hirt muß eingehen/ ſein liturgiam und
Ampts-Geſchaͤfft legitimiren/ Chriſtus ſo fern derſelbe im Wort bezeu-
get/ nemlich durch das Prophetiſche Wort/ iſt Er durch die warhaffte
Thuͤr eingegangen/ in den Schaaf-Stall. Welche monſtranz in die-
ſem guͤldenen Stuͤck erſcheint/ iſt juſt und gut: Solcher maſſen muͤſſen
wir nun unſern Hirten concipiren/ anſehen/ erkennen lernen/ nicht muͤde
und uͤberdruͤſſig werden uͤber deſſen Lehr/ daran das ewige Leben hafftet/
auch das geringſte nicht zu uͤbergehen/ darinnen das ewige Leben beſte-
het/ davon wir immer ohne Verdruß in der Ewigkeit reden und ſprachen
werden/ wie Moſes und Elias. Wuͤrden wir Chriſtum recht lieben/
wir wuͤrden nimmer ſatt werden von Jhm zu hoͤren und zu reden.
Dann ja Chriſtum lieb haben/ viel beſſer iſt dann alles wiſſen.
Eph. III, 19.
Janua optima, ſie ſcheidet Wolff und Hirten von einander/ wo die
Schrifft unverſehrt bleibt/ wo man Achtung hat auff das Prophetiſche
Wort/ da kan weder Teuffel noch ſeine Schuppen einbrechen/ auſſer die-
ſer Thuͤr iſt kein Heyl/ wie auſſer der Thuͤr Noaͤ am Kaſten in der
Suͤnd
[93]Predigt.
Suͤndflut/ wie auſſer der Thuͤr am Hauſe Loths/ der Kinder Jſrael in
Egypten lauter Mord und Tod.
Janua unica, nicht nur Exochicè, weil ſie die Thuͤr des groſſen Hir-
ten der Schaafe und Archiepiſcopi des Ertz-Biſchoffs unſerer Seelen/
von dem alle Hirten dependiren/ als der Idea.Gleich wie mich
mein Vater geſandt hat/ alſo ſende ich euch auch.Joh. XX, 21.
Wie Er mich durch ſein Wort inveſtirt/ beruffen und bezeugt/ alſo wer
mein Hirten-Knecht ſeyn wil/ der muß durch die rechte Thuͤr eingehen/
der Balſam/ der auff mein Haupt gegoſſen/ ſoll auch auff den Ehrwuͤr-
digen Mund flieſſen. Die Tropffen die χαρίσματα, die Furcht Gottes/
das Liecht der Weißheit/ Glaub und Lieb/ behertzter Mund/ das kraͤfftige
und durchdringende Lehr-Straff- und Troſt-Wort ſollen auff dieſelbe
fallen. Aber auch excluſivè. Warlich/ warlich ich ſage euch/ wer nicht
durch dieſe Thuͤr eingehet/ der iſt ein Dieb und Moͤrder/ er mag ſonſt vor
der Welt in foro ſoli ſo hoch geſchoren und gehalten ſeyn/ als er wolle/
ſo iſt er doch coram Deo, ſeiner Politiſchen Ehr nichts benommen/ ein
Dieb und Moͤrder. Darum auch alle die vor mir kommen ſind/
die ſeind Diebe und Moͤrder geweſen.Joh. X, 8. σκληρὸς λόγος?
iſt ſchier ein hartes Wort/ das Saltz iſt ſchier zu ſcharff/ der Bann-Stral
zu grob/ aber ein wahres Wort/ wie/ ſeind dann Moſes und die Prophe-
ten/ die vor Chriſto geweßt/ und ihr Ampt verrichtet/ Diebe und Moͤrder
geweſen? Das ſey fern: Chriſtus verſtehet nicht das ante temporis,
ſondern das ante cauſæ. Alle die vor mir/ das iſt/ ohn von mir/ auſ-
ſer mir/ als der rechten Thuͤr. Sicut in hymno aſcenſionis. Vorhin
wars alles verſchloſſen/ id eſt, ohn Jhn. Darum ſagt Er nicht: Alle
die vor mir geweſen/ die vor mir geſalbet und geſandt worden/ ſondern
kommen ſc. von ſich ſelbſt/ ungeladen/ unberuffen/ die ſind Dieb und
Moͤrder/ ihrer weltlichen Ehr nichts benommen/ die Phariſeer waren
honoratiſſimi, deren Wort viel gegolten. Er meynet eigentlich die
Phariſeer/ die durch kein Prophetiſche Schrifft autoriſirt/ die als Son-
derlinge einen ſonderbaren ſtrengen Orden geſtifftet/ ſie ſeind allererſt zun
Zeiten der Maccabeer jung worden/ wer hat ſie es geheiſſen. Die Sad-
duceer/ die von Sadoco Antigono entſtanden/ und kein Credentz-Brieff
auffweiſen koͤnnen. Die Hoheprieſter/ die laͤngſt von ihrer Ordinantzvid. Crell.
Concord.
pag. 780.
abgeſprungen/ von Rechtswegen ſolten ſie perpetui ſeyn/ und einer das
Ampt verwalten/ ſo lang er lebte. Num. XXXV. Aber Ehrgeitz hat den
Wechſel erdacht/ man hat Narren uͤber die Eyer geſetzt/ die præſides ha-
ben mit dieſer Weyde geſpielet nach Belieben.
M iijἈρχιερο-
[94]Die Siebende
Ἀρχιεροσήνη confundebatur, imò tanquam pila à præſidibus \& Herode jacta-
batur. vid. Joſeph. l. 18. 4. l. 20. 18. eò tandem deventum, ut cùm ſortitò
(ſic enim quandoque ludebatur) Pontificatus incidiſſet in Phanniam homi-
nem plebejum \& ruſticum, neſcium quid eſſet αρχιεροσήνη δι᾽ ἀγροικίαν?
à zelotis invitum rure avulſum, \& velut hiſtrionem perſonatum in thea-
trum adductum \& coactum ſuſtinere ſummam dignitatem, cui tanquam in-
fanti in horam admoti pædagogi, à quibus moneretur, quid facto opus, \&
quomodo ſcenæ ſerviendum. Joſeph. l. 4. 5.
Die Schrifft-Gelehrten waren Schrifft-Verkehrer. Lauter Pflantzen/
die Gott der Himmliſche Vater nicht gepflantzet/ und wie Chriſtus re-
det/ Menſchen-Dieb und Seelen-Moͤrder.
Wollen wir nun abermal M. L. eine luſtration, ſequeſtration und
Muſterung anſtellen/ wollen wir durch alle heutige Religionen durchge-
hen und fragen/ aber mit beſſerer intention, als dorten die Phariſcer/
auß waſſer Macht thuſt du das/ wer hat dir die Thuͤr zum Schaaf-Stall
geoͤffnet/ wer hat dich auff die Cantzel geſtellt/ an den Altar befoͤrdert/ ſo
wird ſich bald befinden/ wer Hirt oder Wolff/ wer Hund oder Leitſch/
wer Seelen-Waͤchter oder Seelen-Moͤrder ſeye/ zu geſchweigen Carol-
ſtadii und ſeiner himmliſchen Propheten/ der Quaͤcker und Zitterer/ der
Schwaͤrmer und Enthuſiaſten, die kein Wort/ kein Gaben/ kein Ord-
nung in acht nehmen. Gott ſey Danck/ daß wir von ſolchen Geiſtern
nichts wiſſen: So fragen wir demnach im Roͤmiſchen Babylon derſel-
ben Ertz-Hirten den Roͤmiſchen Pabſt/ die Cardinaͤl/ Muͤnchen-Orden/
und Meß-Prieſter/ auß waſſer Macht thut ihr das/ wer hat euch das ge-
heiſſen/ da iſt kein Schrifft vorhanden/ ſie weiß nichts davon. Epheſ. IV.
ſolte es exprimirt worden ſeyn. Aber Paulus ſchweigt mauß ſtill da-
von. Es mangelt zwar ihnen an ſchmieren/ oͤhlen und balſamiren nicht/
aber wo ſeind die χαρίσματα? das Liecht iſt ein Jrꝛwiſch/ die Wort ſind
gifftige Schlangen-Wort/ der Muth iſt fleiſchlich/ die miracula ſeind
luͤgenhafft/ lauter Unkraut/ das der Himmliſche Vater nicht gepflantzt.
Sie prangen zwar mit der Prieſterlichen Succeſſion und Praͤlatiſchen
Vocation, aber anders nicht/ als wie ein Wolff den andern zu ſeiner
Beute einladet/ die Fruͤchten ſeind Dorn und Diſteln/ Sicherheit und
Verzweifflung.
Fragen wir Calvini Diſcipul. Unde vos? Wie ſeyd ihr in den
Schaaf-Stall kommen? Antwort durch die Thuͤr der meiſterloſen Ver-
nunfft/ und dero Sinnbild das abſolutum decretum: Nach welcher
ſich die Schrifft muß draͤhen laſſen. Die natuͤrliche Gaben moͤgen offt-
mal gut ſeyn/ aber es iſt Wolffs-Gifft mit eingemengt/ die boͤſe Mucken
verderben
[95]Predigt.
verderben die gute Salb/ die Fruͤchten ſeind Sicherheit und Verzweiffe-
lung. Mit dem Beruff iſts mehrertheil ſo beſchaffen/ wie Johannes
ſagt: Sie ſeind von uns außgegangen/ aber ſie waren nicht
von uns/ dann wo ſie von uns geweſen waͤren/ ſo waͤren ſie ja
bey uns blieben. 1. Joh. II, 19. Maſſen wir deſſen ein Exempel uͤber
alle Exempel haben an Joh. Jacobo Grynæo, an dem klar und wahr
worden die Propheceyung Pauli Act. XX, 30.Auß euch ſelbſten
werden auffſtehen Maͤnner/ die verkehrte Lehre reden/ die
Juͤnger an ſich zu ziehen.Joh. Jacob. Grynæus war ein Schweitzervid. Melch.
Adam.
p. 868.
von Bern/ zu Baſel ein Diſcipul Simonis Sulceri orthodoxi, eines
Gotts-gelehrten Theologi, zu Tuͤbingen D. Heerbrands, allwo er auch
Doctor worden. Aber hernach iſt er außgegangen in den Calviniſmum,
denſelben unter dem Schaaf-Peltz der Pietaͤt/ Freundlichkeit/ Liebe der
Einigkeit/ Demut und Sanfftmut meiſterlich wiſſen zu verbergen/ biß er
Lufft bekommen/ von dem Pfaͤltziſchen Adminiſtratore Caſimiro nacher
Heidelberg beruffen/ die gantze Pfaltz deformirt/ in Baſeliſchen Kirchen
Calviniſche Lehr eingefuͤhrt/ die Ober-Marggraffſchafft Roͤteln ange-
ſteckt/ Colmar durch ſeine diſcipul faſcinirt. Quod cuiquam accidit,
poteſt cuivis: hæc foris, bey denen die drauſſen ſeind. Wolte Gott/
daß es auch in Zion beſſer hergieng! Wer aber die Experienz erweget/
wer ſich in der Welt umgeſehen/ der wird viel ſchlimme Thuͤren antref-
fen/ durch welche liederliche Leute eingeſchlichen/ per januam genitivam,
durch Verwandſchafft/ Schwiegerſchafft/ Vettern und Baͤſeln/ durch
welche mancher ungeſchickter/ unerfahrner/ laſterhafftiger Menſch/ ein-
kommen/ und eingebettelt worden/ da heißt es bey den promotoribus,
das Hembd ligt mir naͤher als der Rock/ dann ob ſchon Verwandſchafft
nicht ſoll hindern/ wann gute Gaben vorhanden/ ſoll ſie doch nicht allein
befoͤrdern/ per januam dativam, das ſchoͤne Fruͤchtlein die Simoniam,
per januam accuſativam, die andere durch falſche Anklagen calumni-
ren/ figmenta, adulation, Fuchsſchwaͤntzen/ Verraͤtherey außbeiſſen/
und auß dem Sattel heben: Per ablativum violentiæ, per viam frau-
dulentiæ, viam intempeſtivam, dieſe alle haben ihren Titul auß dem
wahren Mund Chriſti/ ſie ſeyen Dieb und Moͤrder.
Wollen ehrliche/ redliche Pfarꝛ-Werber und Studioſi dieſen Nah-
men als Schandflecken nicht auff ſich haben und tragen/ ſo ſeyen ſie bey
Zeiten geſinnet/ wie JEſus Chriſtus auch war/ Philip. II. ob Er wol mit
herꝛli-
[96]Die Siebende
herꝛlichen unermaͤßlichen Gaben/ Verſtand und Weißheit gezieret/ doch
wartet Er der Zeit in Demut/ es ſeind die Thuͤren zum Schaaf-Stall
gemeiniglich nieder und eng/ wer hinein wil/ der muß ſich tieff buͤcken
und ſchmuͤcken/ neigen und beugen/ nicht in Neid/ Haß/ Zanck/ Zorn/
Eiffer ein und andern verſtoſſen/ ſondern der Demut/ ſonderlich der
Furcht Gottes ſich befleiſſen/ und durch ein wuͤſt/ unordentlich/ aͤrgerlich
Leben und Wandel die Thuͤr und Paß nicht ſelbſt verſchlagen/ muß man
gleich lang warten/ Chriſtus mußt auch warten biß ins dreiſſigſte Jahr
ſeines Alters/ es iſt doch noch keiner dahinden blieben. Es ſcheint/ es
meyne es der Ertz-Biſchoff gar gut mit ſeiner Kirchen/ wie die Sonn
auff den Abend/ ehe ſie nieder geht/ hell ſcheint/ und in klarem Liecht pran-
get/ alſo auch noch vor der Welt Ende ein helles Liecht auffgehen wuͤrde/
die Schrifft heller zu erklaͤren/ die ſtarcken Speiße wol zu kochen/ die
cruda ſtudia in benè cocta zu verwandeln/ die Seelen-Artzney zu præ-
pariren/ die caſus conſcientiæ, zum Unterſcheid des Boͤſen und Guten
auffzuloͤſen/ und die adverſarios zu uͤberwinden. Aber da gehoͤret Zeit
zu und Auffzug/ das verſtehen unſere Currenten letz/ eilen durch die Po-
ſtillen zur Hauß-Poſtill/ legen ſich hernach auff die faule Seit/ Gott
behuͤt/ daß es nicht theur werde wie Anno 35. 36. da die Peſt viel dapf-
fere Maͤnner hingeriſſen/ und man nicht Leute gnug gehabt/ das Semi-
narium zu beſtellen/ da mancher redlicher junger Menſch/ der mit der
promotion uͤbereilt iſt worden/ die Tag ſeines Lebens daruͤber geklagt.
Gott ſey Lob und Danck/ der noch ſolche Hirten beſchehrt/ die durch die
rechte Thuͤr eingehen/ und das Zeugnuͤß haben der unction, der innern
vocation, die durch die trimeſtria examina probirt/ deren vocation in
allen Stuͤcken richtig/ die gute und loͤbliche Proben gethan/ das Gegen-
theil ſelbſt bekennet/ es ſey zwar gut im Pabſthum leben/ aber uͤbel drinn
ſterben/ wer ſelig ſterben wil/ der muß Lutheriſch ſterben.
Wie nun ſchließlich Lehrer und Prediger/ die in ihrem Hertzen ver-
ſichert/ daß ſie durch die rechte Thuͤr eingegangen in allen Stuͤcken ein
groſſen Troſt haben in allem Ungluͤck und Unfall/ dann wer wil dem
helffen/ der an ſeinem Ampt verzagt/Syr. X, 32. und ſich Goͤtt-
lichen Schutzes zu verſichern: Taſtet meine Geſalbten nicht an/
und thut meinen Propheten kein Leyd.Pſalm. CV, 15. Taſtet
nicht an/ hie ἀσνλία und ſalva guardi, meinen Propheten/ meinen
Mund-Botten/ die ſo fern ſie GOttes Mund außſprechen/ λόγια ὡς
λόγια Θεου̃, Gottes Wort als Gottes Wort/ und ſich verſichert im Hertzen
mit
[97]Predigt.
mit Chriſto ſagen koͤnnen/ habe ich recht geredt/ warum ſchlaͤgſtu mich/
hab ich aber unrecht/ ſo beweiſe es. Alſo haben im gegentheil Zu-
hoͤrer als geiſtliche und vernuͤnfftige Schafe zuvorderſt zu zuſehen/ daß ſie
recht ſequeſtriren/ es kan die Zeit kommen/ daß das ſcheiden wird von
noͤthen ſeyn/ da ſollen ſie ſich huͤten fuͤr dem Wolff/ Dieben und Moͤr-
dern/ und wie Chriſtus redet/ ihm nicht gehorchen. Lieben im gegen-
theil und mit Danck annehmen/ die rechte geweyhete/ und ihnen gehor-
chen. Hebr. XIII, 17. Gehorchet euern Lehrern/ in ihren Schrifftmaͤſſi-
gen und getreuen Lehren und Vermahnungen/ warnen und ſtraffen/
und folget ihrem Exempel/ dann ſie wachen uͤber euere Seelen/ als die
da Rechenſchafft dafuͤr geben. Wird eine Seele verlohren/ ſo muͤſſen
ſie es an ihnen ſelbſt bezahlen/ und durch connivenz um frembder
Suͤnden willen verdampt werden/ auff daß ſie das mit freuden thun/
mit aller Freudigkeit und ungebundener παῤῥησίᾳ, und nicht mit ſeuff-
zen/ dann das iſt euch nicht gut/ ἀλυσιτελὲς, es nimmt endlich ein boͤſes
End/ wann man den Zoll abrichten muß/ es laͤſt ſich uͤbel fahren/ wann
Noah mit ſeuffzen/ Loth mit Qual ſein Ampt thun muß/ ſo heißts
endlich/ vor der Thuͤr iſt draus. Gott zeichnet und ſchlaͤgt mit Blind-
heit/ daß man die rechte Thuͤr nicht finden kan: Der Herr ſchließt die
Thuͤr an der Arch zu/ daß die erſte Welt/ die ſich GOttes Geiſt nicht
wil ſtraffen laſſen/ mit Leib und Seel verderben und umkommen muß/
dafuͤr behuͤt uns lieber Herre Gott/ Amen.
Die Achte Predigt/
Von
Dem Thuͤrhuͤter.
GEliebte in Chriſto. Gleich wie ein wolbeſtellte
Thorwacht in einer Polieey/ fuͤrnehmen Stadt/ Fuͤrſtli-
chem Schloß und Hauß/ ein kluges/ heilſames und Chriſt-
liches Werck und Ordnung iſt und heißt/ ſonderlich zu ge-
faͤhrlichen Zeiten und Laͤufften und graſſirenden Seuchen/
da auff Obrigkeitliche proviſion der Thuͤrhuͤter und Thor-
Neundter Theil. Nwaͤchter
[98]Die Achte
waͤchter die frembde ankommende Perſonen und Gaͤſte fleiſſig examinirt/
zu Red ſtellt/ und fragt. Unde? woher/ von wannen? ſo von geſunden
und unverdaͤchtigen Orten/ ſo laͤſt er ſie hinein paſſiren/ darinnen zu wer-
ben/ und ihre Geſchaͤffte zu verrichten/ kommt aber der Reuter mit dem
fahlen Pferd daher/ mit ſeinen moͤrdlichen Pfeilen zu wuͤrgen/ die Kin-
der auff den Gaſſen/ die Juͤnglinge auff den Straſſen/ ſo weiſt er mit gu-
ter diſcretion und Beſcheidenheit ab und zuruͤck. Jſt eine kluge provi-
ſion,dann ein witziger ſiehet das Ungluͤck/ und verbirgt ſich/
aber ein allberer gehet durch und leidet Schaden.Proverb.
XXVII, 12. Jſt eine heilſame Anſtalt: Sintemal mehrmalen geſche-
hen/ daß durch eine eintzige inficirte Perſon ein gantze Commun, Stadt
und Land angeſtecket worden. Welchem Unheil fuͤrzukommen/ kluge
præſervativ, Wacht und Hut verordnet: Jſt auch Chriſtlich/ wir ſind
Chriſten/ kein Heydniſche Stoiker/ Mahometiſten/ Fataliſten/ unſer
fatum iſt hypotheticum non abſolutum, anders als bey den Barba-
riſchen thumkuͤhnen Tuͤrcken/ die deren ſo an der Peſt geſtorben/ Klei-
der und Bettuͤcher anzuziehen/ kein ſcheu tragen/ ihr Angeſicht damit
reiben/ und ſagen: will Gott daß ich ſterbe/ ſo muß es geſchehen/ wo aber
Reinking.
l. 3. p. 92.nicht/ ſo kan mir auch das nicht ſchaden. Busbequius der weiland Kaͤy-
ſerliche Ambaſſador an der Ottomanniſchen Pfort/ als einsmals Zeit
ſeiner Anweſenheit die Peſt und infection ſtarck daſelbſt eingeriſſen und
graſſiret/ und er den Ort und Lufft zu aͤndern/ eine Nothdurfft ermeſſen/
gleichwol ſolches ohn vorwiſſen und conſens des Tuͤrckiſchen Keyſers
nicht thun moͤgen/ dahero denſelben durch den Viſir Baſen/ Ruſtan
darum erſuchen und um Erlaubnuͤs anſprechen laſſen/ der aber dem
Busbequio ſolches verdacht/ als wann er ein ſo ſchwachglaͤubiger Chriſt
waͤre/ und ſeinem Chriſto nicht zu trauete/ daß er ihn in ſolcher Peſtilentz-
gefahr zu Conſtantinopel nicht weniger als am andern Ort wol retten uñ
erhalten koͤnte/ die Peſt waͤre nichts anders/ als GOttes Pfeile/ die des
vorgeſetzten Ziels nicht verfehlen/ noch ein Menſch an einigem Ort ſich
dafuͤr ſchuͤtzen und verbergen koͤnte/ umſonſt unterſtuͤnde man ſich das
zu vermeiden/ was nicht zu vermeiden waͤre. Sein des Groß-Tuͤrcken
eigener Pallaſt waͤre nicht rein von der infection, dannoch begehrte er ſein
Reſidentz nicht zu verrucken. So waͤren auch die Tuͤrcken in der Mey-
nung/ daß einem jeden die Zeit ſeines abſterbens/ und an was fuͤr einer
Schwachheit er ſterben ſolte/ von Gott fuͤr der Stirngeſchrieben ſtuͤnde:
dahero ſie dero an der Peſt verſtorbenen Kleider und Bettuͤcher gar nicht
meide-
[99]Predigt.
meideten/ ſondern damit das Geſicht reiben/ ſagende: Jſt es Gottes will/
daß ich an der Peſt ſterbe/ ſo muß es geſchehen/ wo nicht/ ſo kan es mir
nicht ſchaden. Was verſehen iſt/ muß geſchehen/ ita Luth. Tom. II.
Witt. p, 576. Denn alſo glauben und ſagen die Tuͤrcken/ es kan
niemand ſterben/ ſein Stuͤndlein ſeye dann kommen/ daher
ſeind ſie ſo toll und thumkuͤhne/ und meynen ſie thun wol
und fahren recht. Ja wahr iſts/ was verſehen iſt/ das ge-
ſchicht: Aber mir iſt nicht befohlen/ ſondern vielmehr verbot-
ten/ zu wiſſen was verſehen iſt: Weil ich nun nicht weiß/ was
verſehen iſt/ ſo heißts GOTT verſuchen/ wer auff ſolch ſein
unwiſſen hinein faͤhret und verdirbt. Mir iſt gebotten/ daß
ich wiſſen ſoll/ was zu thun ſey/ und darum iſt ſein Wort
uns gegeben/ daß wir wiſſen ſollen/ was wir thun ſollen/ und
nicht thun/ was wir nicht wiſſen/ ſondern daſſelbe GOTT
heimſtellen/ und uns unſers Befehls/ Beruffs/ Ampts hal-
ten/ GOtt wirds wol und wils allein wiſſen was verſehen iſt/
du ſolts nicht wiſſen. GOTT hat dir ſein Wort und Gebot gegeben/
du ſolt nicht toͤdten/ conſequenter weder dich noch deinen Nechſten/ in
Gefahr deß Todes begeben und ergeben/ im uͤbrigen laß GOTT regie-
ren und walten.
Gleich wie/ ſag ich/ beſagte Thorwacht und Thuͤrhut ein kluge/ heil-
ſame und Chriſtliche Ordnung und Anſtalt iſt: Alſo hat auch Chriſtus
ſeine geiſtliche Thorwacht/ weißlich/ herꝛlich und loͤblich beſtellt: Jſt nicht
weniger ein heilſame und loͤbliche Thorwacht/ die jenige geiſtliche/ welche
Chriſtus ohne in ſeinem Commentario Joh. X. in dem XXIII. Pſ. ge-
funden und geſogen/ wann er unter andern eines Thuͤrhuͤters gedencket/
und ſagt: Wer zur Thuͤren hinein gehet/ der iſt der Hirt zu den Scha-
fen/ und dem thut der Thuͤrhuͤter auff/ conſequenter ex oppoſito, wer
zur rechten und aͤchten Thuͤren nicht hinein gehet/ ſondern als ein Dieb
und Moͤrder kommt nur zu ſtehlen und zu wuͤrgen/ wer unberuffen da-
her trollt/ wie ein reiſſender Wolff/ fuͤr dem ſchließt er den Schafſtall zu.
Wie wir dañ nun in unſerer geiſtlichen Schaͤferey producirt den Hirten/
die Schaafe/ die Hurte oder Schaafſtall/ die Thuͤr zum Schafſtall/ ſo muͤſ-
ſen wir auch den Thuͤrhuͤter und Portner nicht vergeſſen als welchen per
conſequentiam Chriſtus auch im XXIII. Pſalmen gefunden/ und der
N ijvorzei-
[100]Die Achte
vorzeiten bey groſſen weitlaͤufftigen Schaͤfereyen und Vorwercken und
Hurten noͤthig geweſen. Und betrachten τίς καὶ τί? wer derſelbe ſey und
was ſein Ampt und Verrichtung ſey. GOTT gebe dazu ſeinen Heil.
Geiſt und Segen/ Amen.
KUrtz/ M. L. allengloß-Streit unddiſputatvon die-
ſem Thuͤrhuͤter τίς ἐϛι, wer derſelbe ſeye/ abzuſchneiden/ ſo ver-
ſtehen wir denſelben mit der reinen/ rechtglaubigen Antiquitaͤt
von niemand anders als von der dritten Perſon der Gottheit/ der Heilige
Geiſt iſt allhie der Thorhuͤter/ und ſonſt niemand. Dann alſo ſchreibet
in der Lateiniſchen Kirchen Auguſtinus tract. 46. in Johann. Siperſo-
nam aliquam quæratis oſtiarii. Ecce Spiritus Sanctus occurrat: non
enim dedignabitur oſtiarius eſſe, quando ipſum oſtium eſſe dignatus
eſt Filius DEI. Oſtium quis eſt? Chriſtus, quid eſt Chriſtus? veritas.
Quis aperiet oſtium, niſi qui docet omnem veritatem: Und in der
Griechiſchen Kirchen/ braucht Theophylactus in Joh. X. dieſe Wort:
Quia in Sp. Sancto intelliguntur \& aperiuntur Scripturæ, quæ oſten-
dunt nobis Chriſtum, metitò oſtiarius dicitur Spiritus S. in quo, ut
Spiritu ſapientiæ \& ſcientiæ aperiuntur ſcripturæ per quas ingreditur
Dominus ad noſtram curam, \& per quas oſtenditur paſtor. Chemni-
tius auß der Deutſchen Kirch ſtimmet auch mit zu in Harm. c. 114. Oſti-
arius eſt Spiritus Sanctus, ſine hujus enim gratia \& ope nullus paſtor
in ovile ingreditur, \& paſcit oves. Siehet mit dieſen Worten auff
1. Cor. XII, 3. da Paulus ſagt: Niemand kan JEſum einen Her-
ren nennen/ ohne durch den H. Geiſt. Jſt eben das/ was Lu-
therus in unſerm Catechiſmo uͤber den dritten Artickel geſchriben: Jch
glaub daß ich nicht auß eigener Vernunfft noch Krafft an
JEſum Chriſtum glauben oder zu ihm kommen kan/ ſondern
der H. Geiſt hat mich durch das Evangelium beruffen/ mit
ſeinen Gaben erleuchtet/ im rechten Glauben geheiliget und
erhalten/ gleichwie er die gantze Chriſtenheit auff Erden be-
ruffet/ ſamlet/ erleuchtet/ heiliget und bey JEſu Chriſto er-
haͤlt im rechten einigen Glauben. Was iſt das anders geſagt:
Als/ ich glaub daß weder Hirt noch Schaaf/ in Chriſti Schaafſtall die
Chriſtliche Kirch kommen/ Chriſtum als den HErꝛn und Hirten erken-
nen/ ohne durch den H. Geiſt/ der muß die obſtacula aus dem Mittel
raͤumen
[101]Predigt.
raͤumen/ der muß mir die Thuͤr/ das iſt die H. Schrifft eroͤffnen/ der muß
die Hertzens-Thuͤren erbrechen/ er muß mich beruffen und locken/ Paß
und Platz geben/ der muß der oſtiarius ſeyn/ und der iſts auch/ der/ wie
er den XXIII. Pſalmen David in Mund gelegt/ alſo auch denſelben eroͤff-
net und ausgeleget/ Joh. X. daß aber dieſe gloß juſt und gut/ daß ſie
der Glaubens-Regul gemaͤß/ daſſelbe gibt die augenſcheinliche Analo-
gia und vergleich eines beruͤhmten weltlichen Thuͤrhuͤters mit dem Heil.
Geiſt/ als geiſtlichen Thuͤrhuͤter/ und koͤnnen wir kein beſſern finden als
Joſeph/ dem der Koͤnig Pharao/ wie ſein gantzes Land/ alſo auch ſeinen
Koͤniglichen Schaafſtall zuverſorgen vertraut/ und uͤbergeben mit dieſen
Worten: So du weiſſeſt/ daß Leute unter ihnen ſindanſche
chayl,die tuͤchtig ſind/ ſo ſetze ſie uͤber mein Vieh/Gen, XLVII, 6.
daſſelbe zu weyden und zu leiten/ und zu heilen/ ſey du der Thorwaͤchter/
Thuͤrhuͤter und Chur-Herꝛ. Wie nun Joſeph ſolch ſein Wacht und Hut
verſehen. 1. Obices effringendo: Es hat ohne zweiffel hart gehalten
bey den Egyptern ein frembd Volck laſſen einniſten in die Schmaltzgrub/
der harte Riegel war der Greuel. Gen. XLVI, 34.Denn was Vieh-
Hirten ſind/ ſeind den Egyptern ein Greuel. Solten nun ſeine
Bruͤder ſicher wohnen/ ſo muſte er zuvor das Aergernuͤs auffheben/ was
ſie geirret und im weg geſtanden/ wegraumen/ und abſondern von den
Egyptiern. 2. Sapientiam demonſtrando, in ἐπιλέυσει ſomnii pro-
phetici, darauß der Koͤnig und maͤnniglich abnehmen koͤnnen/ daß der
Geiſt GOttes in ihm ſey/ wie koͤnten wir/ ſagt Pharao/ Gen. XLI, 38.
einen ſolchen Mann finden/ in dem der Geiſt GOttes ſey?
Damit ihm dann Joſeph ein groſſe Authoritaͤt und anſehen gemacht
und zu wegen gebracht. 3. Oſtium aperiendo, ohne allen zweiffel
durch einen ſtarcken Koͤniglichen Comitat die Huͤrten und Staͤll auffge-
macht/ und ihnen Wohnung geſchafft/ und die Hertzen gewonnen.
4. Advocando, in dem er ſeine Bruͤder gelockt/ und ſie geſetzet/ wie
Pharao befohlen: Setze ſie/ ſetze ſie ein/ mit ſonderbarer Solennitaͤt/
mache ſie zu Fuͤrſten uͤber die Koͤnigliche Schaͤferey. Alſo hat der H.
Geiſt alle dieſe Actus laſſen vorgehen/ und das iſt auch das τί ἐϛι, wie
und in was Handlung er ſein Thuͤrhut und Thuͤrgewalt verricht/ und
wer alſo zur Thuͤr eingehet/ der iſt der Hirt zu den Schaafen/ und dem
thut der Thuͤrhuͤter auff.
Wie dann/ und in welchen Actibus? 1. Obices effringendo, die
gantze Welt war damal ein Pallaſt. Luc. XI, 21. Es hatte damal der
N iijH. Geiſt
[102]Die Achte
H. Geiſt fuͤr ſich ein ſtarcken gewapneten Rieſen/ der alle Schaaſſtaͤll
occupirt, und ſich aus ſeinem Pallaſt nicht treiben laſſen/ es hat derſelbe
ſeine ὀχυρώματα ὑψόματα, Hoͤhe und Veſtungen/ die gantze Welt war
ein Lycaonia, Wolffsneſt und Wolffsgrub/ die hat nun ſtarcke Riegel
gehabt/ bey den Juden derſelben πατροπαράδοτα, Vaͤtter-Geſetz/ Secten/
Traditiones, die perſuaſion und gaͤntzliche Einbildung und Beredung
von einem weltlichen Meſſia/ die ſcandala deß gecreutzigten GOttes/ bey
den Heyden ihre oracula, miracula, das ſcandalum und der Stein des
anſtoſſens des gecreutzigten JEſu von Nazareth/ die Aufferſtehung der
Todten/ das eſſen und trincken des Leibs und Bluts Chriſti im H. Abend-
mal/ das Verbott von der Religion zu diſputiren.
‘Omnes religione moventur, \& Deos patrios, quos à majoribus acceperunt,
colendos ſibi diligenter \& retinendos arbitrantur, ait Cicer. in Verr. Act.
4. c. 59. 3. Divinum illud Numen omni modo, omni tempore ipſe cole,
juxtà leges patrias, \& aliis ut colant. effice. Ita Mæcenas ad Auguſtum
apud Dion. Caſſium l. 51. \& mox. Eos verò, qui in divinis aliquid mno-
vant, odio habe \& coerce. Non deorum ſolum cauſa (quos tamen qui
contemnit, nec aliud ſanè quicquam magni fecerit) ſed quia nova quæ-
dam Numina hic tales introducentes multos impelluut ad mutationem
rerum. Vnde conjurationes, ſeditiones, conciliabula exiſtunt, res pro-
fectò minimè conducibiles principatui.’ ()
Da war nun Goͤttliche Macht von noͤthen/ da mußte der Finger Gottes/
der H. Geiſt helffen und das beſte thun/ der mußte die Riegel auffheben/
per arma ſpiritualia 2. Cor. 6. die Wolffsgruben eroͤffnen/ durch das
Schwerdt des Geiſtes und ſonderlich die petarden der miracul, die er
mußte anſchrauben. Wir haben deſſen ein Exempel Act. 16. zu Phi-
lippis/ da der Erdbidem mußte helffen.
2. Januam aperiendo, h. e. ſcripturas explicando, durch [Eroͤfnung]
der Thuͤr der Wort. Col. IV, 3. Gleich wie nie keine Weiſſagung auß
Menſchlichen willen erſonnen und erſponnen/ ſondern die heilige Maͤñer
Gottes haben geredt/ getrieben von dem H. Geiſt 2 Petr. I, v. ult. alſo iſt
auch niemand geweßt/ der ſie verſtanden/ erklaͤrt und ausgelegt/ der hat
durch die H. Maͤnner Gottes geredt/ zuvorderſt durch den allerheiligſten/
Luc. XXIV, 27.Er fieng an von Moſe und allen Propheten/
und leget ihnen alle Schrifft auß/ die von ihm geſagt waren.
v. 32. Brandte nicht unſer Hertz in uns/ da er mit uns redet
auff dem Wege/ als er uns die Schrifft oͤffnet.v. 45. Da
eroͤffnet er ihnen das Verſtůndnuͤß/ daß ſie die Schrifft
verſtun-
[103]Predigt.
verſtunden. Durch Petrum/ der den Propheten Joel außgelegt.
Act. 2. und noch heutiges Tages iſt kein beſſerer/ gewiſſerer und ſtand-
haffterer Interpres als der H. Geiſt/ nicht der Pabſt/ der ihm clavem
ſcripturæ arrogirt/ wie vorzeiten die Phariſeer Luc. XI, 52. Sondern derBertram. in
Matth. p.
640.
H. Geiſt durch die klare Schrifften/ wie der dunckele Mond von der Son-
nen erleuchtet wird/ zum Exempel in den Stifftungs Worten des Heil.
Abendmals/ iſt der Verſtand der Wort: Eſſet/ das iſt mein Leib/ der
richtigſte Verſtand dieſer: Jn/ mit und unter dieſem Brod iſt mein Leib:
welches erklaͤret wird auß andern Stellen H. Schrifft. Gleichwie wann
der Ertzvater Jacob auff ſein Geleit die Heil. Engel deutend/ ſpricht
[...] das iſt GOttes Heer/ niemand anders gedencken kan/
als/ unter/ in und mit dieſem himmliſchen Geſichte ſind die himmliſche
Engliſche Heerſcharen warhafftig zugegen. Alſo wann die Tochter
Pharao in ihrem Spatziergang auff das Kaͤſtlein gerathet darinnen Mo-
ſes das feine Kind gelegen und geſaget: [...] das iſt der
Hebreiſchen Kinder eines/ in keines Menſchen Gemuͤth andere Gedan-
cken kommen koͤnnen/ als in/ mit und unter dieſem Kaͤſtlein iſt das jun-
ge Moſes Kind warhafftig gegenwaͤrtig/ deßgleichen wann Petrus in
ſeiner heroiſchen Pfingſtpredigt auff ſeine und ſeiner Collegen ſchoͤne/
feurige Pfingſt-Croͤnlein deutend/ ſpricht: Chriſtus JEſus zur rechten
GOttes erhaben/ hat außgegoſſen das/ was ihr ſehet und hoͤret/ wem
koͤnte ein ander concept beywohnen/ als dieſer: Unter/ mit und in die-
ſen feurigen Zungen iſt der H. Geiſt warhafftig zugegen? St. Johan-
nes der mit und darbey geweßt/ der ſchreibt/ das Blut Chriſti zeuge/ wann
zeugt es? warhafftig im Sacrament/ als einem Goͤttlichen Siegel/ wo?
auff Erden/ nicht ſagt er: Droben im Himmel/ ſetzt den Zeugen auff Er-
den dem Zeugen im Himmelreich entgegen/ zeugt es auff Erden/ ſo iſt es
auch auff Erden. St. Paulus ſchleußt kraͤfftiglich auß dem Buchſtaͤ-
bigen Verſtand der Stifftungs Grundwort eine ſolche Concluſion, der-
gleichen die Figur und Wortblum keine von ſich gebaͤhren kan. Das
Brod ſeye eine Gemeinſchafft des Leibs Chriſti/ der geſegne-
te Kelch ſeye eine Gemeinſchafft des Bluts Chriſti: Heißts
κοινωνία, ſo iſts nicht ἀπουσία, iſts eine Gemeinſchafft/ ſo iſts eine Ver-
einigung/ und nicht ein Abweiſung: darauff folget
3. Ovilis apertio die apertur und Eroͤffnung der Hertzen/ Ohren/
Augen und Mund/ davon Paulus ruͤhmt 1. Cor. XVI, 9.Mir iſt
eine
[104]Die Achte
eine groſſe Thuͤr auffgethan/ die viel Fruͤchte wuͤrcket. 2. Cor.
II, 12.Da ich gen Troada kam zu predigen das Evangelium
Chriſti/ war mir eine Thuͤr auffgethan in dem HErꝛn.Act.
XVI, 14,Ein Gottsfuͤrchtig Weib/ mit Namen Lydia/ eine
Purpurkraͤmerin auß der Stadt der Thyatirer/ hoͤrete zu/
welcher that der HErꝛ das Hertz auff/ daß ſie drauff acht hat-
te/ was von Paulo geredt war. Er ruͤhmet die Eroͤffnung der
Ohren des Glaubens Act. XIV, 27.Da ſie aber darkamen/ ver-
ſamleten ſie die Gemeine/ und verkuͤndigten/ wie viel GOtt
mit ihnen gethan hatte/ und wie er den Heyden haͤtte die
Thuͤr des Glaubens auffgethan. Der Augen. Apoc. III, 18.
Salbe dich mit Augenſalbe/ daß du ſehen moͤgeſt. Die Er-
oͤffnung des Mundes. Act. IV, 29.HErꝛ ſiehe an ihr draͤuen/
und gib deinen Knechten mit aller Freudigkeit zu reden dein
Wort.v. 31. Da ſie gebettet hatten/ beweget ſich die Staͤt-
te/ da ſie verſamlet waren/ und wurden alle des H. Geiſtes
voll/ und redeten das Wort mit Freudigkeit. Sie haben ein
parreſiam gehabt zu reden und mit Chriſto zu ſagen: Hab ich recht ge-
redt/ warum ſchlaͤgſtu mich/ habe ich aber uͤbel geredt/ ſo beweiſe es.
Ein helles und ſchoͤnes Exempel haben wir in der Pfingſt-Hiſtori/ da der
H. Geiſt in einem Augenblick 3000. Hertzensthor/ aller der jenigen/ die
ihnen wollen helffen laſſen/ eroͤffnet/ daß ihnen der wahn von einem irꝛdi-
ſchen Meſſia benommen worden/ da ihnen die Thuͤr eroͤffnet worden/ da
haben die ſpectra diaboli weichen/ im gegentheil die ſchoͤne chariſmata
geleuchtet und herfuͤr geſchienen/ die anathemata in den Hertzen der Men-
ſchen auffgehenget worden/ da iſt klar und offenbarlich wahr worden/
was Paulus 1. Cor. 12. geſchrieben: Es ſind mancherley Gaben/
aber es iſt ein Geiſt: Es ſind mancher ley Aemter/ aber es iſt ein
HErꝛ: Es ſind mancher ley Kraͤfften/ aber es iſt ein GOtt/
der da wuͤrcket alles in allem \&c.
4. Vocatio \& illicium, darauff iſt die Setzung oder Einſetzung
geſchehen: ὑμει̃ς καθίσατε, Luc. XXIV, 49.Jhr aber ſolt in der
Stadt Jeruſalem bleiben (ſitzen) biß ihr angethan werdet mit
Krafft auß der Hoͤhe.Act. XX, 28.Habet acht auff euch ſelbſt
und auff die gantze Heerde/ unter welche euch der H. Geiſt
geſetzt
[105]Predigt.
geſetzt hat zu Biſchoͤffen/ zu weiden die Gemeine GOttes/
welche Er durch ſein eigen Blut erworben hat/ geſetzt/ daß die
12. ſampt den 70. Juͤngern ausgehen die Schafſtaͤll zu occupiren/ und
die Schaf/ die nicht ſind auß dieſem Stall/ ſamlen ſollen. Geſchach
dazumal immediatè, in dem der H. Geiſt durch mancherley Erſcheinun-
gen/ πολυτρόπως καὶ πολυμερῶς Hebr. l, 1. geredt zu den Vaͤtern/ zu letzt
aber durch den Sohn/ der hats beſchloſſen/ und haben wir keine unmit-
telbare vocation zu hoffen. Hat derowegen naͤrriſch gehandelt jener
aberglaͤubiſche Kaͤyſer Zeno, dann als der Biſchoͤffliche Stuhl zu Con-Niceph.
l. 16. 18.
ſtantinopel/ Anno 488. entlediget und vacierend worden/ ſo legt er mit
eigener Hand auff den hohen Altar daſelbſt ein weiſſes/ reines/ unbe-
ſchriebenes Papier/ ſampt einer demuͤthigen Supplication an die hohe
Goͤttliche Majeſtaͤt/ dieſelbe wolle durch einen Engel auff dieſes Papier
ſchreiben laſſen/ wen er in ſeinem Goͤttlichen Rath zu einem Succeſſore und
Biſchoff erkoſen/ und erwehlt/ verſigelt das Papier/ und laͤſt daſſelbe ver-
wahren/ ein 40. Taͤgig faſten ausruffen/ die Gewaͤhrung ſeiner Bitt
deſto ſchleuniger zu gewinnen. Was geſchicht/ ein arger Schalck/ ehr-
geltziger und verſchlagener Pfaff/ Namens Flavita, nimmt eine groſſe
Summam Gelds auff/ bey den Wechslern/ beſticht darmit heimlich des
Kaͤyſers geheimſten Eunuchum und Kaͤmmerer/ und ſchreibt auffs
Papier den Namen Flavita, und verſiegelt daſſelbe wieder foͤrmlich und
kuͤnſtlich/ uͤber 40. Tag macht ſich der Kaͤyſer mit ſonderbarer Andacht
an das Papier/ findet darauff geſchrieben den Namen Flavita, laͤßt ihn
ſuchen und herfuͤr holen/ ſetzt ihn mit groſſen Solennitaͤten auff den Bi-
ſchoͤfflichen Stuhl/ als einen Θεέσδοτον und von Gott unmittelbar erkor-
nen Mann: Aber der Pracht waͤhrete nicht lang/ Gottes Rath folgete
bald darauff/ er ſtirbet im vierten Monat eines erſchroͤcklichen und jaͤhen
Tods/ der betrug wird wunderbarlich offenbar/ der Kaͤyſer wurde
ſchamroth/ mußte bekennen und ſagen/ dieſe Wahl ſeye geſchehen nicht
per Chriſtum. ſondern per Chryſum, nicht durch Gott/ ſondern Gold.
Sondern es geſchicht ſolcher Kirchenſatz und ſoll geſchehen per cla-
vem συμφωνίας, Matth. XVIII, 19. 20.Wo zween unter euch eins
werden auff Erden/ warum es iſt/ daß ſie bitten wollen/ das
ſoll ihnen wiederfahren von meinem Vater im Himmel/ dann
wo zween ader drey verſamlet ſeind in meinem Namen/ da bin
ich mitten unter ihnen. Er ſagt bedencklich wo zween oder drey ver-
Neundter Theil. Oſamlet
[106]Die Achte
ſamletſeind. Vorzeiten in der erſten Kirch/ da die Kaͤyſer noch Heydni-
ſche Verfolger geweſen/ waren nur zwo Stimmen/ die Biſchoͤffliche
und Leyen Stim̃: zur Zeit der ſeligen Reformation auch nur zwo Stim-
men/ die Oberkeitliche und Leyen Stimm/ die dritte Stimm war ein
Wolffsgeheul/ die Biſchoͤffe ſind Lycanthropi worden: Aber ordina-
riè und perfectè ſollen die Stimmen ſeyn/ die vocativa Magiſtratus, die
nominativa Presbyterii, die Electiva populi, von altem Gebrauch und
Rechtswegen her iſt erſchollen. 1. Vox nominativa Presbyterii, dem
liegt ob das Examen und Prob/ die Bewahrung und das Zeugnuͤs/ und
dannenhero erfolget die nominatio und Ernennung. Jſt gegruͤndet
in dem Apoſtoliſchen Canone. Tit. l, 5. Derhalben ließ ich dich
in Creta/ daß du ſolteſt vollend anrichten/ da ichs gelaſſen habe/
und beſetzen die Staͤdte hin und her mit Elteſten/ wie ich dir
befohlen habe. Ja auch der geſunden Vernunfft gemaͤß/ cuilibet
artifici in ſua arte credendum: Einem jeden Meiſter ſoll man in ſeiner
Kunſt glauben/ ne ſutor ultrà crepidam: kein Barbierer/ Artzt/ Heb-
am wird angenommen/ ſie werden zuvor examinirt und auff die Prob
geſtellt/ in allen Handwercken muß zuvor das Meiſterſtuͤck außgearbei-
tet/ und von denen gepruͤfet werden/ die des Handwercks ſeind. Alſo
auch allhie: 2. Vox Electiva populi, deſſen fuͤrnemſter Theil die Obrig-
keit/ als welche angehet die Goͤttliche Warnung: Huͤtet euch fuͤr den
falſchen Propheten/ denen die Geiſter-Prob hoch anbefohlen/ geht nun
die nomination vorher/ ſo kan die Wahl nicht fehlen/ wir haben ein ſchoͤ-
nes Exempel an Johanne dem Taͤuffer/ bey welchem es ohngefehr nicht
geſchehen/ daß er fuͤr den Augen und Ohren ſeiner Zuhoͤrer/ ſolche gra-
tiam gehabt/ daß nicht allein Herodes ihn gern gehoͤrt/ ſondern auch das
gantze Volck turmatim ihm zugeloffen/ mit Andacht und Anmuth ge-
hoͤrt/ ſeiner Mahnung folg geleiſtet und ſich weiſſen laſſen. Luc. III, 2.
Das waren motus divini, digitus divinus: GOtt trieb und bewegete alſo
die Hertzen. Alſo wann noch auff den heutigen Tag ein Chriſtliches
auditorium per majora ein ſonderbare Affection und Anmuth zu einer
oder der andern Perſon gewinnet/ iſt daſſelbe kein fortuitum, ſondern
die gratia, die GOtt gibt fuͤr den Augen der Menſchen/ und iſt alsdann/
cæteris paribus, wahr das Sprichwort/ vox populi vox alma Dei. 3. Vox
vocatoria \& firmatoria Magiſtratus, als welche ein uͤber Biſchoffliche
Stim̃/ gegruͤndet. Exod. IV, 16. Du ſolt Aarons GOTT und
gebieten-
[107]Predigt.
gebietender Herꝛ ſeyn. Maſſen es Conſtantinus Magnus der erſte
Chriſtliche Kaͤyſer alſo außgelegt/ mit denen Worten welche Euſebius
l. 4. de vitâ Conſtantini c. 29. concipirt und gefaßt: ὑμει̃ς μὲν τῶν εἰσω
τῆς ἐκκλησίας, ἐγὼ δὲ τῶν ἐκτὸς ὑϖὸ Θεου̃ καθεϛάμενος Ἐϖίσκοϖος α᾽ν
εἴνη: Jhr meine liebe Biſchoͤffe/ Pfarꝛherren/ und geiſtliche
Seelenhirten ſeyd zwar Biſchoffe innerhalb der Kirchen:
Jch aber bin von GOTT beſtellet zu einem Biſchoff auſſer
der Kirchen: Du ſolt ſein Gott ſeyn/Le lohim pro vel à Deo ein
gemachter/ geadelter und geordneter Ampts-Gott/ pro Deo, Gottes
Stadthalter und Cantzler/ ad Deum ordinatus Divus \& divinus homo:
Nicht nur Ampts-Gott ſondern Aarons Kirchen-Gott/ in der Gemeine
Gottes. Pſ. LXXXII, 1. und dieſer nicht nur Patron/ Saͤugamme/
Deus tutelaris, Schild und Schutz GOtt/ Pſ. XLVII, 15. Sondern
auch mitſagender Kirchen-Pfleger/ Mit-Biſchoff/ in Sachen die ἐυταξίαν,
gute Ordnung und Statuten/ Curen/ Wahlen und Beruff der
Kirchendiener/ Ornat und Zierath/ diſciplin und Zucht belangend:
Aaron gibt den Mund und Rath/ das Schwerd des Geiſtes dazu.
Moſes den Oberkeitlichen Glantz/ Scepter und Schwerd der Hand:
Nicht nur Mit-Biſchoff/ ſondern auch Ober-Biſchoff/ als der ſeinem
Bruder Aaron zugebieten hatte/ den er auch wegen ſeiner Kaͤlbergoͤtzerey
auß heiligem Ampts-Eifer geſcholten und geſtrafft. Er iſt von Aaron
ſelbſt fuͤr einen Herꝛn erkant/ angenommen und genennet worden:
Mein Herꝛ/ ſagt er laß ſeinen Zorn nicht ergrimmen.Exod.
XXXII, 22. Alles harmonicè, ἐυσχημόνως καὶ κατὰ τάξιν ἐξουσία und
ἐυταξία ſeind zwo Schweſtern/ die laſſen ſich nicht trennen. Dann wo
dieſe drey Stimmen harmonicè zuſammen lauten/ da gibt es eine ſchoͤne
Muſic und ſymphoni, gleichwie die H. Dreyeinigkeit/ eſt Trinitas har-
monica, und hat ſtattliche Verheiſſungen/ Goͤttlichen Beyſtand/ Gnad
und Segen. Es hat zwar die Obrigkeit/ vermoͤg des Biſchofflichen
Rechts/ Macht und Gewalt einen Pfarrherꝛ allein zuſetzen/ aber es ſoll
nicht ſein/ es gerath uͤbel/ wie Conſtantinus Georg. Cappadocem und
Macedonium, der ſonſt fromme Kaͤyſer Theodoſius den Neſtorium
eingeſetzt/ lauter greuliche Woͤlff/ die der Heerde nicht verſchonet. Auff
dieſe weiß/ moͤchte jemand ſagen/ ſo iſts mehr nicht/ als ein Menſchlicher
Beruff/ es menſchelt und ſtinckt nach Menſchen: Es ſind ja alle dieſe
Stimmen nichts anders als Menſchliche Stimmen/ wo bleibt der Goͤtt-
liche Beruff? Wie kan ich wiſſen/ daß mein Beruff ein Goͤttlicher Be-
O ijruff
[108]Die Achte
ruff ſey? Antwort/ Goͤttlicher Beruff der durch Menſchen geſchicht ſind
1. Chron.
24. 13.
2. Chron.
29, 11.keine oppoſita. Aarons Soͤhn und Nachkommen haben alleſampt ein
Goͤttlichen Beruff gehabt/ aber durch die Geburt. David und alle ſeine
Nachkommen haben ein Goͤttlichen Beruff gehabt Pſ. 82. und iſt doch
perſucceſſionem \& electionem geſchehen/ Vater und Mutter haben ein
Goͤttlichen Beruff/ daß ſie ſich ſollen mehren/ das Wort Gen. 1. Seyd
fruchtbar und mehret euchoperirt noch auff den heutigen Tag.
Gar heuter und klar iſt das Exempel der Beruffenen Elteſten der Ge-
meine zu Epheſo von denen Paulus ſagt: Der Heil. Geiſt habe ſie
zu Biſchoͤffen geſetzt zu weyden die Gemeine Gottes.Act. XX,
28. St. Paulus dedicirt ſeine Epiſtel an die Corinther/ der Gemeine zu
Corintho/ nicht nur in ſeinem/ ſondern auch Soſthenis und Timothei
Namen. 1. Cor. I, 1. 2. Cor. I, 1. als welche durch ordentliche Mittel be-
ruffen worden/ und ſchreibt in ſeinem und ihrer Namen zugleich. Wir
ſind Bottſchafften an Chriſtus Statt/ denn GOTT vermahnet durch
uns. 2. Cor. V, 20. worauß billich kan und ſoll geſchloſſen werden: wel-
che Perſon auff ſolche art und weiß wie die Elteſten und wie die Bi-
ſchoffe der Gemeine zu Epheſo/ und mitelbar durch Menſchliche Ordnung/
Mund und Hand ſind beruffen worden/ die ſind vom H. Geiſt zu Bi-
ſchoffen geſetzt/ die ſind Bottſchafften und rechtmaͤſſige Legaten an Got-
tes Statt: \&c. Aſſumire nun ein jeder rechtmaͤſſiger Biſchoff/ Pfarrherꝛ
und Seelſorger und ſage in ſeinem Hertzen/ ich bin ſolcher maſſen beruf-
fen/ und alſo per portam ſcripturæ, das iſt/ durch die rechte Thuͤr der
H. Schrifft in Chriſti Schaafſtall eingegangen. Ergò iſt mein Beruff
ein Goͤttlicher Beruff. Gar notabel iſt die jenig Goͤttliche συγκατάβασις
und appropriatio der Stimm Eli: Da Gott der Herr die indo-
lem, Art und weiß der Sprach und Rede des Hohenprieſters und Rich-
ters Eli imitirt und nachgeahnet: Alſo daß der theure Samuel anders
nicht gemeynet/ den Eli ruffe ihm/ da es doch Gott war. Alſo berufft
Gott auch durch ſeine Ordnung durch den Prieſterlichen und Richter-
lichen Stand/ aͤuſſerlich hat es das anſehen/ als waͤren es nur Menſchen-
Wort/ da es doch Gottes Wort/ Befehl und Beruff iſt.
Wann wir nun Runden gehen und ſehen/ wie an manchem
Ort die Thorwacht beſtellt/ ach was Greuel/ was Confuſiones,
was Monopolia, was παποκαισαρίας, und καισαροπαπίας werden wir
finden! Erſtlich in Babylon wird alles geſpielt auff die Kirch zu Rom/
die muß die Thuͤrhuͤterin ſeyn/ ſc. wie jene in der Paſſion Joh, 18. die fuͤhrt
in
[109]Predigt.
in Caiphas Palaſt/ die Chriſtum verrathen und verlaͤugnet. Petrus
wird mit dem Schluͤſſel gemacht/ weil er des Himmelreichs Schluͤſſel/ iſt
aber nicht um Petrum/ ſondern um den Pabſt zuthun und ſeine ſucceſ-
ſores, der maßt ihm den Schluͤſſel-Gewalt/ der als ein Monopola das
Biſchoffliche Recht allein auff und an ſich gezogen/ den Layen und Ober-
keitlichen Stand gantz entſetzet/ Dux cæcorum, der ſo verblendet/ daß er
die Thuͤr ſelbſt nicht finden kan wie die zu Sodom die Thuͤr Loths nicht
finden koͤnnen/ darvor wir gewarnet worden/ als vor dem greulichen
Wolff/ an dem wahr worden die Propheceyung Pauli Act. XX. 29.
Jch weiß/ daß nach meinem Abſcheid unter euch kommen
werden greuliche Woͤlffe/ die der Heerde nicht verſchonen
werden. Dafuͤr wir bitten in der Litania/ die Gemeine von Woͤlffen
und Miedlingen erloͤſen und ledig machen. Jſt das begegnet der Kirch
zu Epheſo/ wie viel mehr der Kirch zu Rom/ als welche Paulus gewar-
net: Du ſteheſt aber durch den Glauben/ ſey nicht ſtoltz/ ſondern
fuͤrchte dich/ hat GOTT der natuͤrlichen Zweige nicht ver-
ſchonet/ daß er vielleicht dein auch nicht verſchone/ darum
ſchaue die Guͤte und den Ernſt GOttes/ den Ernſt an denen
die gefallen ſind/ die Guͤte aber an dir/ ſo fern du an der Guͤte
bleibeſt/ ſonſt wirſt du auch abgehauen werden. Zu Genv/
Zuͤrch/ Leiden/ in Holland gehts auch nicht beſſer zu/ da abermal der Kir-
chenſatz auff das Presbyterium geſpielt/ diſputirt und gelehrt wird. Po-
liticum magiſtratum \& Statum Eccleſiaſticum eſſe duo brachia ſub
uno capite, da keines vom andern dependire, darum auch die Arminia-
ner klagen/ ſie ſeyen von ihren Cantzelen vertrieben/ ausgeſchloſſen/ in-
conſulto \& invito Magiſtratu. Ja nach ihrer Lehr und praxi kan man
Koͤnig/ Kaͤyſer/ Fuͤrſten/ wann ſie perfidè extrà regulam Chriſti, han-
deln/ deponiren/ uͤber die praxin hat Jacobus, Koͤnig in Engelland ge-vid. Calvin
Comm. in
Dan. c. 6.
klagt/ ſein Sohn Carolus hats erfahren. Wolte GOtt/ daß es unter
uns in Zion beſſer hergieng! Aber da iſt man an manchem Ort auff die
andere Seit gangen/ auff die καισαροπαπίαν, da mancher Patron auff
ſein Biſchofflich Recht gepocht/ ihm ſelbſt ohn Examen, ohn Ordnung
ohn Zucht und Zierd/ nach dem ihm die Ohren gejuckt/ ſelbſt Prediger
auffgeſtellt/ und widerum abgefertiget/ wie Stalljungen/ oder ein Buͤt-
tel und Thurnhuͤter/ und damit nicht allein unſerer gegner der Papiſten
ſarcaſmos und Geſpoͤtt gleichſam gefirmt/ wann ſie vorgeben/ es waͤre
O iijder
[110]Die Achte
der Lutheriſche prædicanten Beruff nicht koͤſtlicher und heiliger/ als der
Stadtbuͤttel/ Hund ſchlaͤger/ und Scharffrichter/ die man nach belieben
um gewiſſen Lohn pflegt zu dingen/ wie Lutheriſche Obrigkeit zu thun
pflegt. Ja eben ſo unvernuͤnfftig gehandelt/ als der Fuͤrſt/ der nach ſei-
nem eigenen Sinn und muthigen willen einen Stadt-Phyſicum ohne
Zeugnuͤs einiger privilegirten Univerſitaͤt/ einen Barbierer/ Wund-
Artzt/ Apothecker oder Hebamme ohne Prob und Examen ſeinen Unter-
thanen wolte auffdringen/ nicht beſſer und gewiſſenhaffter gehandelt/ als
Jerobeam der abtruͤnnige Jud/ der nach aller ſeiner Hertzens-Luſt von den
geringen und ungeſchickteſten des Volcks die Hand gefuͤllt und zu Prie-
ſtern der Hoͤhe gemacht. Mancher privat-Buͤrger einen Miedling bey
irgend einem Patronen eingebetten/ eingebettelt/ und eingekaufft/ auß
Paſſionirten Affecten, desgleichen wann die Frau Salome/ die Mutter
der Kinder Zebedei auß blinder Lieb ihren Sohn/ ſo hochwuͤrdiget/ daß
ſie erhebt einen zur rechten den andern zur lincken/ geſchicht noch wann
manche thoͤrichte Eltern ein Geluͤbd thun ihr Sohn muͤſſe ein Pfarrherꝛ
werden/ wann ſchon die geringſten Gaben nicht fuͤrhanden. Was wol-
len wir ſagen von den ἀυτοκλήτοις die ſich ſelbſt fuͤr tuͤchtig halten/ durch
allerhand Dietrich und Diebsſchluͤſſel eindringen/ einkuͤnſtlen/ wann ſie
einmal oder zwey auff dem heiſſen Hoͤltzlin geſtanden/ und als Comoͤdi-
anden nicht ihre eigene/ ſondern frembde Perſonen agirt, wann ſie durch
ihr gut Mundſtuͤck favorem vulgi und des Poͤbels Zeigfinger gewonnen/
hic eſt! das iſt das Thier/ das ſo wol predigen kan/ fragt man? wer
hats geſagt/ daß du ſo wol predigen kanſt? Meiſter Hans/ die Magd
im Fruͤhgebett Herꝛ omnis. Die Currentes, die nicht in die Ernd auß-
geſtoſſen werden. Matth, IX, 39. die blitzer/ die wider die Apoſtoliſche
Vermahnung. 1. Cor. VII, 20.Ein jeglicher bleib in der Beruf-
Conf. part.
8. L. Cat. p.
170. 171
190.
de Thra-
ſybulo vid.
Sanct. ad
Maccab p.
413.fung in deren er beruffen iſt/ bald dahin bald dorthin aͤndern/ quæ
cauſa? accidentia, Freundſchafft/ die Kinder/ die lange patientia, da iſt
ihnen wehe/ von der Tuͤchtigkeit iſt alles maußſtill/ in tanta urbe, da ein
Univerſitaͤt fuͤr gelehrte Leut/ da man weiß was recht oder linck/ at mihi
plaudo! Lauter allotrioepiſcopo-polypragmones, die dem H. Geiſt
Eingriff thun/ utinam legatur paræneſis D. Pappi, comment. in Aug.
Conf. p. m. 228. vid. Theol. Conſc. part. 1. p. 707.
Dem Allerhoͤchſten ſey Lob und Preiß/ daß er noch unter uns mit-
ten in der Confuſion eine Ordnung erhalten/ die ſymphoni auf uns kom-
men laſſen/ allhie eine geiſtliche wolbeſtellte Thorwacht erhalten/ dann
nach
[111]Predigt.
nach dem unſere uralte Straßburger der Roͤmiſchen Cleriſey/ Tyran-
ney und Schinderey/ Abgoͤtterey und Aberglauben muͤd worden/ und
lang genug Haberſtroh fuͤr Ablaß freſſen muͤſſen/ an den Todtenbeinen
nagen/ truͤb/ ſtinckend eiſternen Waſſer fuͤr die lebendige Quell Jſraelis
trincken/ nach dem die Cleriſey gar panico (ſed pudendo) terrore ihren
Schaafſtall quittirt und davon geloffen/ um getreue Lehrer und Seelfor-
ger flehentlich angehalten und erhalten biß auff den heutigen Tag. Wie
nun getreue Lehrer und Prediger ſich inniglich zu erfreuen/ daß ſie zu
ſolchen Ehren von Mutterleib an erwehlt/ in der Demuth daſſelbe erken-
nen/ und ſich wieder alle Wiederwertigkeit troͤſten ſollen/ daß ſie des Al-
lerhoͤchſten ſein Augapfel/ ſein Mund. Jer. XV,, 19. 20, Ja Chriſti
Hand ſein ſollen/ mit Gaben als Sternen geziert. Syr, X, 31. Alſo
redet David auch an alle Welt Pſ. 24. Machet die Thore weit/ laßt
euch die Schrifft oͤffnen/ dencket fuͤr die Himmels-Portner die ihr habt/
es kommt nicht allezeit beſſers hernach/ ſchleußt nicht zu Ohren und Her-
tzen/ ſondern gedencket/ daß ihr Beruff Goͤttlich/ er wird ſich in ſeinen
Legaten nicht verſchimpffen laſſen. Jer. 44. die Juden ſagen nolumus,
nach dem Wort/ das du uns im Namen des HERRN ſagſt/ wollen
wir nicht thun/ trotz dir Pfaff/ ſo haben ſie bald darauff mit ach und
weh erfahren muͤſſen/ was ſie nicht geglaubet/ ſie ſchreyen noch in ihren
Synagogen Gottes jaͤmmerlich/ aber ſie werden nicht erhoͤrt. Warum/
dann ſie haben GOTT in ſeinen Propheten und Apoſteln/ nicht hoͤren
wollen. Wie holdſelig lautet im Gegentheil die Stimm Chriſti Apoc.
III, 20. Sihe ich ſtehe fuͤr der Thuͤr und klopfe an/ ſo jemand
meine Stimme hoͤren wird/ und die Thuͤr auffthun/ zu dem
werd ich eingehen/ und das Abendmahl mit ihm halten/ und
er mit mir. Gleichwie Abraham mit mir im Heyn Mamre/ welches
ein ſolches Convivium, daß die Sonn kein herꝛlichers je beſchauet hat.
Seelig iſt nun der alſo das Brod iſſet im Reich GOttes/ hie
im Reich der Gnaden/ dorten im Reich der ewigen
Herꝛlichkeit/ AMEN.
Die
[112]Die Neundte
Die Neundte Predigt/
Von
Der Weyd auff gruͤner Au.
GEliebte in Chriſto. Freylich iſt das Heyl uns
kommen her/ von Gnad und lauter Guͤte/ wie wir anjetzo
mit Freuden geſungen in dem ſehr ſchoͤnen/ herꝛlichen/ troͤſt-
lichen/ und recht Evangeliſchen Lied: Es iſt das Heyl
uns kommen her/ welches Lied wir wol nennen moͤ-
gen.
I. Einen edeln/ koͤſtlichen und kraͤfftigen Artzney-ſafft/ ausgepreßt
und deſtillirt vom Feur des Creutzes und Anfechtung. Sintemal der
Autor und Tichter deſſelben Paulus Speratus unter dem blinden Pab-
ſthum/ da er nicht nur von den fulminibus Sinaicis Fluch und zwang des
Goͤttlichen Geſetzes/ das ihm angſt und bang gemacht/ ergeiſtert; Son-
dern auch fuͤrnemlich an des Pabſts Menſchen-Satzungen/ ſelbſt er-
wehlten Paͤbſtiſchen Greueln/ Abgoͤtterey/ Aberglauben/ Wallfarthen/
Seelmeſſen und dergleichen verdamlich empfunden/ daß es wahr ſey/ wie
wir geſungen: daß im Geſetz weder raſt noch ruh/ mit allen ſeinen Wer-
cken. Darum er auch dem Pabſthum den Rucken gekehrt/ den Traditio-
nibus und Abgoͤtterey wiederſorochen/ und des wegen ſich ſtecken und ploͤ-
cken muͤſſen laſſen/ von dem Biſchoff zu Olmitz in Maͤhren. Davon er
aber wunderlich errettet/ zu Luthero gen Wittenberg kommen/ und von
demſelben gleichſam gefirmet worden/ und folgend in Preuſſen ſo hat er
dieſes Lied gedichtet und gereimet: Es iſt das Heyl uns kommen her/
von Gnad und lauter Guͤte/ die Werck die helffen nimmer-
mehr/ ſie moͤgen nicht behuͤten/ die Suͤnd wird aus dem
Geſetz erkandt/ und ſchlaͤgt das Gewiſſen nieder/ das Evange-
lium kommt zur Hand/ und ſtaͤrckt den Suͤnder wieder/ es
ſpricht/
[113]Predigt.
ſpricht/ nur kriech zum Creutz herzu/ im Geſetz iſt weder Raſt
noch Ruh/ mit allen ſeinen Wercken.
II. Inſtrumentum Reformationis, Eins von den Liedern/ da-
durch das Werck der Reformation gewaltig promovirt/ und dem Roͤ-
miſchen Thier viel tauſend Seelen auß dem Rachen geriſſen worden/ als
welchem nicht ſo bald der Flug benommen/ und die Fluͤgel beſchrotten
werden koͤnnen/ als andern Buͤchern Lutheri. Es iſt in frommen
Hertzen/ ſonderlich bey den Handwercks-Geſellen und andern Reißigen
in ihren Sinnen und Gedancken blieben/ von Mund zu Mund gebracht/
und gelernet worden/ und viel geiſt-hungerige Seelen erquickt/ wie Ge-
gentheil ſelbſt daruͤber geklagt/ ſonderlich Adam Contzen. l. 1. politic.
c. 18. Darum auch dieſes Lied
III. Spina in oculis, ein Dorn in den Augen der Warheits-
Feinden zu allen und jeden Zeiten geweſen/ ſie haben daſſelbe cavillirt/
außhollhippt/ ja gantz verkehrt/ dann dieweil es ſo tieff in das Hertz einge-
wurtzelt/ daß mans auch unſern Apoſtatis und Abtruͤnnigen nicht hat
koͤnnen abgewoͤhnen/ ſo haben ſie daſſelbe geaͤndert/ und alſo melodiſirt
und ſtyliſirt/ daß man faſt die Wolffs-Stimm von der Hirten-Stimm
nicht wol unterſcheiden koͤnnen. Wie ſonderlich hieran ein Meiſterſtuͤck
erwieſen D. David Gregorius Cornerus Prior auff Goͤttwig/ in ſeinem
groſſen Catholiſchen Geſang-Buch/ welches Anno 1631. leyder zu Nuͤrn-
berg gedruckt worden/ der faͤngt an mit dieſen Worten: Das Heyl kom̃t
uns gewißlich her/ auß Gnad und lauter Guͤte/ und bald darauff: Hier-
auß ſoll nun ein frommer Chriſt mit Fleiß und Treuen mercken/ daß zu
dem Heyl von noͤthen iſt der Glaub ſampt guten Wercken.
IV. Ein ſchoͤnes Weyd-Lied von der guldenen Au/ wie ſie Luthe-
rus gloſſirt ad Oſe. 2. Das Thal Achor/ war ein fettes Schaaf-Lager
geweßt. Eſa. LXV, 10. davon der Geiſt GOttes propheceyet: Es werde
die Chriſtliche Kirch im Thal Achor in der Schaaf-Weyd ſingen/ wie
zur Zeit ihrer Jugend/ da ſie auß Egyptenland gezogen/ gleichwie ſie ein
Triumph-Lied geſungen/ da ſie auß Egypten mit truckenem Fuß gezo-
gen/ angeſtimmt. Exod. 15. Alſo wann ſie auß dem geiſtlichen Egypten
und Babylon in dem letſten Welt-Abend werde liberiret werden/ ſo wer-
de ſie auch ſingen Evangelium Triumphale, jubiliren/ jauchtzen und ſa-
gen: Es iſt das Heyl uns kommen her. \&c. Jſt eben das Evangelium
von der guldenen Au/ davon auch David geſungen Pſ. 23. und demnach
das erſte beneficium paſtorale, die ſuͤſſe Wunderthat der hoch-troͤſtlichen
Neunter Theil. PHirten-
[114]Die Neunte
Hirten-Weyd. Davon wir dieſes mal mit mehrerem reden und han-
deln wollen/ da wir dann bey der verſion Lutheri bleiben/ ob ſchon die
Wort im Hebraͤiſchen Grund-Text etwas anders lauten/ davon droben
in der fuͤnfften Predigt/ ſo bleiben wir dennoch bey der Dolmetſchung
Lutheri, und wollen vernehmen was durch die gruͤne Au verſtanden/
und wen der Hirt auff derſelben weyde. Gott gebe hierzu ſeines Hei-
ligen Geiſtes Gnad und Segen/ Amen.
GEliebte in Chriſto. So iſt es nun eine Au/ davon
der Koͤnigliche Prophet und Poet David dichtet/ und ſinget/
und ſpielet/ und ſagt: Er/ der HErꝛ/ mein Hirt/ wey-
det mich auff einer gruͤnen Au/ nicht auff einer wilden Wuͤſten
Egert/ da Unkraut/ Neſſeln/ Dorn und Diſteln waͤchſt/ einer Wuͤſteney
und Wildnuͤß/ einem ſumpfichten/ pfulichten Moraſt/ oder ſonſt beſchlaͤm-
meten und uͤberſchwem̃eten/ ſondern trockener Wiefen und Matt/ Anger
oder Schaaf-Laͤger: Und zwar eine graſichte Au/ eßbar Graß/ dick voll
heilſame Kraͤuter/ liebliche Blumen/ Feld-Rofen/ Feld-Lilien/ Feld-Vio-
len/ ſafftig/ kraͤfftig/ wolriechend/ und wolſchmaͤckend/ voller Kraͤfften
und Tugenden/ und zwar gruͤn Graß/ der Schaaf Augenluſt/ davon ſie
ergoͤtzt/ aber auch gruͤn von Jugend/ friſch/ zart/ immer gruͤn/ immer
bluͤhend/ immer jung/ das immer und ohne unterlaß hernach waͤchſt/
wann ſie es einen Tag abgeſſen/ ſo iſts morgen ſchon wiederfriſch Graß/
ein recht Thau-Graß/ rorulent: Eſt ros in tenera pecori gratiſſimus
herba, wann fruͤh morgen/ cœlo ſereno, die Thau-Troͤpfflein am Graͤß-
lein ſich anhengen/ daſſelbe benetzen/ bekuͤhlen/ anmuthig machen zu eſſen/
und wann es wil welck werden/ erquicken und lebendig machen.
Ταῦτα γδ ἀλληγορούμ [...]α, dieſe Wort bedeuten etwas/ ſie haben einen
hohen/ geiſtlichen und verbluͤmten Verſtand. Was dann? was be-
deut die Au? Lutherus erklaͤrets/ Tom. VI. Jen. p. 366. von der gantzen
Chriſtenheit/ dem Volck GOttes/ die iſt GOttes Paradiß und Augen-
luſt/ an deren er um Chriſti willen eine hertzliche Luſt und Wolgefallen
hat/ ſie an Leib und Seel ſpeißt/ und ſie als Schaͤflein tractirt.
Quid gramen? idem Lutherus: Er gibt mir Weyd ohn unterlaß/
darauff waͤchſt das wolſchmeckend Graß/ ſeines guͤtigen/ gnaͤdigen/
heilſamen Friedens und Freude des H. Geiſtes/ des Worts des heiligen
Evangelij. Das Wort des Geſetzes iſt zwar auch GOttes Wort/ iſt
aber ein toͤdender Buchſtabe/ ein ſchroͤcklich Fluch-Wort; Hie Heil-
Wort/ davon man lebet/ ſagt Hiskias/ Wort des LebensJoh. 6.
Selig-
[115]Predigt.
Seligmachende Wort. Rom. 1. das Wort das alles heilt/ alle Seelen-
Wunden und breſten. Sap. 16. Es iſt dick voll geſaͤet von allerhand
Evangeliſchen Kern-Macht- und Abſolution-Spruͤchen/ deren das
Paradiß der heiligen Schrifft voll iſt/ in den Prophetiſchen und Apoſto-
liſchen Schrifften nicht nur die wenige Spruͤche/ die man in der Abſolu-
tion ſpricht/ nicht ein Hand voll/ ſondern unzehlbar/ und mannigfalt in
allen Propheten und Apoſteln. Sonderlich gehoͤren hieher die ſchoͤnen
Blumen der Amaranten und Bluͤmlein der Liebe GOttes/ je laͤnger je
lieber/ die φιλανθρωπία Patris, angezeigt in der Liebe Patris Acolaſti, in
der Liebe Davids gegen ſeinem Sohn Abſalon/ wann er außrufft: O
Abſolon mein Sohn/ mein Sohn Abſolon/ wolte GOTT
ich muͤßte fuͤr dich ſterben!
Dann wann die Eltern (ita Bidembach. in 2. Sam. 18. p. 915.) alſo geſinnet ſeind
gegen ihren Kindern/ wie David hie gegen Abſalon: wie hertzlich lieb muß
dann GOtt ſeine Kinder haben/ wiewol ſie auch ungerathen ſeind/ dann
wie geſchrieben ſtehet ſonſten: Der das Ohr gemacht hat/ ſolte der nicht
hoͤren? Alſo mag man freylich ſagen/ der die Zuneigung der Eltern gegen
den Kindern hat geſchaffen/ ſolte der ſelbſt anders geſinnet ſeyn? das ſey fer-
ne. Ja die Affection und Neigung iſt viel ſtaͤrcker bey GOtt/ dann bey
den Menſchen. Dann der ſolch Ding ſchaffet/ iſt ja ſtaͤrcker und beſſer/
als das da geſchaffen iſt. Darum iſt auch die Liebe bey GOtt am aller-
ſtaͤrckſten. Jnmaſſen er ſich ſelbſt dahin erklaͤret hat durch den Propheten
Eſaiam cap. 49. Kan auch ein Weib ihres Kindleins vergeſſen \&c. Jtem/
wann ihr/ die ihr boͤſe ſeyd koͤnnet euern Kindern gute Gaben geben: wie
vielmehr GOtt der Vater im Himmel wird das thun/ der doch das hoͤchſte
Gut iſt/ und hat nicht GOtt auch alſo geſagt: Wolte GOtt ich muͤßte fuͤr
euch ſterben/ dann ob wol GOtt der Vater nicht Menſch worden noch ge-
ſtorben iſt/ ſo hat er doch ſeinen Eingebohrnen Sohn gegeben/ der eins mit
dem Vater iſt/ der iſt fuͤr uns geſtorben/ daß wir das ewige Leben haben
moͤchten/ der iſt ins Elendgangen/ daß wir ins Himmliſch Koͤnigreich ein-
geſetzt wuͤrden: Er hat geweinet/ daß wir uns ewig freuen koͤnten. Und
wie David nicht begehret/ daß Abſolon ſterbe/ ſondern vielmehr daß er er-
halten wuͤrde/ und weinete uͤber ſeinen Tod; Alſo wil auch GOtt nicht den
Tod des Suͤnders/ ſondern wil/ daß er ſich bekehre und lebe.
At hic non eſt res voti, ſed effectus, weil er/ der Vater/ nicht fuͤr uns
ſterben kunte/ ſo greifft er ſein eigen Hertz an/ die Cron ſeines Hertzens/
ſeinen Sohn gibt er fuͤr uns in den Tod/ und ſagt zu uns/ non morie-
ris, du ſolt nicht ſterben/ Ezech. 18. das Geſetz ſagt: Du ſolt des Todes
ſterben/ Gen. 2. aber das Evangelium/ du ſolt nicht des Todes ſterben:
Hie iſt das rechte Gewaͤchs Davids und Zweig Jſai/ die Blum zu Sa-
ron/ die edle Jungfrauen Blum/ der Sohn GOttes/ ſampt allen ſeinen
P ijVer-
[116]Die Neunte
Verdienſten und Buſſen/ die Blum der Himmel-Schluͤſſel der Verge-
bung der Suͤnden: Dann wer Vergebung der Suͤnden hat/ der hat Le-
ben und ewige Seligkeit. Und das iſts Evangelium/ das Wort/ darin-
nen alle Schaͤtze begriffen: Es iſt ferner gruͤn Graß/ lauter Augenluſt/
Hertzens-wonn/ lauter Neurath/ eine neue Zeitung/ alle Tag neu/ es kan
nicht erſchoͤpfft werden/ ein neuer Himmel/ und neue Erde/Eſa.
LXV, 17.neue Menſchwerdung des Sohns GOttes/Jer.
XXXI, 22.ein neugeborner Koͤnig der Juden/Matth. II, 2.neuer
Bund des Teſtaments/ ein neuer Mittler/Hebr. IX, 15.neue
Zungen/Marc. XVI, 17.neuer Geiſt/Ezech. XVIII, 31.neuer
Moſt/Matth. IX, 17.neue Geburt/Joh. III, 3.neu Leben/ neu
Weſen/Rom. VI, 4.neue Namen/Apoc. II, 17.neu Jeruſalem/
Apoc. III, 12. Evangelium rorulentum von der Goͤttlichen Gnad und
Troſt/ wann der Himmel ſeren, hell und lauter/ das iſt/ wann Gott
verſoͤhnt/ ſo thaut als dann die Gnad des H. Geiſtes/ ſein Heil-Gnad/
Lebens-Gnad/ Lieb-Gnad/ Troſt-Gnad/ Kuͤhl-Gnad/ dadurch die mat-
te Seel erquickt wird/ Himmliſche Gnad/ davon lebt man/ das iſt ein
Wort des Lebens. Dann dieweil die Menſchliche Seel ein unſterblicher
himmliſcher/ unvergaͤnglicher Geiſt iſt/ ſo kan ſie nichts erhalten/ nichts
troͤſten/ wider die Verſchmachtung und Verzweifflung/ als himmliſch/
unvergaͤnglich/ der Gnaden-Thau des H. Geiſtes: wann dein Wort
nicht waͤre mein Troſt geweſen/ ſo waͤre ich vergangen in meinem Elend.
Aber dein heilſam Wort es macht/ Mit ſeinem ſuͤſſen ſingen/ Daß mir
das Hertze wieder lacht/ Als wanns beginnt zu ſpringen/ Dieweil du alle
Gnad verheißſt/ Denen die mit zerknirſchtem Geiſt Und Hertzen zu dir
kommen.
Sehet (ita Arnd in der Pſalm-Poſtill. p. 145. f. 2.) das iſt die rechte gruͤne Aue
der Schaͤflein Chriſti/ welches verbluͤmter weiß beſchrieben iſt im Hohen
Lied Salomonis im 2. Cap. Stehe auff meine Freundin und komm her/
ſiehe/ der Winter iſt vergangen/ (das iſt/ das Geſetz mit ſeinem Draͤuen und
Schrecken/ dann das Geſetz macht traurig und betruͤbt) der Weinſtack hat
Augen gewonnen/ das iſt das Evangelium/ die Tortel-Taube laͤſſet ſich
hoͤren/ das iſt der H. Geiſt/ die Blumen ſind herfuͤr kommen/ das ſind die
Troſt-Spruͤchlein und Bluͤmlein der Schrifft/ mein Freund/ erquicket mich
mit Blumen/ und labet mich mit Aepfeln. Wol nun dem Volck/ Land
und Stadt/ da dieſe gruͤne Au des Goͤtt lichen Worts iſt/ da iſt die Stadt
GOttes/ die fein luſtig bleiben wird mit ihren Bruͤnnlein/ da die Wohnung
des Hoͤchſten ſind/ dann wo GOttes Wort nicht iſt/ ja in welches Hertz es
nicht iſt/ da iſt ein duͤrre Wuͤſten/ da iſt eitel Seelen-Hunger/ und der bit-
tere ewige Tod/ und wenns noch ſo ein gewaltig Koͤnigreich waͤre/ da eitel
guͤldene
[117]Predigt.
guͤldene Stroͤme flieſſen/ ja wann alles Gut auff Erden/ und aller Welt
Herꝛligkeit auff einem Hauffen verſam̃let/ in einer Stadt waͤre/ wie man
von Rom in ihrer Flore ſagt/ daß die Stadt mit aller Welt Gut erbauet/
und mit aller Welt Herꝛligkeit gezieret geweßt: Jſt GOtt mit ſeinem Wort
und Gnaden nicht da/ ſo iſts eine irdiſche Bauchfuͤlle/ und eitel Kleien und
Trebern/ damit dem Saͤu-Menſchen der Bauch gefuͤllet wird/ die Seele
aber bleibet leer/ ungeweidet und unerleuchtet/ wird auch in Ewigkeit nicht
geſaͤttiget und getroͤſtet werden. Alsdenn wird man erfahren/ wer das rech-
te Gut gehabt und den rechten Schatz.
Summa diß iſt die rechte guldene Au/ wie Lutherus gloſſirt Oſe. 2.
Dann da erbeut ſich der rechte groſſe Evangelus der Meſſias/ er wolle ſei-
ne Glaubigen ins Thal Achor locken mit ſeiner ſuada und Evangelio/ er
wolle daſelbſt freundlich mit ihnen reden/ nicht ſchroͤcklich/ wie zuvor in
der Wuͤſten per fulmina, deren Fluch und Krafft im Thal Achor auß-
gedonnert/ und 36. Mann erſchlagen/ und ein rechtes Achor ein Schreck-
Thal darauß gemacht/ ſondern er wolle freundliche Wort reden/ troͤſtli-
che Wort des Friedens/ und damit das Thor der Hoffnung ins Land
Canaan auffthun/ darum dieſe Au Lutherus eine guldene Au genennet
ab effectu, von dem Gold des Glaubens/ ſo daſelbſt wird ſchimmern und
leuchten: Es haben vor Zeiten die Heyden gedicht von einem aureo vel-
lere. Quod ad fabulam velleris aurei, ut eam à Mela vocari ante vi-Ita Voſſius,
de Theolo-
gia Gentili.
p. 178.
dimus, attinet, originem ejus nobis enarrat doctiſſimus Varro, lib. II.
de R. R. c. I. De Antiquis, inquit, illuſtriſſimus quiſ[q] paſtor erat, ut oſtendit
Græca \& Latina lingua; \& veteres Poëtæ, qui alios vocant πολυάρνας alios
πολυμήλους, alios πολυρούτας: qui ipſas pecudes propter charitatem aureas ha-
buiſſe pelles tradiderunt: ut Argis Atreus, quam ſibi Thyeſtem ſub duxiſſe que-
ritur: ut in Colchide Æeta, ad cujus arietis pellem profecti regio genere di-
cuntur Argonautæ: ut in Lybia ad Heſperides unde aurea mala, id eſt ſecun-
dum antiquam conſuetudinem, capras \& oves, quas Hercules ex Africa in
Græciam exportavit. Ea enim ſuâ voce Græci appellarunt μῆλα. Non ta-
men ſolas ob pecudes, ut arbitror, Argonautæ profecti, ſed per eas
συνεκδοχικῶς intelligere oportet opes regias univerſas, imprimis verò
theſaurum illum, quem Phrixus, Athamantem ac novercam fugiens,
in Colchidem deportarat. Hos enim conſanguinei Phrixi, ante
omnes autem Jaſon, prognatus Æſone, fratre Phrixi hujus Patruele,
non abſurdè repoſcebant. Nam veriſimile eſt, eos fuiſſe partim ex
bonis Nepheles matris, partim, quia ejus domos \& agros auferre non
poterat, ex pecuniis Athamantis Patris \& Novercæ Inûs. Eos quoque
velleris aurei nomine vocarunt; quia ex pecudibus pecunia compare-
tur;
[118]Die Neunte
tur; eoque \& pecuniæ dicuntur, quaſi res pecuinæ. Imò poſtquam
ſignari cœperunt nummi, ſæpè iis pecudis, vel bovis nota imprime-
batur.
Darunter aber haben ſie verſtanden alle Schaafs-Felle/ daß wie wir
reden ein Schaaf einen guldenen Fuß habe/ wo es hintritt/ da iſt lauter
Segen/ Gold und Gut/ von welchem Segen Abraham reich worden.
Hie lauter aurea vellera, welche Schaaf das geiſtliche Graß eſſen/ die
bringen Milch und Woll/ das iſt der Glaub/ der iſt viel koͤſtlicher/ als das
vergaͤngliche Gold. 1. Petr. 1. Das Wort Gottes iſt viel koͤſtlicher als
viel tauſend ſtuck Gold. Pſ. 119. deſſen Ende die Seligkeit/ das rechte au-
reum ſeculum.
Was wird aber II. dieſer Hirt auff der ſo ſchoͤnen Au machen und
ſchaffen? Er weydet auff der gruͤnen Auen. Alle rechte und nutzliche
Hirten-Dienſt wil er leiſten und verrichten/ alles das/ was zu einem
Weydwerck erfordert wird. Wie weydet nun ein guter liebreicher
Hirt? zu allerforderſt ſucht er eine gute/ taugliche und heylſame Weyde.
Von den Kindern Simeon ſteht 1. Chron. V, 39.Sie zogen hin/ biß
ſie gen Gedor kaͤmen/ biß gegen Morgen des Thals/ daß ſie
Weyde ſuchten fuͤr ihre Schaafe/ und funden fette und gute
Weyde. Das findet ſich hie auch: Jch bin die Thuͤr/ ſo je-
mand durch mich wird eingehen/ der wird ſelig werden/ und
wird ein- und außgehen und Weyde finden/ ſagt Chriſtus Joh.
X, 9, Er erkundiget und pruͤfft derſelben Natur/ Krafft und Tu-
genden/ und ſtehet ihm wol an die ars botanica, wie vermuthlich die al-
ten edeln Hirten gethan/ und Jacob ihnen die veſtigia der Phyſic hinter-
laſſen/ er ſcheidet die erkundigte Heyde und Weyd voneinander/ die ent-
ſcheidete Weyde zeigt er den Schaafen/ fuͤhret ſie an/ und legt ſie ihnen
vor/ ja reint ihnen gleichſam die Weyde in den Mund. Alles ex motivo
charitatis, ohn welches das Weyden ſchlecht abgeht/ er ſagt nicht ver-
gebens zu Petro/ haſtu mich lieb/ ſo weyde meine Schaafe/ weyde auß
Lieb/ muß demnach auß Lieb weyden/ auß Lieb heylen von allen Breſten/
Reud/ Rotz/ Huſten/ Darmgicht/ mit den heylſamen Kraͤutern/ ſo auff
der Weyde wachſen. Ezech. 34. auß Lieb gehet er gar zaͤrtlich mit den
Laͤmmern um/ ſpeißt ſie mit der Mutter-Milch/ den alten gibt er ſtarcke
Speiße/ auß Liebe ſamlet er die Laͤmmer in die Arm/ und traͤgt ſie in ſei-
nem Buſen/ die Schaaf-Muͤtter fuͤhret er. Eſa. XL, 11. Alle dieſe officia
und beneficia hat auch der Herꝛ Meſſias/ der Herr mein Hirt ver-
richtet/ wie er ſolches zugeſagt und verſprochen. Dann weil er geſehen/
wie
[119]Predigt.
wie uͤbel manchmal vor ihm der Heerd gewartet worden/ ſo ſagt er/ er
wolle ſelbſt weyden. Ezech. XXXIV, 23.Jch wil ihnen einen einigen
Hirten erwecken/ der ſie weyden ſoll/ nemlich meinen Knecht
David/ der wird ſie weyden und ſoll ihr Hirte ſeyn. Das hat
er auch redlich erfuͤllt in allen Stucken. 1. Hat er die Weyd gefucht im
Hertzen GOttes/ deſſen Tieffe er ergruͤndet/ geſucht das Mittel/ dadurch
der gefallene Menſch wiederum bey Leben erhalten/ ernehret und geſegnet
worden/ davon Joh. I, 18.Der Eingeborne Sohn GOttes/ der
in des Vaters Schoß iſt/ der hats erkundiget und verkuͤndiget.
Gleichwie Johannes/ der an der Bruſt JEſu gelegen/ die Fluͤß und Ge-
heimnuͤß der himmliſchen Weißheit darauß gefogen/ alſo iſt dem Sohn
GOttes nichts haͤl und verborgen geweſen: Er hat die Evangelia und
Conſilia Evangelica geſucht und gefunden/ das Evangelium iſt das Ge-
heimnuͤß/ das von Ewigkeit her verſchwiegen geweſen/ aber von dem
Sohn GOttes geoffenbahret und verkuͤndiget worden/ daß nemlich
noch ein Mittel ſeye/ dadurch das unendliche und unuͤberwindliche Ubel
der Suͤnden und des Todes koͤnne uͤberwunden werden: Nemlich durch
das Blut des Sohns GOttes/ der durch ſein Blut eine ewige Erloͤſung
erfunden Hebr. IX, 12. (2.) nicht nur erfunden/ ſondern auch die ſenſa
erklaͤrt/ die arcana myſteria, die Natur/ Krafft und Tugend/ Sinn und
Verſtand der Evangeliſchen Geheimnuͤß erforſcht und außgelegt/ auß-
gelegt Moſen/ Prooheten und Pſalmen/ und auff ſich applicirt/ Luc.
XXIV, 27. 45. Luc. 4. erklaͤrt er den Spruch Eſa. 61. den 110. Pſ. Matth.
22. die Jacobs-Leiter Gen. 28. im 1. c. Joh. und 14. Jch bin der Weg
die Warheit und das Leben/ niemand kom̃t zum Vater dann
durch mich. Die ehrne Schlang. Joh. 3. das Manna. Joh. 6. den
Heil-Brunnen. c. 7. den Hirten. cap. 10. (3.) Er hat geſchieden von
den Gacangeliis Menſchentand und Menſchen-Satzungen der Phari-
ſeer und Sadduceer/ und kraͤfftiglich erwieſen/ daß ſie keine Pflantzen/
die der Himmliſche Vater gepflantzt. Matth. XV, 13. ſondern nichts an-
ders ſeyen als Unkraut/ Wolffskraut/ lolium \& ſteriles avenæ, Neßlen
und Spitzgraß/ und davor ſeine Schaaf treulich gewarnet. Matth. VII, 5.
(4.) Hat er ſeine Schaafe gefuͤhret: Forſchet in der Schrifft/ wie
leſet ihr/ad Theoriam Trifolii, des edeln Kleeblats der H. Dreyfal-
tigkeit am Jordan/ im Thal Achor/ der guldenen Au/ des dreyfachen/
unterſchiedlichen/ unerſchaͤtzlichen reichſten Schatzes/ nemlich des Erb-
Schatzes des Himmliſchen Vaters/ Teſtaments-weiß beſchieden/ allen
denen
[120]Die Neunte
denen/ die an ſeinen Sohn/ als die Cron ſeines Hertzens/ glauben/ das
ewige Leben ohnfehlbar zu ſchencken/ des Eingebohrnen Sohns JEſu
Chriſti theuren Rantzion-Schatzes/ zu Erloͤſung des Menſchlichen Ge-
ſchlechts erlegt/ und durch die Tauff verſiegelt/ wie auch des H. Geiſtes
Ablaß-Schatzes/ davon auß einem Mund alle Propheten zeugen/ daß
im Namen/ das iſt/ in Krafft/ Buͤrgſchafft und Credit JEſu, alle die
es glauben/ Vergebung der Suͤnden emfangen ſollen/ eine erwuͤnſchte
σ [...]σαχθείαν und Schulden-Ruh/ ἀμνηϛείαν, Vergeſſenheit aller offenſen,
ἀσυλίαν, Freyheit von Noth und Tod/ von Ketten und Banden/ von
Reat und Straff-Pflicht. Er hat ihnen die Lehr in den Mund gege-
ben/ das iſt/ er hat ſie von Mund zu Mund gelehret/ mit ſeinen holdſeligen
Lippen klug und weiß gemacht/ vermahnet/ gewarnet/ getroͤſtet. Omnia
ex motivo charitatis, die Flamm die er in Petri Hertz wollen erwecken/
hat zuvor in ſeinem Hertzen loh hell gebrennt/ auß Lieb hat er geheilet per
abſolutionem peccati,die Geſunden bedoͤrffen des Artzts nicht/
ſondern die Krancken.Matth. IX, 2. Auß Lieb die ἀρνία, die zarten
Laͤmmer und jungen Kinder laſſen zu ihm kommen/ in die Arm genom-
men/ gehertzt und gekuͤßt/ die Milch-Chriſten informirt/ wann er den
Catechiſmum Frags- und Geſpraͤchs-weiß tractirt/ Matth. XVI, 13.
Joh. XI, 25. den Alten ſtarcke Speiß vorgelegt/ die Wort und Sinn
illuſtrirt/ die Menſchwerdung mit der Hochzeit/ den Glauben mit dem
Eſſen verglichen/ auß Lieb die Weyd geaͤndert/ nicht immer einerley/
ſondern die Evangeliſche Geheimnuͤß in unterſchiedlichen Parabeln vor-
getragen. Auß Lieb auch ſie gelagert/ ut innutriti, genehrt worden mit
GOttes Wort/ wie Dimotheus, nicht mit Schwerdt und Keilen/ ſon-
dern mit Liebes Seilen. Confer part. 8. Lact. Catech. p. 404. das heißt
nun weyden auff gruͤner Au.
Omnia ad exemplum, Er hat uns ein Fuͤrbild gelaſſen/ daß wir
ſollen nachfolgen ſeinen Fußſtapffen: Er hat nicht nur Petrum gemey-
net/ wann er geſagt: Simon weyde meine Schaafe/ ſondern ſeine Juͤnger
alle mit denen Worten angeſprochen: Gehet hin in alle Welt und lehret
alle Heyden/ weydet mit Lehr und Weißheit. Er iſt gen Himmel ge-
fahren und hat etliche geſetzt zu Hirten.Eph. 4. Der H. Geiſt hat
zu Epheſo geſagt: daß ſie weyden ſollen die Gemeine GOttes/
welche er durch ſein eigen Blut erworben.Act. 20. St. Petrus
hats ſelbſt nicht anders verſtanden. 1. Petr. V, 2.Weydet die Heerde
Chriſti ſo euch befohlen iſt/ und ſehet wol zu/ nicht gezwun-
gen/
[121]Predigt.
gen/ ſondern williglich/ nicht ums ſchåndlichen Gewinns
willen/ ſondern von Hertzengrund: Nicht als die uͤbers Volck
herꝛſchen/ ſondern werdet Fuͤrbilde der Heerde. Wollet ihr
aber weyden/ ſo weydet nach meinem Exempel und Fuͤrbild/ trettet in
meine Fußſtapffen/ legt euern Schafen fuͤr/ nicht Zizania, nicht nur
Legalia, wiewol man freylich die Zuhoͤrer auch ſoll in das Thal Achor
fuͤhren/ nicht nur freundliche Troſt/ ſondern auch Schreckgeſpraͤch/ nicht
nur Oſtern/ ſondern auch Pfingſtpredigten halten ſoll/ wie es zwar zarte
Ohren gern anders hoͤrten/ daß man nicht ſagen ſolle: Hoͤrſtu es/
du wilt ein Chriſt ſeyn/ und biſt gleich wol ein Ehebrecher \&c.
ſondern ſo ſagen/ horſtu/ biſtu ein Ehebrecher/ \&c. glaubeſtu
nur/ ſo biſtu ſelig/ darffſt dich fuͤr dem Gericht Gottes nicht
fuͤrchten/ Chriſtus hats alles erfuͤllet.Luth. Tom. 7. Jen. p. 292.
Sondern auch Evangelia/ aber nicht bloß und allein die Evangeliſche
oder Bibliſche Hiſtorien/ von welchen der Poͤbel lieber hoͤrt/ als von hohen
Geheimnuͤſſen/ oder allein die Pericopas und den Außſchuß/ ſo auß der
Evangeliſchen Hiſtori zuſammen getragen/ und am Sontag erklaͤret
werden/ wie es dann wol Beſſerung bedoͤrfft/ und Lutherus ſchon zu
ſeiner Zeit daran gewolt/ ſondern alle ſalutaria myſteria, auß welchen
hernach der Glaub und Gottſeligkeit folget/ dann alle Geheimnuͤß/ ſeind
myſteria nicht nur fidei, ſondern auch ἐυσεβέιας, und daſſelb vollkoͤm̃lich/
gruͤndlich/ eigentlich/ deutlich/ verſtaͤndlich. Paſcite, das iſt forſchet in
der Schrifft Tag und Nacht/ als in einer herꝛlichen Fundgruben/ pene-
trate ad ſenſa intima, vindicate, illuſtrate, demonſtrate, catechizate,
mutate, omnia ex motivo charitatis, non αἰσχροκερδίας.
Aber wo ſeind ſolche Hirten? Solche Hirten ſeind theur/
(ſchreibet Luth. Tom. Vll. Witt p. 605.) und nicht gemein/ als die
zweyfuͤſſige Puͤffel und Pabſteſel zu Rom. Theuer vorzeiten in
ſuperioribus ſeculis, in Babylon/ da es alles aͤgert worden/ voll Unkraut
und Zizania, eine rechte Wildnuß und Wuͤſteney/ da die Ohim und
Zihim/ die Feldgeiſter huͤpffen/ die ſpectra und Poltergeiſter erſchienen/
und jaͤmmerlich ejulirt, die Heuſchrecken auß dem Brunnen des Ab-
grunds graſſirt/ wiewol ihnen verbotten geweßt/ das gruͤne Graß die H.
Schrifft auffzufreſſen und abzuetzen/ doch gleichwol haben ſie es vergifftet
durch gloſſen. deſſen Muſter fuͤrhanden und zuſammen getragen in der
deutſchen Bibel D. Dietenbergeri, zwar es wimmelte daſelbſt voller
Neundter Theil. QPfaf-
[122]Die Neundte
Pfaffen/ die ſich Paſtores, Parochos und Curatores nenneten/ aber nur
den Titul tragen/ in veritate dominatores. Da war das Evangelium
theur/ und an deſſen ſtatt hat man fabulas und traditiones fuͤrgetragen/
und den Leuten einen blauen Dunſt fuͤr die Augen gemacht/ mit Seel-
meſſen/ Umgaͤngen/ Wallfahrten/ unter Comoͤdien/ damit Meiſter
Faulwitz Augen und Ohren auffgeſperret/ und deſſen Predigten/ Schrift-
forſchen und Kopffbrechen unterlaſſen. Wanns hoch kommen iſt/ ſeinds
lauter legalia geweſen. Trutz allen Schereris, Drexeliis, Vincentiis, Gra-
natenſibus, daß ſie die Evangelica myſteria recht intimè penetrit, und die
Tom. 2.
Ien. p. 39.Gottſeligkeit auß dem Glauben gezogen. O Paſtores! O Idola!
Theurung iſt auch in Schola Calvini, da man zwar den Text und
heilſam Wort behalten/ aber wie die Zauberer das Wort mit gloſſen ver-
gifftet/ wers nicht glauben will/ der nehme nur die Herborniſche Bibel
und dero gloſſen, die Baſeliſch Bibel und dero Erklaͤrung fuͤr ſich/ er
wird den Gifft bald finden.
Jn Zion iſts auch an manchem Ort theur geweſen/ theuer rechte
getreue Hirten/ viel im Gegentheil deren/ die ſich ſelbſt weyden/ mehr mit
der Meel-als Seelſorg beladen/ lieber von Fruͤchten und Wein diſcurri-
ren/ als von Gottes Wort/ lieber Evangelia mundi diſſeminiren als E-
vangelia Chriſti, lieber in libris Regum auff der Carten/ als in den
Prophetiſchen und Apoſtoliſchen Schrifften ſtudieren/ ſollen ſie einen
Text tractiren/ gehen ſie fuͤruͤber/ wie der Prieſter und Levit ſprechen mit
jenem Bauchpfaffen zu Laodicea: Jch bin reich und habe gar ſatt.
Apoc. III, 17. ſonderlich werden die Laͤmmer verſaumet im Catechiſmo:
Es gehet faſt her/ wie in der neuen Welt/ davon Acoſta, l. 4. de procur.
Indor. ſalute. c. 4. Sie erzehlen in einer Wochen zwey oder dreymal das
Symbolum und Gebet in Hiſpaniſcher Sprach/ davon ſie doch nicht eine
Sylbe verſtehen/ und klagt ferner/ es ſey ihme vorkommen als ein mon-
ſtrum, daß unter ſo viel tauſent Jndianern/ die ſich Chriſten nennen/ gar
ſelten einer Chriſtum erkenne/ und es ihnen gehe wie weyland den Ephe-
ſiern/ daß/ was ſie vom H. Geiſt geantwortet/ dieſe viel beſſer von Chriſto
koͤnnen ſagen: Wir haben niemahlen gehoͤret/ daß auch ein Chriſtus ſey.
Solche Geſellen ſind werth des proceſſus Diocletiani apud Euſeb. l. 8, 22.
GOTT aber im Himmel ſey Lob und Danck/ daß er noch unter
uns ſolche Hirten gegeben und erhalten nach ſeinem Hertzen/ die ſein
Volck und Erbe geweydet mit aller Treu/ und regieret mit allem Fleiß.
GOtt ſey Lob und Danck/ der unſere guldene Au noch erhalten. Welche
Gluͤck-
[123]Predigt.
Gluͤckſeligkeit groͤſſer zu ſchaͤtzen als alle Frantzoͤſiſche und Italianiſche
Auen/ ja alle Auen der Gottloſen/ Pſ. 37. Liegt alles an den Schaafen/vid. Arnd.
in Pſalt.
p. 145.
daß ſie ſich recht accommodiren und ſchicken/ mit rechter begier und geiſt-
lichem Hunger/ den Armen wird das Evangelium geprediget/ die Rei-
chen laͤſt er laͤhr hingehen/ und die ſollen ſein nicht nur hungerige/ ſondern
auch ſaugende Schaafe/ die wol maſticiren und ruminiren/ daß wie GraßConfer.
part. 8.
Lact. Car.
p. 380, 384.
waͤchſt ohn unterlaß/ ſie auch ohn unterlaß ſagen/ hie iſt ſagina loͤblich/
ſonſten unvernuͤnfftigen Schaafen ſind all zu fette Auen nicht geſund/
ſie freſſen ſich uͤberſatt. Es bekommet ihnen nicht wohl/ aber hie je laͤn-
ger je lieber/ unerſaͤttlicher Welt- und Geld-Durſt iſt verbotten/ nicht
aber Lehr- und Liebdurſt. Oves gratæ, der Hirt trinckt von der Milch/vidi l. cit.
p. 467. 472.
welcher weydet eine Heerde/ und ißt nicht von der Milch der Heerde.
1. Cor. IX, 7. lac \& lana, der Lehr und Weydlohn iſt nicht zuvergeſſen.
Man gedencke wie die Leute im Pabſthum mit Allmoſen und Bettel-
muͤnchen geplagt werden/ wie man gautzt und geitzt/ wo man reiche Leute
weiß/ die weiß man zu gaͤrben/ daß die Haut uͤber die Ohren herunter
haͤngt. Bey uns iſt alles zu viel: Sed ſurdo fabula! Wir laſſens beym
geſagten bewenden/ und bitten den Vater aller Barmhertzigkeit/ Er wolle
die poſteritaͤt ſolcher Urdanckbarkeit nicht entgelten laſſen/ ſondern die
gruͤne/ guldene Au erhalten/ ſo lang der Mond waͤhret/ biß wir endlich
alle/ Hirten und Schaafe verſamlet werden zur guldenen Au/ auff der
neuen Erd und Land der Lebendigen/ da wir die Engelſuͤſſe Schaͤtz und
Gutthaten genieſſen werden mit Freuden/ gantz heiliglich/
vollkommlich/ immer und ewiglich/
AMEN.
Q ijDie
[124]Die Zehende
Die Zehende Predigt/
Vom
Friſchen Waſſer des H. Geiſtes.
GEliebte in Chriſto. Wie der Hirſch ſchreyet
nach friſchem Waſſer/ ſo ſchreyet meine Seele
GOtt zu dir/ meine Seele duͤrſtet nach GOtt/
nach dem lebendigen GOtt. Tichten/ ſingen und
ſagen die geiſtliche Propheten und Poeten die Kinder Kore
Pſalm. 42. im Nahmen und auß dem Mund aller heiligen/
und deroſelben Haupt die fruͤhgejagte Hindin der Meſſias und Welt-
Heyland. Wie der Hirſch/ der gehetzte/ gejagte/ angſthaffte/ abgemat-
tete/ und daher duͤrſtende/ keuchende/ lechzende/ hoͤllige Hirſch διὰ τὸ καῦμα
καὶ ἀσϑμα, Ariſtot. in der Hatz und Jagt ſchreyet hell und jaͤmmerlich/ mit
keuchen/ athmen und gluxen/ er gluxet gleichſam wie ein Gluckhenn/ ſo
lang und viel/ biß er in den Gruͤnden/ Gebuͤrgen und Waſſerbaͤchen ein
Echo und Wiederſchall erweckt/ und wo er ein Waſſerquell vermerckt/
denſelben Ort ſpaͤet er auß/ folgt/ und laufft dahin/ ſucht daſelbſt Labſal/
loͤſcht den Durſt und erquickt ſich. Alſo alle Heiligen in ihrer Angſt
und Betruͤbnuͤß und geiſtlichen Ohnmachten/ ſonderlich das Haupt
und Exempel Aller heiligen/ der Allerheiligſte Chriſtus die fruͤhgejagte
Hindin Pſ. 22 Welche die Hunde umgeben/ fette Ochſen umringet/ und
gegen ihm als die bruͤllende und reiſſende Loͤwen/ den Rachen auffgeſperꝛt/
ſo faͤngt er an zu ſchreyen/ zu heulen und zu klagen/ opffert ſein Gebet
und flehen mit ſtarckem geſchrey und Thraͤnen/ zu dem der ihm vom Tod
kunte außhelffen, Hebr. V, 7. rufft ſeinen himmliſchen Vater zu dreyen
mahlen aͤngſtiglich an/ im Garten am Oelberg mit zittern und zagen.
Matth. 26. Ach Vater iſts muͤglich/ biß ſo lang ein Engel vom Him-
mel herab einen Wiederſchall mit ſich gebracht/ ihn mit Worten und
Wercken geſtaͤrckt. Chaſak, Chaſak. Dan. X, 19. davon er Labſal
empfunden. Und alſo auch ſein Gegenvater David/ da er von Saul
als
[125]Predigt.
als ein Rebhun auff den Bergen herum gejagt worden/ daß er daruͤber
abgemattet/ zu den Himmelsbergen ſich gewendet/ daher ihm auch Huͤlf-
fe kommen. Seines wehmuͤthigen und angſthafften Geſchreys iſt der
gantze Pſalm voll/ 2. Sam. XXIII, 15. da er in einem Feldzug wieder
die Philiſter begriffen/ wird er einsmals luͤſtrig und duͤrſtig/ ſagt: Wer
will mir zu trincken geben des Waſſers auß dem Brunn zu Bethlehem
unter dem Thor/ als meinem Vaterland und Heimath/ das Waſſer/ das
mir angeboren/ und/ wie vermuthlich offt mein Schaafe dafelbſt getren-
cket: War votum incompletum, war ihm nicht Ernſt/ iſt darauß abzuneh-
men/ daß als 3. Helden durch die Beſatzung der Philiſter daſelbſt ſich
durchgeſchlagen/ das Waſſer geſchoͤpfft/ gewonnen/ und ihm David ge-
bracht/ ſo wolt ers nicht trincken/ goß es auß/ dem HErꝛn zu einem
Danck- und Tranckopffer/ daß GOtt ſeine Helden in ſo groſſer Leibs-
und Seelen-gefahr behuͤtet. Urſach/ es duͤrſtete ihn nach einem andern
Brunn/ ſo zu Bethlehem in der fuͤlle der Zeit ſolte ausgehauen werden/
nach dem rechten Heilbrunnen dem Meſſia/ ſeinem Sohn/ und nach dem
Waſſerſtrom des Geiſtes/ den er ausgieſſen werde/ darnach ſchreyet er ſo
offt und viel/ daß ihm ein Wiederſchall wird/ der Geiſt/ der durch ihn ge-
redet/ der antwortet ihm und ſagt: Dein Hirt/ dein Herꝛ/ dein getreuer
Hirt/ der fuͤhret dich zum friſchen Waſſer. Jſt die andere Evangeliſche
Hirten Gutthat und ſuͤſſe Wunderthat/ davon David ſo holdſelig ſingt
und ſagt/ und ſich ſelig preißt. O wohl mir! dann ich ein ſolchen mil-
den und guten Hirten habe/ der mich leitet und fuͤhret zum friſchen Waſ-
ſer/ dadurch er allen meinen Durſtloͤſchet/ und noch dazu erquicket. Hie-
von ferner zu reden/ wolle der H. Geiſt Krafft/ Gnad und Segen geben/
Amen.
DAß nun ohne weitlaͤufftige Auffenthalt durch diß Da-
vidiſche Waſſer nichts anders verſtanden werde/ als der gute
Heilige Geiſt/ das hat unſer lieber Lutherus nicht allein gar hold-
ſelig angezeigt in dem ſchoͤnen bekanten/ offt wiederholten Lied: Zum ret-
nen Waſſer er mich weißt/ das mich erquicken thute/ das iſt ſein Fron H.
Geiſt/ der mich macht wol gemuthe/ ſondern es beſtehet deſſen gloß und
Erklaͤrung auch auf ſtattlichem und feſtem Fundament/ des prophetiſchen
und Apoſtoliſchen Worts Gottes. Eſa. XLIV, 3. Propheceyet und ver-
ſpricht der HErꝛ: Er wolle Waſſer gieſſen auff die durſtige/
und Stroͤme auff die duͤrren/ das iſt: Jch will meinen Geiſt auß-
gieſſen auff deinen Samen/ und meinen Segen auff deine Nachkommen.
Q iijJoel
[126]Die Zehende
Joel weiſſaget. cap. 3. Jch will meinen Geiſt außgieſſen uͤber
alles Fleiſch.Zachar. XII, 10.Jch will auff das Hauß Da-
vid/ und die Buͤrger zu Jeruſalem außgieſſen den Geiſt der
Gnaden. Die Erfuͤllung hat Chriſtus geleiſtet Joh. VII, 37.Wen
da duͤrſtet/ der komme zu mir und trincke. Wer an mich
glaubet/ wie die Schrifft ſaget/ von des Leibe werden Stroͤme
des lebendigen Waſſers flieſſen. Das ſaget er aber von dem
Geiſt/ welchen empfangen ſolten die an ihn glaubten. Von
des Leibe/ ſpricht er/ ſollen Stroͤme des lebendigen Waſſers flieſſen. Wie
auß den Bruͤſten der Erden gantze Fluͤſſe und Stroͤm/ Rhein und Do-
nau/ die ein groß Stuck in Deutſchland uͤberſchwemmen/ ja wie auß
der Lebens-Ader das Gebluͤt gezeuget wird/ das ſich hernach in alle Glied-
maſſen außtheilt/ ein himmliſch Waſſer/ das vom Himmel kom̃t/ und
wieder quillet in den Himmel hinauff/ Joh. 4. und iſt ſolcher Außguß
geſchehen und geſchicht taͤglich in der heiligen Tauff. Tit, III, 5.Nach
ſeiner Barmhertzigkeit hat uns GOTT ſeliggemacht durch
das Bad der Widergeburth und Erneurung des H. Geiſtes/
welchen er außgegoſſen uͤber uns reichlich. Gantz herꝛlich aber
und ſolenniter iſts geſchehen in der ſichtbaren Außgieſſung des H. Geiſtes
Act. 2. darauff Petrus gedeutet/ mit denen Worten: Nun er durch
die rechte Hand Gottes erhoͤhet/ und empfangen hat die Ver-
heiſſung des H. Geiſtes vom Vater/ hat er außgegoſſen/ das
was ihr ſehet nnd hoͤret.Act. II, 33. Da ſeind Stroͤme/ da ſeind
χαρίσματα, die Evangelia, die Magnalia, dazu kommet die Analogia
die Vergleichung des Waſſers mit dem H. Geiſt/ in unterſchiedlich von
David angedeuteten Articulis und Stuͤcken.
Das Waſſer/ davon David redet/ iſt I. Aqua precioſa. Es moͤch-
te jemand gedencken/ was iſt das groſſes und herꝛliches/ wann der Hirt
ſeinen Schaafen Waſſer zutrincken gibt/ was iſt gemeiner/ geringer/ und
nachgiltiger/ als Waſſer. Wann er ſeinen verbluͤmten Schaafen davor
Wein vollauff gebe/ das waͤre ein Hirt fuͤr unſer Volck. Aber Lutherus
antwortet hierauff gar wol. Tom. IV. Jen. p. 367. David redet nach Lands-
Art/ das gelobte Land war ein hitzig/ duͤrꝛ/ ſandicht/ ſteinicht Land/ da
viel Wuͤſten und wenig Waſſer/ darum die Heydniſchen Hirten ſich mit
den Patriarchiſchen Hirten mehrmalen gezanckt/ darum hielte man
Waſſer
[127]Predigt.
Waſſer fuͤr ein groſſes Kleinod/ wann ſie fuͤr ſich und ihr Viehe gnug
Waſſer haben kunten: Andere hitzige Getraͤncke hatten ſie wol/ aber wann
ſie es nicht mit kaltem Waſſer gemiſcht/ bekam es ihnen uͤbel/ ſolch ein
Kleinod war das Waſſer. Wie viel tauſendmal koͤſtlicher der Geiſt/
der dadurchhieroglyphicè fuͤrgebildet worden/ der Chryſtallklare Strom/
der ausgehet vom Stuhl Gottes und des Lambs/ Apoc. 22. Maſſen ſich
der hoͤſte GOtt ſelbſt gar deutlich im Waſſer abgebildet. Jm Waſſer
erzeigen ſich drey Stuck/ Quell/ Brunn und Strom/ alle drey ſind eines
Weſens/ und doch drey Ding. Alſo iſt der Vater die ewige/ unerſchaffe-
ne/ immer lebendige/ immer mildreiche Gottes-Quell/ der Sohn/ ὁ λό-
γος, iſt der Mund und Brunn und Quell/ der Heilbrunn/ auß deſſen
eroͤffneten Seiten Waſſer und Blut in die Sacramenta gefloſſen/ der
H. Geiſt iſt der Strom von uͤberſchwenglicher Gnad ὑπερεκπερισσέυουσα
χάρις, maͤchtiger als alle unſere Suͤnde/ die ſeind uͤberſchwem̃t und ver-
ſenckt. Rom. 5. ein rechter Pactolus voll guldener Gnaden-Schaͤtzen.
Es redet/ II. David de aqua quietum, friſchen Waſſer/ das zwar
ſanfft und ſtill laufft/ wie das Waſſer auß dem Brunn Siloah/ nicht
wie ein Torrens mit groſſem ungeſtuͤm daher rauſchet/ davor die Schaͤf-
lein erſchrecken/ aber darneben friſch/ das den Durſt loͤſchen/ und den ap-
petit contentiren und vergnuͤgen kan/ wie das friſche und kuͤhle Waſſer/
der Hirt kan ſeine Schaaf nicht immer im Stall behalten/ und unter dem
umbraculo ruhlos/ er muß ſie hinauß auff die Weyde fuͤhren/ und wol
gar im Mittag weyden/ Cant. I, 17. da die Sonn am hefftigſten ſticht/
darum iſt ihnen nichts liebers/ als ein kuͤhles Waſſer/ maſſen uns auch
im Sommtr lau und warm Waſſer nicht vergnuͤgt/ ſondern friſch Waſ-
ſer/ kuͤhl Waſſer/ Sauerbrunnen Waſſer/ ein Trunck Sauerbrunnen
Waſſer iſt anmuthiger und geſunder als der beſte Malvaſier/ als daran
man ſich ſatt trincket/ daß man ſo bald nicht wieder duͤrſtet: Alſo ſagt
Chriſtus Joh. 4. er wolle der bußfertigen Samariterin Waſſer geben/
daß ſie nimmer duͤrſtet: Wann du es wuͤßteſt/ wer der iſt/ der zu
dir ſagt/ gib mir zu trincken/ du baͤteſt ihn/ und er gebe dir
lebendiges Waſſer/ dann wer des Waſſers trincket/ das ich
ihm gebe/ den wird ewiglich nicht duͤrſten/ ſondern das Waſ-
ſer/ das ich ihm geben werde/ das wird ihm ein Brunn des
Waſſers werden/ der ins ewige Leben quillet. Als wolt er ſa-
gen: Mit fuͤnff Maͤnnern haſtu unzuͤchtig zugehalten/ mit einem nach
dem andern/ und haſt deine Luſt und unzuͤchtigen Durſt nicht geloͤſcht/
wirſt
[128]Die Zehende
wirſt du aber Buß thun/ die Fleiſchliche Hurenluſt verſpeyen und ver-
maledeyen/ mich den keuſchen Jung rauen Sohn da gegen in dem Glau-
ben annehmen/ und durch mich dich durchreuen und verneuen laſſen/
wird dir derſelbe werden eine Quelle/ die ins ewige Leben quillen wird.
Es iſt leider der Fleiſchliche appetit des Menſchlichen Hertzens unerſaͤtt-
lich/ nichts irꝛdiſches/ liebliches kan den Geiſt contentiren/ quo plus ſunt
potæ, plus ſitiuntur aquæ. auri ſacra fames begleitet den Geitzhals biß
in die Grube hinein/ bring her/ bring her/ je laͤnger je mehr. David hatte
Weiber und Kebsweiber in ſeinem Gynæceo bey der ſchwere und in der
Menge/ das war ihm nicht gnug/ ſeine Luſt zu buͤſſen/ der ſchoͤnen Bath-
ſeba mußte er auch genieſſen. Der hochmuͤthige Koͤnig Pyrrhus kunte
der Ehrenglori nicht ſatt werden/ hatte einen weiſen Rath/ Namens Ci-
neas, der fragte einsmals ſeinen geſchwuͤlſtigen und Ehrſuͤchtigen Koͤ-
nig/ wann wir die Jndien bezwungen haben/ was wollen wir hernach
thun? ſo wollen wir die Sicilianer uͤberrumpeln/ ſagte Pyrrhus, wo
als dann hinauß? fragte abermal der Rath Cineas? ſo wollen wir als-
dann einen Verſuch thun auff Africam/ und die ſtoltze Stadt Carthago
belaͤgern. So gar unerſaͤttlich war ſein Ehrgeitz. Wer aber die Suͤſ-
ſigkeit des Geiſtes durch ſein Evangelium recht erſchmecket/ den duͤrſtet
nimmer/ hie anfangs weiß/ dort vollkommen.
III. Aqua virtuoſa, ein Seelerquickendes Waſſer: Jn der H.
Sprach ſtehet das Wort Jeſchobheb, er aͤndert und bekehrt meine
Seele/ ein ſchwaches/ mattes/ ohnmaͤchtiges/ halbtodtes Schaaf/ das
da liegt/ und kan ſich nicht erholen/ ſtreckt alle vier von einander/ wird
aber mit friſchem Waſſer getraͤncket und begoſſen/ ſo wird es munder/ es
wird wol gemuth/ iſt luſtig/ und ſpringt davon. Simſon der edele
Held/ Jud. XV, 19, gerath durch ſeinen Kampff in einen ſolchen Durſt/
daß die Seele ihm auff der Zungen ſchwebt/ ſie wolte ſich ſcheiden von
dem Leib; aber da er getruncken/ uñ ſich erquickt/ kehret ſie wiederum um.
Eben das geſchicht auch glaubigen Chriſten/ ſie gerathen manchmal in
ſo tieffe geiſtliche Ohnmachten/ in gichten/ angſt und ſchrecken/ daß
ihnen die Puls-Ader des geiſtlichen Lebens nicht will ſchlagen/ ſie klagen/
der Glaubgebe gar kein anzeigen von ſich/ und ſagen/ ſie ſeyen nicht nur
von Menſchen und Creaturen/ ſondern auch von GOTT ſelbſten ver-
laſſen/ die Quell des Lebens ſeye ihnen verſiegen/ Chriſtus ſey verlohren.
Wann ich dich Herꝛ habe/ ſo frage ich nichts nach Himmel und Erden/
wie? wann ich dich aber nicht habe/ nicht ſpuͤre/ nicht mercke/ wann ſie
ſprechen/
[129]Predigt.
ſprechen/ wo iſt nun dein Gott.Pſ. 42. ſo heißts alsdann/ nun hat mei-
ne Seele kein Troſt Pſ. 77. Dein Grimm ſauget meinen Geiſt duͤrꝛ auß/
wer da helffen kan/ der erquickt und machet wolgemuth/ das thut der
H. Geiſt/ der aͤndert die Seele als ein edles Perlen-Waſſer/ Er machet auß
einer traurigen eine froͤliche/ auß einer todten eine lebendige Seele. Er
als ein Paracletus/ ſpricht ein Hertz zu/ vertritt alle Stuck eines Advo-
caten, Er machet den Blinden wiederum ſehend/ durch Liecht und Rath/
den Kleinglaubigen muthig/ den Stummen macht Er redend/ legt ihm
die Wort in den Mund/ und vertritt ihn mit unaußſprechlichen Seuff-
zen/ das iſt das edle Rooß- und Perlen-Waſſer das wieder erquicket/
von kraͤfftigen und durchdringenden ſpiritibus und Tugenden.
Was wuͤrcket aber und thut unſer lieber Hirt dazu: Er fuͤhret/ Er
zwingt nicht gewaltiger weiß wie der Metzger das Schaaf zur Schlacht-
banck/ ſondern er fuͤhret mit Menſchen-Seilen/ ſuaviter ſuͤß und lieblich/
und zwar auff unterſchiedliche weiße. 1. Sitim excitando, ducendo in ere-
mum, Er fuͤhret das Schaf in die Hitze zur ſchwitze/ daß es duͤrſten muß/
und hernach das Waſſer deſto beſſer ſchmeckt. Die Hagar fuͤhret er in
die Wuͤſten/ da kein Waſſer geweßt/ da die Flaͤſch außgangen/ dann
ſchreyei Jſmael Gen. 21. die Kinder Jſrael fuͤhret er in die Wuͤſten/ hinc
clamor \& querela, klagen und zagen. Exod. XVII, 3.Warum haſt
du uns laſſen auß Egypten ziehen/ daß du uns unſere Kinder/
und Viehe Durſt ſterben laͤſſeſt? Alſo pflegt Er auch mit ſeinen
Außerwehlten zu procediren/ Er jagt ihnen einen Angſt ein durch Moſen
und ſein Fluch-Geſetz/ das Hertz ſagt ihnen/ ſolch Geſell bin ich/ ich kans
nicht laͤugnen/ wie ein Kriegs-Heer tretten mir meine Suͤnden fuͤr Au-
gen/ der Satan macht die concluſion, Strick zu/ blaͤſet die Hoͤllen-
Funcken dermaſſen auff/ daß das Hertz daruͤber zerſchmeltzen moͤchte/
und ob einer ſchon meynet/ er ſey untadelich/ ſo ſtellet er ihm den Satan
zur Rechten/ der muß ihn mit Faͤuſten ſchlagen/ geißlen/ calumniren/ er
erwecket einen Saul/ der muß ihn quaͤlen/ verfolgen mit falſchem Arg-
wohn/ mit Mißgunſt/ Mißdeuten/ Mißtrauen/ der bringet acetum pro
potu, ja Gott der ſchlaͤgt ſich ſelbſt auff dieſe Seiten dem Schein nach/
laͤßt keinen Gnaden-Blick herfuͤr leuchten/ ſondern wird verwandelt in
einen Grauſamen: Pſ. XXXI, 23.Jch ſprach in meinem Zagen/ ich
bin von deinen Augen verſtoſſen. Wo iſt nun dein Gott? Das
macht duͤrſten/ lechzen/ ſeuffzen und ſchreyen/ wie der Hirſch/ da werden
Davids Pſalmen ſuͤß und lieb/ Davidica non inteiligit, Davidica
Neunter Theil. Rqui
[130]Die Zehende
qui non expertus. Da kom̃t alsdann der treue Hirt/ zeucht die Seele
zum Waſſer magnetico tractu und ſagt Matth. 11. Kom̃t her zu mir alle/
die ihr muͤhſelig und beladen ſeyd/ ich wil euch erquicken.
II. Lapidem devolvendo. Solte Jacob die Schaafe ſeiner lieb-
ſten Rahel traͤncken und zur Traͤncke fuͤhren/ ſo mußte er zuvor den
Stein von der Traͤnck-Rinnen weg waͤltzen Gen. 29. dieſer Stein iſt die
ſecuritas carnalis conſcientiæ cauteriatæ, die fleiſchliche Sicherheit ei-
nes brandmaligen Gewiſſens/ conſcientiæ induratæ, eines Stein- und
Felſen-harten Nabals-Hertzen/ dadurch der Hammer des Geſetzes nicht
kan penetriren/ es wird veracht/ man ſchlaͤgt die Melancholi auß dem
Sinn/ laͤßt den Pfaffen donnern und ſtrahlen/ es wird ſo boͤß nicht wer-
den/ wann er dreuet: Die ſolches thun/ werden das Reich Gottes nicht
erben/ ſondern fahren abwerts der Hoͤllen zu. So kom̃t die Paradiß-
Schlang und ſagt: non morieris, du wirſt mit nichten des Todes ſter-
ben. Wird dieſer Stein nicht weg geweltzt/ O weh/ O ewig weh. Das
thut nun Chriſtus durch das bittere Creutz. Solte David mortificirt/
zahm und geſchlacht werden/ ſo muß das blutige Raach-Schwerd und die
Peſt dazu helffen. Solte Manaſſe erkennen/ daß der Herr Gott iſt/
ſo muß der Kercker das beſte thun/ er muß gekruͤmmet werden in eiſern
Banden. Solte dem verlohrnen Sohn die ſecuritaͤt benommen wer-
den/ ſo muſte ihm der Hunger das halsſtarrige Gemuͤth und Felſenharte
Hertze brechen.
III. Monſtrando. Er zeigt den Schaafen das Waſſer und
Traͤnck-Rinnen/ da lauffen ſie ſelbſt zu/ quaſi magnetico tractu. Alſo
zeigte Er der Hagar den Brunn/ und oͤffnet ihr die Augen. So zeigt
auch der Hirt digito indice die Canaͤl und Waſſer-Roͤhr/ die anthlia
und Schoͤpff-Zeug/ das ſind nun λόγια Θεου̃, oracula Scripturæ. Der
H. Geiſt iſt ein unſichtbarer Geiſt/ Er erſcheinet nicht immediatè, wie Er
weyland extrà ordinem erſchienen/ in der Taubens-Geſtalt/ Wind und
Feur/ alſo nun in den dreyen Zeugen auff Erden/ dahin weißt Chriſtus/
ſcrutamini ſcripturas, forſchet in der Schrifft. Sie haben Moſen und
die Propheten/ laß ſie dieſelbigen hoͤren. Nicht allein aber die Roͤhren/
ſondern auch die Waſſer-Schoͤpffer/ das werthe Miniſterium, das Ampt
des Geiſtes/ welches Er ſelbſt eingeſetzet/ die ſeind gleichſam die Schen-
cken/ die Traͤncker/ ποτίζοντες. 1. Cor. 3. die Waſſer-Meiſter/ aquæ ducto-
res, die die Schrifft leiten/ diſpenſiren auch druͤber kaͤmpffen/ wie dort
die Knecht Jſaacs/ Gen. 26. Exod. 2. die Troſt-Engel/ die Credentzer
ſeind
[131]Predigt.
ſeind die beſten/ h. e. die es ſelbſt auch verſucht/ die nach dem Exempel
des Engels/ der Chriſtum geſtaͤrckt am Oelberg/ den Kelch darbieten/
und ſagen auß dem 75. Pſalmen/ der Herr habe einen Becher in der
Hand/ \&c. halten fuͤr die συμμορφείαν Chriſti Rom. 8. Gott habe ſeines
eigenen Sohns nicht verſchont/ die παράϛασιν, Synantilepſin Sp. S. die
Huͤlff und Beyſtand Gottes des Heiligen Geiſtes/ der hilfft unſerer
Schwachheit auff/ und vertritt uns mit unaußſprechlichen Seuffzen.
IV. Preces urgendo, wann du wuͤßteſt die Gabe GOttes/ und
wer der waͤre/ der zu dir ſagt/ gib mir zu trincken/ du baͤteſt ihn. Joh. 14.
Er hat diß Waſſer gegeben/ erworben/ gewonnen/ es iſt Jhm ſaur wor-
den/ aber Er wil darum gebetten ſeyn/ des Herrn Gebet gehet dahin/
Der Heilige Geiſt uns wohne bey/ Mit ſeinen Gaben mancherley/ ſo
wird alsdann das Waſſer flieſſen/ es wird der Zweck erreichet werden/
ſo werden wir mit Freuden Waſſer ſchoͤpffen auß dieſem Heyl-Brun-
nen. So wird ein glaubiges Schaaf David nachſprechen koͤnnen:
Zum friſchen Waſſer Er mich weißt/ Das mich erquicken thue.
Wol mir/ O wol mir/ O ewig wol. Wol dir Jſrael/ wer iſt dir
gleich. Deut. XXXIII, 29. Weh aber und ewig weh/ die einem andern
Geiſt nacheilen/ und die armen Schaafe verfuͤhren/ von denen Paulus
propheceyet/ 1. Tim. IV, 1.Der Geiſt aber ſagt deutlich/ daß in
den letſten Zeiten werden etliche von dem Glauben abtretten/
und anhangen den verfuͤhriſchen Geiſtern und Lehren der
Teuffel: Und St. Johannes 1. Joh. IV, 1.Jhr Lieben/ glaubet
nicht einem jeglichen Geiſte/ ſondern pruͤffet die Geiſter/ ob
ſie von GOtt ſind/ dann es ſeind viel falſche Propheten auß-
gegangen in die Welt. Daran ſolt ihr den Geiſt GOttes
erkennen. Ein jeglicher Geiſt/ der da bekennet/ daß JEſus
Chriſtus iſt in das Fleiſch kommen/ der iſt von GOtt/ und
ein jeglicher Geiſt/ der nicht bekennet/ daß JEſus Chriſtus
iſt in das Fleiſch kommen/ der iſt nicht von GOtt. Jſt leider
wahr/ es ſchwaͤrmet und fladdert voll Geiſter/ allenthalben voll Jrꝛ- und
Verfuͤhr-Geiſter/ der himmliſchen Propheten/ Enthuſiaſten und Phan-
taſten zugeſchweigen. Jn Babylon/ da iſt lacus, in quo non eſt aqua,
die lebendige Quelle haben ſie verlaſſen/ das Waſſer geraubt/ die Brun-
nen verſtopfft/ durch Verbietung der Bibel/ und alles auff die Mutter
GOttes geſpielt/ man rufft die Heiligen im Himmel an/ anders nicht
R 2als
[132]Die Zehende
als der reiche Schlemmer den Vater Abraham/ da er um ein Tropffen
Waſſer fuͤr ſeine gluͤende Zunge gebetten/ hie und da werden Ciſternen/
ſtinckende faule Regenwaſſer/ Froſchleuchen/ Miſtlachen von Legenden
und Lugenden/ von kraͤfftigen Jrꝛthum̃en gewieſen/ Waſſer/ aber nicht
menuchot, daß das Hertz und Gewiſſen kan beruhigen/ ſonderlich in
der Judas-Beicht/ da ſiehe du zu/ ob deine Reue ſo groß/ als die began-
gene Suͤnde geweſen/ ob deine Beicht perfect, ob du nichts verſchwie-
gen/ ob du ſatisfaction geleiſtet/ oder Gnugthuung in der proportion
ſo viel guͤltig/ als die gebuͤßte Suͤnde: Die Erquickung mangelt. Jm
Gegentheil wird das Hertz erſtickt und erſchreckt/ die converſio gehet ab-
werts dem Fegfeur zu/ und welches das aͤrgſte iſt/ ſo wird der Satan
fuͤr einen Lehrer auffgeworffen und zu einem Apoſtel gemacht mit ſeinen
Belials-Baͤchen/ wann er gefragt wird per obſeſſos von dem Rofen-
krantz/ Anruffung der Heiligen/ und dergleichen/ anders nicht/ als ob
kein Gott in Jſrael. Der Spiritus und Geiſt der Reformirten iſt
recht Wolcken ohne Waſſer/ die mit der Schrifft prangen/ troͤſten und
predigen/ ſchreiben Troſt-Buͤcher/ wann man es aber beym Liecht beſie-
het/ ſo iſt kein Nachdruck darhinder/ wann man auff den fontem ſelbſt
treibt/ ſo wird zwar abſoluta gratia pro fonte außgegeben/ was aber
fuͤr Waſſer darauß folge/ iſt anderswo angezeigt. vid. Hodom. Calv.
p. 247. e. g. Wendel. exerc. 70. p. 1152. \& 1154. Wer keinen
Glauben empfindet/ und noch dazu ihm gewiß einbildet er
ſeye verworffen/ ein ſolcher/ ſo lang er in ſolchem Stand iſt/
kan mit keinem Troſt voͤllig auffgerichtet und geſtillet wer-
den/ wer keines Glaubens bey ihm innen wird/ hat auch nie-
mals keinen an ihm geſpuͤrt/ der iſt auch weder ſeiner Gnaden-
wahl/ noch ſeiner Wiederzurechtbringung vergewiſſert.
Nun aber ſagt Jonas c. II, 5.Jch war von deinen Augen verſtoſ-
ſen. Und David Pſ. XXXI, 23.Jch ſprach in meinem Zagen/
ich bin von deinen Augen verſtoſſen. Daß ſie aber auß GOttes
Wort keinen ſatten Troſt haben koͤnnen/ das ſey ferne! Da meine
Seele bey mir verzagte/ gedachte ich an den HErꝛn/ und
mein Gebet kam zu dir in deinen heiligen Tempel.Jon. c. II. 8.
Darum hat die Stadt GOttes Waſſers die Fuͤlle/ wir wiſſen das Gott
niemand wil verlohren haben/ ohne die Widerſpenſtigen/ die ſich Jhm
widerſetzen/ darum ob ich ſchon in der Lipothymia und Geiſtlichen Ohn-
macht
[133]Predigt.
macht keinen Glauben fuͤhle und empfinde/ ſo widerſtreb ich doch nicht
der Goͤttlichen Gnad/ und bin demnach in GOttes Huld. Der ſpiri-
tus mundi iſt auch ein arger Gaſt/ der fuͤhret eben die principia, dadurch
Chriſtus fuͤr einen Auffruͤhrer/ und ſeine Apoſtel fuͤr Verwirrer gehal-
ten und geſtaͤupet werden: pax ſeculi ſuprema lex eſto! Die ratio ſta-
tus muß erhalten werden/ da muß GOttes Geiſt weichen: wollen die
guten und warhafften Geiſter uͤber dem Brunnen kaͤmpffen/ ſo ſind
Philiſter fuͤrhanden/ die wollen den Geiſt daͤmpffen/ dem Fluß der con-
ſequentzen catarractas entgegen ſetzen/ und Thaͤmme ſchlagen/ das thut
der ſubtile Welt-Geiſt/ von dem ſagt der HerrJoh. XIV, 17.Die
Welt kan den Geiſt der Warheit nicht empfangen/ dann ſie
kennet Jhn nicht. Wer nun den H. Geiſt nicht kennet/ wie kan der
zu Chriſto kommen/ wer aber nicht zu Chriſto kommet/ der iſt verlohren/
es iſt kein anderer Nahm/ darinnen wir koͤnnen ſelig werden/ ohne der
Nahme JEſus. Der grobe Welt-Geiſt reitet noch groͤber herein/ und
iſt nicht zu erſaͤttigen mit Geld und Welt/ der rufft: Wein her/ bevor-
ab in dieſem Jahr/ da die milde Hand GOttes ſich uͤberfluͤſſig erzeigt/
und auß Waſſer Wein gemacht/ da heißts/ hie gibts viel zu ſauffen.
Syr. XXXI, 13. aber es ſitzt einer in der Hoͤlle/ der rufft ſeiner Com-
pagnie zu und ſagt: Sitio! Sie haben Moſen und die Propheten/ den
Apoſtel dazu. Eph. V, 18.Sauffet euch nicht voll Weins/ dar-
auß ein unordig Weſen folget/ ſondern werdet voll Geiſtes.
Gott gebe wehthuende/ ſchmertzliche Creutze/ daß die Seelen der Welt-
Leute erhalten werden. Dem Vater aller Barmhertzigkeit ſeye Danck/
daß/ wie Er uns durch Lutherum den Heil-Brunnen wieder auffgegra-
ben/ alſo noch unter uns ſtehet GOttes Bruͤnnlein! das hat noch
Waſſers die Fuͤlle/ lieblich und loͤblich iſt die Stadt GOttes mit ihren
Bruͤnnlein. Pſ. 16. Da durch und durch in allen Gaſſen per aquæ du-
ctus rein und lauter Quell-Waſſer durchfließt. Eine ſolche Stadt iſt un-
ſere Stadt/ es fließt in die Haͤußer hinein/ der Heil-Brunnen iſt offen.
Zach. XIII, 1. und nicht beſchloſſen. Chriſtus ſtehet noch und rufft Joh. 7.
wen duͤrſtet/ der komme/ dann wir trincken/ ohne Durſt/ wir aber duͤr-
ſten ohne Hatz und Creutz. Darum wer Creutz hat/ der iſt der werthe
Gaſt/ ſonderlich in den hohen uͤbermenſchlichen Anfechtungen/ wann
man von allen Creaturen verlaſſen iſt/ wann die Baͤche Belial erſchre-
cken/ wann David von Saul verfolget wird auß Mißgunſt/ Mißtrauen/
Mißdeuten ſeiner Wort und Actionen, wann gute intentionen mit
Eſſig-Tranck werden vergolten/ wann Gott ſich ſelbſten verſtellt in ei-
R iijnen
[134]Die Zehende Predigt.
nen Grauſamen/ ſo komm ich zu dir/ HErꝛ JEſu Chriſt/ du hoͤchſtes
Gut/ du Brunnquell aller Gnaden/ du wirſt mich nicht verſtoſſen/ du
wirſt mich leiten zu dem lebendigen Waſſer-Brunnen/ und abwiſchen
alle Thraͤnen von meinen Augen. So laßt uns nun Waſſer ſchoͤpffen
mit Freuden auß dieſem Heyl-Brunnen. Eſa. 12. laßt uns durſten/
trincken/ auff daß wir weder hungern noch duͤrſten/ uns kein Hitze noch
Sonne ſteche/ und uns unſer Erbarmer wird fuͤhren und an die Waſſer-
Quellen leiten. Eſa. XLIX, 10. Und endlich Troſt finden in Abrahams
Schooß/ da alle Creutz-Bruͤder Chriſti ſollen nicht mehr Troſt-durſtig
ſondern Troſt-truncken/ und Troſt voll werden/ nicht Tropffen-ſondern
Stroms-weiſe/ dort da ſeyn wird
Ende der Eingangs-Predigten.
Catechiſmus
[135]
Catechiſmus-Milch/
Oder
Der Erklaͤrung des Chriſtlichen
Catechiſmi
Neunter Theil/
Begreiffend das Fuͤnffte Hauptſtuck Chriſtlicher
Lehr/ die Wort vom Sacrament des Heiligen
Abendmals
TEXTVS
Wie dieſelbe von Matthæo XXVI, 26. Marco XIV, 22.
Luca XXII, 19. und St. Paulo 1. Corinth. XI, 23.
beſchrieben werden.
JN der Nacht/ da der HErꝛ JEſus verrathen
ward/ in dem ſie aſſen/ nam Er das Brod/
dancket und brach es/ und gabe es den Juͤngern/
und ſprach: Nehmet eſſet/ das iſt mein Leib/ der
fuͤr euch hin gegeben wird/ ſolches thut zu meiner
Gedaͤchtnuͤß. Deſſelben gleichen name Er auch
den Kelch nach dem Abendmal/ dancket und gab
ihnen den/ und ſprach: Trincket alle darauß/ dieſer
Kelch
[136]Die Erſte
Kelch iſt das Neue Teſtament in meinem Blut/
welches fuͤr euch/ und fuͤr viel vergoſſen wird/ zu
Vergebung der Suͤnden/ ſolches thut/ ſo offt ihrs
trincket/ zu meiner Gedaͤchtnuͤß.
Die Erſte Predigt/
Von
Den Nahmen des H. Abendmals.
GEliebte in Chriſto. Als auff eine ZeitDemoſthe-
nes, der beruͤhmte Griechiſche Redner zu Athen/ vor Rath/
eine arme Perſon/ ſo auff Leib und Leben angeklagt ge-
weßt/ vertretten/ deren Unſchuld mit vielen Worten ver-
thaͤdigt/ und ſich aͤuſſerſt bemuͤhet/ dieſelbe zu erretten/ und
aber den Rathsherren die Zeit wolte zu lang werden/ an-
fiengen theils zu ſchlummern/ theils die Koͤpff zuſammen zu heben/ und
von andern Sachen Sprach zu halten. Siehe/ ſo bricht einsmals er
der Demoſthenes den Faden ſeiner Sermon ab/ faͤngt an/ erzehlt eine
Fabel de aſini umbrâ, von einem Juͤngling/ der einen Eſel gemiedet/
von Athen nacher Megaram, etwan auff den Marck zu fuͤhren/ unter-
wegs aber als die Hitz zimlich groß worden/ und nicht geſehen wie er ſich
irgend in einem ſchattichten Ort der Hitze wehren moͤchte/ habe er dem
Eſel die Laſt abgenommen/ und ſich in des Eſels Schatten geſetzt. Die-
ſes aber wolte der Eſel-Treiber nicht laſſen/ trieb jenen davon/ und ſprach:
Er habe ihm den Eſel allein geliehen/ und nicht des Eſels Schatten:
Jener aber beſtunde dabey/ er habe ihm ſo wol des Eſels Schatten als
den Eſel gemiedet/ welcher Streit ſo lang gewaͤhret/ biß ſie von Worten
zu Streichen kommen/ alldieweil dieſer allezeit laͤugnete/ daß er ihm des
Eſels Schatten gemiedet/ jener aber gleicher geſtalt darum zanckete/
er habe ihm des Eſels Schatten gemiedet. Endlich ſeyen ſie beyde fuͤr
den Richter kommen. vid. Eraſm. Adag. p. 117. Nachdem ers er-
zehlt/ gehet er von ſeinem Ort weg/ die Rathsherren bemuͤhen ſich ihn
auffzuhalten/ mit Bitt/ er wolte doch die ſchoͤne Maͤhr abſolviren/
die ſie mit ſonderm Luſt angehoͤret/ darauff gibt er ihnen dieſen Verweiß/
und
[137]Predigt.
und ſpricht: De aſini umbrâ libet audire, viri cauſam de vita periclitan-
tis audire gravamini. von des Eſels Schatten geluſtet euch zu hoͤren;
aber des auff den Tod beklagten Menſchen Sach beſchweret ihr euch mir
Gehoͤr zu geben. Dannenhero iſt bey den Griechen das Sprichwort ent-
ſtanden ὑπὲρ ὄνου σκιᾶς. Jſt ein ſolches Sprichwort/ welches uns Chri-
ſten manchmalen zur ſchand muß nachgeſaget werden! Wir haben vor
GOtt zu vertretten unſere arme Seele/ ſo auff den ewigen Tod angeklagt/
ſtehen in der augenblicklichen Gefahr der Execution und Vollziehung
des Urtheils. Nicht Demoſthenes, ſondern der H. Geiſt in ſeinem
Wort zeiget uns Mittel und Weg/ wie wir moͤchten ſolcher Gefahr ent-
gehen/ erſcheinet nicht vor Rath/ ſondern vor einer jeden armen Seel/
und ſagt: σώθητε, laſſet euch helffen. Act. II, 40. καταλλάγητε, laſſet euch
verſoͤhnen mit GOtt. 2. Cor. V, 20. Wachet/ und bettet. Aber was
geſchicht/ er bekommt repulſam, man kehret ihm den Ruͤcken/ einer laßt
ſich vom Schlaff uͤbernehmen/ bleibet wohl gar auß/ auß Forcht des
Schlaffs/ andere haben ihre Gedancken anderswo/ den dritten verdrießt
die laͤnge der Predigt/ anders als Conſtantinus Magnus der loͤbliche
Kaͤyſer/ welcher als er einer Predigt/ vom Tod und Begraͤbnuͤs Chriſti
in ſeinem Schloß zugehoͤret/ und ſich dieſelbe lang verzogen/ alſo daß ihn
die Prediger niederzuſitzen ermahnet/ dieſe Wort von ſich vernehmen
laſſen: Nefas eſſe, inſtitutis de Deo diſputationibus, negligentes au-
res præbere. Es gezieme ſich nicht/ wann man von GOtt und ſeinen
Geheimnuͤſſen redet/ mit ſchlaͤfferigen Ohren zuzuhoͤren/ wie Euſebius
von ihm bezeuget. lib. 4. c. 33. de vit. Conſt. Einem andern iſt zu wieder
die Deductio, wann man ein Stuck allzulang handelt/ haͤtte es gern in
zwo/ drey/ Predigten abſolvirt, dem vierdten iſt verdrießlich/ wann man
allezeit eines wiederholt/ wann man es gleich anders bereit. Grad als
muͤßte der Menſch heut kein Brod eſſen/ weil er geſtern gegeſſen. Jhrer
viel hoͤren nicht gern von Geheimnuͤſſen reden/ moralia ſind ihnen lieber.
Summa/ es heißt/ uns eckelt uͤber dieſer loſen Speiß. Num. XXI, 5. Man
iſts gewohnt und uͤberſchuͤtt/ daß man nicht hoch darnach fragt. Und
wo nicht (wie Lutherus redet. Tom. VI. Jen.) ein guter Koch und hun-
geriger Magen/ ein friſcher Trunck und durſtige Zung/ da iſt kein appe-
tit. Solte man aber im gegentheil/ wie im Pabſthum vor dieſem ge-
ſchehen/ Fabeln und Maͤhrlein erzehlen/ riſus paſchales und Oſtergelaͤch-
ter erwecken/ ſeltzame Gauckeleyen auff der Cantzel fuͤrbringen/ das moͤch-
te juckende Ohren machen. Wie dann juckende Ohren machen nicht
Neundter Theil. Sheißt
[138]Die Erſte
heißt/ gute und ſchrifftmaͤſſige realia, auff alle muͤgliche und leichte weiß/
als Menſchliche Gemuͤther koͤnnen gewonnen werden/ als durch aller-
hand ſchoͤne Exempel/ anmuthige Gleichnuͤſſen/ Figuren/ Parabeln/
und dergleichen auff die Bahn bringen/ ſondern juckende Ohren ſind
die jenigen/ welchen ab dem Goͤttlichen Wort/ als ab einer loſen Speiſe
eckelt/ gern etwas fremdes/ ſo in der Schrifft nicht gegruͤndet/ hoͤren/
lieber Weltliche Hiſtorien/ Jrꝛthum annehmen/ als die Geheimnuͤß
der Chriſtlichen Religion/ geſtalt dann die Erfahrung bezeuget/ wann
eine gruͤndliche Predigt vom Glauben gethan wird/ ſo faſſet man es
ſchwerlich/ laſſet es fuͤr Ohren ſchnurren/ und ſind lauter Boͤhmiſche
Doͤrffer/ ſo bald man aber Weltliche Hiſtorien und irgend ein Legend
anziehet/ ſo ſpitzet man die Ohren/ das behalt man leichtlich. Und wer
iſt/ der nicht lieber einer Comoͤdi/ einem Welilichen Geſpraͤch ohne Ver-
druß zuhoͤrt/ als Gottes Wott/ da doch jenes alles iſt ὑπὲρ ὄνου σκιᾶς.
Unſers alten Eſels des alten Adams Schatten-Werck.
Nun M. L. Wir nehmen auch fuͤr dißmal fuͤr uns zu handeln/
nicht ὑπὲρ ὄιου σκιᾶς, von des Eſels Schatten/ ſondern von einem My-
ſterio, von einem Geheimnuͤß/ und zwar gleichſam de ſancto ſancto-
rum von dem allerheiligſten unter allen heiligen/ dem H. Abendmal/ wel-
ches die alten ſo heimlich gehalten/ daß ſie die Catechumenos nicht laſſen
zuſehen. Damit nun E. L. in einem und zwar gleich im erſten Anblick
wiſſe/ was wir in dieſer Schul profitiren werden/ ſo wird daſſelbe gar
ſchoͤn in der ὀνοματολογίᾳ fuͤr Augen gelegt. Zugleicher weiß nun wie
ein Præceptor, ſein Programma oder Lection, ein Guldenſchreiber ſein
oculiferium, ein Autor ſeinen Titul vorher ſetzt/ tanquam promulſidem
diſcendi, damit der diſcipul oder Leſer einen Vorſchmack habe/ was er
zu lernen oder zu leſen werde antreffen: Alſo wollen wir/ nach dem heut
acht Tag das αἰτημα geſetzt worden/ dieweil das Fleiſch kein nuͤtz/ und
angezeigt/ welches in dieſer Schul der rechte Præceptor und diſcipulus,
nun die andere Lection fuͤr uns nehmen/ die da heißt τί ἐϛι nominis,
von der Benamſung des H. Abendmahls. GOtt der him̃liſche Vater
verleihe uns zu unſerm Vorhaben ſeines H. Geiſtes einleuchtende Krafft
und Segen von oben herab/ um JEſu Chriſti willen/ Amen.
GEliebte im HErꝛn. So ſeind demnach die jenige
Namen/ mit welchen das H. Abendmahl benamſet/ I. voces
Biblicæ ſolche Namen/ mit welchen daſſelbe von dem H. Geiſt
ſelbſt
[139]Predigt.
ſelbſt in H. Schrifft beleget worden/ deren der 1. iſt δει̃πνον Κυριακὸν,
des Herꝛn Abendmahl. 1. Cor. XI, 20.Wann ihr nun zuſammen
kommet/ ſo haͤlt man da nicht des HErꝛn Abendmahl. Und
v. 23. Jch habe es von dem HErꝛn empfangen/ das ich euch
gegeben habe. Wird genennet δει̃πνον, ein Abendmahl/ dieweil/ ob
es ſchon fruͤhe morgen gehalten wird/ dannoch geſchicht zu Ehren und
Gedaͤchtnuͤß dieſes herꝛlichen Abendmahls/ wird genennet δει̃πνον κυ-
ρια [...]ὸν, des HErꝛn Abendmahl/ dieweil es von Chriſto dem HErꝛn ein-
geſetzt; Chriſti des HErꝛn Leib und Blut daſelbſt gereicht/ Chriſto dem
HErꝛn zu Ehren verrichtet wird/ und zu dem HErꝛn/ als dem einigen
Zweck zielet und leitet. Jn welchem Verſtand auch der Sontag κυρια-
κὴ ἡμέρα des HErꝛn Tag genennet wird. Apoc. I, 10. weil er von ihm
geſtifftet/ und zu ſeinem Dienſt von ihm außgeſetzt und geordnet wor-
den. 2. Menſa Dominica. des HErꝛn Tiſch. 1. Cor. X, 22.Jhr
koͤnt nicht zugleich theilhafftig ſeyn des HErꝛn Tiſches/ und
der Teuffel Tiſche. Wird des HErꝛn Tiſch genannt/ weil er ent-
gegen geſetzt iſt der Teuffel Tiſche. Dazumal brauchten die Chriſten noch
keine Altar/ ſondern nur Tiſche/ wann ſie des HErꝛn Abendmahl gehal-
ten/ worauß aber gar nicht folget/ daß man die Altaͤr heutiges Tages
ſtuͤrmen und umwerffen muͤſſe/ dann ſonſt muͤßten die Kirchen gleicher-
weiß eingeriſſen und zuhauffen geworffen werden/ als welche eben ſo wol
als die Altaͤr mißbraucht worden/ und ſolte dieſe folge gelten/ warum
laͤſſet dann GOtt die Sonn am Himmel ſtehen/ und machte ſie nicht
vielmehr zu nicht/ als welche taͤglich zur Abgoͤtterey mißbraucht wird.
Die Gefaͤſſe/ ſo Koͤnig Belſazer auß dem Tempel zu Jeruſalem mit ſich
in ſeines Gottes Hauß genommen/ und entweihet/ ſeind wiederum/ nach
dem ſie Cores Koͤnig in Perſien herauß gethan/ GOtt zu ſeinem Dienſt
geweihet und geheiliget worden Eſter I, 7. ſeqq. 3. Teſtamentum 1. hæ-
reditatis eie Erb-Vermaͤchnuͤß. Luc. XXII, 20.Das iſt der Kelch/
das neue Teſtament in meinem Blut. Der Stiffter iſt Chriſtus/
die Erben ſind die Glaubigen/ die Legata ſeind Vergebung der Suͤnden/
und das ewige Leben. Die Zeugen die H. Apoſtel/ die ſichtbare Zeichen
ſind Brod und Wein/ die unſichtbare der Leib und das Blut Chriſti.
2. Teſtamentum pacti fœderalis, Ein Bunds-Vermachnuͤß/ dieweil
es durch den Tod und Blut Chriſti beſtaͤtiget worden.
Jm 2. Buch Moſ. XXIV, 1. leſen wir nachfolgende Geſchicht.
Es traten zuſammen auff den Berg Sinai der GOtt Jſrael/ und Moſe
S ijim
[140]Die Erſte
im Namen der gantzen Gemeine/ und machten einen Bund/ GOtt der
verſprach dem Volck Segen/ und das Land Canaan/ das Volck im ge-
gentheil verſpricht gehorſam: Alles was der HErꝛ ſaget/ wollen
wir thun und gehorchen. Das wird beydes bekraͤfftiget mit dem
Blut/ der Altar wird beſprengt auff ſeiten Gottes/ und die zwoͤlff Seulen
an ſtatt des Volcks/ darauff ſprach Moſe: Hinne dam haberith.Se-
het das iſt das Blut des Bundes/ den der HERR mit euch
macht. Alſo hat auch Chriſtus mit ſeinem Opffer-Blut ſo wol den ho-
hen Frohn-Altar des Creutzes als das Volck beſprenget/ Krafft deſſen ver-
bindet ſich GOtt mit uns/ macht Freundſchafft mit uns/ bietet uns an
das ewige Leben/ mit allen deſſen Schaͤtzen und Guͤtern.
II. Eccleſiaſticæ, Solche Namen die ihm von den alten und erſten
Lehrern der Kirchen gegeben worden. Unter welchen iſt I. Ἐυχαριϛία,
bona gratia. Panis percipiens vocationem Dei, jam non communis
panis eſt, ſed Euchariſtia, ex duabus rebus conſtans, terrena \& cœleſti,
Iren. l. 4. c. 34. Wann das Brod einen Goͤttlichen Beruff bekommt/
ſo iſt es nicht mehr gemein Brod/ ſondern eine Danckſagung/ ſo auß
zweyen Stucken beſtehet/ einem himmliſchen und irꝛdiſchen. Wird eine
Danckſagung genennet/ weil Chriſtus der HErꝛ ſeinem Himmliſchen
Vater gedancket hat. Matth. 26. Da ſie aber aſſen/ nahm JEſus das
Brod/ dancket und brachs/ 27. und Er nahm den Kelch und dancket/
weil S. Paulus die Danckſagung fuͤr den Tod Chriſti ſo hoch einge-
bunden. 1. Cor. XI, 26.So offt ihr von dieſem Brod eſſet/ und
von dieſem Kelch trincket/ ſolt ihr des HErꝛn Tod verkuͤndi-
gen/ biß daß er kommt.
2. Σύναξις, dieweil es in offentlicher Verſamlung gehalten wor-
den/ tanquam nervus publicorum congreſſuum \& unitatis fidelium
vinculum. Epiphan. hæreſ. 466. als das Band der offentlichen Zuſam-
menkunfften/ und Vereinigung der Glaubigen/ hergezogen auß den
Worten Pauli. 1. Cor. XI, 20.Wann ihr nun zuſammen kom̃t/
ſo haͤlt man da nicht des HErꝛn Abendmahl. Dann ſo man
das Abendmahl halten ſoll/ nimmt ein jeglicher ſein eigenes
vorhin.
3. Ἀγάπη, Ein Liebesmahl/ dann dieweil dazumahl nach Gewon-
heit des Alten Teſtaments die Leute Geſchencke haben mit gebracht/ Brod
und Wein/ wie auch gar freye Mahlzeiten gehalten den Armen zum be-
ſten/
[141]Predigt.
ſten/ derowegen ſie auch daher den Namen uͤberkommen und ἀγάπαι ge-
nennet worden/ darauff Judas gedeutet. Ep. v. 12. ου῟τοί εἰσιν ἐν ταῖς ἀγάπαις
ὑμῶν σπιλάδες, dieſe Unflåter praſſen von euern Allmoſen ohne
ſcheu/ weiden ſich ſelbſt. Und dahin gehoͤret auch der bekante Ort
bey dem Tertulliano adv. gentes. c. 39. ad Marc. Agape fratrum, re-
frigerium inopum, convivium in quo editur quantum eſurientes ca-
piunt, bibitur quantum pudicis eſt utile, \& ita ſaturantur, ut memi-
nerint etiam per noctem adorandum DEUM, das iſt: die Liebes-
Mahlzeit der Bruͤder/ ein Labſal der Armen und duͤrfftigen/
ein Mahlzeit/ darinnen man ſo vil iſſet/ daß man den Hunger
ſtillen kan/ ſo viel trinckt/ als ſchamhafftigen Leuten nutzlich/
und ſich alſo ſaͤttiget/ daß man ſich zugleich erinnert/ daß man
auch die Nacht uͤber GOtt mit Gebet erſuchen ſolle. Jſt
aber zeitlich der luxus dazukommen/ und in ein Mißbrauch gerathen/
darum auch Paulus uͤbel mit zu frieden. 1. Cor. IX, 20. und endlich in
Concilio Laodiceno can. 28. verbotten.
4. Θυσ [...]α Sacrificium, ein Opffer/ nicht in dem Verſtand als haͤt-
ten ſie ein Opffer darauß gemacht/ eigentlich zureden/ viel weniger Sacri-
ficium propitiatorium ein Verſoͤhn-Opffer/ ſondern theils wegen der
Darſtellung und Erinnerung des jenigen Allerheiligſten/ einmal am
Creutz verrichteten blutigen Verſoͤhn-Opffers/ da Chriſtus ſeinen Leib auf-
geopffert/ fuͤr uns zur Gabe und Opffer GOtt zu einem ſuͤſſen Geruch.
‘Egregius ad hanc rem eſt locus Auguſtini in epiſt. 23. ad Bonifac.
Sæpè ita loquimur, ut paſcha propinquante dicamus, craſtinam vel pe-
rendinam eſſe Domini pasſionem, cum ille ante tàm multos annos paſſus
ſit, nec omninò niſi ſemel illa pasſio facta ſit, Nempe ipſo Dominico die
dicimus, hodie Dominus reſur rexit, cum ex quo reſurrexit, tot anni tran-
ſierunt, (Sic) nonnè ſemel immolatus eſt Chriſtus in ſeipſo, \& tamen in
Sacramento non ſolùm per omnes paſchæ ſolennitates, ſed omni die popu-
lis immolatur. Ob repræſentationem \& commemorationem
ſacrificii Chriſti pro nobis iterum in hoc myſterio moritur, ejus
quippe ibi corpus ſumitur. Gregor. Magn. Dial. 48.’ ()
Theils wegen der Gebets Opffer/ da man inſonderheit Gott den Vater
angeruffen/ daß er um des Verdienſts Chriſti willen wolle gnaͤdig ſeyn/
und um des Leibs und Bluts (welches beſſer ſchreyet/ dann das Blut
Abels. Hebr. XII, 24.) ſeines lieben Sohns/ in dieſem Sacrament ge-
S iijgen-
[142]Die Erſte
genwaͤrtig erhoͤren wolle/ und daß Chriſtus in dem Himmel ſich und
ſeinen Tod darſtelle/ nach dem was Paulus ſagt. Hebr. IX, 24.Chri-
ſtus iſt nicht eingangen in das Heilige/ ſo mit Haͤnden gemacht
iſt/ ſondern in den Himmel ſelbſt/ nun zu erſcheinen fuͤr dem
Angeſicht Gottes fuͤr uns. Und Rom. IIX, 34.Wer will die
Außer wehlten Gottes beſchuldigen/ Chriſtus iſt hie der ge-
ſtorben iſt/ \&c. Darum ſie dazumal bey Erhebung der Hoſtien gebet-
ten/ was wir heut zu Tag ſingen. Ach zeig mich deinem Vater
an/ daß du fuͤr mich haſt genug gethan. Dient wieder die Paͤbſt-
ler und ihre vermeinte Antiquitaͤt/ welche vermeint und andere Leute deſ-
ſen beredet/ weil die Patres das H. Abendmahl ein Sacrificium genennet/
ſo haben ſie dadurch die Meß verſtanden/ viel tauſend ſeind durch dieſer
Lehr Unwiſſenheit betrogen und hinder das Liecht gefuͤhret worden.
5. Myſterium ein Geheimnuͤß/ welcher Nam ſeinem Urſprung
nach auß dem Heydenthum herkommt/ dann zugleicher weiß wie Pau-
lus der H. Apoſtel von dem Altar zu Athen/ dem unbekanten Gott zu
ehren auffgerichtet/ Gelegenheit genommen/ den wahren GOTT zu ver-
kuͤndigen: Alſo auch die Vaͤter der erſten Mutter-Kirchen/ auff daß ſie
bey den Heyden den Wahn von einer neuen Lehr von ſich ablehnten/ ha-
ben ſie die Geheimnuͤs Chriſtlicher Religion nicht nur mit Heydniſchen
Namen pflegen zubenennen/ ſondern auch die jenige Gebraͤuch/ ſo ſie bey
ihrem Heydniſchen Gottesdienſt in uͤbung gehabt/ in die Chriſtliche
Kirch eingefuͤhrt. Dann gleich wie die Heyden ihre fuͤnffjaͤhrige gewiſ-
ſe Zeit obſervirt, darinn ſie ihre initiandos durch gewiſſe intervalla unter-
richt/ ehe ſie dieſelbe zur voͤlligen Erkaͤntnuͤß ihrer Geheimnuͤſſe gelaſſen.
Nach welcher Zeit Verflieſſung ſie allererſt Epoptæ ſeind genennet wor-
den. Alſo haben auch die Vaͤter der Kirchen dazumal die Chriſten nicht
ohne Unterſcheid zum Sacrament des Abendmahls gelaſſen/ wann ſie
nicht zuvor ihre Proben/ ſo wol was die Erkantnuͤß der Chriſtlichen
Lehr/ als auch die Erweiſſung des Chriſtenthums in dem Leben/ betrifft/
außgeſtanden. Es hatten die Heyden ihre Vorbereitungen ſo beſtan-
den in Bekantnuͤß der Suͤnden/ dann es erzehlet Plutarchus in Apoph-
tegm. als einer mit Namen Antalicdas ſolte initiirt werden/ ſeye er von
dem myſtagogo gefragt worden/ welcher ſchweren Suͤnden er ihme be-
wußt ſeye/ Keuſchheit/ Maͤſſigkeit/ ſie hatten ihre σκληραγωγίας, humicu-
bationes, aͤuſſerliche Reinigungen/ die in offentlichen Laſtern erſoffen/ und
groſſe Aergernuͤß gegeben/ haben ſie darvon gar außgeſchloſſen/ und gleich-
ſam
[143]Predigt.
ſam excommunicirt, bekant iſt die alte Bannformul: ἑκὰς, ἑκὰς, ὄς
τις ἀλιτρὸς, procul hinc, procul ite profani, daher Nero Auguſtus der
Roͤmiſche Kaͤyſer/ nach dem er ſeine Mutter erwuͤrget/ zu den ſacris Eleu-
ſiniis nicht mehr gelaſſen worden/ wie Suetonius berichtet c. 34. Glei-
cher geſtalt hatten die Chriſten vor empfahung des Abendmahls ihre
Buß-Ubungen/ inſonderheit die jenige/ ſo einen ſchweren und offentlichen
Suͤndenfall begangen/ mußten ſich gar ſcharffer Kirchen diſciplin unter-
werffen/ ehe ſie zum H. Sacrament gelaſſen worden.
‘Dicebamus (ita Caſaub Exerc. 16. ad Annal. Baron. p. m. 487.) in
admittendo initiandos quinque hos gradus fuiſſe obſervatos,
purgationem communem, purgationem interiorem, σύϛασιν,
initiationem \& Epoptiam: ſimillimè vetus Eccleſia in admitten-
dis lapſis ad ſacram communionem quinque gradus ſervavit, ſi-
ve ut loquuntur Scriptores Eccleſiaſtici, τέσσαρας τόπους ἐπιτιμίων
ἀνύεσϑαι, quatuor loca pœnæ obiri præcepit, antequam perveni-
rent ad ipſam communionem. Primus locus eſt, quem vocarunt
πρόκλαυσιν, in ipſo primò aditu Eccleſiæ ſeparati, non ſolùm à fi-
delibus, ſed etiam à Catechumenis aliquot annos (tres, ut pluri-
mum) manebant, pœnitentes in ſqualore \& pædore omnibus fide-
libus legationes deprecationis injungentes, ut loquitur Tertullianus in
libro de pœnitentia. Proximus gradus ſive locus dicebatur
ἀκρόασις, ibi ut plurimùm ἄλλην τριετίαν εἰς ἀκρόασιν μόνον ad alios
tres annos admittebantur pœnitentes tantùm ut audirent ver-
bum Domini, quando in Eccleſia legebatur. Tertius gradus ſive
locus dicebatur ὑπόπτωσις, ea fuit quædam interior admiſſio, ubi
tres alios annos ſtabant pœnitentes, precũ Eccleſiæ participes ut
\& Catechumeni, quibus exeuntibus ipſi quoque exibant, \& hic
tertius locus ſic appellatur, q. d. humiliatio: ut vel ſola appella-
tio ſui officii pœnitentes admoneret. Reſtant duo nomina σύϛα-
σις \& μέθεξις quarti \& quinti gradus ſive loci. σύϛασις igitur è my-
ſteriis gentium vox accepta appellabatur ſtatio inter fideles: ibi
pœnitentes duos perſæpè annos agebant; quod ad cætera, ejus-
dem conditionis cum fidelibus, neque jam cum catechumenis
exibant, ſolâ participatione myſteriorum cæteris fratribus infe-
riores, μἐθεξις verò dicebatur jus communicandi, \& ut loquitur
Baſilius aliquoties in deſcriptione harum pœnarum, ἡ κοινωνία
του̃ ἀγαθου̃. Communicatio ipſius boni, nam bonum eſt ipſa Euchariſtia.’ ()
Und
[144]Die Erſte
Und wie die Heyden ihre myſteria gar geheim gehalten/ und nicht
jederman dieſelbe communicirt, alſo haben auch die H. Kirchen-Vaͤter
die Chriſtliche Lehr abgetheilet in τὰ ἔκφορα, die ſie vor allen und jeden
doͤrfften außſagen/ und τὰ ἀπόῤῥητα, die ſie in geheim gehalten/ davon
ſie weder in gemeinen Geſpraͤchen/ noch offentlichen Unterricht in bey ſein
der Heyden/ und anderer/ ſo nicht zum Gottesdienſt eingeladen worden/
etwas ſich laſſen vernehmen. Und dannenhero haben die Patres die
H. Sacramenta genennet/ μυήσεις, τελετὰς, τελειώσεις, ἐποπτείας, und
dergleichen mehr.
Nun dieſer Catalogus oder ὀνομαϑεσία ſoll uns auffmuntern ad
deſiderium. Ein Præceptor der ein Schul anfangen will/ derſelbe
reitzt ſeine diſcipul mit dem programmate das er anſchlaͤgt/ darinnen er
namhafft macht/ was er dociren will: Alſo hat der H. Geiſt uns nicht
um ſonſt mit ſo viel Gleichnuͤſſen und Namen dieſe Lehr wollen inſinui-
ren und andeuten/ ſondern ad excitandum deſiderium ein Verlangen
und Begierd zuerwecken/ daher das H. Abendmahl deſiderata genennet
worden/ dieweil die Catachumeni ein Verlangen hatten nach dem παρα-
κύψαι, nach der voͤlligen Erkandtnuͤß und ſchau in dieſes Geheimnuͤß.
Catechumenis ſacramenta fidelium non produntur, non ideò quod
ea ferre non poſſint, ſed ut ab iis tantò ardentius concupiſcantur,
quantò honorabilius occultantur. Auguſt Tract. in Johann. 96. Und
waͤre wol zu wuͤnſchen daß die Leute die ſublimitatem myſterii die Hoheit
dieſes Geheimnuͤß recht betrachteten und vor recht lerneten/ was es ſey/
als daß ſie es genieſſeten/ die Verachtung wuͤrde nicht ſo groß ſeyn. Es
wuͤrde mancher nicht ſo leichtlich auß Gewohnheit/ wie ein Schwein zum
Trog hinlauffen. Jſt nun das Verlangen recht/ ſo iſt auch eine bruͤnſtige
Begierde recht zulernen/ welches dann hie die jenige Tugend/ damit ein
jeglicher Sacrament-Schuͤler begabt ſein ſolle/ Faulheit iſt das ſchaͤdli-
che und ſchaͤndliche extremum, das ſie fliehen ſollen/ und denen gilt der
Verweiß Pauli/ Hebr. V, 11.Davon haͤtten wir zwar viel zu re-
den/ aber es iſt ſchwer/ weil ihr ſo unverſtaͤndig ſeyd/ und die
ihr ſoltet laͤngſt Meiſter ſeyn/ bedoͤrfft ihr wiederum daß man
euch die erſten Buchſtaben der Goͤttlichen Wort lehre/ und
daß man euch Milch gebe und nicht ſtarcke Speiſe. Welcher
Faulheit aber auffzuhelffen/ im Gegentheil die Lernbegierde zu ſufflami-
niren ihnen die arcaniſten und ſimpliciſten muͤglichſt laſſen angelegen
ſeyn/ und ſchuͤtzen vor. 1. Myſterii elevationem.
In ſa-
[145]Predigt.
In ſacris myſteriis multa ſunt, quæ ſecreta eſſe debent. Bellarm.
T. 2. de V. D. c. 15.
Es moͤchte allzugemein werden/ dadurch dieſes Geheimnuͤß in ein ſchlech-
tes anſehen kaͤme. Dem entgegen gehet der Wunſch des groſſen Manns
Gottes Moſe. Num. XI, 29.Wolte GOtt! daß alles Volck des
HErꝛn weiſſagte. Und demnach auch/ wolte GOtt! daß alles Volck
ohne unterſcheid jung und alt/ Burger und Bauren/ Mann und Weib
Gottes Wort und die Geheimnuſſe der Chriſtlichen Religion nicht nur
hoͤrten/ ſondern auch faßten/ eigentlich/ ſattſam und gruͤndlich verſtuͤnden/
und wieder alle Jrꝛthum/ auch mancherley Liſte des Teuffels behaupte-
ten/ und alſo auff ſattem Fuß des Glaubens ſtuͤnden. Maſſen das
Wort weiſſagen auch ſo viel heißt/ als die Schrifft außlegen/ verſtehen/
appliciren/ Troſt/ Heil/ Leben/ Warnung darauß ſchoͤpffen.
2. Τὸ Quomodo eſſe ἕλεγχον ἀπιϛίαο, das/ Wie? in Glaubens-
Sachen zeuget von dem Unglauben des Hertzens. Die Quomodomi-
ſten ſeyen Nicodemiſten. Das Quomodo ſeye verdamlich. O nein!
Nicht iſt erſtlich alles quomodo verdamlich/ ſonſt muͤßte auch die hoch-
gebenedeyte unter den Weibern die Jungfrau Maria eine verdamliche
Frage dem Engel Gabriel fuͤrgelegt haben/ da ſie gefragt: Wie kan das
zugehen? das quomodo iſt zweyerley/ ein Lehrbegieriges und ein fuͤrwitzi-
ges. Gleich wie gruͤblen wollen in Sachen/ davon in Gottes Wort keine
Offenbarung fuͤrhanden/ dabey weder Safft noch Krafft/ weder warm
noch kalt/ weder Troſt noch Erbauung zuerholen/ ſuͤndlich und uͤbel ge-
than heiſſet; Alſo iſt im gegentheil recht und wol gethan fragen/ quomo-
do? in Sachen/ ſo in der Fundgrube der H. Schrifft zuforſchen uns fuͤrge-
legt/ darauß Troſt und Erbauung zu erwarten/ dardurch der Jrꝛ-Geiſt/
dergern im finſtern mauſet und im truͤben fiſchet ans Licht gebracht/
Warheit und Lugen/ Nacht und Tag unterſcheiden werden mag und ſoll.
3. Die hochgeruͤhmte und gelobte ſimplicitaͤt und Einfaͤltigkeit des Glau-
bens/ die nicht viel gruͤblen und ſpindiſiren zulaͤſſet. Antwort/ wann
ſimplicitas iſt die Tauben-Einfalt/ die herꝛliche Kron des Glaubens/ ſo
da funckelt vom hellen ſchein der leuchtenden Erkantnuͤß und kindlichem
Beyfall/ der erkanten/ lautern/ ungemiſchten/ von kraͤfftigen Lugen und
Grund-Jrꝛthummen abgeſonderten Warheit/ hertzlichem Vertrauen auff
die Verheiſſung/ ſo in der beliebten Warheit angenommen worden/ ohne
tuͤck und boͤſen Vorſatz. Gen. XX, 5. 2. Sam. XV, 11. ohne Neid und
Mißgunſt. Act. II, 47. ohne Ehr und Gewinnſucht. Rom. XII, 8.
Neundter Theil. T2. Cor.
[146]Die Erſte
2. Cor. VIII, 27. c. IX, 11. Jac. I, 5. ohne falſch und untreu. Col. III, 22.
(maſſen die Einfalt von dem H. Geiſt in den Prophetiſchen und Apoſto-
liſchen Schrifften alſo abgemahlet worden) ſo iſt ſie freylich hochzuloben/
und der Chriſten eigene Tugend/ welche Paulis meynet/ 2. Cor. XI, 3.
Jch foͤrchte/ daß nicht/ wie die Schlange Heva verfuͤhret mit ihrer
Schalckheit/ alſo auch euere Sinne verruckt werden von der Einfaͤltig-
keit in Chriſto/ als welche ein heller Strahl von dem Vater des Liechts/
und einfaͤltigem GOtt im Weſen/ im Willen/ im Geben. Wann aber
Einfalt iſt eine Eſels Einfalt/ ſo auff bloſſe Unwiſſenheit ſich endet/ und
nichts anders iſt als fides implicita, ſo iſt dieſelbe hochſchaͤdlich/ maſſen
ſolche Paulus ſchon laͤngſten auß der Kirchen außgemuſtert. 1. Cor.
XIV, 20. und Eph. IV, 14.Werdet nicht Kinder am Verſtaͤnd-
nuͤß/ ſondern an der Boßheit ſeyd Kinder/ an dem Verſtaͤnd-
nuͤß aber ſeyd vollkommen. Auff daß wir nicht mehr Kinder
ſeyen und uns waͤgen und wiegen laſſen von allerley Wind der
Lehre/ durch Schalckheit der Menſchen und Teuſcherey/ da-
mit ſie uns erſchleichen zu verfuͤhren. Wie nun GOtt ſolche
muthwillige/ kindiſche Unwiſſenheit mit ewiger Finſternuͤß dreuet zu
ſtraffen/ alſo will er im gegentheil die heilige und ſehnliche Lehr-Begierde
auß Gnaden belohnen/ hie mit Wachsthum ſeiner Gnade und Erkant-
nuͤß/ nach ſeiner Verheiſſung. Marc. IV, 25.Wer da hat/ dem wird
gegeben werden/ und wer nicht hat/ von dem wird man neh-
men auch das er hat. Wann Chriſtus Parablen erklaͤrt/ gefiel es
ihm wol/ wann die Zuhoͤrer die Außlegung gern hoͤrten. Darum redet
er auch ſeine fleiſſige und lehrbegierige Schuͤler an mit denen Worten.
Matth. XIII, 11.Euch iſt gegeben/ daß ihr das Geheimnuͤß des
Himmelreichs vernehmet/ dieſen aber iſts nicht gegeben/ denn
wer da hat/ dem wird gegeben/ daß er die fuͤlle habe/ wer aber
nicht hat/ von dem wird auch genommen/ das er hat. Darum
rede ich zu ihnen durch Gleichnuͤſſe. Dann mit ſehenden Au-
gen ſehen ſie nicht/ und mit hoͤrenden Ohren hoͤren ſie nicht/
dann ſie verſtehen es nicht/ und uͤber ihnen wird die Weiſſag-
ung Eſaiæerfuͤllt/ die da ſagt: Mit den Ohren werdet ihrs
hoͤren/ und werdet es nicht verſtehen/ und mit ſehenden Au-
gen werdet ihrs ſehen und werdet es nicht vernehmen/ denn
dieſes Volcks Hertz iſt verſtockt/ und ihre Ohren hoͤren uͤbel/
und
[147]Predigt.
und ihre Augen ſchlummern/ auff daß ſie nicht dermaleins
mit den Augen ſehen und mit den Ohren hoͤren/ und mit dem
Hertzen verſtehen/ und ſich bekehren/ daß ich ihnen huͤlffe.
Aber ſelig ſind eure Augen daß ſie ſehen/ und eure Ohren daß
ſie hoͤren. Mit welchen Worten Chriſti wir wollen beſchlieſſen/ und
wuͤnſchen daß GOTT wolle ein hellen ſchein in unſer Hertz geben/ daß in
uns entſtuͤnde die Erleuchtung von der Erkantnuͤß der Klarheit Gottes
in dem Angeſichte JEſu Chriſti/ hie anfangs weiß in der dunckeln
Glaubens-Schau/ dort vollkommen mit auffgedecktem
Angeſicht immer und ewiglich/ AMEN.
Die Andere Predigt/
Von
Der Beſchreibung der H. Evangeliſten/
und dero einhelligem Mund.
GEliebte in Chriſto. Es haben die Alten ihren
Gaſtreyen und Mahlzeiten/ als welche Θεὸς φιλάνθρωπος
uns wol goͤnnen mag/ viel und unterſchiedliche Namen
nach unterſcheid der abſehen gegeben. Als 1. die Syſſitia,
da man die haͤflein zuſammen getragen und gleichſam Ge-
ſellſchafften gemacht/ wie bey den Lacedæmoniern nach
Lycurgi Policey-Ordnung uͤblich geweſen. Und hieher gehoͤren dievid. Plu-
tarch. in
Lycurg. \&
Stuk. de
Conviv.
p. 108, 113.
Agapæ bey den erſten Chriſten. Act. II, 46.Sie waren taͤglich und
ſtaͤts bey einander einmuͤthig im Tempel/ und brachen das
Brod hin und her in den Haͤuſern. Nahmen die Speiſen/
und lobten GOTT mit Freuden und einfaͤltigem Hertzen.
2. Chariſtia, die Affections-Mahlzeiten/ wann gute Bluts- und Muths-
Freunde zuſammen kommen/ theils Freundſchafft zu erhalten/ theils/
T ijwann
[148]Die Ander
wann unter ihnen differentien gegeben/ dieſelbe guͤtlich beyzulegen. Al-
lermaſſen wie die Soͤhne Jobs ſolche Mahlzeit gehalten/ Job. I, 4. Joſeph
auff ſolche weiß ſeine Bruͤder gaſtirt. Gen. 43.
‘Fuit ſanè convivii quoddam genus, quod Græci vocavere chariſtia, cui illi
tantùm accumbebant, quos conjungeret ſanguinis generisque communio,
ubi laudabant concordes animos, \& malè illis precabantur, qui vinculum
à natura conſtrictum ſeditione atque odio, naturâ ipſâ repugnante, diſſol-
verent. De quo Chariſtico, \& propè dixerim Euchariſtico convivio egit
Valerius Max. l. 2. c. 1. Convivium, inquit, ſolemne majores inſtitue-
runt, idque chariſtia appellaverunt, cui præter cognatos \& affines nemo
interponebatur: ut ſi qua inter neceſſarios querela eſſet otta, apud ſacra
menſæ \& inter hilaritatem animorum fautoribus concordiæ adhibitis tol-
leretur, Hæc eadem pluribus Ovidius l. 2 Faſtor.’ ()
‘
Et venit ad ſocios turba propinqua Deos.
Scilicet a tumulis, \& qui periere propinquis,
Protinus ad vivos ora referre juvat:
Poſt[q] tot amiſſos quidquid de ſanguine reſtat
Aſpicere, \& generis dinumerare gradus.
Innocui veniaut, procul hinc procul impius eſto
Frater, \& in partus mater acerba ſuos.
Tantalidæ fratres abſint, \& Jaſonis uxor;
Et qui ruricolis ſemina toſta dedit.
‘Hoc credo conſilio Job filii non invito, imò ut opinor, autore \& hortatore
parente communia hæc quotidiana iniere convivia, ut amorem, quem
inſevit fanguinis communio, conſuetudo aleret, atque perficeret. Hæc
Sanct. ad Job. 1. p. 23.’ ()
Dahin auch gehoͤren die Freuden- und Feſt-Mahlzeiten/ Kindſchencken
und Hochzeitmahl/ wie Abraham ein Mahl zugerichtet/ als Jſaac ent-
wehnt worden/ Gen. XXI, 8. und Ahaſveros als er Hochzeit gemacht/
Eſth. 2. 3. Fœderalia, Bunds-Mahlzeiten/ wie dergleichen Jſaac dem
Abimelech zugerichtet. Gen. XXIV, 28.Es ſoll ein Bund ſein
zwiſchen uns und dir/ und wollen einen Bund mit dir ma-
chen/ daß du uns keinen Schaden thuſt/ gleichwie wir dich
nicht angetaſtet haben/ \&c. Da macht er ihnen ein Mahl und
ſie aſſen und truncken/Confer. 2. Sam. III, 20. 4. Exequialia die
Leibfaͤlle/ wie dergleichen David dem Abner gehalten. 2. Sam. III, 35.
Syrach ſiehet auch auff ſolche Gewonheit. Syr. XXX, 18.Es eſt eben
als
[149]Predigt.
als ein gut Gericht fuͤr einem Maul/ das nicht eſſen kan/ und
wie die Speiſe/ ſo man bey eines Todten Grabe ſetzt.Arche-
laus, nachdem er ſieben Tag mit ſeines Vaters Klag zugebracht/ hat
er dem Volck eine koͤſtliche Mahlzeit bey der Leich gehalten/ wie denn bey
den Juden der Brauch iſt/ und viel dadurch zu armen Tagen kommen/
und wer ſolches unterließ/ der wurde fuͤr einen Gottloſen Menſchen ge-
halten/ wie Joſephus bezeuget. l. 2. bell. Jud. c. 1. 5. Sacra \& ſacrifi-
cialia, die heilige Opffer-Mahl/ ins gemein/ wann ihre Opffer verrichtet.
Lev. VI, 26.Der Prieſter der das Suͤnd-Opffer thut/ ſolls
eſſen an heiliger Staͤtt/ im Vorhoff der Huͤtten des Stiffts.
Undv. 16. und das uͤbrige (des Speiß-Opffers) ſollen Aaron
und ſeine Soͤhne verzehren/ und ſollens ungeſaͤuert eſſen an
heiliger Staͤtte/ im Vorhoff der Huͤtten des Stiffts. Jn-
ſonderheit auff ihre Feſte/ und das Feſt der Wochen. Deut. XVI, 10. 11.
Und ſolt halten das Feſt der Wochen dem HERRN deinem
GOTT/ daß du eine freywillige Gabe deiner Haͤnde gebeſt/
nach dem dich der HErꝛ dein Gott geſegnet hat/ und ſolt froͤ-
lich ſeyn fuͤr Gott deinem HErꝛn/ du und dein Sohn/ deine
Tochter/ dein Knecht/ dein Magd und der Levit/ der in dei-
nem Thor iſt/ der Fremdling/ der Waͤyſe/ und die Witwen/
die unter dir ſind/ an der Staͤtte/ die der HErꝛ dein GOtt er-
wehlet hat/ daß ſein Name da wohne. Das Oſterfeſt. Exod. 12.
Das Feſt der Lauberhuͤtten. Lev. XXIII, 34. Deut. XVI, 13.Das
Feſt der Lauberhuͤtten ſoltu halten ſieben Tage/ wann du haſt
eingeſamlet von deiner Tennen und von deiner Kelter/ und
ſolt froͤlich ſeyn auff dein Feſt/ du und dein Sohn/ \&c. Die
Kirchweyhe. 1. Reg. IIX, 65. Das Feſt Purim/ das geſchach am
dreyzehenden Tage des Monden Adar/ und ruheten am
vierzehenden Tage deſſelben Monden: (Jſt eben unſer Faß-
nacht/ dann der Monden Adar iſt bey uns der Februarius) den macht
man zum Tage des Wollebens und Freuden.Eſth. IX, 17.
Alle dieſe Namen moͤgen wol dem Abendmahl Chriſti gegeben werden/
als in welchem alle dieſe ſcopi zuſammen flieſſen. Es iſt daſſelbe das
rechte συσσίτιον und κοινόβιον, ſumit unus, ſumunt mille, tantum iſte
quantum ille, wir werden alle eines Brods theilhafftig/ und trincken alle
T iijauß
[150]Die Ander
auß einem Kelch/ hie iſt keine proſopolepſia unter Reichen und Ar-
men/ das rechte Chariſticum ja Euchariſticum convivium, da uns
unſer Bruder und Jmmanuel als ſeine Bruͤder/ conſanguineos und
Bluts-Freunde ſpeiſſet und traͤncket zu Vergebung der Suͤnden/ das
rechte fœderale, durch welches der Gnadenbund des Neuen Teſtaments
beſtaͤtiget wird. Die Opffer-Mahlzeit/ da der Leib ſo am Stamm des
Creutzes auffgeopffert/ und das Blut ſo auß ſeinen Wunden roth her-
auß gefloſſen/ uns gedeyet zur Speiß und Tranck. Das rechte Epulum
paſchale und Oſtermahl. Hie iſt das rechte Oſter-Lamm/ in heiſſer Lieb
gebraten. Die primitiæ pentecoſtales, da wir die Erſtlinge des Gei-
ſtes empfangen/ und den Vorſchmack des ewigen Lebens. Die Lau-
berhuͤtten/ daher JEſus am letzten Tage des Feſtes/ der am herꝛlichſten
war/ auffgetretten/ geruffen und geſprochen: Wen da duͤrſtet/ der
komme zu mir und trincke/ wer an mich glaubet wie die
Schrifft ſaget/ von des Leibe werden Strome des lebendigen
Waſſers flieſſen.Joh. VII, 38. Die Kirchweyhe und Purim, das
Neue Jahr der angenehmen Zeit: Sehet jetzt iſt die angenehme Zeit/ jetzt
iſt der Tag des Heils. 2. Cor. VI, 2. Wie nun das beſte bey Mahlzei-
ten iſt das Geſpraͤch/ ohn welches ſie vielmehr viſceratio beſtiarum
quàm convivium, die Tiſchreden ſeind das beſte Gewuͤrtz/ maſſen die
Alten bey ihren Mahlzeiten mit holdſeligen Geſpraͤchen einander auffge-
muntert/ und Raͤtzeln proponirt. Judic. 15. Aul. Gell. l. 13. c. 11.
Welche Geſpraͤch hernach auffgezeichnet worden/ durch gewiſſe warhaffte
Perſonen. Und eben ſolche Tiſchreden bey dem letzten Valet Chriſti
ſeind auch von den H. Evangeliſten und St. Paulo auffgezeichnet und
fleiſſig protocollirt worden/ ſampt den Vor- und Nachgeſpraͤch/ bey wel-
chem Umſtand wir zu bedencken. 1. Notariorum deſignationem.
2. Hiſtoriæ harmoniam. 3. Verborum proprietatem \& ſenſum.
4. Rerum ordinem. Von den 2. erſten Umſtaͤnden wollen wir fuͤr die-
ſes mahl mit einander reden und handlen. GOtt gebe dazu ſeine Gnad
und H. Geiſt/ Amen.
GEliebte in Chriſto. So iſt nun 1. unter dieNotarios
und Referenten der Hiſtori von der Einſetzung und weſen des
Sacraments zu zehlen nicht Johannes der Schooß-Juͤnger
Chriſti/ dann ob er zwar dem Actui ſelbſt beygewohnt/ ſo hat er doch die
Feder nicht angeſetzt/ ſondern nur die παραλειπόμενα auffgezeichnet/ und
eben
[151]Predigt.
eben mit ſeinem ſtillſchweigen der uͤbrigen Erzehlung beſtaͤttiget. Wel-
ches dann gleich anfangs zumercken/ theils wieder die Paͤbſtler/ welcher
Mund Bellarminus, l. 1. de Euchar. c. 5. ſchreibt: Catholici ferè
omnes intelligi volunt hujus capitis verba de Sacramento ipſo
Euchariſtiæ, ſive de ſacramentali manducatione corporis Domini in
Euchariſtia. Die Paͤbſtiſche Lehrer faſt alle ins gemein wollen die Wort
dieſes Capitels verſtanden haben vom Sacrament des Abendmahls
ſelbſt/ oder von der Sacramentlichen Nieſſung des Lelbs Chriſti im H.
Abendmahl. Die Reformirten ob ſie zwar nicht alle dafuͤr halten/ daßChamier.
pag. 292.
von dem Sacrament des H. Abendmahls gehandelt werde/ ſo halten ſie
doch das 6. Capitel Johannis fuͤr einen ſolchen Ort/ da von der geiſt-
lichen Nieſſung gehandelt werde/ und wann hernach die aͤuſſerliche
ſymbola und Zeichen darzu kommen/ ſo werde ein Sacrament darauß.
Calvinus in ſeinem Commentario uͤber dieſen Ort/ nennet das H.
Abendmahl ſigillum hujus concionis ein Siegel dieſer Predigt/ Oeco-
lampadius nennet das 6. Capitel Johannis ferreum atque aheneum
murum, eine eiſſerne und ehrine Maur/ und haltens fuͤr einen Com-
mentarium, wie nemlich das eſſen Matth. 26. muͤſſe verſtanden werden/
nemlich nicht Mund-Sacramentlich/ ſondern Geiſt-Sacramentlich/
und weilen daſſelbe nirgend beſſer beſchrieben werde/ auch das Caper-
naitiſche/ oder jetzige Ubiquiti ſtiſche Eſſen und Trincken nirgend beſſer
wiederleget worden ſey/ als in dieſem Ort/ ſo gruͤnden ſie ſich gewaltig
drauff/ wann ſie das geiſtliche Eſſen und Trincken des Leibs und Bluts
Chriſti verthaͤdigen/ oder das muͤndliche wiederlegen wollen. Wird
aber leichtlich wiederleget/ dann das Eſſen und Trincken beym Matthæo,
wie es der HERR allererſt in der letzten Nacht/ da er verrathen wor-
den/ eingeſetzt/ alſo hat der HERR auch dazumal allererſt ſolches er-
fordert/ das Eſſen und Trincken aber bey Johanne ſchon laͤngſt zuvor/
das Eſſen und Trincken bey Joh. geſchicht ohne Brod und Wein. Mat-
thæus redet von einem ſolchen Eſſen und Trincken/ ſo geſchicht vermit-
telſt des natuͤrlichen Brods und Weins: dann der geſegnete Kelch/
den wir ſegnen/ iſt die Gemeinſchafft des Bluts Chriſti/ und
das Brod das wir brechen/ die Gemeinſchafft des Leibs
Chriſti. 1. Cor. X, 16. Was nun Chriſtus in der Einſetzung des H.
Abendmals Matth. XXVI, 26. 27. uns vereinigt und nicht getrennet zu
eſſen und zu trincken ein geſetzt und anbefohlen/ das hat er Joh. 6. nicht
getrennet. Nun hat er in der Einſetzung des H. Abendmahls ſeinen
Leib
[152]Die Ander
Leib und Blut nicht zertreñlich und abſonderlich/ ſondern mit Brod und
Wein zu eſſen und zu trincken uns eingeſetzt und anbefohlen/ und alſo
nicht ein bloſſes und unmittelbares/ ſondern ein mittelbares Eſſen und
Trincken ſeines Leibs und Bluts angeordnet/ darum hat er es zuvor Jo-
han. 6. nicht getrennet. Er haͤtte es aber getrennet/ wann er allda geleh-
ret haͤtte/ daß wir Chriſten ſeinen Leib und Blut nicht mit den geſegne-
ten und außgetheilten Elementen/ Brod und Wein vereinigt/ ſondern
nur bloß durch den Glauben eſſen und trincken ſolten. Jn der Sacra-
mentlichen Nieſſung Matthæi, wird der Leib Chriſti allein unter dem
Brod/ und das Blut allein mit dem Wein empfangen hier aber in der
geiſtlichen Nieſſung der gantze Chriſtus in ſeiner gantzen Perſon/ Fleiſch
und Blut/ Leib und Seel/ mit aller fuͤlle der Goͤttlichen Gnaden/ Buſ-
ſen/ meriten und Verdienſten/ und mit allen ſeinen Gutthaten: Wer
mich iſſet/ ſagt Chriſtus v. 57. derſelbige wird leben um meinet
willen. Jene geſchicht mit dem Mund des Leibs durch eigentlich/ un-
verbluͤmtes eſſen und trincken/ alſo daß das Eſſen vom Trincken/ und
das Trincken vom Eſſen unterſcheiden/ der Leib wird uns unter dem
Brod hier nicht zu trincken/ und das Blut unter dem Wein nicht zu eſſen
dargereicht. Dieſe aber geſchicht mit dem Mund des Glaubens/ durch
verbluͤmtes eſſen und trincken/ alſo daß das Eſſen warhafftig und in der
That vom Trincken nicht unterſchieden/ gleichwie auch hungern und
duͤrſten nicht zweyerley/ alſo auch eſſen und trincken nicht. Ein Glaub
wird unter zwey Bildern des eſſens und trinckens/ ſo doch einerley bedeu-
ten/ abgemahlt. Jene kan geſchehen zum Tod und Verdamnuͤß/ dann
wer unwuͤrdig iſſet und trincket/ der iſſet und trincket ihm das
Gericht/ damit daß er nicht unterſcheidet den Leib des HErꝛn.
1. Cor. XI 29. Dieſe allezeit zum Leben. Das iſt das Brod/ das
vom Himmel kommt/ auff daß/ wer davon iſſet/ nicht ſterbe.
Jch bin das lebendige Brod vom Himmel kommen/ wer von
dieſem Brod eſſen wird/ der wird leben in Ewigkeit/ und das
Brod/ das ich ihm geben werde iſt mein Fleiſch/ welches ich
geben werde fuͤr das Leben der Welt.Joh. VI, 50. 51.Wer
mein Fleiſch iſſet und mein Blut trincket/ der hat das ewige
Leben/ und ich werde ihn aufferwecken am Juͤngſten Tage.
v. 54. Wie mich geſand hat der lebendige Vater/ und ich lebe
um des Vaters willen/ alſo wer mich iſſet/ der wird auch le-
ben
[153]Predigt.
ben um meinet willen/ diß iſt das Brod das vom Himmel
kommen iſt/ nicht wie euere Vaͤtter haben Manna geſſen und
ſind geſtorben/ wer das Brod iſſet/ der wird leben in Ewig-
keit.ꝟ. 57. 58. Jene iſt abſolutè und ſchlechter dings nicht noͤthig/
dann da heißts zu weilen: Crede \& manducaſti; dieſe aber ſchlechter
dings/ auch den kleinen Kindern. Warlich warlich/ ich ſage
euch/ werdet ihr nicht eſſen das Fleiſch des Menſchen Sohns
und trincken ſein Blut/ ſo habt ihr kein Leben in euch.Joh.
VI, 53. und hindert gar nicht das Zeugnuͤß der alten Kirchenlehrer/ von
welchen die ſo genannten Reformirten ſchreiben/ daß ſie es dafuͤr gehal-
ten haben/ es habe Johannes die Einſetzung des heiligen Abendmals in
der Beſchreibung der Paſſion darum außgelaſſen/ dieweil er im 6. Ca-
pitul dieſes Geheimnuͤß allbereit herꝛlich erklaͤret. Aber geſetzt/ es haͤt-
ten alle Patres das ſechſte Capitul St. Johannis vom Mund-Sacra-
mentlichen Eſſen und Trincken verſtanden/ ſo folgte doch darauß noch
nicht/ daß im beſagten Capitul von demſelben warhafftig gehandelt wor-
den ſeye/ dann Menſchen Zeugnuͤß kan irren und irret offt/ es bindet
uns auch in Glaubens-Sachen nicht. Wie Dan. Chamier. Tom. 4.
Panſtrat. l. 11. c. 4. §. 41. ſelbſt bekennet. Es iſt aber nicht wahr/ daß
alle und jede Patres das 6. Capitul Johannis vom Mund-Sacrament-
lichen Eſſen und Trincken ſolten verſtanden und außgelegt haben/ maſ-
ſen etliche außtrucklich ſchreiben/ daß Chriſti Leib eſſen und ſein Blut
trincken heiſſe/ Joh. 6. Cap. ſo viel/ als an Chriſtum glauben. Sie
erkennen auch/ das nach der Lehr St. Pauli 1. Cor. 11. etliche Chri-
ſten im heiligen Abendmal den Leib und Blut Chriſti zum Gericht em-
pfangen. Zu dem die Patres welche diß 6. Capitul Johannis vom hei-
ligen Abendmal verſtanden und erklaͤret/ haben nicht gelaͤugnet/ daß wir
im heiligen Abendmal den Leib und das Blut Chriſti/ vermittelſt Brods
und Weins Mund-Sacramentlich im Goͤttlichen Geheimnuͤß em-
pfangen. Was Auguſtinum anlangt/ der ſpricht zwar Tom. 4. l. 3.
de conſenſu Evang. c. 1. Johannes de corpore \& ſanguine Domini
hoc loco nihil dixit, ſed planè alibi multò uberius hinc Dominum lo-
cutum eſſe teſtatur. Das iſt: Johannes hat von dem Leibe und
Blut Chriſti an dieſem Ort nichts geredet/ ſondern bezeuget
klaͤrlichen/ daß der HErꝛ anderswo hievon geredet habe;
Aber er lehret nicht/ daß Joh 6. Cap. das Eſſen und Trincken des Leibs
und Bluts Chriſti eben ſo viel heiſſe/ als vermittelſt des geſegneten
Neunter Theil. VBrods
[154]Die Ander
Brods und Weins/ Chriſti Leib und Blut muͤndlich eſſen und trincken/
welches Mund-Sacramentliche Eſſen und Trincken des Leibs und
Bluts Chriſti Auguſtinus erkennet/ daß es Matth. 26. eingeſetzet ſeye.
Sondern ſchreibet vielmehr Tom. 9. Tract. 26. in Joh. Credere in eum,
hoc eſt manducare panem vivum. Qui credit in eum, manducat.
Das iſt: An ihn glauben/ iſt das lebendige Brod eſſen/ wer an
ihn glaubet/ der iſſet. Und Tom. 3. lib. 3. de doctr. Chriſt. c. 16.
lehret er/ daß der Spruch Chriſti Joh. VI, 53.Werdet ihr nicht
eſſen das Fleiſch des Menſchen Sohns und trincken ſein Blut/
ſo habt ihr kein Leben in euch/ ſey eine figuͤrliche Rede/ præcipiens,
paſſioni Domini eſſe communicandum, \& ſuaviter atque utiliter re-
condendum in memoria, quod pro nobis caro ejus crucifixa \& vul-
nerata ſit. Das iſt: Dadurch uns anbefohlen werde/ daß wir
des Leidens Chriſti theilhafftig gemacht/ (durch den Glauben)
und lieblich auch nutzlich im friſchen Andencken behalten ſol-
ten/ daß ſein Leib fuͤr uns gecreutziget und verwundet wor-
den ſeye.
Sie beruffen ſich zwar auch auff das Zeugnuͤß Lutheri, und nah-
mentlich auff die Außlegung der Epiſtel am Sonntag Septuageſimæ,
und ſchreiben/ wiewol D. Luther in der groſſen Bekanntnuͤß diſputire/
daß der Spruch Joh. VI, 63. vom Fleiſch Chriſti nicht handele/ ſo wi-
derſpreche er ihm doch ſelber in gedachter Außlegung. Antwort. D. Lu-
therus widerſpricht ihm gantz nicht; in der beruͤhrten Außlegung der
Epiſtel ſpricht er alſo: Eſſen und trincken geiſtlich iſt nichts an-
ders dann glauben an GOttes Wort und Zeichen/ wie auch
Chriſtus Joh. 6. ſagt: Wer mein Fleiſch iſſet/ und trincket
mein Blut/ der bleibet in mir und ich in ihm. Jtem/ mein
Fleiſch iſt eine rechte Speiſe/ und mein Blut iſt ein rechter
Tranck/ das iſt/ wer an mich glaubet/ der wird leben: Jtem/
darum iſts allenthalben einerley Speiſe und Tranck geiſtlich/
worin GOtt ſein Wort und Zeichen haͤlt/ es ſey wie aͤuſſer-
lich und leiblich es wolle/ und wann er mich hieſſe einen Stro-
halmen auffheben/ ſo waͤre alsbald an dem Strohalmen geiſt-
liche Speiſe und Tranck/ nicht um des Strohalms willen/
ſondern um des Worts und Zeichens willen Goͤttlicher War-
heit
[155]Predigt.
heit und Gegenwaͤrtigkeit. Wiederum/ wann GOttes
Wort und Zeichen nicht da iſt/ oder nicht erkennet wird/ ſo
hilffts nicht/ wann GOtt gleich ſelbſt da waͤre/ gleichwie
Chriſtus von ſich ſelbſt ſagt/ Joh. 6. Das Fleiſch ſey kein
nutz/ weil ſie nicht auff die Wort achten/ die er von ſeinem
Fleiſch redet/ welche Wort machen ſeinen Leib zu einer rech-
ten Speiſe/ da er ſpricht: Er ſeye das lebendige Brod vom
Himmel. Alſo muß man nicht ſo faſt achten auff die Werck/
Zeichen und Wunder GOttes/ als auff die Wort GOttes
in denſelbigen/ wie der Glaube thut. Jn dieſen Worten bejahet
D. Luther nicht/ daß Chriſtus Joh. 6. von ſeinem ſelbſt eigenen Fleiſch/
an und fuͤr ſich ſelbſt betrachtet rede/ oder das Sacrament-Muͤndliche
Eſſen und Trincken ſeines Leibs und Bluts verwerffe/ ſondern lehret/
daß er auch mit denſelbigen Worten der irrenden Menſchen Einbil-
dungen und Jrꝛhum von ſeinem Fleiſch ſtraffe/ und anzeige/ daß ſein
Fleiſch nicht fleiſchlich und nach des Fleiſches Sinn ergruͤndet und be-
hertziget/ ſondern Geiſtlich/ nach des Heiligen Geiſtes Wort gerechnet
und mit Glauben gefaſſet werde. Alſo muß auch der Articul von der
Mund-Sacramentlichen Nieſſung des Leibs und Bluts Chriſti/ ver-
mittels der leiblichen Elementen Brods und Weins nicht fleiſchlich/
ſondern geiſtlich/ nicht nach des Fleiſches und der Vernunfft Grillen
und Gloſſen/ ſondern nach dem Wort GOttes verſtanden werden.
Summa der Verſtand aller Glaubens-Artickel iſt geiſtlich und nicht
fleiſchlich/ aber die objecta articulorum fidei, die Ding ſelbſt/ davon die
Glaubens-Artickel handeln/ ſind nicht allezeit geiſtliche/ ſondern leibliche
Dinge/ deren Verſtand doch nicht mit des Glaubens Sinn zubegreiffen/
ſondern geiſtlich nach GOttes Wort zu richten/ und mit dem glaubigen
Hertzen zu faſſen iſt. Was nun Lutherus allhie lehret/ dem wider-
ſpricht er in ſeiner groſſen Bekantnuͤß nicht/ ſondern er lehret eben daſ-
ſelbe/ ja er widerlegt die ihm vorgeworffene Contradiction und ſpricht
Tom. 3. Jen. p. 465. Drey groſſe Untugenden leget mir der
Geiſt auff uͤber dieſen Worten (Fleiſch iſt keinnuͤtze) da laſſet
uns hoͤren und ſehen/ wie der zornige Teuffel ſo gifftige Lugen
durch ſeine verblendete/ elende Schwermer dichtet/ die erſte
iſt/ daß ich ſoll wider mich ſelbſt ſeyn/ weil ich hin und wieder
gelehret habe/ daß Chriſtus Leib leiblich eſſen kein nutz ſey/
und allhie dawider lehre/ daß Chriſtus Fleiſch eſſen ſey nutze.
V ijMein
[156]Die Ander
Mein Buͤchlein ſeind am Tage. Dadurch man dieſen Lugen-
Geiſt wol kan uͤberzeugen/ daß er an mir handelt/ wie einem
ſolchen Schuͤler wol geziemet/ lieber was hilffts/ wann ich
ewiglich wider dieſen Geiſt ſchreibe/ weil er deß ſich fleiſſigt/
daß er mit offentlichen unverſchamten Lugen handelt. Laß
den Teuffel fahren. Jch habe alſo gelehret und lehre noch
alſo/ daß Chriſtus Fleiſch nicht allein kein nutz/ ſondern auch
Gifft und der Tod ſeye/ ſo es ohne Glauben und Wort wird
gegeſſen. Aber wiederum iſt Chriſtus Fleiſch eſſen/ ſelig/ noͤ-
thig und nutz/ wo es ſamt dem Glauben und Wort leiblich
geſſen wird. Jedoch ſo bleibt das 6. Capitul Joh. eine Außlegung/
nicht aber des Weſens des Sacraments/ ſondern deſſen Frucht und
Nutzens.
Sondern die rechten Referenten ſind Matthæus c. 26. ἀυτόϖτης καὶ
ἀυτήκοος, der es ſelbſt geſehen und gehoͤrt/ non minima pars convivii.
Nicht die geringſte Perſon bey dieſem Gaſtmahl. Marcus der es von
Petro gehoͤrt/ Petro narrante \& Marco ſcribente Evangelium compo-
ſitum eſt. ait Hieron. ep. 150. ad Hedib. q. 11. Rogatus Romæ fratri-
bus breve Evangelium ſcripſit, juxtà quod audiverat à Petro, quod
Petrus approbavit, \& Eccleſiæ legendum ſuâ autoritate edidit. Clem.
Alex. l. 6. hypotypos. Maſſen er von Petro ſelbſt canoniſiret worden.
1. Petr. V. 13.Es gruͤſſen euch die ſampt euch außerwehlet ſind
zu Babylonia/ und mein Sohn Marcus. Was nun dieſe bey-
de geſchrieben/ das hat Paulus confirmirt/ deme es der Herr ſelbſt/
ſitzend zur Rechten GOttes dictirt. 1. Cor. 11. Was Paulus vom
Herrn empfangen/ das hat er Lucæ ſeinem amanuenſi und Geferten
dictirt/ wie bey Irenæo l. 3. 14. zu leſen/ welches nicht nur erhellet ex
Identitate phraſium \& verborum, auß Gleichheit der Wort und Re-
dens-Arten ſondern auch auß ſeinem eigenen ſuffragio, als der in proæ-
mio ſeines Evangelij ſchreibt/ das was er gehoͤrt ab ἀυτόϖταις καὶ ὑϖηρέταις,
von denen die er ſelbſt geſehen und welche Diener des Worts geweſen
ſeind/ das wolle er ἀκρι [...]ῶς mit Fleiß ordentlich ſchreiben. Luc. I, 3. und
deſſen Evangelium hat hernach Paulus ſein Evangelium genennet.
Rom. II, 16.Auff den Tag/ da GOtt das Verborgen der
Menſchen durch JEſum Chriſt richten wird/ laut meines
Evangelij. 2. Tim. II, 8.Halt im Gedaͤchtnuͤß JEſum/ der
von den Todten aufferſtanden iſt/ auß dem Saamen Davids
nach
[157]Predigt.
nach meinem Evangelio. Das iſt alſo die herꝛliche quadriga te-
ſtium, zween ἁυτήκοοι, und zween Nachſchreiber.
II. Harmonia verborum. Die Gleichheit der Wort/ damit aber
niemand in die Gedancken gerathe/ als waͤre ihrem Zeugnuͤß um ſo viel
deſto weniger zu deferiren/ dieweil ſie nicht durch und durch mit einander
uͤberein ſtimmen/ wie derjenige/ der die Wort der Einſetzung in der Har-
moni lißt/ bekennen muß/ ſo ſoll E. Lieb wiſſen/ daß eben dannenhero um
ſo viel mehr ihr Zeugnuͤß gewiſſer. Si ex toto inque omnibus conſona-
rent Evangeliſtæ, nemo inimicus credidiſſet unquam, quin illi com-
muni ad decipiendum conſilio congregati Evangelium condidiſſent,
nunc verò, quæ videtur in rebus exiguis diſſonantia, ab omni illos
ſuſpicione tuetur. Chryſoſt. Comment. in Matth.Wann die heili-
gen Evangeliſten durchauß und in allen Worten mit einander
uͤberein ſtimmeten/ ſo haͤtte keiner von den Widerſachern je-
maln geglaubt/ daß ſie nicht mit zuſammen geſetztem Rath/
die Leute hinter das Liecht zu fuͤhren ein Evangelium verferti-
get/ nun ſie aber in etlichen geringen Stucken einander entge-
gen zu ſein ſcheinen/ ſeind ſie dadurch von allem boͤſen Arg-
wohn befreyet. Sintemal ſie einander in der Sach ſelbſt nicht zu
wider/ ſondern nur was die Ordnung der Wort anlangt. Als daß
Matthæus und Marcus Chriſti proteſtation,Jch werde von nun an
von dem Gewaͤchs des Weinſtocks nicht mehr trincken/ biß
an den Tag/ da ichs neu trincken werde mit euch in meines
Vaters Reich/ nachgeſetzt/ welche Lucas vorgeſetzt/ anzuzeigen daß
Chriſtus dieſe Wort zweymal gebraucht/ einmal von dem Kelch beym
Oſterlamm/ nach der relation Lucæ, andermals wiederum beym Sa-
cramentlichen Kelch des heiligen Abendmals/ nach Beſchreibung Mat-
thæi und Marci. Marcus hat die Wort darzwiſchen geſetzt/ und ſie
truncken alle darauß.cap. XIV, 23. welche Matthæus außgelaſſen.
Matthæus ſetzt voculam ratiocinativam γδ dazu/ Trincket alle darauß/
dann das iſt mein Blut des Neuen Teſtaments/ ſo Marcus nicht dar-
zu geſetzt/ und hat ſonderlich Matthæus auff den Wein gedentet/ ἐκ τουτου
του̃ γεννήματος τῆς ἀμπέλου. Von dieſem Gewaͤchs des Weinſtocks/ dar-
auß zuerweiſen/ daß es warhafftig Wein geweſen. Lucas laſſet dieſe
Wort auß: Nehmet hin/ eſſet/ trincket. Paulus und Marcus;
Nehmet hin und trincket. Deſſen Mangel/ und zwar was das
Wort Eſſet anlangt/ Matthæus und Marcus mit St. Paulo/ des Worts
V iijTrincket
[158]Die Ander
Trincket aber Matthæus erſetzet. Matthæus und Marcus ſprechen die
ſubſtantial-Wort Chriſti alſo auß. Das iſt mein Leib/ das iſt mein
Blut des Neuen Teſtaments/ welches vergoſſen wird fuͤr viel.
Lucas aber hat ſie alſo ſtyliſirt: Das iſt mein Leib/ der fuͤr euch ge-
geben wird. Paulus/ das iſt mein Leib/ der fuͤr euch gebrochen
wird. Wie Lucas das Wort/ ſolches thut/ dem Brod nachgeſetzt/
alſo Paulus dem Kelch/ damit ſolcher Befehl nicht auff eine Geſtalt re-
ſtringiret wuͤrde/ Lucas;Dieſer Kelch iſt das Neue Teſtament in
meinem Blut/ das fuͤr euch vergoſſen wird/ Paulus allein/ Die-
ſer Kelch iſt das Neue Teſtament in meinem Blut.Marcus
laͤßt cauſam finalem gar auß/ aber Matthæus ſetzt dazu/ zu Verge-
bung der Suͤnden.Lucas,ſolches thut zu meiner Gedaͤchtnuͤß/
Paulus ſetzt darzu: So offt ihr von dieſem Brod eſſet/ und von
dieſem Kelch trincket/ ſolt ihr des HErꝛn Tod verkuͤndigen/
biß daß er kom̃t. Fragt ſich hie nicht unbequem/ dieweil gleichwol die
Wort unterſchiedlich lauten/ welches eigentiich Chriſti Wort geweſen
ſeyen? Antwort: ligt nicht viel daran/ wann wir nur der Wort Ver-
ſtand haben. Aber gleichwol iſt vermuthlich/ die Wort Matthæi und
Marci ſeyen die eigentliche/ dieweil jener ἀυτήκοος, und die Wort ſelbſt
gehoͤrt/ dieſer αύτηκόου, auditor. Aber Pauli und Lucæ Wort ſeind
gleichſam der Commentarius, da Gott ſitzend zur Rechten des Vaters
erklaͤrt/ wie er ſeine Wort/ die er im Saal geſprochen/ verſtanden wolt
haben. Alle haben die Wort Chriſti erzehlt/ jene ſo fern er in dem Saal
am Tiſch geſeſſen/ dieſe ſo fern Chriſtus ſitzet auff dem Stul und Thron
ſeiner Majeſtaͤt.
Wann dann in einer Schul der Diſcipul ihm zuvorderſt laͤßt ange-
legen ſeyn die Buͤcher und Autores die er leſen muß. Fragt ſich dann
auch/ welches die Autores in dieſer Schul? Antwort: Nicht Libri Lom-
bardi, der ſeinen Zanck-Apffel in die Kirche geworffen An. 1170. ſo dariñen
geblieben biß auff das Concil. Lateranenſe An. 1215. unter Innocent. III.
auch nit des Berengarii Vernunffts-Grillen/ dieſer war Prieſter zu Tu-
ron/ ſo florirt ohngefehr An 1035. und hat von den klaren/ ein faͤltigen Te-
ſtaments-Worten des H. Abendmals einen Abſprung gethan/ dieſelbe
verkuͤnſtelt/ und von ihrem eigentlichen/ unverbluͤmten/ richtigen Ver-
ſtand verdraͤhet/ fuͤrgebend es ſey der Leib und Blut Chriſti im Brod und
Wein nicht weſentlich/ ſondern nur Sacramentlich/ figuͤrlich/ Zeichens-
weiß zugegen/ allermaſſen wie auß ſeinem Wider-Ruff den er gethan/
ſo in geiſtlichen Rechten auffgezeichnet/ gnugſam erhellet/ auch nicht
Diſt.
[159]Predigt.
‘Diſt. 2. de Conſecrar. Can. 42. p. 1177. Ego Berengarius, indignus ſancti Mau-
ritii Andegavenſis Eccleſiæ Diaconus cognoſcens veram, Catholicam \&
Apoſtolicam fidem, anathematizo omnem hæreſin, præcipuè eam de quâ
hactenus infamatus ſum: quæ aſtruere conatur panem \& vinum quæ in al-
tari ponuntur, poſt conſecrationem ſolummodò ſacramentum \& non ve-
rum corpus \& ſanguinem Domini noſtri JEſu Chriſti eſſe, nec poſſe ſenſuali-
ter, niſi in ſolo ſacramento, niſi in manibus ſacerdotum tractari vel frangi,
aut fidelium dentibus atteri.’ ()
Auß Carlſtads Schwarm/ den er Anno 1521. außgebruͤtet/ dann als
er die Bilder geſtuͤrmet/ und dem wiedertaͤufferiſchen Geiſt auff die Bein
geholffen/ Lutherus ihm aber widerſprochen und das obſtat gehalten/
hat er hernach auß hitzigem/ vergaͤlltem Gemuͤth die Lehr vom H. Abend-
mal arrodirt und angegriffen/ und Luthero widerſprochen/ auß wel-
chem hernach der Sacraments-Streit erwachſen/ ſo auff den heutigen
Tag noch waͤhret. Carolſtadius primùm excitavit hunc tumultum
tantùm odio Lutheri. Philipp. Melanchton. in præfat. libelli de con-
ſenſu veterum de Cœna Domini. Auch nicht der Traum Zvvinglii,
darinnen ihme ein Mann vorkommen/ der ihme zum Beweiß ſeiner
Meynung den Ort Exod. 12. beygebracht/ ob aber dieſer Mann weiß
oder ſchwartz geweſen/ weiß er/ laut ſeiner eigenen Außſag/ nicht.
Narrat igitur Zwinglius (verba ſunt Riveti in Gen. p. 604) ſe cùm Tiguri age-
ret duodecimo Aprilis, ut miſſa prorſus aboleretur, fuiſſe à quodam ſcriba
objectum, omnia exempla, quæ attulerat anteà, ut probaret, eſt pro ſignifi-
cat accipi, fuiſſe parabolica, nullum autem fuiſſe adductum, in quo ſimplex
tantùm ineſſet tropus, qualem in verbis Cœnæ Dominicæ fingebat; re-
ſpondiſſe quidem quod res erat, in explicatione parabolæ, cum Chriſtus di-
xit: Semen eſt verbum DEI, ineſſe ſimplicem tropum, in quo eſt manifeſtè
pro ſignificat, acciperetur, \& huic reſponſo omnes ita acquieviſſe, ut ſecu-
tum fuerit decretum de abroganda miſſa: addit nihilominùs: reſtabat ad-
huc minimus conatus, quo ſc. exempla produceremus, quæ nulla cum para-
bola con juncta forent: cœpimus ergò cogitare omnia, omnia revolvere, at-
tamen nihil aliud exemplorum occurrebat, quàm quod in Commentario
proditum, aut quod occurrebat, erat eorum ſimile. Cum verò tredecima
dies appeteret, vera narro, adeoque vera ut celare volentem, conſcientia co-
gat effundere, quod Dominus impertiit, non ignorans, quantis me contu-
meliis riſibuſque exponam. Cum, inquam, tredecima Aprilis lux adpete-
ret, viſus ſum mihi in ſomno, multo cum tædio denuò contendere cum ad-
verſario ſcriba, ſicque obmutuiſſe, ut quod verum ſcirem, negante lingua be-
neficium ſuum, proloqui non poſſem, qui me angor, ut ſolent nonnunquam
ſomnia fallaci ludere nocte, (nihil enim aliud, quàm ſomnium narramus,
quod ad nos attinet: tametſi leve non ſit, quod per ſomnium didicimus,
gratia DEO, in cujus ſolius gloriam iſta prodimus) vehementer turbare
videbatur. Ibi ἀπὸ μηχανῆς viſus eſt monitor adeſſe (ater fuit an albus,
nihil memini, ſomninm enim narro) qui diceret, quin ignavè reſpondes ei,
quod
[160]Die Ander
quod Exod. 12. ſcribitur. Eſt enim Phaſe, h. e. tranſitus Domini? protinus
ut hoe phaſma viſum eſt; ſimul expergefio, \& è lecto exilio, locum apud
LXX, primum undique circumſpicio, ac de eo coram tota concione pro vi-
rili diſſero.
Rivetus und Crocius weiſen uns zwar in Ciceronis Schul/ bey welchem
dieſe phraſis, ater an albus fuerit, wil beſchreiben/ einen der einem von
Haut und Haar unbekant iſt: deßgleichen es ſeye nur ein Traum/ dann
es bleibt dabey/ daß Zvvinglius auß dieſem Traum die Wort der Ein-
ſetzung erklaͤrt/ welcher gar ſehr ſuſpect, dieweil er eine ſolche Erklaͤrung
an die Hand gibt/ die falſch/ und entweder von der Vernunfft/ oder von ei-
nem andern Geiſt entſtanden/ falſch iſt die Außlegung/ dann wann Mo-
ſes ſagt Exod. 12, 11. Es iſt des HErꝛn Paſſah/ iſt das ſubjectum
dieſer propoſition nicht die Sacramentliche Handlung des Oſterlam̃s/
auch nicht das Oſterlamm/ nicht das Blut des Lamms/ ſondern dieſer
Durchgang/ hic tranſitus eſt Paſcha, dieſer Durchgang davon ich euch
anfangen zu erzehlen/ und ferner erzehlen wil/ iſt der Durchgang des
Herrn/ und demnach ein ſchneller und behender Durchgang/ darum
ſolt ihr eilend eſſen/ es hat kein Verzug ſtatt und platz. Falſch die applica-
tion auff das Sacrament des H. Abendmals. Nicht endlich auß eini-
gem Calviniſchen Buch/ inſonderheit Bergii, daß die Wort Chriſti noch
feſt ſtehen/ auch nicht auß den herum-fliegenden Sirenen-Buͤchlein der
heutigen Syncretiſten. Sondern allein auß der Beſchreibung der vier
Immatriculirten Notarien, dann in ſo groſſen Streitigkeiten dulcius ex
ipſo fonte bibuntur aquæ. Solte einem Notario ſeine Teſtaments-
Verſchreibung von jemand verklittert werden/ er wuͤrde es uͤbel empfin-
den. Nun ſind die Teſtaments-Wort Chriſti ſo wol als andere Bibliſche
Schrifften canoniſirt mit dem Spruch Johannis Apoc. XXII, 18.Jch
bezeuge aber alle die da hoͤren die Wort der Weiſſagung in die-
ſem Buch/ ſo jemand darzu ſetzet/ ſo wird GOtt zuſetzen die
Plagen/ die in dieſem Buch geſchrieben ſtehen/ und ſo jemand
davon thut von den Worten des Buchs dieſer Weiſſagung/
ſo wird GOtt abthun ſein Theil vom Buch des Lebens/ und
von der H. Stadt/ und von dem/ das in dieſem Buch geſchrie-
ben ſteht. Welches Wort ſo wol ein ſchroͤckliches Draͤu-Wort/ wider
die Vernunfft/ Satan/ und alle Jrꝛgeiſter/ die uns dieſen Schutz begeh-
ren zu rauben durch die Philoſophiam, und loſe Verfuͤhrung nach der
Menſchen Lehr/ und nach der Welt Satzung und nicht nach Chriſto.
Col. 2.
[161]Predigt.
Col. 2. als ein Troſt-Wort/ darauß flieſſet ἀσφάλεια fidei, die Gewißheit
unſers Glaubens/ ſo fern er auff das Zeugnuͤß der heiligen Evangeli-
ſten ſich gruͤndet/ deren Zeugnuͤß auch noch feſt ſtehet/ damit koͤnnen wir
uns getrauen zu beſtehen fuͤr dem Juͤngſten Gericht/ und wann wir uns
halten an das Buch der heiligen Evangeliſten/ ſo ſoll unſer Name im
Buch des Lebens auffgezeichnet ſeyn/ ſo wir mit der geiſtlichen Braut im
Hohenlied wuͤnſchen/ daß er uns kuͤſſe mit dem Kuß ſeines Mundes/
nicht der Satan mit ſeinen unreinen Lippen falſcher Gloſſen und Auß-
legung/ tunc nos oſculatur DEI verbum, cum cor meum lumine co-
gnitionis illuminat, \& amorem bonitatis inflammat. Ambroſ. l. de
Iſaac.So wird uns kuͤſſen Gottes Wort/ wann es unſern
Verſtand erleuchtet/ und mit der Liebe ſeiner Guͤte entzuͤndet.
Gott gebe/ daß wir die Offenbarung dieſes Geheimnuͤſſes in wahrem
Glauben moͤgen empfangen/ und von der Einfalt des Glaubens endlich
moͤgen gelangen zum Schauen und ewigem Genuß/ Amen.
Die Dritte Predigt/
Von
Dem eigentlichen und Buchſtaͤblichen Verſtand
der Wort/ das iſt mein Leib.
GEliebte in Chriſto. Wann Paulus 2. Cor. XI, 3.
ſpricht: Jch foͤrchte/ daß nicht wie die Schlang
Heva verfuͤhrt mit ihrer Schalckheit/ alſo auch
euere Sinne verrucket werden von der Einfaͤltig-
keit in Chriſto/ ſo revocirt er ſeine Corinthier und uns
zuruck in den Paradiß-Garten auff die Betrachtung der
μεϑοδείας und liſtigen Raͤnck/ damit der hoͤlliſche Orator vermuthlich in
Verſam̃lung aller hoͤlliſchen Geiſter/ an Evam/ da ſie allein geweßt/ und
im Luco herum ſpatziert/ ſich gemacht/ nach dem Gott morgens fruͤh
Adam und Evaͤ ein Predigt gehalten/ auff den Sabbath/ wie Lutherus
dafuͤr haͤlt/ Comment. in Gen. p. 41. f. 2. und die Einfaͤltigkeit der
Neunter Theil. XGoͤtt-
[162]Die Dritte
Goͤttlichen Wort (Du ſolt eſſen von allerley Baͤumen im Gar-
ten. Aber von dem Baum des Erkaͤntnuͤß Guten und Boͤ-
ſen ſoltu nicht eſſen/ denn welches Tages du davon iſſeſt/ wirſt
du des Todes ſterben.Gen. II. 16. 17.) in Zweiffel gezogen. Siehet
demnach Paulus 1. auff ſeine πανουργίαν des Satans Gauckeley/ Ver-
blendung und Zauberey/ damit er das Hertz des Glaubens/ die Erkaͤnt-
nuͤß Goͤttliches Worts/ als mit einem ſchleichenden Gifft angegriffen/
negando ſenſum verbi, das Wort konte er nicht umſtoſſen/ darum
machte er ſich an den Verſtand der Wort: Ja ſolte auch GOtt wol
geſagt haben/ ihr ſolt nicht eſſen von allerley Baͤumen im
Garten? Du haſts nicht recht verſtanden/ du biſt gar zu alber und ein-
faͤltig meine liebe Eva/ es muͤſſen die Wort eine andere Bedeutung ha-
ben: Sintemal der Buchſtaͤbige Verſtand laufft 1. wider GOttes Ehr
und Gunſt/ Gott iſt das hoͤchſte Gut/ hat euch in den Garten geſetzt/
denſelben zu bauen/ wie ſolt er euch den Genuß dieſes Baums denn nicht
auch goͤnnen? Gott hat euch zu Herꝛn uͤber alle Thier gemacht/ keines
außgenommen/ wie vielmehr uͤber alle Baͤume? Laufft 2. wider euern
Nutzen/ Gott meynts ja wieder gut mit euch/ hat um euert willen alles
erſchaffen/ wie ſolt er euch dann dieſen Baum verſagen? 3. contra ratio-
nem paritatis. Solt Gott wol geſagt haben: Jhr ſolt nicht eſſen von
allerley Baͤumen/ hat er euch die Gattung vergoͤnnt/ warum nicht auch
dieſe? par ratio. 4. Contrà nominis impoſitionem, wider des Baums
Benamſung. Es hat ja der Baum den Namen nicht vergebens/ daß
er der Baum des Erkaͤntnuͤß Guten und Boͤſen genennet wird/ ſondern
eben darum/ daß er klug macht/ zur Engliſchen ja Goͤttlichen Erkaͤntnuͤß
fuͤhret. Das war nun die ſchoͤne Abend-Predigt/ die ihnen der Teuffel
gehalten. Damit er dann ihren Sinn verwirꝛt/ daß da ſie haͤtten den
Knopff gleichſam mit dem Schwerd auffloͤſen und zerhauen ſollen/ ſie
ſich verſtrickt/ und angefangen zu zweiffeln per ne fortè. Eva wider-
ſpricht/ aber mit zweiffeln/ Wir eſſen von den Fruͤchten der Baͤu-
me im Garten/ aber von den Fruͤchten des Baums mitten im
Garten hat GOtt geſagt: Eſſet nicht davon/ ruͤhrets auch
nicht an/ daß ihr ( [...]ne fortè) vielleicht nicht ſterbet.Gen. III, 4.
Eva gedachte/ Gott werde ja ſo ſtreng nicht ſeyn/ daß er ſie um eines
einigen Apffel-Biſſes willen toͤdten wuͤrde; Es werde ja Gott an einem
Apffel nicht viel liegen/ es werde ſo viel nicht zu bedeuten haben/ es waͤre
keine Sach von ſo groſſer importanz. War alſo der Beyfall und Zu-
verſicht
[163]Predigt.
verſicht hinweg. Nach dem der Satan das erſte Vorwerck eingenom-
men/ ſo graſſieret er nach dem Willen und Affecten, macht auß dem for-
tè, ein non,ihr werdet mit nichten des Todes ſterben/ nim̃t weg
den Zaum der Suͤnden/ die Furcht GOttes per concupiſcentiam ἐξέλ-
κουσυι, die ablockende/ abziehende/ abhaltende Luſt/ wie ſie St. Jacobus
nennet. Jac. I, 14. Jm gegentheil legt er ihnen ein Speckel auff die Fall
per concupiſcentiam δελεάζουσυι, die erregende/ lockende und verfuͤhriſche
Luſt/ GOtt weiß/ daß welches Tages ihr davon eſſet/ ſo wer-
den euere Augen auffgethan/ und werdet ſeyn wie GOtt/ und
wiſſen was gut oder boͤſe iſt.Gen. III, 5. alles recht zweiffeliſch und
Teuffeliſch/ ἀμφι [...]ολικῶς. Sub eadem pollicitatione (ſchreibt Rupertus
lib. 3. de Imit. c. 8.) aperientur oculi veſtri, Eva ſapientiæ altitudinem;
ille cogitat conſcientiæ confuſionem: Eritis ſicut Dii, hæc rapere
Dei celſitudinem, ille ſuimet ſimilem cogitat invenire damnationem,
ille ſub eadem pollicitatione ſcientiæ boni \& mali, hæc plenitudinem
ſcientiæ, ille cogitat experimentum miſeriæ. O nequam, nequam,
ubi eſt tuum nequa quam? ecce omnes morimur! Das iſt: Unter
einem Verſpruch/ euere Augen werden auffgethan/ hatte Eva
verſtanden himmliſche Weißheit/ Dieſer die Beſchaͤmung
und Verletzung des Gewiſſens; unter dem Wort: Jhr wer-
det ſeyn wie GOtt/ gedachte Eva an einen Gottes Raub/ je-
ner ſie in gleiche Verdamnuͤß mit ihm zu ſtuͤrtzen. Jene un-
ter dem Verſpruch der Erkantnuͤß Boͤſen und Guten/ die voll-
kommenſte Wiſſenſchafft/ dieſer die Empfindung mancherley
Elends. O Schalck/ Schalck/ wo iſt dein Mit nichten?
ſiehe wir muͤſſen alle ſterben!II. Cauſam timoris, die Urſach ſeiner
Furcht gleicher Verfaͤhrung und Verfuͤhrung/ dann um ſo viel mehr hat
Paulus Urſach ſich zubefahren/ als uͤbeler nunmehr nach dem Fall das
caſtrum cordis humani die Feſtung des Menſchlichen Hertzens ver-
wahrt/ wegen der jenigen innerlichen Conſpiranten/ die mit dem Sa-
tan leichen/ und mit ihm unter einer Decke liegen/ darum er auch ſagt:
Jch foͤrchte/ ich foͤrchte/ daß euere Sinne auch alſo verrucket
werden von der Einfaͤltigkeit in Chriſto.
Wolte nun Gott es haͤtten ſich an dieſem geſpiegelt und an frem-
dem Schaden lernen witzig werden die Sacrament-Stuͤrmer Berenga-
rius, Carolſtadius, von dem Phil. Melanchton. in præfat. de ſentent.
veterum: ſchreibt:
X ijBeren-
[164]Die Dritte
‘Berengarius Presbyter Turonenſis, perſpectis abſurditatibus, quæ tranſmuta-
tionem panis in corpus Chriſti, à nonnullis aſſertam ſequi videbantur, in
myſtica Chriſti cœna, non corpus ejus, ſed figuram eſſe corporis docebat,
unde \& adverſus eum, \& pro eo multum à variis tàm ſcriptum eſt, quam
diſputatum, donec eum Pontifices abjurare dogma, contrariumque ei er-
rorem ſtabilire cogerunt. ita Cluvetus Epit. hiſtor. p. 498.’ ()
Carolſtad. primus excitavit hunc tumultum. Hic eſt hujus fabulæ
πρωταγωνίςης. ita Zvvingl. in colloq. Marp. der einfaͤltige Lntherus
hatte fuͤr ſich Gottes Wort/ den klaren Buchſtaben/ das iſt mein Leib/
deme Zvvinglius und Oecolampadius, nechſt dem 6. Cap. Johannis/ de
quo proximè, opponirt die natuͤrliche Eigenſchafft des Leibs Chriſti.
Huic argumento admodum firmiter inſiſtebant, \& multa ad rem non
facientia allegabant, utpote quod Chriſtus verum corpus habeat,
quod nobis ſimilis ſit Chriſtus, corpus in loco eſſe oportere. Philipp.
Melanch. ad Joh. Saxon. Elector. die uͤbrigen Vernunffts Einwuͤrff
wollen wir auf andere Gelegenheit verſparen/ und nunmehr der Paradiß-
Schlang zuforderſt begegnen mit den jenigen Argumenten/ damit wir
das ῥητὸν erhalten. Dann wann wir naͤhermalen die Notarios betrach-
tet/ ſo muͤſſen wir auch Achtung geben auff den Stylum den ſie fuͤhren/
oder vielmehr auff die Wort der Einſetzung Chriſti/ ob ſie nach dem Buch-
ſtaben oder figuͤrlicher weiß zu verſtehen/ dazu wolle uns Chriſtus ſelbſt
als der maͤchtigſte Teſtamentarius ſeinen H. Geiſt mildiglich verleihen/
daß er unſern Verſtand erleuchten/ und uns in alle Warheit leiten wol-
le/ Amen.
GEliebte in Chriſto. Erſtlich laͤugnen wir nicht/ ſon-
dern geſtehen gar gern/ daß in H. Schrifft viel varaboliſche/ al-
legoriſche und figuͤrliche/ Chriſto ſehr gemeine Reden/ damit er
mit uns Menſchen-Kindern ſpielet/ fuͤrfallen/ als inſonderheit die Wort
Joh. 6. von der geiſtlichen Nieſſung. Folgt derowegen nicht/ was das
Baſeliſche Buͤchlein fuͤrgibt/ p. 48. Wann man die Schrifft al-
leweg wie die Wort lauten/ verſtehen und deuten wolte/ ſo
muͤſte Chriſtus zugleich ein Weg/ ein Thuͤr/ ein Lamm/ ein
Loͤw/ ein Fels/ und ein Weinſtock ſeyn. Wir geſtehen auch gern
und ſeinds nicht in Abrede/ daß Chriſtus in ſeinem letſten Colloquio
Joh. 15. \& ſeqq.Jch bin ein rechter Weinſtock/ und mein Va-
ter ein Weingaͤrtner/ einen jeglichen Reben an mir/ der nicht
Frucht bringet/ wird er wegnehmen ꝛc. deßgleichen in ſeinem let-
ſten Blut-Kampff im Garten am Oelberg. Mein Vater iſts muͤg-
lich
[165]Predigt.
lich ſo gehe dieſer Kelch von mir.Matth. XXVI, 39. viel figuͤrliche
Reden gefuͤhrt. Wir laͤugnen auch nicht/ daß in den Worten der Ein-
ſatzung/ ſonderlich in Circumſtantialibus, viel figuͤrliche und verbluͤmte
Reden fuͤrfallen/ das iſt mein Leib der fuͤr euch gebrochen wird/
welches dem Buchſtaben nach nicht kan verſtanden werden. Dann es
widerſpricht ihm Joh. XIX, 36. Jhr ſolt ihm kein Bein zerbrechen.
Jtem Luc. XXII, 20. Das iſt der Kelch des Neuen Teſtaments
in meinem Blut/ das fuͤr euch vergoſſen wird. Und 1. Cor. XI, 26.
So offt ihr von dieſem Kelch trincket/ ſolt ihr des HErꝛn
Tod verkuͤndigen. Welches nicht von dem Kelch/ de continente,
ſondern de contento, dem Blut Chriſti muß verſtanden werden. Aber
das laͤugnen wir/ daß in συςατι [...]ῖς ſubſtantialibus verbisund weſentli-
chen Worten eintropus ſey/ der da nicht klar von andern Evangeliſten
waͤre erklaͤret worden/ da ſtehen wir pro ῥητῷ tanquam pro aris \& focis,
und laſſen uns davon kein Sophiſterey im geringſten nicht abtreiben
auß folgenden Fundamenten.
I. Stehet fuͤr den Buchſtaͤblichen Verſtand ſenſus proprii præ
figurato prærogativa.Der Vorzug des eigentlichen Ver-
ſtands vor dem verbluͤmten.Non debent (ita Bellarm. l. 1. de Euch.
c. 9.) à nobis quærere, cur ſequamur proprium verborum ſenſum, ſi-
mile enim id eſſet, ac ſi quis peteret ab iis, qui ſunt in itinere, cur ſe-
quantur viam communem \& tritam, nemo ſanus id quærit; vel cur in-
grediantur per portam, non per feneſtram. Das iſt: Sie ſollen von
uns nicht begehren und fragen/ warum wir dem eigentlichen
Wort-Verſtand folgen/ dann es waͤre eben ſo viel/ als wann
einer die Wandersleute fragete/ warum ſie den gemeinen und
gebahnten Weg brauchen/ niemand der Verſtand hat/ fragt
alſo/ oder warum ſie zur Thuͤr in das Hauß gehen/ und nicht
durch das Fenſter. Wir ſeind gleichſam in poſſeſſione, der muß
gar wichtige und guͤltige Argumenta auff die Bahn bringen/ der uns
wil außſtoſſen.
II. Teſtatoris ſilentium \& Evangeliſtarum harmonia, unſer Hey-
land Chriſtus iſt allwiſſend/ er hat wol gewußt/ was es fuͤr Spaͤn mit der
Zeit geben werde/ ſolts glaublich ſeyn/ daß er nicht wuͤrde ſo klar und ver-
ſtaͤndlich reden/ daß ſo viel an ihm iſt/ per ſe, kein andere Meynung koͤn-
te angedichtet werden. Seine Gewonheit war/ daß er ſeine Parabeln
ſeinen Juͤngern privatim außlegte/ Marc. IV, 34. Ohne Gleichnuͤß
redet er nichts zu ihnen/ aber inſonderheit leget ers ſeinen
X iijJuͤn-
[166]Die Dritte
Juͤngern alles auß. Nun hat ers nirgend anders außgelegt/ auff
den Tropiſchen Verſtand hat er mit keinem Wort gedeutet/ auch nach-
dem er ſich geſetzt zur Rechten GOttes/ hat ers Paulo nicht anders offen-
bart/ Paulus hats auch nicht anders verſtanden/ darum er das Brod
die Gemeinſchafft des Leibs/ und den Kelch die Gemeinſchafft des Bluts
genennet hat. Keiner von den H. Evangeliſten hat mit einem einigen
Woͤrtlein auff einen verbluͤmten Verſtand gezielet. Sie haben zwar
ſonſten offtermalen verbluͤmte Reden gebraucht/ als da iſt das Augen
außreiſſen. Matth. XVIII, 9. Marc. IX. 47. die Feur-Tauff. Matth. III, 11.
Marc. I, 8. Luc. III. 16. Joh. I, 33. das wuͤrtzen mit Saltz. Matth. V, 13.
Marc. IX, 50. Luc. XIV, 34. welche ſie doch hernach erklaͤrt/ und gleich-
ſam einen Commentarium druͤber geſchrieben. Das Augen außreiſſen
wird erklaͤrt/ Col. III, 5. So toͤdtet nun euere Glieder die auff Er-
den ſeind/ Hurerey/ Unreinigkeit/ ſchaͤndliche Brunſt/ boͤſe
Luſt ꝛc. Die Feur-Tauff/ durch die ſichtbare Außgieſſung des H. Gei-
ſtes in Feurs geſtalt. Act. II, 3. Die metaphora des Saltzes wird ſo
offt erklaͤrt/ ſo offt von dem H. Predigampt gehandelt wird. Da doch
an ſolchen Sachen nicht ſo viel gelegen/ als an dieſem Sacrament/ dero-
wegen ſie es freylich anderswo auch erklaͤret haͤtten/ wann Chriſtus hie
figuͤrlicher und verbluͤmter weiß geredet haͤtte. Und gilt alſo hie das
Wort des Koͤnigs Darij. 3. Eſdræ VI, 32. ſo jemand etwas von de-
me/ das vorgeſagt und vorgeſchrieben iſt/ uͤbertretten wuͤrde/
ſo ſoll ein Balck auß deſſen Hauſe genommen/ und er daran
erhaͤnget werden/ und ſeine Guͤter dem Koͤnig verfallen ſeyn.
III. Teſtamenti \& quidem Novinatura. Die Art und Eigenſchafft
eines und zwar eines Neuen Teſtaments. Jch ſage bedencklich die Eigen-
ſchafft eines Teſtaments. Teſtaments-Wort ſollen uñ muͤſſen gewiß ſeyn.
‘In ipſo fine vitæ conſtituti cum teſtamentum ordinamus, quantum temporis
conſumitur? quamdiu ſecretò agitur? nec quicquam curâ ſanctiore com-
ponimus, quàm quod ad nos non pertinet. Senec. l. 4. de benef. c. 11. In
dubio tutius eſt non recedere à verbis, ſed illis tenaciter inhærere, ſine ex-
tranea probatione. Item: non eſt recedendum à verbis Teſtatoris, quia
talis præſumitur fuiſſe intentio, qualem verborum proprietas importat.
Regula eſt Juris.’ ()
Da gehoͤren nicht viel gefrenſelte und auff die Schrauben geſetzte Wort
zu/ ſo viel menſchlich und muͤglich. Quia finis teſtamentorum eſt judi-
cium in controverſiis hæredum. Auff daß kein Silberſuͤchtiger Juriſt
dieſel-
[167]Predigt.
dieſelbe in diſputat ziehe/ daher es das letſte Gericht genennet wird. Juſt.
l. 5. 11. welcher Vater iſt/ wann er ein Teſtament auffrichtet/ der nicht ſich
bemuͤhe ſo zu reden/ daß keine Spaͤn erwachſen moͤchte? geſchichts nicht
allezeit/ ſo geſchichts auß menſchlicher Schwachheit und Wort-Mangel.
Chriſtus aber hat eine gelehrte Zung/ es mangelt ihm an Worten nicht/
er hat nicht wollen ein Creutzauffrichten/ in qua ſuſpendantur ingenia.
So iſt auch der hæres alſo geartet/ daß er auff den Buchſtaben allezeit
dringt: wird einem ein Hauß vermacht/ er verſtehets traun von keinem
gemahlten oder verbluͤmten Hauß/ ſondern das was Gott und die Na-
tur ein Hauß heiſſet. Gegentheil wendet ein das Teſtament des Patri-
archen Jacobs/ Gen. 49. Verſamlet euch/ daß ich euch verkuͤndi-
ge/ was euch begegnen wird in kuͤnfftigen Zeiten/ kom̃t zu
Hauff und hoͤret zu ihr Kinder Jacob/ und hoͤret euern Va-
ter Jſrael/ Moſis/ Deut. XXXIII, 1. Diß iſt der Segen/ damit
Moſe der Mann Gottes/ die Kinder Jſrael vor ſeinem Tod
ſegnet/ ꝛc. Joſuaͤ/ Joſ. XXIV. Davids/ 2. Sam. XXIII, 1. 1. Reg. II.
darinnen viel enthalten/ ſo dem Buchſtaben nach nicht kan verſtanden
werden/ das Teſtament GOttes ſelbſt/ Jer. XXXI. 31. Siehe/ es kom̃t
die Zeit/ ſpricht der HErꝛ/ da wil ich mit dem Hauſe Jſrael
und mit dem Hauſe Juda einen neuen Bund machen/ nicht
wie der Bund geweſen iſt/ den ich mit ihren Vaͤtern machte/
da ich ſie bey der Hand nahm/ daß ich ſie auß Egyptenland
fuͤhrete/ welchen Bund ſie nicht gehalten haben/ und ich ſie
zwingen mußte/ ſpricht der HERR: Sondern das ſoll der
Bund ſeyn/ den ich mit dem Hauſe Jſrael machen wil/ nach
dieſer Zeit/ ſpricht der HERR: Jch wil mein Geſetz in ihr
Hertz geben/ und in ihren Sinnſchreiben/ und ſie ſollen mein
Volck ſeyn/ und ich wil ihr GOtt ſeyn. Wann nun Gott
des Hertzens gedenckt: Jch wil mein Geſetz in ihr Hertz ſchrei-
ben/ ſo erklaͤrts Paulus Heor. VIII, 10. Jch wil mein Geſetz in ih-
ren Sinn geben/ und wann der Prophet von einer Schrifft in das
Hertz redet; kan er nicht von einer leiblichen Schrifft reden/ ſo mit der
Feder und Dinten geſchicht/ auch nicht von dem leiblichen Hertzen des
Menſchen. Antwort: Jn dem letſten Willen des Patriarchen Jacobs iſt
ein Unterſcheid zu machen unter der Propheceyung/ und unter dem Ge-
bot und Wunſch/ jene iſt ohne Zweiffel mit vielen verbluͤmten Worten ge-
ziert und angefuͤllt/ dieſe mit klaren und deutlichen Worten gefaßt/ klar
und deutlich ſeynd die Wort/ wann er ſein Glaubens-Bekanntnuͤß abge-
legt.
[168]Die Dritte
legt. Gen. XLIX, 19. HErꝛ ich warte auff dein Heyl/ ſein Begraͤb-
nuͤß beſtellt/ ꝟ. 29. Begrabet mich bey meine Vaͤter in der Hoͤle/
auff dem Acker Ephron des Hethiters in der zwifachen Hoͤle/
die gegen Mamre ligt/ im Lande Canaan/ die Abraham kauff-
te/ ſamt dem Acker von Ephron dem Hethiter zum Erb-Be-
graͤbnuͤß. Welche diſtinction zu wiederholen bey dem Valet Moſis/
confer Deut. XXXII, 46. Davids letſte Wort ſeind eine pur lautere
Weiſſagung der Teſtaments-Befehl ſeinem Sohn hinterlaſſen/ iſt aber-
mal klar und offenbar 1. Reg. 2. wie auch die Wort Joſuæ c. XXIV, 14.
23. 27. Was endlich Jer. 31. ſey in das Hertz ſchreiben/ wird alſobald
ꝟ. 34. erklaͤrt mit hellen und deutlichen Worten. Es wird keiner
den andern/ noch ein Bruder den andern lehren und ſagen:
Erkenne den HErꝛn/ ſondern ſie ſollen mich alle kennen beyde
klein und groß/ ſpricht der HErꝛ. Und Joh. VI, 45. Es ſtehet
geſchrieben in den Propheten/ ſie werden alle von GOtt ge-
lehret ſeyn. Und eben das iſts/ was wir wollen. Es ſeye in den
Sacramentlichen Stifftungs-Worten kein einiger tropus, der nicht
anderswo in der Schrifft erklaͤrt/ da jene im Gegentheil lauter tropos
laſſen/ und hernach dieſelbe nach ihrem Sinn und Meynung außlegen.
Jch ſage bedencklich die Natur und Eigenſchafft des N. Teſta-
ments. Als welches dem A. Teſtament entgegen geſetzt/ und darin von
jenem unterſcheiden/ weil dort der Schatten/ hie der Leib/ dort iſts mit
Schatten-Bildern abgemahlt/ was wir im Werck und in der That em-
pfangen/ es iſt hie kein verdecktes Schau-Eſſen mehr/ wann Chriſtus
ſeinen Leib und Blut nur Fuͤrbilds weiß haͤtte wollen im H. Abendmahl
handeln/ ſo empfiengen wir nicht mehr als jene im Oſterlamm/ und haͤt-
te Chriſtus viel lieber das Oſterlamm behalten/ als abgeſchafft/ als wel-
ches viel heller den Tod und Leiden Chriſti fuͤrgebildet.
IV. Tropi abſurditas, wie erbaͤrmlich Gegentheil mit den Worten
der Einſatzung umgegangen/ wie ſie die Wort verkaͤtzert und gemartert/
den tropum zu erhalten/ iſt bekant:
Lutherus hat in ſeiner Confeſſ. Maj. vom Abendmahl (daß die Wort
Chriſti noch feſt ſtehen) ſieben interpretationes colligirt/ ſeine Wort ſind
dieſe (Tom. 3. Jen. Germ. pag. 343. f. 2.) Wann ſchwermen Kunſt
waͤre/ ich wolte hie freylich ſo fein ſchwermen als ſie/ und auch
halten/ daß eitel Brod und Wein da waͤre/ und demnach wi-
der
[169]Predigt.
der ſie alle gantz ein neues auffbringen/ und mit keinem ein-
traͤchtig ſeyn/ und meinen Duͤnckel fuͤrbringen. Alſo
D.Carlſtad in dieſem heiligen Text/ das iſt mein Leib/ martert
das Woͤrtlein (das) Zwingel martert das Woͤrtlein (iſt)
Ecolampard martert das Woͤrtlein (Leib) die andern martern
den gantzen Text und kehren das Woͤrtlein (das) um/ und
ſetzens hinden an/ und ſprechen alſo (Nehmet/ eſſet/ mein Leib/
der fuͤr euch gegeben wird/ iſt das) Etliche martern den Text
halb/ und ſetzen das Woͤrtlein (das) ins Mittel und ſprechen:
Nehmet/ eſſet/ was fuͤr euch gegeben wird/ das iſt mein Leib.
Etliche martern den Text alſo/ das iſt mein Leib zu meinem
Gedaͤchtnuͤß/ das iſt/ es ſoll hie mein Leib ſeyn nicht natuͤr-
lich/ ſondern nur zum Gedaͤchtnuͤß meines Leibs/ daß der
Text alſo laute/ nehmet/ eſſet/ das iſt meines Leibs Gedaͤcht-
nuͤß der fuͤr euch gegeben iſt. Uber dieſe alle ſeind nun die ſie-
bende/ welche ſagen/ es ſey kein Artickel des Glaubens/ dar-
um man nicht ſolle daruͤber zancken/ und moͤge hie wol glau-
ben wer da wil/ was er wil. Welche Meynungen alle fuͤglich in
drey Claſſes koͤnnen gebracht werden/ in claſſem Grammaticam, Rhe-
toricam und Logicam, die erſte ficht das Woͤrtlein τοῦ [...] an/ und verſteht
dadurch das Brod allein/ die andern das Woͤrtlein Jſt/ welches ſo viel
heiſſen ſoll/ als bedeutet/ Jtem das Woͤrtlein Leib/ und ſoll bedeuten das
Zeichen des Leibs/ die dritte die gantze propoſition, da zwar alle Wort ei-
gentlich verſtanden werden/ aber in ipsâ attributione ſoll ein tropus lie-
gen. Aber es laßt weder das Woͤrtlein das/ noch iſt/ noch Leib/ ange-
fuͤhrte tropos paſſiren/ nicht das Woͤrtlein τοῦ [...], als welchem wider-
ſpricht die conſtruction ἄρτος τοῦ [...], wann Paulus ſubjecti loco das
Brod ſetzt/ ſetzt er loco prædicati nicht den Leib/ ſondern die Gemeinſchafft
des Leibs; Nicht das Woͤrtlein iſt/ quia non eſt pars enunciationis,
Ariſtot. περὶ ἑρμ. wie dann auch in den Worten des Abendmahls beym
Luca und Paulo die copula außgelaſſen/ ſondern ſchlecht geſagt wird/
τοῦ [...] τὸ ποτήριον ἡ καινὴ διαϑήκη. Und mag den Stich gar nicht halten
die Gleichheit anderer Redens-Arten in der H. Schrifft/ da das Woͤrt-
lein/ iſt/ ſo viel heißt als bedeut/ wann ſchon (ait B. Luth. Tom. 3. f. 34.)
dieſer Grund/ daßEſtſollſignificatheiſſen/ Exempel in der
Schrifft haͤtte/ dennoch waͤre damit noch nicht erwieſen/ daß
es auch in den Worten/ das iſt mein Leib/ ſolte und muͤßte ſo
Neunter Theil. Ygenom-
[170]Die Dritte
genommen werden/ das werden ſie mir nimmermehr beweiſen/
das weiß ich fuͤrwar/ dann es gar viel ein anders iſt/ wann ich
ſage/ das mag ſo heiſſen/ und wann ich ſage/ das muß ſo heiſ-
ſen/ und kan nicht anders. Auff das erſte kan ſich das Gewiſ-
ſen nicht verlaſſen/ auff das andere kan ſichs verlaſſen. Das
prædicat auch nicht/ dann ja nicht das Zeichen des Leibs/ ſondern der
Leib ſelbſt iſt fuͤr uns dargegeben. In totâ attributione viel weniger.
Jſt eben (ſchreibt D. Mentzer. in explic. verb. Cœnæ p. 178.) als
wann einer ſpraͤche/ der Menſch iſt durchauß gantz geſund/
aber an ſeinem gantzen Leib hat er nicht eine geſunde Ader/
Gliedmaß/ oder Blutstropffen.
V. Πληρ [...]φορίας neceſſitas, daruͤber unſer ſel. D. Luther nach-
denckliche Wort gefuͤhrt/ damit er ſich fuͤr dem Richterſtul Chriſti zu
verantworten getrauet: Domine JEſu Chriſte, mota fuit controverſia,
\& ortum certamen, de verbis Teſtamenti tui, quidam contenderunt,
verba illa aliter, quàm in propria \& nativa ſententia ſonant, intelli-
genda eſſe: ſed quia inter ipſos non convenit, quis tropus, \& in quâ
voce ſit collocandus, non potuerunt unicam \& certam interpretatio-
nem illorum verborum conſtantes \& conſentientes oſtendere, ſed in
multas, varias \& diſſimiles interpretationes \& opiniones diſtraxe-
runt verba teſtamenti tui, non potui itaque, nec volui fidem meam in
hac tam gravi controverſia committere incertis illis, variis \& diſſen-
tientibus interpretationum \& opinionum fluctibus. E contrà verò
vidi, ſi verba accipiantur, ſicut ſonant, in ſimplici, propria \& nativa
ſententia, tunc conſtanter reddi unicam \& certam ſententiam. Ego
igitur, quia ſtatui, te voluiſſe, unicam \& certam eſſe teſtamenti tui
ſententiam, in eâ interpretatione acquievi, quam verba in ſimplici,
propria \& nativâ ſententia unicam \& certam reddunt \& oſtendunt.
Si enim aliter voluiſſes, quam ſonant, verba illa intelligi, ſine dubio
adjeciſſes claram \& apertam declarationem. Sicut idem feciſti in illis
locis, in quibus hallucinatio non eſt conjuncta cum tanto periculo,
ſicut in verbis teſtamenti tui. Das iſt: HErꝛ JEſu Chriſte/ es
hat ſich ein Zanck erhoben und ein Streit erregt/ uͤber den
Worten deines Teſtaments/ etliche haben wollen behaupten/
die Wort deſſelben ſeyen anders als in ihrem eigentlichen und
natuͤrlichen Verſtand anzunemmen/ dieweil ſie aber unter ſich
ſelbſt
[171]Predigt.
ſelbſt nicht einig/ was fuͤr eintropus,und in welchem Wort er
ſeye/ haben ſie keine ſatte und gewiſſe Erklaͤrung mit beſtaͤn-
digem und einmuͤtigem Mund zeigen koͤnnen/ ſondern die
Wort deines Teſtaments in viel und unterſchiedliche unglei-
che Meynungen gezogen: Hab ich derowegen in einer ſo
ſchweren Sach meinen Glauben jenen ungewiſſen/ unterſchie-
denen und widrigen Meynungen nicht koͤnnen noch wollen
vertrauen. Jm gegentheil aber habe ich geſehen/ wann die
Wort angenommen werden/ wie ſie lauten/ in ihrem einfaͤl-
tigen/ eigentlichen und natuͤrlichen Verſtand/ ſo habe man
eine beſtaͤndige/ ſatte/ und gruͤndliche Meynung. Weil
ich demnach dafuͤr gehalten/ daß du eine einige und gewiſſe
Meynung deines Teſtaments haben wollen/ habe ich in der
jenigen Außlegung beruhet/ welche die Wort in ihrem ein-
faͤltigen/ eigentlichen und natuͤrlichen Verſtand zeigen und
von ſich geben/ dann wann du es anders haͤtteſt wollen ver-
ſtanden haben/ als die Wort lauten/ haͤtteſt du ohne allen
Zweiffel eine helle und offentliche Erklaͤrung hinzu gethan/
gleichwie du es gethan haſt in andern Orten/ da der Zweiffel
mit ſolcher Gefahr nicht verbunden/ als in den Worten dei-
nes Teſtaments.
‘Philipp. Melancht. in Epiſt. ad Frideric. Myconium. Ego nullam ſatis firmam
rationem in venio, propter quam ab hac ſententia diſcedamus. Fieri pot-
eſt, ut alia ſententia blandiatur otioſo animo, quæ eſt magis conſentanea
humano judicio, præſertim ſic inſtructa \& ornata argumentis eruditè exco-
gitatis, ſed quid fiet in tentatione, cum diſputabit conſcientia quam habue-
rit cauſam diſſentiendi à recepta ſententia in Eccleſia: Tunc iſta verba:
Hoc eſt corpus meum, fulmina erunt; quid hic opponet mens perterrefacta,
quâ voce Dei ſe muniet, ac ſibi perſuadebit, neceſſariò hic fulſſe interpre-
tandam metaphoram.’ ()
VI. Senſus literalis concinnitas,wann demnach Chriſtus ſeine
Juͤnger alſo anredet/ Das iſt mein Leib/ der fuͤr euch gegeben
wird/ das iſt der Kelch des N. T. in meinem Blut/ das fuͤr
euch vergoſſen wird. Verſtehet er durch das Wort τοῦ [...], das/ nicht
ampliativè, das was zuvor Brod geweſen/ gleich wie Adam geſagt:
Das iſt Bein von meinem Bein/ maſſen der Leib Chriſti niemalen Brod
Y ijgewe-
[172]Die Dritte
geweſen/ gleich wie Eva ein Rippe Adams/ auch nicht den Leib Chriſti
allein/ dann das gebe propoſitionem identicam, nicht das Brod allein/
maſſen dem entgegen die conſtructio τοῦ [...] ἀοτος, ſondern das totum
porrectum, alles das was Chriſtus ſeinen Juͤngern dar gereicht/ den Leib
Chriſti in caſu recto, und das Brod in caſu obliquo, q. d. dieſer mein
Leib/ ſo ich euch in/ mit/ und unter dieſem Brod gebe/ iſt ein Opffer fuͤr
euere Suͤnde. Deßgleichen/ dieſes Blut/ ſo in/ mit und unter dieſem
Kelch dargereicht wird/ iſt das Blut des N. Teſt. welche Erklaͤrung ſich
dann gruͤndet 1. Auff den Apoſtoliſchen Com̃entarium und Außlegung/
wann der Apoſtel 1. Cor. X, 16. ſagt: Der geſegnete Kelch welchen
wir ſegnen/ iſt er nicht die Gemeinſchafft des Bluts Chriſti?
das Brod das wir brechen/ iſt das nicht die Gemeinſchafft
des Leibs Chriſti? Fern ſeye es/ daß der Apoſtel hier verſtehe Κοινωνίαν
merè ſignificativam \& metonymicam als ob der Wein nur ein gewiſſes
und kraͤfftiges Zeichen der Gemeinſchafft/ die wir Glaubige mit einander
haben am Blut Chriſti/ als an einem gemeinen Gut/ das Brod ein
Goͤttlich Zeichen der Gemeinſchafft/ die wir Glaubige mit einander ha-
ben an dem Leib Chriſti/ wie es Piſcator, aber faͤlſchlich/ erklaͤret/ dann ja
der Apoſtel nicht ſagt: Der Glaub iſt die Gemeinſchafft/ ſondern der Leib
iſt eine Gemeinſchafft/ deren auch die unwuͤrdige theilhafftig werden/ zu
dem ſo haben wir ja allbereit der Tropiſterey eine gute Nacht gegeben.
Sondern es iſt dieſe Gemeinſchafft Κοινωνία realis, repræſentativa, or-
ganica, exhibitiva, der Wein iſt ein Goͤttliches/ außerkornes Jnſtru-
ment/ durch deſſen Genuß wir kommen in die Gemeinſchafft des Bluts
Chriſti. Das Brod ein Jnſtrument/ dadurch wir kommen in die Ge-
meinſchafft des Leibs Chriſti/ auß welcher entſpringt Sacramentalis \&
realis unio \& præſentia, ein Sacramentliche und wuͤrckliche Vereini-
gung und Gegenwart des Leibs Chriſti mit dem Brod/ und des Bluts
Chriſti mit dem Wein/ gleichwie wann der Apoſtel Heb. 2. ſagt: Wie die
Kinder Fleiſch und Blut haben/ ſo ſeye es Chriſtus gleicher maſſen theil-
hafftig worden/ hernach auß ſolcher Gemeinſchafft entſprungen die per-
ſoͤnliche Vereinigung der Goͤttlichen und Menſchlichen Natur. Auß wel-
cher Sacramentlichen Vereinbarung folget gratioſa operatio \& con-
tingentia quædam, daß gleich wie 1. Joh. 1. die Juͤnger ſprechen koͤnnen:
Wir haben das Wort des Lebens geſehen mit unſern Augen/
und unſere Haͤnde haben betaſtet vom Wort des Lebens; Alſo
ruͤhren wir im H. Abendmahl auch den Leib des HErꝛn an/ maſſen die
Patres
[173]Predigt.
Patresalſo geredet.Gravius \& terribilius eſt animæ in impuritate con-
ſtitutæ corpus Chriſti temerè contingere, quàm accedere ad arietes \&
tauros. Baſilius; Item: O rem miram, qui ad dextram Patris ſedet,
in noſtrorum peccatorum manibus verſatur. Doch aber nur Unio
momentanea \& tranſiens, eine augenblickliche und vergaͤngliche Verei-
nigung nach dem Wort: Saccramenta extrà uſum non ſunt Sacramenta
i. e. Die Sacramenta auſſer dem Gebrauch ſeind keine Sacramenta.
Und das iſt der Unterſcheid unter der perſonlichen und Sacramentlichen
Vereinigung/ jene iſt unauffloͤßlich/ dieſe augenblicklich und auffloͤßlich.
Jſt deßwegen noͤthig zu wiſſen/ daß die Communicanten die Hoſtien nicht
bey ſich behalten/ und allererſt eſſen/ wann ſie ein geraume Zeit von dem
Altar weg gewichen. Und auß dieſer erſt erklaͤrten Sacramentlichen
Vereinigung flieſſet als ein effect die Communio myſtica cum capite,
die Vereinigung mit Chriſto als dem Haupt/ als um welcher willen das
gantze Werck angeſehen. Davon die H. Vaͤter ſchoͤne Gedancken fuͤh-
ren. Cyrill. Alex. l. 4. in Joh. c. 17. Sicut cera miſcetur ceræ \& fermen-
tum pani: Ita nos corpori Chriſti. Cyrill. Hieroſol. catech. 4. In S.
Communione fimus non tantùm Chriſtiferi, ſed \& concorporei \&
conſanguinei Chriſti, nicht nur aber des Leibs/ ſondern wir kommen
auch in die Gemeinſchafft Gottes/ wir werden theilhafftig der Goͤttlichen
Natur/ gleich wie die Juden dem Koͤnig Ahaſveros durch die Eſther ver-
wandt worden. Jn die Gemeinſchafft aber nicht nur des Sohns/ ſon-
dern auch des Vaters Joh. XIV, 23 Wer mich liebet/ der wird mein
Wort halten/ und mein Vater wird ihn lieben/ und wir wer-
den zu ihm kommen und Wohnung bey ihm machen: Des
H. Geiſtes/ wir ſeind durch einen Geiſt alle zu einem Leibe ge-
taufft. 1. Cor. XII, 13. darauß folget die ſelige ἰδιοπόιησις. Act. IX, 4.
Matth. XXV, 31. μεταποιία ſanctitatis. 1. Cor. III, 7. So jemand den
Tempel GOttes verderbet/ den wird GOtt verderben/ denn
der Tempel GOttes iſt heilig/ der ſeyd ihr.Unctionis regalis
\& ſacerdotalis. Apoc. I, 6. Er hat uns zu Koͤnigen und Prieſtern
gemacht fuͤr GOtt und ſeinem Vater. Κοινοποιία, daß daher
Paulus ſagen kan/ Gal. II, 20. Jch lebe/ aber doch nicht ich/ ſon-
dern Chriſtus lebet in mir. Sein Sieg wird unſer Sieg/ wir uͤber-
winden durch Chriſtum. GOtt ſey Danck/ der uns den Sieg
gegeben hat. 1. Cor. XV, 57. So hoͤre ich wol/ moͤchte jemand ſagen/ ſo
werden auch die Unglaubigen theilhafftig dieſer groſſen Gnad? Antwort/
aͤuſſerlich zwar/ aber nicht innerlich/ dann es mangelt ihnen am Mittel/
Y iijdem
[174]Die Dritte
dem Glauben/ der da heißt αρχὴ κολλήσεως Syr. XXV, 16. Confer Eph.
III, 17. Es folgt darauß ferner Κοινωνία myſtica membrorum inter ſe,
die geiſtliche Vereinigung der Glieder unter einander; Ein Brod iſts/ ſo
ſeind wir viel ein Leib/ wie auß vielen Koͤrnlein ein Meel gemahlen/ ein
Brod und Kuchen gebacken wird/ alſo ſeind wir alle Chriſto als in einen
Leib eingeleibet. Jn der Welt beſchaͤmet ſich zwar einer/ ja auch wol ein
Bluts-Freund des andern/ ein Edelman hielt ſich zu gut/ daß er eines
ſtinckenden Bauren Bluts-Freund ſeyn ſolte/ laßt ſich beduncken/ er ſeye
auß einem viel beſſern Leymen formirt/ da wir doch von einem Adamiti-
ſchen Gebluͤt alle her kommen. Act. 17. und haben uns der natuͤrlichen
Geburt wenig zu ruͤhmen/ aber durch das Sacramentliche Brod werden
wir alle ein Leib und ein Kuch/ wie die Jmmen an einem Koͤnig hangen/
und zwar inſonderheit κοινωνία Eleemoſynaria, die mittheilende Gemein-
ſchafft. Rom. 15, 26. Gal. 6, 6. σ [...]αγωνιςικὴ \& collaboratoria, die mit-
ſtreitende und mit-arbeitende Gemeinſchafft. 2. Cor. 8, 23. Sympathetica,
die mit-leidende Gemeinſchafft. Phil. 3, 10. 1. Petr. 4, 13. Es gruͤndet ſich
ferner obgedachte Außlegung II. Alluſione ad verba veteris Teſtamen-
ti. Exod. 2 4, 8. ſpricht Moſes: Sehet/ das iſt das Blut des Bun-
des/ den der HErꝛ mit euch macht uͤber allen dieſen Worten.
Jenes [...]Sehet wird klar von Paulo außgelegt durch das Wort
τοῦ [...]Hebr. IX, 20. τοῦ [...] τὸ αἷμα τῆς δια ϑήκης, Diß iſt das Blut des
Teſtaments/ das GOtt euch gebotten hat/ wird derowegen
durch das Wort τοῦ [...]Das gemeynet/ was im Alten Teſtament durch
das Wort Sehet/ dieſes Sehet aber war Ecce demonſtrativum rei
coram præſentis, weiſete auff das Blut ſo gegenwaͤrtig war/ ohne Wort-
Blum/ derowegen auch hie das Wort τοῦ [...] auff das gegenwaͤrtige Blut
Chriſti weiſet. III. Analogiâ ſimilium locutionum, als Gen. 32, 2.
[...]Es ſind GOttes Heer.Exod. 26. Es iſt der
Hebraͤiſchen Kindlein eins/ diß iſt der H. Geiſt.Joh. I, 32. Nie-
mand faßt auß dieſen Wortrn/ wann er ſie zum erſten mal lißt/ oder hoͤrt/
einen andern Verſtand/ als dieſen/ dieſe Engliſche Heer/ die in Geſtalt
eines Heerlagers erſchienen/ ſeind GOttes Heer/ dieſer Knab/ der in
dieſem Kaͤſtlein ligt/ iſt der Hebraͤiſchen Knaͤblein eines/ dieſe Perſon/
die in Taubens-Geſtalt herunter gefahren/ iſt der H. Geiſt. Jch greif-
fe ein Faß an/ (ſagt B. Luther.) und ſpreche/ das iſt Rheiniſch
Wein/ das iſt Welſch/ das iſt rother Wein/ da ſicheſtu/ wie
das Woͤrtlein/ Das/ zeiget auff das Gefaͤſſe/ und doch weil
das
[175]Predigt.
das Getraͤnck und Gefaͤſſe etlicher maſſen ein Ding iſt/ ſo
triffts zugleich/ ja fuͤrnemlich das Getraͤncke.
Auß welchem allem ſo viel folget/ daß es wahr ſeye/ was jenes junge
vier-jaͤhrige Herꝛlein/ Landgraf Moritz in Heſſen ſich vernehmen laſſen/
als er einsmals einem diſcurs vom H. Abendmahl zugehoͤrt/ zwiſchen
ſeinem Herꝛn Vater Wilhelm und Superintendenten D. Jacob. An-
dreæ, welches D. Andreæ ſelbſt ſub dato Ziegenheim den 8. Auguſti
1576. ad Elect. Auguſtum alſo beſchreibt/ daß er vor dem Tiſch geſtan-
den/ und ſie beyde ernſtlich angeſehen/ darauff Landgraff Wilhelm ihn
angeredt/ er ſolle ſein Bedencken auch anzeigen/ deſſen er ſich zwar zum
drittenmal geweigert/ als aber der Herꝛ Vater angehalten/ hat das junge
Herꝛlein geſagt: Jch rathe/ wir bleiben bey dem Buchſtaben
im Wort. Auch ſolches auff den Abend uͤber Tiſch wiederholt/ und
als S. F. Gn. ſolches erzehlten/ ſeines Herꝛn Vaters Reden corrigirt/
weil S. F. Gn. ſolche Wort geaͤndert/ nemlich er haͤtte geſagt/ man ſolle
bleiben bey dem Wort/ nein/ ſagte das junge Herꝛlein: Jch habe ge-
ſagt/ im Wort. Die [...]πίκρισις D. Jacob. Andreæ lautet alſo: Diß
iſt in Warheit nicht ohngefaͤhr geſchehen/ und hat ohne Zweiffel Gott
zum Nachdencken diß junge Kind/ wie Matth. 18. fuͤrgeſtellt/ daß man
bey dem einfaͤltigen Wort bleibe/ und da ſolches geſchehe/ die Einigkeit
richtig waͤre. vid. D. Hutter. Concord. p. 357. So habe nun acht
auff dich ſelbſt/ und auff die Lehre/ beharre in dieſen Stuͤ-
cken.Cum Teſtamentum prolatum fuerit in publicum, tacent
omnes, ut tabulæ aperiantur \& recitentur. Judex intentus audit,
Advocati ſilent, præcones ſilentium faciunt, univerſus populus ſu-
ſpenſns eſt, ut legantur verba mortui non ſentientis in monumento.
Ille ſine ſenſu jacet in monumento, \& valent verba ipſius, Auguſt.
in Pſalm. 21. Das iſt: Wann ein Teſtament offentlich fuͤr-
gebracht wird/ ſo ſchweiget jederman/ daß der letſte Will er-
oͤffnet und vorgeleſen werde/ der Richter hoͤret genau zu/ die
Fuͤrſprech ſchweigen ſtill/ die Herolden machen eine Stille/
das gantze Volck wartet mit Verlangen/ daß die Wort des
Verſtorbenen/ ſo in dem Grab weder hoͤren/ ſehen noch re-
denkan/ moͤchten vorgeleſen werden. Jener ligt zwar in
dem Grab tod/ doch gelten ſeine Wort. Wie vielmehr ſoll das
bey dem Teſtament Chriſti gelten/ der nicht tod/ noch in dem Grab/ ohne
Rede und Verſtand da lieget/ ſondern ſitzt droben im Himmel zur rechten
Hand
[176]Die Dritte
Hand GOttes: Demnach es billig ſacroſanctum ſeyn ſoll/ auch keinen
Buchſtaben darin zu aͤndern. Darum [...]πίμενε αὐτοῖς, beharre in den-
ſelben/ widerſtehet feſt in dem Glauben/ ihr/ die ihr durch
GOttes Macht durch den Glauben bewahret werdet zur Se-
ligkeit. 1. Petr. V, 9. c. I. ꝟ. 5. ςήκετε [...]ν τῇ πίςει, Wachet/ ſtehet im
Glauben/ ſeyd Mannlich// und ſeyd ſtarck. Wil die Paradiß-
Schlang auff gezogen kommen mit allerhand Argumenten/ mit der Ana-
logiâ Sacramentali, mit der Vernunfft/ mit den vermeynten Contra-
dictionen/ ſo laßt euch nicht abwendig machen/ es wird auch ins kuͤnff-
tig denſelben begegnet werden/ und wann ihr gleich nicht alſobald allen
Argumenten begegnen koͤnnet/ ſo bleibet doch feſt bey dem Buchſtaben.
Ein Baur/ wann man ihn gleich durch eine κυ [...]είαν und Sophiſterey be-
reden wolt/ er haͤtte nicht zween Fuͤſſe/ und ſpreche: Ein Ganß hat zween
Fuͤſſe/ du biſt kein Ganß/ darum haſtu nicht zween Fuͤſſe/ er wirds drum
nicht glauben/ wiewol wir ſo bloß nicht ſtehen. Gedencket an Evam/
wie es ihr gangen/ an Moſe/ da er vom Wort gewichen Num. XX, 8. ſeqq.
in der Wuͤſten Sin/ an dem Hader-Waſſer/ da Moſi und Aaron befohlen
worden den Fels anzureden/ ſo werde er ſein Waſſer geben. Aber Mo-
ſes zweiffelt/ werden wir euch auch Waſſer bringen auß dieſem
Fels? ſchlug derowegen zweymal an den Felſen/ weil es ihm aber nicht
befohlen geweßt/ dorffte er um ſolches Unglaubens willen die Gemeine
nicht ins Land Canaan fuͤhren. Gedencket an jenen Propheten zu
Bethel. 1. Reg. 13. dieſer hatte den Befehl von Gott/ er ſolte kein Brod
da eſſen noch Waſſer trincken/ und nicht wieder durch den Weg kommen/
den er gegangen. Ein alter Prophet aber zu Bethel zog ihm nach/ und
da er ihn fand/ ſprach er: Jch bin auch ein Prophet wie du/ und
ein Engel hat mit mir geredt durch des HErꝛn Wort und ge-
ſagt: Fuͤhre ihn wieder mit dir heim/ daß er Brod eſſe und
Waſſer trincke. 1. Reg. XIII, 18. Als er aber mit ihm gezogen/ und
mit ihme gegeſſen und getruncken/ mußte er hernach ſeine Jrten theur ge-
nug bezahlen/ dann er wurde umbracht von einem Loͤwen auff dem We-
ge. Stellet euch im Gegentheil Abraham fuͤr Gen. 22. der hatte viel-
mehr Urſach gehabt den Goͤttlichen Befehl (Nim Jſaac deinen einigen
Sohn den du lieb haſt/ und gehe in das Land Morija/ und opffere ihn
daſelbſt zu einem Brand-Opffer) figuͤrlicher und verbluͤmter weiß zu ver-
ſtehen/ aber er war ſtarck im Glauben/ und gedachte/ Gott kan ihn auch
wol von den Todten auſferwecken. So wird auch Gott nicht allein
ſein Teſtaments-Wort unter uns erhalten/ wir werden freudig ſtehen koͤn-
nen
[177]Predigt.
nen am Juͤngſten Tage/ mit Luthero ſprechende: Jch bin ein Schaͤflein
deiner Weyde/ und habe deine Stimme angenommen/ wie ſie gelautet.
Darauff dann der Ertzhirt ſagen wird. Meine Schaafe hoͤren meine
Stimme/ und ich kenne ſie/ und ſie folgen mir/ und ich gebe ihnen das
ewige Leben/ und niemand wird ſie mir auß meiner Hand reiſſen in alle
Ewigkeit/ Amen.
Die Vierte Predigt/
Von
Der Nacht/ da der HErꝛ JEſus verrathen
ward/ als der Zeit wann das H. Abendmahl
eingeſetzet worden.
GEliebte in Chriſto. Ein zumal grauſame und
ſchroͤckliche Nacht iſt geweſen nox Ægyptiaca, die jenige
Metz- und Wuͤrg-Nacht/ in welcher alle Erſt-Geburt in
Egypten geſchlagen worden/ von dem erſten Sohn Pha-
rao an/ der auff ſeinem Stul ſaß/ biß auff den Sohn der
Gefangenen/ und der Magd der hinder der Muͤhlen iſt/
daß wer es nur gehoͤrt/ ihme die Ohren druͤber gellen moͤchten/ beſchrie-
ben von Moſe/ Exod. XII, 29.
I. Nox terribilis,eine erſchroͤckliche Nacht. Ja freylich eine
ſchroͤckliche Nacht/ ein ſchroͤckliche Nacht war auch die jenige/ da der En-
gel des Herꝛn außgefahren/ und im Aſſyriſchen Laͤger hundert und fuͤnff
und achtzig tauſend Mann geſchlagen/ daß da ſie ſich am morgens auff-
machten/ alles voll todte Leichnam gelegen. Eſa. XXXVII, 36. Erſchroͤck-
lich die jenige Nacht/ wann Belſazer der Babyloniſche Koͤnig/ da er ſei-
nen Gewaltigen und Hauptleuten/ ein herꝛlich Mahl gemacht/ und ſich
voll mit ihnen geſoffen/ einsmals geſehen herfuͤr gehen fuͤnff Finger/
als einer Menſchen-Hand/ die geſchrieben gegen dem Leuchter uͤber auff
Neunter Theil. Zdie
[178]Die Vierte
die getuͤnchte Wand in dem Koͤniglichen Saal/ daß ſich der Koͤnig dar-
uͤber entfaͤrbet/ ſeine Gedancken ihn erſchrecket/ daß ihm die Lenden ſchut-
terten und die Beine zitterten/ in welcher er auch nachmalen getoͤdtet wor-
den. Dan. 5. Deß gleichen die veſperæ Siculæ. Anno 1282. wann in ei-
Gottfrid.
Chron. p.
195.ner Nacht auff den dritten Oſter-Feyrtag oder Oſter-Dienſtag/ da man
an allen Orten in die veſper geleutet/ die Sicilianer in groſſer furi, ex
compoſito, die Frantzoſen/ die unredlicher weiß der Koͤnigreich Sicilien
und Neapolis bemaͤchtiget/ groſſe Tyranney darin geuͤbet/ uͤberfallen/ bey
viel tauſend nieder gehauen und ermordet/ die Weiber/ ſo von den Fran-
tzoſen geſchaͤndet worden/ mit der Frucht getoͤdt/ auß den Winckeln/ da-
hin ſie ſich verſchloffen/ herfuͤr geſucht/ es doͤrffte nicht bleiben einer der
an die Wand piſſet. Aber viel erſchroͤcklicher war die Egyptiſche Nacht/
wann wir alle Umſtaͤnde bedencken/ die Zeit/ da das wuͤrgen angegan-
gen/ war die Mitternacht/ da die Leute in der Ruhe waren im beſten
Schlaff/ und im geringſten ſich nichts boͤſes verſehen/ die Wuͤrger das
waren Malache Raym,boͤſe Engel/Pſ. LXXVIII, 49. Hamaſchchith.
vaſtator ille,der Verderber/Exod. XII, 23. den Gott gleichſam loß
gelaſſen/ als einen boͤſen Ketten-Hund/ der als der ἀνθρωποκτόνος unmit-
telbar grauſam gewuͤtet/ und hat da getroffen alle Erſtegeburt und
ſeinen Muth recht gekuͤhlt/ an Menſchen und Vieh/ und zwar den Kern/
das Edelſte die Erſtegeburt ꝟ. 12. 29. nulla familia ſine luctu, er bewieß
auch ſeine Straff an allen Goͤttern der Egypter/ welches dann einen un-
ſaͤglichen Schrecken gegeben. Da ſtund Pharao auff und alle ſei-
ne Knechte in derſelben Nacht und alle Egypter/ und war ein
groß Geſchrey in Egypten/ dann es war kein Hauß/ da nicht
ein Todter innen waͤre.Exod. XII, 30.
II. Nox judicis mirabilis,ein Wunder-Nacht. Es hatten
die Egypter alle den Tod verſchuldet/ wegen des Kinder-Mords den ſie
an den Hebraͤiſchen Knaͤblein veruͤbt und begangen. Gott aber er-
wehlt allein die Erſtgeborne/ und ſonderlich des Koͤnigs erſtgebohrner
Sohn.
III. Nox læta \& amabilis,eine froͤliche und erwuͤnſchte
Nacht/ auff ſeiten des Juͤdiſchen Volcks/ als welchen Gott ein ſalva
quardi gegeben/ wenn er das Sacrament des Oſter-Lamms geſtifftet
kein Hund muckete in ihren Haͤuſern/ ſie beſtrichen ihre Hauß-Schweilen
mit des Oſter-Lamms Blut/ da mußte der Wuͤrg-Engel fuͤruͤber hupf-
fen. Jhr ſolt des Oſter-Lamms Blut nemmen/ und beyde
Pfoſten
[179]Predigt.
Pfoſten an der Thuͤr/ und die oͤberſte Schwelle damit beſtrei-
chen/ an den Haͤuſern da ſie es innen eſſen/ und das Blut ſoll
euer Zeichen ſeyn an den Haͤuſern darinnen ihr ſeyd/ daß/
wann ich das Blut ſehe/ fuͤr euch uͤbergehe/ und euch die Plage
nicht wiederfahre/ die euch verderbe/ wann ich Egyptenland
ſchlage. Und nemmet ein Puͤſchel Jſopen/ und dunckets in
das Blut in dem Becken/ und beruͤhret damit die Uber-
Schwelle/ und die zween Pfoſten/ und gehe kein Menſch zu
ſeiner Hauß-Thuͤr heraͤuß biß an den Morgen. Denn der
HErꝛ wird umher gehen und die Egypter plagen/ und wenn
er das Blut ſehen wird an der Uber-Schwelle/ und an den
zween Pfoſten/ wird er fuͤr der Thuͤr fuͤruͤber gehen/ und den
Verderber nicht in euere Haͤuſer kommen laſſen zu plagen.
Exod. XII, 7. 13. 22. 23. Und alſo muckete kein Hund/ beyde
unter Menſch und Vieh/ auff daß ihr erfahret/ wie der HErꝛ
Egypten und Jſrael ſcheide.Exod, XI, 7. Quemadmodum regiæ
ſtatuæ, quamvis inanimatæ, confugientes ad ſe, tamen ſervare ſolent,
non quia ſtatuæ, ſed quia Regem repræſentant: ſimiliter agni ſan-
guis homines ſalvos facere debuit, non quia ſanguis erat, ſed quia
ſanguinem Chriſti referebat. ſagt Chryſoſt. Tom. 5. in ſerm. Das iſt:
Gleichwie die Koͤnigliche Ehren-Saͤule/ wiewol ſie lebloß/
doch alle die ſo ihre Zuflucht zu ihnen nemmen/ beym Leben
zu erhalten pflegen/ nicht ſo fern ſie ſteinerne Saͤulen/ ſondern
ſo fern ſie an ſtatt des Koͤnigs da ſtehen; Gleicher geſtalt
mußte das Lamms-Blut das Jſraelitiſche Volck ſchuͤtzen
und vom Tod erretten/ nicht ſo fern es Lamms-Blut/ ſon-
dern ſo fern es Chriſti Blut fuͤrbildete.
IV. Nox memorabilis, eine denckwuͤrdige Nacht/ dann in
derſelbigen Nacht zogen ſie auß der ſchweren Dienſtbarkeit/ darinnen ſie
430. Jahr ſich haben muͤſſen ſchleppen/ aͤngſten und plagen laſſen/ und
zwar mit groſſer Beute/ der ſilbern und guldenen Geraͤthe/ und Kleidern/
da der gerechte Richter den Egyptern gleichſam den Heimgang gethan/
und den Jſraeliten ihren Lied-Lohn zu erkant/ mit Schaafen und Rindern
und mit faſt vielem Viehe. Deßwegen auch der Herr das Oſter-Feſt
eingeſetzet zum ewigen Gedaͤchtnuͤß. Haltet ob dem ungeſaͤuerten
Brod/ dann eben an demſelbigen Tag hab ich euer Heer
Z ijauß
[180]Die Vierte
auß Egyptenlande gefuͤhret/ darum ſolt ihr dieſen Tag hal-
ten/ und alle euere Nachkommen zu ewiger weiſe.Exod. XII, 17.
Jſt alles zum Fuͤrbild auff Chriſtum geſchehen/ als zu vernehmen
Hebr. XI, 28. Durch den Glauben hielt er (Moſes) die Oſtern
und das Blutvergieſſen/ auff daß der die Erſten Geburten
wuͤrgete/ ſie nicht treffe. Es iſt meine Liebſten/ die ewige Nacht/
dem Teuffel und ſeinen Engeln bereitet/ die aͤuſſerſte Finſternuͤß/ darin
das gantze Menſchliche Geſchlecht haͤtte verderben muͤſſen. (Dann
nachdem wir einmal den Glantz des Goͤttlichen Ebenbildes verſchertzet/
ſeind wir zur ewigen Finſternuͤß verdamt/ maſſen die Finſternuͤß des
Verſtands/ Finſternuͤß des Willens/ das iſt/ Begierde zu den Wercken
der Finſternuͤß/ Finſternuͤß im Hertzen/ Furcht/ Angſt/ Schrecken/
Bangigkeit fuͤr GOttes Gericht/ der Vorſchmack der ewigen Finſter-
nuͤß.) Nox terribilis, dann wer wil außſprechen/ die aͤuſſerſte Finſter-
nuͤß/ da ſeyn wird Heulen und Zaͤhnklappen/ die unaußſprechliche
Schmertzen/ Pein/ Marter und Qual der Verdam̃ten/ daß wer daran
gedenckt/ einem billig die Haut ſchauret/ und alle Haar gen Berg ſtehen.
Nox mirabilis, die wird verwandelt in eine Creutz-Nacht/ da unſer Buͤr-
ge JEſus Chriſtus die Marter und Pein auff ſich genommen/ die wir
haͤtten ſollen außſtehen/ da der rechte primogenitus das Schooß-Kind
des Himmliſchen Vaters/ die erſte Krafft und Macht Gottes/ der ober-
ſte im Opffer und der oberſte im Reich. Confer 2. Reg. 3. in die aͤuſſerſte
Schmertzen des ewigen Tods geſetzt/ folgenden Tag aber am Stammen
des Creutzes erwuͤrget und getoͤdtet worden. Nox amabilis \& læta,
eine erfreuliche Nacht dem gantzen Menſchlichen Geſchlecht acquiſitivè,
darin er Heyl/ Leben und ewige Seligkeit erworben. Aber den glaubi-
gen und außerwehlten Kindern GOttes/ welche dieſes Oſter-Lamm mit
Glauben eſſen/ erfreulich/ wegen des Genuſſes ſelbſten/ hie anfangs
weiß/ dort vollkom̃lich immer und ewiglich. Nox memorabilis, deren
wir nimmermehr vergeſſen/ Kindern und Kindes-Kindern davon ſagen
ſollen/ wie dann der Herr darum das H. Abendmahl eingeſetzt ad me-
moriam ſui, ſeinen Tod zu verkuͤndigen. Jſt eben die jenige Nacht/ in
welcher der HErꝛ JEſus verrathen. Zu gleicher weiß wie man aber in
Hiſtoriſcher Beſchreibung/ ſonderlich in Teſtaments-Verfaſſung/ pfle-
get die denckwuͤrdigen Umſtaͤnd zu verfaſſen/ ad reminiſcentiam juvan-
dam, alſo thun auch hie die H. Evangeliſten/ nennen die Zeit/ und derſel-
ben
[181]Predigt.
ben anhangenden Umſtand der prodition und Verrathung. Jſt eben
das jenige davon wir dieſes mal zu reden und zu handeln/ dann nachdem
wir naͤchſt den ſtylum der H. Evangeliſten erwogen/ alſo wollen wir nun
erwegen den erſten Umſtand/ die Zeit/ wann dieſes H. Teſtament einge-
ſetzet worden. Der Herr verleihe zu unſerm Vorhaben Liecht/ Krafft
und Beyſtand des H. Geiſtes/ Amen.
GEliebte in Chriſto. Drey Umſtaͤnd haben wir allhie
zu betrachten 1. Tempus, 2. Temporis progreſſionem,
3. Temporis memorabile adjunctum. I. Tempus ipſum,
die Zeit an ſich belangend/ das war nun eine Nacht/ wir muͤſſen aber der
Sach fleiſſiger nachdencken/ als an deren nicht wenig gelegen/ und erwe-
gen das Jahr/ ſo iſt nun ſolches geſchehen im Jahr der Welt 3983. im
Jahr Chriſti 33. unter der Regierung des Kayſers Tiberii, der Land-
Pflegerey Pilati, und dem Hohen Prieſterthum Caiphæ, den Monat/
das war der Hebraͤiſche Abib, der Chaldaͤiſche Niſan, ohngefaͤhr in un-
ſerm Mertzen theils/ theils im Aprillen/ welcher Monat ſeinen Anfang
genommen in æquinoctio verno, da Tag und Nacht zur Fruͤhlings Zeit
einander gleich geweßt. Den Tag/ das war zu End des 14. Tags zu Abend/
darauff der 15. Tag und alſo der erſte Tag der ſuͤſſen Brod nach Juͤdiſchem
Gebrauch angebrochen/ wie erhellet Lev. XXIII, 5. Am vier zehenden
Tag des erſten Monden zwiſchen Abends/ iſt des HErꝛn
Paſſah/ und am fuͤnffzehenden deſſelben Monden iſt das Feſt
der ungeſaͤuerten Brod des HErꝛn/ da ſolt ihr ſieben Tage
ungeſaͤuert Brod eſſen. Zu unſerer Zeit gerechnet am gruͤnen Don-
nerſtag/ des Tags Zeit war inter duas veſperas, zwiſchen zween Abenden.
Variè quidem à Rabinis \& aliis interpretibus circumſtantia illa
temporis inter duas veſperas exponitur 1. Rabbi Nathan. R. Si-
meon filius Johai. R. Salomon. R. Levi. R. D. Kimchi. R. Moſes
Gerundenſis, Lyranus, Abulenſis \&c. Primam veſperam dicunt
eſſe declinationem ſolis à meridie verſus occaſum, ſecundum ipſum ſolis
occaſum. Sed illorum ſententiam refellit Aben-Ezra cum inſo-
lens ſit, totum tempus pomeridianum vocari veſperam. 2. Aben-
Ezra, Oleaſter, Jacobus Faber Stapulenſis, \& alii ſtatuunt, pri
mam veſperam eſſe ſolis occaſum, ſecundum eſſe initium noctis ſive tene-
brarum. Inter has enim intercedit crepuſculum, puta aliquid temporis,
quo lumen aliquod ſolis poſt ejus occaſum in aëre adhuc apparet, per-
Z iijinde
[182]Die Vierte
inde ut fit manè ante ſolis ortum. Hanc ſententiam amplectuntur
Judæi hodierni, \& quotquot ab hinc 400. annos ex ipſorum or-
dine ſcripſerunt, unde definiunt illud tempus duarum veſpera-
rum, inter ſolem horizonti occiduo inſidentem, idque vocant
[...] \& à noſtro hæmiſphærio abſentiam, quod ipſis dici-
tur [...]una veſpera (inquit Aben-Ezra) eſt ſolis, altera
Luminis, Solis veſpera eſt tempus, quo occidit Sol, \& abſorbetur ſuper
terram, Luminis veſpera eſt Lux, ſplendor, ſive irradiatio illa, quæ poſt
occaſum ſolis in nubibus aliquandiu apparet. Sed Scaliger l. 6. de
Emend. temp. p. 269. rectè monet, intervallum illud adeò angu-
ſtum eſſe, ut ςιγμὴ χρόνου non abſurdè vocari poſſit. Adde, quod
tempore illo agnus fuerit manducandus. Nam, ut conſtat ex
Levit. 23. ꝟ. 5. Num. 28. ꝟ. 16. agnus immolandus erat die decima
quarta ad veſperam, ſed comedendus cum azymis die decima
quinta, quæ incipiebat à ſolis occaſu, quo finiebatur dies decima
quarta, ut patet Exod. 12. ꝟ. 6. \& 8. Quod ſi ergo illud tempus
comeſtioni agni Paſchalis fuit deſtinatum, quomodo in illius an-
guſtiis agnus jugulari, pelle exui, exenterari, purgari, igne aſſa-
ri, manducari poterit. 3. Lipomanus dicit, tempus inter duas ve-
ſperas eſſe noctem, quæ inter veſperam diei præcedentis, \& inter crepuſcu-
lum matutinum, quod dici poteſt veſpera, diei ſequentis injecta eſt. At-
qui hac ratione agnus paſchalis non veſpere diei decimæ quar-
tæ, ſed nocte pertinente ad diem decimam quintam immolatus
fuiſſet, quod Scripturæ repugnat. 4. Sed commodiſſima eſt
ſententia Scaligeri, Cajetani, Maſii, Schindleri, Caſauboni, \&c.
quod tempus inter horam nonam, quæ reſpondet noſtræ tertiæ
pomeridianæ, \& horam undecimam, quæ reſpondet noſtræ
quintæ, interjectum dictum fuerit duarum veſperarum, ſive in-
ter duas veſperas. Duplex enim eſt apud Judæos [...] à quo die
initium juxta legalem computationem facere ſolent. Alterum
eſt ab oblatione veſpertina, cum jam ſol declinat ad occaſum;
alterum à ſolis occaſu, cum jam infrà noſtrum horizontem de-
ſcendit. Intervallum oblationis \& occaſus vocatur in lege
[...] τῷ ἐσπέρῳ duæ veſperæ. Ita Gerhard. in harm. Evang.
cap. 179. p. m. 1264.
Von 9. Uhr an biß 11. nach dem Juͤdiſchen comput, unſerer Zeit-Rech-
nung nach zwiſchen Abends drey und fuͤnff Uhren/ da man das Abend-
Opffer
[183]Predigt.
Opffer pflegte zu opffern/ eben um die Stund/ als das Lamm GOttes
am Creutz ſeinen Geiſt folgenden Tags auffgegeben/ das war nun die
Stund/ davon der Herr ſo offt geſagt: Die Stund waͤre noch nicht
kommen/ jetzt war die Stund da/ die Macht der Finſternuͤß/ die traurige
Stund/ davor ihm ſo angſt und bang geweßt/ Joh. XII, 27. Jetzt iſt
meine Seele betruͤbt/ und was ſoll ich ſagen? Vater hilff mir
auß dieſer Stunde. Und Joh. XIII, 21. Da JEſus ſolches ge-
ſagt hatte/ war er betruͤbt im Geiſt. Das iſt die innere Seelen-
Nacht/ da die Wolcken des Goͤttlichen Zorns/ und das Ungewitter ſich
zuſammen gezogen/ da GOttes hoͤll-brennender Zorn nachgehends uͤber
ihn außgedonnert/ und die Baͤche Belial ſich uͤber ihn ergoſſen. Die
Suͤnde alle ins geſamt Heersweiß unter die Augen getretten/ das war
die Zeit/ da er wußte daß er auß dieſer Welt gienge zum Vater.
Joh. XIII, 1. Jetzt gehet das Gericht uͤber die Welt/ nun wird
der Fuͤrſt dieſer Welt außgeſtoſſen werden.Joh. XII, 31. Hie fallet
gleich anfangs die Frag fuͤr/ darinnen die Gelehrten nicht allerdings
eins/ ob Chriſtus anticipirt/ und die Oſtern ehe gehalten/ als die Juden/
oder zugleich. Jenes wolten vor Zeiten die Griechen behaupten/ vor-
gebende/ man muͤßte in geſaͤuertem Brod communiciren/ weil Chriſtus/
ehe die Tage der ſuͤſſen Brod angebrochen/ Oſtern gehalten. Paulus
Burgenſis haͤlt davor/ die Juden haͤtten es auffgeſchoben/ und einen Tag
weiter hinauß verlegt. Wider die Schrifft/ dann Luc. XXII, 7. ſteht
klar: Es kam nun der Tag der ſuͤſſen Brod/ auff welchen man
mußte opffern das Oſter-Lamm. Vermuthlich iſts/ es ſeye auff
einen Tag geſchehen/ dann ſo allererſt den Tag hernach die Juden Oſtern
gehalten/ oder vielmehr zween Tag hernach/ als am Samſtag/ ſo wuͤr-
den die Juͤnger noch nicht alles bereit gefunden haben/ auch Chriſtus eine
ſchwere Anklag uͤber ſich ergehen laſſen muͤſſen. Sprichſtu/ es ſtehet ja
Joh. XVIII, 28. Die Juden giengen nicht in das Richthauß/
auff daß ſie nicht unrein wuͤrden/ ſondern die Oſtern eſſen
moͤchten. Antwort/ hie werden verſtanden die Oſter-Opffer/ ſo die ſie-
ben Tag uͤber nacheinander geſchlachtet worden. Act. XII, 4. bey welchen
kein Unreiner erſcheinen durffte. Num. IX, 1. wie? Sprichſtu ferner/ der
Tag der Creutzigung Chriſti wird ja der Ruͤſt-Tag genennet. Joh. XIX, 14.
Antwort/ nicht der Ruͤſt-Tag auff das Oſter-Lamm/ dann das dorffte
man auff den Oſter-Tag ſelbſt ſchlachten und braten. Exod. XII. 16. ſon-
dern auff den Oſterlichen Sabbath/ ϖ [...]σά [...]ατον, Marc. XV, 42.
II. Pro-
[184]Die Vierte
II. Progreſſio temporis von Tag zu Tag. Am vorigen Sab-
bath/ unſerm Sonnabend vor dem Palmtag/ kam der Herr gen Be-
thanien/ 15. Feldwegs von Jeruſalem gelegen/ wird bewuͤrthet von La-
zaro und Martha/ kehret ein in ein Hauß Simonis des Außſaͤtzigen/
wird da geſalbet von einem Weib Maria/ auß einer Stadt Ephrem ge-
nant. Am folgenden Tag darauff/ als unſerm Sonn- und Palm-Tag/
welches war der zehende Tag/ da ſonſt nach Moſaiſchem Geſetz/ das
Oſter-Lamm mußte erwehlt und außgeſondert werden/ ſtellet ſich dieſes
Laͤmmlein zu Jeruſalem ein/ mit ſonderem ungewohnlichem apparat,
dann als er nahe hinzu kommen/ reitet er auff einem Eſelin vom Oelberg
herab/ weinet uͤber die Stadt/ haͤlt ſeinen Koͤniglichen Einzug/ trieb die
Kaͤuffer und Verkaͤuffer auß dem Tempel/ am Abend machte er ſich wie-
der hinauß/ und verbarg ſich gen Bethanien/ das geſchach am Palmtag.
Am folgenden Montag zog er wieder von Bethanien gen Jeruſalem/
verflucht unterwegs den unfruchtbarn Feigenbaum/ lehrt offentlich im
Tempel/ auff den Abend zog er wieder zu der Stadt hinauß. Am Dien-
ſtag kom̃t er wieder in die Stadt Jeruſalem/ thut allerhand Predigten/
haͤlt diſputat mit ſeinen Feinden/ davon Matth 21. 22. cap. Marc. 11, 12.
Luc. 20, 21. zu leſen/ gegen Abend wieder hinauß auff den Oelberg/ ſetzt ſich
gegen dem Tempel/ propheceyt von Untergang der Stadt und vom
Juͤngſten Gericht. Matth. 24. 25. Marc. 13. Luc. 21. kom̃t aber wieder in
die Stadt/ biß auff den gruͤnen Donnerſtag/ wie wir dann von dem Mit-
woch nichts wiſſen/ der Herr ſagt: Jhr wiſſet/ daß nach zweyen
Tagen Oſtern wird/ und des Menſchen Sohn wird uͤber-
antwortet werden/ daß er geereutziget werde.Matth. 26, 2. trifft
alles gar artig ein/ mit dem Typo des Alten Teſtaments/ dann am ze-
henden Tag mußte das Laͤmmlein außgeſondert werden/ das geſchach am
Palmtag/ auff daß es den 14. Tag geſchlachtet wuͤrde.
III. Concomitantia temporis,Jn der Nacht da er verra-
then war/ παρεδόϑη iſt zu verſtehen de traditione Patris von der Uber-
gab des Vaters/ Act. 2, 23. Denſelben nachdem er auß bedachtem
Rath und Verſehung GOttes ergeben war/ habt ihr genom-
men durch die Haͤnde der Ungerechten/ und ihn angehefftet
und erwuͤrget. Und Act. 4, 27. Warlich ja/ ſie haben ſich ver-
ſamlet uͤber dein heiliges Kind JEſum/ welchen du geſalbet
haſt/ Herodes und Pontius Pilatus/ mit den Heyden und
dem Volck Jſrael/ zuthun was deine Hand und dein Rath
zuvor
[185]Predigt.
zuvor bedacht hat/ das geſchehen ſolt. Die ſchwartze Wetter des
Goͤttlichen Zorns zogen allgemach von allen Orten auff ihn zu/ Gott
warff aller Suͤnde auff ihn/ die ihn dermaſſen quaͤlten/ daß ſeine Seele
betruͤbt wurde biß in den Tod/ eine einige Suͤnde wider das Gewiſſen
wie angſt macht ſie doch dem Menſchen! wil geſchweigen alle Suͤnden.
παρεδόϑη er war uͤbergeben von ſich ſelbſt/ dann er gibt ſein Leben ſelbſt in
Tod/ er gibt ſeinen Leib zu einer Speiß/ und ſein Blut zu einem Tranck/
παρεδόϑη er war uͤbergeben dem Satan/ der als der hoͤlliſche Jaͤger der
fruͤh-gejagten Hindin allenthalben nachgeſtellt/ der hat ſeinen Spuͤr-
Hund eben dazumal um 30. Silberling gedingt/ die Jaͤger waren die
Hohenprieſter und Schrifftgelehrten/ die Hunde die Scharwacht/ Pon-
tius Pilatus/ Herodes/ da war er im Hatz und in der Jagt/ derowegen
da alſo Chriſtus der Eingebohrne Sohn GOttes uͤbergeben und von
Juda verrathen war/ da ſchon der Geding gemacht/ und der Satan dem
Juda ins Hertz gegeben/ daß er ihn verrieth/ biß er vollends durch den
Biſſen/ von Chriſto dargereicht/ geoffenbaret/ und daruͤber grimmig boͤß
worden/ hinauß gegangen/ und ſeinen boͤſen Willen vollbracht. Da der
hoͤlliſche Wolff ſeine Zaͤhne gewetzt/ das Laͤmmlein GOttes zu verſchlin-
gen/ da der Satan Stricke und Ketten zuſammen geflochten/ ihn zu bin-
den/ die Ruth und Geiſſeln bereitet/ ihn zu geiſſeln/ die Naͤgel zuſammen
geleſen/ das Holtz erkohren/ Gall und Eſſig uͤbergeſetzt/ da hat er das
H. Abendmahl eingeſetzt. Nicht hat ers gethan dazumal/ als er von
himmliſcher Glori geleuchtet Matth. 17. Nicht auff den letſten Tag/
da er mit Triumph gen Himmel gezogen/ zu bezeugen/ daß es eine Traur-
und Troſt- und Lieb- und ſonderliche Ehren-Mahlzeit/ daß es ihm nicht
um ſeine Majeſtaͤt/ ſondern um unſere Seligkeit zu thun geweſen/ daß es
eine Mahlzeit der reiſenden Wall-Bruͤder in dieſer ſtreitenden/ und nicht
der ſeligen Himmels-Burger in der triumphirenden Kirchen/ ein Mahl
fuͤr die Krancken und nicht fuͤr die Geſunden. Und das war nun die
Nacht/ darinnen Chriſtus das H. Abendmahl eingeſetzet hat/ die von
Gott beſtim̃te/ fuͤrgebildete/ geiſtliche Traur-Nacht/ uns Menſchen
aber die hoͤchſte Troſt- und Freuden-Nacht. Das war die Zeit/ davon
wir pflegen zu ſingen: Er ſprach zu ſeinem lieben Sohn/ Die
Zeit iſt hier zu erbarmen/ Fahr hin meins Hertzens werthe
Cron/ Und ſey das Heyl dem Armen/ Und hilff ihm auß der
Suͤnden Noth/ Erwuͤrg fuͤr ihn den bittern Tod/ Und laß
ihn mit dir leben. Darum: Nun freut euch liebe Chriſten ge-
Neunter Theil. A amein/
[186]Die Vierte
mein/ Und laßt uns froͤlich ſingen/ Von GOttes ſuͤſſer
Wunderthat/ Die er an uns gewendet hat/ Gar theur hat
ers erworben.
Auß welchem dann erhellet/ wann und zu welcher Zeit das heilige
Abendmahl zu empfangen ſeye? Wann man ſoll zu gehen/ wie lang man
verzeihen ſoll/ und wie offt? Wo wollen wir nun den Anfang nemmen
zu erzehlen die Fehler/ die in dieſem Stuck vorgangen ſind und noch vor-
gehen. Maſſen ſich befinden I. Superſtitioſi, die fich auß Zwang auff
einen gewiſſen Tag gebunden/ als vor Zeiten die Teſſeradecatitæ, Quar-
tadecimani, vierzehen Taͤgler/ welche den 14. Tag Martij zum Gebrauch
des H. Abendmahls beſtim̃t. Paſchalitæ die ſich gebunden auff den
Gruͤnen-Donnerſtag Abends. Auguſtinus in epiſt. 118. ad Januar. er-
zehlt/ daß zu ſeiner Zeit in vielen Africaniſchen Kirchen am Donnerſtag
vor dem Oſter-Feſt zu Nacht nach dem Abendeſſen den Chriſten das
Abendmahl gegeben worden/ zu dem End/ auff daß Chriſti Handlung
deſto mehr und ſtaͤrcker præſentirt wuͤrde. Es iſt aber dieſe Gewonheit
im VI. Synodo Conſtantinopolitanâ auffgehaben worden. Zwar wo
der Aberglaub nicht anklebt/ mag es wol ſeyn/ wie es dann in unſern
Evangeliſchen Kirchen auch uͤblich auff den Gruͤnen-Donnerſtag zu
communiciren/ und geſchicht auch mit groͤſſerer devotion. Aberglaubi-
ſcher weiß aber hat Pabſt Innocentius III. ein Gewiſſens-Strick darauß
gemacht/ und gebotten auff Oſtern zu zugehen/ und wer es unterließ der
begieng eine Tod-Suͤnde. Di exelius part. 2. Roſ. p. 282. ſchreibt: Veræ
in ſacram communionem devotionis eſt, apud animum ſuum decer-
nere, octavo quoque die, minimum ſemel ſingulis menſibus hanc
menſam accumbere. Ultrà menſem differre, animi ſemet negligen-
tis \& frigidi ſignum eſt. Es gehoͤrt zur rechten Andacht gegen dem H.
Abendmahl/ bey ſich zu beſchlie en/ alle acht Tag/ auffs wenigſte/ alle
Monat einmal zum Tiſch des Herrn zu gehen. Wer es uͤber einen
Monat auffſchiebet/ der bezeugt/ daß er eines ſaumſeligen/ und kalten
ſchlaͤfferigen Gemuͤthts ſeye. II. Dilatores, die ihre Kinder (ich rede
nicht von gar jungen/ die ſich ſelbſt noch nicht pruͤfen koͤnnen) Soͤhne
und Toͤchter nicht ehe zum Abendmahl laſſen/ als biß ſie Mannba wer-
den/ und das ſoll ein Character ſeyn der Außfuͤhrung/ daß nunmehr die
Tochter feyl. III. Superſtitioſi familiarum congregatores. Daß
Freundſchafften und ein gantzes Hauß mit einander communiciren iſt
nicht unrecht/ ſtehet wol/ und iſt eine ſchoͤne Ordnung/ verſtehe wann ſie
alle bereit/ kein Aberglaub mit unterlaufft/ wann es geſchicht ohne Ver-
kuͤrtzung.
[187]Predigt.
kuͤrtzung. Aber da gehts/ eine Partey iſt geiſt-hungerig/ der andern eckelt
es/ die eine hat noch eine Waſche außzuwaſchen/ die andere hat ſich noch
nicht verſoͤhnt. IV. Temporis definitores, die ſich an eine gewiſſe Zeit
binden/ die Calender-Geiſter/ die ihre Nothdurfft nach dem Calender
abmeſſen/ und ihre Viertel-Jahr ſo eben halten/ gleichwie das ſchrepffen/
da doch hierinnen das Gewiſſen frey ſeyn ſoll. Und endlich die Gottlo-
ſen/ die ſich wol ein gantzes Jahr nicht koͤnnen dazu ſchicken. Diß ſind
lauter Fehler.
Die rechte Zeit aber iſt/ wann es 1. Nacht iſt/ Nacht heißt hie Truͤb-
ſal und Widerwertigkeit/ Eſa. 21, 11. wann die auß Seir gen Duma rief-
fen: Huͤter iſt die Nacht ſchier hin? Huͤter iſt die Nacht ſchier
hin? Der Huͤter aberſprach/ wann der Morgenſchon kom̃t/
ſo wird es doch Nacht ſeyn. Wann die innere Seelen-Nacht an-
gehet/ davon Joh. 9, 4. Jch muß wuͤrcken die Wercke des der mich
geſandt hat/ ſo lang es Tag iſt/ es kom̃t die Nacht/ da nie-
mands wuͤrcken kan/ wann ſich das Antlitz GOttes verbirgt/ wann
die Sonne der Gnaden beginnt zu weichen/ wann die Nacht-Traͤume
boͤſer Gedancken und Einbildungen und Reitzungen ſich erzeigen/ wann
die Nacht-Schrecken des boͤſen Gewiſſens ſich mercken laſſen/ wann die
Nacht-Beſtien auß ihren Hoͤlen herfuͤr kriechen/ der Satan mit ſeinen
Anfechtungen/ Pſ. 104. 20. Summa wann die Zeit der Anfechtung
vorhanden/ wann wir uns abgemattet in der Schlacht/ wie Abraham
wider Kedor Laomor Gen. 14. Wann wir in das geiſtliche Schweiß-
Bad muͤſſen/ wann Creutz und Truͤbſal als eine Fluth einreißt/ wann
die Suͤnden auff den Schau-Platz des Gewiſſens tretten/ und als ein
Heer ſich unter Augen ſtellen. Wann der Menſch nicht weiß/ wo er
auß noch ein ſoll/ ſonderlich wann Gott ſein Gaſt-Recht haͤlt Pſ. 102, 10.
Aſchen fuͤr Brod/ Thraͤnen fuͤr Tranck/ Weinen fuͤr Tiſch-Muſic fuͤr-
ſtellt/ davon Lutherus Tom. 7. Jen. p. 319. Es iſt noch das geringſte
Leiden/ welches der Teuffel durch die Welt auff uns treibt/ ſo
die Chriſtenheit aͤuſſerlich und mit leiblichen Waffen an-
greifft/ als Schwerd/ Kercker/ Beraubung Guts und Leibs
dazu. Aber das iſt viel ſchwerer/ ſo er ſelbſt inwendig treibt/
da er die Hertzen angreifft/ martert und plaget/ mit ſeinen
verlipten feurigen Pfeilen/ das iſt/ mit Schrecken und Angſt
der Suͤnde/ und GOttes Zorns/ da er dem Menſchen/ der da
ſonſt bloͤde und furchtſam iſt/ ein Truͤncklein ſchenckt/ nicht
A a ijvon
[188]Die Vierte
von bitter Wermuth und Galle/ ſondern das da heißt Hoͤllen-
Angſt/ und in ein Bad fuͤhret/ da er ligt/ wie in einem gluͤen-
den Ofen/ daß ihm das Hertz zu ſchmeltzen moͤcht. Wie er
Chriſto ſelbſt that im Garten/ daß er des mußte mildiglich
Blut ſchwitzen/ das iſt erſt das rechte Leiden/ welches alle
Marter und Leiden uͤbertrifft/ da ihme die Chriſten muͤſſen
herhalten/ und durch die Spieſſe lauffen/ wie St. Paulus
klagt/ daß er taͤglich ſterbe/ und eitel Toͤdung an ſeinem Leibe
fuͤhle/ daß ein ſolcher ſolt lieber alle leibliche Marter und
Toͤdte leiden/ aber es wird nichts anders drauß/ wir muͤſſen
dem Teuffel herhalten/ dann weil er muß leiden/ und fuͤhlet/
daß ihme Chriſtus auff den Kopff wil tretten durch uns/ wie
Gen. 3. geſagt iſt/ ſo muͤſſen wir auch leiden/ daß er ſein Gifft
nach uns ſcheußt/ und mit aller Macht in die Ferſen beiſſet/
hauet und ſticht/ mit dem Tod und Hoͤllen/ und alſo daß es
uns wehe thut/ und durchs Hertz gehet.
Wann wir verrathen werden/ wann die Hohenprieſter und
Schrifftgelehrten ſich verſam̃len/ ein Blut-Bad uͤber das andere an-
richten/ und alſo auch von auſſen das rothe Creutz im weiſſen Felde tra-
gen muͤſſen. Wann der Satan uns zum Boͤſen reitzt und hernach ver-
rath/ bey Gott Tag und Nacht verklagt/ wann uns Judas in unſerm
Buſen/ unſer Hauß-Genoß/ unſer alter Adam durch ſchweren Suͤnden-
Fall in Leiden und Noth gebracht. Summa ſo offt offentliche Land-
Straffen wuͤten/ ſo offt uns Creutz und Ungluͤck heimſucht/ und uns
GOttes Gnade wollen diſputirlich machen. Fragſtu noch wann? Ach
allezeit ſolte es ſeyn/ gleichwie wir allezeit ſolten Sabbath halten; wie
ſolches geſchehen in der erſten Kirchen/ da ſie wegen der Verfolgung
keinen Tag ihres Lebens ſicher geweßt/ weil aber ſolches nicht allezeit ge-
ſchehen kan/ ſo genieſſe es geiſtlich im Glauben/ und offt zur Beſtaͤtigung
des Glaubens Mund-Sacramentlich/ das geiſtliche Eſſen iſt die Noth-
Speiß/ das Sacramentliche der Ehren-Tranck und Luſt-Speiß. Ey
ſprichſtu/ ich bin aber mit meinem Neben-Menſchen noch nicht verſoͤhnt.
Antwort/ wie Gott an dir thut/ und dir vorkom̃t mit ſeiner Gnade/ alſo
ſoltu auch an deinem Nechſten thun/ ihme entgegen gehen/ und Verſoͤh-
nung anbieten. Offentliche Rechts-Haͤndel bleiben an ſeinem Ort/
und gehoͤren hieher nicht/ wann man die Sache dem Richter befiehlt/ und
alle
[189]Predigt.
alle unordentliche Affecten auß dem Weg raumet. Sprichſtu ferner/
wann ich ſchon hingehe zu dieſem Sacrament/ ſo kom̃t doch die Ge-
wiſſens-Angſt wieder. Antwort/ kaͤmpffe und ſtreite darwider/ die
Suͤnde laͤßt allezeit eine cicatricem und Wundmahl nach ſich/ ſo aber
dem Menſchen nicht zum Zweiffel verleiten/ ſondern zur Fuͤrſichtigkeit
dienen ſoll. Wie/ ſprichſtu noch einmal/ ich ſuͤndige aber wieder/ Ant-
wort/ die Juͤnger Chriſti waren rein. Joh. 13. noch gleichwol fangen ſie
alſobald darauff einen Præcedentz-Streit an/ ſchlaffen/ da Chriſtus lei-
det/ fliehen davon. Petrus thut einen groſſen Fall.
Sonderlich iſt dieſes Mahl von noͤthen wann wir wandern muͤſ-
ſen/ durchs todte Meer und das Paſſah halten/ in dem finſtern Thal des
Todes/ da iſt dieſe Speiß und Zehr-Pfenning wol von noͤthen. Hiero-
nymus ſoll in ſeinem Todes-Kampff geſagt haben. O ſacrum convi-
vium, \& peregrinantium viaticum, quô de hoc mundo pervenitur ad
cœli conſortium. Eja ergò fidelis anima, hoc fruere convivio, in
quo Salvatoris tui corpus ſumendum proponitur:O du heiliges
Gaſt-Mahl und Zehr-Pfenning deren die dem Himmel zu
wallen/ durch welches man auß dieſer Welt kommet zur Ge-
ſellſchafft der triumphirenden Himmels-Buͤrger/ wolan dero-
wegen du glaubige Seele/ mache dich theilhafftig dieſes
Himmels-Mahls/ in welchem dir der Leib deines Seligma-
chers zu eſſen auffgeſtellet wird/ ſo wird alsdann dein JEſus/
‘
Conveſcens in edulium,
Moriens in precium,
Regnans in præmium.
A a iijDie
[190]Die Fuͤnffte
Die Fuͤnffte Predigt/
Von
Der Vorbereitungs-Handlung Chriſti
zum heiligen Abendmahl.
GEliebte in Chriſto. Es ſeind zwar die Wort Pe-
tri in dem Evangelio Luc. 5, 8. wann er JEſu zu den
Knien faͤllt und ſpricht: HErꝛ gehe von mir hin-
auß/ ich bin ein ſuͤndiger Menſch!Verba admi-
rantis \& timentis,ſchreck haffte Verwunderungs-
Wort/ dann es kam ihn und ſeine Geſellen ein Schrecken
an uͤber dem Fiſch-Zug und wunderbaren Fiſch-Fang/ den ſie auff des
Herrn Wort gethan/ daß da ſie zuvor die gantze Nacht gefiſcht und
nichts gefangen/ nun aber in einem Zug eine ſolche Menge Fiſche be-
ſchloſſen/ daß das Netz zwar zerbrochen/ und doch die Fiſche gehalten/
daß das Netz zerriſſen/ und ſie doch beyde Schiffe voll gefuͤllet/ daß die
Schiffe geſuncken/ und doch nicht verſuncken noch untergangen. Dar-
auff dann Petrus geſagt: HErꝛ gehe von mir hinauß/ ich bin ein
ſuͤndiger Menſch.II. Verba humiliantis,Wort eines Nider-
traͤchtigen und Demuͤthigen/ wann einem manchmal in der Welt
Gott ſeine Gutthaten zuſchneyen und gleichſam Schiffs-weiſe/ wie hie/
zu fuͤhren laͤßt/ hilff Gott! wie bruͤſtet er ſich/ nicht anders als ein fetter
Wanſt; Aber Petrus wird dadurch demuͤthig/ haͤlt ſich dieſes Uber-
fluſſes nicht werth/ ja auß Betrachtung ſeiner Suͤnd/ halt er ſich nicht ſo
gut/ daß er mit Chriſto in Geſellſchafft ſtehen/ und bey ihm in ſeinem
Schifflein wohnen ſolle.
Arnd Poſtill 128. Daß Petrus dem HErꝛn zu den Fuͤſſen faͤllt/ gibt uns eine
Lehre/ daß wir auß GOttes Allmacht und Wunder GOtt und ſeine Ge-
genwart ſollen erkennen kernen. Denn wenn wir unſer Leben bedencken/
wie wunderlich uns GOtt unſer Lebenlang von Mutterleibe an erhalten/
ernehret/ und auß ſo groſſem Ubel und Ungluͤck errettet hat/ muͤſſen wir uns
warlich druͤber verwundern/ daß wir wol mit Petro dem HErꝛn JEſu zu
den Knien fallen moͤchten/ und ſagen: Ach HERR biſtu mit mir im
Schiff/ das iſt in meinem Ampt und Beruff/ des bin ich nicht werth/ daß
du
[191]Predigt.
du ſo groſſe Barmhertzigkeit an mir thuſt/ womit habe ich das verdienet?
Was kan ich dir wieder vergelten? Denn das iſt Petri Argument: Du
kommeſt in mein Schiff/ als ein Gerechter zu einem Suͤnder/ ein wahrer
wunderthaͤtiger GOtt zu einem armen Menſchen. Jch armer Peter/ wie
hab ich ſo einen reichen HErꝛn in meinem Schiff: Alſo auch ein jeder
Chriſt in ſeinem Beruff und Ampt ſoll wiſſen/ daß Chriſtus in ſeinem
Schifflein iſt/ und daſſelbe regiere und ſpreche: Ach HERR/ ich mercke
und erkenne/ daß du bey mir in meinem Schifflein biſt/ des ich nicht werth.
Ein ſolch Hertz hatte auch der Ertz-Vater Jacob/ als erſprach: HERR
ich bin zu gering aller deiner Barmhertzigkeit/ die du an mir gethan haſt. Er
nennet ſeinen Segen GOttes Barmhertzigkeit. Dann alles was wir ha-
ben/ iſt GOttes/ wir habens auß Gnaden.
Sind aber auch III. Verba diffidentis,Wort eines Unglaubigen
und Mißtrauigen. Des Menſchen boͤſes Gewiſſen verſiehet ſich im-
mer des aͤrgſten/ welches auß dem Paradiß herkom̃t/ maſſen um der
Suͤnde willen der Menſch GOttes/ ja auch nur eines heiligen Manns
Gegenwart nicht dulten mag/ ſiehet Gott allezeit an/ als einen Richter/
der mit den Suͤndern nichts woll zu ſchaffen haben/ er ſeye ein verzehrend
Feur. Als unſere erſte Eltern nach dem begangenen Suͤnden-Fall
GOttes Gegenwart im Paradiß-Garten gewahr worden/ verſteckten ſie
ſich unter die Baͤume/ fuͤr Furcht/ Scham und Schrecken. Gen. 3. deß
gleichen als Judic. 13, 22. der unerſchaffene Engel/ der ewige Sohn
GOttes/ Manoah und ſeinem Weibe erſchienen/ ſprach Manoah:
Wir muͤſſen des Todes ſterben/ daß wir GOtt geſehen ha-
ben. Alſo auch da der Prophet Elias zu der Wittib von Zarpath kom-
men/ empfieng ſie ihn mit den Worten: Was habe ich mit dir zu
ſchaffen/ du Mann GOttes? Du biſt zu mir herein kom-
men/ daß meiner Miſſethat gedacht/ und mein Sohn getoͤd-
tet werde. 1. Reg. 17, 18. darum ſagt Petrus nach deren Exempel hie
auch: Gehe von mir hinauß/ ſetzt die Urſach dazu/ und ſpricht: Jch
bin ein ſuͤndiger Menſch.
Seind eben die Gedancken/ die manchem beyfallen/ und auch ab-
halten vom hochwuͤrdigen Abendmahl/ in welchem Chriſtus nicht nur
unſer Schiff/ unſer Hauß und Wohnung beziehet/ und ſeinen him̃liſchen
Segen gleichſam als auff einem guldenen Wagen mitbringt/ ſondern
gar in unſern Hertzen Wohnung machen wil/ da gedencket auch manch-
mal ein klein-glaubiges Hertz: O wehe/ ich bin dieſer Vereinigung nicht
werth! Herr gehe von mir hinauß/ ich bin ein ſuͤndiger Menſch. Jch
bin nicht werth daß du unter mein Dach geheſt.Matth. 8, 8.
Und
[192]Die Fuͤnffte
Und zwar iſt ſolche Scheu und Furcht nicht gar umſonſt/ dann da ſteheſt
du/ O Menſch/ zwar fuͤr deinem Heyland/ aber auch fuͤr deinem Rich-
ter/ der ſtehet mit einem bloſen hauenden Schwerdt/ wie dorten Joſ. 5, 13.
Es koſtete die Leuthe zu Bethſemes/ als ſie die Bunds-Lade nur fuͤrwitzi-
ger weiß haben angeſehen/ ihr Leben/ alſo das auff einmal funfftzig tau-
ſend und ſiebentzig Mann darauff gegangen/ daß ſie dannenhero außge-
ruffen: Wer kan beſtehen fuͤr dem HErꝛn/ ſolchem heiligen
GOtt. 1. Sam. 6, 19, 20. Als Uſa die Lade GOttes angegriffen/ und
gehalten/ weil die Rinder/ ſo ſie fuͤhrten/ beyſeit außtratten/ da er grim-
mete des HErꝛn Zorn uͤber Uſa/ und GOtt ſchlug ihn da-
ſelbſt um ſeines Frevels willen/ daß er daſelbſt ſtarb fuͤr der
Lade GOttes. 2. Sam. 6, 7. Alſo heiſſets hie auch: Jſt dir wol/ ſo
bleib davon/ Daß du nicht kriegeſt boͤſen Lohn. Salomons
Tiſch- und Tafel-Regel hat auch allhier Platz/ Prov. 23, 1. Wenn du
ſitzeſt/ und iſſeſt mit einem Herꝛn/ ſo mercke/ wen du fuͤr dir
haſt/ und ſetze ein Meſſer an deine Kehle/ wilt du das Leben be-
halten.Auguſtinus ziehet dieſe Wort auff das H. Abendmahl. tract. 47.
in Johann. Quæ menſa eſt potentis? niſi unde ſumitur corpus \&
ſanguis ejus, qui animam ſuam poſuit pro nobis? Das iſt: Was iſt
der Tiſch dieſes Herꝛn anders/ als der/ von dem man em-
pfangt den Leib und Blut deſſen/ der ſein Leben fuͤr uns gege-
ben hat? Und Hugo: Statue cultrum in gutture tuo, ut juguletur
vetus homo in te, ac novus in te, Chriſtus, vivat.Setze ein Meſ-
ſer an deine Kehle/ daß der alte Menſch dadurch getoͤdtet wer-
de/ der neue Menſch Chriſtus aber in dir lebe. Ja es mag wol
hieher gezogen werden die bekante Hiſtori Damoclis. Dann als dieſer
den Koͤnig Dionyſium uͤber alle maſſen ſelig prieß/ wegen ſeiner Macht/
Herꝛligkeit/ Reichthum und Wollebens/ ſprach Dionyſius zu ihm; Be-
Gottfrid.
Chronic.
p. 133.gehreſtu einmal zuverſuchen/ was ich fuͤr ein Wolleben fuͤhre? Da nun
Damocles ſich dazu verſtund/ ließ Dionyſius ein koͤſtlich Panquet zurich-
ten/ da alles Koͤniglich zugieng/ und mußte Damocles den oberſten Ort
einnehmen/ da uͤber ſeinem Haupt ein ſcharff Schwerdt an einem Pferds-
Haar hienge/ als wolte es ihm jetzund auff den Kopff fallen/ die Tafel
war mit Speiß und Tranck auffs koͤſtlichſte beſtellet/ da waren lauter
guldene Gefaͤſſe/ aber Damocles, der das Schwerdt uͤber ſeinem Haupt
geſehen/ kunte vor groſſer Furcht kein Biſſen eſſen oder trincken/ ſondern
bate ſehr fleiſſig/ man wolte ihn doch auffs baͤldeſte von dannen laſſen.
Wie
[193]Predigt.
Wie aber dem allem/ ſo ſagt Chriſtus zu Petro: Fuͤrchte dich
nicht. Ach lieber Petre/ wie uͤbel biſtu dran/ kehre es um und ſprich:
Ach Herr bleibe bey mir/ Biß willkomm du edler Gaſt/ Mich Suͤnder
nicht verſchmaͤhet haſt/ komme zu mir/ eben darum/ weil ich ein ſuͤndiger
Menſch bin/ dann ich bin ja eben darum in die Welt kommen/ nicht daß
ich die Welt richte/ ſondern daß die Welt durch mich ſelig werde. Wel-
chen Troſt Petrus auch hernach herꝛlich practicirt mit Worten und Ge-
berden/ wann er Joh. 6. 68. geſprochen: Wo ſollen wir hingehen/
du haſt Wort des ewigen Lebens. Auch nachgehends Joh. 21, 7.
ſich zum Schiff hinauß begeben/ und zu Chriſto geſchwummen. Alſo
ſollen wir zwar im H. Abendmahl mit Forcht und Zittern zu dieſem aller-
herꝛlichſten Tiſch tretten/ doch vielmehr uns freuen/ und wie Johannes
in Mutterleib unſere Freude mit hupffen und ſpringen bezeugen/ mit
Eliſabeth ſprechen: Woher kom̃t mir das/ daß die Mutter mei-
nes HErꝛn zu mir kom̃t?Luc. 1. Ligt aber alles an rechter Vorbe-
reitung der Buß und des Glaubens/ der Pruͤfung/ davon Paulus re-
det. 1. Cor. 11. der Menſch pruͤfe ſich ſelbſt. Jſt eben das Thema, davon
wir vor dieſes mal mit einander zu reden und zu handeln/ wir haben
naͤchſt den Umſtand der Zeit betrachtet/ wann das H. Abendmahl zu ge-
brauchen/ folgt ordo rerum geſtarum \& præparatio ad S. Cœnam,
die Ordnung der jenigen Sachen/ ſo vor Außſpendung des H. Abend-
mahls vorher gangen/ und die wuͤrdige Vorbereitung zu demſelben. Der
Gott der Ordnung ſtehe uns bey mit ſeiner Gnad und H. Geiſt/ Amen.
GEliebte in Chriſto. Zween Umſtaͤnd haben wir allhie
zu erwegen 1. ordinem menſarum. 2. ordinem rerum \&
actionum geſtarum. I. Ordinem menſarum, die Ordnung
der Mahlzeiten. So haben wir ſonderlich auff Lucam, der die Ordnung
am eigentlichſten wargenommen zu ſehen: der gibt nun zu verſtehen/ daß
eine andere Malzeit vorher gangen/ in dem Wort μετ [...] τὸ [...]ειπνῆσ [...]ι, nach
dem Abendmahl/ die andern Evangeliſten aber/ damit/ wann ſie ſpre-
chen: ἐοϑιόντων αὐτῶν, in dem ſie aſſen/ das iſt/ vi aoriſti, nachdem ſie
geſſen hatten. Jndem ſie aſſen/ und nachdem ſie geſſen hatten/ iſt bey-
des wahr. Nach dem Abendmahl/ als die Tiſch noch da geſtanden und
noch nicht auffgehoben/ wie dann diß Wort nach dem Abendmahl/ nicht
zu verſtehen von dem Sacramentlichen Abendmahl/ wie die Paͤbſtler
zwar darauß erzwingen wollen/ als waͤre der Kelch nicht noͤthig/ ſondern
Neunter Theil. B bes
[194]Die Fuͤnffte
es ſoll E. L. wiſſen/ daß damal von Chriſto drey unterſchiedliche Abend-
mahl und Mahlzeiten/ und ſo zu ſagen/ drey unterſchiedliche Gaͤnge und
Tiſche gehalten worden. 1. Menſa ſacrificialis, das Oſter-Lamm/ wel-
ches ſie nach Juͤdiſchem Gebrauch/ und Moſaiſchem Geſetz ſtehend ver-
zehrt. Welches die Evangeliſten andeuten/ durch die ablegation ſei-
ner Juͤnger/ die er mit dem Befelch daſſelbe zu bereiten abgefertiget:
Luc. 22, 7. Es kam nun der Tag der ſuͤſſen Brod/ auff welchen
man mußte opffern das Oſter-Lamm/ und er ſandte Petrum
und Johannem/ und ſprach: Gehet hin/ bereitet uns das
Oſter-Lamm/ auff daß wirs eſſen. Deßgleichen mit dem An-
ſpruch Chriſti an ſeine Juͤnger/ wann er unter andern dieſe Wort ge-
braucht. Luc. 22, 15. Mich hat hertzlich verlangt diß Oſter-
Lamm mit euch zu eſſen/ ehe dann ich leide. 2. Vulgaris, darauff
kam die ordentliche Mahlzeit.
Benedictus Arias Montanus in cap. 26. Matth. ex priſcis Rabbinis memorat,
apud Judæos more receptum fuiſſe, ut poſt cœnam agni paſchalis legalem,
ſignificationis \& ceremoniæ cauſâ inſtitutam, atque à ſtantibus celebratam,
cœnaretur etiam adhibitis aliis epulis, prout quiſque pro facultate \& reli-
gione feſti poterat, idem conſirmat Scaliger l. 6. de emend. temp. p. 271.
Maxima, inquit, ſolennia, ut Paſcha, Pentecoſtes, Scenopeia, florentibus,
Judæorum opibus, ac templo ſtante, ſemper duarum cœnarum commiſſione
tranſigebantur. In priore hoſtiis immolatis veſcebantur. Hoc erat ſacri-
ficium ipſum, in altera quædam canebantur, ἐξιλαςικὰ καὶ ἐυχαριςικὰ,
\& vocabatur [...] hoc eſt [...]εῖπνον [...]πολυτικὰν, cœna dimiſſo-
ria, quæ erant velut ſecundæ menſæ apud gentiles. In his ſecundis menſis,
epulis ſacrificii jam functi gratias Deo agebant, \& potionem circumfere-
bant, Paſchali autem ſacrificio datum, ut corpus totum, aut ſaltem pedes
lavarentur ſecundis menſis, ob excellentiam ſanctitatis.
Die agapæ, Danck-Mahl/ dabey der Herr ſich gelagert/ und hernach
auffgeſtanden/ ſeinen Juͤngern die Fuͤſſe zu waſchen/ auff dieſen Tiſch
pflegten die Juden an ſtatt des Nach-Tiſches acetarium ex intybis \&
lactucis agreſtibus ein Salat von Lattich und Endivien auffzuſtellen/
und Brod darein zu duncken/ Allermaſſen wie auch Chriſtus gethan/ als
welcher den Biſſen eingetaucht und Judaͤ gereicht.
Secundæ menſæ paſchales ab aliorum ſolennium menſis multum differebant.
Eæ enim in aliis ſolennibus inſtruebantur bellariis, eaſque aut Græco verbo
[...]πίκωμον, aut patrio [...] vocabant: At in paſchate interdicebantur con-
vivæ
[195]Predigt.
vivæ omni genere bellariorum, in quorum numero offerebatur in triblio
ſive paropſide acetarium ex intybis \& lactucis agreſtibus, quarum quia triſtis
\& amarus eſt ſuceus, proptereà ex aceto \& aliis embamma conferebatur, in
quod azyma \& amara illa olera intingebantur [...] ipſorum lingua ap-
pellatum. Erat autem liquidorum quorundam ſatura, quæ aliis rebus
ſpiſſabatur. Ita Scaliger de emend. temp. p. 272.
Sonderlich pflegte der Hauß-Vater ein gantz ſuͤß Brod in zwey Stuck zu
theilen/ und uͤber deren eines dieſe Danck-Wort zu ſprechen: Benedictus
es Domine DEUS noſter, Rex univerſi, qui educis panem è terra:
das iſt: Gelobet ſeyſtu Herr unſer Gott/ du Koͤnig der gantzen Welt/
der du das Brod auß der Erden herfuͤr bringeſt. Das ander Theil aber
unter das Tiſch-Tuch zu verbergen/ theils/ auff daß die Kinder/ ſo ſolches
ſehen/ den Vater fragten/ warum er das ungeſaͤurte Brod verberge/ und
auff eine andere Mahlzeit verſpare/ theils/ damit ſie nicht/ wann ſie es
ſehen/ ungebuͤhrlich und unvernuͤnfftig uͤber dem Nachtmahl davon eſ-
ſen. Nachgehends war ein jeder uͤber dem Nacht-Eſſen luſtig und froͤ-
lich/ nach weſſen Vollendung der Hauß-Vater den andern Theil/ ſo er un-
ter das Tiſch-Tuch gelegt/ herfuͤr gethan/ auff geſtanden und ein wenig
davon in den Mund genom̃en und gegeſſen/ und nachgehends unter alle
anweſende Gaͤſte außgetheilt/ auff daß der Geſchmack des ungeſaͤurten
Brods in ihrem Mund moͤchte verbleiben. Auff ſolche weiß pflegte er
auch zu trincken/ und den Trunck mit einem Gebet und Danckſagung zu
verſiegeln. Und dieſes war auch der Letz-Trunck/ und gleichſam der
Circul-Kelch/ den Chriſtus ließ herum gehen/ da er geſagt: Jch ſage
euch/ ich werde von nun an nicht mehr von dieſem Gewaͤchs
des Weinſtocks trincken/ biß an den Tag/ da ichs neu trin-
cken werde mit euch in meines Vaters Reich.Matth. 26. 29.
Und auff dieſe Mahlzeit folgete 3. Menſa Sacramentalis, das Sacra-
mentliche Mahl/ ſo Chriſtus alsdann gantz neu und friſch eingeſetzet.
Alſo verſtehet E. L. was es ſeye/ wann die Evangeliſten ſagen: Jn
dem ſie aſſen: Nach dem Abendmahl: Welches alles die heiligen
Evangeliſten nicht umſonſt ſo fleiſſig auffgezeichnet/ Dann wie alle
Schrifft von GOTT eingegeben nutz iſt zur Lehr ꝛc.Rom. 15.
alſo iſt auch dieſe nicht umſonſt geſchehen. Sonderlich haben die
heiligen Evangeliſten die letſtere Handlungen Chriſti/ und was ſich
die Nacht begeben/ alles gar genau auffgezeichnet/ mehr als ſon-
ſten/ weil alles voll lauter Geheimnuß ſteckt/ dann gleich wie er zu-
vor Lazarum von den Todten aufferweckt/ zum Zeugnuß und Bekraͤffti-
B b ijgung
[196]Die Fuͤnffte
gung/ daß er ſich gleicher Geſtalt nach ſeinem Tod auß eigener Macht
und Gewalt aufferwecken werde/ dann ſo er andern auß eigener Krafft
das Leben wieder gegeben/ wie koͤnte er ewig im Tode bleiben? Er hat die
koͤſtliche Salbung ſeines Haupts von Maria zu Bethania der Schwe-
ſter Lazari angenommen/ ſeine kuͤnfftige Begraͤbnuͤß damit vorzubilden.
Am H. Palmtag mit hoch-feyerlichem Pracht/ Pomp und Zierd in die
Stadt Jeruſalem eingeritten/ ſein geiſtlich Reich/ Koͤnigliche Macht/
Ehr und Herꝛligkeit damit abzumahlen/ den Feigenbaum verflucht/ und
damit dem kuͤnfftigen Urtheil/ ſo er an dem Juͤdiſchen Volck wuͤrde voll-
ſtrecken præludirt/ mit ſeinen Juͤngern das Oſter-Lamm gegeſſen/ zu zei-
gen/ daß er das rechte corpus das rechte Lamm Gottes auff welchen alle
Laͤmmer im A. T. als Schatten-Bilder gedeutet. Alſo lernen wir an
dieſem dreyfachen Tiſch und Abendmahl/ daß dreyerley Art zu eſſen bey
dem H. Abendmahl/ wie auch drey unterſchiedene Tiſch anzutreffen ſeyn.
Ein geiſtliches Eſſen/ abgebildet an dem Opffer-Mahl des Oſter-Lam̃s/
ein gemeines und natuͤrliches/ und dann ein Sacramentliches Eſſen.
Daß auch ein Unterſcheid ſey unter dem geiſtlichen und Sacramentli-
chen Eſſen/ dann das geiſtliche Zeich-Eſſen hatten ſie am Oſter-Lamm/
dieweil aber Chriſtus uͤber das noch einanderes Eſſen eingeſetzt/ iſt abzu-
nemmen/ das Gegentheil/ die ſo genannten Reformirten/ in groſſem
Jrꝛthum begriffen/ die von keinem als geiſtlichem Eſſen wiſſen wollen.
Wir lernen/ daß vor dem Sacramentlichen Eſſen das geiſtliche Nieſſen
erfordert werde/ wir muͤſſen zuvorderſt das rechte Oſter-Lamm Chriſtum
im Glauben eſſen/ ehe wirs im Sacrament empfangen. Wir lernen/
daß an wuͤrdigem Brauch des H. Abendmals im geringſten nichts ab-
gehe/ wann ſchon der Genuß anderer Speiß vorher gangen. Es haben
ſich vor dieſem aber glaubiſche Leute gefunden/ die dafuͤr gehalten/ man
muͤßte nothwendiger weiß nuͤchtern zugehen/ zuvor faſten und leiblich
ſich bereiten/ iſt auch in Concil. Carthag. 6. Can. 29. geſchloſſen worden.
Aber es iſt auch allhie/ wie ſonſt/ der Nothfall excipirt/ bey krancken
ſchwachen Leuten: dahero dann auch unſer ſel. Luth. im Catech. ſchreibt:
Faſten und leiblich ſich bereiten/ ſeye wol eine feine aͤuſſerliche Zucht/ und
mehr nicht/ es gehoͤret nicht zum Weſen der fruchtbarn Nieſſung.
Folget nun auch im II. Umſtand ordo rerum geſtarum, die Ord-
nung und der richtige Verlauff der jenigen Stuck/ ſo bey Nieſſung des
Oſter-Lamms vorgangen/ als welche uns zum Fuͤrbild geſchehen. So
ſtehet nun fornen an 1. Separatio agni quadriduana,die Abſonde-
rung
[197]Predigt.
rung des Oſter-Lamms/ ſo vier Tag zuvor mußte vorgenommen
werden/ vermoͤg der Goͤttlichen Einſetzung Exod. 12, 3. 4. 5. 6. Sagt
der gantzen Gemeine Jſrael und ſprecht: Am zehenden Tag
dieſes Monden/ nehme ein jeglicher ein Lamm/ wo ein Hauß-
vater iſt/ ja ein Lamm zu einem Hauß/ wo ihr aber in einem
Hauß zu einem Lamm zu wenig ſind/ ſo nehme ers und ſein
nechſter Nachbar an ſeinem Hauſe/ biß ihr ſo viel wird/ daß
ſie das Lamm auffeſſen moͤgen. Jhr ſolt aber ein ſolch Lamm
nemmen/ da kein Fehl an iſt/ ein Maͤnnlein und eines Jahrs
alt/ vonden Laͤmmern und Ziegen ſolt ihrs nemmen/ und ſolts
behalten biß auff den vierzehenden Tag des Monden. ꝛc.
Dann gleichwie alle andere Opffer/ nachdem ſie von anderm Vieh ab-
geſondert und außerkohren worden/ mußten fuͤr die Stiffts-Huͤtten ge-
bracht werden/ alſo mußte auch das Oſter-Lamm auff den zehenden Tag
des Oſter-Monats Abib außerleſen und abgeſondert/ zwar nicht fuͤr die
Stiffts-Huͤtten gebracht/ (doch wie auß den alten Juͤdiſchen Traditio-
nen zu vernehmen/ haben ſie das Lamm in die gemeine Stub oder in dem
Cœnaculo an einen Bett-Stollen angebunden) ſondern vier Tag zuvor
der gantzen Haußhaltung fuͤrgeſtellet werden/ daß ſie es immer vor Au-
gen haben und anſehen ſolten/ darum und zu dem Ende/ daß ſie ſich des
Meſſiaͤ erinnerten und gedaͤchten/ ſie ſeyen die rei mortis, die den ewigen
Tod verſchuldet/ an deſſen Statt der Allerhoͤchſte Gott den Tod ſeines
Sohns/ als des unſchuldigen unbefleckten Lamms/ annemmen wolle.
Und ſolche ſeparation iſt auſſer Zweiffel dazumal auch geſchehen. Alſo
ſollen wir uns zuvor auch præpariren/ aller weltlicher Geſchaͤffte uns
entſchlagen/ alle Hindernuͤſſen auß dem Weg raͤumen/ maſſen ſolches
nachgehends in der erſten Kirchen herꝛlich practicirt worden/ da ſich die
Communicanten etlich Tag zuvor von allen Geſchaͤfften abgemuͤßiget/
und ihre Gedancken auff dieſes Vorhaben gewendet/ auch den Tag zuvor
gefaſtet an Speiß und Tranck ihnen abgebrochen/ auff daß ſie folgenden
Tags bey dem H. Abendmahl deſto andaͤchtiger erſcheinen/ im Gebet deſto
bruͤnſtiger/ und in Erkantnuß der Suͤnden deſto demuͤthiger ſich erzeigen
moͤchten.
II. Expurgatio veteris fermenti.Die Außfegung des alten
Sauerteigs/ die Kinder Jſrael doͤrfften kein geſaͤuert Brod eſſen/
dann ſo war ihnen gebotten. Exod. 12, 18. 19. Am vierzehenden Tage
B b iijdes
[198]Die Fuͤnffte
des Monden/ des Abends/ ſollet ihr ungeſaͤuert Brod eſſen/
biß an den ein und zwantzigſten Tag des Monden an den
Abend/ daß man ſieben Tag kein geſaͤuert Brod finde in euern
Haͤuſern. Dann wer geſaͤuert Brod iſſet/ des Seele ſoll
außgerottet werden von der Gemeine Jſrael/ es ſeye ein
Fremdlinger oder Einheimiſcher im Lande. Die heutige Juden
halten dieſe Sitte ſo genau und ſtreng/ daß/ wie Buxtorff. in ſeiner Sy-
nagogâ c. 12. bezeuget/ ſie den Ruͤſt-Tag vor dem Oſter-Tag ihre Haͤu-
ſer und Gemach ja alle Winckel biß auff die Mauß-Loͤcher mit Wachs-
Kertzen durchſuchen und außſpaͤen/ damit ja kein Biſſen oder Broſaͤm-
lein ungeſaͤuert Brod uͤberblieb/ ſo nicht außgefaͤget waͤre. Feget auß
den alten Saurteig/ denn wir haben auch ein Oſter-Lamm/
ſo ruffet aus Paulus 1. Cor. 5, 7. zwar unſere Leute verſtehens gemeinig-
lich faſt auch auff gut Juͤdiſch/ ſie meynen/ das heiſſe den Saurteig auß-
fegen/ wann man etliche Tag zuvor mit reiben/ fegen/ ſaͤubern/ mit dem
Kleider-Schmuck und auffraumen zubringe/ wie dann die Martha faſt
niemal geſchaͤfftiger damit/ als um dieſe Zeit. Aber das iſt eigentlich
der Verſtand nicht/ es iſt ein anderer Saurteig/ der Saurteig der
Boßheit und Schalckheit/ wie ihn Paulus nennet/ die eingewur-
tzelte/ angewehnte Untugenden/ und Aergernuͤſſen/ grobe Einfalt/ muth-
willige Blindheit und Unverſtand in den Goͤttlichen Geheimnuſſen/
Gottes-Laͤſterung/ und Mißbrauch des Goͤttlichen Namens/ Meineyd/
Sabbath-Schaͤndung/ Trunckenheit/ Hoffart/ Diebſtal/ Verleum-
dung/ garſtiges Boſſenreiſſen/ unziemliche Schertz-Reden/ aͤrgerliche
Wort und Narrentheidung/ ſonderlich gehoͤrt hieher die Außfegung des
alten Grollen/ Haſſes/ und Widerwillens.
‘Davon ſchoͤne Wort fuͤhretChryſoſtomus homil. de prodit. Judæ circa fi-
nem. Si tibi contrà inimicum tuum dolor eſt, ſolve iram, inimicitias laxa,
ut remedium de menſa percipias. Ad ſanctum \& terribile ſacrificium pro-
peras, erubeſce oblationis arcana, occiſus propoſitus Chriſtus eſt, \& cur oc-
ciſus eſt, videamus, ut cœleſtia pacificet, ut in terra reconciliet univerſa, ut
amicum te conſtituat Angelorum, ut Deo ſociet habenti omnium poteſta-
tem. Animam ſuam pro te Dominus dedit, \& tu inimicus conſervo perdu-
ras, \& cum hoc animo ad menſam pacis accedis. Ille ne mori quidem pro
tua utilitate recuſavit, \& tu nec iram tuam conſervo pro liberatione conce-
dis? ſed forſitan dicis, ab inimico fraudatus ſum, multis me læſit diſpendiis,
magnis me detrimentis oneravit. Quicquid dixeris, pecunia vertitur, cau-
ſa non te crucifixit, ſicut Judæi Chriſtum, \& tamen ille effuſum ſanguinem
ad ſalutem eorum, qui effuderunt, largâ pietate conceſſit.’ ()
III. Mun-
[199]Predigt.
III. Mundatiodie Reinigung/ kein Unreiner durffte von
dem Oſter-Lamm eſſen. Wann jemand unrein uͤber einem
Todten/ oder ferne von euch uͤber Feld iſt/ oder unter euern
Freunden der ſoll dennoch dem HErꝛn Paſſah halten/ aber
doch im andern Monden am vierzehenden Tage.Num. 9. 10.
Alſo da Hiskia ſein Paſſah gehalten/ wird gemeldet/ 2. Chron. 30. 18.
Es war des Volcks viel/ von Ephraim/ Manaſſe/ Jſaſchar/
und Sebulon/ die nicht rein waren/ ſondern aſſen das Oſter-
Lamm nicht/ wie geſchrieben ſtehet. Und dieſe Reinigung ge-
ſchach auch dazumal bey den Juͤngern Chriſti/ und zwar durch die zwy-
fache Abwaſchung/ deren die eine vor der Nieſſung des Oſter-Lamms
die andere vor Stifftung des heiligen Abendmahls geſchehen/ damit
Chriſtus angedeutet/ er ſeye der rechte mundator, dann wie die Opffer
des Alten Teſtaments nur typicè \& externè aͤuſſerlich und Fuͤrbilds-
weiß gereiniget/ der Ochſen- und Boͤcke-Blut und die Aſchen
von der Kuh geſprengt heiliget die Unreinen zur leiblichen
Reinigkeit.Hebr. 9, 13. Die Opffer konten nicht vollkom-
men machen/ nach dem Gewiſſen/ den/ der da Gottesdienſt
thut.c. 9. ꝟ. 9. alſo auch das Levitiſche Waſchen: wann aber Chriſtus
hie ſeinen Juͤngern die Fuͤſſe gewaſchen/ iſt geſchehen/ daß er darthaͤte/
er ſeye derjenige der mit ſeinem Blut uns rein machet von allen Suͤn-
den. War alſo das Waſchen Chriſti ein aͤuſſerliches und ein innerli-
ches/ davon der Herr redet/ wann er ſagt/ was ich thue das weiſtu
jetzt nicht/ du wirſts aber hernach erfahren.Joh. 13. 7. Und
abermal: Werde ich dich nicht waſchen ſo haſtu kein Theil an
mir/ibid. ꝟ. 8. faſt auff gleiche weiß/ wie Joh. 6, 53. Werder ihr
nicht eſſen das Fleiſch des Menſchen-Sohns/ und trincken
ſein Blut/ ſo habt ihr kein Leben in euch. Bezeugt damit/ daß
er ihn nicht nur waͤſche exemplariter, ad exemplum humilitatis, die
Demuth von ihm zu lernen/ wie er dann gleich dieſe Vermahnung daran
gehengt. ꝟ. 14. So ich nun euer HErꝛ und Meiſter/ euch die
Fuͤſſe gewaſchen habe/ ſo ſolt ihr euch auch untereinander die
Fuͤſſe waſchen. Ein Beyſpiel hab ich euch gegeben/ daß ihr
thut/ wie ich euch gethan habe. Warlich/ warlich ich ſage
euch/ der Knecht iſt nicht groͤſſer dann der Herꝛ/ noch der
Apoſtel groͤſſer/ dann der ihn geſandt hat/ ſo ihr ſolches wiſſet/
ſelig
[200]Die Fuͤnffte
ſelig ſeyd ihr/ ſo ihrs thut. Sondern auch myſticè, geiſtlicher
weiß/ das Geheimnuß ſeines Bluts und deſſen Reinigung damit abzu-
bilden/ davon Apoc. 1, 5. JEſus Chriſtus ein Fuͤrſt der Koͤnige
auff Erden/ hat uns geliebet/ und gewaſchen von den Suͤn-
den mit ſeinem Blut. Worauff Chriſtus auch zielet mit denen Wor-
ten Joh. 10, 13. Wer gewaſchen iſt/ der darff nicht/ dann die Fuͤſſe
waſchen/ ſondern er iſt gantz rein. Der Menſch hat von noͤthen ein
Waſſer-Bad und ein Blut-Bad/ wer durch die Tauff von den Suͤnden
gewaſchen/ der bedarff nicht mehr als die Erneuerung/ wegen der Erb-
Suͤnde/ die noch in dem Fleiſch wohnet/ und im Fleiſch uͤbrig bleibt.
Daß aber der Herr hie von einer geiſtlichen Abwaſchung und Reini-
gung rede/ erhellet daher/ weil er nicht ſagt: Wann ich deine Fuͤſſe nicht
werde waſchen/ ſondern wann ich dich nicht werde waſchen/ worauß er-
ſcheinet/ daß er nicht von einem bloſen Fuß-Waſchen rede/ ſondern von
einer ſolchen Reinigung/ die den gantzen Menſchen fuͤr ſich hat/ mit Leib
und Seel/ theils/ weil es Chriſtus mehrmalen im Brauch gehabt/ daß
er von irdiſchen Dingen einen Sprung gethan/ und Gelegenheit genom-
men/ von geiſtlichen Gutthaten unter dem irdiſchen Bilde zu reden.
Joh. 4, 13. \& 36. c. 6, 27. ſeq. uͤber das war ja das leibliche Fuß-Waſchen
nicht ſo noͤthig/ daß ohne daſſelbe niemand Theil an Chriſto haben/ und
des ewigen Lebens theilhafftig werden koͤnnen; maſſen viel tauſend ſelig
worden/ die doch Chriſtus leiblicher weiß nicht gereiniget hat/ es hat aber
die Seligkeit niemand gedeyen moͤgen/ er ſeye dann geiſtlicher weiß durch
das Blut Chriſti gewaſchen und gereiniget worden/ dann es bleibet bey-
des unbeweglich/ daß niemand in GOttes Reich eingehen koͤnne/ er ſeye
dann zuvor von ſeinem Suͤnden-Unflath geſaͤubert. Apoc. 21, 26. Es
wird nicht hinein gehen irgend ein gemeines/ und das da
Greuel thut und Luͤgen. Und daß ſolche Reinigung niemand an-
ders verrichte/ als JEſus Chriſtus. Act. 4, 12.
IV. Apparitio peregrinatoria, der Auffzug in Geſtalt der Wan-
ders-Leute. Um euere Lenden (alſo lautet der Goͤttliche Befehl Exod.
12, 11.) ſollet ihr umguͤrtet ſeyn/ und euere Schuh an euern
Fuͤſſen haben/ und Staͤbe in euern Haͤnden/ und ſolts eſſen
als die hinweg eilen/ dabey ſie ſich mußten erinnern ihres Exilii,
Dienſtbarkeit und Trangſahlen/ ſo ſie in Egypten außſtehen muͤſſen: Al-
ſo ſollen wir uns bey Nieſſung des H. Abendmals vorſtellen das Exilium
Paradiſiacum, wie wir ob crimen læſæ Majeſtatis divinæ, wegen des
Ehren-
[201]Predigt.
Ehren-Raubs/ da wir Gott nach Cron und Scepter gegriffen/ Gott wol-
len gleich ſeyn/ und Gottes geſtalt angemaßt/ auß dem Paradiß verſtoſ-
ſen/ auß dem Himmel verwieſen/ vom Baum des Lebens verjagt/ vom
Angeſicht GOttes vertrieben worden/ daß wir daſſelbe in dieſſer Sterb-
lichkeit nicht mehr anſchauen koͤnnen/ und nun als Banditen und Exu-
lanten gleichſam in der fremde herum terminiren und wallen muͤſſen/ er-
innern unſerer Trangſahlen/ Sclaverey und Dienſtbarkeit/ darinnen
uns der Sathan viel aͤrger tyranniſtret/ dann Pharao die Kinder Jſrael/
als welcher ſeinen Fron-Vogt in unſerem Buſen ſitzen hat/ ſo niemand
anders iſt und heißt/ als Lex peccati, der innerliche trieb und zwang
zu ſuͤndigen/ welcher dem Menſchen Tag und Nacht keine Ruh laßt/
ſondern treibet zu allem boͤſen/ und wendet ab von allem guten. Daß
wir dannenhero David ſeine Wort wol moͤgen ablehnen auß Pſ. 120, 5.
Wehe mir/ daß ich ein Fremdling bin unter Meſech/ ich muß
wohnen unter den Huͤtten Kedar. Jn der groſſen Moͤrder-grub
der argen Welt/ ja unter den Teuffeln ſelbſt/ die mir nach Leib und Seele
trachten.
V. Humiliatio \& mortificatio Es mußten die Jſraeliten niedli-
cher Speiß bey dem Oſterlamm ſich enthalten/ und daſſelbe mit bittern
ſaltzen und ſuͤſſen Brodten eſſen/ Jhr ſolt Fleiſch eſſen in derſelben
Nacht am Feuer gebraten/ und ungeſaͤuert Brod/ und ſolts
mit bitter ſaltzen eſſen.Exod. 12, 7. Jhrem Fleiſch damit wehe
zu thun/ und den Leib dadurch zu quaͤlen. Validiora corpora, quæ fer-
mentato pane aluntur. Geſaͤuert Brod macht ſtarcke Leute. Plinius l. 8.
c. 11. Jm gegentheil ungeſaͤuert Brod iſt ungeſund/ ligt in dem Magen/
und iſt ſchwerlich zuverdauen. Dannenhero ungeſaͤuert Brod/ Brod
des Elends genennet wird. Deut. 16, 3. von welchem der Haußvater/
wann er die Stuͤck Brod unter die Haußgenoſſen außgetheilet/ zuſagen
pflegte: ὁ δὲ ὁ ἄρτος ταλαιπωρίας. Hic eſt panis ille afflictionis, quem
comederunt majores noſtri in terra Ægypti, verè panis tum lacryma-
rum Theodoret. in Exod. q. 24. Diß iſt das Brod des Elends/ ſo
unſere Vaͤtter in Egyptenland gegeſſen/ in Warheit dazumal rechtes
Thraͤnen-Brod. Alſo wer ſich will zu dieſem Tiſch machen/ der hab wol
acht auff ſeine ſachen/ wer unwuͤrdig hinzugeht/ fuͤr das Leben den Tod
empfaͤht/ er ſehe zu/ daß ihn kein Unbuß brenne/ Buß iſt alsdann von
noͤthen/ trauren/ haſſen/ foͤrchten/ ſchaͤmen/ dem beſchaͤdigten naͤchſten
gnug thun/ faſten/ und ein guten Fuͤrſatz faſſen/ Thraͤnen-Brod eſſen/
Neunter Theil. C cnach
[202]Die Fuͤnffte
nach Davids Exempel/ der von ſich ſelbſt ſchreibt. Pſalm. 102. Jch
eſſe Aſchen wie Brod/ und miſche meinen Tranck mit weinen.
Dieſem allem nach wird von einem wuͤrdigen Communicanten er-
fordert die Δοκιμασία, die Pruͤfung: der Menſch pruͤfe ſich ſelbs/
lautet das Wort Pauli 1. Cor. 11/28. welches eine phraſis arithmetica,
entlehnet von Schaffnern und Kauffleuten/ demnach ſo uͤberlege er die
rubric der zehen Einnahmen/ die ein jeder an den fingern abzehlen kan:
als da iſt/ die Erwehlung zum ewigen Leben von Ewigkeit her/ die Er-
ſchaffung/ Erhaltung/ und vaͤtterliche Vorſorg/ die Erloͤſung/ Beruf-
fung/ Widergeburt/ Erneuerung/ Regierung/ Troͤſtung und Herꝛlich-
machung. Die zehen Außgaben/ die er haͤtte ſollen abrichten: Wahrer
und unbefleckter Gottesdienſt/ Goͤttliche Verehrung und Anbettung/ Lob
und Preiß Gottes/ Heiligung des Sabbaths/ Demuth/ Sanfftmuth/
Keuſchheit/ Freygebigkeit/ Warheit/ Vergnuͤgſamkeit. Die zehen Schul-
den die er gemacht: Gottloſigkeit/ Abgoͤtterey/ Laͤſterung und Mißbrauch
des Goͤttlichen Namens/ ſchlaͤfferiges Gebett und Danck Gottes/ Ent-
heiligung des Sabbaths/ Stoltz und Hochmuth/ Zorn und Neid/ Un-
zucht und Trunckenheit/ Muͤſſiggang/ Unwarheit/ boͤſe Luſt und derglei-
chen/ worauß das Facit fließt: Ego χρεοϕιλέτης, Jch bin ein groſſer
Schuldenmacher/ quia perditè vixi, weil ich boͤßlich gelebt habe/ und
weil GOTT ein ſtarcker Eyfferer/ ſo ſtehet mir der Schuld-Thurn offen:
Darum wehe mir/ mir iſt angſt und bang/ die Schuld iſt allzugroß/ ich
kan den geringſten Heller nicht bezahlen. Was Raths nun? Lerne zu
allerforderſt das ſubtrahiren wol/ hoͤre auff Schulden zu machen/ daß
der Hauffen nicht zu groß werde. Jn der Welt macht mancher Schul-
den auff den alten Kaͤyſer hinein/ und ſtecket darinn biß uͤber die Ohren/
hoͤret nicht auff auß- und auffzunehmen/ was ihm werden kan; es nim̃t
aber endlich ein boͤſes Ende/ ſo mache es nicht mit deinen Schulden/ laſ-
ſe ab vom boͤſen/ entziehe dich deinen vielgeliebten und geuͤbten Suͤnden.
Dann es iſt genug/ daß wir die vergangene Zeit des Lebens
haben zubracht nach heidniſchem Willen/ da wir wandelten
in Unzucht/ Luͤſten/ Trunckenheit/ Freſſerey/ Saufferey/
und greulichen Abgoͤttereyen. 1. Pet. 4, 3. Ergreiffe nachgehends
das addiren/ was dir abgehet und mangelt an eygener Gerechtigkeit/ das
erſetze mit der vollkommenen Gerechtigkeit des einigen Suͤnden-Buͤſſers
JEſu Chriſti/ der mit ſeinem Blut die erſchroͤckliche Handſchrifft/ ſo wi-
der uns iſt/ außgeloͤſcht/ durchſtrichen/ und getoͤdtet. Coloſſ. c. 2. Deine
Schulden ihme ſelbs zugeſchrieben/ er wills bezahlen. Was Paulus an
Oneſi-
[203]Predigt.
Oneſimo gethan/ und in dieſen Worten/ die er an Philemonem, des
Oneſimi Herꝛn geſchrieben/ verfaſſet. Philem. v. 18. So er dir etwas
Schaden gethan hat/ oder ſchuldig iſt/ das rechne mir zu/ ich
Paulus habe es geſchrieben mit meiner Hand. Jch wills be-
zahlen. Das hat dein Heyland Chriſtus an dir gethan/ Er iſt der je-
nige/ der alle unſere Ungerechtigkeit ihme ſelbſt imputirt und zugerechnet/
Hie bin ich/ ſagt er/ ich bezahle/ was ich nicht geraubet habe.Pſ 69.
v. 5. Er iſt der Advocat, der dem Himmliſchen Vater das Hertz uͤber-
windet/ Ach/ ſagt er von einem jeden bußfertigen Suͤnder/ du wolleſt
ihn als mein eygen Hertz annehmen/ ich weiß/ du wirſt mehr
thun/ als ich ſage/ dieſen Schulden-Knecht zu einem Sohn dir an-
wuͤnſchen/ und an Kindſchafft auffnehmen. Er iſt der jenige/ der uns
alle ſeine jura acquiſita, ſeine erworbene Rechte und Gerechtigkeit impu-
tirt. Hoc flamen eſt omnibus oneratis, ſed fulmen induratis! Practi-
cire ferner das multipliciren/ daß/ weil Gott ſo groſſe Gnade dir erwieſen/
nachgehends deine Seele ſein Lob an allem orth außbreite und vermehre/
und auch du deinem Naͤchſten die Wercke der Liebe erweiſeſt. Und dann
das dividiren/ daß du dich mit neuem Gehorſam GOTT allein ergebeſt/
von der Welt theileſt/ außgeheſt von Babylon/ und dich nicht theilhafftig
macheſt ihrer Wercke/ den boͤſen Buben/ wann ſie dich locken/ nicht fol-
geſt/ ſo wirſt du alsdann/ wann die Schaafe werden von den Boͤcken
abgeſondert/ und in das aͤuſſerſte Finſternuß hinauß/ da Heuͤlen und
Zaͤhnklappern/ getrieben werden/ hoͤren die freudige Stimme deines
Herrn/ gehe ein zu deines Herrn Freude.
Derowegen ἑκὰς ἑκὰς ὅςις ἀλιτρὸς. Procul hinc procul ite profani,
hinweg mit den garſtigen/ wuͤſten/ ungewaſchenen Schweinen/ die ſich
taͤglich in ihren Suͤnden herum weltzen/ und ohne Reu und Scheu/ ohne
Buß/ ohne einige Reinigung und præparation dahin lauffen/ wie die
Saͤu zum Trog/ mit ungewaſchenen Haͤnden/ und unbußfertigen Her-
tzen. Fuͤr ſolche ſoll man dieſes Heiligthum nich werffen.
Ἐκὰς ἑκἁς, die boßhafftige grimmige Hunde/ die noch voll Neid
und Boßheit ſtecken/ und zu keiner Verſoͤhnlichkeit ſich im geringſten nicht
verſtehen wollen. ἑκὰς ἑκὰς, die Judas Bruͤder/ Judas war ein Ertz-
Geitzhalß/ begabe ſich zum Predigampt/ als zum guldenen Fiſchfang/ da-
bey er ſein gutes Maulfutter haben moͤchte/ er wolte reich werden/ dar-
um er auch in gefaͤhrliche Stricke gefallen. Er wurde ein Dieb/ Chri-
ſtus hatte ihn zum Kirchen-Schaffner und Allmoſen-Knecht gemacht/
und ihm ſeinen Beuͤtel vertrauet/ er ſolte Seckelmeiſter ſeyn/ aber wie ihn
C c i jSt.
[204]Die Fuͤnffte
St. Johannes taufft/ war er ein Dieb/ Joh. 12, 6. Er war ein Heuch-
ler/ der ſich geſtellt/ als meinte ers gar gut mit der lieben Armuth/ da
Maria mit einem Pfund Salbe von ungefaͤlſchter koͤſtlicher Narden die
Fuͤſſe JEſu gewaſchen/ da thut ſich Judas herfuͤr/ und ſagt: Warum
iſt dieſe Salb nicht verkaufft worden um 300. Groſchen/ und den Armen
gegeben? Aber es war ihm nicht ums Hertz/ er haͤtte auch gern eine Fe-
den von dieſer Ganß gehabt. Er wurde ein Verraͤther/ der Sathan
gibts ihm in das Hertz/ er ſolte Chriſtum verrathen/ darein er auch gewil-
liget/ und ob ihn ſchon Chriſtus auff mancherley weiſſe gewarnet/ mit ver-
bluͤm̃ten Worten: Jhr ſeyd rein/ aber nicht alle/Joh. 13, 11. der
mein Brod iſſet/ tritt mich mit Fuͤſſen.v. 18. indefinitè,War-
lich/ warlich/ ich ſage euch/ einer unter euch wird mich verra-
then.Joh. 13, 21. Geſtu. wann er den Biſſen eingetaucht/ und Judæ
gegeben. expreſſis verbis:Juda/ verraͤtheſtu des Menſchen
Sohn mit einem Kuß?Luc. 22, 48. Aber alles umſonſt und verge-
bens/ ſein Hertz war gantz und gar verteuffelt/ Felſen-hart/ ja haͤrter als
Stahl und Eiſen: Alſo foͤrchte ich gar ſehr/ es gibt der Judas-Bruͤder
gar viel/ die in der Heucheley erſoffen/ Chriſtum in ſeinen Gliedmaſſen
verrathen/ den Sohn GOttes mit Fuͤſſen tretten/ das Blut des Neuen
Teſtaments unrein achten/ und den Geiſt der Gnaden ſchmaͤhen. Hebr.
10. Dieſe alle ſeind dieſes Mahls nicht werth.
Hieher im gegentheil/ die ihr in der rechten Ordnung begriffen/ und
die oberzehlten Characteres, Kennzeichen und Eigenſchafften an euch
habt/ laſſet euch euere Unwuͤrdigkeit nicht erſchrecken/ wie Petrus/ in
Chriſto ſeyd ihr wuͤrdig gnug/ Sehet an die Apoſtel/ was waren Mat-
thæus/ Jacobus/ Johannes? waren ſie nicht Geldgeitzig/ rachgierig/ ehr-
geitzig/ und dergleichen/ doch von Chriſto/ als wuͤrdige Gaͤſte/ zugelaſſen
worden. Ein ſolches Hertz gedencke/ 1. daß eben diß Sacrament ein
Mittel ſeye/ ihn wuͤrdig zu machen/ es ſeye das lebendigmachende Fleiſch
und wuͤrdigmachende Blut. Siipſe fueris accuſator, Deus liberator,
quid erit diabolus, niſi calumniator? Auguſt. Serm. 48. de tempore.
2. Daß GOtt nicht wolle/ daß wir in unſerer Wuͤrdigkeit/ ſondern in
der Wuͤrdigkeit Chriſti erſcheinen ſollen/ daß eben der Menſch der wuͤr-
digſte/ der in ſeinem Hertzen der unwuͤrdigſte/ der Zoͤllner im Tempel
ſchlug ſeine Augen nider/ wolte ſie nicht auffheben gen Himmel/ ſondern
ſchlug an ſeine Bruſt/ und ſprach auß demuͤtigem reuendem Hertzen/
GOtt ſey mir Suͤnder gnaͤdig/ doch wurde er gerechtfertiget vor dem
Phariſeer/ Ein ſolch Vertrauen haben wir durch Chriſtum zu
GOtt/
[205]Predigt.
GOtt/ nicht daß wir tuͤchtig ſind Rath zufinden von uns ſel-
ber als von uns ſelber/ ſondern daß wir tuͤchtig ſind/ iſt von
GOtt. 2. Cor. 3, 4. Was ſchwach iſt vor der Welt/ das hat
GOTT erwehlet/ daß er zuſchanden mache/ was ſtarck iſt.
1. Cor. 1, 27. Kommet her zu mir alle die ihr muͤhſeelig und be-
laden ſeyd/ ich will euch erquicken.Matth. 11, 28. hie im Glauben/
dort im ſchauen/ hie Troͤpfflein/ dort Stromsweiß/ Amen.
Die Sechſte Predigt.
Von
Dem Wirth und Gaſtgeber des H. Abend-
mahls/ Chriſto JEſu.
GEliebte in Chriſto: Seelig iſt/ der das Brod iſſet im
Reich Gottes/ ſagte Luc. XIV, 15. ὁ δεῖνα, einer/ ein unge-
nanter und uns unbekanter/ als Chriſtus auff einen Sabbath
in dem Hauß eines Oberſten der Phariſeer eingekehrt/ das Brod zueſ-
ſen/ und unter andern Gelegenheit genommen/ die anweſende Gaͤſte mit
einem annehmlichen Geſpraͤch zuerbauen/ ſonderlich aber dieſe Gaſt-Regul
fuͤrgelegt: Wann du ein Mittag oder Abendmahl macheſt/ ſo
lade nicht/ (verſtehe allein/) die Reichen deine Freunde und Nach-
baren/ auff daß ſie dich nicht etwa wider laden/ und dir vergol-
ten werde: Sondern wann du ein Mahl macheſt/ ſo lade die
Armen/ die Kruͤppel/ die Lahmen/ die Blinden/ die es dir
nicht koͤnnen vergelten. Es wird dir aber vergolten werden
in der Aufferſtehung der Gerechten. So bricht einer der mit zu
Tiſch ſaß/ und nicht weit vom Himmelreich geweßt/ ohne zweifel auß gu-
tem Hertzen/ ſeufftzend/ in dieſe Wort auß: Seelig iſt der das Brod iſſet
im Reich GOttes. Ja freylich ſelig iſt/ der das Brod iſſet im Reich
GOttes/ in regno gloriæ, im Reich der Ehren und Herꝛligkeit/
quia 1. convivium jucundiſſimumdie allerlieblichſte ſuͤſſeſte/ und
erfreulichſte Mahlzeit. (Dann ſo beliebte Chriſto die Himmliſche
Guͤter mit irꝛdiſchen zu vergleichen/ und unter dero Bild dieſelbe vorzu-
ſtellen) Wann ein Panquet oder Taffel zugerichtet wird/ da alles vollauff/
C c iijalles
[206]Die Sechſte
alles uͤberſchuͤttet und uͤberflieſſet/ jederman luſtig und guter ding; es
ſolte aber ein armer/ duͤrfftiger/ ohnmaͤchtiger/ hungerig und durſtiger
Menſch nicht weit davon ſitzen/ und zuſehen/ wie man ein niedliches Biß-
lein nach dem andern aufftraͤgt/ wie ein koͤſtlicher Wein nach dem an-
dern eingeſchencket wird/ er aber haͤtte nichts zum beſten/ wie ſchmertzlich
weh wuͤrde es ihme thun? ſo ſchmertzlich weh es Lazaro gethan/ als er
allen uͤberfluß an des reichen Schlemmers Tiſch geſehen/ und er das ge-
ringſte Broſamlein nicht haben koͤnnen; So ſchmertzlich weh es nun ei-
nem ſolchen Menſchen thut/ ſo lieblich und wol dem jenigen/ der an der
Tafel ſitzet/ und der Trachten in aller Wolluſt nach Wunſch und Wil-
len genieſſet: Alſo was fuͤr innigliche und ſuͤſſe Freud und Wonne ge-
nieſſen an GOttes Tiſch die außerwehlte und triumphirende Himmels-
Burger Enoch und Elias/ die jenige/ ſo mit Chriſto aufferſtanden/ die
ihren Lauff allbereit vollendet/ wann ſie an uns gedencken/ die wir in die-
ſem Jammerthal das Elend bauen muͤſſen/ wann ſie gedencken/ an die
Rotte Core/ Dadan/ und Abiram/ welche die Erde lebendig verſchlungen/
an die viel tauſendmahl tauſend verdampte Seelen/ die in der Hoͤllen nun
ſitzen und ſchwitzen/ und mit Schwefel und Bech geſpeiſet und getraͤn-
cket werden. Wann Lazarus im Schoß Abrahæ gelegen/ der reiche
Schlemmer dargegen Pein in der hoͤlliſchen Flamme gelitten. Das war
freylich dem frommen ſeligen Lazaro jucundiſſimum convivium. II.
Convivium precioſiſſimum,das edelſte und koͤſtlichſte Mahl/ theils
ratione cauſæ efficientis, wie dunckte ſich Haman ſo groß und ſelig/ daß
er vom Koͤnig und Koͤnigin zu Gaſt geladen worden. Eſth. 5, 12. Auch
ſprach Haman: Die Koͤnigin Eſther hat niemand laſſen
kommen mit dem Koͤnige zum Mahl/ daß ſie zugerichtet hat/
ohn mich/ und bin auch morgen zu ihr geladen mit dem Koͤnige.
Hie mehr als Ahaſverus und Eſther/ der Himmels-Koͤnig Jeſus Chri-
ſtus/ der ewige/ unendliche/ und Majeſtaͤtiſche Gott; theils ratione
æternitatis, wegen der Waͤhrung. Ahaſveri koͤſtliche und Koͤnigliche
Mahlzeit waͤhrete hundert und achtzig Tage. Solte man aber irgend
einen von den Gaͤſten gefragt haben: Wie lang hat doch die Freude ge-
waͤhret? wuͤrde er geantwortet haben/ nur ein halbes Jahr/ und wir
ſeind doch des guten Lebens ſatt und muͤd worden. Wann wir aber im
Himmelreich unſern ſeligen Stand werden anſehen/ wie lange? unſere
Sicher- und Freyheit/ die Goͤttliche Anſchauung/ unſere Kronen/ unſere
himmliſche Hochzeit-Freude/ wie lang wird dieſe waͤhren? biß in Ewig-
keit/ hundert Jahr iſt noch kein Tag/ hundert tauſend keine Stunde/ Mil-
lion
[207]Predigt.
lion tauſend Jahr keine Minute. Alles ohne Ermuͤduug/ ohne Eckel/
ohne Verdruß; Theils ratione materiæ, wegen der Speiſen/ davon
Eſaias c. 25, 6. Der HErꝛ Zebaoth wird allen Voͤlckern (die
nemlich den Nahmen des Herꝛn Jeſu angeruffen haben) machen auff
dieſem Berge (des Koͤniglichen Himmels-Saals) ein Mahl (einen
freyen Tiſch nach dem Hunger-Thal) ein fettes Mahl (da nichts
mangelt) ein Mahl von Fett und Marck (von den niedlichſten ſpe-
cial-Bißlein) ein Mahl von reinem Wein/ darinn keine Heffen
ſeind/ weit uͤber Malvaſier/ nicht lacrymæ, ſondern deliciæ Chriſti, da
wird man koͤnnen trincken was klar iſt/ und eſſen was gar iſt. Wie nun
eine koͤſtliche Mahlzeit alle Kraͤfften der Seelen/ alle Sinn und Lebens-
Geiſterlein erquicket/ viel tauſendmahl lieblicher die Mahlzeit im Him-
melreich/ an der himmliſchen Ehren und Herren-Tafel/ da das verbor-
gene Manna auffgeſetzt/ und der lautere Wein wird eingeſchencket wer-
den/ da wird alles vollkommen ſeyn/ im Gemuͤth/ Willen/ aͤuſſerlichen
und innerlichen Sinnen. Cleopatra und Antonius certirten auf eine
Zeit mit einander in der Koſtbarkeit; Cleopatra aber uͤberwand/ als
welche ein Perlein/ dergleichen nur noch eines auff dem Erdboden war/
ſo man fuͤr 600000. ſeſtertia geſchaͤtzt/ in ſcharffem Eſſig zerlaſſen/ fuͤr-
geſtellt und getruncken. Jſt aber nichts gegen der Gnaden- und Glory-
Tafel Chriſti/ daruͤber St. Paulus verſtummet/ und ſagt: Es hab es
kein Aug geſehen/ kein Ohr gehoͤret/ und ſeye in keines Menſchen Hertz
kommen/ es ſeyen ἀῤῥητα, unaußſprechliche Sachen. Acquiri potuit,
æſtimari non poteſt. Auguſt. man hats koͤnnen erwerben/ ſchaͤtzen kan
man es aber nicht. III. Convivium deſideratiſſimum \& beatiſſimum,
das allerſeligſte und erwuͤnſchte Mahl. Anderer Mahlzeiten
koͤnnen wir entrathen/ mit einem ſtuͤck Kaͤß und Brod fuͤr lieb nehmen/
aber wer deſſen entrathen muß/ der iſt verlohren/ es iſt der einzige Baum
des Lebens/ wer deſſen nicht theilhafftig wird/ der ſtirbt des ewigen Tods/
darum auch an etlichen Orten fuͤr dem Tiſch gebettet wird/ mach uns
theilhafftig des Ewigen Himmliſchen Tiſches.
Jſt alles auch wahr de Convivio Chriſti ſacramentali, in regno
Gratiæ, von dem Sacramentlichen Mahl Chriſti/ im Gnadenreich/ da
wir nur den Vorſchmack des ewigen Freuden-Mahls haben. Jſt wol/ ſag
ich/ 1. Convivium jucundiſſimum, ex oppoſitione der Veraͤchter/ die
davon nichts wiſſen/ und geiſtlich verſchmachten/ als welches einen Vor-
ſchmack des ewigen Lebens anzuͤndet/ dergleichen Petrus/ Jacobus und
Johan-
[208]Die Sechſte
Johannes auff dem Heiligen Berg empfunden. Matth. 17. Jch befin-
de offt eine Bewegung in mir/ ſagt Auguſtinus, wann dieſelbe immer in
mir bliebe/ ſo koͤnte dieſelbe nichts anders ſeyn/ als das ewige Leben. Da
heißts/ Evolemus hinc ad æterna gaudia, laſſet uns von hinnen fliehen
zur ewigen Himmels Freude. Nun bin ich gewiß/ daß weder Todt noch
Leben/ weder Engel noch Fuͤrſtenthum/ weder Gewalt/ weder gegenwaͤr-
tiges noch zukuͤnfftiges mich ſcheiden mag von der Liebe Gottes/ die da iſt
in Chriſto Jeſu unſerm Herꝛn. Rom. 8. 2. Precioſiſſimum. weil es von
Chriſto erworben/ Chriſti Leib und Blut vorſtellet und aufftraͤgt/ die beſte
Bißlein/ das Lamm Gottes/ ſo der gantzen Welt Suͤnde traͤgt/ und in
heiſſer Liebe gebraten worden/ die fruͤhgejagte Hindin/ nach dem 22. Pſ.
und Cant. 2, 9. Mein Freund iſt gleich einem Rehe/ oder jungen
Hirſch. Die jenige Henne/ die ihre Kuͤchlein verſamlet unter ihre
Fluͤgel. Matth. 23. Das lebendige Brod/ ſo vom Himmel kommen/
und der Welt das Leben gibt. Joh. 6. Den neuen Wein/ Matth. 9, 17,
3. Deſideratiſſimum ac beatiſſimum, ohne welches wir muͤßten ver-
ſchmachten/ in dieſem elenden Hunger-Land. Jſt nur das aͤrgſte/ daß
wirs nicht achten/ der eine vertiefft ſich in Hoffart/ kaufft aͤcker/ damit zu
prangen/ gehet hinauß ſie zu ſchauen; der andere in Augenluſt/ und kauf-
fet Ochſen/ der dritte in Wolluſt/ nim̃t ein Weib/ und laͤßt ſich von dem-
ſelben abhalten/ ein gute Ehe zu erhalten/ wie Moſes/ der um ſeines
Weiſſs Zipora willen ſeinen Sohn nicht beſchneiden wollen. Daher es
kompt/ daß die Leute nicht ſchmecken die Lieblichkeit und Suͤſſigkeit dieſes
Abendmahls. Quomndo tibi oſtendam multitudinem hujus dulcedi-
nis, qui palatum febri iniquitatis perdidiſti. Auguſtin. in Pſalm. 30.
Wie ſoll ich dir zeigen den uͤberfluß dieſer Suͤſſigkeit/ als
der du deinen Mund mit dem Fieber der Ungerechtigkeit ver-
derbet haſt? Wie einem Febricitanten alle Speiſen zuwider/ oder ſich
doch nicht darnach ſehnet/ alſo achten auch die wolluͤſtigen Welt-Hertzen
dieſes koͤſtlichen Himmels-Perleins nicht. Qui dentibus laborant,
protinus Medicum adeunt, qui febri tenentur, accerſunt; at phreneti-
cus nec accerſit, nec admittit, ob morbi vehementiam. Plutharch.
Wer Zahnwehe hat/ der lauffet alſobald zum Artzt/ wer am Fieber kranck
ligt/ laßt eylends den Doctor zu ſich fordern; Aber ein unſinniger Menſch
gehet weder zum Doctor, noch laͤßt ihn zu ſich kommen/ wegen ſeines ver-
zweiffelten boͤſen Schadens: Alſo ſeind auch ſolche ſichere Welt-Kinder/
und wolluͤſtige Hertzen/ die ihrer Seelen nicht achten/ und den Schaden/
damit
[209]Predigt.
damit ſie beladen/ nicht empfinden/ rechte unſinnige Leute zu nennen.
Es bleibet aber dabey/ was der Herr ſagt: Jch ſage euch aber/ daß
der Maͤnner keiner/ die geladen ſind/ mein Abendmahl ſchme-
cken wird. Jm gegentheil/ ſelig/ der das Brod iſſet in dem
Reich GOttes. Selig hie und dort; Nun ſolchen Hunger und
Durſt zu erwecken/ und ſolche Unachtſamkeit zu vertreiben/ wollen wir
die Fuͤrtrefflichkeit und Suͤſſigkeit dieſes Gnaden-Mahls darſtellen/ und
zu allervorderſt erwegen Hoſpitem \& Sympoſiarcham, den Wuͤrth und
Gaſtgeber: und zwar 1. Quis? wer er ſeye? 2. Quo ſtatu? in was fuͤr
einem Stand er dazumal geweſen? 3. Quo affectu? mit was fuͤr Sit-
ten und Sinnen/ Hertzen und Gemuͤth? 4. Quo loco? an welchem
Ort? und dann 5. quo ſitu? in was fuͤr poſitur und Geſtalt er es ge-
halten? Daß wir nun/ Herꝛ Chriſte/ moͤgen ſchmecken/ dein Suͤſſig-
keit im Hertzen/ und duͤrſten ſtaͤts nach dir/ wolleſtu ſelbs unſere Augen
und Sinne verklaͤren/ und durch deines Geiſtes Krafft die Hertzen zu dir
kehren. Amen.
GEliebte in Chriſto. Wer iſt dann derjenige/ der dieſes
Mahl geſtifftet und eingeſetzet? So iſt es nun nicht noͤthig/
daß wir uns mit einer langen Remotion auff halten/ und an-
zeigen/ es ſeye nicht geweßt Melchiſedech/ nicht Joſeph/ nicht Ahaſverus/
jederman weiß dieſes ohne das wol/ ſondern wir gehen grad zu/ und ſa-
gen/ es ſeye geweſen Chriſtus JEſus/ GOttes und Mariaͤ Sohn/ un-
ſer Leibs- und Seelen-Herr/ der uns zu ſeinem Eigenthum ſo theur er-
kaufft/ unſer hoͤchſte Schatz/ unſer einige Erb- und Ehren-Koͤnig/ dem
wir in der H. Tauff gehuldiget/ der allerheiligſte Prophet/ der Authoritaͤt/
Fug und Macht gehabt/ neue Sacramenta zu ſtifften/ der allwiſſende
GOtt/ der allmaͤchtige/ allgegenwaͤrtige/ und reicheſte Koͤnig/ der ſeinem
Wort kan und wil Krafft geben/ der noch mit und unter uns iſt/ und
ſein Leib und Blut durch die Hand des Dieners und Predigers außſpen-
det/ der ſeine Unterthanen mit ſich ſelbſt/ und ſonderlich mit ſeinem Leib
und Blut weydet und ſpeiſet/ der hoͤchſte Hoheprieſter/ der ſeinen Leib
ſelbs auffgeopffert/ und noch heutiges Tags von dem hohen Fron-Altar
des Creutzes herab nim̃t/ und ſein allerheiligſtes Opffer-Mahl haltet.
Sonderlich wird er uns allhie geruͤhmet mit zween Nahmen/ der HErꝛ
JEſus/ 1. Cor. 11. HErꝛ/ als Stiffter/ deſſen Rath von oben herab/
auß dem Himmel. JEſus/ als der uns ſelig macht/ die durch Jhn
erworbene Seligkeit uns hiemit offerirt/ verſigelt und verpfaͤndet. Und
Neunter Theil. D deben
[210]Die Sechſte
eben der iſts auch noch auff den heutigen Tag/ der Leib und Brod/ Blut
und Wein mit einander vereinbaret/ und außſpendet durch ſeinen Die-
ner/ der Diener iſt hie auch der cooperarius und Oeconomus,wir ſind
GOttes Mit-Arbeiter/ 1. Cor. 3, 9. Dafuͤr halte uns jederman/
nemlich fuͤr Chriſti Diener und Haußhalter uͤber GOttes
Geheimnuß. 1. Cor. 4, 1. und ſoll deßwegen kein Lay ſich unterſtehen/
ihme ſelbs zu reichen/ wegen des groſſen Unterſcheids zwiſchen der Noth-
Tauff und dem Abendmahl. Jene iſt abſolutè vonnoͤthen/ dieſes aber
nicht. Jene iſt bey kleinen Kindern allezeit fruchtbar/ und hat man ſich
da nicht zu befahren/ daß ſie es unwuͤrdig empfangen; Hie aber/ als bey
den adultis iſt Auffſicht vonnoͤthen/ daß man die Perlein nicht vor die
Schwein werffe/ hie gehoͤrt probation zu/ ſo eigentlich der Prediger Ampt
iſt. Wo derowegen noch eine Kirch in der Welt iſt/ da GOttes Wort
rein wird gelehret/ dahin ſoll man ſich begeben/ und den Beruff ihm nicht
ſelbs nehmen. Wann aber/ wie zur Zeit Lutheri/ das Sacrament nir-
gends recht gereicht wuͤrde/ da hats eine andere Beſchaffenheit.
An Eceleſiâ (ita format caſum D. Brochmand. Syſtem. part. 2. de Miniſt. Eccleſ.
c. 3. Caſ. conſc. 2. p. m. 361.) aut corruptâ, aut publicis perſecutionibus ita
turbatâ, ut ordinarii Miniſtri, qui verbum DEI ſincerè doceant, \& Sacra-
menta legitimè adminiſtrent, haberi non poſſint, liceat cuiquam, abſque
peculiati vocatione, \& ſolenni inauguratione alios publicè docere, atque
Sacramenta adminiſtrate? Nos (ita reſpondet) ſecuti Scripturas \& Luthe-
rum libr. de Inſtit. Eccl. Miniſtr. tom. 2. Jenenſ. Germ. fol. 233. affirmamus,
triplici inprimis nixi fundamento. Initio urgemus monita illa Spiritus
DEI, quibus converſio fratrum commendatur omnibus \& ſingulis Chriſtia-
nis, ſaltem iis, quibus divinitùs contigit χάρισμα inſtituendi alios: quâ
de re notentur hæc Spiritus Sancti monita, Hebr. 3, 13. Adhortamini alii
alios, per ſingulos dies, ne obduretur quiſquam à peccato deceptus. \& ꝟ. 24. 25.
Adhortemur alii alios, ut acuamus nos ad charitatem \& bona opera, idque
eò magis, quò propiorem videmus extremum diem. Jacob. 5. ꝟ. 19. 20. Fra-
tres, ſi quis inter vos aberraverit à veritate. \& converterit eum quiſpiam,
ſciat eum, qui averterit peccatorem ab errore viæ ſuæ, ſervaturum animam
à morte, \& operturum multitudinem peccatorum. Deinde, qui videt ani-
mas plurimas periclitari, nec iis ſanctâ \& ſalutari inſtitutione ſubvenit, ſi
poteſt, iram DEI certò incurrit, ut qui nec talentum ſuum dignè elocet fœ-
nori. Matth. 25, 24. Nec ad animum ſeriò \& ſanctè ſumat, quod ad DEum
converſus ſit, ut etiam fratres confirmet \& convertat, Luc. 22, 32. Gal. 6.
ꝟ. 1. 2. ſeq. Tertiò, Exempla Novi Teſtamenti clarè ſirmant aſſertionem
noſtram. Nam Stephanus Act. 6. \& 7. ad munus docendi neutiquam vo-
catus, \& docuit, \& miracula magna in populo edidit: Idem etiam fecit
Philippus, Stephani in Diaconatu Symmiſta, Act. 8. verſ. 26. \& Apollo,
Act. 18. v. 24. \& alii hinc inde diſperſi. Act. 8. ꝟ. 4. \& 11. ꝟ. 19. In tali itaque
caſu,
[211]Predigt.
caſu, loco ordinariæ vocationis, eſſe poteſt, \& debet vocatio ad Chriſtia-
niſmum \& χάρισμα divinitùs datum, \& ad ſerviendum proximo obligatio.
II. Quo ſtatu?Jm Stand ſeiner Erniedrigung/ da er ſeiner
Majeſtaͤt ſich entaͤuſſert/ und ſeiner Herꝛlichkeit ſich begeben/ wann er ſei-
nen Juͤngern die Fuͤß gewaſchen/ und alſo im hoͤchſten Grad ſeiner Liebe/
als welche er von ſich herfuͤr leuchten laſſen/ affectu, in ſeinem holdſeligen
Liebes-Affect,dann wie er die ſeinen geliebet hat/ die in der Welt
waren/ ſo liebet Er ſie ans Ende.Johan. 13, 1. Verſtehe amore
antecedenti, indem er Judaͤ/ da ihm der Satan ſchon ins Hertz gegeben/
daß er ihn verrieth/ dennoch auß Liebe die Fuͤſſe gewaſchen: affatu, mit
lieblichen Geſpraͤchen/ welche ſonderlich Johannes/ der Schoß-Juͤnger
Chriſti fleiſſig auff gezeichnet/ und zu unſerm groſſen Troſt der Kirchen
hinderlaſſen/ Cap. XIII. XIV. XV. XVI. XVII. und dann effectivè, in
dem Er ihnen die Fuͤſſe gewaſchen/ dann es pflegten die Morgenlaͤnder/
nicht wie wir/ Taffel zu halten/ ſie ſatzten ſich nicht um einen Tiſch herum/
ſondern lagen auff Betten/ je einer dem andern in ſeinem Schooß/ da
nun vonnoͤthen war/ daß ſie zuvor ihre Fuͤſſe waͤſchten/ und daſſelbige
officium nim̃t allhie Chriſtus auff ſich/ ſchuͤrtzete ſich/ und truͤcknete der
Apoſtel Fuͤſſe mit denen Haͤnden/ mit welchen Er Himmel und Erden
traͤgt/ da neigete und buckete ſich Gott zu den Fuͤſſen der Menſchen/ vor
den Suͤndern die Heiligkeit ſelbs/ vor den Sterblichen der Unſterbliche/
vor der Creatur der Schoͤpffer/ vor den Sternen die Sonne/ das un-
ſchuldige Lamm GOttes vor ſeinem Verraͤther. Wir koͤnnen wol er-
achten/ wie den Juͤngern/ ſonderlich Petro/ dazumal muß zu Sinn ge-
weſen ſeyn/ derowegen auch Petrus vor Verwunderung außgeruffen:
HErꝛ/ ſolteſtu mir meine Fuͤſſe waſchen?Joh. 13, 6. als ſagte er:
ſolteſtu/ als der Herr ſeinem Knecht/ der Meiſter ſeinem Juͤnger/
GOttes Sohn einem Menſchen/ der Schoͤpffer ſeiner Creatur/ die nur
Staub und Aſchen/ der Allerheiligſte einem Suͤnder/ der Seligſte dem
Elendeſten/ der nicht werth/ daß er ſeine Schuh-Riemen auffloͤſet/ der
Unſterbliche dem Sterblichen/ die Fuͤſſe waſchen/ einen knechtlichen/ ja
den allergeringſten Dienſt leiſten? wann du mir noch das Haupt/ oder
die Haͤnde waſchen wolteſt/ wolte ich mich ſo gar ſehr nicht ſperren/ aber
die Fuͤſſe/ iſt gar zu viel/ waſchen mit den jenigen Haͤnden/ mit welchen du
ſo viel Wunder gethan/ in welche der Vater alles geleget/ damit du ſo viel
Außſaͤtzige rein/ ſo viel Blinde ſehend/ ſo viel Taube hoͤrend/ ſo viel Stum-
me redend/ ſo viel Lahme gehend haſt gemacht? Dannenhero Autor
D d ijſerm.
[212]Die Sechſte
ſerm. ad Fratr. in Eremo ſerm. 28. ſchreibet: Petrus videns divinitatem
ante ſe incurvari, expavit, exhorruit, \& per cœnaculum velut inſenſa-
tus cucurrit \& exclamavit, non lavabis mihi pedes: Das iſt: Petrus/
als er geſehen/ daß die Gottheit ſich vor ihm buͤcke und nider
knie/ hat er ſich entfaͤrbet/ und iſt dermaſſen erſchrocken/ daß
er auß dem Saal/ gantz entzuckt und ergeiſtert hinauß geloffen/
und geſchrien: Nimmermehr ſolt du mir die Fuͤſſe waſchen.
Jſt derowegen ein lauter Lieb- und Gnaden-Mahl/ ein rechtes Philtrum
und Liebes-Tranck geweſen.
III. Quo affectu \& fine, zu was End/ mit was fuͤr Gemuͤth/
Zweck und Abſehen/ nicht zum Pracht und Pralen/ wie man etwan heu-
tiges Tages mit koͤſtlichen Panqueten pfleget zu praviren/ ſondern ſeine
heiß-hungerige und flammende Begierde zu entdecken/ die der Herr mit
den emphatiſchen/ hertz-beweglichen/ Affect-reichen Worten außgeſpro-
chen: Mich hat hertzlich verlanget diß Oſter-Lamm mit euch
zu eſſen/ ehe denn ich leide/ dann ich ſage euch/ daß ich hinfort
nicht mehr davon eſſen werde/ biß daß es erfuͤllet werde im
Reich GOttes/Luc. 22, 15. 16. Es hatte der Herr mehrmal das
Oſter-Lamm mit ſeinen Juͤngern gegeſſen; aber er ſehnete ſich den Ty-
pum zu erfuͤllen/ und das Sacrament einzuſetzen. Er freuete ſich/ daß
nunmehr die Zeit kommen/ daß er dem menſchlichen Geſchlecht ſolte of-
fenbahren die Hoͤhe und die Tieffe/ die Laͤnge und die Breite ſeiner Liebe.
Es iſt/ wil er ſagen/ Epulum Valedictorium, mein Valet und Letze/ mein
Schied-Jmbiß: wann gute Freund von einander ſcheiden und reiſen/
ſo brennet die letſte Mahlzeit von lauter Affecten/ der Reyſige ſchuͤttet
alsdann ſeine Affecten auß/ und raumet ſeinem Hertzen: So thut der
Herr auch allhie/ es war eben die Nacht/ da er verrathen worden/ den
andern Tag darauff ſolte er leiden und ſterben/ darum weſſen ſein heiliges
Hertz dazumal voll geweßt/ davon gieng der Mund uͤber. Epulum
τελειωτικὸν, es war ſein Fuͤll-Jmbiß/ dabey er bezeuget/ daß alte Schatten-
Opffer muß nun gar hinweg/ das Gefeſt vom irdiſchen Oſter-Lamm
wolle er hiemit beurlauben/ das rechte Oſter-Lamm werde nun morgen
geſchlachtet/ erwuͤrget/ ſein Blut vergoſſen/ es werde am Creutz ange-
ſpiſſet/ und in heiſſer Liebe gebraten werden/ Gott im Himmel zu einem
ſuͤſſen Geruch/ darum/ nachdem die Sonne erſchienen/ muͤſſen die Nacht-
Schatten weichen. Ja es ſey Epulum funebre, ſein Leich-Mahl/ ſein
Leichfall-Jmbiß. Von den Egyptiern zeuget Herodotus lib. 3. Es
haben
[213]Predigt.
haben dieſelbe bey ihren Freuden-Panqueten gemeiniglich in einem glaͤ-
ſernen durchſichtigen Toden-Sarck/ einen Todten-Coͤrper/ ein mumiam,
einen tod-balſamirten Leichnam/ den Gaͤſten und Freunden zum Schau-
Eſſen dargeſtellet/ auff daß ſie des verſtorbenen guten Freunds nicht ver-
geſſen moͤchten. Ein ſolch Memorial hat der Herr auch in derſelben
letſten Nacht geſtifftet/ und das Opffer-Fleiſch/ ſo geſchlachtet worden/
nemlich ſein eigen Fleiſch/ ſein Opffer-Blut/ ſo vergoſſen worden/ zu
eſſen und zu trincken gegeben/ ſo geiſtlicher weiß im Glauben/ ſo muͤndlich
im Sacrament zu genieſſen auffgetragen und fuͤrgeſtellet/ zu ſeiner lieb-
ſten/ holdſeligſten Gedaͤchtnuß ſeines theuren Opffers und werthen Tods.
IV. Quo loco? An welchem Ort? Jn der Stadt Jeruſalem/ in
einem Saal eines/ der nicht genennet wird. Niceph. l. 1. Hiſt. 28. ſchreibt/
es ſeye geweſen das Hauß Johannis des Evangeliſten/ ſo unten am
Berg Sion gelegen; Aber die Evangeliſche Hiſtori meldet/ Johannes
ſeye ſelbſt unter den Botten geweßt/ die ſich bey dem Haußmeiſter ange-
meldet. Luc. 22, 8. Er ſandte Petrum und Johannem/ und
ſprach: Gehet hin/ bereitet uns das Oſter-Lamm/ auff daß
wirs eſſen. Andere halten dafuͤr/ es ſeye Nicodemus/ andere Joſeph
von Arimathia/ ſed neſcire hæc, erudita eſt inſcitia, am Juͤngſten Tag
wird dieſer Mann bekannt/ und ſein Glauben geruͤhmet werden/ der eben
dazumal dieſen Herrn auff genommen und bewuͤrthet/ da man Chriſto
nachgeſtellet Joh. 11, 57. Da eben die Hohenprieſter und Phariſeer laſſen
ein Gebott außgehen/ ſo jemand wuͤßte/ wo er waͤre/ daß ers anzeigete/
daß ſie Jhn griffen. Der ſpecial Ort war ἀ [...]ώγεον μέγα ου᾽ςρωμ [...]ον, cœ-
naculum, ein ſchoͤner Saal/ in der Hoͤhe des Hauſes aufferbauet/ ge-
pflaͤſtert/ und eben zubereitet mit Teppichen/ Tiſchen und Betten/ auff
daß/ wo von fremden Orten unbekante Gaͤſte herkaͤmen/ ſie das Loſa-
ment auff das Oſter-Feſt bereit angetroffen. Vermuthlich iſts/ es ſeye
eben das ὑπερῶον und τρικλίνιον geweßt. Act. 1, 13. c. 2, 1. da nachmahlen
der H. Geiſt uͤber die Apoſtel in Feurs-Geſtalt ſich ergoſſen/ wie auch
Cyrill. Hieroſol. Catech. 16 meldet/ daß die H. Apoſtel dieſen Ort zu ei-
ner Kirch eingeweyhet. Welches alles dienet zur Widerlegung des
Zwingliſchen Jrꝛthums/ wann Beza, Aretius, Bullingerus, Muſculus,
und neulich allererſt Andreas Rivetus nicht geſtatten wollen/ daß den
Krancken daheim zu Hauß communicirt werde. Infirmi corpore
(ſchreibet Rivetus Cath. Orth. p. 198.) non excluduntur à nobis, ſed cu-
bile infirmitatis eorum non eſt locus aptiis ad Eccleſiæ convocatio-
nem. Dann ob zwar auſſer dem Nothfall nicht leichtlich zu geſtatten/
D d iijdaß
[214]Die Sechſte
daß die Communicanten ſich trennen von der offentlichen Verſamlung/
Krafft des Apoſtoliſchen Befehls. Hebr. 10, 25. Laſſet uns nicht ver-
laſſen unſere Verſamlung/ wie etliche pflegen/ 1. Cor. 11. 33.
Wann ihr zuſammen kom̃t zu eſſen/ ſo harre einer des andern.
Jedoch im Nothfall mag es wol zu Hauß geſchehen. Jſt zuerweiſen
ex praxi primæ inſtitutionis, Chriſtus hats ja nicht im Tempel zu Jeru-
ſalem eingeſetzet/ ſondern privatim, im Saal/ ex ratione N. Teſt. da die
Anbindung an gewiſſe Ort auffgehoben/ Joh. 4, 21. Weib glaube
mir/ es kommet die Zeit/ daß ihr weder auff dieſem Berge/ noch
zu Jeruſalem werdet den Vater anbeten.ꝟ. 23. aber es kom-
met die Zeit/ und iſt ſchon jetzt/ daß die warhafftigen Anbeter
werden den Vater anbeten im Geiſt/ und in der Warheit.
Und 1. Tim. 2, 8. So wil ich nun daß die Maͤnner beten an allen
Orten. Was nun von einer ſpecie des Gottesdienſts geſagt wird/
kan auff den gantzen Gottesdienſt gezogen werden. Ex promiſſione
Chriſti,wo zween oder drey verſamlet ſeind in meinem Nah-
men/ da bin ich mitten unter ihnen.Matth. 18, 20. Ex ægroti con-
ditione, der iſt manchmal beſſer bereit im Bett als in der Kirch. Ex
primitivæ Eccleſiæ praxi. Da ſie noch keine Kirchen hatten/ und ver-
ſtohlener weiß zuſammen kommen mußten/ wie auch noch wol an einem
Ort in Teuſchland ſub prætextu conviviorum geſchehen mag. Ligt gar
nicht daran/ daß Paulus/ 1. Cor. 11, 20. 22. κυριακὸν [...]εῖπνον, das Abend-
mahl des Herrn entgegen ſetzt τῷ ἰδίῳ, ſo daheim zu Hauß celebriret
wird/ geſchicht nicht wegen des Orts/ ſondern ratione diſcretionis, we-
gen der Unterſcheidung zwiſchen einem gemeinen Mahl/ und zwiſchen
dem Abendmahl des Herrn. Ein Hauß-Kirch kan auch ein rechte
Kirch ſeyn. Wie dann Rom. 16, 5. gedacht wird ἐκκλησίας κατ [...] οἶκον.
Gruͤſſet die Gemeine in ihrem Hauſe.
V. Quo ſitu? Zwar die Mahler und Contrafeter/ der Antiqui-
taͤt unerfahrne/ mahlens alſo/ als waͤren ſie am Tiſch geſeſſen/ die Evan-
geliſten aber ſchreiben/ daß ſie nach Juͤdiſchem Gebrauch Gen 43, 33.
Ezech. 23, 41. Amos 2, 8. um den Tiſch herum gelegen/ ἀνέκει το μετ [...] δώ-
δεκα, Matth. 26, 20. ἀνακειμ [...]ύων αὐτῶν, Marc. 14, 18. Daher auch Johan-
nes JEſu in der Schooß gelegen/ ſie legten ſich auff den Bettern herum/
daher auch das Fuß-waſchen von noͤthen geweßt. Dienet uns I. ad
avertendum ſcandalum, zu Abwendung des genommenen Aegernuſſes.
An etlichen Orten in Teutſchland iſt gebraͤuchlich/ daß man das heilige
Abend-
[215]Predigt.
Abendmahl kniend empfangt/ daher wol geſchicht/ daß von den Orten
herkommende zarte Gewiſſen ſich aͤrgern/ als waͤre es Calviniſch/ die ſol-
len nun wiſſen/ daß an dem ſitu nicht viel gelegen/ die Juͤnger Chriſti
habens ligend empfangen; und ſtehet diß Werck in Chriſtlicher Freyheit.
2. Ad refellendum errorem Pontificiorum \& Calvinianorum, zur Wi-
derlegung der Papiſten und Calviniſten/ jene wollen kurtzum Altar ha-
ben/ und beweiſenex relatione ſacrificii \& altaris das Meß-Opffer.
Bellarm. lib. 1. de Miſſ. c. 16. Dieſe werffen die Altar weg/ und wollen
Tiſche haben. Jſt aber ein indifferens, ein freyes Mittel-Ding/ die
Evangeliſche Hiſtori thut weder des Tiſches noch Altars Meldung.
Paulns gedencket τραπέζης κυρίου, des Herrn Tiſches/ 1. Cor. 10, 21.
Darum ſeind die Altaͤr neu in die Kirch eingefuͤhret worden/ wie es nun
nicht folgt/ wo ein Altar/ da iſt auch ein Opffer/ dann es kan ja ein Altar
ſeyn ohne Opffer/ Joſ. 22, 26. Laſſet uns einen Altar bauen nicht
zum Opffer/ noch zum Brand-Opffer/ ſondern daß er ein
Zeuge ſey zwiſchen uns und euch. Alſo folget auch nicht/ daß man
die Altar niderreiſſen ſoll/ da Meß darauff gemacht worden. Sintemal
eben die Gefaͤße/ die Belſazer Dan. 5. profanirt/ hernach dem Herrn
geheiliget worden. Eſdr. 1. Jnſonderheit aber zur Widerlegung des je-
nigen Calviniſchen Jrꝛthums/ wann Joh. Berg. tractat. daß die Wort
Chriſti noch feſt ſtehen/ cap. 4. \& ſeq. ſich unterſtehet zu widerlegen und
umzuſtoſſen/ daß der Leib Chriſti warhafftig und weſentlich in/ mit und
unter dem geſegneten Brod unſichtbarer weiß gegenwaͤrtig ſeye/ und mit
dem leiblichen Mund genoſſen werde. Seine Wort ſeind dieſe: Da
wolle nun ein jeder betrachten/ wie ſich das ſchicke/ der HErꝛ
hat mit ſeinen Juͤngern zu Tiſch geſeſſen/ ſie haben Jhn fuͤr
ihren Augen geſehen/ unterdeſſen ſoll Er doch unſichtbarlich
im Brod mit leiblichem Munde von ihnen ſeyn gegeſſen wor-
den. Antwort: Es hebt einander nicht auff/ der Leib Chriſti ſitzt am
Tiſch/ und iſt zugleich im Munde der Apoſtel; maſſen Chriſtus Matth.
8, 5. 13. mit ſeinem Leib dem Hauptmann/ auſſer ſeinem Hauß/ gegenwaͤr-
tig/ und doch auch zugleich mit demſelbigen Leib gegenwaͤrtig geweßt im
Hauß/ bey dem Gichtbruͤchtigen Knecht. Und eben die Strahlen der
Herꝛligkeit ſeiner Allgegenwart hat der Hern dazumal in der Stifftung
und Außſpendung des H. Abendmahls herfuͤr leuchten laſſen. Erat
in ſtatu Exinanitionis, non actu exinanitionis.
Mehr ligt uns an der Praxi und Devotion, welche billig in uns an-
gezuͤndet und erwecket werden ſoll/ wann wir bedencken/ wer der Herr
ſey/
[216]Die Sechſte
ſey/ der dieſe Mahlzeit angericht/ nemlich der Herr Himmels und der
Erden/ der zwar dazumal in tieffſter Erniedrigung geſtanden/ aber zu-
gleich war der beſtellte Richter der Lebendigen und der Todten/ der die
Devotion pruͤfet. Wann dort 2. Sam. 9, 7. Mephiboſeth Jonathans
Sohn die Gnade Davids hoͤrt. Jch wil Barmhertzigkeit an dir
thun um Jonathan deines Vaters willen/ du ſolt taͤglich auff
meinem Tiſch das Brod eſſen. ſo betet er an/ und ſpricht: Wer
bin ich dein Knecht/ daß du dich wendeſt zu einem todten
Hunde/ wie ich bin? Alſo mag ein Communicant auß hertzlicher
Demuth/ Devotion und Andacht gedencken: Jch Hund/ als dem billig
der Orth ſolte eingeraumet werden/ da es heiſſet/ drauſſen ſeind die Hun-
de/ ſoll ich trincken? was? ſanguinem Regium, das edelſte Koͤnigs-
Blut/ GOttes eigen Blut? Jch todter Hund/ den der Tod in Ewigkeit/
als ein Schlut-Hund/ nagen ſolt/ ſoll ich eſſen das lebendig-machende
Fleiſch des lebendigen Sohns GOttes? O unaußſprechliche Gutthat!
Hat Chriſtus mit ſo tieffer Demuth und Liebe ſich gegen uns geneiget
und herunter gelaſſen; ſo gilt uns auch die Regul Chriſti/ die er ſeinen
Juͤngern vorgeſchrieben: Ein Beyſpiel hab ich euch gegeben/
daß ihr thut/ wie ich euch gethan habe.Joh. 13, 15. Der Pabſt
und vermeinte Statthalter Chriſti/ und Stul-Erb Petri iſt in dieſem
Fall ein laͤcherlicher/ wolte Gott nur ein laͤcherlicher/ und nicht zugleich
ein Gotts-laͤſterlicher Aff/ der Chriſto unterſteht das Fuß-waſchen nach-
zuaͤffen/ und in der Carwoch ein Faßnacht-Spiel anzuſtellen/ wann er
auff den Gruͤnen-Donnerſtag 13. arme Perſonen mit weiſſen Kleidern
anzeucht/ auff Seſſel herum ſetzet/ einem jeden den rechten Fuß mit
Waſſer benetzt/ und nachdem er ihn getruͤcknet hat/ kuͤſſet. Unterdeſſen
laͤßt er ihm ſeine Fuͤſſe kuͤſſen von Koͤnigen und Kaͤyſern: und welches
erſchroͤcklich zu hoͤren/ hat ſich ein Paͤbſtiſcher Scribent herfuͤr gethan/
Thomas Bozius lib. XI. c. 10. de Sign. Eccleſ. der alſo geſchrieben: So
Chriſtus Petro die Fuͤſſe gewaſchen/ und vermuthlich gekuͤßt/ ſo ſollen
auch groſſe Potentaten Petri Stul-Erben und Nachfolger dem Roͤ-
miſchen Pabſt die Fuͤſſe kuͤſſen. Das laſſe mir eine ſtinckende Hoffarth
ſeyn von einem elenden Maden-Sack. Petrus thats dazumal nicht gern/
er wehrte ſich gewaltig. Deßgleichen/ als Cornelius der Hauptmann zu
Caͤſarien ihme gar zu groſſe und Goͤttliche Ehre wollen anthun/ indem er
zu ſeinen Fuͤſſen nidergefallen/ und ihn angebeten/ wehret Petrus mit
Haͤnden und mit Fuͤſſen: Er richtet ihn auff/ und ſprach: Stehe
auff/ ich bin auch ein Menſch.Act. 10. 25. 26. 27. Sondern wir
ſollen
[217]Predigt.
ſollen Chriſto in dem Fuß-waſchen nachahnen affectu \& effectu. Sancti
quod manu non faciunt, corde faciant. Auguſt. tract. 58. in Joh.Was
die Heiligen mit der Hand nicht thun/ ſollen ſie mit dem Her-
tzen thun/ das iſt/ ſich und ſeiner Gaben aller vergeſſen/ wie Chriſtus/
und mit denſelben andern/ die ſolche nicht haben/ dienen/ die Feinde lie-
ben/ dem Nechſten nicht nur verzeihen/ ſondern auch ſeine Buͤrde tra-
gen: Jſt er zornig/ ſtoͤrrig/ ſeltzam/ karg/ ꝛc. ſo dencke nicht/ ja wann er
den Fehler nicht haͤtte/ ſo wolte ich gern mit ihme umgehen/ iſt eben/ als
ſagteſtu: Jch wolte ihm die Fuͤſſe gern waſchen/ wann ſie nicht wuͤſt waͤ-
ren/ erwege vielmehr/ habe ich dieſen Fehler nicht/ ſo habe ich einen an-
dern/ und bedarff/ daß man mir denſelben zu gut halte; das wird aber
dem alten Adam gar ſaur/ der wolte lieber/ daß man ihm dienete/ und
ſonderlich thut es ihm wehe/ wo kein Danck folgen wil; Aber es bleibt
dabey/ was Chriſtus ſagt: Selig ſeyd ihr/ ſo ihr ſolches thut.
Wann der HErꝛ ſagt: (ita Luther. Hauß-Poſtill p. 119. f. 2.) Jhr ſolt euch un-
tereinander die Fuͤſſe waſchen/ ſo leget er ſich doch ſelbs fein auß/ und ſpricht:
ein Beyſpiel hab ich euch gegeben/ daß ihr thut/ wie ich euch gethan habe:
Warlich/ warlich/ ich ſage euch/ der Knecht iſt nicht groͤſſer dann ſein Herꝛ/
das ſind je klare Wort/ daß es an dem lige. Biſtu um deines Ampts wik-
len in groſſem Anſehen/ wie hernach folgen wird/ daß du dichs nicht uͤberhe-
ben/ ſondern andern damit dienen ſolt/ die geringer ſind/ und ſolche Gaben
nicht haben. Derhalben da hernach am Ende der HErꝛ predigt von der
Liebe/ da gehet das Mandat und der Befehl klar/ da er ſpricht: Ein neues
Gebott gebe ich euch/ daß ihr euch unter einander liebet. Was iſt aber der
Liebe art? nem ſich dienen womit ſie kan/ und alle Freundſchafft und guten
Willen beweiſen/ nicht verachten/ nicht ſtoltz ſeyn/ nichts uͤbels thun/ das
iſt dann das rechte Fuͤß-waͤſchen/ da der HErꝛ hievon befiehlet. Darum
iſts um das Fuͤß-waſchen/ ſo mit Waſſer geſchicht/ nicht zu thun/ ſonſt muͤßte
man nicht allein zwoͤlffen/ ſondern jederman die Fuͤſſe waſchen/ und waͤre
den Leuten viel beſſer gedienet/ ſo es alleine um das Waſſer und Waſchen
zu thun waͤre/ daß man ihnen ein gemein Bad beſtellete/ und wuͤſche ihnen
nicht allein die Fuͤſſe/ ſondern den gantzen Leib. Aber es hat die Meynung
nicht. Wiltu dem Exempel Chriſti folgen/ und deinem Naͤchſten die Fuͤſſe
waſchen/ ſo ſchaue zu/ daß du von Hertzen dich demuͤthigeſt/ alle Gaben und
Gnaden die du haſt/ nicht zu deinem Nutz/ oder eigener Ehre braucheſt/ ſon-
dern deinem Naͤchſten zum beſten/ daß du niemand verachteſt/ ja jederman
gern ſeine Schwachheit zu gut halteſt/ und helffeſt daß er ſich beſſern moͤge.
Et pag. 121. fol. 2. Darnach heißt das ins gemein die Fuͤſſe waſchen/ daß
wir nicht allein mit unſern Gaben andern gern dienen/ und uns deren nicht
uͤberheben ſollen/ ſondern das einer dem andern ſeine Fehle vergebe/ und wie
es St. Paulus nennet/ einer des andern Buͤrde trage/ dann da wird anders
nichts auß/ ſo kein reinen Chriſten wirſtu in der gantzen Welt finden/ der
Neunter Theil. E enicht
[218]Die Sechſte
nicht ein ſonderlichen Fehl oder Gebrechlichkeit haͤtte. Einer iſt zornig/ der
ander iſt traurig und ſeltzam/ der dritte froͤlich/ der vierte karg und genau/
der fuͤnffte gar frey und mild. Jn Summa/ wie die Heyden auch geſagt
haben: Ein jeder hat ſein eigen Laſt und Unluſt auff ihm/ da er an zutragen
hat. Da duͤncket dich dann/ wenn ſolcher Fehl an ihm nicht waͤre/ du
wolteſt lieber mit ihm umgehen. Aber hoͤre/ wenn du ſolchen Mangel an
deinem Herꝛn/ Weib/ Geſind/ Nachbauren/ oder andern ſteheſt/ ſo waſche
ihm die Fuͤſſe/ das iſt/ halt ihm ſolche Gebrechligkeit zu gut/ und ſihe/ wie
du ihn zu recht bringen koͤnneſt/ und gedencke wie es in der Watheit iſt/ daß
die Welt nichts anders iſt/ als ein kothiger Ort/ da nicht muͤglich iſt/ daß
wir darinnen koͤnnen gehen/ wir muͤſſen die Fuͤſſe beſudeln. Solches wi-
derfaͤhret dir/ es widerfaͤhret mir/ und/ in Summa/ allen Menſchen. Wie
woͤllen wir ihm denn thun/ woͤllen wir derhalben in die Wuͤſte oder Waͤlde
lauffen/ und mit niemand Gemeinſchafft haben/ wie vor Zeiten die Muͤn-
che gethan haben? Nein: Soltu andern die Fuͤſſe waſchen/ ſo muſtu ja
nicht allein/ ſondern mitten unter den Leuten wohnen/ die in der Welt durch
einen unreinen ſchlammigen Ort watten/ da gehoͤret ducken zu/ ob du gleich
ſchoͤne reine Fuͤſſe haſt/ daß du deinem Naͤchſten auch dazu helffeſt Waſſer/
alte Lumpen/ Stroh und Haͤu zu trageſt/ und die Fuͤſſe ihnen waſcheſt/ und
wuͤſcheſt/ biß ſie auch rein werden. Das geſchicht aber/ wie St. Paulus
ſagt/ alſo/ daß einer des andern Buͤrde tragen/ das iſt/ daß einer des andern
ſich hertzlich annchmen/ Mitleiden mit ihm haben/ ihn nicht verrathen/ ſon-
dern ihm die Hand reichen/ freundlich unterweiſen/ ihm rathen und helffen
ſoll/ daß er auch koͤnne gebeſſert werden. Biſtu vernuͤnfftig/ weiß und ge-
lehrt/ verachte darum den Albern/ Einfaͤltigen nicht/ halte dich nicht beſſer/
ſondern brauche deine Weißheit dazu/ daß ihm geholffen/ und er auch weiſ-
ſer moͤge werden. Alſo/ biſtu fromm/ haͤlteſt dich mit Eſſen und Trincken
beſcheiden/ laͤſſeſt dich nicht bald erzuͤrnen/ ein anderer hat ſolche Gnade
nicht/ verachte ihn darum nicht/ nim̃ dich ſeiner an/ und beſſere ihn/ womit
du kanſt/ und gedencke alſo: Jch habe/ GOtt lob/ ſolchen Fehl nicht/ habe
aber einen andern/ da bedarff ich/ daß man mit mir auch Gedult habe/ und
mir denſelben auch tragen helffe/ dagegen hat mein Naͤchſter auch irgend ei-
ne gute Tugend an ihm/ damit er mir wieder dienen kan. Auff daß alſo
allenthalben Einigkeit und Freundlichkeit geuͤbet und erhalten werde.
Mit was Hertzen koͤnnen dann erſcheinen die ſtoltzen Geiſter/ die
niemand weichen wollen um der lieben Concordi willen/ ihrer reputa-
tion nicht vergeſſen/ ihren Grollen beſtaͤndig haͤgen/ und bittere Gall im
Hertzen behalten. Hat Chriſtus mit ſo inniglicher Hertzens-Begierde
verlanget/ das Abendmahl mit ſeinen Juͤngern zu halten/ ach wie viel
mehr wir per ἀντιφίλησιν und hertzliche Gegen-Lieb! Chriſtus bedarff
unſer nicht/ darum er fuͤr ſich und ſeine Perſon kein Urſach ſolcher Be-
gierde gehabt/ wir aber bedoͤrffen ſeiner. Darum wie der Hirſch ſchreyet
nach friſchem Waſſer/ ſo ſoll unſere Seel zu Gott ſchreyen/ ſeufftzen/
und
[219]Predigt.
und ſich ſehnen/ mit ſolchem Verlangen/ als ein Patient nach dem Artzt/
ein hungeriger nach der Speiß/ ein Durſtiger nach dem Lab-Trunck.
Ja gleichwie der Saal zu Jeruſalem/ der ſelige Ort geweßt/ da das
Abendmahl gehalten worden/ alſo laßt uns Gott unſer Hertz und See-
le bringen/ mit Bitt er wolle es heiligen zur Wohnung/ und zum Bet-
Hauß/ daß es ſeinen Leib und Blut mit ſolcher Begierd/ und bruͤnſtigem
Glauben moͤge auff nehmen und empfahen.
Geuß ſehr tieff in mein Hertz hineinDu heller Jaſpis und Rubin/Die Flammen deiner Liebe.Und erfreu mich/ daß ich doch bleibAn deinem außerwehlten LeibEin lebendige Rippe.Nach dirJſt mirGratioſa, Cœli roſa,Kranck und glimmet/Mein Hertz durch Liebe verwundet.O HErꝛ JEſu du trautes Gut/Dein Wort/ dein Geiſt/ dein Leib und BlutMich innerlich erquicken.Nim̃ michFreundlichJn dein Arme/Daß ich warmeWerde von Gnaden/Auff dein Wort komm ich geladen.
Ja mach mich und uns alle theilhafftig deines ewigen himmliſchen
Tiſches.
E e ijDie
[220]Die Siebende
Die Siebende Predigt/
Von
Dem Brod/ als dem einen ſichtbarn
Element des heiligen Abendmahls.
GEliebte in Chriſto. Es befiehlt der HErꝛ in ſei-
ner Juͤdiſchen Kirchen-Agend unter andern durch Mo-
ſen den Kindern Jſrael/ Exod. XXV, 30. Lev. XXIV, 5. ſeq.
Sie ſollen Semmel-Meel nehmen/ und davon
zwoͤlff Brod oder Kuchen bachen/ und ſollen ſie
legen ja ſechs auff eine Schicht/ auff den feinen
Tiſch fuͤr dem HErꝛn/ alle Sabbath fuͤr und fuͤr ſollen ſie es
zurichten fuͤr dem HErꝛn/ von den Kindern Jſrael zum ewi-
gen Bund/ und ſollen Aarons und ſeiner Soͤhne ſeyn/ die ſol-
len ſie eſſen an heiliger Staͤtte. Die End-Urſach wird angedeutet
in zween Nahmen/ Exod. 25. werden ſie genennet lachme panim, panes
facierum, Schau-Brod/ und Lev. 24. lechem leazcarah. Denck-Brod.
Schau-Brod und Denck-Brod ſoltens ſeyn/ 1. quoad præteri-
tum, ſie ſolten ſich dabey erinnern/ wie ihnen Gott in der Wuͤſten den
Tiſch gedeckt/ Manna laſſen herab regnen/ und ſie mit Engel-Brod ge-
ſpeiſet/ und das 40. gantzer Jahr lang. 2. In præſens, er ſeye der jenige/
der ihnen im gelobten Land Speiß und Nahrung verſchaffe/ er ſey der
Haußvater/ der unter ihnen wohne/ und Brod vorlege/ daß/ gleichwie
die Brod nach der Zahl der Staͤmme Jſrael fuͤr den Augen des Herrn
ligen/ ſo ſchaue er auff ſie von Anfang des Jahrs biß zu Ende/ daß er ih-
nen gebe edle Fruͤchte vom Himmel/ vom Thau/ und von der Tieffen/ die
unten ligt/ Fruͤchte von der Sonnen/ und edle reiffe Fruͤchten der Mon-
den/ und von den hohen Bergen gegen Morgen/ und von den Huͤgeln
fuͤr und fuͤr/ edle Fruͤchte der Erden und was darinnen iſt. 3. In futu-
rum, ſo gewiß das Brod fuͤr ihnen ligt/ ſo gewiß wolle er ſie ins kuͤnfftige
ernehren/ Leib und Seel auch wol bewahren. Wie aber das Geſetz ein
Schatten geweßt der zukuͤnfftigen Guͤter/ ein ἐίσοπτρον, ein Spiegel da-
rinnen
[221]Predigt.
rinnen man die κρείτονα und beſſere Guͤter von ferne geſehen; alſo hat
auch dieſes Brod ein Abſehen gehabt auff das rechte Himmel-Brod
JEſum Chriſtum/ Joh. 6. denſelben geiſtlicher weiß zu eſſen/ zu ſchme-
cken/ zu kaͤuen/ hinab zu ſchlucken/ und zu vereinbaren/ ſo dargelegt und
vorgetragen wird auff dem Gnaden-Tiſch des heiligen Evangelij. Da-
von Pſalm 23. der liebe David ſingt: Du bereiteſt fuͤr mir einen
Tiſch/ als den rechten Sonnen-Tiſch/ der mit den koͤſtlichen Gaben an-
gefuͤllet und uͤberſtellet iſt.
‘Apud Veteres (ita Corn. à Lap. ad Apoc. p. 32.) celebris fuit Solis menſa: Erat
is locus in Æthiopia, apparatis epulis ſemper refertus: \& quia, ut libet, in-
quit Pomponius, veſci volentibus licet, ſolis menſam appellant: \& quæ paſ-
ſim appoſita ſunt, affirmant naſci ſubinde divinitus. Ad quem locum Se-
verus Imperator, cum veniſſet Alexandriam, rei fama permotus, profectus
eſt. Verùm hæc menſa vel fabuloſa eſt, vel ſymbolica. Quocirca Rho-
diginus lib. 29. cap. 4. ait, Solis menſam adagio dici divitum hominum do-
mos, omni rerum copiâ affluentes, quæ inopum neceſſitatibus \& alimentis
patent \& exponuntur. Talem menſam verè proponit nobis Chriſtus in Eu-
chariſtia, ac Deus in tot beneficiis, quibus ſingulis momentis nos afficit,
paſcit, vegetat, tutatur, omniaque ſua dona elargitur. Quocirca S. Dio-
nyſius Areopagita libr. de divin. nom. c. 2. ſolem facit evidentem \& expreſ-
ſam divinæ bonitatis imaginem, tum quia Sol non cogitatione aut electio-
ne, ſed eo ipſo, quod eſt, illuminat omnia, quæ pro modo ſuo participatio-
nem hujus admittunt: ita divinum bonum, ipſa ſua ſubſtantia, omnibus
quæ ſunt, pro captu cujuſque ſuæ bonitatis injicit radios. Et cap. 5 tradit
cauſam: Quia ſicut Sol unus cum ſit, ſenſibilium tamen rerum ſubſtantias
\& qualitates, uniformem infundendo lucem, renovat, nutrit, ſervat, perficit,
diſcriminat, conjungit, refovet, fœcundat, cum aliis pluribus admirabilibus
operationibus, quas ibi commemorat: Sic DEUS operatur omnia in omni-
bus.’ ()
Es hat dieſer Tiſch ſein Abſehen gehabt auff den ewigen him̃liſchen Tiſch/
da die Trachten werden ſeyn Freude die Fuͤlle/ und liebliches Weſen zur
Rechten GOttes immer und ewiglich. Kan aber auch wol fuͤglich ge-
zogen werden/ und iſt keines Wegs außzuſchlieſſen Panis Euchariſticus,
das geſegnete Brod im H. Abendmahl. Das iſt ja das rechte Schau-
Brod des Neuen Teſtaments/ nicht in Paͤbſtiſchem Verſtand/ da man
ein Gauckelſpiel darauß gemacht/ und die Hoſtien/ als ein Brod-Gott in
der Monſtrantz mit groſſem Pracht herum traͤgt.
de Cœna
pag. 427.
Morn. de
Euchariſt.
p. 763.
Honorius lib. III. Decretalium tit. 41. cap. 10. Sacerdos frequenter doceat ple-
bem ſuam, ut ſe reverenter inclinet, cum hoſtiam ſalutarem Presbyter defert ad
infirmum. Quam in de enti habitu ſuppoſito mundo velamine ferat \& refe-
rat, manifeſtè ac honorificè ante pectus cum omni reverentia \& timore, ſemper
E e iijlum ne
[222]Die Siebende
lumine præcedente, cum ſit candor lucis æternæ, ut ex hoc apud omnes fldes \&
de votio augeatur. Anno 1220. Gregorius IX. hujus Honorii ſucceſſor tin-
tinnabuli ſeu ſquillæ pulſum, quo populus ad genu flectendum admoneatur,
addidit. Concil. Colon. ſub Imp. Rudolpho Habſpurgenſi circa annum 1280.
Statuimus, ut pixis, in qua corpus Domini ad infirmos defertur, ſit aurea, ar-
gentea, eburnea, vel ad minus cuprea benè elimata. Ad communicandum in-
firmum corpus Domini allaturus erat Sacerdos dicendo ſeptem Pſalmos, \& ſi via
fuerit longior, addat Litaniam, \& alias cantiones. Incedat ad communican-
dum infirmum cum campanula \& lucerna Quilibet autem fidelis, ſi devotè
fecerit hanc proceſſionem, decem dies indulgentiæ pro eundo \& redeundo habeat.
Equitantes verò non dedignentur deſcendere de equis ſuis ad adorandum eum,
qus pro eis deſcendit de cœlis. \&c.
Sondern ein Schau-Brod und Denck-Brod/ 1. ob actus præparato-
rios, wer davon eſſen wolt mußte ſich reinigen. 1. Sam. 21, 4. Wann ihr
Zeug heilig/ und die Knaben ſich von Weibern enthalten/ ſo
moͤgen ſie eſſen. Alſo hat auch Chriſtus zuvor ſeinen Juͤngern die Fuͤſ-
ſe gewaſchen/ ehe er ſie zum Genuß dieſer heiligen Speiſe zugelaſſen.
2. Ob perſonæ accipientis habilitatem. Es mußten Prieſter ſeyn die
ſie eſſen wolten/ die mußten zuvor raͤuchern oben auff dem Brod/ und
reinen Weyrauch anzuͤnden/ zum Feur dem Herrn. Alſo wer ſich
wil zu dieſem Tiſch machen/ der hab wol acht auff ſeine Sachen. Wer
von dieſem Brod eſſen wil/ muß als ein geiſtlicher Prieſter opffern geiſt-
liche Opffer/ die Gott angenehm ſind/ den Weyrauch des Gebets/ An-
dacht/ und heiliger Ubung/ bereiten Hertz/ Seel und Geiſt durch wahre
Buß/ ſonderlich mitbringen einen hungerigen Magen/ dann iſt dir wol/
ſo bleib davon/ daß du nicht kriegeſt boͤſen Lohn/ Sonderlich 3, ob
myſterium latens, \& elevationem mentis, wegen des jenigen Geheim-
nuſſes/ ſo darunter verborgen ligt/ maſſen wie es eines unter den jenigen/
darein auch die heiligen Engel geluͤſtet zu ſchauen/ ſo muͤſſen wir durch diß
aͤuſſerlich Zeichen durchſchauen auff das jenige/ was darinnen bezeichnet/
verſigelt und offeriret wird/ das Brod des Lebens/ Chriſtum JEſum
mit ſeinem wahren Leib. Sintemal er nicht unmittelbar in dem Sa-
crament des H. Abendmals uns erſcheinen wil: dann/ wie wolten wir
vertragen die Majeſtaͤt ſeines glorificirten herꝛlichen Leibes/ welchen alle
Seraphim anbeten/ und fuͤr groͤſter Reverentz und Ehrerbietung ihre
Fuͤſſe bedecken/ wann Er darinnen ſich uns præſentiren wolte/ die Juͤn-
ger Chriſti erſchracken/ wann der Herr Luc. 24. ploͤtzlich unter ſie getret-
ten/ da Er doch die Strahlen ſeiner Majeſtaͤt per ὀικονομίαν dazumal zu-
ruck gezogen; ſondern er erſcheinet in und unter dem geſegneten Brod.
Wann
[223]Predigt.
Wann wir dann vor dieſem durch GOttes Gnad gehandelt von
den Notarien/ wer ſie geweßt/ wie ihr Zeugnuß uͤbereinſtimme/ was fuͤr
Art zu reden ſie gebraucht? gehandelt von den Umſtaͤnden des Orts/
von der Perſon/ ſo das Heilig Abendmahl eingeſetzt/ von der Zeit und
Ordnung/ ſo folget nun cibus ipſe, die Speiß und Trachten/ deren ſind
nun nach der alten Regul Irenæi zweyerley/ irdiſche und himmliſche.
Jetzt wollen wir handeln de cibo terreſtri, vom Brod/ wann die Evan-
geliſten ſagen: Jn dem ſie aſſen/ nam Er das Brod. Hievon zu
reden und zu handeln/ wolle GOtt ſeines H. Geiſtes Gnad und Segen
verleyhen/ Amen.
GEliebte in Chriſto. Drey Umſtaͤnde haben wir allhie
zu betrachten 1. Cibi quidditatem. 2. Quantitatem. 3. Qua-
litatem. Den erſten belangend/ was fuͤr eine Speiß hie ge-
meynet ſey? So iſt es nun nichts anders/ als Brod/ Matth. 26, 26.
Luc. 22, 18. 1. Cor. 11. 23. Brod/ ſag ich/ nicht Brod und Kaͤß zuſammen/
wie. die Pepuzianer und α [...]τοτυρήται gethan. Auguſt. hæreſ. 28. Nicht
Menſchen-Blut/ mit Meel gebachen/ wie die Cataphryges, als abermal
Auguſt. hæreſ. 26. bezeuget: Nicht einen Knaben eines Jahrs alt/ ge-
metziget/ mit Meſſerlein ſo lang geſtupfft/ von allen Gliedmaſſen das
Blut auffgefangen/ mit Meel vermiſcht/ und Brod darauß gebachen/
nicht eine andere Materi/ die die Gnoſtici angewendet/ ſo vor keuſchen
Ohren nicht zu nennen; ſondern Brod/ und zwar bleibendes Brod/ un-
wandelbar. Anders als im Pabſtthum gelehret wird/ durch das mon-
ſtrum Tranſſubſtantiation, Krafft deren das Brod in den Leib Chriſti
verwandelt wird/ alſo/ daß nur die aͤuſſerliche ſpecies, Geſtalt/ Farb und
Geſchmack uͤbrig bleiben. Daß aber das Brod ſein Weſen behalte/ und
Brod bleibe/ erhellet Sonnen-klar und iſt offenbar/ nicht nur auß den
Worten St. Pauli 1. Cor. 11, 26. damit er dem Paͤbſtiſchen Jrꝛthum vor-
gekommen/ wann er auch das Brod nach der Conſecration warhafftig
Brod genennet/ ſo offt ihr von dieſem Brod eſſet. und ꝟ. 27. Wer un-
wuͤrdig von dieſem Brod iſſet. Nicht nur auß dem Apoſtoliſchen
Commentario 1. Cor. 10, 6. Das Brod/ das wir brechen/ (er ſagt
nicht/ die Geſtalt des Brods/ als welche nicht kan gebrochen werden)
iſt die Gemeinſchafft des Leibs Chriſti. Wo aber eine Gemein-
ſchafft/ da kan keine Verwandlung ſtatt und platz haben. Dann eine Ge-
meinſchafft iſt zwiſchen zweyen weſentlichen Dingen/ die mit einander
genau vereiniget ſind. Sondern auch auß der Natur/ Art und Eigen-
ſchafft
[224]Die Siebende
ſchafft der Benediction, als welche die Creatur nicht zerſtoͤret/ ſondern
vermehrt; welche Zerſtoͤrung aber nothwendiger weiß folgen mußte/
wann das Brod in den Leib Chriſti verwandelt wuͤrde. Wie dann auch
die Qualitaͤt eines Sacraments/ welche erfordert ein weſentliches Ele-
ment/ dadurch die himmliſche Krafft und Tugend des darunter verbor-
genen herꝛlichen und Goͤttlichen Schatzes abgebildet wird/ welches Ampt
aber die accidentia und zufaͤllige Stuͤcke des Brods nicht ſuſtiniren koͤn-
nen. Zwar Gordon. Huntlæ. Tom. 2. Controv. 4. wil erzwingen/ es
werde panis ὑπ ερούσιος, transſubſtantiatus, der Leib Chriſti/ ſo fern er in
den aͤuſſerlichen accidentibus des Brods eingewickelt/ verſtanden/ und
nicht weſentlich Brod/ panis, non qui adſit, ſed qui adfuerit, darauß/
dieweil dieſes Brod wird genennet ein Brod/ 1. Cor. 10, 17. denn Ein
Brod iſts/ ſo ſind wir viel ein Leib/ dieweil wir alle Eines
Brods theilhafftig ſind. Nun aber iſt das aͤuſſerliche/ weſentliche
und leibliche Brod nicht ein Brod/ ſondern viel. Aber Antwort: Ein
Brod/ſpecie, in ſeiner Art/ Wuͤrckung/ Vereinigung/ und Sacra-
mentlichem Gebrauch. Gleichwie auch die Tauff eine Tauff/ Eph. 4.
inſonderheit/ weil Paulus 1. Cor. 11. durch dieſes Eine Brod verſtehet
das gantze complexum, das Brod und den Leib Chriſti. Und zwarna-
tuͤrlich Brod/ auß Waſſer und Meel zuſammen geknettet und gebachen/
ob es grob oder rein/ Weitzen- oder Korn- oder Gerſten-Meel/ iſt nicht
viel daran gelegen. Unter andern Calumnien/ damit die Calviniſten
uns pflegen zu diffamiren/ iſt auch dieſe/ daß ſie unſere Oblaten/ wie
mans nennet/ ſpumas inutiles nennen/ kleine runde Sigel-Plaͤtzlin/ und
machens diſputirlich/ ob ſie auch Brod ſeyen. Wir behaupten aber das
Weſen dieſer Brod auß der definition des warhafften Brods/ mit wel-
chen die Oblaten gantz uͤberein kommen.
‘Martinius in Lexico pag. 2475. Panis eſt cibus ſolidus è farina \& aqua ſubacta
piſtus, igne coctus, quo communiſſimè, ob ſingulariter temperatam ſuavi-
tatem, \& cum corporibus noſtris convenientiam præcipuam alimur.’ ()
Denn ſie ſind ja auß dem beſten Semmel- und Weitzen-Meel zerknitſcht/
geknettet/ mit Waſſer vermengt/ und durch die Krafft des Feurs gebachen/
ſie haben ihre Conſiſtentz/ zerflieſſen nicht/ wie etwan ein Milch-Brey/
und wann mans in groſſer Menge ſolte eſſen/ wuͤrden ſie freylich auch
Brods-Krafft/ nemlich die Ernehrung haben; daß man aber in kleiner
Quantitaͤt dieſelben empfangt/ hindert nicht/ dieweil nach Auſſag Cano-
nis V. in Concil. Niceno, οὐ πολὺ λαμ [...]άνομ [...]ν, ἀλλ [...] ὀλίγον, ἵνα γνῶμ [...]ν, ὅτι οὐκ
εἰς ϖλησμονη [...], ἀλλ [...] εἰς ἁγιασμόν. Non multum ſumimus, ſed parum, quia
non
[225]Predigt.
non ad ſatietatem, ſed propter ſanctificationem hæc ſumimus. Wie
dann ferner im andern Umſtand uns nicht ſoll irꝛ machen 2. Quantitas
panis, die Groͤſſe des Brods. Dann ſo die Qualitaͤt/ es mag geſaͤuert
oder ungeſaͤuert ſeyn/ die Natur und Weſen des Brods nicht aͤndert/ ſo
wird ſolches die Groͤſſe weniger thun/ und ſo geſaͤuert Brod nicht noͤthig/
ut probat Andr. Rivet. ad Ex. 12. p. 289. ſo iſt gemein Hauß-Brod auch
nicht noͤthig. Es iſt aber die Quantitaͤt des Brods/ wie es in unſern
Evangeliſchen Kirchen gebraucht und außgetheilet wird/ fundirt 1. in
prima Inſtitutione, in der erſten Einſetzung/ und Art der Juͤdiſchen
Brod; maſſen die Juden/ ehe ſie backten/ die Brod pflegten in unter-
ſchiedene Stuͤck zu partiren/ auff daß man ſie hernach nicht erſt ſchneiden/
ſondern nur brechen dorffte/ daher Chriſtus dem Judaͤ einen Biſſen ge-
geben/ Joh. 13, 26.
‘Sanctius ad Thren. Jer. c. 4. p. 1160. hæc habet: Supereſt, ut dicamus, cur pa-
nis hoc loco frangi dicatur, non ſcindi: nam quod frangi idem ſit, quod di-
vidi, nemini credo dubium eſſe. Rationem nominis quærimus. Quâ de
re optimè Baronius 5. Tomo Annalium, anno 38. ubi dicit: accepiſſe ſe à
Rabbino Judaicæ antiquitatis peritiſſimo, ſolitos eſſe olim Judæos panes
ita fingere, ut profundæ lineæ indecuſſim trajectæ illos ita diſtinguerent,
ut crebræ, ac minutæ, tanquam areolæ, concluſæ lineis per totam faciem
panis relinquerentur, quæ bucellæ vocantur. Et mox: Idem etiam in uſu
eſſe apud Hebræos, indicat modus ille loquendi: nam frangi panis dicitur,
fragmen, \& fragmenti panis, \& bucellæ nomen frequens. Quod verò manu
tant um frangi potuerint ſuprà dicti panes, faciebant inciſiones illæ, ſeu li-
neæ proſundæ, quæ bucellas quadrabant. Hinc diſces, cur toties cum Eu-
chariſtia fidelibus porrigitur, panis dicatur frangi. Debuit enim ille, qui
conſecrabatur panis, etiamſi id non ferret frangendi panis conſuetudo,
in exiguas partes diſtingui, tum ut ſimiles eſſent bucellæ, \& in commodio-
rem formam diviſæ, tum ne micæ defluerent, quod maximè omninò caveri
debuit.’ ()
2. In antiquitate ſupra pontificia. Es hats die liebe Antiquitaͤt und
erſte Mutter-Kirch alſo angeordnet/ ehe der Anti-Chriſt zu ſeinem mann-
lichen Alter kom̃en/ gleichwie auch das Creutz-machen/ oder Creutz-Figur
fuͤr der Stirn und Bruſt. Epiphanius in Ancorato gedencket panum
ςρογτυλοειδῶν, ἀναιοϑήτων, bey andern werden gefunden κλάσματα, die
Bruͤchling/ ἁγίαι μερίδες, micæ, partes, portiones, bucellæ, und der-
gleichen. Paſchaſius de corpore \& ſanguine Domini c. 17. Hoc my-
ſterium dum communicas, dilata ſinum mentis tuæ, emunda conſcien-
tiam, \& percipe non quantum mica exhibet, ſed quantum fides capit.
Wann du diß Sacrament empfaheſt/ ſo erweitere den Schooß
deiner Seelen/ reinige dein Gewiſſen/ und empfahe/ nicht nur
Neunter Theil. F fſo
[226]Die Siebende
ſo viel/ was das kleine Stuͤcklein Brod weißt/ ſondern was der
Glaub faßt. 3. In uſu commodiori, auff daß nicht nur die Jungen
und Geſunden/ ſondern auch die Alten und Krancken/ die manchmal kein
Brod ſchmecken koͤnnen/ ſolches bequemer genieſſen moͤchten. Wozu
dann 4. kom̃t/ daß dieſe Quantitaͤt nicht ohne ein Geheimnuß iſt/ und ab-
bildet/ nicht nur den Vorſchmack in dem Gnaden-Reich/ daß wir lernen/
wir genieſſen hie nur mit den aͤuſſerſten Lippen die Suͤſſigkeit der Goͤttli-
chen Guͤte/ nach dem was David ſagt/ Pſal. 34. Schmecket und ſehet
wie freundlich der HErꝛ iſt. und Hebr. 6, 5. Wir ſchmecken nur
die himmliſche Gaben/ das guͤtige Wort GOttes/ und die
Kraͤffte der zukuͤnfftigen Welt. Daher wir auch nur ein paar
Troͤpfflein trincken/ und nicht einen gantzen Kelch voll auß. Dort ha-
ben wir erſt die Fuͤlle/ und vollkommenen Genuß zu gewarten/ wann wir
werden geſpeiſet werden von den reichen Guͤtern des Hauſes GOttes/
wann unſere Seelen in Wolluſt ſollen fett werden/ und mit Wolluſt ge-
traͤncket/ als wie mit einem Strom. Sondern auch die Gleichheit/ daß
keiner mehr im H. Abendmahl empfahe/ als der andere/ was einer em-
pfangt/ ſo viel empfanget der andere auch. Sumit unus, ſumunt mille,
quantum unus, tantum ille. III. Qualitas panis, des Brods Eigen-
ſchafft/ ob es geſaͤurt oder ungeſaͤurt ſeyn ſoll. Hie finden ſich zwey ex-
trema. Erſtlich der Griechen/ welche nothwendig geſaͤurt Brod erfor-
dern/ und deßwegen/ wie Gennadius bezeuget/ die occidentales Eccleſias
verdam̃t/ ihr Sacrament mortuum \& judaicum, ein todtes und Juͤdi-
ſches Sacrament genennet. Nachgehends der Paͤbſtler/ welche noth-
wendig ungeſaͤurt Brod der Kirchen auffdringen wollen. Tolet. l. 2.
Inſtit. Sacerd. c. 15. macht eine Todſuͤnde darauß/ wann der Prieſter in
der Lateiniſchen Kirchen wolte ungeſaͤurt Brod weyhen. Jſt aber ein
vergebener Streit; Denn es iſt ein res indifferens, und mag eins ge-
braucht werden ſo wol als das andere: gleichwie es nichts daran gele-
gen/ ob in Außſpendung des Sacramentlichen Kelchs rother oder weiſſer
Wein/ und im Sacrament der H. Tauff warm oder kalt Waſſer ge-
braucht wird. Vermuthlich iſts/ es haben die H. Apoſtel ſelbſt geſaͤurt
Brod gebraucht. Dann wie Act. 20, 7. ſtehet/ kamen Paulus und Lucas
nach den Oſtern von Philippen gen Troada/ da die Tag der ſuͤſſen Brod
allbereit vollendet waren/ und man ſchon geſaͤurt Brod gegeſſen/ und
doch kamen die Juͤnger daſelbſt auff einen Sabbath zuſam̃en/ das Brod
zu brechen/ oder wie es der Syriſche Interpres gegeben/ ad frangendam
Euchariſtiam, das H. Abendmahl zu halten. conf. Gerh. Harm. c. 171.
pag.
[227]Predigt.
pag. 1503. Wir behalten ungeſaͤurt Brod in unſern Kirchen/ nicht
nur wegen des Exempels Chriſti/ als welcher in der Einſetzung und Auß-
ſpendung des H. Abendmahls ungeſaͤurt Brod gebraucht/ welches ge-
ſchehen zur Zeit/ da ſie allbereit das Oſter-Lamm gegeſſen/ und man kein
anders als ſuͤſſes Brod eſſen durffte/ wie erhellet Exod. 12, 8. Du ſolt
Fleiſch eſſen in derſelben Nacht/ am Feur gebraten/ und un-
geſaͤurt Brod/ und Matth. 26, 17. Am erſten Tag der ſuͤſſen
Brod tratten die Juͤnger zu JEſu/ und ſprachen zu Jhm:
wo wilt du/ daß wir dir bereiten das Oſter-Lamm zu eſſen?
Er ſprach; Gehet hin in die Stadt zu einem/ und ſprecht zu
ihm: der Meiſter laͤßt dir ſagen/ meine Zeit iſt hie/ ich wil bey
dir Oſtern halten mit meinen Juͤngern. Sondern auch wegen
des Fuͤrbilds des Oſter-Lamms/ welches mit ungeſaͤurtem Brod mußte
gegeſſen werden. Nun aber iſt hie das rechte Oſter-Lamm/ davon
Gott hat gebotten/ welches an des Creutzes Stamm/ in heiſſer Lieb ge-
braten/ das Lamm GOttes/ ſo der gantzen Welt Suͤnde traͤgt/ hie hat
Chriſtus ſeinen allerheiligſten Leib/ ſo mit keiner Suͤnden befleckt/ noch
mit dem Saurteig der Boßheit und Schalckheit angeſteckt/ Eſa. 53, 9.
1. Petr. 2, 22. fuͤr uns auffgeopffert: Alſo weil das Brod im H. Abend-
mahl die Gemeinſchafft dieſes allerheiligſten Leibes/ gebrauchen wir lieber
ungeſaͤurt Brod/ als darinnen als in einem Bild/ die Heiligkeit des aller-
heiligſten fuͤr uns auffgeopfferten Leibes abgebildet/ und fuͤr Augen
geleget wird. Doch gleichwol alles auß Chriſtlicher Freyheit/ nicht auß
Noth-Zwang/ oder den zarten Hertzen damit ein Gewiſſens-Strick anzu-
legen.
Gleichwie nun der finis Elementorum, und End-Urſach der ſicht-
baren Elementen in den H. Sacramenten auch unter andern dahin ge-
het/ daß ſie unſere Gemuͤther erheben ſollen zur Betrachtung und Ver-
ſtaͤndnuß himmliſcher Dinge: Alſo iſt auch das ſichtbare Element des
Brods im H. Abendmahl
1. Signum μνημονσυτικὸν, ein Mahl-Zeichen/ ein Schau-Brod/
darinnen wir muͤſſen zuruck ſehen in die blutige Paſſion Chriſti. Dann
zu gleicher weiß/ wie das Weitzen-Korn zerrieben/ von den Ochſen zer-
tretten/ in die Erde verſcharret/ geknettet/ und in dem Ofen durch des
Feurs Hitz gebacken/ und alsdann eine wolgeſchmackte Speiß und heil-
ſames Brod wird: Alſo iſt Chriſtus in ſeiner Paſſion gleichſam unter
dem Muͤhlſtein der Suͤnden und des Zorns GOttes zerquetſcht/ zer-
malmet und zerrieben/ von Juda ſeinem untreuen Juͤnger unter die
F f ijFuͤſſe
[228]Die Siebende
Fuͤſſe getretten/ und in der Hitz des Feur-flammenden Zorns GOttes
gebacken/ und uns eine wolgeſchmackte Speiß und Brod des Lebens
worden/ zur Auffenthaltung unſerer Seelen. Darauff Er ſelbſten
gleichſam mit Fingern deutet/ Joh. 12, 24. Warlich/ warlich/ ich
ſage euch/ es ſeye dann daß das Weitzen-Korn in die Erde fal-
le und erſterbe/ ſo bleibets allein/ wo es aber erſtirbt/ ſo brin-
gets viel Fruͤchte.
II. Sigillum aſſenſus confirmatorium, und gleichſam arrha di-
vina,auff daß wir durch zwey Stuͤck/ die nicht wancken/ einen
ſtarcken Troſt haben.Hebr. 6, 18. Dann weil der liebe Gott un-
ſers Hertzens boͤſe Art/ oder vielmehr Unart/ wol weiß/ daß wir ihm von
Natur nicht glauben/ Er gebe uns dann den Glauben in die Hand/ und
thue ein Zeichen/ wie dem Gideon/ Jud. 6. daß es auch heiſſet/ wie bey
dem Koͤnigiſchen/ wenn ihr nicht Zeichen und Wunder ſehet/ ſo glaubet
ihr nicht/ ſo condeſcendirt Er zu uns/ hat in dem H. Abendmahl uns
ſichtbare Zeichen gegeben/ daß ſo gewiß wir das Brod empfangen/ ſo ge-
wiß wil Er mit uns vereinbaret werden.
III. Organum exhibitionis quoad fiducialem apprehenſionem,
dadurch uns mitgetheilet wird nicht nur ſubſtantia corporis Chriſti,
das Weſen des Leibs Chriſti/ daß wir mit Mariaͤ/ Simeons/ und Jo-
ſephs Haͤnden nach ihm greiffen moͤgen/ und getroſt ſagen: Hinweg
Sathan/ Suͤnd hin oder her/ Tod hin oder her/ Zorn/ Fluch und Hoͤll
hin oder her/ hie hab ich den Leib/ der fuͤr mich in den Tod gegeben/ der den
Zorn und Fluch getragen und gebuͤſſet/ und eben deßwegen wird das
Brod ein hoſtia genennet/ dieweil uns in demſelben die rechte hoſtia,
ohne welche wir fuͤrder kein ander Opffer mehr haben fuͤr die Suͤnde.
Hebr. 10, 26. mitgetheilet wird. Sondern es wird uns damit offerirt
und bezeichnet die Krafft des Leibes Chriſti/ und zwar vis unitiva, die
vereinbarende Krafft. Dann zu gleicher weiſe/ wie das Brod/ wann es
gegeſſen/ angenommen/ und in des eſſenden Leib/ Safft und Krafft ver-
wandelt wird/ und nachdem es gleichſam durch unterſchiedliche Kuͤchen
gegangen/ gekaͤuet/ gedaͤuet/ geſogen/ und zubereitet worden/ vom Mund
in den Magen/ vom Magen der Leber/ von der Leber allen andern Glied-
maſſen uͤberlieffert/ und mit demſelben ein Fleiſch und ein Leben wird/
und alſo auß Speiß und Leib ein Ding. Alſo wird vermittelſt des Leibs
Chriſti/ welchen der glaubige Communicant genießt/ und mit ſeinem
Munde Sacramentlicher weiß empfangt/ ein Geiſt und ein Leib/ Joh. 6, 56.
Wer
[229]Predigt.
Wer mein Fleiſch iſſet/ und trincket mein Blut/ der bleibet in
mir/ und ich in ihm. Daß alſo ein glaubiger Chriſt ſagen kan/
Chriſtus iſt mein Leben/ ich leb in Chriſto/ und Chriſtus in
nur.Galat. 2, ꝟ. 20. Davon bekennen wir in unſerm Catechiſmo/ daß
alle Glaubige ſind in Chriſto unſerm HErꝛn/ als Glieder zu
einem Leib in der H. Tauff eingeleibet.Vis vivifica, die lebendig-
machende Krafft/ zu gleicher weiß/ wie abermal das natuͤrliche Brod
dienet zur Erhaltung und Fortſetzung des natuͤrlichen Lebens/ St. Pau-
lus ermahnet ſeine Schiff-Gefaͤhrten/ die allbereit vierzehen Tag lang
ungegeſſen blieben/ und nichts zu ſich genommen/ und faſt verſchmachtet/
Speiſe zu nemmen/ und ſich zu laben/ im Griechiſchen Text heißt es alſo:
τοῦτο γ [...] τῆς ὑμετέρας σω τηρίας ὑπάρχει. Dann das dienet euch zu
euerm Heyl und Beſeligung des Lebens. Welches Brod auch die
Jſcaeliten in der Wuͤſten geſucht/ darnach hungerte ſie/ ſie beſorgten
ſich fuͤr dem Tod/ daß wo ſie laͤnger ohne Brod ſeyn/ verſchmachten muͤß-
ten. Exod. 16, 3. Alſo hie das Brod des Lebens/ Wer von dieſem
Brod eſſen wird/ der wird leben in Ewigkeit.Joh. 6, 47. Es
theilet der Leib Chriſti mit/ und zuͤndet an das geiſtliche Gnaden-Leben/
das man mit Paulo ſagen kan/ Gal. 2, 20. Jch lebe/ doch nun nicht
ich/ ſondern Chriſtus lebet in mir/ dann was ich jetzt im Fleiſch
lebe/ das lebe ich im Glauben des Sohns GOttes. Wie dann
auch das Ewige Leben/ und zwar nicht nur in ſpe, ſondern auch in re,
was anlanget den Vorſchmack. Wer mein Fleiſch iſſet/ und mein
Blut trincket/ der hat das ewige Leben.Joh. 6, 54. Jhr ſeyd
geſtorben/ und euer Leben iſt verborgen mit Chriſto in GOtt.
Col. 3, 3. Vis refectoria die ſtaͤrckende/ erquickende und labende Krafft.
Das Brod iſt dazu von Gott erſchaffen/ daß es des Menſchen Hertz
ſtaͤrcken ſoll. Pſal. 104. Nachdem ſich Abraham mit ſeinen Soldaten in
der Schlacht wider Kedor Laomor zimlich ermattet/ und wieder zuruck
gekehret/ trug ihnen Melchiſedech Brod und Wein auff/ gab ihnen ein
Ritter-Zehrung/ dadurch ſie ſich wieder erholet. Als David/ da er mit
ſeinen vierhundert Maͤnnern den Amalekitern nachgejagt/ einen Egy-
ptiſchen Mann auff dem Feld gefunden/ der in drey Tagen und Naͤchten
nichts gegeſſen/ und allbereit halb todt war/ nachdem aber die Maͤnner
Davids ihm Brod gegeben/ und er gegeſſen/ kam ſein Geiſt wieder zu
ihm. 1. Sam. 30, 12. Alſo wer im geiſtlichen Kampff ſich dermaſſen ermuͤ-
det/ daß der Glaub gleichſam in einer Ohnmacht da ligt/ und der Menſch
F f iijdas
[230]Die Siebende
das geiſtliche Leben/ das auß Gott iſt/ nicht mehr empfindet/ und im
Gegentheil Todes-Schrecken und Hoͤllen-Angſt im Gewiſſen fuͤhlet/ der
empfanget hie neue Krafft/ wie ein junger Adlex/ das es heißt: O HErꝛ
JEſu/ dein Wort/ dein Geiſt/ dein Leib und Blut mich innerlich erqui-
cken. Ligt allein an der glaubigen Ergreiffung: Zu gleicher weiß/ wie
zwar viel den Leib des Herrn in den Tagen ſeines Fleiſches angeruͤhret/
aber nicht von ihren Wehetagen geneſen/ weil ſie ihn ohne Glauben an-
geruͤhrt/ allein das blutfluͤſſige Weiblein/ weil ſie auß glaubigem Ver-
langen gewuͤnſchet/ moͤchte ich nur ſein Kleid anruͤhren ſo wuͤrde
ich geſund/ iſt ihres Wunſches und Begehrens gewaͤhret worden/
wann ihr der Herr zugeſprochen: Sey getroſt meine Tochter/
dein Glaub hat dir geholffen.Matth. 9, 22. Alſo beruͤhren zwar
viel in Empfahung des H. Abendmahls mit ihren Lippen den allerheilig-
ſten und theurſten Leib JEſu Chriſti/ daß aber nicht alle der oberzehlten
Krafft theilhafftig werden/ machet der Unglaub. Darum wilt du mit
Chriſto vereiniget/ von Jhme lebendig gemacht/ ſuͤß erquicket/ und reich-
lich getroͤſtet werden/ ſo muſt du glauben und nicht wancken/ daß
ein Speiß ſey der Krancken/ denen ihr Hertz von Suͤnden
ſchwer/ und vor Angſt iſt betruͤbet ſehr.
IV. Es iſt aber dieſes Brod Exemplum dehortationis. Gleich-
wie wir das ſuͤſſe Brod eſſen/ alſo ſollen wirs auch eſſen ohne Falſchheit/
Heucheley und geiſtliche Hoffart. Feget auß den alten Saurteig/
auff daß ihr ein neuer Teig ſeyd/ laſſet uns Oſtern halten/
nicht im alten Saurteig/ auch nicht im Saurteig der Boßheit
und Schalckheit/ ſondern im Suͤßteig der Lauterkeit und der
Warheit. 1. Cor. 5. ꝟ. 7. 8. Ἑκὰς, ἑκὰς, ὅςις ἄλιτρος. Es iſt kein
Brod fuͤr die Schwein/ drauſſen ſeind die Hunde. Exemplum adhor-
tationis 1. ad Eleemoſynam, dann daher ſeind die Brod oblatæ genen-
net worden/ maſſen wie Tertullianus bezeugt c. 39. apolog. ſo haben die
Reichen Brod und Wein zugetragen/ ein Theil zur Communion/ das
andere ad ἀγάπας, zu den Liebes-Malzeiten/ dabey ſie dann der Armen
nicht vergeſſen/ ſondern Speiß und Tranck mildiglich unter ſie außge-
theilet: alſo ſollen ſonderlich da unſere Almoſen reichlich ſeyn/ und ge-
dencken/ ſo uns Gott an ſeinen Tiſch heruffen/ wir auch die Broſamlein
dem armen Lazaro nicht mißgoͤnnen/ dann was ſeind alle zeitliche Guͤter
gegen jenem zu rechnen/ nicht anders/ als σκύ [...]αλα. (σκύ [...]αλον quaſi κυ-
σί [...]αλον τὸ τοῖς κυσὶ βαλόμενον. 2. Ad Concordiæ \& Chriſtianæ Cha-
ritatis
[231]Predigt.
tatis culturam.Dann ein Brod iſts/ ſo ſeind wir viel ein Leib/
dieweil wir alle eines Brods theilhafftig ſind. 1. Cor. 10, 17.
Sind wir aber ein Leib/ und Glieder an einem Leib/ ſo laſſet uns
rechtſchaffen ſeyn in der Liebe/ und wachſen in allen Stucken
an dem/ der das Haupt iſt/ Chriſtus/ auß welchem der gantze
Leib zuſammen gefuͤget/ und ein Glied am andern hanget/
durch alle Gelenck.Epheſ. 4, 15. Daher allezeit vor dem H. Abend-
mahl bey uns dieſe Vermahnung vorher gehe[t]: Wir ſind alle ein
Brod/ und ein Leib/ dieweil wir alle eines Brods theilhaff-
tig ſind. Zu gleicher weiſe/ wie auß vielen Koͤrnlein ein
Meel gemahlen/ ein Brod und Kuchen gebacken wird: alſo
ſollen wir alle/ ſo durch den Glauben Chriſto eingeleibet ſeyn/
durch bruͤderliche Liebe/ um Chriſtus unſers liebſten Heylan-
des willen/ der uns zuvor ſo hoch geliebet hat/ alle ein Leib/
Tranck/ Kuchen und Brod werden/ und ſolches nicht allein
mit laͤhren Worten/ ſondern mit der That und Warheit/ wie
Johannes lehret/ ohn allen Trug treulich gegen einander be-
weiſen/ das iſt/ wie Chriſtus ſeinen Juͤngern die Fuͤſſe gewaſchen/ das
Leben fuͤr ſie gelaſſen/ ja gar ſeinen Leib zu eſſen gegeben/ alſo ſollen wir
unſerm Naͤchſten begegnen mit Demuth und Ehrerbietung/ Mildthaͤ-
tigkeit/ ja gar/ wann es die Noth erfordert/ um ſeinet willen/ Gut und
Blut auffſetzen/ und in die Schantz ſchlagen. Dieſes alles laſſet uns
bedencken/ wann wir zum Tiſch des Herrn gehen/ und endlich mit der
Chriſtlichen Kirch ſeufftzen.
‘
O fidelis animæ
vitalis refectio!
In te Tu nos unias,
Et virtute munias,
Da Te dignè ſumere,
Et carnales furias
Propellens, nos facias
tecum piè vivere.
ſic refecti poculis
ſanguinis \& epulis
tuæ carnis optimis,
ſeculorum ſeculis
epulemur ſedulis
veritatis azymis.
O ſuͤſſes
[232]Die Achte
Die Achte Predigt/
Von
Dem Leib JESU CHRISTI/ als
dem einen unſichtbarn weſentlichen Stuck
des H. Abendmahls.
GEliebte in Chriſto. Als der Allmaͤchtige GOtt/
nach ſeiner gethanen Verheiſſung/ zum erſten mal das
Manna vom Himmel herab ſchneyen und regnen laſſen/
und ſolches die Kinder Jſrael geſehen/ ſo ſprechen ſie/
Man hu? welches Wort nicht nur der Lateiniſche Dol-
metſch/ ſondern auch der Chaldeiſche/ mit deme Philo,
Joſephus, Origenes, Theodoretus, Cyrillus, und viel andere uͤberein-
ſtimmen/ uͤberſetzet/ Was iſt das?Interrogativè, Fragsweiß/ Exod.
16, 15. welcher Verſtand confirmiret wird durch das beygeſetzte Wort/
dann ſie wußten nicht was es war.Man hu, ſprechen ſie/ quaſi
Mah hu? Was iſt das? Verwundern ſich billig/ und haben hernach
die viertzig Jahr durch Urſach uͤber Urſach gehabt/ ſich zu verwundern/
was das fuͤr eine ſeltzame Speiß? je mehr ſie dieſelbe genoſſen/ je mehr
ſie davon informirt worden. Man hu? ſprechen ſie/ betrachtende:
I. Originem
[233]Predigt.
I. Originem cœleſtem, ſeinen himmliſchen Urſprung/ dann es
fiel vom Lufft-Himmel/ von den Wolcken herab/ es war kein natuͤrlich
Brod/ ſondern ein himmliſche Speiß/ ein Engel-Speiß/ der Tiſch/ den
ihnen Gott vom Himmel herab in der Wuͤſten gedeckt. Er gebot
den Wolcken droben/ und thaͤt auff die Thuͤre des Himmels/
und ließ das Manna auff ſie regnen zu eſſen/ und gab ihnen
Himmel-Brod/ ſie aſſen Engel-Brod/ Er ſandte ihnen Spei-
ſe die Fuͤlle.Pſalm. 78, 24. ſeq. Jn Æthiopia ſoll vor dieſem ein Tiſch
geweſen ſeyn/ den ſie τράπεζαν ἡλίου, der Sonnen-Tiſch genennet/ ich mei-
ne/ es hat Gott ihnen in Egypten einen ſolchen himmliſchen Tiſch be-
reitet/ dann es war das Manna ἄρτος ἕτοιμος ἀϖ [...] ο [...]ρανοῦ, ein Brod
bereit vom Himmel.Sap, 16, 20.
‘Cœl. Rhod. l. 294. p. 1110. ſcribit Hiſtoriæ Parens Herodotus: In Æthiopia
pratum eſſe omnium quadrupedum carne refertum. Eam verò carnem
Magiſtratus illic per noctem ponere feſtinabant. Ubi verò illuxiſſet, cuili-
bet licebat illuc ad veſcendum accedere, indigenis exiſtimantibus, copiam
epularum divinitus ſuppeditari. Hanc Solis menſam nuncuparunt, ad
quam inſpiciendam olim Cambyſes legatos dimiſit in Æthiopiam. Hanc
Hieronymus famoſiſſimam dicit. Apud Melam Pomponium de hac re ita
legimus: Eſt locus in Æthiopia paratus, ſemper epulis refertus. Et quia,
ut libet, veſci volentibus licet, ἡλίου τράπεζαν vocant. Edulia paſſim ap-
poſita ſunt, quæ affirmant innaſci ſubinde divinitus. Ad eandem ferè ſen-
tentiam \& in Poly hiſtore Julius Solinus. Nec mitum porrò, Solis menſam
nuncupari locum eum, quoniam pleriſque gentibus Numen id erat eximiæ
Religionis.’ ()
II. Man hu? wann ſie erwogen materiam, als die gantz unbe-
kant/ man hat zwar auch ein natuͤrlich Manna/ davon etwas in den Apo-
thecken bekandt/ Græcis, ἀερόμελ, Lufft-Honig/ iſt anfangs ein Thau/ ſo
auff die Blaͤtter und Graß faͤllt/ und anklebt/ hernach auffgehaben wird/
und gedencket ein beruͤhmter Phyſicus eines Manna/ ſo in Polen gefal-
len/ gleich dem Zucker/ und wann man es mit Butter gekocht/ ſeye es
ein uͤberauß niedliche Speiſe geweſen; Jſt aber ein andere Art/ unſer
Manna fiel alle Tag/ außgenommen am Sontag/ jenes nur im Fruͤh-
ling und Herbſt: dieſes wurde ſtinckend/ ließ ſich nicht auffheben auff den
andern Tag/ jenes laßt ſich auffheben: dieſes war eine Speiß/ jenes viel-
mehr eine Artzney.
III. Man hu? ratione formæ, dann es war klein/ wie Reiff/ und
rund/ wie Coriander-Saamen/ weiß und durchſcheinend/ anzuſehen wie
Bdellion, Num. 11, 7. weich von anfang/ als welches wie Butter von der
Neunter Theil G gSonnen
[234]Die Achte
Sonnen zerſchmeltzte/ wann man es aber heim getragen/ ehe die Sonn
auffgangen/ ſo wurde es hart/ daß man es in Muͤhlen zerſtieß/ und in
Moͤrſern zerrieb/ Num. 11. allermaſſen wie das Ey weich iſt innerhalb der
Schalen/ aber hernach hart wird. Der Schmack war uͤberauß lieblich.
Jm Buch der Weißheit zwar c. 16. wird es beſchrieben/ tanquam pa-
nis, πρὸς πᾶσ [...] ἡδον [...] ἰσχύων, καὶ παὸς πᾶ [...] ἁρμόνιος γεῦσιν. Es ver-
mocht allerley Luſt zu geben/ und war einem jeden nach ſeinem
Schmack eben. Ein jeder moͤchte darauß machen was er wolt/ nach
dem ihn Luſt ankommen/ ſo kunte er ihn mit dem Manna buͤſſen/ hatte er
Luſt nach Eyern/ ſo ſchmackte es wie Eyer/ bekam er Luſt zu Fiſchen/ ſo
hatte das Manna eben dieſen Geſchmack/ moͤchte er Wildpret Citronen/
Melonen/ Lauch/ Knoblauch/ Aepffel/ Bieren/ Trauben/ ꝛc. eſſen/ ſo
hatte das Manna allen dieſen Geſchmack von ſich gegeben. Weil aber
ſolches nicht nur der geſunden Vernunfft zuwider/ und uͤber das auch die
Jſraeliten einen Eckel ab dem Manna/ als einer loſen Speiſe/ bekom-
men/ ſondern auch Moſes von keinem andern als einem Geſchmack weiß/
nemlich wie Semmel mit Honig vermenget/ ſo muß der Apocryphus
dem Canonico, der junge Sophus dem alten Propheten Moſi/ als dem
Oceano Prophetarum hierinnen weichen. Wiewol Lutherus ſich in das
Mittel geſchlagen/ und beyde miteinander conciliirt und verglichen in
der Rand-Gloſſ/ ad Sap. 16, 17. Man konte es machen/ wozu man wolt/
backen/ braten/ ſieden/ kochen/ doͤrren.
IV. Man hu? ratione finis. Dann ja Moſes ihnen wird ge-
deutet haben auff die geiſtliche Bedeutung/ davon Paulus 1. Cor. 10, 3.
πάντες τὸ ἀυτὸ βρῶμα πνευματικὸν ἔφαγον, unſere Vaͤter haben alle ei-
nerley geiſtliche Speiſe gegeſſen. Alleſamt naturaliter, alleſamt
ſpiritualiter, die Glaubigen zwar in fide, die Unglaubigen im Fuͤrbild/
an ihren vielen hatte GOtt kein Gefallen/ ſie wurden nider-
geſchlagen in der Wuͤſten. 1. Cor. 10, 5. Gleichwie die Kinder Jſrael
alle die erhoͤhete ehrene Schlang in typo angeſehen/ allein die Glaubigen
in fide. Sie ſahen es an tanquam cibum myſticum, ein geiſtliche
Speiß/ des lebendigen Brods Chriſti/ davon Joh. 6, 32. ſeq.Moſes hat
euch nicht Brod vom Himmel gegeben/ ſondern mein Vater
gibt euch das rechte Brod vom Him̃el/ denn diß iſt das Brod
GOttes/ das vom Himmel kom̃t/ und gibt der Welt das Le-
ben. Jch bin das Brod des Lebens/ wer zu mir kom̃t/ den
wird
[235]Predigt.
wird nicht hungern.ꝟ. 49. Euere Vaͤter haben Manna geſ-
ſen in der Wuͤſten/ und ſind geſtorben/ diß iſt das Brod/ das
vom Himmel kom̃t/ auff daß/ wer davon iſſet/ nicht ſterbe.
Jch bin das lebendige Brod vom Himmel kommen/ wer von
dieſem Brod eſſen wird/ der wird leben in Ewigkeit. Und
das Brod/ daß ich geben werde/ iſt mein Fleiſch/ welches ich
geben werde fuͤr das Leben der Welt.Tanquam cibum typicum,
des Reiß-Brods in der Wuͤſten dieſer Welt/ tanquam cibum anago-
gicum, des Himmel-Brods im Ewigen Leben/ des verborgenen Man-
na. Und diß iſt auch der typus auff die himmliſche Tracht/ die uns
Chriſtus im Sacrament auffſtellet/ ein rechtes Wunder-Brod/ davon
wir auch ſprechen moͤgen: man hu? Was iſt das? und darauff die
Antwort hoͤren/ auß dem Mund und Grund aller Warheit JEſu Chri-
ſto/ der in den Worten der Einſetzung des H. Abendmahls zu ſeinen
Juͤngern ſagt: Das iſt mein Leib. Bey welchem himmliſchen und
verborgenen Manna wir fuͤr dieſes mal wollen ſtill ſtehen/ und erwegen
deſſen Quidditaͤt/ Quantitaͤt und Qualitaͤt. Hievon zu reden zu GOt-
tes Ehr/ und unſerer Aufferbauung/ wolle JEſus Chriſtus mit dem
Gnaden-Liecht des H. Geiſtes mildiglich erſcheinen. Amen.
ANfangs belangend/ Geliebte in Chriſto/ das verborge-
ne Manna/ ſo im Sacrament des H. Abendmahls unter dem
geſegneten Brod auffgeſtellet/ mitgetheilet/ und dargereichet
wird/ und zwar 1. deſſen Quidditaͤt/ ſo ſagt davon Chriſtus unſer Hey-
land: Diß iſt mein Leib/ nennets ſeinen Leib/ nicht ſagt er/ mein Seel/
meine Gottheit/ mein Blut/ ſondern mein Leib/ nicht aber ins gemein
1. corpus antitypicum, der jenige Leib/ der allem Schatten-Weſen und
Fuͤrbildern des Alten Teſtaments entgegen geſetzet wird/ davon Col. 2. 17.
So laſſet nun niemand euch Gewiſſen machen/ uͤber Speiß/
oder uͤber Tranck/ oder uͤber beſtim̃ten Feyrtaͤgen/ oder Neu-
monden/ oder Sabbathen/ welches iſt der Schatten von dem
das zukuͤnfftig war/ aber der Coͤrper ſelbſt iſt in Chriſto. Maſ-
ſen unter dieſem Leib verſtanden und begriffen wird/ alles was im Alten
Teſtament fuͤrgebildet worden/ wohin auch das Blut Chriſti gehoͤret.
Nicht 2. corpus myſticum, der geiſtliche Leib/ welcher iſt ſeine Kirch und
Gemeinde/ davon 1. Cor. 10, 17. Ein Brod iſts/ ſo ſind ihr viel
ein Leib/ dieweil wir alle eines Brods theilhafftig werden.
G g ijDenn
[236]Die Achte
Denn es iſt die Kirch nicht der Leib/ der fuͤr uns dahin gegeben worden.
Nicht 3. corpus in ſtatu naturali conſideratum, der Leib Chriſti/ ſo fern
er in ſeinem natuͤrlichen Stand gelaſſen und betrachtet wird/ der auß
Seel/ Fleiſch und Blut beſtehet/ ſintemal in dieſem Sacrament ſind Leib
und Blut einander entgegen geſetzt/ 1. Cor. 10/16. Das Brod/ das wir
brechen iſt die Gemeinſchafft nicht des Leibs und Bluts zugleich/ ſondern
allein des Leibs Chriſti/ der geſegnete Kelch/ welchen wir ſegnen/ iſt nur
die Gemeinſchafft des Bluts Chriſti/ und nicht zugleich auch des Leibs.
Daher die Concomitantia der Papiſten/ als waͤre das Blut auch Sa-
cramentlicher weiß mit dem Leib Chriſti vereiniget/ keines wegs ſtatt und
platz hat. Sondern 4. corpus perſonale \& ὑποςατικὸν, der perſoͤnliche
Leib/ in welchem die Fuͤlle der Gottheit leibhafftig wohnet. Mein Leib/
ſpricht Er/ und alſo Gottes eigener Leib/ der in die Perſon des Sohns
GOttes auff- und angenommen worden/ velamentum Deitatis, darein
ſich die Gottheit gleichſam verhuͤllet hat/ den Er im Stand ſeiner Ernie-
drigung herum getragen/ erbaͤrmlich in ſeiner Paſſion mißhandeln und
zurichten laſſen/ und endlich gar in den Tod gegeben/ der nunmehr im
Thron GOttes von allen Seraphim und Cherubim/ im Himmel vereh-
ret und angebeten wird. Corpus quod Angeli videntes horreſcunt,
neque liberi audent intueri, propter emicantem inde ſplendorem, hoc
nos paſcimur. Chryſoſt. homil. 60. ad populum.Wir werden mit
dem Leib geſpeiſet/ daruͤber die Engel erzittern/ wann ſie Jhn
anſchauen/ ja nicht frey doͤrffen anſehen/ wegen des herꝛlichen
Glantzes/ ſo an Jhme herfuͤr ſchimmert. Der Leib/ welchen
Paulus nennet/ σῶμα τῆς σαρκὰς αὑτοῦ, den Leib ſeines Fleiſches/ Col. 1, 22.
Der allerheiligſte Opffer-Leib/ von dem ſtehet Hebr. 10, 5. Opffer und
Gaben haſtu nicht gewolt/ den Leib aber haſtu mir zubereitet/
ꝟ. 10. Jn welchem Willen wir ſind geheiliget/ einmal geſche-
hen durch das Opffer des Leibs JEſu Chriſti. und 1. Pet. 2, 24.
Welcher unſere Suͤnde ſelbſt geopffert hat an ſeinem Leibe
auff dem Holtz.
II. Quantitas, Vernunfft hat hie ihr Spiel und Kurtzweil/ aller-
hand ſeltzame und abentheurliche Phantaſien und Gauckeleyen/ wann
man ihr den Zaum/ Flug und Gang laßt/ die concipirts ſeltzam/ als ein
kleines Leiblein/ das ſich ſo eng zuſammen ſchmuckt und duckt/ als ein
multiplicirter Leib/ der ſich vielmal vermehrt/ wie die ſieben Brod Marc. 8.
und diß iſt auch von den fuͤrnemſten Urſachen eine/ warum die Zwinglia-
ner
[237]Predigt.
ner die weſentliche Gegenwart und muͤndliche Communication und
Nieſſung des Leibs Chriſti laͤugnen und verneinen: Corpus Chriſti
non ex cœna, ſed ex cruſtâ excludimus, wir ſchlieſſen den Leib Chriſti
nicht von dem Abendmahl auß/ ſondern allein vom Brod. Pareus in
Iren. c. 28. art. 16. Urſach/ es waͤre wider die Proportion, Statur, Groͤſſe
und Laͤnge des Leibs Chriſti. Chriſtus/ ſprechen ſie/ iſt in rechter Manns
Laͤnge geweſen/ jetzt ſoll Er ein kleines/ enges und ſchmales Coͤrperlein
haben/ nicht groͤſſer als die Brod-Hoſtien/ nach dem/ wie wir pflegen zu
ſingen: Sein Leib ſoll verborgen ſeyn im Brod ſo klein/ welches alles
die Vernunfft nicht anders/ als fuͤr ein Maͤhrlein haͤlt/ und lachet druͤber/
wie Sara hinter der Thuͤr. Ob wir nun wol dieſe Inſtantz bloß verwerf-
fen koͤnten mit dem Wort Chriſti: Caro nihil prodeſt,das Fleiſch iſt
kein nuͤtz. Joh. 6. GOttes Weißheit und Allmacht die gantze Sach
heimweiſen/ und alle Curioſitaͤt rein abſchneiden/ ſo geben wir doch zum
Uberfluß Gegentheil zu bedencken/ obs Gott unmuͤglich ſey realiter zu
thun/ was die Natur intentionaliter? So nun ein ſichtbarer Leib auff
einmal von viel tauſend Augen kan geſehen/ warum nicht der Leib Chriſti
von vielen tauſend Communicanten genoſſen werden? Sicut Divinitas
(ait Nyſſen. ſerm. Paſchali apud Scult. Medull. p. 969.) replet mun-
dum, \& tamen una eſt; Ita innumerabilibus Iocis conſecratur, \& ta-
men unum corpus eſt.Wie die Gottheit die gantze Welt er-
fuͤllet/ und iſt doch nur eine Gottheit/ ſo wird das H. Abend-
mahl in unzaͤhlig viel Orten gehalten/ und iſt doch nur ein
Leib Chriſti. Wir erinnern ſie/ daß Chriſtus einen geiſtlichen Leib
habe. 1. Cor. 15. und in unglaublicher Kuͤrtze bald zu Emaus/ bald zu Je-
ruſalem geweßt/ durch verſchloſſene Thuͤren (nicht der Stadt/ wie zwar
Gegentheil excipirt/ als welches eine ſchaͤndliche ἀνιςορισία, dann weil der
guldene und edele Fried im Juͤdiſchen Lande dazumal gebluͤhet/ und al-
lenthalben Sicherheit geweßt/ haben die Juden die Stadt-Thor Tag
und Nacht offen ſtehen laſſen/ und nicht zugeſchloſſen ſondern des Hau-
ſes/ darein die Juͤnger Chriſti ſich verſchloffen und verkrochen/ und auß
Forcht fuͤr den Juden alle Riegel fuͤrgeſperꝛt/ durchgedrungen; darum
ſprechen wir kurtz: Es werde der einige und zwar der gantze Leib Chriſti
außgeſpendet und mitgetheilet. Sumit unus, ſumunt mille \&c. Laſſen
die Phantaſien vom groſſen und kleinen Leib fahren/ und ſparen ſolches
in die Univerſitaͤt droben im Himmel.
Nicht weniger/ was III. die Qualitaͤt anlanget/ iſts eine fuͤrwitzige
Frage geweſen/ welche die Griechiſche Kirch/ ſo im̃erdar etwas beſonders
G g iijgehabt/
[238]Die Achte
gehabt/ als Nicetas davon ſchreibet/ movirt, corpus an quatenus mor-
tuum, an quatenus vivum? ἀϕϑαρτον, an ϕϑαρτὸν? das iſt/ ob wir den Leib
Chriſti im H. Abendmahl empfangen/ wie und ſo fern er ihn in den Tagen
ſeines Fleiſches auff Erden herum getragen/ ſo fern er fuͤr uns am Creutz
den Tod gelitten/ auff geopffert/ und in das Grab geleget worden/ oder den
unverweßlichen/ und verklaͤrten Leib/ wie er beſchaffen geweſen nach ſei-
ner Aufferſtehung? Nicht weniger iſts eine naͤrriſche Frag/ ob der war-
haffte und natuͤrliche Leib Chriſti im H. Abendmahl ſey corpus palpabi-
le, viſibile \&c. oder nicht? Wir referiren dieſe Fragen unter die jenigen
Schul Fragen/ davon Paulus Tit. 3, 9. Der thoͤrichten Fragen ent-
ſchlage dich/ ſie ſind unnuͤtz und eitel. Maſſen die hochfladerende
Geiſter billig ſolten wiſſen/ daß doch nicht alle natuͤrliche Leiber ſichtbar/
man hoͤret zwar des Windes ſauſen und Brauſen wol/ wer hat aber ſol-
che Lux-Augen/ daß er ihn einmal geſehen/ woher er kommen/ oder wohin
er gefahren? Sie ſolten bedencken/ daß Chriſti Leib ſeye ein geiſtlicher
himmliſcher/ verklaͤrter Leib/ mit mehr als Engliſcher Klarheit angethan.
Nun hinderte dorten Bileam der Engel des Herrn im Weg/ daß er
nicht konte fortreiſen/ da er ihn doch weder geſehen noch gefuͤhlet. Num. 22.
Warum wil man dann ſo kindiſche/ grobe und fleiſchliche Gedancken
von Chriſti Leib faſſen? Gnug iſts ferner/ daß wir wiſſen corpus com-
municari qua vivificum, es werde der Leib außgeſpendet/ ſo fern er ein
lebendig-machender Leib/ und ein Uberwinder des Todes/ der die Macht
genom̃en dem/ der des Todes Gewalt hatte/ das iſt dem Teuffel. Hebr. 2.
Welche Krafft Er gehabt nicht nur vor und nach/ ſondern auch mitten
im Tod/ non vitâ naturali, ſed perſonali. Alſo/ daß/ wann damal die
Glaubigen haͤtten communicirt/ ſie haͤtten Troſt und Leben vom todten
Leib Chriſti empfangen/ dann ſo der todte Leib Eliſaͤ des Propheten einen
todten lebendig gemacht/ wieviel mehr der Leib Chriſti/ der nun zur Herꝛ-
ligkeit des Vaters erhaben worden/ hie iſt der rechte Arbor Vitæ, und Le-
bens-Baum/ cibus ἀ ϑανασίας, und Speiß der Unſterbligkeit. Wie
Adam ſein natuͤrlich Leben immerzu geſtaͤrcket durch den Genuß der
Fruͤchten des Baums des Lebens im Paradiß/ und was am Lebens-
Balſam abgegangen/ durch deſſen Krafft in gleicher Guͤte wiederum
empfangen: Solcher Seelen-Balſam/ Lebens-Baum/ Labſal und
Hertzſtaͤrckung iſt der Leib Chriſti/ dadurch das Liecht des Glaubens und
geiſtlichen Lebens/ wann es einem glimmenden Docht in hohen Anfech-
tungen gleich wird/ erweckt/ angeblaſen/ erhalten und geſtaͤrcket wird/
Nachguß und Zufluß bekom̃t zum ewigen Leben.
Die
[239]Predigt.
Die rechte Qualitaͤt/ darinnen uns der Leib Chriſti dargeſtellet wird/
iſt verfaßt in den Worten/ Der fuͤr euch dahin gegeben wird/ τὸ
ὑπὲρ ὑμῶν διδόμενον, Paulus, τὸ ὑπὲρ ὑμῶν κλώμενον, 1. Cor. 11, 24. der
fuͤr euch gebrochen wird. Die Paͤbſtler meynen/ ſie haben hierinnen
gefunden/ non quod pueri in faba, als welche darauß das Meß-Opffer
erzwingen wollen. Dann weil (argumentiren ſie) Chriſtus 1. in præ-
ſenti redet/ gegeben wird/ nicht/ wird gegeben werden/ 2. Paulus das
Wort διδόμενον erklaͤret/ durch das Wort κλώμενον, welches nicht am
Creutz/ ſondern im Abendmahl geſchehen. E. ſo hat Chriſtus ſeinen Leib
nicht nur cruentè am Creutz/ ſondern auch incruentè im H. Abendmahl
ſeinem heiligen Vater auffgeopffert. Grad als wann die Enallage præ-
ſentis pro mox futuro in der Schrifft nicht gewoͤhnlich/ 2. Tim. 4, 6.
ſagt Paulus/ ich werdeſchon geopffert/ und die Zeit meines Ab-
ſchieds iſt fuͤrhanden/ das iſt/ ich werde bald den Maͤrtyrer Tod muͤſ-
ſen außſtehen/ und dieſe Welt geſegnen. Jnſonderheit war ſie Chriſto
in ſeinem Valet-Geſpraͤch mit ſeinen Juͤngern/ und in der gantzen Sa-
cramentlichen Handlung gar familiar, maſſen auß dem gantzen context
erhellet/ Matth. 29. Des Menſchen Sohn gehet zwar dahin/
(ὑπάγ [...]) doch wehe dem Menſchen/ durch welchen des Men-
ſchen Sohn verrathen wird/ (π [...]ραδιδοται) ꝟ. 45. des Menſchen
Sohn wird uͤberantwortet in die Haͤnde der Suͤnder.Joh. 13, 33.
Wo ich hingehe/ da koͤnt ihr nicht hinkommen.ꝟ. 36. Wo ich
hingehe/ kanſtu mir dißmal nicht folgen.c. 14 ꝟ. 4. Wo ich hin-
gehe/ das wiſſet ihr/ꝟ. 18. Jch wil euch nicht Waiſen laſſen/
ich komme zu euch.c. 17. ꝟ. 11. Jch bin nicht mehr in der Welt.
Da doch ſolches alles nicht in inſtanti, und in dem puncto, da ſolches
Chriſtus geredet/ geſchehen/ ſondern bald darauff erfolget. Deßgleichen
da Er Joh. 10, 17. ſagt: Darum liebet mich mein Vater/ daß
ich mein Leben laſſe/ auff daß ichs wieder nehme/ niemand
nim̃t es von mir/ ſondern ich laſſe es von mir ſelber. Wird nie-
mand in dieſe Gedancken kommen/ daß ſich Chriſtus dazumal ſchon ſei-
nem Vater auffgeopffert. Es hat aber Chriſto beliebt alſo in præſenti
zu reden/ nicht nur wegen der unveraͤnderlichen Gewißheit/ Krafft wel-
cher Eſaias das Leben Meſſtaͤ in perfecto beſchrieben fuͤrwar Er trug
unſere Kranckheit/ und lud auff ſich unſere Schmertzen. Er
iſt um unſerer Miſſethat Willen verwundet/ und um unſerer
Suͤnde willen zuſchlagen.Eſa. 53, 4. nicht nur wegen der unbetrieg-
lichen
[240]Die Achte
lichen præſcientz und Vorſchau GOttes/ nach welcher ihm alle Ding
gegenwaͤrtig. Act. 15, 18. Hebr. 4, 13. ſondern auch weil ſein Leiden und
Nothſtand dazumal ſchon ſeinen Anfang genommen/ da er mit ſeinen
Juͤngern das Abendmahl gehalten. Er war allbereit betruͤbt im Geiſt.
Judas iſt ſchon dazumal mit verraͤtheriſchen Blut-Gedancken ſchwanger
gegangen/ die Hohenprieſter haben die Mord-Glock ſchon gegoſſen/ und
war alles zur Paſſions-Tragoͤdi fertig. Zugeſchweigen weil es der Vul-
gatus ſelbſt in futuro gegeben/ und per tradetur, uͤberſetzet. Grad als
ob das Wort Pauli/ der fuͤr euch gebrochen wird/literaliter muͤßte
verſtanden werden/ und nicht vielmehr metaphoricè, von innerlicher
Angſt und Leiden/ in welchem Verſtand Hiskias wehmuͤtig außruffte:
Er zerbrach mir alle meine Gebeine wie ein Loͤwe/Eſa. 38, 13.
und David: Laß mich hoͤren Freud und Wonne/ daß die Ge-
beine froͤlich werden/ die du zerſchlagen haſt.Pſ. 51, 10. Jn wel-
chem Verſtand Eſaias ſelbſt von dem Meſſia ſagt: Wir hielten ihn
fuͤr den/ der geplagt und von GOtt geſchlagen und gemartert
were.Eſa. 53, 4. Stellt alſo Chriſtus ſeinen Leib dar nicht nur als ei-
nen Opffer-Leib/ der ſchon gegeben worden in ſeiner Geburt/ der ſchon
uͤbergeben worden in die Haͤnde des Verraͤthers/ und noch ferner gege-
ben werden ſoll. Der nicht allein uns zu eigen gegeben und geſchencket.
Eſa. 9. Ein Kind iſt uns gebohren/ ein Sohn iſt uns gegeben.
ſondern auch fuͤr uns/ nicht allein exemplariter zum Exempel der Nach-
folg/ Gott unſerm Himmliſchen Vater/ Leib/ Gut und Blut auffzu-
opffern/ und zu Erweiſung des Kindlichen Gehorſams/ hindan zu ſetzen/
und im Stich zu laſſen/ ſondern auch meritoriè, Es iſt der jenige Opffer-
Leib/ davon Paulus Epheſ. 5, 2. Chriſtus hat uns geliebet/ und
hat ſich ſelbſt fuͤr uns dargegeben/ zur Gabe und Opffer/
GOtt zu einem ſuͤſſen Geruch. Fuͤr uns/ wegen des Suͤnden-
Geſtancks/ den wir Gott vor die Naſe geſetzt/ und damit hefftig erzuͤr-
net. Gott zu einem ſuͤſſen Geruch: Dann gleichwie der Opffer
im Alten Teſtament Zweck/ Ziel und Wuͤrckung/ daß darauff erfol-
get die Reinigung/ Weyhe/ Heiligung/ Entſuͤndigung/ expiatio
und ſelige ἀμνηςεία; Maſſen der Herr im Alten Teſtament alſo ge-
botten/ Exod. 29, 35. Sieben Tag ſolt du Aaron und ſeinen
Soͤhnen die Haͤnde fuͤllen/ und taͤglich einen Farren zum
Suͤnd-Opffer ſchlachten zur Verſoͤhnung/ und ſolt den Al-
tar entſuͤndigen/ wann du ihn verſoͤhneſt. So bald Gott der
Herr gerochen das Opffer Noe/ war ſein Zorn geſtillet/ und die Straffe
auffgeha-
[241]Predigt.
auffgehaben/ der Segen blickte herfuͤr/ aller Zorn GOttes war tod/ und
ab. Alſo hat Chriſtus durch das Opffer ſeines Leibes den Suͤnden-
Geſtanck vertrieben/ wir ſind alle geheiliget worden/ alle Fehde hat nun
ein Ende/ Hebr. 10, 10. Jn ſeinem Willen ſind wir geheiliget/ ein-
mal geſchehen durch das Opffer des Leibs JEſu Chriſti/ und
ꝟ. 14. Mit einem Opffer hat er in Ewigkeit vollendet/ die ge-
heiliget werden. und c. 13, 12. Darum auch JEſus/ auff daß er
heiligte das Volck durch ſein eigen Blut/ hat Er gelitten auſ-
ſen fuͤr dem Thor/ der ſich ſelbs fuͤr uns gegeben hat/ auff daß
Er uns erloͤſete von aller Ungerechtigkeit/ und reiniget ihm
ſelbs ein Volck zum Eigenthum. Den Leib/ den er gegeben zur
Bezahlung der Schuld/ zur Rantzion/ zum Vicariat an unſer ſtatt/
Tauſch-weiß/ Rantzions-weiß/ Er lud auff ſich unſere Schmertzen/
um unſerer Miſſethat willen iſt er verwundet/Eſa. 53. Gott
hat alle Straffen auff Jhn gelegt/ wie der Wind ein Wetter auff einen
Baum zuſammen treibet/ Er hat ſein Leben zum Schuld-Opffer gegeben/
zu einem Feg-Opffer/ Er iſt ein κάϑαρμα worden/ ein περίψημα, ein
Kehrauß/ ein ἀνάϑεμα, ein auff gehenckter Maleficant, ein βδέλυγμα ein
Pfui dich/ daß man das Pſui Pfui uͤber Jhn geſchrien. Nicht nur/
ſag ich/ ein Opffer-Leib/ ſondern auch ein edles Geſchenck/ ſo uns vereh-
ret und gegeben worden/ und zwar δῶρον verè βασιλικὸν, \& magnificen-
tiſſimum, ein Koͤniglich Geſchenck/ die allerherꝛlichſte Gabe. Koͤnig
Jacobus in Engelland ſchreibt ſeinem Sohn ein Buch zu/ voller Re-
genten- und Welt-Weißheit/ darinnen er ihne abgericht und informirt/
wie er ſein Reich gluͤcklich und weißlich verwalten ſolle/ das nennet er
[...]ῶρον βασιλικὸν, das war zwar ein Raritaͤt/ ein Buch von einem Koͤnig
geſchrieben/ aber wol elendes Bettel-Werck/ ſchlechte Weißheit/ wol
ſchlechte arcana. Hie iſt theſaurus ſapientiæ, [...]ῶρον verè βασιλικὸν,
groſſe Weißheit war es/ daß Gott ein Weg erfunden/ wie Gott konte
Menſch werden/ daruͤber die Engel das Gloria in excelſis geſungen/ und
ſich beluſtiget in dieſes Geheimnuß zu ſchauen/ nicht weniger Weißheit/
wie der ϑεάνθριϖος, Gott und Menſch/ des Menſchen Speiß werden
moͤchte/ und gleichſam ein Leib mit ihnen. Hie verſtummen die Engel
daruͤber/ es bleibet das Manna abſconditum, Apoc. 2, 17. Es iſt der Leib/
in welchem alle Schaͤtze der Weißheit verborgen liegen. Δῶρον χαριέςα τον
\& beneficentiſſimum, ein Liebes-Geſchenck. Kein groͤſſere Liebes-
Gab iſt/ als wann einem das Hertz im Leib mitgetheilet wird/ wie Koͤnig
Henricus IV. den Jeſuiten ſein Hertz im Teſtament vermacht/ damit ſie
Neunter Theil. H hhefftig
[242]Die Achte
hefftig prangen/ weyland wurden ſie wegen ihrer Buͤberey des Landes
verwieſen/ hernach kommen ſie zu ſolchen Koͤniglichen Gnaden/ daß ih-
nen das Hertz des Koͤnigs geſchencket wurde. Gott iſt die Liebe/ dem
artet auch dieſes Geſchenck nach/ hie theilt Chriſtus uns das Hertz im
Leib mit: Viel war es/ und ein Pfand groſſer Liebe/ daß er ſeinen Leib in
den Tod gegeben/ wie Er ſelbſt ſagt: Niemand hat groͤſſere Liebe/
dann die/ daß Er ſein Leben laßt fuͤr ſeine Freunde.Joh. 15, 13.
Hat aber noch Exempel/ der thumme Roͤmer Marcus Curtius, Codrus,
und andere haben dergleichen gethan. Cupiente Adriano fatum pro-
ducere, Antinous ſe pro eo, ad voluntatium exitium, cæteris retra-
ctantibus obtulit. Cluver. Epit. hiſtor. p. 299. Daß er aber auß Lieb
ſeinen Leib zur Speiß gegeben/ iſt Lieb ohne Exempel/ ſie hat ihres gleichen
nicht. Donum ſaluberrimum, das; allerheilſamſte Geſchenck. Die
Calviniſten nennens zwar eine paleam, und unnuͤtzen Spreu/ darin
weder Safft noch Krafft/ was aber ihnen nicht ſchmeckt/ iſt uns gut ge-
nug. Du biſt todt/ hie iſt der Baum des Lebens! Du biſt kranck an
Leib und Seel/ hie alexipharmacum, und Balſam guter Art! Du biſt
unter GOttes Zorn/ hie iſt der Gnaden-Thron/ aſylum und Freyheit!
Du biſt arm/ hie iſt die Schatz-Kammer/ darinnen die Fuͤlle der Gottheit
wohnet/ auß welcher Fuͤlle du kanſt nemmen Gnade um Gnade! Du
biſt hungerig/ hie iſt das Manna/ du zweiffelſt an der Seligkeit/ hie iſt das
Pfand unſers Erbes! Du biſt ein Suͤnder/ hie iſt die Rantzion/ du
ſtinckeſt in GOttes Naſen/ hie iſt das Opffer und ſuͤſſe Geruch! Sum-
ma, τὸ πᾶν. Der Sorites iſt juſt/ wer das Opffer hat/ der hat Verge-
bung der Suͤnden/ wer Vergebung der Suͤnden hat/ der hat den Schluͤſ-
ſel zum Himmelreich. Doch wuͤrcket dieſer Opffer-Leib ſolchen heilſa-
men effect nicht ex opere operato, wie etwan ein Artzney heylſam iſt/
man glaubts oder glaubts nicht/ ſondern es ligt alles am Glauben/ wel-
ches zu mercken wider die jenige Leute/ die meynen/ wann ſi nur das hei-
lig Abendmahl empfangen/ ſo ſeyen ſie gewiſcht und getraͤnckt/ und ſchon
ſelig/ das Hertz mag inwendig beſchaffen ſeyn wie es immer wil.
O wehe/ und ewig wehe dem Menſchen/ der dieſes Pfand unwuͤr-
dig empfangt/ er macht ſich ſchuldig des Leibs Chriſti/ wie Judas und
die Henckers-Buben/ und alſo auch theilhafftig ihrer Straff/ Wenn
jemand das Geſetz Moſi bricht/ der muß ſterben ohne Barm-
hertzigkeit durch zween oder drey Zeugen/ wieviel meynet ihr
aͤrgere Straff wird der verdienen/ der den Sohn GOttes mit
Fuͤſſen
[243]Predigt.
Fuͤſſen tritt/ und das Blut des Teſtaments unrein achtet/
durch welches er geheiliget iſt/ und den Geiſt der Gnaden
ſchmaͤhet.Hebr. 10, 28. 29. Es waͤre ihm beſſer/ daß ein Muͤhl-
ſtein an ſeinen Hals gehaͤnget wuͤrde/ und wuͤrde erſaͤufft im
Meer/ da es am tieffſten iſt.Matth. 18, 6. Quæ erit nobis excu-
ſatio, cum talibus paſti talia peccemus, cum lupi ſiamus agnum come-
dentes. Chryſoſt. hom. 60. ad pop. Antioch.Was werden wir fuͤr
eine Entſchuldigung fuͤrwenden koͤnnen/ wann wir nach dem
Genuß ſo edler Speiß ſo freventlich ſuͤndigen/ und Woͤlffe
werden/ nachdem wir das Lamm gegeſſen haben. Ein Koͤnig
leidets nicht/ daß man ihm ſein Bild verſchimpfft/ warum ſolts dann
der Koͤnig Himmels und Erden nicht mit hoͤlliſchem Feur ſtraffen/
wann man ſeinen Leib mit Fuͤſſen tritt. Tempel-Schaͤndung wird fuͤr
ein Kirchen-Raub gehalten/ hie iſt der Tempel/ darin die Fuͤlle der Gott-
heit leibhafftig wohnet/ darum ſich der unermeßlich hoch verſuͤndiget/ ſo
ihn ſchaͤndlich tractirt. Ligt derowegen an der [...]ακρίσ [...], der Menſch
pruͤfe ſich ſelbſt/ und alsdann eſſe er. Non dijudicans, h.e. non per-
pendens (ſchreibet Oecumenius in 1. Cor. XI.) magnitudinem eorum,
quæ in cœna dominica præſentia \& propoſita ſunt, nec conſiderans
doni amplitudinem. Si diligenter didiceris, qui ſit ὁ προκείμενος, cui
ſeipſum donet, non opus erit aliâ exhortatione, ſed hoc ſufficit, niſi
prorſus ſis deſperatus.Wer nicht unterſcheidet/ das iſt/ nicht
erweget die Groͤſſe und Fuͤrtrefflichkeit der jenigen Guͤter/ ſo
im heiligen Abendmahl gegenwaͤrtig ſind/ und auffgetragen
werden/ und aber nur mit Fleiß betrachtet/ wer der ſey/ der an
der Tafel ſitzet/ und wem er ſich gantz zu eigen ſchencket/ wird
keiner andern Auffmunterung und Erinnerung vonnoͤthen
haben/ wann er nicht gantz verzweiffelt boͤß.Cogita, quantâ
indignatione adverſus proditorem, adverſus eos, qui ipſum crucifi-
xerunt, movearis, \& cave, ne tu quoque carnis \& ſanguinis reus ef-
ficiaris. Chryſoſt. in c. 26. Matth.Bedencke mit was fuͤr Heff-
tigkeit du dich erzuͤrneſt uͤber den Verraͤther Judam und die/
ſo Chriſtum gecreutziget haben/ aber huͤte dich/ daß du nicht
auch/ wie ſie/ ſeines Leibs und Bluts dich ſchuldig macheſt.
Wann das bedaͤchten unſere rohe Welt-Kinder und conſuetudinarii,
die/ wann ſie gleich in ſchroͤcklichen Suͤnden biß uͤber die Ohren ſtecken/
doch hingehen ohne rechte Reu/ wollen noch unſchuldig ſeyn/ doͤrffen wol
H h ijmit
[244]Die Neunte
mit Juda ſagen: Herr bin ichs? waͤre noch ein Chriſtliche Ader in
ihrem Leib/ wuͤrden ſie umkehren und Buſſe thun. Aber noch bleibet
unrecht Gut in des Gottloſen Hauß. Mich. 6. Noch ſchaͤndet man den
Sabbath/ noch bleibet Grollen und Feindſchafft/ Zungen-Frevel/ ꝛc. und
brennt man ſich noch wol weiß/ und wil kein Waſſer betruͤbt haben.
Nun ſo ſchroͤcklich dieſe Speiß iſt den Gottloſen/ die ſich vergeblich
troͤſten/ ſo troͤſtlich den Muͤhſeligen und Beladenen/ die blinder als Bar-
timaͤus/ aͤrmer als Lazarus/ unreiner als Naaman/ befleckter als die
Suͤnderin/ abtruͤnniger als Petrus/ dann die ladet Chriſtus ein mit
außgereckter Hand Matth. XI.Kommet her zu mir alle die ihr
muͤhſelig und beladen ſeyd/ ich wil euch erquicken. Hie mag
auch wol geſagt werden/ was dorten ſtehet. Mich. 2/7. Das Hauß
Jacob troͤſtet ſich alſo: Meyneſtu des HErꝛn Geiſt ſeye ver-
kuͤrtzt? Solte er ſolches thun wollen? Es iſt wahr/ meine
Rede ſeind freundlich den Frommen. Ligt nur an dem Glauben/
dann das Wort Fuͤr euch gegeben/ fordert eitel glaubige Hertzen. Wer
es annim̃t/ der verſiegelts/ daß GOtt warhafftig iſt/ ſagt Jo-
hannes der Taͤuffer/ Joh. 3/33. Wahr iſt es zwar/ wir greiffens nicht/
fuͤhlens auch nicht/ inſonderheit in Anfechtungen/ und laͤßt ſich da der
Zweiffel viel ſtaͤrcker ſpuͤhren/ aber da gehoͤret Kampff und Streit dazu/
man muß ringen mit Jacob/ ich laß dich nicht/ du ſegneſt mich dann/ oder
mit den Juͤngern Chriſti: Bleib bey uns Herr/ dann es wil Abend
werden/ und der Tag hat ſich geneigt. Als David der Lade des Herrn
ein Hauß und Wohnung bauen wolte/ was fuͤr einen groſſen Schatz hat
er zu ſolchem Schmuck angewendet/ Das Werck/ ſpricht er/ 1. Chron.
30, 1. iſt groß/ dann es iſt nicht eines Menſchen Wohnung/
ſondern GOttes des HErꝛn. Jch aber habe auß allen mei-
nen Kraͤfften geſchickt/ zum Hauſe GOttes/ Gold zu gulde-
nen/ Silber zu ſilbernen/ Ertz zu ehrnen/ Eiſen zu eiſernen/
Holtz zu hoͤltzernem Geraͤthe/ Onychſtein/ eingefaßte Rubin/
und bundte Steine/ und allerley Edelgeſteine/ und Marmel-
ſteine die Maͤnge/ uͤber das auß Wolgefallen dem Hauſe mei-
nes GOttes/ habe ich eigenes gutes Gold und Silber/ drey
tauſend Centner Golds von Ophir/ und ſieben tauſend Cent-
ner lauter Silbers/ das gebe ich zum heiligen Hauſe GOt-
tes/ uͤber alles/ das ich geſchickt habe/ die Waͤnde der Haͤuſer
zu uͤberziehen. Wie ſollen denn wir den Tempel unſers Hertzens
ſchmuͤcken
[245]Predigt.
ſchmuͤcken und bereiten/ wann das Gegenbild der Bunds-Lade/ Chri-
ſtus der Engel des Bundes/ der Herr Himmels und der Erden bey
uns einkehren und Wohnung bey uns machen wil? unſer Schmuck iſt
der Glaub/ der/ wann er rechtſchaffen erfunden wird/ viel koͤſtlicher iſt/
dann das vergaͤngliche Gold/ das durchs Feur bewaͤhret wird. Ein
ſolch Hertz mit Glauben gezieret/ iſt das guͤldene Kaͤſtlein/ darinnen das
Himmels-Manna auff gehaben wird. Jſt aber der Glaub rechtſchaffen/
ſo wird Chriſtus lebendig/ gleichwie in dem Grab Joſephs von Arima-
thia/ lebendig per fidei exercitia, agnitionem, aſſenſum, fiduciam, durch
Fruͤchte des neuen Lebens/ welche ſo wenig außbleiben koͤnnen/ als die
Fruͤchte eines Baums/ wann er lebendig und geſund iſt/ ſo wenig die Hitz
außbleibt/ wo Feur iſt. Fragſtu was Fruͤchte ſeyn? Sie heiſſen ἀντί-
δωρα, gegen dem Naͤchſten/ wenn du dich ihm gantz ſchenckeſt/ mit allen
deinen Kraͤfften/ Schaͤtzen und Guͤtern: ſonderlich ἀντίδωρα gegen Gott
im Himmel/ dem du dich/ wie der Phoͤnix/ auffzuopffern ſchuldig/ mit
Leib und Seel/ quoad promptitudinem, es iſt ja Herr dein Geſchenck
und Gab/ mein Leib und Seel/ und was ich hab/ in dieſem armen Leben/
auff daß ichs brauch zum Lobe dein/ zu Nutz und Dienſt des Naͤchſten
mein/ quoad reſignationem, wanns auch Leib und Leben koſten ſolte/ du
haſt deinen Leib fuͤr mich gegeben/ ich gib mich dir wieder um deinet wil-
len zu deiner Ehr/ gantz und gar/ mit Leib und Blut/ Nemmen ſie den
Leib/ Gut/ Ehr/ Kind und Weib/ laß fahren dahin. Das ewig Gut
macht rechten Muth/ dabey ich bleib/ wag Gut und Leib/ Gott helff mir
uͤberwinden. Amen.
Die Neunte Predigt/
Von
Dem Wein/ als von dem andern ſichtbarn
Element des heiligen Abendmahls.
GEliebte in Chriſto. Es ruͤhmet die geiſtliche Braut/
eine jede glaubige Seele/ in ihrem Epithalamio Cant. 2. ꝟ. 4.
von ihrem Braͤutigam unter andern dieſes/ und ſagt: Er
fuͤhret mich in den Wein-Keller. Jn welchen Worten wir zu be-
H h iijdencken
[246]Die Neunte
dencken haben 1. Sponſam prædicantem, die klagt in vorigen Worten
uͤber ihren Creutz-Stand/ und erlittene Trangſaalen/ vergleicht ſich ei-
ner Roſe unter den Dornen/ ſie ſeye der Welt muͤd: einem lieblichen
Apffelbaum unter den wilden Baͤumen/ einer Hirten-Tochter/ die von
der Sonnen/ wie Rachel/ gantz ſchwartz worden: Sehet mich nicht
an/ ſagt ſie/ daß ich ſo ſchwartz bin/ dann die Sonne hat mich ſo
verbrannt/Cant. 1. ꝟ. 6. Sie gibt ferner zu verſtehen ihr ſehnliches
und hertzliches Verlangen nach ihrem Braͤutigam/ ziehe mich nach
dir/ ſo lauffen wir/trahe me poſt te.Er kuͤſſe mich mit dem
Kuß ſeines Mundes/ Er hertze mich/ er liebe mich/ mit Gnaden-
Kuͤſſen/ Ehren-Kuͤſſen/ Frieden-Kuͤſſen/ Liebes-Kuͤſſen/ mit dem Kuß
ſeines Mundes/ nicht mit fremdem ſtinckendem Mund/ der mir nicht
mundet/ nicht mit dem ſtamlenden Moſis-Mund/ den unreinen Lippen
Eſaiaͤ/ mit dem unmuͤndigen Mund Jeremiaͤ/ ſondern ſeines Mundes/
dem werthen H. Geiſt/ daß man deine gute Salbe rieche/ den ſuͤſſen
Evangeliſchen Troſt/ dañ dein Nahm iſt eine außgeſchuͤttete Salbe.
2. Prædicationem ipſam.Er fuͤhret mich in den Wein-
Keller/ verſtehe keinen leiblichen Wein-Keller/ dann das waͤre Jhr als
einem Weibs-Bild/ ja einer Jungfrauen uͤbel angeſtanden.
‘Plin. l. 14. cap. 13. hiſtor natural. p. m. 116. hæc habet: Non licebat vinum fœ-
minis Romæ bibere. Invenimus inter exempla, Egnatii Mecennii uxorem,
quod vinum bibiſſet è dolio, interfectam fuſte à marito, eumque cædis à
Romulo abſolutum. Fabius Pictor in annalibus ſuis ſcripſit: Matronam
quod loculos, in quibus erant claves vinariæ cellæ, reſignaviſſet, à ſuis ine-
dia mori coactam. Cato ideò propinquos fœminis oſculum dare, ut ſci-
rent, an temetum olerent. Hoc tum nomen vino erat, unde \& temulen-
tia appellata. Cu. Domitius judex pronunciavit mulierem videri plus vini
bibiſſe, quàm valetudinis cauſa, viro inſciente, ac dote multavit. confer
Tertull. Apolog. c. 6.’ ()
Sondern in den geiſtlichen Wein-Keller der Chriſtlichen Kirchen/ ſie
freuet ſich uͤber den Wein-Keller und deſſen Kuͤhlung/ denn ſie ſagt/ ihr
ſeye warm/ der Keller gibt Kuͤhlung: Uber den Geruch/ davon man-
cher truncken wird: uͤber den Wein/ das edle Trauben-Blut ſelbs/ und
deſſen gewaltige Krafft und Erquickung/ und dann ſonderlich uͤber die
Lauterkeit und Reinigkeit/ daß er auß dem friſchen Faß eingeſchenckt/ nicht
vermiſcht/ nicht durch andere Haͤnde gegangen/ da es auch heißt: Dul-
cius ex ipſo fonte bibuntur aquæ. Jß was gar iſt/ und trinck was
klar iſt/ alſo auch das unverfaͤlſchte Evangelium/ Denn wir ſind nicht
wie
[247]Predigt.
wie etlicher viel/ (ſagt St. Paulus 2. Cor. 2/17.) die das Wort
GOttes verfaͤlſchen/ ſondern als auß Lauterkeit/ καπηλ [...]οντες
[...] λ [...]γον τοῦ Θεοῦ. Luth. in marg. um des Bauch und Geitzes willen/ wie
ein Kretzſchmer den Wein faͤlſchet. Jſt eben das jenige/ woruͤber glau-
bige Chriſten auch ſonſt noch mehrmalen ſich gefreuet/ Eſaias ſingt ſei-
nem Vettern dem Meſſiaͤ ein Lied vom Weinberg/ da er ſich im Geiſt er-
holt/ Wolan ich wil meinem Lieben ein Lied meines Vettern
ſingen von ſeinem Weinberg.Eſa. 5, 1. Deßgleichen thut Aſſaph
Pſ. 8. lamnazeach al hagithith mizmor le David, welches der Vulga-
tus uͤberſetzt torcularibus, und Pſ. 80. In finem pro torcularibus, da er
zuvor vom Weinſtock gehandelt/ den Gott auß Egyptenland geholet/
die Heyden vor ihm vertrieben/ ihn aber gepflantzet/ fuͤr welchem er Bahn
gemacht/ und ihn laſſen einwurtzeln/ daß er das Land erfuͤllet hat/ mit
deſſen Schatten Berge bedeckt/ und ſeinen Reben die Cedern GOttes.
Nun/ meine Liebſten/ eben in dieſen Wein-Keller ſpatzieren wir auch
anjetzo/ nachdem uns Chriſtus in Betrachtung des andern Elements
des heiligen Abendmahls per anagogen ſpiritualem hinein fuͤhret/ Friſt/
Troſt/ Liefferung/ Erquickung/ Nahrung und Verwahrung zu erholen.
Der Himmliſche Weinſtock/ JEſus Chriſtus breite ſich anjetzo mit ſei-
nen Gnaden-Zweigen uͤber uns auß/ und beſchatte uns/ und laß uns von
ihm Safft und Krafft/ Liecht und Troſt empfinden. Amen.
GEliebte in Chriſto. Drey Umſtaͤnde kommen uns zu
betrachten vor. Rei terreſtris, ſeu elementi terreni Quiddi-
tas, Qualitas, Finalitas.
I. Quidditas. So iſts zwar an dem/ es wird dieſes Elements klar
und außtrucklich mit keinem Wort gedacht. Daher dann auch Bellar-
minus ein Argument vom Zaun gebrochen/ und einen Behuͤlff geſucht/
ſeinen Traditionen auff die Bein zu helffen/ vorgebend/ man koͤnne ſol-
ches nicht auß der Schrifft beweiſen/ man muͤſſe die Tradition hierin zu
Huͤlff nemmen.
‘Quid ergò in calice fuerit ante conſecrationem, an vinum purum, an vinum
aquâ miſtum, an ſicera, an aqua ſola, ex ſola Scriptura expreßè non habetur,
ſed neceſſariò recurrendum eſt ad traditionem eorum, qui ab Apoſtolis \&
eorum diſcipulis hæc myſteria didicerunt. Traditio autem habet, fuiſſe vi-
num, aquâ miſtum; ergò ita certè credendum eſt, aut nihil certi de materia
calicis habemus. ita Bellarm. l. 4. de Euchariſtia. c. 10. §. Antecedens.’ ()
Jſt
[248]Die Neunte
Jſt aber ein vergebener Zwang: Gnug iſt es/ daß es ſo wol verbluͤmt/ als
periphraſticè beſchrieben. 1. figuratè, in dem Wort Kelch: Dieſer
Kelch iſt das Neue Teſtament ꝛc. Verſtehe nicht den Zorn-Kelch/
den Daumel-Kelch/ den Kelch des Zorns/ davon Eſa. 51, 22. Sihe/ ich
nemme den Daumel-Kelch von deiner Hand/ ſamt den Hefen
des Kelchs meines Grimmes/ du ſolt ihn nicht mehr trincken.
und Ezech. 23 33. Du muſt dich des ſtarcken Trancks und Jam-
mers voll ſauffen/ dann der Kelch deiner Schweſter Samaria
iſt ein Kelch des Jammers und Traurens. Nicht den Creutz-
Kelch und Creutz-Becher/ den die zween Soͤhne Zebedei haben muͤſſen
Beſcheid thun/ Matth 20, 23. Meinen Kelch ſolt ihr zwar trincken.
Nicht den allgemeinen Troſt-Becher/ der auch auſſer dem Sacrament
ſtatt und platz hat. Pſalm. 116, 13. Jch wil den heylſamen Kelch nem-
men/ und den Nahmen des HErꝛn predigen. und Jer. 16, 8.
Darum ſolt du in kein Trinck-Hauß gehen/ bey ihnen zu ſi-
tzen/ weder zu eſſen noch zu trincken. Mit jenem wuͤrtzt er die
Gottloſen ab/ mit dieſem ſpeißt er die Frommen. Sondern poculum
Euchariſticum, den Sacramentlichen Kelch. Um die Geſtalt und
Form dieſes Kelchs bekuͤmmern wir uns nicht hoch/ ob wahr was Beda
ſchreibet/ und Baronius glaubet/ daß zu ſeiner Zeit dieſer Becher zu Jeru-
ſalem gezeiget worden/ und ein ſilberner Kelch mit zwo Handhaben ſeye.
‘Beda in lib. de locis Sanct. c 2. In platea, inquit, quæ Martyrium \& Golgatha
continuat, exedra eſt, in quâ calix Domini ſcriniolo reconditus, per operculi
foramen tangi ſolet, \& oſculari, qui argenteus calix hinc inde duas habens
anſulas, ſextarii Gallici menſuram capit, in qua illa eſt ſpongia potus Domi-
ni miniſtra. Baronius ad ann. 34. n. 63. Non præterimus, ait, dicere, quod
calix ille, in quo Redemptor noſter Jeſus Chriſtus ſacratiſſimam Euchari-
ſtiam conſecravit, ut egregium tantæ rei monumentum à communi uſu ſe-
lectus, ac ſummâ induſtriâ aſſervatus adhuc Bedæ temporibus Hieroſoly mis
viſebatur.’ ()
Salmeron ſchreibet/ es ſeye dieſer Kelch noch in der Stadt Valentia auff-
gehoben. Es wird aber per metonymiam und verbluͤmter weiß durch
den Sacramentlichen Kelch verſtanden der Wein im Kelch: Jſt ein tro-
pus, den die Evangeliſten clar und heiter gnugſam erklaͤrt/ dann ſie nen-
nen ihn den Kelch des Neuen Teſtaments/ das iſt/ wie es Matthaͤus und
Marcus erklaͤren/ das Blut des Neuen Teſtaments. Trincket darauß/
auß dem Kelch/ E. ſo iſt etwas mehrers in dem Kelch geweſen/ welches mit
dem Blut Chriſti vereinbaret: Den Kelch von dem Chriſtus geſagt/ der
fuͤr
[249]Predigt.
fuͤr euch und fuͤr viel vergoſſen wird/ den Paulus zu Corintho ge-
ſegnet/ poculum [...]λογίας, nun hat Paulus damal den Kelch/ das con-
tinens ſelbs nicht geſegnet/ ſondern den Kelch/ den man trincket/ 1. Cor.
10, 21. Jhr koͤnnet nicht zugleich trincken des HErꝛn Kelch/ und
der Teuffel Kelch; Maſſen ein Kind an ſeinen Fingern rechnen kan/
daß dieſes alles nicht propriè zu verſtehen/ koͤnte Gegentheil ihre Tropi-
ſterey auß der Erklaͤrung der Evangeliſten ſelber alſo erweiſen/ ſo moͤch-
ten ſie was außrichten/ aber das werden ſie wol anſtehen laſſen. Warum
ſie aber ποτήριον geſagt/ iſt darum geſchehen/ zu bezeugen/ der Wein ſeye
nicht ein bloß Zeichen/ ſondern auch τ [...] πόσιν τηροῦν. 2. Clarè \& peri-
phraſticè, die Evangeliſten/ ſo mit und dabey geweſen/ Matthaͤus und
Marcus/ Petri amanuenſis, deutens an in den Worten/ genimine vitis,
Matth. 26, 29. Jch ſage euch/ ich werde von nun an nicht mehr
von dieſem Gewaͤchs des Weinſtocks trincken/ biß an den
Tag/ da ich neu trincken werde mit euch in meines Vaters
Reich.conf. Marc. 14, 25. Luc. 22, 18. und iſt bedencklich/ daß Matthaͤus
das demonſtrativum τοῦ [...] hinzu ſetzt/ ἐ [...] το [...]ου τοῦ γεννήματος, gibt damit
zu verſtehen/ daß es eben der Wein ſeye/ den ſie beym Oſter-Lamm ge-
truncken. Moͤchte jemand gedencken/ warum der Herr nicht grad zu-
gefahren/ und den Wein benamſet? Vermuthlich iſt es/ es ſeye nicht ge-
ſchehen abſque myſterio, ſie dabey zu erinnern/ daß man nicht nur an
den Wein/ ſondern auch an den Weinſtock Chriſtum gedencken ſoll/ da-
von er hernach Joh. 15. eine ſchoͤne Letzt-Predigt gehalten/ und ſich dahin
gleichſam referirt. Jſt derowegen das andere Element Wein/ und kein
andere ſpecies, nicht Waſſer/ wie vor Zeiten die Ebioniten bey Epiphan.
hæreſ. 30. geſchwaͤrmt. Dergleichen auch andere gethan/ die Waſſer fuͤr
Wein getruncken auß Forcht/ daß man ihnen fruͤh Morgen den Wein
anrieche/ wann man ſie kuͤßt/ und ſie alſo verrathen wuͤrden/ wie bey Cy-
priano ep. 63. \& ſeq. zu leſen/ nicht Milch/ oder andere flieſſende Materi.
‘Dum itaque Eccleſia (ita Aurel. Peruſ. epit. annal. Baron. pag. 145.) ab ea quie-
vit, Cyprianum de more Synodum ex ſuæ provinciæ epiſcopis coëgiſſe con-
ſtat, in quâ inter cætera reprobatus eſt eorum error, qui pro vino aquam in
Sacroſancto Sacrificio offerebant. Id moris apud quoſdam perſecutionis
tempore inoleverat, metuentes, ne ex vini odore, à matutino ſacrificio, \&
ſacræ ſynaxis perceptione proderentur.’ ()
Wie aber/ wann man keinen Wein haben koͤnte/ wie einen ſolchen Caſum
Lerius erzehlet/ daß als ſie das H. Abendmahl wollen halten/ und nicht
Neunter Theil. J imehr
[250]Die Neunte
mehr uͤbrig geweßt/ als ein Becher voll Frantzoͤſiſchen Weins/ ſeyen ſie
angeſtanden/ was zu thun/ etliche haben gewolt/ man ſolle beym Wort
der Einſatzung Chriſti bleiben: etliche/ Chriſtus habe ſich nach Lands
Art accommodirt/ waͤre Er in Jndia geweßt/ wuͤrde Er ihnen wol ihren
Wurtzel-Tranck oder Bier nicht verſagt haben.
‘Nec amplius nobis (verba ſunt Lerii, hiſtor. Braſil. p. 69) offendiculo eſſet, cœ-
nam celebrantibus, ab eo tempore noctu eo inſcio celebrabamus. Et quo-
niam in poſtrema illis terris Cœnæ celebratione, nobis ex vino illo, quod ex
Gallia advectum fuerat, cyathus tantùm ſuperfuit, cumque aliunde habere
minimè poſſemus, exorta fuit quæſtio inter nos, utrum ſcilicet, vino defici-
ente, poſſet alio potus genere celebrari. Quidam præter cæteros Scripturæ
locos hunc etiam afferentes, quo Chriſtus in cœna inſtituenda, poſt gratia-
rum actionem Apoſtolis expreßè teſtatus eſt, ſe non amplius ex vineæ fructu
bibiturum eſſe, cenſebant, deficiente vino, ſatius fore abſtinere à ſigno, quàm
illud ipſum mutare. Alii contrà aſſerebant, cum Chriſtus in Judæa verſa-
retur, eum mentionem uſitati potus feciſſe: credi verò par eſſe, ſi inter Bar-
baros verſatus fuiſſet, non modò Americanam cereviſiam; verùm etiam fari-
nam ex radicibus, quâ illi pro pane utuntur, cœnæ Sacramento adhibiturum
fuiſſe. Ac proinde concludebant, ut, quemadmodum ſigna panis ac vini
mutare nollent, quamdiu ea præſtò eſſe poſſent: ita minimè dubitaturos,
pane ac vino deficientibus, cœnam celebrare, iis rebus adhibitis, quæ ad vi-
tam hominum fulciendam, panis ac vini locum uſumque obtinerent. Et
quamvis plerique in poſtremam ſententiam inclinabant, quia tanta rerum
penuria non fuit, quæſtio illa remanſit ſub judice.’ ()
Der Papſt Innocentius VIII. diſpenſirte hierin vor Zeiten/ als Volate-
ranus bezeugt/ l. 7. Geograph. p. 159. den Norwegen/ weil bey ihnen kein
Wein wachſet/ und ſo er anders woher gebracht wird/ nicht bleibet/ ſon-
dern zu Eſſig wird. Da doch keine einige plaga mundi und Theil der
Erden/ in welchem ſo groſſer Wein-Mangel/ daß man nicht gnugſam zu
dieſem heiligen Gebrauch haben koͤnte/ maſſen nicht nur Norwegen/ ſon-
dern auch das noch weiter entlegene Jßland bezeuget. Beza ſtimmet mit
ein Epiſt. 2. ad Tilium. Ubi panis vel vini nullus eſt uſus, vel nulla cer-
to tempore copia, num cœna Domini nulla celebrabitur? imò ritè
celebrabitur, ſi quod panis vel vini vicem, vel ex uſu communi, vel pro
temporis ratione ſupplet, panis aut vini loco adhibeatur. Hæc enim
mens fuit Chriſti, cum panem \& vinum ad hæc myſteria deligeret, ut
propoſitis earum rerum ſignis, quibus corpus noſtrum alitur, veram
alimoniam ſpiritualem, velut ob oculos repræſentaret. Itaque à
Chriſti ſententia nihil aberrat, qui nullo prorſus novandi ſtudio pro
pane \& vino ſubſtituat, quæ etſi non parem, ſimilem tamen alimoniæ
analo-
[251]Predigt.
analogiam habent. Das iſt: Soll man das H. Abendmahl nicht hal-
ten/ wo man zum taͤglichen Gebrauch kein Brod und Wein hat/ oder doch
zu gewiſſer Zeit nicht in Menge haben kan? Freylich ſoll man es halten/
wann man an ſtatt Brods und Weins das gebraucht/ was den Mangel
Brods und Weins im taͤglichen Gebrauch/ oder zu gewiſſer Zeit pflegt
zu erſetzen. Dann das war Chriſti Meynung/ als er Brod und Wein
zu dieſem Geheimnuß erwehlet und außgeſondert/ daß er unter den aͤuſſer-
lichen Zeichen/ damit unſer Leib ernehret wird/ die geiſtliche Speiß und
Nahrung der Seele abbildete. Daher der jenige von Chriſti Meynung
nicht abweicht/ der auß keiner Begierde einiger Neuerung ſolche Ding
an ſtatt Weins und Brods gebraucht/ die/ ob ſie ſchon keine gleichfoͤrmi-
ge/ doch um etwas aͤhnliche Gleichheit der Ernehrung haben. Gleiches
Schlags iſt auch Polani Meynung l. 6. ſyntagm. c. 56. Jſt alles gar
gemaͤß den Calviniſchen Principiis, als welche ſich an die ſigna nicht bin-
den. Wir aber ſagen Nein darzu. Dann in dieſem Teſtament laßt ſich
nichts auß eigenem Gutduncken aͤndern/ und ſollen wir in keinem Weg
Chriſti Weißheit meiſtern/ als dem alle Sitten und Braͤuch aller Laͤnder/
wo ſeine Kirch wird gepflantzet werden/ wol bekandt/ und demnach ſolche
Elementen und Zeichen erwehlet/ dadurch allen Menſchen die jenige Guͤ-
ter/ die er in ſeinem Teſtament vermacht/ koͤnnen uͤberreichet und mitge-
theilet werden. Wie aber mit den abſtemiis, die kein Wein trincken
koͤnnen? Antwort/ die Erfahrenheit bezeugts/ daß ſie doch allezeit etliche
Troͤpfflein genieſſen koͤnnen/ die Natur hat auch ein Abſcheuen von ei-
nem Apothecker-Traͤncklein/ doch iſt niemand/ ſo er in Leibs- und Lebens-
Gefahr ſtehet/ der nicht in Anſehung ſeines Lebens und ſeiner Geſundheit
etliche Tropffen zu ſich nehmen koͤnte. Sonſt/ weichen wir in einem/ ſo
muͤſſen wir andern auch weichen/ wer A. ſagt/ muß auch B. ſagen.
II. Qualitas. So iſt/ gleichwie wir heut vierzehen Tag angezeigt
vom Brod/ obs geſaͤurt/ oder ungeſaͤurt/ auch nichts daran gelegen/ obs
neuer oder fuͤrner/ rother oder weiſſer Wein/ ob er pur/ oder etlicher maßen
mit Waſſer vermiſcht? doch daß die Subſtantz des Weins bleibt. Wahr
iſt es/ daß man in Morgen-Laͤndern vor Zeiten den Wein/ um der Staͤr-
cke willen/ mit Waſſer gemiſcht. Darum auch Chemnitius part. 2.
exam. c. de aqu. miſc. p. 308. veriſimile judicat, Chriſtum vinum non
merum, ſed temperatum bibiſſe, dafuͤr haͤlt/ es ſeye glaublich/ daß Chri-
ſtus nicht lautern/ ſondern mit Waſſer gemengten Wein hie getruncken/
wiewol auß der Schrifft ſolches nicht zuerweiſen. Wahr iſt es auch/
J i ijdaß
[252]Die Neunte
daß die Morgenlaͤndiſche Kirch anfangs gleiche Gewonheit gehalten/ die
calumniam gentilem, tanquam crapulæ gratia convenirent, Verleum-
dung und Laͤſterung der Heyden/ als ob ſie um Freſſens und Sauffens
willen zuſammen kaͤmen/ abzulehnen. Juſtinus Apol. 2. gedencket τοῦ
κράματος Irenæ. l. 1. 9. gedencket ποτηρίων ὄινῳ κεκραμύνων, und wer
wolte an den Orten thun/ da man in Bier-Landen den Wein auß dem
Wuͤrths-Hauß oder Wein-Kellern holen muß/ wer wolte dafuͤr ſchwoͤ-
ren/ daß der Wuͤrth nicht manchmalen ein Schalck/ und Waſſer unter
den Wein miſchet? Wie nun dieſes wahr/ und das gantze Werck in
Chriſtlicher Freyheit ſtehet/ alſo hat im Gegentheil das Geiſtliche Recht/
und das Concilium Trident. ſeſſ. 22. can. 8. un Chriſtlicher weiß einen
Noth-Canonem darauß gemacht/ Eccleſia Catholica ſemper credidit,
ita neceſſarium eſſe, aquâ vinum miſceri in calice, ut non poſſit id ſine
gravi peccato omitti, ſchreibet Bellarmin. lib. 4. de Euchariſt. c. 10. Die
allgemeine Chriſtliche Kirch hat allezeit geglaubt/ es ſey ſo noͤthig/ daß im
H. Abendmahl Waſſer mit dem Wein vermenget werde/ daß ſolches oh-
ne groſſe Suͤnde nicht kan unterlaſſen werden. Jſt aber ein Stuck vom
Anti-Chriſtenthum/ laqueus conſcientiæ, und ſchaͤdlicher Gewiſſens-
Strick/ eine teuffeliſche Boßheit/ daß ſie das ſo feſt halten/ das Gott.
nicht gebotten/ und die Außſpendung des Kelchs allen Communicanten/
ſo Chriſtus geboten/ unterlaſſen. Jhr verblendete Leiter/ die ihr Mucken
ſaͤuget/ und Cameel verſchluck et/ Matth. 23.
III. Finalitas, der Zweck und End-Urſach/ ſo iſt dieſer Wein
1. quoad notitiam fidei ſignum. Wir laͤugnen nicht/ daß das Brod
oder Wein ein Zeichen ſey/ und daß ſie etwas bedeuten; aber/ daß es ſol-
che Signa, die allein bedeuten/ und nichts mittheilen/ das laͤugnen wir.
Demnach iſt der Kelch des H. Abendmahls Signum 1. vitis, des Wein-
ſtocks/ weil er ein Gewaͤchs des Weinſtocks/ und zwar des rechten
Weinſtocks JEſu Chriſti/ Joh/ 15/ 1. Jch/ ſagt er/ bin ein rechter
Weinſtock/ und mein Vater ein Weingaͤrtner. ἡ ἄμπελος ἡ
ἀληϑινὴ, davon der Patriarch Jacob in ſeinem Schwanen-Geſang ge-
ſungen/ Gen. 49, 11. Er wird ſein Fuͤllen an den Weinſtock binden/
und ſeiner Eſel in Sohn an den edlen Reben. Jn der Grund-
Sprach ſtehet [...]vitis præſtantiſſima, Luth. edele Reben/ maſſen dieſes
Wort nicht eine jegliche Rebe bedeutet: keinen bittern und wilden Wein-
ſtock. Jer. 2, 21. der ſaure Heerlinge bringet/ Jeſ. 5, 2. Sondern die aller-
beſten Reben/ dergleichen allein unſer Heyland JEſus Chriſtus/ der
außer-
[253]Predigt.
außerwehlte Knecht GOttes/ Eſa. 42. Jn deſſen Mund iſt kein Betrug
jemal erfunden/ Er hat niemalen einige Suͤnde gethan/ Eſa. 53, 9. 1. Petr.
2, 22. der ſonderlich ein Weinſtock/ wann wir anſehen vitis qualitatem.
Dann zu gleicher weiſe/ wie der Weinſtock zwar ein ſchwartz/ krum und
unanſichtbar Holtz/ doch uns allen und dem Weingaͤrtner am aller-
liebſten/ er wartet ſeiner am beſten/ weil er die edelſte Fruͤchte traͤgt/ und
den allerſuͤſſeſten Safft/ ſo den Preiß hat fuͤr allen andern/ daß er Goͤt-
ter und Menſchen erfreuet/ Jud. 9, 13. Alſo hatte Chriſtus in den Tagen
ſeines Fleiſches/ ſonderlich aber ſeiner herben Paſſion/ keine Geſtalt/
noch Schoͤne/ Er war der allerverachteſte und unwertheſte/ ſo
veracht/ daß man das Angeſicht fuͤr Jhm verbarg/Eſa. 53. ein
Wurm und kein Menſch.Pſ. 22. Doch war Gott dem Himmli-
ſchen Vater nichts liebers im Himmel und auff Erden/ als ſein heiliges
Kind JEſus/ ſein eingebohrner Sohn/ an dem hatte ſeine Seele ein
Wolgefallen/ uns nichts ſuͤſſers und lieblichers/ als welcher auff uns
laſſet flieſſen und gieſſen den alleredelſten Lebens-Safft/ dadurch unſere
Seelen wolgemuth/ friſch und froͤlich werden/ nemlich Verſoͤhnung mit
Gott/ Vergebung der Suͤnden/ die Gaben des H. Geiſtes/ Gnad und
Huld/ Gerechtigkeit und ewiges Leben. Er iſt der rechte Weinſtock
2. ob ſpiritualem inſitionem, wegen der geiſtlichen Einpfropffung/ dann
zu gleicher weiß wie abermal/ wann man einen wilden Rebzweig in ei-
nen edlen Weinſtock pflantzet/ derſelbe mit dem Weinſtock ſo genau ver-
einiget wird/ daß er nachmalen allen Safft und Krafft von ihme em-
pfangt/ edel und fruchtbar gemacht wird. Alſo ſind wir Wildfaͤng/ und
wilde Zweige von dem Him̃liſchen Vater eingepfropfft und eingepflantzt/
in Chriſtum/ daß wir nicht Heerlinge/ ſondern gute Fruͤchte bringen ſol-
len/ Gott zu Ehren/ und dem Naͤchſten zum Beſten/ und weilen er voller
Gnad und Warheit/ empfangen und nem̃en wir auß ſeiner Fuͤlle Gnade
um Gnade/ ja ſonderlich theilet Er uns mit das edle Trauben-Blut ſei-
nes eigenen theuren Bluts. 3. ob miſericordiam, die Reben thraͤnen
wann ſie beſchnitten werden/ alſo wann ihm auch ein Zweig entgehet/ ent-
weder per lapſum, wie Judas/ oder durch muthwillige Außſetzung/ wie
das Juͤdiſche Volck/ ſo moͤchte Er Blut weinen/ maſſen Er den Unter-
gang des Juͤdiſchen Volcks bitterlich beweinet/ Luc. 19, 14. Und als Er
nahe hinzu kam/ ſahe Er die Stadt an/ und weinet uͤber ſie.
2. Signum torcularis. Er iſt der Kelter-Tretter/ der ſein Kleid in
Wein gewaſchen/ und ſeinen Mantel in Weinbeer-Blut/ Gen. 49. Den
J i iijEſaias
[254]Die Neunte
Eſaias in einem holdſeligen Wechſel-Geſpraͤch einfuͤhret/ c. 63. Wer
iſt der/ ſo von Edom kom̃t/ mit roͤthlichen Kleidern von
Bazra/ der ſo geſchmuͤcket iſt in ſeinen Kleidern/ und einher
tritt in ſeiner groſſen Krafft? Jch bins/ der Gerechtigkeit leh-
ret/ und ein Meiſter bin zu helffen. Warum iſt dann dein
Gewand ſo rothfarb/ und dein Kleid wie eines Kelter-Tret-
ters? Jch trette die Kelter alleine/ und iſt niemand unter den
Volckern mit mir. Jch habe ſie gekeltert in meinem Zorn/
und zutretten in meinem Grimm: Daher iſt ihr Vermoͤgen
auff meine Kleider geſpruͤtzt/ und ich habe alle mein Gewand
beſudelt. Nicht nur der Kelter-Tretter/ ſondern auch der Traube
ſelbs. Der ſein Blut mildiglich vergoſſen unter der Kelter im Garten
am Oelberg.
3. Signum ſanguinis per vinum repræſentati. Es gibt zweyerley
Wein/ Tiſch-Wein und Ehr-Wein. Jenen zur Noth/ dieſen zur Luſt.
Beydes auch allhier: Wie nun ein Tiſch- und Noth-Wein traͤncket/
und den Durſt loͤſcht/ und erwaͤrmet/ und heilet/ wie jener Samariter
dem armen unter die Moͤrder gefallenen Menſchen Wein und Oehl in
ſeine Wunden gegoſſen/ ihn damit zu curiren; und dann ein Hertz und
Muth macht/ daher man vor dieſem im Krieg die Elephanten mit rothem
Wein und Maulbeeren-Safft pflegte zu ſpruͤtzen/ ſie damit auffzubrin-
gen und zu erzuͤrnen/ daß ſie nachgehends mit Luſt und Muth auff den
Feind zugehen moͤchten. Alſo auch das Blut Chriſti: ſchreyeſtu mit
David/ Sitio, meine Seele duͤrſtet nach Gott/ wie in einem truckenen
und duͤrren Land/ ſo ruffet dieſes Blut/ reficio. Hungert und duͤrſtet dich
nach der Gerechtigkeit/ hie wirſt du geſaͤttiget und erquicket/ daß es heißt/
dein Wort/ dein Geiſt/ dein Leib und Blut mich innerlich erquicken.
Biſtu kalt und erſtorben zu allem Guten/ dieſes Blut macht bruͤnſtig im
Geiſt. Jſt deine Seele wund/ das Blut macht dich geſund/ dann ſo
der Ochſen und der Boͤcke Blut/ und die Aſchen von der Kuh
geſprenget/ heiliget die Unreinen zu der leiblichen Reinigkeit/
wieviel mehr wird das Blut Chriſti/ der ſich ſelbſt ohn allen
Wandel/ durch den H. Geiſt/ GOtt geopffert hat/ unſere Ge-
wiſſen reinigen von den todten Wercken/ zu dienen dem leben-
digen GOtt.Hebr. 9, 13. 14. Biſtu matt und verdroſſen/ im geiſtli-
chen Kampff eines mit dem Feind zu wagen/ dieſes Blut gibt Hertz/
Muth und Sinn/ und Krafft ritterlich zu ringen/ und den Siegs-Preiß
davon
[255]Predigt.
davon zu bringen/ dann alſo lautet die him̃liſche Stimme: Nun iſt das
Heyl und die Krafft/ und das Reich/ und die Macht unſers
GOttes/ ſeines Chriſtus worden/ weil der verworffen iſt/ der
ſie verklaget Tag und Nacht fuͤr GOtt/ und ſie haben ihn
uͤberwunden durch des Lamms Blut.Apoc. 12. 10. 11. Es iſt aber
auch ein Ehr- und Luſt-Wein. Wie nun dieſer den Menſchen erfreuet
und froͤlich machet/ Jotham fuͤhret ihn per proſopopœïam alſo redend
ein: Soll ich meinen Moſt laſſen/ der Goͤtter und Menſchen
froͤlich macht? David ſagt Pſal. 104, 15. Du laͤſſeſt Graß wachſen
fuͤr das Vieh/ ꝛc. daß du das Brod auß der Erden bringeſt/
und daß der Wein erfreue des Menſchen Hertz. Syrach ſtimmet
mit zu: Der Wein iſt geſchaffen daß er den Menſchen froͤlich
ſoll machen/ der Wein zur Nothdurfft getruncken erfreuet Leib
und Seel.Syr. 31, 34. 35. Wie er verbindet und verbruͤdert/ maſſen beym
Wein die meiſten Bruͤderſchafften gemacht werden. Wie er endlich
gantz truncken macht: Alſo hat das Blut Chriſti eben ſolche Krafft und
Staͤrcke. Hie Nectar immortalitatis, der rechte Goͤtter-Tranck/ GOt-
tes eigen Blut/ der Goͤtter und Menſchen froͤlich macht/ wer dieſen
Tranck recht koſtet/ und zu ſich nim̃t/ der tantzet vor geiſtlichen Freuden/
wie David fuͤr der Bunds-Lade/ ſein Geiſt erhebet ſich/ wie der Geiſt
Mariaͤ/ er hupffet wie Johannes fuͤr Freuden in Mutterleib/ er iſt ver-
zuckt wie Paulus/ er iſt in Gott verſenckt/ er weiß vor Freuden nicht
was er redet/ wie Petrus auff dem H. Berge bey der Verklaͤrung/ daß er
wol mit David ruͤhmen kan: Mein Haupt thuſtu mir ſalben mit deinem
Geiſt der Freuden-Oel/ und ſchenck eſt voll ein meiner Seel/ deiner geiſt-
lichen Freuden. Es verbruͤdert uns Chriſten alle unter- und miteinan-
der: Wir ſind alle/ ſagt Paulus 1. Cor. 12, 13. durch einen Geiſt zu
einem Leib getaufft/ wir ſeyen Juden oder Griechen/ Knechte
oder Freyen/ und ſind alle zu einem Geiſt getraͤncket. Es ver-
urſacht eine geiſtliche Trunckenheit. Hinweg mit der Unflaͤterey der
Sauff-Bruͤder/ und Helden im Wein zu ſauffen/ die manchmal Geſund-
heit/ Hirn und Leber/ ja Leib und Seel verſauffen/ und das Podagra an
den Hals ſauffen/ Weib und Kind an den Bettel-Stab bringen/ hie
wird ein andere Trunckenheit verſtanden. Ambroſius l. 5. de Sacram. 3.
Vino qui inebriatur, vacillat \& titubat: ſpiritu qui inebriatur radica-
tus eſt in Chriſto, \& ideò præclara ebrietas, quæ ſobrietatem mentis
operatur. das iſt: Wer vom Wein truncken wird/ der wancket/
und
[256]Die Neunte
und ſtolpert/ wer aber im Geiſt truncken wird/ der iſt feſt in
Chriſto eingewurtzelt und gegruͤndet/ derowegen es wol eine
herꝛliche Trunckenheit/ die eine Nuͤchterkeit des Gemuͤths
wuͤrcket.Auguſt. in Pſalm. 35. Cum accepta fuerit illa ineffabilis læ-
titia, perit quodammodo humana mens, \& inebriatur ab ubertate
domus DEI.Wann die unaußſprechliche Freudigkeit des
Geiſtes in dem Menſchen erwecket/ und angezuͤndet wird/ ſo
erſtirbt in ſeiner maaß das menſchliche Hertz/ und wird trun-
cken von den reichen Guͤtern des Hauſes GOttes.
II. Quoad aſſenſum ſigillum, gleichwie es ein ſigillum favoris
Regii, wann Pharaonis Schencken getraͤumet/ wie er den Becher Pha-
rao in ſeiner Hand haͤtte/ die Beer naͤhme/ und ſie in dem Becher zer-
truckte/ und dem Pharao den Becher in ſeine Hand gebe. Das war/
ſag ich/ ein Siegel Koͤniglicher Gnade/ maſſen es Joſeph der Onirocrit
alſo außgelegt/ uͤber drey Tag wird Pharao dein Haupt erhe-
ben/ und dich wieder an dein Ampt ſtellen/ daß du ihm den
Becher in die Hand gebeſt/ nach der vorigen weiſe/ da du ſein
Schencke wareſt.Gen. 40, 13. Alſo/ ſo gewiß du den Kelch empfan-
geſt/ ſo gewiß auch das Blut/ und damit lauter Huld/ Gnad und Ver-
gebung der Suͤnden/ aller vorigen Suͤnde iſt vergeſſen/ es ſoll ihr in
Ewigkeit nicht mehr gedacht werden.
III. Quoad fiduciam organum. Ein kraͤfftiges Werckzeug
und Mittel das Vertrauen zu erwecken und zu ſtaͤrcken. Ey ſprichſtu/
bevorab die mit der Miltz-Kranckheit behafftet/ ich empfinde aber derglei-
chen nichts/ ich gehe zu/ der Glaub bleibt einen weg ſchwach als den an-
dern: Jch bin vielleicht ein reprobus? Antwort/ es iſt nicht noͤthig/
daß du ihn empfindeſt/ Gott hat ihm neben dieſem Kelch auch den
Creutz-Kelch fuͤrbehalten/ der Sohn GOttes hat ſelbs darauff nichts
empfunden/ als Schrecken und Zorn GOttes. Es ſind zween Weg
das Hertz zu verſichern/ à priori, und auß dem unfehlbaren Wort GOt-
tes/ wann demnach der Diener GOttes im H. Abendmahl das Brod
und den Kelch abſonderlich reicht und ſagt: das iſt der Leib fuͤr dich da-
hin gegeben; das iſt das Blut fuͤr dich vergoſſen/ glaubſtu das nicht/ ſo
ſtraffſtu Gott Lugen/ glaubſtu aber/ es ſey wahr und nit erlogen/ was der
Prediger ſagt/ ſo haſt du den Glauben/ dann das iſt der Glaub/ der verſie-
gelt daß Gott warhafftig iſt; Kanſtu aber auch ein regreſſum demonſtra-
tivum machen/ und à poſteriori den Glauben fuͤhlen und empfinden/ ſo
dancke
[257]Predigt.
dancke Gott/ wo nicht/ ſo contentire dich mit dem Verlangen/ und mit
dem Kampff des Geiſtes und des Fleiſches: Jch lieg im Streit und
wiederſtreb! Dencke/ du ſeyeſt nicht allein/ David/ Job/ Paulus und
andere haben auch in dieſem Schweiß-Bad geſchwitzet/ derowegen wann
ſchon unterdeſſen dem Hertz ſpraͤch lauter nein/ ſo laß dir doch nicht
grauen; dann die conſequentz iſt nichts nutz: dieſer Menſch fuͤhlet kei-
nen Glauben/ E. ſo hat er keinen Glauben/ wie es gleicher Geſtalt nicht
folgt: dieſer Menſch ſiehet nicht/ er fuͤhlet nichts/ er ligt im Schlaff und
Ohnmacht. E. hat er das Leben nicht.
Endlich aber auch ſo iſt dieſer Kelch ὀρμητήριον ad dignam præpa-
rationem. Neuer Wein gehoͤret nicht in alte Schlaͤuche/ Matth. 9, 17.
Man faſſet nicht Moſt in alte Schlaͤuch/ anders die Schlaͤu-
che zerreiſſen/ und der Moſt wird verſchuͤttet/ und die Schlaͤu-
che kommen um/ ſondern man faſſet Moſt in neue Schlaͤuche/
ſo werden ſie beyde miteinander behalten. Hie iſt Moſt der Jung-
frauen zeuget/ Zach. 9/ 17. der kan die Suͤnden-Haut des alten Adams
nicht leiden. Ad laudem divinam, zum Lobe GOttes. Da die Apoſtel
truncken worden/ ſo fangen ſie an die Magnalia DEI und groſſen Thaten
Gottes zu verkuͤndigen/ uns zur Nachfolge/ daß/ wann wir in des Seelen-
Braͤutigams Wein-Keller truncken worden von geiſtlichen Freuden/ mit
David außruffen ſollen. Pſ. 116, 13. Jch wil den heilſamen Kelch
nemmen/ und des HErꝛn Namen predigen.Ad patientiam,
zur Gedult: der HErꝛ hat ein Becher in der Hand/ und mit ſtar-
ckem Wein voll eingeſchenck et/ und ſchencket auß demſelben.
Pſ. 75, 9. Darum wann der Reigen des Creutz-Kelchs auch an uns
kom̃t/ laſſet uns hertzhafft Beſcheid thun/ auch ad martyrium uſque, ſolt
uns auch der rothe Safft uͤber das Maul herab lauffen. Ad charitatis
philtrum, zum Lieb-Tranck. Wie auß vielen Beerlein ein Tranck fleußt/
und ſich ineinander menget/ alſo ſollen wir alle/ ſo durch den Glauben
Chriſto eingeleibet ſeyn/ durch Bruͤderliche Liebe um Chriſtus unſers
Heylands willen/ ein Leib und ein Tranck werden/ und ſolches nicht mit
laͤhren Worten/ ſondern mit der That und Warheit/ ohne allen Trug/
treulich gegen einander beweiſen.
Jſt alſo E. L. im geiſtlichen Wein-Keller geweßt/ kan mit der Braut
ſagen: Er hat mich gefuͤhrt in ſeinen Wein-Keller; und hat darinnen
Lufft und Labſaal empfangen. Gott gebe/ daß wir von dem Gewaͤchs
dieſes Weinſtocks alleſamt trincken im Reich GOttes/ daß wir auch noch
eines andern Bechers in der Ewigkeit theilhafftig werden/ dahin der
Neunter Theil. K kHerr
[258]Die Zehende
Herr ſeine Juͤnger ſelbſt verweiſet/ Matth. 26, 29. Jch werde von
nun an nicht mehr von dem Gewaͤchs des Weinſtocks trincken/
biß an den Tag/ da Jchs neu mit euch trincken werde in mei-
nes Vaters Reich. Da wir allererſt recht ſingen werden: Du be-
reiteſt vor mir einen Tiſch gegen meinen Feinden allenthalben/ machſt
mein Hertz unverzagt und friſch/ mein Haupt thuſt du mir ſalben/ mit
deinem Geiſt der Freuden-Oel/ und ſchenckeſt voll ein meiner Seel/ dei-
ner geiſtlichen Freuden. Dahin woll uns JEſus begleiten.
AMEN.
Die Zehende Predigt/
Von
Dem Blut Chriſti/ als dem andern we-
ſentlichen und unſichtbarn Stuck des
H. Abendmahls.
GEliebte in Chriſto. Es ſind ohne allen Zweiffel
und Noth-Zwang die zehen Außſaͤtzige im heutigen Evan-
gelio Luc. 17. lebendige typi und Bilder geweßt/ wie der
ſchnoͤden Undanckbarkeit gegen den Goͤttlichen Guttha-
ten/ alſo auch unſers geiſtlichen Auſſatzes der Suͤnden/
als welche durch den leiblichen abſcheulichen Außſatz uns
gar ſcheinbar fuͤr Augen leuchtet und præſentirt wird. Es iſt der Auſſatz
ein Grund-Wurtzel einer boͤſen Kranckheit. 1. Malum intenſivum, ſo
die gantze Natur durchdringt/ zuvorderſt die Leber/ als die officinam ſan-
guinis angreifft/ dieſelbe als den Brunnen des Gebluͤts vergifft/ und
nachmalen alle Glieder des Patienten einnimmet/ das Geſicht verſtellet
und ſcheußlich macht/ alle Gliedmaſſen ſchwaͤchet/ Stimm und Sprach
benimmet: alſo iſt auch die Suͤnde ein unaußſprechlich Ubel/ ein Meer
aller Unreinigkeit/ ein vergiffte Wurtzel/ ein Abgrund aller Boßheit/ die
kein Menſch in dieſem Leben/ wie hoch er auch im Geiſt kom̃t/ genugſam
betrachten und betrauren kan/ eine ſolche Verderbung der Menſchlichen
Natur/
[259]Predigt.
Natur/ die im Hertzen/ als in der Quell des Lebens wohnet/ und daſſelbe
mit allen ſeinen Kraͤfften/ Tichten und Trachten/ Verſtand und Willen
eingenommen/ und zwar malum ἀκατάπαυϛον \& ἐυπερίϛα τον, ſo hart an-
klebt/ wie D. Luther davon ſchreibet. Tom. 4. Jen. p. 526. Nicht wie ein
rother Rock/ den wir koͤnnen außziehen und ablegen/ ſondern
wir habens auß Mutterleib gebracht/ es iſt uns durch Fell
und Fleiſch/ Marck und Bein/ durch alle Adern durch und
durch gezogen. Es iſt uns durch die gantze Natur gangen/
Fleiſch und Blut iſt durchgifftet/ es laßt ſich nicht außſchwi-
tzen mit einem Bad/ oder mit einem Lappen außſcheuren/ oder
mit Feur außbrennen/ ſondern es iſt Fleiſch und Blut/ Marck
und Bein/ Haut und Haar gantz unrein.
2. Extenſivum malum, das ſich außthaͤnet uͤber den gantzen Leib
und alle Gliedmaſſen/ die Kleider/ woͤllen oder leinen/ Fell/ Werfft und
Eintracht/ ja gar die Haͤuſer einnim̃t/ indem er an den Waͤnden gelbe
und roͤthlichte Gruͤblem macht/ und alſo ein um ſich freſſender Auſſatz.
Lev. cap. 13. ꝟ. 47. cap. 14. ꝟ. 37. So auch die leidige Erbſuͤnd/ ſie hat durch
drungen menſchlich Natur und Weſen/ der gantze Menſch iſt nichts ge-
ſundes/ von der Fußſohlen biß auff die Hauptſcheidel/ Eſa. 1. 6. Durch
dieſes Gifft iſt alles verderbt/ was er angreifft/ auch das Gute iſt nicht
rein/ immundis omnia immunda, auffs wenigſt verderbts die ſchnoͤde
ϕιλαυτία. 3. Malum protenſivum, es iſt contagios und erblich/ wird
von Eltern auff Kinder/ und auff andere Erben und beywohnende Men-
ſchen fortgepflantzt/ darum auch die Auſſaͤtzige/ als ſonderſieche/ abgeſon-
dert wohnen muͤſſen/ und wurde weder Mir Jam der Prophetin noch Uſia
dem Koͤnig geſchenckt/ ſie mußten ihre Kleider zerreiſſen/ das Haupt bloͤ-
ſen/ die Lippen verhuͤllen/ und ruffen/ immundus ſum: Jch bin unrein.
Alſo auch die Erbſuͤnde/ die haben wir von unſerm Vater Adam durch
leibliche Geburt ererbt/ darum ſie auch die Erbſuͤnde genennet wird/
durch eines Ungehorſam ſeind viel Suͤnder.Rom. cap. 5, 19. Und
wir alleſamt auß dem Paradiß verſtoſſen worden. Da gedencke nun du
hoffaͤrtiger Menſch/ du ſtoltze Dirn/ was du fuͤr ein Anſehen fuͤr GOttes
Angeſicht habeſt/ und in Betrachtung deſſen lege deinen Pracht und
Hochmuth weg. Und welches das aͤrgſte iſt/ ſo iſts malum incurabile,
eine unheilbare Kranckheit/ daran alle Aertzte deſperiren/ und mit all
ihrer Kunſt und Geſchicklichkeit muͤſſen zu Schanden werden/ ſie uͤber-
ſteigt alle menſchliche Kraͤfften/ ſondern dero Cur faͤllet allein Gott
heim/ daher einen Todten lebendig machen/ und einen Auſſaͤtzigen von ſei-
K k ijner
[260]Die Zehende
ner Kranckheit curiren/ fuͤr eines gehalten wird/ bin ich denn GOtt/
ſagt der Koͤnig in Jſrael/ 2. Reg. 5, 7. daß ich toͤdten und lebendig
machen koͤnte/ daß er zu mir ſchicket/ daß ich den Mann von
ſeinem Auſſatz loß mache? alſo auch die Suͤnde/ kein Menſchen-
Kind war je gebohren/ wie auch kein Engel außerkohren/ der dieſen
Schaden heylen kan. Es ſchreibet Nicephorus l. 7, 33. (Thomas ſtim-
met mit uͤberein part. 3. q. 69.) von Conſtantino Magno eine ſeltzame Hi-
ſtori/ als waͤre derſelbe/ ehe er ein Chriſt worden/ mit einem ungewohnli-
chen Auſſatz/ genant Elephantia, angegriffen worden/ welchem mit kei-
ner Artzney zu helffen iſt/ ohne mit Menſchen-Blut/ da habe er ihm fuͤr-
genommen/ auß allen Landen Kinder zu ſamlen und zu toͤdten/ damit ein
Bad auß Menſchen-Blut gemacht wuͤrde: Aber das Zetter- und Mor-
dio-Geſchrey der Kinder und Eltern ſey ihm dergeſtalt zu Ohren und
Hertzen gangen/ daß er ſolche Henckermaͤſſige Artzney unterlaſſen. Es
ſeye ihm aber im Traum in der Nacht eine ſolche Offenbahrung geſche-
hen/ daß er ſich von dem Roͤmiſchen Biſchoff Sylveſtro ſolle tauffen laſ-
ſen/ ſo werde er von ſeinem Auſſatz rein werden/ welchem Rath er auch ge-
folget/ daß er ſich ſamt ſeiner Mutter Helena/ oder wie etliche wollen/
ſamt ſeinem Sohn Criſpo habe tauffen laſſen/ dadurch er beydes von
dem geiſtlichen und leiblichen Auſſatz curiret und gereiniget worden ſey.
Jſt aber eine Maͤhr/ ſo fuͤr eine Lugen wol beſtehet. Hîc veritas, hie
aber die Warheit! wir liegen alle in Conſtantini Spital kranck/ voller
geiſtlichen Auſſatzes/ die H. Schrifft aber hat uns ein Blut-Bad geof-
fenbaret/ das Blut des unſchuldigen Lamms GOttes/ und allerheilig-
ſten Kindes JEſu/ dadurch ſollen wir gereiniget werden. Jſt gar ſchoͤn
und anmuthig fuͤrgebildet worden an den zwey Voͤgelein/ Lev. 14, 4. Du
ſolt gebieten/ dem der zu reinigen iſt/ daß er zween lebendige
Voͤgel nemme/ die da rein ſind/ und Cedern-Holtz/ und roſin-
farbe Wolle/ und Jſop/ und ſolt gebieten deneinen Vogel zu
ſchlachten/ in einem erdenen Gefaͤß am flieſſenden Waſſer/
und ſolt den lebendigen Vogel nem̃en mit dem Cedern-Holtz/
Roſinfarben Wolle/ und Jſop/ und in des geſchlachten Vo-
gels Blut duncken am flieſſenden Waſſer/ und beſprengen
den/ der vom Auſſatz zu reinigen iſt/ ſiebenmal/ und reinige ihn
alſo/ und laſſe den lebendigen Vogel ins freye Feld fliegen.
Und eben dieſes iſt auch das jenige Blut/ res cœleſtis Saciamenti, wel-
ches uns auff zweyerley Weiß zu betrachten fuͤrkom̃t: 1. tanquam
ϑεῖον
[261]Predigt.
ϑεῖον [...]ῶρον. 2. tanquam arrha teſtamentaria, fuͤr dieſes mal bleiben wir
bey dem erſten/ dabey wir zu betrachten 1. Doni deſignationem. 2. De-
ſignati precium. 3. Precii beneficium. Jn der nechſten Predigt de
ſanguine teſtamenti handlende. Gott helff ꝛc. Amen.
BElangend demnach/ Geliebte in Chriſto/ 1. Doni deſi-
gnationem, die Benamſung dieſer Gabe. So iſt dieſelbe
Chriſti Blut/ Trinck et alle darauß/ dieſer Kelch iſt das
Neue Teſtament in MEJNEM Blut/ nicht meine Gottheit/
ſagt er/ nicht meine Seele/ mein Leib/ nicht das meritum und Verdienſt
meines Bluts/ dann daſſelbe empfangen wir auch im Leib/ es waͤre keines
ſondern Bluts vonnoͤthen geweßt/ ſo iſt auch das Verdienſt nie ohne das
Blut/ auch nicht ein verbluͤmtes Blut/ wie zwar vor Zeiten etliche ge-
ſchwaͤrmet/ und ſich zeitlich an der weſentlichen Gegenwart geaͤrgert/ und
unterſtanden dieſelbe durch Deuteley zu miltern/ daß auch dieſe Lehre der
Kirchen den Klugen dieſer Welt moͤchte angenehm und begreifflich wer-
den. Sondern das warhafftige und eigentliche Blut Chriſti/ das Gott
und die Natur Blut heiſſet/ das Blut/ ſo Er im Leib der H. Jungfrauen
Mariaͤ/ da Er menſchliche Natur angenommen/ angenommen/ das
Blut/ ſo ſich auß ſeinem Leib/ zur Zeit ſeiner Erniedrigung ergoſſen/ das
Blut/ ſo Er vergoſſen in ſeiner zarten Beſchneidung/ da Er gleichſam die
Erſtlinge ſeinem Himmliſchen Vater auffgeopffert/ das Blut/ ſo Er
vergoſſen auff dem irdenen Altar/ da Er im Garten am Oelberg/ nach
dem Er den Daumel-Kelch des Goͤttlichen Grimms und Zorns getrun-
cken/ und die Baͤche Belial Jhn erſchreckt/ blutigen Schweiß geſchwitzet/
daß Jhm als dem Kelter-Tretter auß den poris und Schweiß-Loͤchern
ſeines zarteſten Leibs geronnen Blut/ in groſſer Menge/ nicht nur Tropf-
fen- ſondern Klumpen-weiß herauß gefloſſen/ durch ſeine Kleider ge-
drungen/ und auff die Erde geſchoſſen/ das Blut im Pallaſt Caiphaͤ/ da
Jhme ein Backenſtreich worden/ daß Jhm Mund und Naß uͤbergangen/
das Blut auff dem ſteinern Altar im Richthauß Pontii Pilati/ in ſeiner
Geiſſelung und Croͤnung/ das Blut auff dem hoͤltzernen Altar des Creu-
tzes/ da man Jhm Haͤnde und Fuͤſſe durchgraben/ durchbohret/ durchloͤ-
chert/ und ſchmertzlich verwundet/ das Blut/ ſo nach dem Tod auß ſeiner
eroͤffneten Seiten gefloſſen/ damit Er bezeuget/ daß Er nichts mehr uͤbrig
habe/ und ſein gantzer Blut-Fluß dahin/ es ſeye kein Troffen Blut in ſei-
nem Leib mehr uͤbrig/ den Er vergieſſen koͤnte/ und alſo das theure Gottes
Blut des unſchuldigen und unbefleckten Lamms JEſu Chriſti/
K iij1. Pet. 1,
[262]Die Zehende
1. Pet. 1, 19. das heilige Opffer-Blut/ Erloͤſungs-Blut/ Verſoͤhnungs-
Blut/ das beſſer ſchreyet als Abels Blut/Hebr. 12, 24. das Buͤrg-
Blut/ deſſen der ſich fuͤr uns laſſen wuͤrgen/ dann es iſt fuͤr uns ver-
goſſen/ das Bunds-Blut/ dadurch der Bund des N. Teſtaments ver-
ſiegelt und beſtaͤtiget worden/ das Reinigungs-Blut/ das uns rein
macht von aller Suͤnde/ 1. Petr. 1, 2. 1. Joh. 1, 7.
Hie hat abermal die Vernunfft ihr Spiel und abentheurliche Phan-
taſien/ dann weil bekannt/ daß Chriſtus ſein Blut mildiglich vergoſſen/
ja gantz gleichſam auß gelaͤhret/ daß daſſelbe auff die Erde gefallen/ und
wie vermuthlich/ darin verfaulet/ wie es dann muͤglich ſeye/ daß es noch
vorhanden/ und uns im Sacrament koͤnne und ſolle gereichet werden?
Hinc Schmaltz. diſp. II. contra Franz. Chriſtum hodie tale corpus ha-
bere, in quo ſanguis ſit, vix credo aliquem ex cordatioribus \& magis
ſobriis Theologis dicturum. Das iſt: Daß Chriſtus jetzt heuti-
ges Tages einen ſolchen Leib habe/ darinnen Blut ſey/ glaube
ich nicht/ daß einer von den geſunden und vernuͤnfftigen Leh-
rern werde bejahen.Oſtorod. c. 38. p. 336. c. 41. pag. 89. bringt deſſen ein
Beweiß auß 1. Cor. 15, 50. da Paulus ſagt/ Fleiſch und Blut koͤnnen das
Reich GOttes nicht ererben/ darauß wuͤrde nun/ ſchließt er/ folgen/ daß
Chriſtus GOttes Reich noch nicht wird beſeſſen haben. Calvin. in c. 26,
Matth. ſchreibt: Sanguinem Chriſti in ara crucis effuſum computruiſ-
ſe, nec in reſurrectione reaſſumptum.Das Blut Chriſti am
Stammen des Creutzes vergoſſen/ ſey in der Erde vermodert/
und in der Aufferſtehung der Todten nicht wieder von Chri-
ſto zu ſich genommen/ und mit ſeinem Leib vereiniget worden.
Joh. Cramer. in Enchir. Ubique ſanguis iſte, qui à peccatis nos mun-
davit, ratione ſubſtantiæ jam in tota rerum natura nuſpiam eſt, eo ipſo
quia pro nobis effuſus, à terra abſorptus, \& in nihilum redactus eſt.
Das Blut ſo uns von Suͤnden gereiniget/ iſt nunmehr ſeiner
Subſtantz und Weſen nach nirgend in der gantzen Welt anzu-
treffen/ eben darum/ dieweil es fuͤr uns vergoſſen/ von der Er-
den verſchluckt/ und darinnen zu nichts worden. Wie nun jene
in einem extremo zu weit gehen/ alſo die Paͤbſtler im andern/ wann ſie
mit ihren Reliquien auffgezogen kommen/ und fuͤrgeben/ es finde ſich
noch Blut Chriſti zu Rom/ ſo Brigitta auß ſonderbarer Offenbarung
der heiligen Jungfrauen Mariaͤ/ erfunden/ nachdem es von Johanne/
dem es Maria ſelbſt eingehaͤndiget/ wol verwahret/ hernach aber von den
glaubigen
[263]Predigt.
gen Chriſten/ welchen es nach ſeinem Todt zukommen/ wegen einreiſſen-
der Verfolgung an einen ſonderbaren Ort verſteckt/ und der Nach-Welt
zu einem kraͤfftigen Troſt hinterlaſſen worden. Zu Mantua/ welches
Longinus der Kriegs-Knecht/ ſo Chriſtum mit ſeiner Speer in die Sei-
te geſtochen/ in einem Glaß mit ſich dahin gebracht/ und wegen Liſt und
Betrug der Einwohner in die Erde begraben und verſcharret/ allwo es
biß auff das achthundertſte Jahr nach Chriſti Geburt im Staub und
Finſtern gelegen/ biß es durch GOttes ſonderbare Gnad durch einen
wunderſeltzamen Glantz wieder an das Tages-Liecht gebracht worden/
und mit unerhoͤrten Zeichen und Wundern an Blinden/ Tauben/ und
andern armen Patienten ſich kraͤfftiglich erwieſen/ es koͤnne kein anderes
Blut ſeyn/ als welches Longinus auß den Wunden Chriſti bey ſeiner
Creutzigung auffgefaßt/ und dahin verborgen. Deſſen/ ſo noch zu Ve-
nedig/ im Laterano und andern Orten gezeiget wird/ und anzutreffen
ſeyn ſoll/ zugeſchweigen. Jngleichem wollen wir fuͤr dißmal nicht erzeh-
len die jenige αἱμαϖφανειας, ſo Baronius, Bzovius, Bozius, Thyræus,
Roſſvveyd, Drexelius, Stengelius, Breſſerus und andere auff gezeichnet.
Wir ſchiffen zwiſchen Vernunfft und Aberglauben/ als zwiſchen zweyen
ſchaͤdlichen extremis, gluͤcklich dem Port der Warheit zu/ und ſetzen je-
nen und ihrem Jrꝛthum beſſere fundamenta entgegen: die klare gegen-
waͤrtige Wort/ die Wort Davids Pſalm. 16. Du wirſt meine Seele
nicht in der Hoͤlle laſſen/ und nicht zugeben/ daß dein Heiliger
verweſe.confer Act. 2, 27. 31. c. 13, 35. und Petri 1. Ep. c. 1, 18. Wiſſet/
daß ihr nicht mit vergaͤnglichem Silber oder Gold erloͤſet
ſeyd von euerm eitelen Wandel/ nach Vaͤtterlicher Weiſe/
ſondern mit dem theuren Blut Chriſti. Wie aber ein theures
Blut/ wann es eben ſo vergaͤnglich als Silber und Gold? wie ein theu-
res Loͤſe-Geld/ dadurch wir erloͤſet worden vom eitelen Wandel/ wann
es precium φϑαρτὸν? dann nichts vergaͤngliches kan ein precium re-
demtionis infinitum ſeyn/ und einen unendlichen effect und Wuͤrckung
haben. Hebr. cap. 9. ꝟ. 11. Chriſtus iſt kommen/ daß er ſey ein Ho-
herprieſter der zukuͤnfftigen Guͤter/ durch eine groͤſſere und
vollkommenere Huͤtten/ die nicht mit der Hand gemacht iſt/
das iſt/ die nicht alſo gebauet iſt/ auch nicht der Boͤcke oder
Kaͤlber Blut/ ſondern er iſt durch ſein eigen Blut einmal in
das Heilige eingegangen. und ꝟ. 24. Chriſtus iſt nicht eingan-
gen in das Heilige/ ſo mit Haͤnden gemacht iſt/ welches iſt ein
Gegenbild der Rechtſchaffenen/ ſondern in den Him̃el ſelbſt/
nun
[264]Die Zehende
nun zu erſcheinen fuͤr dem Angeſicht GOttes fuͤr uns. So nun
Chriſtus durch ſein eigen Blut in den Himmel/ als der himmliſche und
ewige Hoheprieſter/ eingegangen/ und nicht ohne Blut fuͤr Gott erſchie-
nen/ ſo muß er es nothwendig in der Aufferſtehung von den Todten/ nicht
in der Erden gelaſſen/ ſondern zu ſich genommen/ und ſeinem Leibe wieder
vereiniget haben. Joh. 1. Ep. 5. der von dem Blut ſagt/ es zeuge noch auff
Erden/ verſtehe im H. Abendmahl/ ſo es noch auff Erden zeuget/ ſo muß es
vorhanden/ und nicht verſchwunden ſeyn. Teſtimonium Antiquitatis,
das Zeugnuß der Alten/ Greg. Nyſſen. orat. de Reſurrect. Chriſtus ad
id quod erat, iterum reverſus, per reſurrectionem quicquid jacebat,
unà ſecum excitavit.Chriſtus iſt durch ſeine Aufferſtehung wie-
derum worden/ was Er zuvor war/ und hat alles das/ was zu-
vor im Grab gelegen/ mit Jhm ſelbſt zugleich aufferweckt.
Die Allmacht GOttes. Hat Er der Jſraeliten Kleider in der Wuͤſten
unverſehrt bewahret/ der HErꝛ/ ſagt Moſes/ Deut. 29, 5. hat euch
viertzig Jahr in der Wuͤſten laſſen wandeln/ euere Kleider ſind
an euch nicht veraltet/ und dein Schuh iſt nie veraltet an dei-
nen Fuͤſſen? Warum wolte Er nicht auch die Blus-Troͤpfflein Chriſti
in der Erden drey Tag unverſehrt haben erhalten koͤnnen? Die Paͤbſtler
mit ihrem Kram der blutigen Heiligthuͤmmer/ weiſen wir nicht nur heim
in ihre eigene Kloͤſter/ zu den Minoriten/ die ihnen ihren Jrꝛthum gnug
auffs Brod geſtrichen/ ſondern auch in die Schul Chriſti/ darinnen ſie
lernen werden/ das Chriſtus ſein vergoſſenes Blut nicht habe koͤnnen/
noch wollen auff der Erden laſſen/ und alſo nicht Chriſti Blut ſey/ das ſie
dafuͤr außgeben. Nicht gekoͤnt/ ſage ich/ dann entweder iſt das Blut/ ſo
noch auff Erden uͤbrig ſeyn ſoll/ der Verweſung unterworffen/ oder nicht/
ſo nicht/ ſo muß es nothwendiger weiß dem Leib Chriſti vereiniget/ und
auſſer demſelben auff Erden nicht gelaſſen worden ſeyn/ maſſen auſſer
ſolcher Vereinigung ordinariè die Unverweßlichkeit des Bluts Chriſti
keine ſtatt und platz haben kan; So es der Verweſung unterworffen/ ſo
iſt es abermal nicht das Blut Chriſti/ als welchem Petrus ein ander
prædicatum beylegt/ wie droben allbereit angezeiget/ uͤber das/ wie haͤtte
es koͤnnen ſo viel ſecula unverſehrt in und auf der Erden in einem Stand
bleiben/ wann man nicht Wunder mit Wundern zudeckt/ daß ſie nicht her-
unter regnen? Er hat nit gewolt/ alldieweil er es ſonſt in der H. Schrifft/
als in der rechten Kunſt- und Schatz-Kammer der himmliſchen Heilig-
thum haͤtte offenbaren laſſen. Nun aber weiß ſie auſſer dem Blut in
den heiligen Sacramenten das geringſte nicht. Zu dem ſo hat er die
Idoloma-
[265]Predigt.
Idolomaniam ſanguinariam und Blut-Goͤtzerey der Paͤbſtler von ferne
geſehen/ und alſo nicht wollen Zundel und Stroh zum Feur legen/ noch
einige Materi ſolcher Abgoͤtterey/ die er in ſeinem Wort verflucht/ damit
an die Hand geben. Worauß dann offenbar und Sonnen-klar/ daß
das Blut/ ſo ſie fuͤr Chriſti Blut verkauffen/ mit Unwarheit gefaͤrbt
und angeſtrichen ſeye. Endlich trage man alles Blut/ ſo ſie hin und
wieder in Leinwad/ Glaͤſern und Geſchirren auffgehoben/ zuſammen/ ſo
wird eine ſolche Quantitaͤt Blut zuſammen flieſſen/ daß es unmuͤglich/
daß ein natuͤrlicher Leib/ dergleichen Chriſtus in ſeinem Leiden gehabt/
faſſen kan/ darauß dann abermal das Facit kom̃t/ daß Betrug mit un-
terlaufft.
II. Sanguinis deſignati precium, des Bluts Preiß und Wuͤrde.
So iſt es zwar an dem/ daß es in den Augen der blutduͤrſtigen Hunde/
des unſinnigen und tollen Poͤbels zu Jeruſalem/ der Phariſeer und
Schrifftgelehrten/ des verzweiffelten und verteuffelten Apoſtatæ, und
abtruͤnnigen Mammelucken Judaͤ/ des verblendeten Heydniſchen Pilati
weniger als nichts geachtet wurde. Jene/ die Juden/ hatten ihn kaum
vor wenig Tagen mit einem frolockenden Hoſianna/ Jubel-Geſchrey und
Salve empfangen/ und in die Stadt begleitet/ nun ſcheuen ſie ſich nicht vor
Pilato ihn mit einem Mord-Geſchrey zum Tod zu fordern/ als den groͤ-
ſten Ubelthaͤter/ als ein Fluch und Feg-Opffer der Leute/ als ein Greuel
und Scheuſaal. Es wurde ihnen der JEſus von Nazareth/ der Fuͤrſt
des Lebens/ und Barrabas ein Moͤrder und Auffruͤhrer auff eine Waag
gelegt/ in eine Schaal das Blut des unſchuldigen Lamms GOttes/ in
die andere das Blut Barrabaͤ des ertz-boͤſen Buben/ aber dieſe hat jene
uͤberwogen/ des Moͤrders Blut behielt den Preiß/ Judas hat es nicht hoͤ-
her geſchaͤtzet/ als/ nach dem Anſchlag der Hohenprieſter und Schrifftge-
lehrten/ um dreſſig Silberling/ wie der Kopff des verachteſten leibeigenen
Knechts geſchaͤtzet wurde. Pilatus ſchencket den Leib Chriſti gar hin-
weg/ als Joſeph von Arimathia darum angehalten/ daruͤber auch der
HErꝛ Meſſias laͤngſt zuvor wehemuͤtig geklaget durch den Mund Za-
chariaͤ des Propheten c. 11, 13. Ey eine treffliche Summa/ der ich
werth geachtet bin von ihnen. Doch iſt es an ſich ſelbſt ein un-
ſchaͤtzbares Blut/ von unendlichem Preiß und Wuͤrde/ theurer als Him-
mel und Erden/ dann es iſt kein bloß Menſchen-Blut/ das zwar auch
viel iſt/ und hoch geachtet wird fuͤr Gott/ wer Menſchen-Blut vergießt/
der iſt ein Greuel in GOttes Augen/ darum auch David kein Hauß dem
Herrn bauen dorffte/ weil er viel Kriegs-Blut vergoſſen; Aber es iſt
Neunter Theil. L lunrein.
[266]Die Zehende
unrein. Kein bloß Maͤrtyrer-Blut/ welches doch Gott gleicher Ge-
ſtalt/ wie den Tod ſeiner Heiligen/ theur und werth haͤlt; Welches nicht
troͤſtlich/ es rufft um Raach/ wie das Blut Abel/ da Cain gedacht/ es
habe ſich in die Erde verſchloffen/ es werde kein Hahn darnach kraͤhen/
ſo ſagt der Herr:Col deme achicha zoakim elai mim haadamah.
Die Stimme deines Bruders Blut ſchreyet zu mir von der
Erden.Gen. 4, 10. Alſo/ die erwuͤrget waren um des Worts GOttes
willen/ und um des Zeugnuß willen/ das ſie hatten/ die ſchryen mit lauter
Stimme: HERR/ du Heiliger und Warhafftiger/ wie lang
richteſt du/ und raͤcheſt nicht unſer Blut an denen die auff Er-
den wohnen.Apoc. 6, 10. Nein/ dieſe Blut ſind unrein fuͤr Gott/
und befleckt mit der Erbſuͤnde. Wiewol es von dem Zwingliſchen Jrꝛ-
Geiſt hoͤher nicht æſtimirt wird/ als ein bloß menſchliches Maͤrtyrer-
Blut. Dann ſo lang ſie die communicationem Idiomatum laͤugnen/
und nicht geſtehen/ daß der menſchlichen Natur in Chriſto Goͤttliche Ei-
genſchafften mitgetheilet worden/ ſo lang koͤnnen ſie nichts hoͤhers und
mehrers auß demſelben machen/ es iſt kein Blut von unendlicher Krafft/
Verdienſt und Wuͤrde/ und wie Danæus ſeinen Principiis gemaͤß ge-
ſchrieben/ nullius ſucci ac vigoris vivifici. Hoch muß ſich ſchuͤrtzen die
rothe Braut von Babylon/ die truncken vom Blut der Heiligen/ wil ſie
dieſem Elencho entlauffen/ indem ſie dem Blut Chriſti die allein ſelig-
und heilig-machende/ verſoͤhnende/ buͤſſende und gnugthuende Krafft be-
nim̃t/ ein Miſchmaſch macht/ das Blut Chriſti mit der Milch auß Ma-
riaͤ Bruͤſten/ der Maͤrtyrer und Flagellanten Blut/ mit dem Blut
Chriſti vermaͤngt/ und zur Gemeinſchafft des Verdienſts und Gnug-
thuung fuͤr die Suͤnde erhebet. Dann ſo viel ſie von fremdem dem
Blut Chriſti hinan flicket und untermiſchet/ ſo viel nim̃t ſie demſelben
von ſeiner Krafft hinweg.
Sondern es iſt dieſes Blut ein heiliges Blut/ αἷμα ὡς ἀμνοῦ ἀμώμου
καὶ ἀσωίλου, das Blut/ als eines unſchuldigen und unbefleckten
Lammes/ 1. Petr. 1, 19. maſſen von ſeiner Unſchuld nicht nur der Herr
ſelbſt/ ſondern Himmel und Erden/ ja ſeine eigene und geſchworne Fein-
de zeugen muͤſſen. Judas der Verraͤther beicht rund herauß: Jch hab
unrecht gethan/ daß ich unſchuldig Blut verrathen habe/
Matth. 26, 4. Pilatus der Blut-Richter uͤbergibt Jhn den Juden zum
Tod mit denen Worten/ Jch bin unſchuldig an dem Blut dieſes
Gerechten/ da ſehet ihr zu.Matth. 26, 24. Pilati Weib laßt ihrem
Herꝛn entbieten: Habe du nichts zu ſchaffen mit dieſem Gerech-
ten/
[267]Predigt.
ten/ ich habe heut viel erlitten im Traum von ſeinet wegen.ibid.
ꝟ. 9. Ein theures Blut/ dann es iſt ein Prophetiſches Blut ein Prie-
ſterliches Opffer-Blut/ ein Koͤnigliches Blut; was iſt aber theurer und
edler als eines Koͤnigs Blut? ein Braͤutigams Blut; wie David ſeine
Michal mit dem Blut der Philiſter erkauffen mußte/ ſo Chriſtus der
Blut-Braͤutigam das menſchliche Geſchlecht mit eigenem Blut; ein
muͤtterliches Liebes-Blut. Quis paſtor oves paſcit proprio cruore?
\& quid dico paſtor? multæ matres ſunt, quæ poſt partus dolores filios
aliis tradunt nutricibus. At hic quos genuit, per ſemetipſum nutrit,
nec alteri tradit, ſchribet Chryſoſtomus homil. 60. das iſt/ Welcher
Hirt traͤncket ſeine Schaafe mit ſeinem Blut? ja was ſag ich
Hirt? viel Muͤtter ſeind die nach der Geburt ihre Kinder den
Saͤugammen uͤbergeben/ hie aber nehret Chriſtus die Seinen/
die Er mit Aengſten gebohren/ mit ſich ſelbſt/ und uͤbergibt ſie
keinem andern. ὦ βάθος; O welch eine Tieffe des Reichthums der
Liebe JEſu Chriſti! Ein Goͤttliches/ ja GOttes eigen Blut. Es gibt
viel Leute/ die ihr eigen Blut nicht ſehen koͤnnen/ es geſchwind ihnen dar-
uͤber. Aber Gott ſiehet am Creutz ſein eigen Blut/ ſein eigen Blut/ ſag
ich/ in eigentlichem Verſtand/ ohne Wort-Blum/ Wort-Wechſel und
Vermiſchung/ ſo eigentlich GOttes Blut/ ſo eigen ihm ſeine Gottheit
durch die ewige Geburt/ und das wegen der Perſoͤnlichen Vereinigung/
als Krafft welcher nicht nur die menſchliche Natur in den Schooß des
Sohns GOttes auff- und angenommen/ daß hernach ſo wol Goͤttliche
Eigenſchafften von der menſchlichen/ als auch menſchliche von der Goͤtt-
lichen Natur außgeſprochen werden; ſondern auch die Gemeinſchafft der
Ampts-Wuͤrckungen erfolget/ da zwar ein jegliche Natur das ihrige
thut/ aber cum communicatione alterius, zum Exempel/ in dem Hohen-
prieſterlichen Mittler-Ampt vergieſſet die menſchliche Natur ihr Blut/
die Goͤttliche Natur durchgehet die Menſchheit/ haͤlt ſie auff/ daß ſie unter
der Laſt nicht erliege/ gibt dem Blut Segen/ Krafft und Gewicht/ daß es
ein kraͤfftiges Rantzion-Blut werde. Auß welchem wie ein Gott-menſch-
liches und Menſch-Goͤttliches Werck/ alſo auch ein Goͤttlich Blut/ des
Sohns Gottes eigen Blut herauß fleußt: Und ſolches mußte auch ſeyn/
es war die hoͤchſte Nothwendigkeit; dann gleiche Schuld erfordert auch
gleichguͤltige Bezahlung. Nun aber iſt die Suͤnde ein unermaͤßlich
Ubel/ die Goͤttliche Majeſtaͤt iſt unermaͤßlich hoch beleidiget/ der Zorn
GOttes uͤber die Suͤnde brennet biß in die unterſte Hoͤlle/ unermaͤßlich
die Zahl und Menge der Suͤnden/ wann Job/ der doch von Gott ſelbſt
L l ijdas
[268]Die Zehende
das Zeugnuß gehabt/ daß er ſchlecht und gerecht/ und das Arge gemeidet/
dennoch klagen und ſagen muͤſſen/ wann man meinen (Suͤnden- und
Creutz-) Jammer waͤgen ſolte/ ſo wuͤrde er ſchwerer ſeyn dann Sand am
Meer: was meynen wir dann wol/ wie groß der Suͤnden Menge/
Schwal und Zahl/ und zwar der groͤſten Suͤnder und Ubelthaͤter/ die
Suͤnde der gantzen Welt? Hie kan nun kein bloſes Menſchen-Blut
nichts thun/ ſolte es auch ſo viel ſeyn/ als der groſſe Oceanus und offen-
bare Welt-See/ ſolte es auch gleich unſchuldiges Maͤrtyrer-Blut ſeyn/
ja auch unſchuldiges Adams- oder Engels-Blut/ darum es allein Got-
tes Blut thun konte/ als welches von unermeßlicher/ gleichguͤltiger/ ja
uͤbergewichtiger Krafft und Nachtruck. Waͤre nun das Blut Chriſti
ein bloſes Menſchen-Blut/ O wehe uns in Ewigkeit/ wir waͤren noch
nicht erloͤßt/ wir waͤren noch in unſern Suͤnden/ unſer Glaub und Hoff-
nung waͤre eitel.
III. Sanguinis precioſi beneficium, Chriſtus ſagt/ es ſeye 1. ſanguis
effuſus,ein vergoſſen Blut.Gott der in Ewigkeit gewohnet/ in ei-
nem Liecht/ dahin niemand kommen kan/ hat ſich zwar vielfaͤltig in den
Creaturen erzeigt/ und alſo auß ſeinem verborgenen Liecht herfuͤr gegan-
gen/ aber es war nur Troͤpffleins-weiß/ Er hat nur mit ſeiner Guͤte auff
die Menſchen-Kinder getraͤuffelt/ und ſo zu reden/ noch ſparſam mit um-
gegangen/ nachdem Er aber ſein Goͤttliches Blut vergoſſen/ hat Er ſich
mit ſeinem gantzen Himmels-Schatz Stroms-weiß ergoſſen/ und wie in
der Suͤndflut auß Zorn und Grimm/ nun auß ſeinem Leiden in Lieb und
Huld die Fenſter des Himmels auffgethan/ und gleichſam ſeine Liebe mit
vollen Saͤcken uͤber uns außgeſchuͤttet/ daher ſagt St. Paulus Rom. 5, 5.
Die Liebe GOttes iſt außgegoſſen in unſer Hertz durch den
H. Geiſt/ welcher uns gegeben iſt/ ſein unerſchoͤpfflicher Liebes-
Brunn iſt gantz erſchoͤpfft. 2. Nobis effuſus, uns und vielen/ h. e. allen.
Piſcator ad h. l. gloſſirts alſo: Fuͤr viel/ nemlich fuͤr alle Außer-
wehlte/ die ihm vom Vater gegeben ſind/ fuͤr welche er auch
gebeten/ da Er das Opffer thun wolt/Joh. 17. Streit aber wider
die Krafft des Worts außgegoſſen/ wider das Wort Omnes,Trincket
alle darauß.contra analogiam fidei, und Glaubens-Regul/ welche
lehret/ daß das Blut auch ſey vergoſſen fuͤr die ſo verlohren werden. Rom.
14, 15. Lieber verderbe den nicht mit deiner Speiſe/ um welches
willen Chriſtus geſtorben iſt. 1. Cor. 8, 10. So dich (der du das
Erkantnuß haſt) jemand ſehe zu Tiſch ſitzen im Goͤtzen-Hauſe/
wird nicht ſein Gewiſſen/ dieweil er ſchwach iſt/ verurſachet/
das
[269]Predigt.
das Goͤtzen/ Opffer zu eſſen? Und wird alſo uͤber deinem Er-
kantnuß der ſchwache Brnder umkommen/ um welches willen
doch Chriſtus geſtorben iſt. 2. Petr. 2/ 1. Es werden unter euch
ſeyn falſche Lehrer/ die neben einfuͤhren werden verderbliche
Secten/ und verlaͤugnen den HErꝛn/ der ſie erkauffet hat/
und werden uͤber ſich ſelbſt fuͤhren ein ſchnell Verdamnuß.
Es folget nicht/ fuͤr viel/ Ergò nicht fuͤr alle. Ja eben weil er fuͤr viele
ſein Blut vergoſſen/ E. fuͤr alle: iſt Pauli Art zu argumentiren Rom.
5, 19. Wie durch eines Menſchen Ungehorſam viel Suͤnder
worden ſind/ alſo auch durch eines Gehorſam werden viel
Gerechte. Jm vorhergehenden Vers erklaͤret ers alſo: Wie durch
eines Suͤnde die Verdamnuß uͤber alle Menſchen kommen iſt/
alſo iſt auch durch eines Gerechtigkeit die Rechtfertigung des
Lebens uͤber alle Menſchen kommen.
3. Pro nobis effuſus. Wie Gott der Herr von dem Vieh-
Blut ſagt/ Lev. 17, 11. Jch habs euch zum Altar gegeben/ daß eue-
re Seelen damit verſuͤhnet werden/ dann das Blut iſt die Ver-
ſuͤhnung fuͤrs Leben. Alſo hat Chriſtus ſein allerheiligſtes Opffer-
Blut fuͤr uns vergoſſen zu Vergebung unſerer Suͤnden. Derowegen
ſprichſtu/ ich bin unrein/ von der Fuß-Sohlen an biß auff die Haupt-
Scheitel iſt nichts geſundes/ ſondern lauter Wunden/ Striemen und
Eyter-Beulen. Unrein mein Seel/ Geiſt und Gewiſſen/ meine Suͤn-
de iſt blut-roth/ und darum bin ich ein Greuel und Scheuſal in GOttes
Augen. Hie ſanguis mundans,das Blut der Beſprengung!
1. Petr. 1. Hebr. 12, 24. Das uns reiniget von allen unſern Suͤn-
den. 1. Joh. 1, 7. Wie vielmehr wird das Blut Chriſti/ der ſich
ſelbſt ohn allen Wandel durch den H. Geiſt GOtt geopffert
hat/ unſere Gewiſſen reinigen von den todten Wercken/ zu
dienen dem lebendigen GOtt.Hebr. 9, 14. JEſus Chriſtus
der Erſtgebohrne von den Todten/ und ein Fuͤrſt der Koͤnige
auff Erden hat uns geliebet und gewaſchen von Suͤnden mit
ſeinem Blut.Apoc. 1, 5. confer cap. 7. 14. Damit wir aber um et-
was naͤher ad ſpeciem kommen/ welches die Gutthaten dieſes Bluts:
Sprichſtu/ ich bin verklagt von meinem Gewiſſen/ Geſaͤtz und Sathan/
es ſchreyen alle Creaturen wider mich ad ravim uſque, und ruffen um
Raach; hie iſt ſanguis κρεῖττονα λαλῶν! es uͤberſchreyet jene alle mit
einander/ ruffen jene um Raach/ dieſes um Gnad. Jch bin verlohren/
L l iijunter
[270]Die Zehende
unter die Suͤnde und Gewalt des Satans verkaufft/ hic ſanguis re-
demptionis!Du biſt wuͤrdig zu nemmen das Buch/ und auff-
zuthun ſeine Siegel/ dann du biſt erwuͤrget/ und haſt uns er-
kaufft mit deinem Blut/ ſingen die außerwehlte Himmels-Buͤrger/
Apoc. 5, 9. An Chriſto haben wir die Erloͤſung durch ſein
Blut/ nemlich die Vergebung der Suͤnden.Eph, 1, 7. Jhr
ſeyd theur erkaufft/ 1. Cor. 6, 20. Jch bin unter dem Zorn GOttes.
Hie das Blut der Verſoͤhnung! αἷμα ἱλαϛικὸν. GOtt hat JEſum
fuͤrgeſtellet zu einem Gnadenſtuhl durch den Glauben in ſei-
nem Blut. περιποιητικὸν, dadurch Er Jhm die Gemeine GOttes er-
worben/ Act. 20, 28. δικαιοῦν καὶ καταλλάττον. Rom. 5, 9. 10. Wir wer-
den je vielmehr durch Jhn behalten werden fuͤr dem Zorn/ nach
dem wir durch ſein Blut gerecht worden ſind/ denn ſo wir
GOtt verſuͤhnet ſind durch den Tod ſeines Sohns/ da wir
noch Feinde waren/ vielmehr werden wir ſelig werden durch
ſein Leben/ ſo wir nun verſoͤhnet ſind. αἷμα ἀπολυτρώσεως καὶ
ἀφέσεως. Eph. 1, 7. Col. 1, 14. Col. 1, 20. Es iſt das Wolgefallen
geweſen/ daß alles durch Jhn verſoͤhnet wuͤrde zu Jhm ſelbſt/
es ſey auff Erden/ oder im Himmel/ damit daß er Frieden
machete durch das Blut an ſeinem Creutze/ durch ſich ſelbſt.
Jch lieg im Creutz und widerſtreb. Hic ſanguis Victoriæ! hie Panier
und Siegs-Zeichen: Nun iſt das Heyl/ und die Krafft/ und das
Reich/ und die Macht unſers GOttes ſeines Chriſtus wor-
den/ weil der verworffen iſt/ der ſie verklaget hat Tag und
Nacht fuͤr GOtt/ und ſie haben ihn uͤberwunden durch des
Lamms Blut.Apoc. 12, 10. 11. Quaſi leones ignea ſpirantes dæmo-
nibus terribiles ab iſta cœna recedimus. Chryſoſt.Wir gehen vom
heiligen Abendmahl weg/ als Feur-ſpeyende Loͤwen/ dafuͤr die
Teuffel erſchrecken und erzittern. Unſere Liberey iſt das rothe
Blut auff dem weiſſen Feld. Jch bin erſchrocken/ hie das Blut macht
Hertz/ Muth und Sinn! So wir denn nun haben die Freudig-
keit zum Eingang in das Heilige durch das Blut JEſu/ ſo
laſſet uns hinzu gehen mit warhafftigem Hertzen/ in voͤlligem
Glauben/ beſprenget in unſerm Hertzen/ und loß von dem
boͤſen Gewiſſen/ und gewaſchen am Leib mit reinem Waſſer.
Hebr. 10, 19. 21.
Ligt
[271]Predigt.
Ligt alles an dem Glauben/ die Creutziger Chriſti ſind zwar von dem
Blut Chriſti auch beſprenget/ aber nichts deſto weniger verdam̃t worden/
das Wort fuͤr euch gegeben fordert eitel glaubige Hertzen/ und demnach
1. Lumen agnitionis. Laßt uns unſere irdiſche Hertzen zu einem geiſt-
lichen Garten/ unſere ſteinerne Gemuͤther zu einem Pflaſter/ und unſere
unflaͤtige Sinne zu einer Golgatha machen/ und darinnen das blutige
Creutz- und Marter-Bild JEſum Chriſtum durch glaubiges Erkant-
nuß auffrichten. 2. Aſtenſum contrà ſenium. Laßt uns ja Gott das
Leyd nicht anthun/ daß wir an ſeiner Lieb/ Huld/ Gnad und Gunſt zweiff-
len wolten/ hie iſt ja ſein Wort/ wollen wir dem Wort nicht glauben/ hie
ſein theurer Eyd; ſo dem Eyd nicht/ hie ſein eigen Blut/ groͤſſeres Pfand
hat er nicht/ ſeine Liebe damit zu verſiegeln/ darum wann ſchon dein Hertz
ſpricht lauter Nein/ ſo laß doch dir nicht grauen. 3. Fiducialem appre-
henſionem. Wie Johannes an der Bruſt JEſu gelegen/ und da gleich-
ſam Guͤſſe und Fluͤſſe der himmliſchen Weißheit geſogen: Laßt uns glei-
cher Geſtalt mit Kindlichem Vertrauen Chriſto in den Schooß liegen/
ſeiner Bruſt und liebreichem Mutter-Hertzen den Glaubens-Mund ap-
pliciren/ und auß ſeiner eroͤffneten Seiten-Wund ſein Blut/ den edlen
Lebens- und Himmels-Safft auffaſſen/ unſere arme Seelen damit zu
laben: Nonne videtis quanto impetu parvuli labia uberibus infigant,
audeamus \& nos ad uber ſpiritualis poculi, \& longè majori: traha-
mus tanquam infantes lactantes ſpiritus gratiam, \& unus ſit nobis
dolor hâc eſcâ privari. Chryſoſt. hom. 60. Sehet ihr nicht/ mit was
fuͤr Begierde und Gewalt die Milch-Kinder ihre Lippen an
der Mutter Bruſt ſetzen: warum wolten wir uns dañ nicht er-
kuͤhnen/ und zwar mit groͤſſerer Begierde/ zu trincken von dem
geiſtlichen Lebens-Kelch? Laßt uns ſaugen als die junge Kin-
der des Geiſtes Gnad/ und nichts mehr kraͤncken/ als wann
uns dieſe geiſtliche Milch-Speiß ſolte entzogen werden. Was
dorten der unſinnige Juͤdiſche Poͤbel auß vergifftem/ vergaͤlltem/ und
blut-durſtigem Hertzen fuͤr Pilato auß vollem Hals geſchrien; Sein
Blut ſey uͤber uns und unſere Kinder. Soll auß andaͤchtigem/ heiligem
und glaubigem Verlangen unſer aller Wunſch ſeyn: Sein Blut/ ſein
hoch-ſchaͤtzbares/ hoch-wichtiges/ hoch-guͤltiges GOttes-Blut/ ſein
theures Verſoͤhnungs-Blut/ das allerheiligſte Opffer-Blut/ ſo auß der
Haupt-Ader des Koͤniglichen Hohen Prieſters herauß gefloſſen/ und in
der allgemeinen Propheten-Metzig vergoſſen worden/ ſey uͤber uns/ es er-
weiche/
[272]Die Zehende
weiche/ loͤſche auß/ waſche/ erloͤſe/ mache fruchtbar/ beſchuͤtze/ verbinde. Es
erweiche unſere felſerne Hertzen; loͤſche auß unſere kohl-ſchwartze Suͤn-
den/ und dero Straff und Pflicht; waſche von aller ſuͤndlichen Unſau-
berkeit und Unflaͤtherey; erloͤſe von der Tyranney der hoͤlliſchen Macht
und Gewalt; mache fruchtbar zu allen guten Wercken; befeſtige unſere
Hertzens-Thuͤr fuͤr dem Anlauff des Wuͤrg-Engels; verbinde und ver-
bruͤdere uns mit den außerwehlten Himmels-Burgern. Jſt derowegen
deine Suͤnde gleich blut-roth/ iſt ſie heimlich begangen/ wie Cains Tod-
ſchlag/ ruffts Blut wider dich/ verzweiffele nicht wie Cain/ hie ſanguis
κρείττονα λαλῶν! ſtopffe die Ohren zu vor dem hoͤlliſchen Simei/ ob es
ſchon heißt: Mitten in der Hoͤllen-Angſt unſere Suͤnd uns treiben/ wo
ſollen wir dann fliehen hin/ da wir moͤgen bleiben? ſo heißts doch auch/ zu
dir Herꝛ Chriſt alleine: Vergoſſen iſt dein theures Blut/ das gnug fuͤr
die Suͤnde thut/ ſo wird dann Chriſtus ſagen/ wie im heutigen Evange-
lio: Gehe hin/ dein Glaub hat dir geholffen. Doch daß wir auch dem
Samariter nachahnen in der Danckbarkeit. Neun gehen hin ohne
Danck/ ein eintziger kehrt um/ auß 10. wird 1. auß 9. nulla. Jſt ein Con-
terfeht der Communicanten/ da wol neun zu gehen/ und werden rein/ aber
weltzen ſich per ingratitudinem wieder in den Koth/ wann ſie außgeſoͤh-
net worden/ fangen ſie wieder an auffs neue Kerbholtz zu ſchneiden. Da
doch faſt unmuͤglich/ wer erweget die groſſe Lieb/ daß er nicht ſolte auff die
Knie fuͤr Chriſto mit dem Samariter niderfallen/ und ſagen: Wie ſoll
ich doch immer dancken dir. Gedencke wann dein Braͤutigam/ dein Ehe-
gatt um deinet willen ſolte ſein Blut vergieſſen/ und du waͤreſt ſchuldig
dran/ wuͤrdeſt du auch genugſam dich danckbar erweiſen koͤnnen? Da
David ſein Blut an die Philiſter gewagt/ was wird es fuͤr Liebes-
Funcken bey Michal erwecket haben? Warum ſolten wir dann nicht
fuͤr Liebe gegen unſerm Seelen-Braͤutigam kranck werden? Es beſte-
het aber die Danckbarkeit im neuen Gehorſam. Wie Waſſer in Wein/
Eiſen im Feur; Farb und Geſchmack verlieret/ ein Wolff der Schaafs-
Milch getruncken/ zahm/ ein Moͤrder/ wann er Blut ſaufft/ blutduͤrſtig
wird/ warum wollen wir dann nicht unſere boͤſe ſuͤndliche Art verlaͤug-
nen/ derſelben abſterben/ und Chriſti Natur an uns nemmen/ Jhme
nachahnen/ wandeln in ſeinen Fußſtapffen/ einher gehen auff dem Tu-
gend-Weg/ der Sanfftmuth/ Demuth/ Gerechtigkeit/ Warheit/ Heilig-
keit/ und Jhm zu Ehren ſein Feld-Zeichen tragen? Meſa konte die Koͤni-
ge durch kein ander Mittel von ihrem Vorhaben abſchrecken/ als durch
den
[273]Predigt.
den Tod ſeines Sohns/ das thut Gott hie auch/ wer ſich dadurch nicht
wil bewegen laſſen/ deſſen Hertz iſt haͤrter als ein Diamant/ und iſt durch
nichts als durch das hoͤlliſche Feur zu erweichen. Jſt der beſte Weg
fromm zu machen/ die Straffen und Draͤuungen thuns nicht/ Forcht
iſt nicht in der Liebe/ iſt der Liebe Gifft. In charitate und hertzlicher Liebe
gegen jederman/ dieweil wir alle eines Bluts theilhafftig werden/ und
alſo conſanguinei ſeyn/ maſſen es nicht die rechte Art der Liebe/ wann ſie
nur in den Schrancken der leiblichen Bluts-Freundſchafft bleibet/ wie-
wol das gar eine barbariſche Boßheit waͤre/ wann einer carnem carnis,
die Seinen nicht wolte verſorgen; Sondern die ſich auch erſtreckt auff
deinen Feind/ der mit den Augen auff dich funckelt/ das heißt noch lang
kein Liebe/ daß ein Menſch zween oder drey außerwehlt/ die ihm gefallen/
und ſonſt niemand/ auch nicht die Schalcks-Liebe/ Politiſche Liebe/ Hoff-
Liebe/ Augen-Liebe/ Hunds-Liebe/ Sirenen-Liebe/ Huren-Liebe/ quæ dat
ſine mente ſonos \& ſine corde manus. Weil aber die rechte Chriſtli-
che Lieb in unſern Kraͤfften nicht ſtehet/ ſo laßt uns inniglich zu Gott
ruffen und ſeufftzen:
‘
Und mein Glaube ſeyn bezeugt/
Meim Naͤchſten viel Lieb beweiſen.
Ach mein Fleiſch ſich aber beugt!
Waͤrm/ O HErꝛ/ die kalte Lieb/
Laͤutere meine Wercke truͤb/
Brauch dir mich/ GOtt/ nach deim G’fallen/
Daß ich nutzlich ſeyn moͤg allen. Amen.
Die Eylffte Predigt/
Von
Dem Blut Chriſti/ als dem Blut des
Neuen Teſtaments.
GEliebte in Chriſto. Es iſt ein uhralter Brauch bey
den Heydniſchen Voͤlckern geweßt/ indem ſie ihre confœdera-
tiones, Buͤndnuſſen/ und derſelben Waͤhrung mit vergoſſe-
Neunter Theil. M mnem
[274]Die Eylffte
nem Blut haben pflegen zu confirmiren. Davon Tacitus lib. 12. An-
nal. Mos eſt regibus, quoties in ſocietatem coëunt, implicare dexte-
tas, polliceſque inter ſe vincire, nodoque præſtringere: mox ubi ſan-
guis in artus extremos ſeſe effuderit, levi ictu cruorem eliciunt, atque
invicem lambunt, id fœdus arcanum habetur. Die Scythier, wie
vid. Ca-
mer l. 1.
hor. ſub-
ciſ. p. 57.Lucianus in Toxat. ſchreibet/ beſchnitten ihre Finger. Die alte Teut-
ſchen lieſſen ihnen die Ader an der Stirn oͤffnen/ das Blut in Becher
flieſſen/ ſich mit einander vermiſchen/ und trancken alſo. Der auffruͤh-
riſche Meutmacher Catilina machts eben auch alſo.
‘Saluſt. p. 19. Fuëre eâ tempeſtate, qui dicerent, Catilinam oratione habitâ,
cùm ad jusjurandum populares ſceleris ſui addiceret, humani corporis ſan-
guinem vino permixtum in pateris circumtuliſſe. Inde cum poſt exccratio-
nem omnes deguſtaviſſent, ſicuti in ſolennibus ſacris fieri conſuevit, dicitur
aperuiſſe conſilium ſuum, atque eo dictare, quo inter ſe magis fidi forent,
alius alii tanti facinoris conſcii.’ ()
Wie aber der Satan allezeit zur Kirchen GOttes ſeine Capell ge-
bauet/ und/ als GOttes Aff/ Jhm alles nach gemacht: Zum Exempel/
die Auffopfferung Jſaacs in die Saturniniſche und Molochiſche Opffer-
Spiel verwandelt; Alſo auch dieſen Brauch/ der eigentlich ſeinen Ur-
ſprung von Gott hat. Dann als er mit ſeinem Volck/ welches er mit
ſtarcker Hand und außgerecktem Arm auß Egypten gefuͤhret/ ein Bund
wolte machen/ ihme die tabulas legis und Geſetz-Tafeln fuͤrgelegt/ und
verſprochen/ Er wolle ihr Gott ſeyn/ und ſie ſollen fuͤr allen Voͤlckern
ſein peculium und Eigenthum ſeyn/ Exod. 19. ꝟ. 5. Werdet ihr meiner
Stimme gehorchen/ und meinen Bund halten/ ſo ſolt ihr
mein Eigenthum ſeyn fuͤr allen Voͤlckern/ denn die gantze Er-
de iſt mein/ und ihr ſolt mir ein Prieſterlich Koͤnigreich/ und
ein heiliges Volck ſeyn. Sie im Gegentheil ſich vermeſſen: alle
Wort/ die der HErꝛ geſagt hat/ wollen wir thun.Exod. 24, 3.
So befihlt Gott/ Moſes ſoll einen Altar bauen/ und das Geſetz-Buch
darauff legen/ an einem Theil præſentirte ſich Gott im Himmel/ als
welchen Moſe/ Aaron/ Nadab/ Abihu/ und die ſiebentzig Elteſten in Jſrael
in einem ſchoͤnen Phœnomeno geſehen/ unter ſeinen Fuͤſſen war es
wie ein ſchoͤner Saphir/ und wie die Geſtalt des Himmels/
wanns klar iſt/Exod. 24, 10. Auff der andern Seiten die zwoͤlff Saͤu-
len/ ſo præſentirten die zwoͤlff Staͤmme Jſraelis. Moſes als ein Fuͤr-
bilde des Mittlers ſtund in der mitten/ mußte mit dem Blut vom ge-
ſchlachten Opffer beſprengen/ eines theils den Altar/ andern theils das
Volck
[275]Predigt.
Volck/ und ſprechen/ hinne dam habrith: Sehet/ das iſt das Blut des
Bundes! Maſſen dieſen ſolennem actum Moſes außtruͤcklich beſchrie-
ben. Exod. cap. 24. ꝟ. 4. \& ſequent.Da ſchrieb Moſes alle Wort
des HERRN/ und machte ſich des Morgens fruͤh auff/ und
bauet einen Altar unten am Berge mit zwoͤlff Saͤulen/ nach
den zwoͤlff Staͤmmen Jſrael. Und ſandte hin Juͤngling auß
den Kindern Jſrael/ daß ſie Brand-Opffer darauff opfferten
und Danck-Opffer dem HErꝛn mit Farren. Und Moſe nam
die Helffte des Bluts/ und thats in ein Becken/ die andere
Helffte ſprenget er auff den Altar/ und nam das Buch des
Bundes/ und laß es fuͤr den Ohren des Volcks/ und da ſie
ſprachen: Alles was der HErꝛ geſagt hat/ wollen wir thun
und gehorchen/ da nam Moſe das Blut/ und ſprenget das
Volck damit/ und ſprach: Sehet das iſt das Blut des Bun-
des/ den der HERR mit euch machet uͤber allen dieſen Wor-
ten. Und eben dahin/ und auff ſolche Gewohnheit hat nun auch geſe-
hen Chriſtus in den Worten der Einſetzung/ wann Er von Moſe den
ſtylum pulcherrimâ parodiâ entlehnt/ mit Vermehrung des Worts
Neu: Dieſer Kelch iſt das Neue Teſtament in meinem Blut/
das fuͤr euch und fuͤr viel vergoſſen wird/ zur Vergebung der
Suͤnden.q. d. Jenes iſt das alte/ beſtaͤttiget durch das Vieh-Blut/
zu bezeugen/ daß dermaleins ein ſolches Verſoͤhn-Blut werde vergoſſen
werden/ daß vielen zur Vergebung ihrer Suͤnden werde gedeyen. Hie
aber iſt der Coͤrper ſelbs/ hie iſt daſſelbe Blut/ mit welchem Jch der Mitt-
ler des Neuen und beſſern Teſtaments beſprenget/ beydes den Altar mei-
nes Leibs/ und dann auch euch in dem Sacramentlichen Trunck. Ligt
uns alſo fuͤr Augen das Blut JEſu Chriſti tanquam beneficium pro-
pitiatorium in officio obſignatorio, davon fuͤr dißmal zu reden zu
GOttes Ehr/ und unſerm Troſt und Erbauung/ wolle uns JEſus
Chriſtus ſelbs mit ſeinem Liecht des H. Geiſtes mildiglich erſcheinen.
Amen.
GEliebte in Chriſto. Wann wir dann zur Erklaͤrung
unſers fuͤrhabenden Thematis ſchreiten/ iſt hoch vonnoͤthen/
daß wir die Redens-Art der himmliſchen Notarien erlaͤutern;
Sintemal mit andern Worten von dieſem Werck reden Lucas und
Paulus/ mit andern Matthaͤus und Marcus. Jene zwar: Nem-
met hin und trincket/ das iſt der Kelch/ das Neue Teſtament/
M m ijin
[276]Die Eylffte
in meinem Blut/Luc. 22, 20. Dieſer Kelch iſt das Neue Te-
ſtament in meinem Blut. 1. Cor. 11, 25. Dieſe: Das iſt mein
Blut des Neuen Teſtaments/Matth. 26, 28. Marc. 14. 24. Der
Verſtand iſt einerley/ die Wort ſind unterſchieden. Jn den Worten
Lucaͤ und Pauli iſt das ſubjectum τοῦτο, verſtehe das gantze complexum
ſacramentale, τὸ ἇιμα ἐν ποτηρίῳ. Dann daß er nicht allein auff den
Kelch deute/ iſt darauß klar/ dieweil er ſagt/ τὸ ὑπὲρ ὑμῶν ἐκχυνόμενον,
welches weder vom Kelch/ noch vom Wein kan geſagt werden/ daß es
auch nicht allein vom Blut zu verſtehen/ ſcheinet auß dem Wort Mat-
thaͤi: Das iſt mein Blut des Neuen Teſtaments/ welches
vergoſſen wird fuͤr viele zur Vergebung der Suͤnden/ ich ſage
euch/ ich werde von nun an nicht mehr von dieſem Gewaͤchs
des Weinſtocks trincken/ ꝛc.Matth. 26, 28. 29. Jſt alſo das Sub-
jectum das Blut in dem Kelch/ welches vergoſſen wird fuͤr viel/ zur
Vergebung der Suͤnden/ und hat man ſich deßwegen mit Beza (α) kei-
nes ſolœciſmi zu befahren/ der es allein ad ποτήριον referirt/ weil der
Evangeliſt ſagt: ἐν τῷ αἵματι ἐκχυνόμενον, da er ſonſt/ wann es zu dem
Blut gehoͤrt/ haͤtte muͤſſen ſagen/ ἐκχυνομένῳ. Maſſen es ein gewohn-
licher helleniſticus hebraiſmus, (β) dergleichen hin und wieder zu finden.
- (α) Beza ad Luc. 22, 20. Cum hæc, ait, verba, τὸ ὑπὲρ ὑμῶν ἐνχυνό-
μενον, ſi conſtructionem ſpectemus, neceſſariò non ad ſangui-
nem, ſed ad poculum pertineant; neque tamen de vino (nedum
(de poculo) intelligi poſſint: aut manifectum eſt ſolœcophanes,
cùm dicendum fuerit: τὸ ὑπὲρ ὑμῶν ἐκχυνομένῳ, ut legit Baſilius
in Ethices ὅρῳ κὰ: aut potius, cum hæc eſſent ad marginem adno-
tata ex Matthæo \& Marco, poſteà in contextum irrepſerunt:
quod eò quidem facilius eſt admiſſum: quod, cum in ſuperiore
verſiculo adſcriptum eſſet: τὸ ὑπὲρ ὑμῶν διδόμενον, id eſt, quod
pro vobis datur: ſimile quidquam viſum fuit adjicien dum; ubi
agitur de ſanguine. Sed hoc non additur apud Paulum, 1. Cor.
11, 25. qui tamen videtur ex hoc loco deſcripſiſſe cœnæ inſtitutio-
nem: Qui tamen hoc etiam legitur apud Syrum interpretem, \&
in omnibus, quos inſpeximus, Græcis Codicibus, minimè præ-
termiſi. Et poteſt excuſari ſolœciſmus, ſi ex Ebræorum idio-
tiſmo, τὸ ὑκχυνόμενον exponatur ὅπερ ἐκχυύεται. - (β) Etſi (ita Ludov. de Dieu, Comment. in S. Luc. c. 22. p. 374.) τὸ
ἐκχυνόμενον caſu differat à τῷ αἵματι, dubium tamen non eſt,
quin
[277]Predigt.
quin cum eo ſit conſtruendum, conſentientibus Vulgato, Syro
atque Arabe, neque ullus hic proptereà ſolœciſmus ſtatuendus.
Obliquus enim caſus abſque ſolœciſmo verti poteſt in nomina-
tivum, quia cum hic initium ſit \& fons reliquorum caſuum, ad-
eoque in lingua Hebræa, ubi nulla eſt caſuum variatio, omnium
locum tenet, hæc ei prærogativa conceditur, certè apud Helle-
niſtas, ut reliquotum caſuum vicem interdum ſuppleat. Tale
illud Apoſtoli, Eph. 3, 17. Κατοικῆσαι τὸν Χριϛὸν διὰ τῆς πίϛεως ἐν ταῖς
καρδίαις ὑμῶν, ἐν ἀγάϖῃ ἐῤῥιζωμὲνοι καὶ τεϑεμελιωμὲνοι, pro ἐῤῥιζω-
μένων καὶ τεϑεμελιωμένων. Adde Apocal. 1, 4. Χάρις ὑμῖν ἀπὸ τοῦ ὁ ὤν,
καὶ ὁ ηὖ, καὶ ὁ ἐρχόμενος, pro, ἀπὸ τοῦ ὄντος, καὶ τοῦ γενομένου, καὶ του
ἐρχομένου. Et ꝟ. 5. Καὶ ἀπὸ Ἰησοῦ Χριϛοῦ, ὁ μάρτυς ὁ πιϛὸς, ὁ π [...]ω-
τότοκος ἐκ νεκρῶν, καὶ ὁ ἄρχων \&c. Pro του μάρτυρος του πιϛοῦ, τοῦ
π [...]ωτοτόκου, καὶ τοῦ ἄρχοντος. It. Joh. 1, 14. Ἐϑεασάμεϑα τηὺ δόξαν
ἀυτοῦ, δ [...]ξαν ὡς μονσενοῦς παρὰ πατρὸς, ϖλήρης χάριτος καὶ ἀληθείας,
pro ϖλήρους, id eſt, ὅς ηὕ ϖλήρης. Atque ita non opus erit pa-
rentheſi, quæ hîc vulgo ponitur, quam aſperius intervenire,
meritò notavit Cl. Heinſius Ariſt. Sacr. p. 299. Sed aliter quàm
nos medetur, quod vide. Ita \& hoc loco τὸ ἐκχυνόμενον pro
τῷ ἐκχυνομένῳ.
Hierauff folget die Copula,Jſt/ wie es Paulus klar vorſetzt/ dieſer
Kelch iſt das Neue Teſtament/ 1. Cor. 11. Jm prædicato lauſſt ein
figuͤrliche Hebraͤiſche Art fuͤr/ metonymia finis pro finito, (agnoſcente
Balduino ad 1. Corinth. 11.) Gleichwie wann David von dem Waſſer/
‘Balduin. ad 1. Cor. 11. p. m. 577. De hoc vino dicit: Est Novum Teſtamentum,
quia nimirum hoc vini hauſtu novum Teſtamentum, complectens remiſſio-
nem peccatorum, nobis ſancitur atque confirmatur, non quidem propter
ipſum vinum, ſed propter ſanguinem Chriſti, qui unà cum vino hauritur:
Idcircò additur: in meo ſanguine, ſeu propter meum ſanguinem, uſitato
Hebraiſmo. Quemadmodum effuſione ſanguinis Chriſti in cruce ſancieba-
tur novum fœdus cum Deo, \& acquirebantur bona teſtamentaria: Et
quemadmodum de ſanguine Chriſti in ara crucis effuſo rectè diceretur: hic
ſanguis in cruce effuſus novum teſtamentum eſt, quia per hunc ſanguinem
Deus nobiſcum reconciliatur, \& remiſſio peccatorum acquiritur: ita rectè
quoque dicitur de ſanguine in cœnâ hauſto: hic ſanguis, ſeu poculum hoc
in ſanguine, vel propter ſanguinem ſibi ſacramentaliter unitum, novum te-
ſtamentum eſt, quia mediante hoc hauſtu beneficia Novi Teſtumenti nobis
applicantur.’ ()
welches ihm die drey Helden auß dem Brunn zu Bethlehem unter dem
Thor gebracht/ geſagt: Jſts nicht das Blut der Maͤnner/ die ihr
M m iijLeben
[278]Die Eylffte
Leben gewagt haben/ und dahin gegangen ſind. 2. Sam. 23, 17. ſo
viel ſagen wolte; Jſts nicht das Waſſer/ um welches willen die Helden
ihr Blut vergoſſen haben? alſo auch hier: dieſer Kelch iſt das Neue
Teſtament in meinem Blut/h. e. Das iſt das Blut/ durch welches
das Neue Teſtament beſtaͤtiget wird. Cauſa nexus prædicati cum ſub-
jecto, Stehet in den Worten: ἐν τῷ αἵματί μου, das iſt/ per hebraiſmum,
propter ſanguinem meum. Darum/ dieweil mein Rantzion-Blut mit
dieſem Wein vereinbaret/ darum iſt diß das Neue Teſtament/ ja das Sa-
crament und Sigel des Neuen Teſtaments. Dergleichen Redens-
Arten mehr in H. Schrifft gefunden werden. Ezech. 18, 18. 19. Wo du
den Gottloſen warneſt/ und er ſich nicht bekehret von ſeinem
gottloſen Weſen und Wege/in iniquitate ſuâ morietur,ſo wird
er (in/ das iſt/) um ſeiner Suͤnde willen ſterben.confer Geneſ.
29, 18. Deut. 24, 16. Und das waͤre ſo fuͤr die Gelchrten/ ad faſtidium
levandum. Jns gemein iſt der ſtylus Matthæi und Marci lauter/ ein-
faͤltig/ unverbluͤmt/ das iſt mein Blut des Neuen Teſtaments.
Da dann drey Umſtaͤnde fuͤrfallen zu betrachten. 1. Teſtamenti Quid-
ditas. 2. Teſtamenti novitas. 3. Teſtamenti ſignaculum. Teſta-
menti quidditas iſt nichts anders/ als die Eyd-feſte/ verbundene/ und
mit dem Tod des Teſtatoris ſelbs beſtaͤtigte Verheiſſung vom Meſſia
und Welt-Heyland/ und heißt alſo διαϑήκη ſo viel/ als ein Bund. Was
ein Bund ſey/ iſt bekant/ wann nemlich zwo Parteyen/ die ſich biß dato
gezweyet/ zuſammen tretten/ und durch einen Mittel-Mann verſoͤhnet
werden/ und daſſelbe durch voͤlligen Abtrag der beleidigten Perſon.
Wann zum Exempel der Roͤmiſche Kayſer und Cron Schweden einen
Frieden und Bund machten/ und zwar alſo; Es kaͤme ein Potentat dar-
zwiſchen/ als ein Mittel-Mann/ es wuͤrde darauff eine Amneſtia geſtiff-
tet/ und der Cron Schweden wegen ihres Koͤnigs und Unkoſten einen
Abtrag gethan/ ſo waͤre es ein Bund. Alſo auch Gott und Menſch/
tanquam partes diſſidentes, die tretten wieder zuſammen/ werden durch
Chriſtum als den Mittler verſoͤhnet/ Er erlegt die Rantzion auff unſer
Seiten/ und kaufft uns auß mit ſeinem Blut und Tod. Jſt alles faſt
in terminis terminantibus gar ſchoͤn abgefaßt. Rom. 5, 8. 9. 10. 11. Dar-
um preiſet GOtt ſeine Liebe gegen uns/ daß Chriſtus fuͤr uns
geſtorben iſt/ da wir noch Suͤnder waren/ ſo werden wir je
durch ihn vielmehr behalten werden fuͤr dem Zorn/ nachdem
wir durch ſein Blut gerecht worden ſind. Dann ſo wir GOtt
ver-
[279]Predigt.
verſoͤhnet ſind durch den Tod ſeines Sohns/ da wir noch
Feinde waren/ wie vielmehr werden wir ſelig werden durch
ſein Leben/ ſo wir nun verſoͤhnet ſind. Nicht allein aber das/
ſondern wir ruͤhmen uns auch GOttes/ durch unſern HErꝛn
JEſum Chriſt/ durch welchen wir nun die Verſoͤhnung em-
pfangen haben. 2. Cor. 5/ 18. 19. GOtt hat uns mit ihm ſelber
verſoͤhnet durch JEſum Chriſt/ und das Ampt gegeben/ das
die Verſoͤhnung prediget/ denn GOtt war in Chriſto/ und ver-
ſoͤhnet die Welt mit ihm ſelber/ und rechnet ihnen ihre Suͤnde
nicht zu/ und hat unter uns auffgericht das Wort von der
Verſoͤhnung. Col. 1/ 19. 20. Es iſt das Wolgefallen geweſen/
daß in ihm alle Fuͤlle wohnen ſolte/ und alles durch ihn verſoͤh-
net wuͤrde zu Jhm ſelbſt/ es ſey auff Erden/ oder im Himmel/
damit daß er Frieden machte/ durch das Blut an ſeinem Creutz/
durch ſich ſelbſt. Heiſſet aber nicht ein bloſſer Bund inter vivos, ſon-
dern ein Teſtamentlicher Bund/ da der nunmehr verſoͤhnete Gott uͤber
das uns noch zu Erben eingeſetzet/ und ſein Him̃elreich vermacht hat/ in
der Vergebung der Suͤnden uͤberreicht Er uns gleichſam den Schluͤſſel/
beſtaͤtigts durch ſeinen eigenen Tod/ und durch die Sigel der H. Sacra-
menten. Da verſtumme abermal alle menſchliche Vernunfft! daß das
hoͤchſte Gut ſich ſo tieff herunter laͤſſet! Wuͤrde auch wol der Roͤmiſche
Kayſer in dem Friedens-Bund ſeinen Sohn gegeben haben/ die Schwe-
diſche Cron zu beguͤtigen/ das wird er wol haben laſſen anſtehen. Und
welches noch mehr/ da Gott/ als agens liberrimum, ſeine Hand frey
behalten koͤnnen/ er ſich ſo hoch verbindet/ daß Er ſich haͤrter nicht ver-
binden koͤnnen.
II. Teſtamenti Novitas. Wird ein Neues Teſtament von Chriſto
genennet/ in oppoſitione ad Teſtamentum vetus. Das Evangelium
mag wol genennet werden Teſtamentum vetuſtiſſimum, das aͤlteſte Te-
ſtament; ſeine erſte Wurtzel und Verheiſſung hat gebluͤhet alſobald im
Paradiß/ auß der Verheiſſung iſt ein Bund gemacht worden/ vierhun-
dert und dreiſſig Jahr vor dem Geſetz-Teſtament/ da Gott Abraham
verſprochen/ Er wolle ſein Gott ſeyn/ ihn an Kinds-ſtatt auff- und an-
nemmen/ um des gebenedeyten Weibes-Saamens willen/ in dem alle
Geſchlechte auff Erden ſollen geſegnet werden/ Er wolle ihm das Land Ca-
naan geben/ verſtehe nicht leiblich/ und in eigener Perſon/ dann GOtt
gab ihme kein Erhtheil drinnen/ auch nicht eines Fuſſes breit/
Act.
[280]Die Eilffte
Act. 7, 5. ſondern ſeinen Nachkommenen leiblich/ Gen. 15. 18. ihm aber Sa-
cramentlich und typicè. Vnd in ſolchem Bund ſeind begriffen alle Kin-
der der Verheiſſung/ all rechte Abrahams-Kinder/ da dann Gott auff
unſerer Seiten mehr nicht begehrt als den Glauben an den Meſſiam in
ſeinen Verheiſſungen/ Opffern und Fuͤrbildern. Dieſem Alten Teſta-
ment nun wird das Neue entgegen geſetzt/ als weſentlich unterſchieden.
Jenes war ein myſterium obſcurum, ein dunckeles Geheimnuß/ als
welches in den Verheiſſungen/ Opffern und Bildern repræſentirt wurde/
dieſes hat den Coͤrper ſelbs/ die glaubige Vaͤtter des Alten Teſtaments
hatten einerley Frucht mit uns/ aber nicht einerley Subſtantz und Weſen.
Jenes war beſchwert mit dem Laſt des Ceremonialiſchen Geſetzes/ dieſes
gantz frey. Es wird ein Neues Teſtament genennet in oppoſitione ad
Teſtamentum legale, davon droben im Eingang gehandelt worden/ be-
ſtunde in vollkommener Haltung des Geſetzes. Dort war der Mittler
Moſes/ hie Chriſtus; Dort Vieh-Blut/ hie Chriſti Blut; jenes ein toͤd-
tender Buchſtab/ dieſes ein lebendigmachendes Wort/ lauter Geiſt und
Leben/ weil es den Geiſt der Erneuerung dargibt und mittheilet/ daß ein
Wiedergebohrner mit Luſt ohne Zwang Gott dienet/ und die Kraͤffte
darzu hat. Mag wol genennet werden Teſtamentum noviſſimum,
das allerneueſte Teſtament/ der neuſte Bund/ nach welchem kein ande-
rer und neuerer zu gewarten/ den Jeremias ſelber einen neuen Bund
nennet und artig beſchreibet/ c. 31. ꝟ. 31. 32. 33. 34. Siehe/ es kom̃t
die Zeit/ ſpricht der HErꝛ/ da wil ich mit dem Hauſe Jſrael/
und mit dem Hauſe Juda einen neuen Bund machen. Nicht
wie der Bund geweſen iſt/ den Jch mit ihren Vaͤttern mach-
te/ da Jch ſie bey der Hand nam/ daß ich ſie auß Egyptenland
fuͤhrete/ welchen Bund ſie nicht gehalten haben/ und Jch ſie
zwingen mußte/ ſpricht der HErꝛ. Sondern das ſoll der
Bund ſeyn/ den Jch mit dem Hauſe Jſrael machen wil:
Nach dieſer Zeit/ ſpricht der HErꝛ/ Jch wil mein Geſetz in
ihr Hertz geben/ und in ihren Sinn ſchreiben/ und ſie ſollen
mein Volck ſeyn/ ſo wil ich ihr GOtt ſeyn/ und wird kei-
ner den andern/ noch ein Bruder den andern lehren und ſa-
gen: Erkenne den HERRN/ ſondern ſie ſollen mich alle
kennen/ beyde klein und groß/ ſpricht der HERR/ denn
ich wil ihnen ihre Miſſethat vergeben/ und ihrer Suͤnde
nimmermehr gedencken. Ein neuer und beſſerer Bund/ als der
alte/
[281]Predigt.
alte/ propter perſonam, precium, levamen. Jener war beſchwaͤret
mit Geſetz-Laͤſten/ was wuͤrde es einem helffen/ wann man ihm
gleich ein Groſſes vermacht/ er muͤßte aber dabey unmuͤgliche Ding
leiſten? Teſtamentum firmum, unwiderrufflich/ dann es iſt durch
den Tod beſtaͤtiget: kein menſchlich Teſtament wird ſo wol clauſulirt
und verſehen/ wann ein Tyranniſcher Achab/ oder Silber-ſichtiger
Juriſt/ und Gold-ſiecher rabula darhinder kom̃t/ er kans durchloͤ-
chern. Dieſes aber ſtehet feſt/ trutz allen Hoͤllen-Pforten! es iſt ein
Bund/ wie der Bund mit Noah/ Eſa. 54, 9. Denn ſolches ſoll
mir ſeyn wie das Waſſer Noah/ da ich ſchwur/ daß die
Waſſer Noah ſolten nicht mehr uͤber den Erdboden ge-
hen. Alſo habe ich geſchworen/ daß ich nicht uͤber dich
zuͤrnen noch dich ſchelten wil/ denn es ſollen wol Berge
weichen/ und Huͤgel hinfallen/ aber meine Gnade ſoll nicht
von dir weichen/ und der Bund meines Friedens ſoll nicht
hinfallen/ ſpricht der HERR dein Erbarmer.Gott haͤlt
Glauben ewiglich. Jch ſage/ ſagt David/ Pſalm. 89, 3. 29. ſeqq.
Daß eine ewige Gnade wird auffgehen/ und du wirſt dei-
ne Warheit treulich halten im Himmel. Jch habe einen
Bund gemacht mit meinem Außerwehlten/ Jch habe Da-
vid meinem Knecht geſchworen. Jch wil ihm ewiglich hal-
ten meine Gnade/ und mein Bund ſoll ihme feſt bleiben.
Jch wil ihm ewiglich Saamen geben/ und ſeinen Stul/
ſo lang der Himmel waͤhret/ erhalten. Wo aber ſeine Kin-
der mein Geſaͤtz verlaſſen/ und in meinen Rechten nicht
wandeln/ ſo ſie meine Ordnung entheiligen/ und meine
Gebott nicht halten. So wil ich ihre Suͤnde mit der Ru-
then heimſuchen/ und ihre Miſſethat mit Plagen. Aber
meine Gnade wil ich nicht von ihm wenden/ und meine
Warheit nicht laſſen fehlen. Jch wil meinen Bund nicht
entheiligen/ und nicht aͤndern/ was auß meinem Munde
gangen iſt. Jch habe einſt geſchworen bey meiner Heilig-
keit ich wil David nicht liegen/ ſein Saame ſoll ewig ſeyn/
und ſein Stul fuͤr mir/ wie die Sonne. Wie der Mond
ſoll er ewiglich erhalten ſeyn/ und wie der Zeuge in Wol-
cken gewiß ſeyn.
Neunter Theil. N nSignacu-
[282]Die Eylffte
Signaculum \& fundamentum Teſtamenti iſt nun das Blut Jeſu
Chriſti. Darauff gruͤndet es ſich/ dardurch werden wir die Kindſchafft
und das Erb-Recht erlangen. Diß iſt Pignus, arrha \& ſigillum, daß
der bußfertige Suͤnder ſich verſichert/ wann er hievon trincket/ er ſeye
wieder im Bund GOttes/ wie er Noe Glauben gehalten/ ſo werde Er
ihm auch nicht liegen/ ſondern kan gewiß ſeyn/ daß Gott gleichſam zu
ihm ſpreche: Halt dich an mich/ es ſoll dir jetzt gelingen/ Jch geb mich ſel-
ber gantz fuͤr dich/ da wil ich fuͤr dich ringen. Dann ich bin dein/ und du
biſt mein/ und wo ich bleib/ da ſolt du ſeyn/ uns ſoll der Feind nicht ſchei-
den. Allermaſſen wie ein Braͤutigam zu ſeiner Braut ſagt: Jch bin
dein/ und du biſt mein/ uns ſoll niemand ſcheiden als der Tod/ des hab
zum Zeichen dieſen Ring. hîc arrha \& pignus. So kom̃t Chriſtus/ und
ſagt gleichſam auch: Jch wil mich mit dir verloben in Ewigkeit. Es ſoll
dich von mir nichts ſcheiden/ weder Truͤbſal/ noch Angſt/ noch Gefaͤhrlich-
keit/ weder Hunger/ noch Schwerd/ weder Gegenwaͤrtiges/ noch Zukuͤnff-
tiges/ weder Tod noch Leben/ ja kein einige Creatur. Hie iſt mein Blut/
dadurch iſt alles verſiegelt/ niemand ſoll es außkratzen. Welches dann
eine gewaltige und unuͤberwindliche hypoſtaſis und Grundfeſt unſers
Glaubens. Wer wolte nun der Goͤttlichen Majeſtaͤt das Leyd anthun/
und ihre Gnad und Huld in Zweiffel ziehen? Solten wir Menſchen uns
nicht begnuͤgen laſſen/ wann uns Gott ein Apffel oder Birn zum
Pfand gegeben? War doch Noah zu frieden/ da ihm Gott den Regen-
bogen zu einem Zeichen in den Wolcken geſetzt. Warum wolten wir
dann wancken/ als wuͤrde Er nicht halten/ was Er doch mit ſeines
Sohns Blut verpfaͤndet hat.
Schließlich ſpreche ich euch/ meine Außerwehlte/ an/ mit den Worten
St. Petri Act. 3, 25. Jhr ſeyd des Bundes Kinder/ welchen GOtt
gemacht hat mit euern Vaͤttern/ da Er ſprach zu Abraham:
Durch deinen Saamen ſollen geſegnet werden alle Voͤlcker
auff Erden. Die Kinder nach dem Fleiſch/ die Sinaitiſche Bunds-
Kinder/ die Kinder der Magd die ſind außgeſtoſſen/ ihr aber ſeyd
nicht der Magd Kinder/ ſondern der Freyen.Gal. 4, 31. Das
außerwehlte Geſchlecht/ das Koͤnigliche Prieſterthum/ das
heilige Volck/ das Volck des Eigenthums. 1. Petr. 2, 9. Jhr
ſeyd kommen zu dem Berge Zion/ und zu der Stadt des leben-
digen GOttes/ zu dem himmliſchen Jeruſalem/ und zu der
Menge vieler tauſend Engeln/ und zu der Gemeine der Erſt-
gebornen/ die im Himmel angeſchrieben ſind.Hebr. 12, 22. Das
Loß
[283]Predigt.
Loß iſt euch gefallen auffs lieblichſte/ euch iſt ein ſchoͤn Erb-
theil worden/Pſ. 16, 6. Jhr koͤnt mit David ſprechen: Du leiteſt
mich nach deinem Rath/ und nimſt mich endlich mit Ehren an/
wenn ich nur dich habe/ ſo frage ich nichts nach Himmel und
Erden/ und wann mir gleich mein Leib und Seel verſchmacht/
ſo biſtu doch GOtt allezeit meines Hertzens Troſt und mein
Theil.Pſ. 73, 24. 25. Du biſt meine Zuverſicht/ mein Theil im
Lande der Lebendigen.Pſ. 142, 6. Hier iſt mehr als der Roͤmer Bund/
an den durffte ſich niemand wagen/ ſie wurden gefoͤrcht in allen Landen/
wann ſie ihre Bunds-Genoſſen zu Huͤlffe angeſprochen. Allein ligts
nur daran/ daß ihr ſolchen Bund als treue Bunds- und Eyd-Genoſſen
unverbruͤchlich bewahret/ Gott laͤßt den Meineyd unter den Menſchen
nicht ungeſtrafft/ koͤnten deßwegen ſchroͤckliche Exempel angezogen wer-
den/ ſonderlich das ſich begeben in Griechenland Anno 686. dann da
Juſtinianus II. den Saracenern den Bund gebrochen// und ſie Gott
den Raͤcher des Meineyds angeruffen/ iſt er mit ſeinem Heer geſchlagen/
und in die Flucht getrieben worden. Wie wird Er es dann ungeſtrafft
hingehen laſſen/ wann man an Jhm Bund-bruͤchig und treuloß wird.
‘Cum Juſtinianus II. Rhinotmetus è Sclavicis gentibus evocaſſet XXX. armato-
rum millia, quem populum περιούσιον appellitabat, elatus robore copiarum
Saracenicam pacem diſru pit, prætendens, monetam non pendi ſuâ ſigna-
tam imagine. Saraceni implorato perjurii ultore Deo, ſcriptas pacis con-
ditiones haſtæ alligarunt, ſublatiſque in acie inſtar vexilli, cum Romanis
conſeruerunt manus. Sed primo congreſſu inferiores, pecuniis corrum-
punt Sclavorum Ducem, quorum cum XX. millia transfugiſſent ad Sarace-
nos, demſere animos reliquis, fœdamque in Romanis fugam excitârunt.
Cluver. epit. hiſtor. p. 419.’ ()
Doch daß man auch dieſem Bund mit wahrem Glauben begegnet.
Abraham glaubte dem Bund GOttes/ er ſahe durch das irdiſche Land
Canaan/ durch die Tragoͤdi auff dem Berg Moria/ durch das Blut ſei-
nes Sohns/ und die Wiedergab Jſaacs/ auff Chriſtum: wie Abraham
fuͤr ſich/ ſo ſolt ihr zuruck ſehen in die Paſſion Chriſti/ an den Oelberg/
Schaͤdelſtatt/ Creutz und Grab Chriſti. Es wird von euch erfordert
Abrahamica ἰσχηρότης, Abrahamica exoſculatio promiſſionum. Hebr.
11, 13. Sie haben die Verheiſſung nicht empfangen/ ſondern ſie
von ferne geſehen/ und ſich der vertroͤſtet/ und wol begnuͤgen
laſſen. Adam/ Noah/ Abraham/ hatten ſolche Verheiſſung nicht in
N n ijſolchem
[284]Die Eylffte
ſolchem Grad/ es waren nur promiſſiones und fœdera. Diß aber iſt
promiſſio teſtamentaria. Es weiß der liebe Gott wol/ was fuͤr ein
elend Gemaͤcht wir ſeyn/ wie ein ſchuͤchter und forchtſam Ding es ſey um
ein boͤß Gewiſſen/ das den Zorn GOttes recht foͤrchtet/ inſonderheit
wann die Wolcken-Bruͤch der Anfechtungen einbrechen/ wann dem Ge-
bet der Himmel zu hoch werden/ die Schrifft zu arm/ die Welt zu eng/ der
Satan zu liſtig/ in dem/ daß er ſuchet das Teſtament zu durchloͤchern:
darum hat er es bey der bloſen Verheiſſung nicht gelaſſen/ ſondern hat ſie
beeydigt/ ſich verbunden/ und verteſtirt/ daß du nicht zweifflen kanſt.
Zweiffelſtu aber noch/ und ſprichſt: Ja ich laß es gelten/ ich hab aber mich
des Bunds verluſtigt durch Suͤnde: Antwort/ iſt unrecht/ aber ſaume
dich nicht lang/ Gott ruffet auch dem abtruͤnnigen Jſrael/ Jer. 3, 12.
Kehre wider du abtruͤnnige Jſrael/ ſpricht der HErꝛ/ ſo wil
ich mein Antlitz nicht gegen euch verſtellen/ denn Jch bin barm-
hertzig/ ſpricht der HErꝛ/ und wil nicht ewiglich zuͤrnen/ al-
lein erkenne deine Miſſethat/ daß du wider den HErꝛn deinen
GOtt geſuͤndiget haſt.Dona DEI ἀμεταμέλητα, Gottes Gaben
und Beruffung moͤgen ihn nicht gereuen.Rom. 11, 29. Sprichſt
du/ ich fuͤhle nichts: Antwort/ bete/ daß du den Glauben empfindeſt/
fuͤhleſtu Anfechtung/ ſo fuͤhleſtu Chriſtum/ dann der Satan ſtreitet nicht
wider ſich ſelbſt. Vielleicht/ gedenckeſtu/ bin ich verſtoſſen und verloh-
ren. O Nein/ hie iſt das Blut des Neuen Teſtaments/ hie iſt der
Schluͤſſel zum Schatz. So/ hoͤre ich wol/ wird jederman ſelig. Ant-
wort/ Nein/ das Teſtament iſt conditionirt/ ſtehet zwar nicht auff den
Beinen unſers freyen Willens/ ſondern auff dem Himmel-feſten Eyd
und Blut-Bund GOttes/ aber die Goͤttliche und vorgeſchriebene Ord-
nung und Verharrung iſt vonnoͤthen. Thuſt du das/ ſo kanſtu alle ten-
tationes und Verſuchungen trutzen/ und den Kopff bieten/ froͤlich ſeyn im
Creutz/ gedultig in der Hoffnung/ und ſprechen: Jſt Gott fuͤr mich/ wer
kan wider mich ſeyn. Jch bin doch ja dein liebes Kind/ Trutz Welt/
Teuffel und alle Suͤnd/ und wann mich gleich in dem Augenblick/ als
ich communicire/ lauter Donner und Blitz in die Hoͤll hinab ſchluͤgen/ ſo
foͤrchte ich mich nicht/ es kan mir nichts ſchaden/ fuͤhre ich gen Himmel/
ſo biſt du da/ betete ich mir in die Hoͤlle/ ſo biſtu auch da. Wo aber du
biſt in Gnaden/ da iſt mein Himmel. Darum/
Jch
[285]Predigt.
Die Zwoͤlffte Predigt/
Von
Denen/ fůr welche Chriſtus ſein Blut
vergoſſen.
GEliebte in Chriſto. Es war ein zumal ſchroͤckli-
che/ ſeltzame und wunderbare Predigt/ davon Petrus re-
det/ wann er 1. Ep. 3, 19. 20. ſchreibet: Es ſey Chriſtus
im Geiſt hin gegangen/ und habe geprediget den
Geiſtern im Gefaͤngnuß/ die etwa nicht glaubten/
da Gott einmals harret und Gedult hatte/ zu den
Zeiten Noe/ da man die Archa zuruͤſtet. So wunderlich und fin-
ſter dieſer Spruch an ihm ſelbſt iſt/ wie Lutherus redet Tom. 2. Jen. p. 363.
Das iſt ein wunderlicher Text/ inquit l. cit. und ein finſterer Spruch/ als frey-
lich einer im Neuen Teſtament iſt/ daß ich noch nicht gewiß weiß/ was
St. Peter meynet. Auffs erſte lauten die Wort alſo/ als habe Chriſtus den
Geiſtern/ das iſt/ den Seelen/ die vor Zeiten ſind unglaubig geweßt/ da Noe
die Archen bauet/ geprediget/ das verſtche ich nicht/ kans auch nicht außle-
gen/ es hats auch noch keiner außgelegt. Doch wil es jemand dafuͤr halten/
daß Chriſtus/ nach dem Er am Creutz verſchieden war/ nidergeſtiegen ſey zu
den Seelen/ und habe ihnen da geprediget/ wil ich nicht wehren/ es moͤcht
alſo einen Verſtand leiden. Jch weiß aber nicht/ ob St. Peter das wolle
ſagen.
N n iijſo
[286]Die Zwoͤlffte
ſo ſeltzam iſt auch das contentum. Der Ort und Cantzel/ da dieſe Pre-
digt gehalten worden/ iſt ϕυλακὴ, die hoͤlliſche Gefaͤngnuß/ Matth, 5, 25.
Luc. 12, 58. Apoc. 18, 2. c. 20, 7. Der Hoͤllen-Prediger iſt Chriſtus/
ὁ ϑανατωθεὶς, der getoͤdtete nach der Menſchheit/ ὁ ζωοϖοιηθεὶς, der lebendig-
gemachte/ ὁ πορευθεὶς, der hin gegangen/ und alſo der gantze Chriſtus/
nicht nur ſeine Seel intra ſpatium vivificationis \& reſurrectionis. Die
Zuhoͤrer waren die ἀπειθοῦντες, ἄπιϛοι, ἀσε [...]εῖς. conf. 2. Petr, 2, 5. 6. die rohe
ſichere Burſch und Cyclopen/ die nach dem verſprochenen Weibes-Saa-
men entweder wenig fragten/ oder doch denſelben in familia Sethi ver-
folgten/ im uͤbrigen dem Geiſt GOttes/ der ſich in Noa dem Prediger der
Gerechtigkeit geregt/ widerſpenſtig erzeigten/ waren rechte Welt-Kinder/
baueten/ pflantzten/ freyeten und lieſſen ſich freyen/ biß auff den Tag/ da
Noa in die Archen eingegangen/ und die Suͤndflut kommen. Es wer-
den aber nicht allein dieſe verſtanden/ ſondern per ſynecdochen, wie es
Lutherus erklaͤret l. cit. dieſe/ als ſonderbare Exemplaria/ andere aber/
als dieſen gleich/ die eben ſo boͤß. Summa/ alle ruchloſe Gottes-Veraͤch-
ter/ alle Schmaͤher des H. Geiſtes/ und rohe Welt-Kinder/ Canaans-
Art/ die wenig nach Noa und ſeinen Predigten gefragt/ denen hat er ge-
prediget. Was? vielleicht das Evangelium denen in der Vor-Burg
der Hoͤllen? davon der Roͤmiſche Catechiſmus glaubet/ daß Chriſtus die
heiligen Seelen/ ſo vor Chriſti Ankunfft eingezogen worden/ da ſie ohne
einige empfindliche Schmertzen in Ruhe geſeſſen/ erlediget/ und die des
Heylands in dem Schooß Abrahaͤ gewartet/ dem Teuffel als einen
Raub genommen.
‘Docendum eſt, (ita Catech. Rom. part. 1. cap. 6. q. 6. p. m. 89.) proptereà Chri-
ſtum Dominum ad inferos deſcendiſſe, ut ereptis dæmonum ſpoliis ſanctos
illos Patres cæteroſque pios è carcere liberatos ſecum adduceret in cœlum,
quod ab eo admirabiliter, ſummâque cum gloria perfectum eſt, ſtatim enim
illius aſpectus clariſſimam lucem captivis attulit, eorumque animas immen-
ſâ lætitia, gaudioque implevit: quibus etiam optatiſſimam beatitudinem,
quæ in viſione DEI conſiſtit, impertivit. Et mox: Quamobrem antequam
ille moreretur, ac reſurgeret, cœli portæ nemini unquam patuerunt; ſed
piorum animæ, cùm è vivis exceſſiſſent, vel in ſinum Abrahæ deferebantur,
vel quod etiam nunc iis contingit, quibus aliquid diluendum \& perſolven-
dum eſt, purgatorii igne expiabantur.’ ()
O nein/ es iſt eine groſſe Klufft befeſtiget zwiſchen dem Ort der Qual
und dem Schooß Abrahams/ daß die da wolten von hinnen hinab fahren/
koͤnnen nicht/ und auch nicht von dannen heruͤber fahren/ Luc. 16, 25. Es
ſt der Krafft des Leidens Chriſti vor und nach ſchmaͤhlerlich. Chriſtus
hat
[287]Predigt.
hat ſolchen Credit bey ſeinem Vater/ daß die Erloͤſung ſchon Krafft ge-
habt/ ehe Er ſich wuͤrcklich und thaͤtlich zu einer Rantzion dargegeben/
wir hoffen durch die Gnade unſers HErꝛn JEſu Chriſti ſelig
zu werden gleicher weiſe wie auch unſere Vaͤter.Act. 15, 11. Und
ſoll uns nicht irren das Geſang: Vorhin wars alles verſchloſſen. Ver-
ſtehe/ ohn Jhn/ nach der Urſach/ nicht nach der Zeit. Was hat er dann
geprediget? lauter Donner und Blitz/ und alſo concione forenſi, wie
man einen Banckerottierer außruffet zur offentlichen Schand/ concio-
nereali, dem Cain/ Gen. 4, 10. was haſtu gethan? ἐνδεικτικῇ. Col. 2, 15.
Er hat außgezogen die Fuͤrſtenthum und Gewaltigen/ ſie ſchau
getragen offentlich/ und einen Triumph auß ihnen gemacht/
der hoͤlliſchen Geſellſchafft dadurch ein Schrecken einzujagen. ἐλεγχτικῇ,
weil ihr euch/ ſprach er gleichſam/ in der Welt nicht woltet ſtraffen laſſen
von Noa/ denſelben fuͤr einen alten Narren gehalten/ der immer fort ge-
foͤrcht/ der Himmel moͤchte einfallen/ darum ſeyd ihr nimmermehr zu ent-
ſchuldigen/ wiſſet ihr nicht/ daß ich euch die Buß habe predigen laſſen/
120. Jahr friſt gegeben/ habe euch durch Enoch laſſen ankuͤndigen das
Juͤngſte Gericht/ aber ihr habt nicht geglaubt: Wie offt hab ich euch
verſamlen wollen/ wie eine Henne ihre Kuͤchlein unter ihre
Fluͤgel/ aber ihr habt nicht gewolt/Matth. 23, 37. Den Geiſt des
Herrn habt ihr euch nicht ſtraffen laſſen/ ſo iſt nun die Zeit der gnaͤdigen
Heimſuchung verfloſſen/ daher ihr nichts mehr zu gewarten als das
Juͤngſte Gericht/ da ihr mit den Leibern vereinbaret/ mit Spott und
Schand zum Triumph auffſtehen/ und mit den Teuffeln gequaͤlet werden
ſollet. Quâ de causâ? warum haben ſie ſolche Schrecken- und Angſt-
Predigt ohne einigen Troſt anhoͤren muͤſſen? um und von wegen des be-
harꝛlichen Unglaubens/ als welches formalis, adæquata, meritoria cau-
ſa, und eigentliche Urſach. Ob ἄγνοιαν, ſie waren Atheiſten/ Impliciſten/
Simpliciſten/ muthwillens wolten ſie es nicht wiſſen. Ob dubitationem,
ſie waren Spoͤtter/ ſie glaubten nicht der Predigt Noaͤ/ wo iſt die Verheiſ-
ſung ſeiner Zukunfft? wann kom̃t die Suͤndflut? Ob præfidentiam, ſie
waren harthertzige Leute/ ſie verlieſſen ſich auff ihre Guͤter/ eigenen Arm/
Gluͤckſeligkeit ꝛc. dachten nicht/ daß die Suͤnde ein ſo groß Ding ſey/ daß
um ſie der Jehova leyden muͤßte/ inſonderheit/ daß ſie an den verſproche-
nen Weibes-Saamen nicht geglaubt/ mit wahrer Buß ſich zu demſelben
nicht geſchickt/ Jhn nicht erkant/ nicht angenommen/ ohne Zweiffel hat es
in der Suͤndflut auch viel Deſperanten gegeben/ die dem Cain ſein Wort
abge-
[288]Die Zwoͤlffte
abgelehnt: Meine Suͤnde ſeind groͤſſer/ denn daß ſie mir koͤnnen verge-
ben werden/ da Er doch fuͤr ſie geſtorben/ und ſein Blut fuͤr ſie vergoſſen.
Darauß leicht zu erachten/ wie den verdamten Seelen damal muß zu
muth geweſen ſeyn. O daß wir/ haben ſie ohne Zweiffel gedacht/ nur eine
Viertelſtund haben moͤchten in jener Welt! O daß wir nur eine einige
Evangeliſche Predigt noch hoͤren koͤnten! Aber es wird ihnen nicht mehr
ſo gut.
Wollen nun wir dieſe Traur- und Hoͤllen-Predigt nicht erfahren/ ſo
laſſet uns mit glaubiger Devotion hoͤren/ die Evangeliſche Valet-Pre-
digt/ die Chriſtus ſeinen Juͤngern und uns gethan/ ein Predigt nicht von
Donner und Blitz/ Hoͤll und Tod/ ſondern Troſt und Himmel/ wie Er
ſein Blut fuͤr uns vergoſſen zu Vergebung der Suͤnden. Verfaßt in de-
nen Worten/ Trincket/ das iſt mein Blut/ welches fuͤr euch und
fuͤr viel vergoſſen wird. Darinnen er die ſubjecta traditi corporis
\& effuſi ſanguinis anzeigt: Jſt auch ein hoch-nothwendiger Umſtand/
ſo keines wegs zu uͤberſehen und zu uͤberhupffen. Hievon zu reden zu
GOttes Ehr und unſerer Erbauung/ wolle Gott ſeines H. Geiſtes
Gnad von oben reichlich ſenden und mittheilen. Amen.
GEliebte in Chriſto. So iſt nun die Frage/ Wer dieſe
fuͤr euch/ und dieſe viel ſeyen? dann dieweil der Herr nicht
ſagt/ fuͤr alle/ moͤchte ſich ein angefochtenes Hertz außſchlieſſen/
oder dafuͤr halten/ es gehe allein auff die Außerwehlten/ allermaſſen wie
dieſen Funcken des Unglaubens die Zwinglianer auffgeblafen/ und (daß
man nicht abermal ſage/ es waͤre eine Calumnia) namentlich Pareus in
h. l. Matth. 26. Multis intelligit omnes credentes in Chriſtum,durch
die viele verſtehet er alle Glaubige in Chriſtum.Piſcator ad
l. cit.Fuͤr viel/ nemlich/ fuͤr alle Außerwehlte/ die ihm vom
Vater gegeben ſind/ fuͤr welche er hat gebetten/ da er ſein Opf-
fer thun wolte/ und Joh. 17/ 20. in der ſechſten Lehr ſchreibt er alſo:
Weil Chriſtus/ dn Er ſich ſeinem Vater auffopffern wolte/
nicht fuͤr die Welt/ das iſt/ die Verworffenen/ ſondern allein
fuͤr die/ welche ihm ſein Vater gegeben/ das iſt/ fuͤr die Auß-
erwehlten/ gebetten: ſo folget/ daß er auch allein fuͤr die Auß-
erwehlten geſtorben/ als von welchen er auch allein redet/ v. 19.
Derowegen da 1. Tim. 2/ 6. geſagt wird/ Chriſtus habe ſich ge-
geben fuͤr alle zur Erloͤſung. Und 1. Joh. 2. v. 2. Er ſeye die
Verſoͤhnung fuͤr die Suͤnde der gantzen Welt/ iſt zu wiſſen/
daß
[289]Predigt.
daß dieſe und dergleichen Spruͤche allein von den Außerwehl-
ten zu verſtehen ſeyen/ ſintemal der H. Geiſt/ ſo durch die Apo-
ſtel geredet/ dem Herꝛn Chriſto nicht widerſpricht/ v. 9. und 20.
Anderer Autoren zu geſchweigen. Und diß iſt eigentlich die Quell der
Lehre von Außſchlieſſung der Unwuͤrdigen. Daß aber dieſe Meynung
falſch/ und im gegenthetl wahr/ daß Chriſtus ſeinen Leib fuͤr alle dahin
gegeben/ und ſein Blut fuͤr alle vergoſſen/ univerſalitate temporis, nicht
nur fuͤr die damal lebende/ ſondern auch fuͤr Abraham/ David/ Hiſ-
kiam/ ꝛc. Sintemal Chriſtus geſtern und heut/ und derſelbe in Ewig-
keit/ Er iſt das Lamm/ das erwuͤrget iſt von Anfang der Welt. Wie
ein Schuld-Glaubiger den Schuldner auß den Banden/ in Anſehen des
Buͤrgen/ auff freyen Fuß ſtellet/ ob ſchon die Geld-Summa wuͤrcklich
noch niche erlegt: alſo hat Chriſtus unſer Buͤrg ſolchen Credit bey ſei-
nem Vater/ daß ſein Verdienſt ſo wol fuͤr ſich/ als hinder ſich gilt/ uni-
verſalitate loci, nicht nur fuͤr die Anweſende/ ſondern τοὺς μακρὰν ὄντας,
ſo noch ferne ſind/ univerſalitate ſubjecti, auch fuͤr die verlohrnen/ Cain/
Achitophel/ Judam/ beweiſen wir auß nachfolgenden Fundamenten.
1. Per theſin, daß Er fuͤr alle Menſchen/ niemand außgeſchloſſen/
ſein Blut vergoſſen/ das erſcheinet 1. ex clara litera inſtitutionis, auß
dem Wort: das fuͤr euch vergoſſen wird/ nicht Troͤpffel- oder Loͤffel-
ſondern Scheffel-weiß/ es iſt gleichſam die Suͤndflut des Neuen Teſta-
ments/ welche uͤber allen lebendigen Athem ergangen/ waͤren ſo viel Mil-
lion tauſeud Menſchen uͤbergangen worden/ ſo haͤtte die Schrifft ja ir-
gend Tham̃ und Riegel geſetzt/ welches aber nicht geſchehen. Auß dem
Befehl Chriſti/ Trinckt alle darauß/ da Er dann mit ſeinen Apoſteln
geredt/ nicht tanquam Apoſtolis, wie Matth. 28. ſondern als Juͤngern/
da es geheiſſen/ was ich euch ſage/ das ſage ich allen. Marc. 13. 2. Ex clarâ
τοῦ πολλῶν expoſitione, dann wann der Herr Matth. 20/ 28. ſagt: Des
Menſchen Sohn iſt nicht kommen/ daß Er ihm dienen laſſe/
ſondern daß Er diene/ und gebe ſein Leben zu einer Erloͤſung
fuͤr VJELE/ ſo erklaͤrets Paulus alſo/ 1. Tim. 2, 6. GOtt wil/
daß Allen Menſchen geholffen werde/ und zur Erkantnuß der
Warheit kommen/ denn es iſt ein GOtt und ein Mittler zwi-
ſchen GOtt und den Menſchen/ nemlich der Menſch Chriſtus
JEſus/ der ſich ſelbſt gegeben hat fuͤr Alle zur Erloͤſung:
nicht nur fuͤr allerley/ als welches dem Zweck des H. Apoſtels zuwider/
der wil/ daß man auch fuͤr Neronem beten ſolle/ ob er ſchon ein reprobus.
Neunter Theil. O oUnd
[290]Die Zwoͤlffte
Und wann Paulus Rom. 5, 15. ſchreibet: So an eines Suͤnde viel
geſtorben ſind/ ſo iſt vielmehr GOttes Gnade und Gabe vie-
len reichlich wiederfahren/ durch JEſum Chriſt/ der der einige
Menſch in Gnaden war/ ſo ſagt er gleich darauff: Wie nun durch
eines Suͤnde die Verdamnuß uͤber alle Menſchen kommen
iſt/ alſo iſt auch durch eines Gerechtigkeit die Rechtfertigung
des Lebens uͤber alle Menſchen kommen. 3. Ex analogia fidei,
und der Glaubens-Regul/ Joh. 3, 16. ſagt Chriſtus: GOtt habe die
Welt geliebet/ daß Er ſeinen eingebohrnen Sohn gab/ auff
daß alle/ die an Jhn glauben/ nicht verlohren werden/ ꝛc.
Waͤre hie die Welt ſo viel als die Außerwehlten/ ſo muͤßte folgen/ daß
auch etliche von den Außerwehlten verlohren wuͤrden/ quod abſurdum.
1. Joh. 2, 2. ſtehet: Chriſtus iſt die Verſoͤhnung nicht nur fuͤr un-
ſere/ ſondern fuͤr der gantzen Welt Suͤnde/ das iſt/ nicht allein
der glaubigen Juden/ an die er geſchrieben/ 1. Joh. 5, 13. Solches habe
ich euch geſchrieben/ die ihr glaubet an den Namen des Sohns
GOttes/ auff daß ihr wiſſet/ daß ihr daß ewige Leben habt/
und daß ihr glaubet an den Nahmen des Sohns GOttes.
Sondern auch der uͤbrigen Juden und Heyden/ die nicht glauben an den
Nahmen des Sohns GOttes. Eſaiaͤ Bekantnuß (Eſa. 53, 6. Er iſt
um unſerer Miſſethat willen verwundet/ und um unſerer
Suͤnde willen zuſchlagen/ die Straffe ligt auff Jhm/ auff
daß wir Friede haͤtten/ und durch ſeine Wunden ſind wir ge-
heilet.) iſt aller Menſchen Bekantnuß/ wie auch ſein Mund aller Men-
ſchen Mund/ wann er v. 7. ſagt: Wir giengen alle in der Jrre wie
Schaafe/ ein jeglicher ſahe auff ſeinen Weg. 4. Ex ſcopo
Chriſti conſolatorio \& beneficiario. Chriſtus wil troͤſten biß ans
Ende der Welt/ wann nun ein eintziger waͤre excipirt und außgeſchloſ-
ſen geweſen/ ſo koͤnte niemand froͤlich aſſumiren/ ſondern es wuͤrde auch
da heiſſen: Herr bin ichs? Dann ex particularibus nihil ſequitur.
Jam beneficia latiſſimè ſunt explicanda. Es ſprechen die Juriſten:
Beneficium, quod à divina Imper. indulgentia proficiſcitur, quàm ple-
niſſimè interpretari debemus. Warum wollen wir dann der Goͤttli-
chen Guͤtigkeit einen Riegel und Damm vorſchieben/ und ſie ohne Noth
in die Enge ziehen.
II. Per ὄρσιν, daß nemlich die Bona teſtamentaria, die Teſtaments-
Guͤter nicht die Außerwehlten allein angehen/ erhellet 1. auß dem Wort
viel: Fuͤr welche der Leib Chriſti gegeben/ und ſein Blut vergoſſen wor-
den/
[291]Predigt.
den/ ſind viel und nicht wenig. Aber die Außerwehlten ſind wenig.
E. Wir nemmen hier billig dem Goliath ſein Schwerdt/ und ſchlagen ihn
damit: Fuͤr viel/ ſpricht er/ E. nicht fuͤr alle/ ſondern allein fuͤr die Außer-
wehlten. Contrà, fuͤr viel/ E. nicht allein fuͤr die Außerwehlten/ dann
die ſeind nicht viel. Eben mit dieſem Wort hat der Herr dem Calvi-
niſchen Jrꝛthum wollen fuͤrbauen. 2. Ex juſtitiæ divinæ ratione. Ge-
wiß iſts/ daß Gott niemand unbillig verdammet/ und ob Er zwar ein
Herr iſt Leibs und der Seel/ ſo ſchertzt Er doch nicht mit dem Menſchen.
So nun Chriſtus allein fuͤr die Außerwehlten geſtorben waͤre/ und nicht
auch fuͤr die Verdam̃ten/ die nicht glauben ſollen/ daß Chriſtus fuͤr ſie
geſtorben/ ſo waͤren ſie unrecht verdam̃t/ und haͤtte ihnen Chriſtus ver-
geblich in der Hoͤllen gepredigt. Denn entweder haben ſie geglaubt/
Chriſtus ſeye fuͤr ſie geſtorben/ und ſo war ihr Glaub falſch: oder ſie ha-
bens nicht geglaubt/ ſo haben ſie ja recht gethan/ und werden deßwegen
unbillig verdam̃t. Gleichwie wann einer ein allgemeine Steur außthei-
let/ machte aber ein Abſonderung derer/ denen er ſie nicht wolte wieder-
fahren laſſen/ und wolte gleichwol ſie juſtificiren/ daß ſie die Steur nicht
angenommen/ waͤre es nicht die groͤſte und ungerechteſte Unbilligkeit?
3. Ex abſurdo, iſts wahr/ das Chriſtus allein ſein Blut vergoſſen fuͤr die
Außerwehlten/ ſo begehet der Diener ſo offt eine Lugen/ als offt er zu ei-
nem reprobo ſagt: das iſt das Blut fuͤr dich vergoſſen. 4. Ab evidenti
exemplo, nicht allein der Creutziger Chriſti/ fuͤr welche er ſeine Hoheprie-
ſterliche Fuͤrbitt eingelegt/ Vater vergib ihnen/ ſondern auch Judaͤ/
dann daß Chriſtus in Außſpendung des Abendmahls nicht nur ſein lie-
bes Schooß-Kind Johannem gemeynt/ ſondern auch Judam τὸν υίὸν τῆς
ἀϖωλείαο, ſtehet klar/ Marc. 14/ 23. Er nam den Kelch/ und dancket/
und gab ihn den/ und ſie truncken alle darauß. Ja ſprichſt du/
Judas war damal nicht fuͤrhanden. Antwort/ ich geſchweige/ daß es
Calvinus ſelbs bejachzet lib. 4. Inſtit. cap. 17. §. 34. ſo ſtehet ja klar bey
Luca alſobald auff die Wort der Einſetzung des H. Abendmahls. Luc.
22, 21, Doch ſiehe die Hand meines Verraͤthers iſt mit mir uͤber
Tiſch. Sprichſtu/ Judas habe den Biſſen empfangen/ ehe und dann
das Abendmahl eingeſetzt worden/ dann wie Matth. 26, 23. conf. Johan.
13, 26. gemeldet wird/ iſt er nach dem Biſſen ἐυϑέως, alſobald hinauß ge-
gangen. Antwort/ das Wort ἐυϑέως iſt cum aliqua mora anzunem-
men/ auff gleiche weiß/ wie Marc. 1, 12. Es geſchah eine Stimme vom
Himmel: Du biſt mein lieber Sohn/ an dem ich wolgefallen habe/ und
O o ijbald
[292]Die Zwoͤlffte
bald (ἐυϑὺς) trieb ihn der Geiſt in die Wuͤſten. Maſſen Johannes
daſelbſt ſagt/ es ſeye Nacht geweßt/ da Judas hinauß gegangen/ nun
aber iſt auff den Abend/ ehe die Sonne untergangen/ zwiſchen 3. und 5.
Uhr das Oſter-Lamm allbereit genoſſen worden. Und was von Juda
wahr/ iſt auch wahr vom unbußfertigen Schaͤcher/ Juliano, von Spie-
râ \&c. Ideò nec proditurum debuit præterire, ut adverterent omnes,
quod in electione proditoris ſui, ſervandorum omnium inſigne præ-
tendit. Ambroſ. lib. de Paradiſ. c. 8. Jſt ein Zeichen einer gantz unauß-
ſprechlichen Langmuth GOttes. Ja/ ſprichſtu/ was iſts vonnoͤthen/
daß wir den Verdam̃ten das Wort thun/ was gehen uns die reprobi an/
was bekuͤmmern wir uns um ſie? Antwort: Jſt eben eine Rede/ wie die
Hoheprieſter zu Juda geſagt/ da ſiehe du zu/ was gehet es uns an. Es
iſt nicht um ſie/ ſondern um uns zu thun/ dann ſo das Blut nicht fuͤr alle
vergoſſen/ wie wil ſich der Außerwehlte damit troͤſten/ alsdann/ wann er
in graves paroxyſmos tentationum, in Ohnmacht des Glaubens/ und
defect der wuͤrcklichen Empfindung deſſen gerath/ wie Franciſcus Spie-
ra, der ſich beduncken ließ/ er haͤtte in den H. Geiſt geſuͤndiget: laßt man
einen ſolchen Menſchen troſtloß liegen/ das waͤre wider die Chriſtliche
Liebe/ die alles hofft/ vielleicht kan er noch in der letſten Stund auffgerich-
tet werden. Troͤſtet man ihn aber/ ſo hat man ja kein Fundament/ der
effectus der kraͤfftigen Vocation erzeigt ſich nicht/ deeſt promiſſio \& ſi-
gnum vocationis. Ob jicirt ein Calviniſt/ es geſchehe ihnen Gewalt
und unrecht/ ſie geſtehen gern ſufficientiam, wiewol nicht efficientiam.
Chriſtus (ita Theoph. Neuberger Poſt. p. 601.) iſt fuͤr alle Men-
ſchen/ und fuͤr der gantzen Welt Suͤnde geſtorben/ was an-
langt dieſufficientiamund Vollkommenheit ſeines Tods/ und
deſſelben Wuͤrde und Guͤltigkett/ welche dermaſſen vollkom-
men iſt/ daß ſein Tod und Verdienſt eine gnugſame Bezah-
lung fuͤr aller und jeder Menſchen Suͤnde der gantzen Welt
waͤre/ wann auch die Welt gleich vielmal groͤſſer waͤre/ ſo nur
die Menſchen rechtſchaffen glaubten/ und durch ſolchen Glau-
ben das Verdienſt Chriſti ihnen zueigneten. Um welcher
Vollkommenheit des Verdienſts Chriſti willen/ auch die all-
gemeinen Verheiſſungen des Evangelii/ und die Predigt der
Buſſe allerley Voͤlckern und Leuten vorgehalten: und hinge-
gen der Zorn GOttes gedraͤuet wird allen denen/ die ſolche
Predigt durch Unglauben außſchlagen. Was aber dieeffica-
ciam,
[293]Predigt.
ciam,Krafft und Wuͤrckung des Todes Chriſti anlangt/ ſo
fern iſt Chriſtus allein fuͤr die Außerwehlten geſtorben: Als
welchen der Tod Chriſti/ und die dardurch erworbene Wol-
thaten kraͤfftigapplicirt und zugeeignet werden/ daß ſie derſel-
ben wuͤrcklich genieſſen/ und dardurch ewig leben moͤgen.
Welches dann die H. Goͤttliche Schrifft genugſam beſtaͤti-
get/ wann ſie in ſolchem Verſtande ſpricht: Chriſtus ſey ge-
ſtorben/ und habe ſein Blut vergoſſen fuͤr viele/ nemlich fuͤr
ſeine Schaafe/ wie Chriſtus redet: Fuͤr ſeine Kirch und Ge-
meine/ wie Paulus ſagt: Ja fuͤr die/ ſo ihme dem Herꝛn Chri-
ſto vom Vater ſeind gegeben worden/ welches ſeind allein die
Außerwehlten; unter welche Paulus ſich rechnet/ wann er
ſagt: GOtt hat ſeines eigenen Sohns nicht verſchonet/ ſon-
dern hat Jhn fuͤr uns alle dahin gegeben. Nicht ſagt er/ fuͤr
alle ohne Unterſcheid/ ſondern fuͤr uns alle/ verſtehend da-
durch die Außerwehlte Glaubige/ als welche der Krafft und
Wuͤrckung des Todes Chriſti allein theilhafftig werden.
Pareus in Iren. c. 28. p. 243. Communem cum Auguſtino defenſionem
nos habemus. Quod ad magnitudinem \& potentiam precii attinet,
ſanguis Chriſti eſt redemtio totius mundi. Sed qui hoc ſeculum ſine
fide pertranſeunt, redemtionis alieni ſunt. Cur ſic pertranſire à Deo
ſinantur, occulta cauſa eſt, injuſta eſſe non poteſt. \& pag. 245. Agno-
ſcimus ergò hoc dogma noſtrum eſſe, quia eſt Catholicum, (ſcilicet
Catholicum de non Catholico Salvatore.) \& quia contrarium dogma:
Chriſtum eſſe mortuum, tum quoad efficaciam, quàm quoad ſufficien-
tiam λύτρου, non pro ſolis electis, fidelibus, ſalvandis, ſed etiam pro re-
probis, infidelibus, damnatis \& damnandis, eſt manifeſtè falſum \&
impium. Jſt eben als ſpraͤche ich zu einem armen Gefangenen in der
Tuͤrckey: Teutſchland hat wol ſo viel Gold und noch mehr/ daß du dar-
durch koͤnteſt rantzioniret werden/ erlegte ich aber die Rantzion nicht fuͤr
ihn/ ſo waͤre es ein leidiger Troſt. So/ hoͤre ich wol/ hat Chriſtus ſein
Blut vergoſſen fuͤr die jenige/ die allbereit in der Hoͤllen waren/ Core/
Dathan/ Abiram und andere/ ſo haben ſie auch Hoffnung gehabt ihrer
Erloͤſung. σκληρὸς λόγος, das ſcheinet zumal hart. Antwort: Ja
freylich/ nicht als ob es muͤglich/ daß/ nachdem ſie in die Hoͤlle kommen/
haͤtten wieder erloͤßt koͤnnen werden/ ſondern ſufficit olim potuiſſe, und
darum hat er ihnen auch geprediget in der Hoͤlle/ und wird dir alſo auch
O o iijpredi-
[294]Die Zwoͤlffte
predigen am Juͤngſten Tag/ wo du die Zeit deiner Heimſuchung verſau-
meſt/ Unglauben iſt keine kleine Suͤnde/ ſondern die allergroͤſte.
Wird nicht auß Fuͤrwitz/ ſondern zur nothwendigen Warnung
auffgezeichnet/ daß wir an fremdem Schaden ſollen witzig werden/ und
ja nicht mit dem unglaubigen groſſen Welt-Hauffen der Verdam̃nuß
zulauffen. Wie dann leyder zuerbarmen/ daß Chriſtus fuͤr alle Men-
ſchen ſein Blut vergoſſen/ aber der wenigſte Theil deſſen Frucht wuͤrck-
lich genießt/ wieviel 100000. Mann ſind in 22. Jahren auff dem Platz
blieben/ fuͤr die Chriſtus ſein Blut vergoſſen: Ach wie wenig/ meynen
wir wol/ ſind davon ſelig worden: Ja wenig! und daſſelbe wegen des
Unglaubens und Unbußfertigkeit/ das laß dir/ du ſicheres Welt-Kind/
geſagt ſeyn/ verlaß dich nicht darauff/ daß Chriſtus fuͤr dich geſtorben/
Er iſt auch fuͤr Judas Jſchkarioth geſtorben/ er ſagt auch zu dir/ wie zu
Juda/ wann du zu geheſt; Ach lieber Menſch/ heuchle mir nicht/ kuͤſſe
mich nicht wie Judas/ dann ich ſtehe da nicht nur als ein Heyland/ ſon-
dern auch als ein Richter/ quantò præſtantius eſt, quod contemnitur,
tan ò majoribus, qui ſpernit, ſubjacet ſuppliciis. Cyrill. l. 11. in Johan.
So viel edler als das jenige iſt/ ſo man veracht/ ſo viel ſchwe-
rerer Straff macht ſich der Veraͤchter theilhafftig. Chriſtus
iſt auch geſtorben fuͤr die zur Zeit Noe/ aber er hat ihnen eine ſchroͤckliche
Predigt gehalten/ mit deren wartet er auch noch auff dich: Gehe hin du
Verfluchter/ non novi te. Derowegen ſuͤndige nicht/ ſonſt kom̃t das
Blut Chriſti uͤber dich zur Rache/ wie uͤber die Juden. Dienet aber
auch zum Troſt/ der ſich gruͤndet auff dieſe ϖληροφορίαν. Ob jemand
ſuͤndiget/ ſo haben wir einen Fuͤrſprecher/ JEſum Chriſtum/
der gerecht iſt/ derſelbe iſt die Verſoͤhnung fuͤr unſere und der
gantzen Welt Suͤnde/ 1. Johan. 2, 2. Jſt GOtt fuͤr uns/ wer
wil wider uns ſeyn/ welcher auch ſeines eigenen Sohns nicht
verſchonet hat/ ſondern fuͤr uns alle dahin gegeben/ wie ſolte
Er uns mit ihm nicht alles ſchencken.Rom. 8. Laß dir alsdann
das Echo nicht nemmen/ das Glaubens Wort fuͤr dich. Widerſprich
dem Calviniſchen Jrꝛ-Geiſt/ und ſage mit St. Paulo/ Chriſtus hat
mich geliebet/ und hat ſich ſelbs fuͤr mich gegeben/ Gal. 2. ꝟ. ult. An
dieſer application ligt alles. Darum ſiehe Chriſtum an mit Johannis
Adlers Augen/ lege dich mit ihm in ſeinen Schvoß/ ſpatziere mit ihm in
den Garten am Oelberg/ ſtehe unter das Creutz/ und ſchaue das Lamm
an/ ſiehe durch alle Wunden und Striemen/ in die σπλάγχνα ἐλέους,
ſeine
[295]Predigt.
ſeine dornene Kron/ den gegeiſſelten Leichnam/ ſeine Band und Naͤgel/
ſeine außgeſpannete Arm/ das Waſſer und Blut/ und ſey ſtarck wie der
Schaͤcher wider alle Anfechtungen/ faß ein Hertz wie Joſeph von Ari-
mathia den Leib Chriſti außzubetten/ und denſelben im Grab deines Her-
tzens zu verwahren/ und ſeufftze mit Auguſt. inter brachia Salvatoris
mei \& vivere \& mori cupio. Jn den Armen meines Heylandes wil
ich leben und ſterben. So wird das Blut Chriſti in uns werden ein
Strohm/ der ins ewige Leben quillet. Jch wuͤnſche zum Beſchluß der
drey Blut-Predigten: das Blut Chriſti ſey uͤber euch alle/ wie die
Wolcken-Saͤule in der Wuͤſten uͤber den Kindern Jſrael/ und uͤber-
ſchwemme euch alle wie die Suͤndflut/ es ſey fuͤr euch alle/ als das Blut/
das beſſer ſchreyet/ als das Blut Abels. Es ſey mit euch allen in der
letſten Todes-Fahrt/ daß ihr mit demſelben/ als die Schaͤfflein Chriſti/
gezeichnet/ fuͤr euerm Blut-Braͤutigam angenehm erſcheinen moͤget.
Jhm ſey fuͤr ſein Blut und Tod Ehr und Preiß/ Lob und Danck/ jetzt
und zu ewigen Zeiten. Amen.
Die Dreyzehende Predigt/
Von
Der Sacramentlichen Handlung
Chriſti.
GEliebte in Chriſto. WannGregorius Nyſſenus
die Tragœdi und das traurige Spectacul/ ſo der liebe
Jſaac auff dem Berg Moria geſpielt/ bey ſich erwegt/
bricht er in dieſe Wort auß: Vidi ſæpius hujus deſcri-
ptionis imaginem, \& ſine lacrymis tranſire non potui.
Jſt ihme leichtlich zu glauben/ dann wer das Bild Jſaacs
nicht mit groben Kalbs-Augen/ oder mit ſubtilen Mahler-Augen/ die
nur auff die Kunſt ſehen/ ſondern mit erleuchteten Augen anſiehet/ dem
kom̃t mit ſonderbarer Bewegung und Erbarmung des Hertzens vor
1. Iſaac tentatus, wann ſein betruͤbter Vater ihn anſpricht/ und ſagt:
wie Joſephus ſeine Wort fuͤhret Antiq. Judaic. l. 1. c. 14. Mein lieber
Sohn/
[296]Die Dreyzehende
Sohn/ ich habe dich mit hertzlichem Verlangen von GOtt
erbetten/ und nachdem du in dieſe Welt geboren/ mit groſſer
Sorg und Angſt aufferzogen/ und nichts hoͤhers begert zu er-
leben/ dann daß du zu deinem mannlichen Alter kommen/ und
endlich alle meine hinterlaſſene Herꝛſchafft erben moͤchteſt.
Dieweil es aber GOtt alſo wolgefallen hat/ daß ich dein
Vater wuͤrde/ und derſelbige nun auch wil/ daß ich dich Jhm
wieder zuſtellen ſolle/ ſo ſchicke dich ritterlich zu dieſem Opf-
fer. Jch richte mich hierinnen nach GOtt/ der dieſe Ehre
von uns/ die Er ſo gnaͤdiglich bißher erhalten und beſchirmet
hat/ erfordert und haben wil/ du biſt mit dem Geding in die
Welt gebohren/ daß du einmal ſterben ſolleſt/ ſo wirſtu je nun
nicht nach dem gemeinen Lauff der Welt dahin ſterben/ ſon-
dern von deinem leiblichen Vater/ dem Ewigen Vater auff-
geopffert werden/ der dich/ wie zu glauben/ hoͤher geachtet
hat/ dann daß du durch Kranckheit/ Krieg/ oder einen andern
menſchlichen Unfall/ dein Leben ſchlieſſen ſolteſt/ ſondern Er
wil deinen Geiſt unter dem Gebet/ und zwiſchen ſeinem Got-
tesdienſt zu ſich nemmen/ und bey Jhm behalten. Was das
fuͤr eine bleiche Naß gegeben/ iſt leichtlich zu erachten/ er war jung/ und
wie Joſephus meldet/ im 25. Jahr ſeines Alters/ da laßt ſichs ungern
ſterben. Er war der eintzige Erb/ er hatte groſſes Gut/ das ſoll er mit
dem Rucken anſehen/ der greßliche Anblick des Todes ſchroͤcket ihn/ ja
er darff auch wol in die Gedancken gerathen ſeyn/ er muͤſſe ſich hoch an
Gott verſuͤndiget haben/ daß er ſo eines gewaltſamen Todes vom Vater
ſterben muͤßte. Da wird freylich Geiſt und Fleiſch geſtritten und ge-
zweiffelt haben/ obs auch GOttes Wort.
Erbaͤrmlich II. Iſaac obediens, wie er ſich/ da der Vater ihme eine
Opffer-Predigt gehalten/ daß er ſolte ein ſpeculum und præludium des
blutigen Leydens und Sterbens des Herꝛn Meſſiaͤ werden/ willig erge-
ben/ auff das Opffer-Holtz/ das er zuvor auff ſeinem Rucken hinauff ge-
tragen/ anbinden laſſen/ ſeine Gurgel dargereicht/ und kein ungedultige
Geberde von ſich gegeben/ viel anders als Jephthaͤ Tochter/ die wolte zu-
vor ihre Jungfrauſchafft beweinen; dieſer aber ſagte: Er waͤre nicht
werth/ daß ihn der Erdboden truͤge/ wann er ſich entweder
GOttes/ oder ſeines Vaters Willen widerſetzen/ und ſich
nicht mit Luſt ihrem Rath unterwerffen wolte.Joſeph. l. cit.
Ach
[297]Predigt.
Ach wie viel weniger koͤnnen wir mit truckenen Augen anſehen den
antitypum, das erhoͤhete Schlaͤnglein/ die gantze Paſſions-Tragoͤdi.
Erbaͤrmlich Chriſtus tentatus, da der Satan Jhm zugeruffen/ biſt du
GOttes Sohn/ ſo ſteige nun vom Creutz. Erbaͤrmlich war ſein lucta
Oliveti. Ach/ ſagt er/ Luc. 12, 49. Jch bin kommen/ ein Feur an-
zuzuͤnden auff Erden/ was wolte ich lieber/ denn es brennete
ſchon. Aber ich muß mich zuvor tauffen laſſen mit einer
Tauffe/ und wie iſt mir ſo bange/ biß ſie vollendet werde.
Erbaͤrmlich Chriſtus obediens, der Sohn dem Vater gehorſam war/
wie ein Schaͤflein/ das zur Schlachtbanck gefuͤhret wird/ das ſeinen
Mund nicht auffthut/ und verſtummet fuͤr ſeinem Scherer/ daher als
die Weiber ihm gefolgt/ und ſein ſchmertzliches Leyden beweinet/ ſagte er:
Weinet nicht uͤber mich. Sonderlich iſt klaͤglich ſeine Letze/ die Er mit
ſeinen Juͤngern gehalten. Klaͤglich ſein Geſpraͤch: Mich hat hertz-
lich verlanget/ diß Oſter-Lamm mit euch zu eſſen/ ehe denn ich
leyde/ denn ich ſage euch/ daß Jch hinfort nicht mehr davon
eſſen werde/ biß daß erfuͤllet werde im Reich GOttes.Luc. 22,
15. 16. Sein Fuß-waͤſchen und Schurtz-guͤrten/ ſeine Betruͤbnuß im
Geiſt. Warlich/ ich ſage euch/ einer unter euch wird mich ver-
rathen/ des Menſchen Sohn gehet zwar dahin/ wie von Jhm
geſchrieben ſtehet/ doch wehe dem Menſchen/ durch welchen
des Menſchen Sohn verrathen wird/ es waͤre ihm beſſer/ daß
derſelbe Menſch noch nie gebohren waͤre.Matth. 26, 24. Sein
Vaticinium von Petro/ in dieſer Nacht/ ehe der Hahn zweymal
kraͤhet/ wirſtu mich dreymal verlaͤugnen.ꝟ. 34. Erbaͤrmlich ex-
trelnum ſui amoris pignus, da er den Abgrund ſeiner Liebe geoͤffnet/ und
dieſelbe in vollen Flammen geſtanden/ wann Er ſeinen Juͤngern ſeinen
Leib zu einer Speiß/ und ſein Blut zu einem Tranck gegeben. Ein ſtei-
nern Hertz ſolte es bewegt haben/ und ſonderlich Judam/ den Er ſo treu-
lich erinnert: Das kunte ihm nun niemand vor- oder nachthun. Freun-
de laſſen wol das Leben fuͤr einander/ Jſaac wolte ſich laſſen opffern/ aber
Leib und Blut zu ſchencken und zu geben/ und recht das Hertz im Leib
mitzutheilen/ uͤberſteigt Menſchen Vermoͤgen. Wir wollen uns aber-
mal fuͤr dieſe Tafel ſtellen/ dignum DEO ſpectaculum zu betrachten/
und nachdem wir den Hoſpitem mit allen Umſtaͤnden/ deßgleichen Tra-
ctamenta \& adjuncta ſacramentalia erwogen/ wollen wir nun Achtung
geben auff die actus ſacramentales, auff ſeiten Chriſti/ und zwar actus
miniſtros \& præparatorios λῆψιν κιὶ κλάσιν, und dann actus eſſentiales,
Neunter Theil. P pἐυχα-
[298]Die Dreyzehende
ἐυχαριϛίαν καὶ δόσιν. Lauter Liebes-Werck/ die Chriſtliche Hertzen ohne
ſuͤſſe Liebes-Thraͤnen nicht anſchauen koͤnnen. Du ſuͤſſe Liebe ſchenck
uns deine Gunſt/ laß uns empfinden der Liebe Brunſt/ hie Vorſchmacks-
weiß dort in voͤlligem Genuß. Amen.
GEliebte in Chriſto. So ſagen nun die H. Evangeli-
ſten alſo: Der HErꝛ JEſus nam das Brod/ dancket/
brachs/ und gabs ſeinen Juͤngern. Wir wollen dieſe
actus in ihrer Ordnung beſehen. Der erſte iſt Λῆψις. Er nam das
Brod in ſeine heilige Hand/ nachdem der vorige Tiſch auffgehaben wor-
den/ etwas ſonders zu ſtifften und anzufangen/ auſſer Zweiffel haben die
Juͤnger fleiſſig zugeſchauet/ was das werde werden. Er nam es als
ein gemeines Brod/ das ſuͤſſe Brod/ ſo auff dem Tiſch liegen blieben/ ſo
dann auch den Kelch/ in ſeine Hand.
II. Ἐυχαριϛία. ἐυλογἠσας ἔκλαοε, καὶ ἐυχαριϛήσας, ἔδωκεν, Er
dancket und brachs/ Er dancket und gabs/ und alſo ἐυχαριϛία
ἐυλογικὴ, καὶ ἐυλογία ἐυχαριϛικὴ, wie die Evangeliſten und Paulus beydes
bezeugen. Auſſer Zweiffel hat Er ſeine Augen gen Himmel auffgeho-
ben/ wie geſchehen Matth. 14, 19. und ſeinem himmliſchen Vater gedan-
cket/ fuͤr die Goͤttliche und himmliſche Macht und Gewalt/ auch nach
ſeiner Menſchheit Sacramenta zu ſtifften/ Er dorffte Gott nicht aller-
erſt darum anruffen/ wie andere ϑαυματοῦργοι, es war Jhm allbereit dieſe
Majeſtaͤt und Herꝛligkeit im erſten Augenblick ſeiner Empfaͤngnuß/
Krafft der Perſoͤnlichen Vereinigung/ mitgetheilet worden; Gedancket
fuͤr den ewigen Rath/ Vater iſts dein Will/ ſo wil ich ein ungleichliches
Liebes-Zeichen erweiſen. ἐυλογία ἁγιαϛικὴ, dadurch Er das Brod und
den Wein von dem gemeinen Gebrauch erhoben/ und zu heiligen Sym-
bolis und Zeichen gemacht/ mit welchen ſein Leib und Blut Sacrament-
licher weiß ſolte vereiniget werden. ἐυλογία ἐνεργητικὴ, Krafft welcher
noch heutiges Tages im Sacramentlichen Gebrauch der Leib und Blut
Chriſti mit Brod und Wein außgeſpendet wird. Gleichwie der Segen/
den Gott in der erſten Schoͤpffung geſprochen/ noch ſo kraͤfftig/ daß da-
von die gantzo Natur und Creatur wachſet und ſich vermehret/ anders
nicht/ als waͤre er allererſt friſch in dieſelbe geleget worden: Alſo ergeußt
ſich der Segen/ den Chriſtus in der erſten Stifftung geſprochen/ noch
heutiges Tags in unſere diſpenſation, wann die conſecration geſchicht
per verbum \& preces. 1. Tim. 4. und alſo nicht nur bloß hiſtoricè \& nar-
rativè,
[299]Predigt.
rativè, ſondern apprecatoriè: Jn der Griechiſchen Liturgia beym Chry-
ſoſtomo ſtehen dieſe Wort: Ἐυλόγησον ὦ δέσποτα τὸν ἄγιον ἄρτον, ποίησον τὸν
ἀρτον τοῦτον τίμιον σῶμα του Χριϛοῦ σου. Demnach war dieſe ἐυλογία kein
actus vulgaris, wie Er mehrmal zu thun pflegte/ Luc. 24, 30. Dann
daß der Herr auch bey der gemeinen Mahlzeit das Brod geſegnet/ iſt
gewiß/ ob es ſchon die H. Evangeliſten nicht melden/ daß ſie aber dieſer
benediction, und zwar auch beym Kelch gedencken/ das war ein Ge-
heimnuß. Auch nicht Conſecratio Paſchalis, Benedictus es Domine
Deus noſter, Rex univerſi, qui educis panem è terra. Nicht laudativa;
dann die gehoͤret ins Macht-Reich/ den erſten Articul des Apoſtoliſchen
Symboli, und in die vierte Bitt des Vater Unſers. Nicht von ſonder-
baren Ceremonien/ als haͤtte er das Creutz-Zeichen daruͤber gemacht/ wie
Salmeron, oder in die 4. mundi plagas gewebt/ wie Burgenſis gewolt/
‘Salmeron. Tom. 9. tract 12. Vel ipſe, inquit, ſignum crucis fecit, vel nos, pluſ-
quam ipſe fecerit, facimus. Burgenſ. in c. 26. Matth. Benedixit ſigno ali-
quo externo, ut manus impoſitione, vel panis elevatione, aut agitatione in
formam crucis ad quatuor mundi plagas, hodie poſtquàm crucis virtus pro-
mulgata, nos benedicimus ſigno crucis, quia ex cruce omnis vis Sacramen-
torum \& omnis noſtra ſalus deſcendit.’ ()
viel weniger magica, davon Biel, lect. 4. in can. miſſæ. da er ſagt: Con-
fectionem corporis in Sacramento fieri aliquâ occultâ virtute, non in-
ſiſtente ei, à quo fit, ſed aſſiſtente: ſecundum quem modum malefici
\& incantatrices quoſdam effectus producere dicuntur, \& extrahere
lac vaccinum de ſedibus vel manubriis ſecurium, quod non fit natura-
li virtute maleficarum, neque ex earum merito, ſed virtute occulta,
ſive malâ ſive bonâ aſſiſtente. Am allerwenigſten deſtructiva panis
per Tranſſubſtantiationem, wie zwar im Pabſtum abermal gelehret
und vorgegeben wird; weil es aber ein ſolch Abentheur und Ungeheur/
auß welchem andere noch mehr entſpringen/ iſts wol werth/ daß wir daſ-
ſelbe weitlaͤuffiger vortragen und examiniren.
So wird demnach vorgegeben/ es werde/ ſo offt eine Meß gehalten
und die conſecration geſprochen wird/ die gantze Subſtantz des Brods
annihilirt und vernichtet/ und darauff in die gantze Subſtantz des Leibs
und Bluts Chriſti verwandelt/ alſo/ daß nichts mehr von dem Weſen
des Brods und Weins uͤberbleibe/ als die bloſen accidentia, das iſt/ die
Figur/ die Ruͤnde/ Geſtalt/ Farb/ Geruch/ Geſchmack und dergleichen.
Die ſtehen da frey in der Lufft/ ohn einigen Hinderhalt/ oder Behelff/
gantz ſelbſtaͤndig/ und ſteuren ſich an nichts. Tria (ita Catech. Roman.
P p ijad
[300]Die Dreyzehende
ad Paroch. p. m. 216.) enim ſunt maximè admiranda atque ſuſcipien-
da, quæ in hoc ſacramento verbis conſecrationis effici, fides catholica
ſine ulla dubitatione credit, ac confitetur. Primum eſt, verum Chri-
ſti Domini corpus, illud idem, quod natum ex virgine, in cœlis ſedet
ad dextram Patris, hoc ſacramento contineri. Alterum eſt, nullam
in eo elementorum ſubſtantiam remanere: quamvis nihil magis à
ſenſibus alienum \& remotum videri poſſit. Tertium eſt, quod ex
utroque facilè colligitur, \& ſi verba conſecrationis id maximè expri-
munt, accidentia, quæ aut oculis cernuntur, aut aliis ſenſibus perci-
piuntur, ſine ulla re ſubjecta eſſe, mirâ quâdam atque inexplicabili
ratione. Ac panis quidem \& vini accidentia omnia licet videre, quæ
tamen nulli ſubſtantiæ inhærent, ſed per ipſa conſtant: cum panis
\& vini ſubſtantia in ipſum Domini corpus \& ſanguinem ita mutetur,
ut panis \& vini ſubſtantia ominò eſſe deſinant. Das iſt: Drey
Stuck ſeind ſehr wunderſam und wol zu mercken/ ſo vermoͤg
der Einſatzungs-Wort in dieſem Sacrament geſchehen und
vorgehen/ welche die Catholiſche Kirch ohn einiges Wancken
glaubet und bekennet. Das erſte iſt/ daß der Leib des HErꝛn
Chriſti/ und zwar eben der Leib/ der von der Jungfrauen
Maria gebohren/ und nun im Himmel zur Rechten GOttes
des Vaters ſitzet/ in dieſem Sacrament enthalten werde.
Das andere/ daß nichts voͤm Weſen der ſichtbarn Elemen-
ten/ wiewol nichts mehr widerſinniſch zu ſeyn ſcheinet/ uͤbrig
bleibe. Das dritte/ ſo auß beeden leichtlich fließt/ zumalen
auch auß den Worten der Einſatzung erhellet/ daß die zufaͤl-
lige Ding/ ſo entweder mit Augen geſehen/ oder von andern
Sinnen gefaßt werden/ ohne einige Affenthalt/ da ſeyen/ auff
eine wunderſame und unaußſprechliche Weiſe: Alſo/ daß
man zwar die zufaͤllige Ding des Brods und Weins alle ſe-
hen koͤnne/ und dieſelbe doch in keinem Weſen behangen/ ſon-
dern fuͤr ſich ſelbſt beſtehen: weil das Weſen des Brods und
Weins in den weſentlichen Leib und Blut des HErꝛn Chriſti
alſo verwandelt wird/ daß das Weſen des Brods und Weins
gaͤntzlich auffgehaben werde. Und das alles geſchehe in Krafft
der Wort: Hoc eſt corpus meum. Das ſeyen verba practica, wie/
als Chriſtus geruffen/ Lazare veni foràs, er alſobald lebendig worden/
alſo wann der Prieſter ſpreche: Das iſt mein Leib/ ſo bald geſchehe die
Ver-
[301]Predigt.
Verwandlung. Per verba enim (ait Corn. à Lapid. ad Eſa. 7. p. 119.)
conſecrationis, verè \& realiter uti transſubſtantiatur panis, ita produ-
citur \& quaſi generatur Chriſtus in altari adeò potenter \& efficaciter,
u[e]ſi Chriſtus nec dum eſſet incarnatus, per hæc verba, hoc eſt corpus
meum, incarnaretur, corpuſque humanum aſſumeret, uti graves
Theologi docent. Sacerdos eſt ergò quaſi virgo Deipara, præſepe
eſt altare, parvulus Emmanuel, quem parit, eſt Chriſtus ſub parvâ
hoſtiâ, productus per virtutem Altiſſimi, \& per obumbrationem Spi-
ritus Sancti. Das iſt: Durch die Wort der Einſetzung wird
warhafftig und thaͤtlich/ wie das Brod in ein ander Weſen
verwandelt/ alſo auch Chriſtus auff dem Altar auff die Welt
gebracht/ und gleichſam gebohren/ ſo kraͤfftig und maͤchtig/
daß/ wann Chriſtus dazumal noch nicht gebohren waͤre/ Er
durch dieſe Wort/ das iſt mein Leib/ eingefleiſchet wuͤrde/ und
einen menſchlichen Leib an ſich nemme/ wie fuͤrnehme Lehrer
der Kirchen dafuͤr halten. Jſt derowegen der Prieſter gleich-
ſam eine Jungfrau und GOttes Gebaͤhrerin/ die Krippe iſt
der Altar/ das Kind iſt Emmanuel/ der jenige/ den der Prie-
ſter gebaͤhret/ iſt Chriſtus unter einer kleinen Hoſtien/ und das
alles durch die Krafft des Allerhoͤchſten und Uberſchattung
des H. Geiſtes. Dieweil aber dieſes Geheimnuß ſchwer/ und wie
der Roͤmiſche Catechiſmus berichtet/ p. 173. keiner ſo ſchwerlich kan
außgeleget werden/ darum ſie auch nicht ohne Urſach das Forſchen und
Gruͤbeln ſo hefftig verbieten/ und die Vernunfft wollen gefangen genom-
men behalten; Jedoch haben ſie allerhand Gleichnuſſen erdacht/ die
Sach den Layen etlicher maſſen einzubilden. Salmeron brauchet das
Gleichnuß vom Dagon/ der mußte der Lade des Bundes/ dem GOtt
der Hebraͤer weichen. Schickt ſich gar wol auff den Paͤbſtiſchen Aber-
glauben/ dann ja Brod zu einem Idolo panaceo worden. Andere fuͤh-
ren ein das Exempel des Weibes Loth/ ſo in eine Saltz-Saͤul; des
Stabs Moſis/ ſo in eine Schlang; des Waſſers zu Cana/ ſo in Wein
verwandelt worden. Bey welchen Similibus und Gleichnuſſen doch
ſo viel diſſimilia und Ungleichheiten mit unterlauffen/ daß ſie die Sach
nur mehr verwirren und verwicklen. Und das heiſſen ſie myſterium,
ein groſſes Heiligthum im Pabſtum. Darum wann die Wandlung
geſchicht/ ſo laͤutet man ein Gloͤcklein/ jederman zur devotion auffzu-
muntern.
P p iijDaß
[302]Die Dreyzehende
Daß aber im Hochwuͤrdigen Sacrament/ nach der Stifftung und
Ordnung Jeſu Chriſti diſpenſirt und außgeſpendet/ keine Wandlung des
Brods in den Leib Chriſti vorgehe/ das Brod in ſeiner Subſtantz und We-
ſen bleibe/ und nach der conſecration, wie zuvor/ Brod Brod/ und Wein
Wein ſeye/ und einem jeden Com̃unicanten der wahre Leib Chriſti/ unter
und mit dem weſentlichen Brod/ das wahre Blut Chriſti unter und mit
dem weſentlichen Wein com̃unicirt und mitgetheilet werde/ daſſelbe iſt klar
und offenbar/ ja mit Sonnen-Strahlen gleichſam beſchrieben/ 1. in den
Worten der Einſatzung/ das iſt mein Leib/ deren Wort eigentlicher/ na-
tuͤrlicher und erſter Verſtand anders nicht ſeyn kan/ als in/ mit/ und unter
dem geſegneten Brod iſt der wahre Leib Chriſti/ gleichwie Gen. 32. 2. wann
der Ertzvater Jacob auff ſein Geleit/ die H. Engel/ dentend/ ſpricht: Ma-
chane Elohim ſe,diß iſt Gottes Heer. Wann die Tochter Pharao in
ihrem Spatziergang auff das Kaͤſtlein gerathet/ darinnen das feine Kind
Moſes gelegen und geſagt/ ſe mijalde hibrim,diß iſt der Hebraͤiſchen
Kindlein eines.Exod. 2, 6. Wann Petrus in ſeiner Heroiſchen
Pfingſt-Predigt/ auff ſeine und ſeiner Collegen ſchoͤne feurige Pfingſt-
Croͤnlein deutend/ ſpricht: Chriſtus JEſus zur Rechten Gottes erho-
ben/ hat außgegoſſen diß/ was ihr ſehet und hoͤret/Act. 2, 33. Nie-
mand ſolch Abentheur in die Gedancken kom̃en kan/ als waͤren die aͤuſſer-
liche Coͤrper/ in denen die H. Engel erſchienen/ das Kaͤſtlein darinnen
Moſes gelegen/ das Pflngſt-Feur/ ſo uͤber die Apoſtel außgegoſſen wor-
den/ annihilirt/ vernichtet/ außgetilget/ verſchwunden/ und in das Weſen
der Engel/ des Moſis-Kinds/ und des H. Geiſtes verwandelt worden.
Alſo koͤnnen ja keinem vernuͤnfftigen Menſchen/ der ſeine Sinne/ Augen
und Ohren in ſeiner Gewalt hat/ dieſe Gedancken beykommen/ als waͤre
das Brod vernichtet/ und in den Leib Chriſti verwandelt. Es erhellet
2. è Commentario Apoſtolico, 1. Cor. 10. 16. Das Brod das wir bre-
chen/ (nicht die Geſtalt des Brods/ Schein/ Schatten oder Geſpenſt/
als welche nicht koͤnnen gebrochen werden) das iſt/ außtheilen/ iſt die
Gemeinſchafft des Leibs Chriſti. Nun aber iſt keine Gemeinſchafft
ohne unter zwey weſentlichen/ einander gegenwaͤrtigen Dingen/ und wo
eine ſolche Gemeinſchafft/ da hat keine μετουσία und Verwandlung ſtatt
und platz. So wenig als man ſagen kan von dem Waſſer zu Cana/ dar-
auß Chriſtus den koͤſtlichen Wein gemacht/ das Waſſer iſt die Gemein-
ſchafft des Weins/ ſo wenig koͤnte auch der Apoſtel ſolches vom Sacra-
mentlichen Brod ſagen/ wann es in den Leib Chriſti verwandelt wuͤrde.
3. Ex Apoſtolica præventione, ſo geſchickt iſt der Teuffel nicht/ daß er ein
einig
[303]Predigt.
einig Unkraut ſehen koͤnte/ die Sichel iſt ſchon angezeigt/ und an die Hand
gegeben/ daſſelbe außzujaͤtten. Alſo auch hie/ St. Paulus 1. Cor. 11, 26. 27.
nennet das Brod auch nach der conſecration gar emphatiſch/ Panem
HUNC,ſo offt ihr von dieſem Brod eſſet/ welcher unwuͤrdig von
dieſem Brod iſſet/ von welchem Er zuvor geſagt: ꝟ. 24. Nem̃et/ eſſet/
das iſt mein Leib/ der fuͤr euch gebrochen wird. 4. E benedictio-
nis natura, Chriſtus hat das Brod geſegnet/ λα [...]ὼν τὸν ἄρτον καὶ ἐυλογή-
σας \&c. Matth. 26, 26.) wo aber Gott die Creatur ſegnet/ da wird ſie in
ihrem eſſe und Weſen erhalten. Da Gott Menſchen und Vieh durch
ſeinen Segen die immerwaͤhrende propagation eingepflantzet/ hat er die
Natur nicht vertilget/ ſondern durch deſſen Krafft wird ſie noch erhal-
ten/ und vermehret ſich immer fort und fort: allein der Fluch reiſſet die
Natur um/ und machet ſie zu nicht. Matth. 21, 19. 5. E ſana ratione \&
ſenius judicio. Dann es ſiehet ja das Aug Brod und Wein/ der Ge-
ruch riechet beydes/ der Geſchmack ſchmecket beydes/ man ſchmeckets und
greiffts/ daß Brod und Wein fuͤrhanden/ wie kan und ſoll dann der
Communicant ſich bereden und verblenden laſſen/ daß er was er fuͤhlet
und greifft/ glauben ſoll/ es ſeye nichts/ und ſeine Vernunfft gefangen
nemmen/ nicht unter dem Gehorſam Chriſti/ ſondern Anti-Chriſti. Hæc
veritas.
Dieſem allem nach ſo iſt die Tranſſubſtantiatio Pontificia und
Brod-Wandlung 1. Excrementum Anti-Chriſtianum, GOttes Wort/
Chriſti Einſatzung weiß nicht nur nichts hievon/ ſondern hat auch ſolche
ſchoͤne Bruth getoͤdtet/ ehe ſie gebohren worden. Jn der uhralten reinen/
recht-Catholiſchen Kirchen hat man dergleichen niemalen geglaubt/ und
ob wol etliche Spruͤche der Vaͤtter zum Schein mit Haaren herzu gezo-
gen worden/ ſo moͤgen ſie doch den Stich nicht halten. Es haben zwar
die Patres ihre Phraſeologias gehabt/ als μετα [...]οληὺ, μετουσίαν, μετα ποίησιν,
ſpeciem, aber es habens hernach die Barbari nicht verſtanden/ und ihren
Brod-Goͤtzen damit bemaͤntelt/ da doch jene mehr nicht gemeint/ als eine
βελτίωσιν der ſichtbaren Elementen; dann ſie bleiben beſtaͤndig bey der
Gleichnuß perſonalis unionis, und brauchen eben dieſe Wort de Sacra-
mento Baptiſmi, wie dann auch alſo und in keinem andern Verſtand/
nicht auß Forcht/ den Papiſten zu heucheln/ die Wort der Augſp. Confeſ-
ſion zu verſtehen/ Art. 10. Vom Abendmahl des HErꝛn wird alſo
gelehret/ daß wahrer Leib und Blut Chriſti warhafftig unter
der Geſtalt Brods und Weins im H. Abendmahl gegenwaͤrtig
ſeye/ verſtehe ſpecie corporali, unter einer leiblichen Geſtalt/ auff welche
weiß
[304]Die Dreyzehende
weiß von dem H. Geiſt St. Lucas ſagt c. 3, 22. Er fuhr hernider in
leiblicher Geſtalt auff Chriſtum.confer Menz. Exegeſ. Auguſt.
Confeſſ. pag. 363. Lombardus der Meiſter von hohen Sinnen hat die-
ſes pomum eridos zu erſt in die mitten geworffen l. 4. ſentent. diſt. 10.
lit. D. und beſtreiten wollen/ es werde das Weſen Brods und Weins
veraͤndert/ nach ihm haben die Schul-Lehrer den Zanck-Ballen einander
entgegen geworffen/ und ſich ſo lang und viel daruͤber zerbalgt biß Anno
1215. in Concil. Lateran. von Pabſt Innocentio III. ſolcher Jrꝛthum be-
ſtaͤttiget/ auff die Bein kommen und die gantze Bruth außgehecket wor-
den. Jſt alſo nicht alt/ wie ſie verlogener weiß außgeben. Ab initio non
erat ſic. I nunc, \& jacta antiquam fidem. 2. Spectrum Anti-Chriſtia-
num, des Anti-Chriſts Gauckeley/ Abentheur und Verblendung/ da
man den Leuten die Augen blendet/ und uͤberredet/ daß/ was ſie ſchmaͤcken/
ſehen und greiffen/ ſeye nichts. Es war dem Roͤmiſchen Pabſt nicht
gnug der blinde Gehorſam/ und Kelch-Raub/ ſondern es kom̃t noch darzu
ſenſuum faſcinum, der Lay muß mit ſehenden Augen blind ſeyn. Heißt
das nicht geblendet/ und wahr gemacht/ was ſtehet bey Eſa. 6, 9. Gehe
hin/ und ſprich zu dieſem Volck/ hoͤrets und verſtehets nicht/
ſehet und merckets nicht. Verſtocke das Hertz dieſes Volcks/
und laß ihre Ohren dicke ſeyn/ und blende ihre Augen/ daß ſie
nicht ſehen mit ihren Augen noch hoͤren mit ihren Ohren/ noch
verſtehen mit ihrem Hertzen/ und ſich bekehren und geneſen.
Wiewol koͤnnen wir mit St. Paulo ſagen: O Galatæ ἀνόητοι. O ihr
unverſtaͤndigen Galater (Roͤmer/) τίς ὑμᾶς ἐ [...]άσκηνε, wer hat euch
bezaubert/ daß ihr der Warheit nicht gehorchet?Gal. 3, 1. Zu
welcher Verblendung auch gehoͤren die miracula, damit ſie (Bezovius,
Thyræus, Delrio, Drexelius, Breſſerus) prangen/ wie nemlich manch-
mal der geſegnete Wein in Blut verwandelt worden/ das Brod in
Stein/ offtmal hab man an ſtatt der Hoſtien ein rohes Fleiſch geſehen/
daß/ wann man ſie mit einem Meſſer auffgeſchnitten/ oder durchſto-
chen/ Blut herauß geſpruͤtzt/ ja in der Auffhebung der Hoſtien habe
mancher Phantaſt ein kleines zartes Knaͤblein geſehen/ (grad als wann
Chriſtus noch ein kleines und junges Knaͤblein waͤre) damit die Un-
glaubigen zu uͤberzeugen/ wie dann davon gantze Catalogi miraculorum,
oder Wunder-Regiſter fuͤrhanden. Jſt aber alles ſuſpect und arg-
woͤhniſch/ ja es ſeind ſolche die rechte Klauen/ dabey man den hoͤlliſchen
Loͤwen erkennen kan/ eben damit ſie ihrem Greuel ein Anſehen machen
wollen/ damit verrathen ſie ſich. Dann entweder iſt ſolches Blut das
wahre
[305]Predigt.
wahre Blut Chriſti geweßt/ ſolch Fleiſch und junges Knaͤblein ipſiſſi-
mus Chriſtus, Chriſtus ſelbſt/ oder nicht; Jſt ers nicht/ ſo thut ſich die
Idololatria herfuͤr/ und der abgoͤttiſche Teuffel/ indem ſie ſolche Heilig-
thum zeigen und anbetten cultu lipſanolatrico, und iſt der Sache nicht
geholffen/ wann man ſagt/ coli, quia miraculoſa, man thue ihnen ſolche
Ehre an/ weil ſolche herꝛliche Wunder dabey vorgegangen. Thyræus
ihr eigener Prophet beſchlaͤgt ſie wol/ ſic \& ſerpens fuiſſet adorandus,
in quem virga Moſis mutata, auff dieſe weiß haͤtte man auch die Schlang
muͤſſen anbetten/ in welche Moſis Stab verwandelt worden. Jſt es
aber der wahre Leib und Blut Chriſti geweſen/ ſo thut ſich herfuͤr ſpiritus
blaſphemiæ, der da glaubet/ Chriſti Leib koͤnne verwundet und geſtochen
werden; dann ſie bekennen/ daß ſolche hoſtia ſey vexata, laniata, cruen-
tata, affixa, conculcata pedibus dæmoniacis, und hilfft ſie Chriſti συγ-
κατα [...]ασις nicht/ dann Er laßt jetzt den Paſſion nicht mehr mit Jhm ſpie-
len/ Er iſt nun in ſeine Herꝛligkeit eingegangen/ und herꝛſchet mitten un-
ter ſeinen Feinden/ Pſalm. 110. 3. Spectrum monſtroſum, wegen der
ſchroͤcklichen/ abſcheulichen/ aͤrgerlichen und unvermeidentlichen Conſe-
quentien/ ſo darauß gefolget/ und den Schul-Lehrern den Kopff gebro-
chen. So lang die ſpecies waͤhrt/ ſo lang waͤhret die præſentz/ das iſt auß-
gemacht/ daher kan nun der Leib Chriſti mit leiblichen Fuͤſſen getretten/
‘Strada lib. 5. bell. Belg. p. 216. In Antverpia Iconomachi etiam auſi in Sacram
panis cœleſtis arcam inferre pollutas manus, detractum in Sacroſanctum
Domini corpus, adoratum illud formidatumque cœlitibus Numen pedibus
ſubjiciunt mortales impuriſſimi.’ ()
in alvum tranſmittirt/ ja ein Mauß oder ein Hund/ ſo eine hoſtiam iſſet
und hinab ſchlucket/ des Leibs und Bluts Chriſti theilhafftig werden/
und wie/ wann ein Prieſter auß eckel und κακοϛομαχίᾳ, die hoſtiam evo-
mirt und außſpeyet? Wann auß der beygeſetzten Hoſtien Wuͤrme wach-
ſen/ und der Wein zu Eſſig wird? Was werden fuͤr ſchoͤne Sachen her-
auß kommen. Darum iſt hie wahr/ was Chriſtus ſagt Matth. 7, 16.
Kan man auch Trauben leſen von den Dornen/ oder Feigen
von den Diſteln? Alſo ein jeglicher guter Baum bringet gu-
te Fruͤchte. Aber ein fauler Baum bringet arge Fruͤchte.
III. Κλάσις, fractio.Er brach das Brod/ ſagen die H. Evan-
geliſten/ 1. judaicè, nemlich nach Juͤdiſcher Gewonheit/ dann ſie/ wie Ba-
ronius ad ann. 58. berichtet/ panes bucellatos \& lineatos, gehabt die
Neunter Theil. Q qman
[306]Die Dreyzehende
man leichtlich/ ohne Verzettelung der Broſamen mit der Hand brechen
mocht. 2. Organicè præparatoriè, damit es zur vorhabenden Außthei-
lung geſchickt ſey. Jſt M. L. heutiges Tages indifferens, weder gebot-
ten/ noch verbotten/ wie es dann auch in der erſten Kirch frey geweßt.
Etliche orientales ſchnitten das Brod ſacrâ lanceâ, λόγχῃ, in welcher
Freyheit wir auch ſtehen/ und laſſen uns davon nicht abtreiben/ nach der
Vermahnung Pauli Galat. 5, 1. So beſtehet nun in der Freyheit/
damit uns Chriſtus befreyet hat/ und laſſet euch nicht wieder-
um in das knechtiſche Joch fangen. Ob wir gleich daruͤber als
hartnaͤckige Zaͤnck er nnd Friedenſtoͤhrer vom Gegentheil außgeruffen
werden. Wann ſie/ die Zwinglianer/ es frey lieſſen/ oder nur ſo fern noth-
wendig hielten/ daß man auch auſſer dem actu ſacramentali die maſſam
zertheilen/ und hernach brechen und außtheilen moͤcht/ wolten wir bald
eines ſeyn; aber ſie greiffen uns unſere Freyheit an/ ſie haltens fuͤr ſo
noͤthig/ als eſſential, ohn welche das Sacrament geſtuͤmmelt iſt.
Fractio panis eſt de eſſentia \& forma cœnæ Dominicæ, Polan. l. 6. c. 56.
Das Brod-brechen gehoͤret zum Weſen und Form des heiligen
Abendmahls.Fractio panis non eſt indifferens, ſed neceſſaria cere-
monia, \& proinde intermitti nunquam debet. Alting. in Syllab. con-
troverſ.Die Brechung des Brods iſt kein frey Mittelding/
ſondern eine nothwendige Ceremoni/ und daher kan ſie niema-
len unterlaſſen werden. Aber es ſeind wol Mucken-Saͤuger und
Cameel-Verſchlucker/ die ihnen in geringen Sachen ein Gewiſſen ma-
chen/ unterdeſſen die groͤſten und wichtigſten Stuck nicht achten. Wir
weichen ihnen hierinnen keinen Fingers breit/ auch nicht ein Augenblick/
und ſagen/ es ſeye ein indifferens, der Noth-Zwang koͤnne mit keinem be-
ſtaͤndigen Grund der Warheit erhaͤrtet werden.
Nun es wil doch gleichwol dieſer Geiſt nicht bloß ſtehen/ er hat ſeine
rationes, darauff er fußet/ wir wollen ſie auff die Waag legen. Die 1.
iſt Mandatum Chriſti, was Chriſtus im H. Abendmahl gethan/ das
ſeind wir zu thun auch verpflichtet. Chriſti actio noſtra inſtitutio. Nun
hat Er das Brod gebrochen/ E. 2. Auctoritas Eccleſiæ und Anſehen
der Apoſtoliſchen Kirchen/ welche dieſen Brauch des Brod-brechens alſo
feſt und genau gehalten/ daß auch das gantze Geheimnuß des H. Abend-
mahls davon den Nahmen bekommen/ Act. 2, 42. c. 20, 7. 3. Repræſen-
tatio paſſionis, da gleichſam als in einem Spiegel/ ſichtbarn Gemaͤld
und Bibel das Leiden Chriſti fuͤr Augen geſtellet wird: und dann 4. die
Remotio der Meynungen de Tranffubſtantiatione \& Conſubſtantia-
tione,
[307]Predigt.
tione, Verweſelung/ Beyweſelung/ und Einſchluß/ dann durch ſolche
anatomi und Bruch/ thue man den Deckel vom Hafen/ und komme auff
den Augenſchein/ das nichts im Brod-Brechen verborgen liege.
Diß ſind ihre rationes, hie liegen ſie auff der Waag/ aber tekel, tekel,
man hat ſie auff einer Waag gewogen/ und zu leicht befunden/ und zwar
was anlanget 1. die erſte; dann wann der Befehl Chriſti/ Solches thut/
in ſich begreifft alles/ was Chriſtus bey der Sacramentlichen Handlung
verrichtet/ ſo muß man auch das H. Abendmahl zu Nacht halten/ ſich
um den Tiſch herum laͤgern/ ungeſaͤurt Brod gebrauchen/ den Wein
vielleicht mit Waſſer brechen/ und anders dergleichen mehr. Darum
das τοῦτο ſich allein beziehet auff die actus Regios, ſubſtantiales, invaria-
biles und Haupt-Handlung/ ſo das Weſen und Vollkommenheit des
Sacraments machet/ dergleichen weder die Nacht-Zeit/ noch Tiſch-Lage-
rung/ und alſo auch nicht das Brod-Brechen/ ſondern es iſt dieſe Fractio
ein occaſional-miniſterial- und Vorbereitungs-Handlung/ weil damal
Juͤdiſch Brod/ auff Juͤdiſche Art und Manier formirt/ duͤnne/ breite/
ungeſaͤurte Kuchen biſſens-weiß mit Linien gezeichnet/ auff dem Tiſch ge-
legen/ ſo hat es Chriſtus gebrochen. Wo nun ſolche Art Brod nicht im
Brauch/ mag auch das Brod-Brechen unterlaſſen werden. 2. Zuleicht
auch die andere/ dann zugeſchweigen/ daß es noch nicht erwieſen/ daß
St. Lucas Act. 2, 42. \&c. von dem Sacramentlichen Brod-Brechen re-
de: Maſſen viel Lehrer der Kirchen das gemeine einmuͤthige Eſſen auß
gemeinen Guͤtern der Heiligen verſtehen. Act. 20, 11. Act. 27, 35. Wird
auch des Brod-Brechens gedacht; Es iſt aber daſelbſt vom Sacrament
keine Meldung geſchehen. Doch geſetzt/ es waͤre das H. Sacrament
das Brod-Brechen genennet worden/ ſo folget doch darum noch nicht/
daß das Brod-Brechen eine nothwendige/ unumgaͤngliche Goͤttliche
Handlung ſeye. Es wird ja auch dieſes H. Sacrament das Abend-
mahl des Herrn genennet/ von der Zeit der Stifftung/ und weilen es
im Anfang mehrmalen des Abends gehalten worden/ 1. Cor. 11, 20. Es
kan aber dannenhero nicht geſchloſſen werden/ daß die Nacht oder der
Abend/ eine nothwendige und unumgaͤngliche Zeit dieſes H. Sacra-
ments zu halten ſeye. Uber das iſt keine conſequentz: Es wird das
H. Abendmahl ein Brod-Brechen genennet/ E. propriè und eigentlich/
im buchſtaͤblichen Verſtand/ warum erdichtet man hie keinen tropum,
und verſtehet fractionem ſynecdochicam, ſo fern eine jede Mahlzeit bey
den Hebreern fractio genennet wurde/ wie bey den Griechen συμπόσιον?
Q q ijHebræis
[308]Die Dreyzehende
‘Hebræis (ait Caſaub. exerc. 16. n. 38.) frangere panem uſitatiſſima
locutio eſt de cibum ſumentibus; \& frangere panem cum ali-
quo eſt συνδειπνεῖν. Atque ut Græci à parte alterâ, potu nempe
totam actionem appellarunt συμπόσιον, ſic Hebræi ab eſu \& fra-
ctione panis totum convivium denotarunt.’ ()
Nicht weniger 3. die dritte. Maſſen Chriſti ſcopus damal nicht
war/ bilden/ ſondern den Schatz zu genieſſen geben/ das Abendmahl war
kein Schau-Spiel/ ſondern Schatz-Ubergab/ kein Schatten-Werck/
ſondern Schatz-Werck. Jſt es Chriſto (iſt die Antwort H. D. Dor-
ſchen ſel. in ſeiner Schrifftmaͤßigen Betrachtung D. Zwingers Predigt/
pag. 84.) um die Abbildung ſeines Leidens zu thun geweſen/
warum iſt nicht das Oſter-Lamm behalten worden/ das hat
eigentlich ſein Leyden/ Blutvergieſſen und Sterben abgebil-
det: Warlich/ es iſt klar genug/ daß Chriſtus nicht Schat-
ten und Fuͤrbild im Abendmahl haben wollen/ ſondern auff
den Genuß ſeines Leibes fuͤrnemlich geſehen/ weil Er das
Brod-Brechen fuͤr die Hand genommen. Dann es gar dun-
ckel und weitloß vom Leyden und Creutz etwas fuͤrmahlen
kan/ und muß der gute Augen haben/ der es warnim̃t. Wer
wils glauben/ daß Chriſtus eine ſolche finſtere/ unlautere/
weitloſe Bildnuß des Brod-Brechens/ an ſtatt der klaren
und ſchoͤnen Figur des Oſter-Lamms habe ſetzen wollen.
Wann Chriſtus die Apoſtel vom Toͤdten und Braten des
Oſter-Lamms/ als einem ſchoͤnen glaͤntzenden Fuͤrbild/ nicht
auff das Weſen ſelbſten/ ſondern auff das fuͤrbildende Brod-
Brechen gefuͤhret haͤtte/ haͤtte er ſie vom heitern ins dunckel ge-
fuͤhret. Uber das iſt keine analogia unter dem Brod-Brechen und
Leyden Chriſti. Lieber/ (ſeind abermal Wort angezogenen ſel. Au-
ctoris l. cit.) Was iſt am Brod-Brechen/ das das Leyden
Chriſti ſo troͤſtlich abbilden koͤnte. Jſt doch das Brod un-
empfindlich und ohne Schmertz. Solte das allergrauſam-
ſte/ erſchroͤcklichſte und unaußſprechlichſte Leyden und Ster-
ben JEſu durch dieſes lebloſen Elements des Brods Zerthei-
lung nach Art des Neuen Teſtaments wol haben abgebildet
werden koͤnnen? Solte es nicht zur Verkleinerung und Ver-
ringerung des ſchmaͤhlichen und ſchmertzlichen/ ja groſſen
und
[309]Predigt.
und unbegreifflichen Todes gereichen/ wann dieſes zum Zweck
des Brod-Brechens wolte gezogen werden? Warum ziehet
man nicht das Backen des Brods und deſſen halb Durch-
ſchneidung/ die doch etwa vor der Auffſetzung auff dem Tiſch
geſchiehet/ auch hieher? dann die Hitz des Back-Ofens den
feurigen Zorn GOttes vielleicht beſſer abbilden koͤnte/ als das
Brod-Brechen das Leyden Chriſti abbilden mag/ wann man
Fuͤrbilder in dieſem hohen Handel zu ſuchen haͤtte. Aber der-
geſtalt wuͤrde diß Sacrament endlich fuͤr dem Back-Ofen ge-
halten werden muͤſſen. Lieber/ wie ſchickt ſich zuſammen das
Durchgraben der Haͤnde und Fuͤſſe Chriſti und das Brod-
Brechen; Und abermal/ das erdulden der hertzbrechenden
Schmach Chriſti und das Brod-Brechen; Und abermal/
der Abbruch des Tempels des Leibs JEſu Chriſti und das
Brod-Brechen? wie fuͤhret uns das Brod-Brechen auff
dieſe hohe bedenckliche Leiden JEſu Chriſti? Ja/ ſagen ſie/ es
deute St. Paulus hell und klar darauff 1. Cor. 11, 24. Nemmet/
eſſet/ das iſt mein Leib/ der fuͤr euch gebrochen wird. Aber es
wird noch viel Waſſer den Rhein hinab lauffen/ ehe ſie bewei-
ſen werden/ daß eben St. Paulus nothwendig/ wann er die
Wort der Stifftung Chriſti alſo erzehlet/ auff das Brechen
des Brods geſehen haben muͤſſe. Mercke du Gotts-verſtaͤn-
diges Hertz! Chriſtus hat nach Vermeldung St. Lucaͤ ge-
ſagt/ das iſt mein Leib der fuͤr euch gegeben wird. St. Pau-
lus ſagt/ Chriſtus habe geſprochen/ das iſt mein Leib/ der fuͤr
euch gebrochen wird. Jſt alſo gebrochen worden/ und dahin
gegeben worden/ nach dem Verſtand in der Schul des H. Gei-
ſtes eins/ Chriſtus hat nicht Griechiſch/ ſondern Syriſch ge-
redet/ iſt vermuthlich/ er habe auch dem Verſtand nach ein
ſolch Wort gebrauchet/ welches das Hauptwerck des Leidens
Chriſti angezeigt. Und lieber hat Chriſtus auch auff das
Geben des Brods/ das auffs Brechen erfolget/ geſehen/
wann er nach Auſſag St. Lucaͤ des H. Evangeliſten geſpro-
chen/ nemmet/ eſſet/ das iſt mein Leib/ der fuͤr euch gegeben
wird: Es habens noch keine auß D. Zwingers Schul ſagen
wollen. Dann das erſte Geben/ davon in der Stifftung
Meldung geſchiehet/ iſt ein Geben zum Eſſen/ das ander iſt
Q q iijein
[310]Die Dreyzehende
ein Geben zum Creutz/ wie ſolt dann eben St. Paulus mit
dem Leib-Brechen auff das Brod-Brechen geſehen haben?
Ita rurſus ille pag. 86. Wie dann auch endlich die vierte: Maſſen die
Unwarheit zu entdecken keiner neuen Lugen vonnoͤthen.
IV. Diſtributio.Er gabs. Ob Er den Juͤngern in die Hand
oder in den Mund gegeben/ davon berichten die H. Evangeliſten nichts/
das Geben in die Hand kan auß dem Wort λαμ [...]άνειν nicht erwieſen wer-
den/ wie erhellet auß Joh. 19, 30. Jſt abermal ein adiaphorum und
Mittelding. Jn der erſten Kirchen gab man es/ wie Baron. ad ann. 57.
bezeuget/ den Maͤnnern in die Hand/ den Weibern in linteo. Daher
Ambroſius zu Theodoſio geſagt: Iſtaſne adhuc ſtillantes injuſtæ cædis
cruore manus extendes, \& corpus ſanctiſſimum prehendes?Wiltu
deine von unſchuldig-vergoſſenem Blut noch trieffende Haͤn-
de außſtrecken/ und damit den allerheiligſten Leib faſſen und
beruͤhren? Jſt aber hernach auß Chriſtlicher Freyheit/ wie die Immer-
ſio in Baptiſmo, die Eintauchung in der Tauff/ geaͤndert worden. Ob
es der Herr ferner allen gereicht/ oder einer dem andern/ wie zu Zuͤrch
geſchicht/ als Lavaterus ſchreibet:
‘Poſthac (ita enim ille in Libro de Ritibus Eccleſiæ Tigurinæ c. 13. inter cætera
ſcribit) per totam Eccleſiam miniſtri azy mum panem (Euchariſticum) in pa-
tinis circum ferunt, \& accipit quiſque ſuâ manu particulam de exhibito pa-
ne, \& poſteà reliquam partem dat proximè aſſidenti. Denique ſequuntur
alii miniſtri cum poculis \& cantharis, ac præbet alius alii poculum Domini-
cum atque ſic omnes de uno pane participant.’ ()
Laſſen wir auch im Mittel. Wir empfangens alle mit dem Mund vom
Kirchen-Diener/ als einem Außtheiler der Geheimnuſſen Chriſti/ welcher
auch (ſonderlich im Nothfall) ſich ſelbs wol communiciren mag. Ver-
werffen im gegentheil die Paͤbſtiſche Meß/ da der Prieſter allein genießt
in commodum aliorum, andern zu gutem/ und ſprechen/ es lauffe wider
die Einſatzung Chriſti/ nach welcher die Conſecration ohne diſtribution
und Außtheilung nicht ſeyn ſoll/ laſſens auch nicht gelten/ daß einer fuͤr
den andern communiciren koͤnne/ ſo wenig/ als einer fuͤr den andern kan
getaufft werden. Weil aber dieſes Monſtrum der Meß/ cor \& palla-
dium Papatus, wollen wir daſſelbe etwas weitlaͤuffiger/ nach allen Um-
ſtaͤnden/ erklaͤren und vortragen. So erzeigen ſich nun darinnen aller-
hand actus \& ſcenæ, abentheurliche Ceremonien/ Allfaͤntzereyen und
Gauckeleyen/ murmeln/ Creutz machen/ ſchreyen und dergleichen/ die alle
zu erzehlen unnoͤthig. Wir wollen nur die fuͤrnehmſten beruͤhren. 1. Chri-
ſtus
[311]Predigt.
ſtus iſt totius Tragœdiæ fabula, der iſts/ der muß gleichſam herhalten/
ſein Leib und ſein Blut iſt victima incruenta, donum Patric cœleſti \&Marchant.
hort. Paſt.
p. 778.
B. Virgini offerendum, das unblutige Opffer und Gabe/ die Gott dem
H. Vater und der ſeligen Jungfrauen Mariaͤ dargebracht werden ſoll/
und daſſelbe vermumt unter der Nebel-Kappen der aͤuſſerlichen verwan-
delten Geſtalt des Brods und Weins: 2. Der andereActus iſt die
Mißhandlung ſelbs/ das iſt/ die Conſecrirung/ Auffhebung/ Nieſſung/
das Eſſen und Trincken des Prieſters/ heißt Sacrificatio, das ſoll nichts
anders ſeyn/ als conſumtio quoad eſſe ſacramentale. Jſt aber noch
nodus vindice Papâ dignus. 3. Die uͤblichen Wort der Auffopfferung
ſeynd. Suſcipe ſancte Pater, hanc immaculatam hoſtiam, quam ego in-Idẽ p. 776.
dignus famulus offero tibi Deo meo vivo \& vero, pro innumerabili-
bus peccatis, offenſis \& negligentiis meis, \& pro omnibus circumſtan-
tibus, ſed \& pro omnibus fidelibus Chriſtianis vivis atque defunctis, ut
mihi \& illis proficiat ad ſalutem in vitam æternam. Das iſt: Heili-
ger Vater/ nim̃ an dieſes unbefleckte Opffer/ ſo ich unwuͤrdi-
ger Diener/ dir dem lebendigen und warhafftigen Gott dar-
bringe/ fuͤr meine unzaͤhliche Miſſethat/ Suͤnd und Schuld/
und fuͤr aller derer/ die bey mir ſtehen/ ja aller glaubigen Chri-
ſten/ ſo wol deren die noch leben/ als die albereit verſchieden/
daß es mir und ihnen gedeye zur Seelen Heyl/ und ewiger
Seligkeit. 4. Finis, Propitiatio peccatorum, die Vergebung derv. Stœcker
Elench.
Catech.
Antipap.
p. 1215.
Bellarm.
l. 2. de Miſſ.
c, 4.
Suͤnden/ ſo wol der laͤßlichen als Tod-Suͤnden/ Erlangung aller Gut-
thaten/ inſonderheit der wahren Buß/ als durch welche der Suͤnder zur
Vergebung ſeiner Suͤnden kommen kan/ und zwar ex opere operato,
ob ſchon die Perſon/ fuͤr welche die Meſſe gehalten wird/ bey Gott nicht
angenehm und in Gnaden. Zugleicher weiß/ wann ein unbekanter oder
verhaßter Menſch bey einem Fuͤrſten um etwas durch eine andere Mittel-
Perſon/ deren der Fuͤrſt nichts verſagen kan/ anhielte/ der wuͤrde ohne
Zweiffel erhalten/ was er ſucht/ und doch gleichwol haͤtte die Supplica-
tion ſolchen Nachtruck nicht ex opere operantis, in Anſehen der Quali-
taͤten des Clienten/ als welcher gantz unbekant/ oder in Ungnaden/ ſon-
dern in Anſehen des Patroni, der bey dem Fuͤrſten ſo wol daran: alſo iſt
auch die Meſſe ein ſolches Sacrificium impetratorium, ein Verſoͤhnungs-
Opffer/ daher/ daß mancher Suͤnder zur Buße gebracht wird/ und weiß
nicht wie/ das hat er der Meſſe zu dancken. Doch aber ein Verſoͤhn-
Opffer von gemeſſener/ endlicher und unumſchrenckter Krafft und
Wuͤrckung; dann (wie Bellarmin. l. 2. de Miſſ. c. 4. ſagt) wenn ein ei-
nige
[312]Die Dreyzehende
nige von unendlichem Valor und Guͤltigkeit/ koͤnte ſie alles erlangen/
die uͤbrigen waͤren ja umſonſt und vergebens. 5. Finis hujus objectum,
dieſe herꝛliche Nutzbarkeit gehet an alle Lebendige/ ſo im Schooß der Kir-
chen/ Fromme und Gottloſe/ auch directè die Unbußfertigen/ als wel-
chen unfehlbar dieſes Opffer neue und gewiſſe Huͤlffs-Mittel erlanget/
Krafft welcher ſie koͤnnen zur Buß gebracht werden. Indirectè aber
auch die/ ſo auſſer der Kirchen ſeind. Bellarm. l. 2. de Miſſ. c. 6. Nach-
gehends den Abgeſtorbenen im Fegfeur/ ſo noch nicht voͤllig gereiniget/
Concil. Trident. Seſſ. 6. c. 2. conf. Tanner. q. 9. dub. 4. n. 90. Bellarm.
lib. 2. de Miſſ. c. 7. und dann den Heiligen im Himmel/ nicht zwar zur
Erlaſſung ihrer Schuld und Straff/ ſondern zur Vermehrung ihrer
Freud und Herꝛligkeit. Tanner. l. cit. q. 9. dub. 4. num. 89. und dieſe
wird genennet Miſſa exaltationis. Dannenhero der Tridentiniſche
Jnpiter alſo fulminirt. Seſſ. 6. can. 1. \& 3. Si quis dixerit, in Miſſa
non offerri DEO verum \& proprium ſacrificium, anathema ſit. Si
quis dixerit, Miſſæ ſacrificium tantùm eſſe laudis \& gratiarum actio-
nis, aut nudam commemorationem ſacrificii in cruce peracti, non au-
tem propitiatorium, anathema ſit.Wer ſagt/ daß in der Meſſe
GOtt kein warhafftig und eigentlich Opffer dargebracht
werde/ deßgleichen daß das Meß-Opffer kein Verſoͤhn-Opf-
fer/ ſondern nur ein Lob- und Danck-Opffer/ oder eine bloſe
Erinnerung des am Creutz geſchehenen blutigen Opffers ſeye/
der ſoll verflucht ſeyn. Jſt auch deßwegen mit herꝛlichen Elogiis
gezieret. DEO nihil, (inquit Marchant. hort. paſt. p. 777.) honori-
ficentius, nihil dignius, aut ſanctius, nihil pro peccatis efficacius, nihil
hominibus utilius, nihil opulentius, nihil gratius JEſu Chriſto, Ma-
riæ Virgini, Angelis, aut beatis mentibus ab Eccleſia militante poteſt
præſentari. das iſt: Es kan die ſtreitende Kirch GOtt nichts
herꝛlichers/ heiligers und wuͤrdigers/ fuͤr die Suͤnde nichts
kraͤfftigers/ den Menſchen nichts nutzlichers/ JEſu Chriſto/
der Jungfrauen Mariaͤ/ den Engeln/ und außerwehlten
Seelen nichts angenehmers/ als dieſes Opffer darſtellen.
Es ſeye tributum quotidianum Eccleſiæ militantis primo auctori vi-
tæ \& mortis oblatum, vita nempe \& mors JEſu Chriſti primoge-
niti omnis creaturæ,der taͤgliche Schooß und Zoll/ da die
ſtreitende Kirch dem HErꝛn uͤber Leben und Tod/ das Leben
und Tod JEſu Chriſti des Erſtgebohrnen vor allen Crea-
turen uͤbergibt und darreicht.Perfectiſſimum holocauſtum
ardentiſſi-
[313]Predigt.
ardentiſſimæ charitatis, in quo ipſe DEUS ſacri amoris, Chriſtus JE-
ſus ſeipſum ut victimam transfert, \& conſumit ad honorem Patris?
Renovat enim hîc totum charitatis ignem flagrantiſſimum, quo ejus
cor unquam vel in cœna amoris externi extrema ſcena, vel in cruce
igniti amoris exæſtuante fornace, vel in tota ſimul vita exarſit.Das
allervollkommenſte Brand-Opffer der feurigen Liebe/ da der
keuſche Liebes-GOtt/ JEſus Chriſtus/ ſich ſelbſt als ein
Opffer dargibt/ und zu Ehren ſeines Himmliſchen Vaters
auffopffert. Dann hie zuͤndet Er von neuem an das flammen-
de Liebes-Feur/ damit Er jemal entweder im H. Abendmahl/
als in der letſten aͤuſſerlichen Liebes-Handlung/ oder am
Creutz/ als der feurigen Liebe feurigen Glut/ oder in ſeinem
gantzen Leben gegen uns entbrandt.Erectio ſcalæ myſticæ, quæ
quotidiè nobis præſtò eſt, ſacrificio mediante, ut ad cœleſtia aſcenda-
mus: \& angeli ſunt hîc aſcendentes \& deſcendentes, ut vota noſtra
ad DEUM ferant, \& dona referant.Die Auffrichtung der geiſt-
lichen Himmels-Leiter/ ſo taͤglich/ vermittelſt dieſes Opffers/
fuͤr uns ſtehet/ daß wir Himmel an ſteigen koͤnnen: hie ſeind
die auff- und abſteigende Engel/ daß ſie unſere Seuffzer/
Wunſch und Begierde fuͤr GOtt bringen/ und nachmalen
mit Gaben uns erſcheinen und erfreuen. Wann nun der arme
Lay ſolche Elogia hoͤret/ ſperret er das Maul auff/ haͤlts fuͤr das groͤſte
Heiligthum/ fuͤr das beſte Morgen-Gebet/ das unum neceſſarium, an
dem alles gelegen/ hoͤher als alle Predigten. Summa/ man haͤlt im
Pabſtum ſo viel auff die Meſſe/ daß dieſelbe wol anima Papatus mag ge-
nennet werden/ und mancher ehe ſeine Seele fahren ließ/ als die Meſſe.
Wann wir aber diß vermeinte groſſe Heiligthum gegen dem klaren
Liecht der himmliſchen Warheit halten/ wird ſichs befinden/ daß es kein
Heiligthum/ ſondern ein Hoͤllenthum/ Greuel und Scheuſal ſey/ ein
Spott und Hohn/ dem Sohn GOttes angethan. Wir wollen es al-
les heiter erweiſen. Es iſt I. Paradigma blaſphemum, kein gemeiner
Spott/ ſondern eine ſchnoͤde Gottes- und Chriſt-Laͤſterung/ dadurch
Chriſtus gemacht wird 1. Salvator miſer, ein elender Heyland/ der
Menſchen-Huͤlff begierig/ fuͤr den der Meß-Pfaff beten/ den die Engel
als Eliam oder Lazari Seel in Himmel tragen muͤſſen/ dann ſo lautet
der Canon, ut hoſtiam oblatam, hoſtiam puram, hoſtiam ſanctam,
Neunter Theil. R rhoſtiam
[314]Die Dreyzehende
hoſtiam immaculatam propitio \& ſereno vultu reſpicere dignetur \&
acceptam habere, quemadmodum accepta habere dignatus eſt mu-
nera juſti Abel, \& ſacrificium Patriarchæ Abraham \& Melchiſedechi,
Es wolle GOtt dieſes dargeſtellte/ reine/ heilige/ unbefleckte
Opffer mit gnaͤdigen und froͤlichen Augen anſchauen/ und fuͤr
angenehm halten/ wie ihme angenehm geweſen die Erſtlinge
des gerechten Abels/ und das Opffer des Patriarchen Abra-
hams und Melchiſedechs.Item, ut jubeat proferri per manus
ſancti Angeli ſui in ſublime altare ſuum, in conſpectu divinæ majeſta-
tis ſuæ.Er wolle es durch die Hand ſeines heiligen Engels laſ-
ſen bringen auff ſeinen heiligen Altar/ fuͤr das Angeſicht ſei-
ner Gottlichen Majeſtaͤt. Wie kom̃t aber unſer Heyland darzu/
daß der Meß-Pfaff und Meß-Knecht fuͤr Chriſtum beten ſoll? Jſt Er
nicht der jenige/ der fuͤr uns bitt und uns vertritt? Jſt Er nicht der jeni-
ge/ an dem der Vater ein Wolgefallen hat?Matth. 3, 17. Jn
welchen wirdilecti in dilecto,angenehm gemacht in dem Gelieb-
ten?Eph. 1, 6. Jſt er nicht ſelbſt auß eigener Krafft gen Himmel ge-
fahren/ und eingegangen in den Himmel ſelbſt nun zuerſcheinen
fuͤr dem Angeſicht GOttes fuͤr uns?Hebr. 9, 24. Soll der Meß-
Prieſter Gott im Himmel ſeinen Sohn ſchencken/ ja ſchoͤn/ wie Pilatus
den Leichnam JEſu dem Joſeph? 2. Imperfectus Salvator, ein Stuͤm-
pel-Heyland. Entweder iſt Er ein vollkom̃ener Heyland/ und ſo bedarff
er nur eines Opffers/ oder er iſt ein Stuͤmpler und Unvollkommen.
Pauli Himmel-feſte Schluß-Red lautet alſo: Omne reiterabile eſt
imperfectum. Dann darum mußten die Opffer A. Teſtaments wieder-
holet werden. Hebr. 10, 1. 2. Alle Jahr muß man opffern immer ei-
nerley Opffer/ und kan nicht die da opffern vollkommen ma-
chen; (es laßt noch conſcientiam peccati uͤber) ſonſt haͤtte das Opf-
fern auffgehoͤrt/ wo die/ ſo am Gottesdienſt ſind/ kein Gewiſ-
ſen mehr haͤtten von den Suͤnden/ wenn ſie einmal gereiniget
werden. Chriſti Opffer aber iſt vollkommen. E. irreiterabile, kan nicht
wiederholt werden. Daher St. Paulus das Woͤrtlein Einmal zum
ſechſten mal wiederholt. Hebr. 9, 26. Am Ende der Welt iſt er Ein-
mal erſchienen/ durch ſein eigen Opffer/ die Suͤnde auff zuhe-
ben/ und wie dem Menſchen iſt auff geſetzt einmal zu ſterben/
darnach aber das Gerichte/ alſo iſt Chriſtus einmal geopffert/
weg zunehmen vieler Suͤnde. Und cap. 10, 10. 11. 12. 14. Jn dem
Willen
[315]Predigt.
Willen GOttes ſeind wir geheiliget/ Einmal geſchehen durch
das Opffer des Leibs JEſu Chriſti/ und ein jeglicher Prieſter
iſt eingeſetzet/ daß er alle Tag Gottesdienſt pflege/ und offt-
mals einerley Opffer thue/ welche nimmermehr koͤnnen die
Suͤnde abnemmen. Dieſer aber/ da Er hat Ein Opffer fuͤr
die Suͤnde geopffert/ das ewiglich gilt/ ſitzet Er nun zur
Rechten GOttes. Dann mit einem Opffer hat Er in Ewig-
keit vollendet/ die geheiliget werden. Womit dann Paulus nicht
nur andeutet die Jahre/ ſondern auch die perfection, wie das Wort
auch anderswo gebraucht wird. Hebr. 6, 4. Ep. Jud. ꝟ. 3. Bellarminus
aber halt Paulo obſtat, es ſey reiterabile, welchem wollen wir nun glau-
ben? Paulo oder Bellarmino? warhafftig ſo wenig als zwo Sonnen am
Himmel ſeyn und ſtehen koͤnnen/ eben ſo wenig/ ja viel weniger zwey
Opffer in dem Gnaden-Himmel.
II. Paradigma præſtigiatorium, ein pur lauter Gauckel-Spiel/
da man mit den armen Layen den Cuntzen fpielt. Es wird ihm fuͤrgebil-
det/ es ſeye ſacrificium propitiatorium, ein Verſoͤhn-Opffer. Was ſagt
aber Paulus Hebr. 9, 22. Ohne Blutvergieſſen geſchicht keine
Vergebung. Darum/ entweder vergießt der Prieſter Blut in der
Meſſe/ oder nicht/ ſo das erſte; iſt er ein Sacrilegus, ein Chriſt-Moͤrder/
‘Breſſer. de Conſc. p. 730. Si fluit ſanguis ex hoſtia vel imagine percuſſa, aut
pugione confoſſa, quaſi apertis vulnere venis Chriſti, id tantum exhibetur
ad ſignificandam gravitatem iſtius peccati, ſimilem illi, quo Chriſtus verè
vulneraretur.’ ()
ſo nicht; ſo iſt es kein Verſoͤhn-Opffer. Es gemahnt mich eben an die
Comoͤdi/ da man den Haman henckt/ oder dem Goliath den Kopff ab-
haut. Es ſeind præſtigiæ, und Gauckeleyen/ ſacrificium panis pro cor-
pore Chriſti, das Opffer des Brods der Vergebung der Suͤnden. da
es doch nichts anders iſt/ als ein pur lauter Brod/ Victima inanima, ſo
pflegens die Marckt-Schreyer zu machen/ die quid pro quo verkauffen/
ein Baͤſen-Reiſel in Seiden einwickeln/ fuͤr ein koͤſtliche Wurtzel zum
Zahnwehe. Ita mundus vult decipi. Alles ums Geld/ der vermeinte
Leib Chriſti wird nach dem Exempel Judaͤ ums Geld verkaufft/ da gehet
es dann/ kupffern Geld/ kupffern Seel-Meß. Meß-Netz iſt des Roͤmi-
ſchen Fiſchers Gelt-Netz allezeit geweßt. Ein Gauckelſpiel und Blen-
derey/ weil es cœna monopolica. Waͤre es nicht ein unleidentlich Ge-
ſpoͤtt/ wann einer wie Heliogabalus Gaͤſt ladete/ ſetzte ſich an Tiſch/ eſſe
R r 2und
[316]Die Dreyzehende
und traͤncke nach dem beſten/ und ließ den Gaͤſten nichts als Augen-weyd/
die ſolten vom Zuſehen gnug haben/ und ſich einbilden/ es ſey ihnen eben
ſo gut/ und bekomme ihnen eben ſo wol/ als wann ſie ſich ſelbs ſatt gegeſ-
ſen. Das geſchicht warhafftig im Pabſtum/ wann der Meß-Pfaff uͤber
dem Altar im Nahmen der gantzen Kirchen Meſſe halt/ iſſet und trincket/
ſo iſt es eben ſo viel/ als thue es die gantze Kirch und Gemeine. Sie er-
klaͤren es durch ein Gleichnuß alſo: Wie die natuͤrliche Speiß durch
den Mund empfangen/ ſich in alle Glieder außtheilet/ daß ſie davon ge-
ſpeißt und ernehrt werden: alſo iſt der Prieſter der Mund der gantzen
Kirchen/ und wann das Meß-Sacrament durch ſeinen Mund gehet/ ſo
theilt ſich deſſen Krafft auß uͤber alle die/ fuͤr welche die Meß gehalten
wird/ und die darhinter ſtehen. Aber wer iſt ſo alder und einfaͤltig/ der
ſich deſſen bereden laſſet/ was halffs den armen Lazarum/ daß der reiche
Mann taͤglich fuͤr ſeinen Augen wol lebte/ ſo wenig hilffts die/ ſo hinter
der Meſſe ſtehen/ und zuſehen/ wie der Meß-Pfaff allein ſtehet und iſſet.
S. Cœna eſt κοινὴ eſt κοινωνία, aber im Pabſtum iſts ein monopolium.
So halt man im Pabſtum Koͤnige und Kayfer fuͤr Narren/ ſo ſpielt
der reiche Schlemmer mit dem armen Lazaro. Gott wolle die armen
Leuth erleuchten/ daß ſie doch einmal mercken moͤchten/ wie man ſie in
der Faßnacht am Narren-Seyl herum fuͤhret.
III. Paradigma Apoſtaticum, dadurch die Roͤmiſche Kirch vom
alten Apoſtoliſchen Glauben abgefallen/ der Canon Miſſæ iſt in Apoſto-
lica Eccleſia unbekant. Durandus bezeuget klar l. 4. ration. c. 1. die
Apoſtel ſeyen bey den Worten der Einſatzung blieben/ und nichts dar-
zu gethan/ als das Vater Unſer/ erzehlet darauff/ was ein Pabſt nach
dem andern angeflickt/ biß der Cento vollkommen worden. Gregorius,
oder vielmehr Dormitantius als Vigilantius, ſoll das Complement ver-
fertiget haben/ doch nicht ohne contradiction. Nauclerus volum. 2.
generat. 21. erzehlet eine abentheurliche Geſchicht/ ſo ſich mit dem Cano-
ne Gregoriano \& Ambroſiano zugetragen.
Concilio (ait) Romæ Anno 790. congregato omnium Patrum fuit una ſenten-
tia, quod Miſſale Ambroſianum \& Gregorian um ſuper altare S. Petri Apo-
ſtoli poneretur, plurium Epiſcoporum ſigillis munitum, \& fores Eccleſiæ
clauderentur, \& ipſi totâ nocte orationi in fiſterent, ut Dominus per allquod
ſignum indicaret, quod horum magis ab Eccleſia ſalvari vellet, ſicque per
omnia factum eſt. Manè igitur Eccleſiam intrantes, utrumque Miſſale ſu-
per altare apertum invenerunt, vel ut alii aſſerunt, Miſſale Gregorianum
penitus diſſolutum, \& huc \& illuc diſperſum invenerunt. Ambroſianum
verò ſolummodò apertum ſuper altare in eodem loco, ubi poſitum erat, in-
venerunt.
[317]Predigt.
venerunt. Eo ſigno, inquit Duraudus, edocti ſunt, Gregorianum officium
per totum mundum diſpergi. Ambroſianum verò in ſua Eccleſia tantùm
obſervari debere, \& ſic uſque hodie ſervatur; Siquidem tempore Caroli
Imperatoris officium Ambroſianum præcipuè dimiſſum eſt, \& Gregorianum,
imperiali auctoritate plurimum ad juvante, divulgatum.
Daß die Vaͤtter das H. Abendmahl bißweilen oblationem \& ſacrifi-
cium, ein Opffer nennen/ darauff hat Auguſtinus laͤngſt geantwortet/
Epiſt. 23. ad Bonifacium.
‘Sæpè, inquit, ita loquimur, ut Paſchâ propinquante dicamus, craſtinam vel
perendinam eſſe Domini paſſionem, cùm ille ante tàm multas annos paſſus
ſit, nec omninò niſi ſemel illa paſſio facta fit. Nempe ipſo die Dominico
dicimus, hodie Dominus reſurrexit, cum ex quo reſurrexit, tot anni tranſie-
runt. (Sic) nonne immolatus eſt Chriſtus in ſeipſo, \& tamen in Sacramen-
to per omnes Paſchæ ſolennitates, \& omni die populis immolatur.’ ()
Allzeit weiß die Schrifft ledig nichts davon. Bellarm. l. 4. de V. D. c. 8.
geſtehts. Toletus l. 2. c. 4. bekennet/ nihil eſſe de jure divino, niſi con-
ſecrationem \& ſumtionem, wo iſt aber das fuͤrnemſte Theil \& cor miſ-
ſæ, oblatio? die Wort der Einſatzung/ Hoc facite, erzwingen nichts/
ob ſich ſchon Catech. Rom. darauff berufft p. 181. ſie moͤgen den Stich
nicht halten/ das general Wort ποιεῖν wird reſtringirt auff das Eſſen
und Trincken/ ꝟ. 26. Paulus ſagts zu ſeinen Corinthern/ ſeind darum
auch die Laici miſſifices? vielmehr ſchlieſſen wir alſo: Was Chriſtus im
Abendmahl nicht gethan/ das wird auch unter dem Wort (τοῦτο ποιεῖτε)
nicht verſtanden. Nun hat Chriſtus im Abendmahl kein Meß ge-
macht. E. Maſſen ſolches im Concilio Trident. XXIII. Biſchoͤffe be-
kant/ teſte Petro Suave pag. 644. Der Typus Melchiſedechi mag die-
ſen Laſt auch nicht tragen. Jhr argument iſt dieſes: Melchiſedech, ſacer-
dos æternus hat wuͤrcklich geopffert/ incruentè, modo alio, quàm
Aaron, ſingulari ratione,) dann er war ein Prieſter des Hoͤchſten. Gen.
14, 18. Chriſtus eſt Melchiſedech. Pſ. 110. E. in æternum ſacrificat
panem \& vinum. Reſp. Die Concluſion iſt erlogen auch im Pabſtum/
maſſen nach ihren hypotheſibus nicht Brod und Wein/ ſondern der Leib
Chriſti auff geopffert wird. Die Major iſt falſch. Es war kein Opffer/
ſondern convivium victorioſum und Ritter-Zehrung. Das Wort
Hozi heißt auch nicht obtulit, conf. Gen 19, 8. 13. Chriſtus iſt zwar Mel-
chiſedech, (ſc. antitypicè) aber nicht in der Art und Weiß zu opffern/
weil demſelben Abraham den Zehenden gegeben von allerley/ Gen. 14, 20.
nemlich zum Opffer/ Lev. 27, 32. ſed in ordine, al dibrathi Malchizedek,
nach der Weiſe Melchiſedech.Pſ. 110. Hebr, 7. Fuͤrnemlich in
R r 3præſtan-
[318]Die Dreyzehende
præſtantia ex benedictione, ἀγενεαλογίᾳ ἱερωσσύῃ ἀπαρα [...]άτῳ. So iſt
nun der Meß-Greuel der Roͤmiſchen Braut von Babylon entdeckt/ auff
die Schau gefuͤhrt/ und zum Scheuſal jederman præſentirt/ und vor die
Augen gemahlt.
Wir/ M. L. ſehen abermal auß der rechten Sacramentlichen Hand-
lung JEſu Chriſti/ die Laͤnge und die Breite/ und die Hoͤhe und die Tieffe
der uͤberſchwen glichen Liebe unſers liebſten Heylands/ ſo uns billig die-
nen ſoll 1. ad perfectionem agnitionis Chriſti, nicht zwar perfectio-
nem gradus, doch gradum perfectionis, daß wir eine rechte/ nicht bloſe
Stuͤmpel-Erkantnuß ſeiner haben/ wie die Americaner, von denen
Acoſta l. 4. de procur. Indor. ſalute c. 3. ſchreibet: ſie beten in einer Wo-
chen zwey- oder dreymal das Symbolum und etliche Gebet/ welche ſie in
Hiſpaniſcher Sprach außwendig lernen/ verſtehen aber nicht einmal eine
Sylb davon. und l. 5. c. 2. Es habe ihne zum hoͤchſten wunder genom-
men/ daß unter ſo viel tauſend Jndianern/ die mit dem Chriſten-Nahmen
ſeind begabt worden/ gar wenig/ und ſelten einer gefunden werde/ der
Chriſtum erkenne/ daß man mit beſſerem Fug von ihnen ſagen kan/ was
die Epheſer Paulo geantwortet/ von dem H. Geiſt/ wir haben nie gehoͤ-
ret/ daß ein Chriſtus ſeye. 2. Ad exercitium fidei. Dann gleich wie
es der Vernunfft zuwider/ daß fuͤnff Brod ſich ſo gemehrt/ daß 5000.
Menſchen davon geſpeiſet/ Matth. 14, 19. 20. Deßgleichen der Witwen
Meel/ ohnangeſehen ſie taͤglich davon gegeſſen/ nicht verzehret worden.
1. Reg. 17, 14. Alſo noch mehr/ daß ſo viel tauſend mal tauſend Chriſten
allbereit den wahren Leib Chriſti mit ihrem geheiligten Munde gegeſſen/
und derſelbe noch taͤglich biß ans Ende der Welt diſpenſirt werde/ doch
ohne Abgang und Verzehrung. Das/ ſag ich/ wil der Vernunfft nicht
ein/ ſie halts fuͤr Fabeln und Maͤhrlein/ da hat nun der Glaub zu ſchaf-
fen/ der muß kaͤmpffen und ſtreiten/ und die Vernunfft unter den Gehor-
ſam gefangen nemmen/ daß er mit voͤlligem aſſenſu und Beyfall ſagen
kan/ ſumit unus, ſumunt mille, nec aſſumtus conſumitur.
Und weilen Chriſtum lieb haben beſſer/ als alles wiſſen/ ſo ſollen
wir Jhm ja wieder begegnen 1. Datione noſtri ad victimam, und unſer
Leib und Seel dargeben zum Opffer/ das da lebendig/ heilig/ und Gott
wolgefaͤllig ſey/ und alſo die Glieder machen zu Waffen der Gerechtig-
keit/ nicht Huren-Glieder/ wie leyder geſchicht/ und dergleichen Neſter
taͤglich außgenommen werden. 2. Fractione panis, dem Hungerigen
das Brod brechen/ die wir in Elend ſehen/ ins Hauß fuͤhren/ die Nacken-
den kleiden/ die Durſtigen traͤncken/ ꝛc. und unſer Liecht guter Wercke
laſſen
[319]Predigt.
laſſen herfuͤr brechen/ wie die Morgenroͤth. Und endlich 3. Gratiarum
actione \& benedictione laudis. Ach mein Gott und Herr/ was iſt
der Menſch/ daß du ſein gedenckeſt/ wer bin ich/ Erd und Aſch/ ein ſtin-
ckend Gefaͤß/ daß du ſolchen edlen Schatz in mich legeſt/ wie groß iſt dei-
ne Liebe/ daß du mir ſolch koͤſtlich Geſchenck verehreſt. Das Pfand des
Geiſtes haſtu mir gegeben/ daran erkenne ich/ daß ich ein Kind GOttes
bin/ nun gibſt du mir auch das Pfand deines Leibs und Bluts/ daran
ich erkenne/ daß du mein Bruder/ Fleiſch und Blut. O des herꝛlichen
Zeugen meiner Seligkeit/ wo hat man dergleichen Wunder jemalen ge-
hoͤret! Nun iſt meine Seele eine Koͤnigin worden/ ſie hat den Himmels-
Koͤnig zum Gemahl bekommen/ ach ſchmuͤcke ſie mit ſtarckem Glauben/
feuriger Liebe/ brennender Hoffnung/ edler Demuth/ heiliger Gedult/
bruͤnſtigem Gebet/ holdſeliger Sanfftmuth/ daß ſie nicht wieder werde
eine Dienſt-Magd der Suͤnden/ ſondern dir meinem Braͤutigam allein
getreu verbleibe. Dein Fleiſch und Blut iſt mein Fleiſch und Blut/
und mein Fleiſch und Blut iſt dein Fleiſch und Blut/ darum laß mich
es nicht mehr zur Suͤnden mißbrauchen. So werden wir hie rechte
Communicanten ſeyn/ und dort Jubilanten/ hie anfangs-weiß/ dort
vollkomlich/ immer und ewiglich. Amen.
Die Vierzehende Predigt/
Von
Der warhafftigen/ weſentlichen Gegen-
wart des Leibs und Bluts Chriſti
im H. Abendmahl.
GEliebte in Chriſto. Sehet zu/ daß euch niemand
beraube durch die Philoſophia und loſe Verfuͤh-
rung/ ſagt Paulus Col. 2, 8. machet damit auß einem je-
den rechten Chriſten gleichſam einen dapffern wachſamen
und ſcharffſinnigen Schildwaͤchter/ ſtellet ihm fuͤr Augen
I. Rem cuſtodiendam, die iſt nun eine koͤſtliche Beut/ und
zwar eine heilige Evangeliſche Beut/ ein theures ἀνάϑνμα, nemlich der
Schatz des Worts GOttes/ und der heiligen Sacramenten/ der Raub/
den
[320]Die Vierzehende
den die Hauß-Ehre außgetheilet/ nachdem der Siegs-Fuͤrſtgen Himmel
gefahren/ den wir durch den Glauben an Chriſtum errungen/ errennet
und erworben/ und ſonderlich auch ϑεῖον \& δῶρον βασιλικὸν des Leibs und
Bluts Chriſti. Ein beygelegte Beut. Zu gleicher weiſe wie David
das Schwerd Goliath/ das er errungen/ beygelegt/ auch noch heutiges
Tags koͤſtliche anathemata in ſacra loca deponirt werden. Koͤnig Ne-
bucadnezar hat die heilige Gefaͤße auß dem Tempel zu Jeruſalem in ſeine
Goͤtzen-Haͤuſer und Schatz-Kaſten beygeſetzt/ die Philiſter die im Krieg
eroberte Bunds-Lade in den Tempel Dagon. 1. Sam. 5, 2. alſo auch dieſe
in das Hauß GOttes/ die werthe Chriſtliche Kirch. 2. Periculum ſa-
crilegii, welcher maſſen der Sathan dieſer Beut uͤber alle maſſen gefaͤhr/
und darnach trachte/ dieſelbe den Menſchen zu nemmen/ gleichwie im
Kriegs-weſen einer dem andern ein Beut abjagt/ darum non minor
virtus, quàm quærere, parta tueri. Es hatten die Koͤnige auß Orient
zu Sodom und Gomorra eine groſſe Beut erlangt/ Gen. 14. deßgleichen
die Amalekiter/ da ſie Ziklag eingenommen/ iſt ihnen aber wider auß den
Zaͤhnen und Klauen geriſſen worden/ ſo koͤnne es auch mit jenem Schatz
geſchehen/ und haben wir den Spiegel an den Coloſſern ſelbs/ weil ſie die
Augen in Beutel geſtoſſen/ haben ſie den Schatz verlohren. 3. Medium
ſpolii, Philoſophiam. Weltliche Beuten werden entweders mit Ge-
walt genommen/ oder per luſum abverſpielt/ wie man dann erzehlet von
einem Soldaten im vorigen Kriegs-Weſen/ der eine anſehnliche Beut
erlangt/ aber nachgehends verſpielt/ deßwegen an den Galgen gehencket
worden. Alſo kan man auch dieſer geiſtlichen Beut verluſtigt gemacht
werden per philoſophiam, nicht zwar die reine/ lautere/ und gleichſam
Jungfraͤuliche Philoſophi/ ſo die σοφίσυατα verrathet und entdecket/ (ούρά-
νιον profectò δῶρον!) ſondern die verkuͤnſtelte/ betriegeriſche und loſe phi-
loſophiam, und zwar die Eſſeiſche/ Phariſeiſche und Sadduceiſche/ als
welche Joſephus, Euſebius, Chryſoſtomus mit dem Nahmen und Titul
der Philoſophi belegen. Nicht nur aber dieſe/ ſondern auch die Græcani-
cam, ſo fern dieſelbe mißbraucht wird/ und in κενὴν ἀπάτην degenerirt/ als
welche dazumal den Lauff des Evangelii gehemmet/ und St. Paulo zim-
lich zu ſchaffen gegeben. Daher Tertull. l. 1. de præſcript. c. 7. \& lib. de
anima c. 3. ſchreibet. Apoſtolus fuerat Athenis, ibique expertus lingua-
tam civitatem, cum omnes illic ſapientiæ atq; facundiæ caupones de-
guſtaſſet, inde concepit præmonitorium iſtud edictum. Ja es thut
der Apoſtel einen Blick in den Paradiß-Garten/ wie die Schlang durch
die Philoſophi unſere erſte Mutter Evam betrogen; damit uns nun
nicht
[321]Predigt.
nicht dergleichen begegne/ ſo warnet er. 4. Halt er uns fuͤr noſtrum
officium, βλέπετε, ſehet zu als Schatz-Huͤter/ und Kirchen-Waͤchter/
ſchlaffet nicht/ ſchlummert nicht/ wie dort die Hunde im Capitolio zu
Rom/ ſehet zu per præmonitionem, decertationem, adeoque diſputa-
tionem, ſonderlich Prediger/ die Gott zu Waͤchtern geſetzt/ von denen
wil er es forden.
Nun M. L. dieſe Vermahnung gilt uns auch/ wir haben bißher ver-
nommen das theure depoſitum, und koſtbaren Schatz/ den Chriſtus ſei-
ner Kirchen zu verwahren biß ans Ende der Welt beygelegt/ nemlich
Schatz ſeines Leibs und Bluts. Ach wieviel ἱεροσυλεῖς und Kirchen-
Dieb haben ſich daran gemacht/ der groſſe Kelch-Dieb zu Rom/ mit Ge-
walt/ hoc non obſtante. Carlſtad und Zwinglius mit Liſt durch die
Philoſophiam. Derowegen cavete, maſſen es vor dieſem allhie zu
Straßburg/ als einem rechten Calviniſten-Neſt nahe darbey geweßt/
wo nicht Gott heroiſche Maͤnner erwecket/ die dieſem Jrꝛ-Geiſt Wider-
ſtand gethan haͤtten. Ja es ruffet uns Paulus noch zu: βλέπετε, ſehet
zu/ huͤtet euch/ thut die Augen auff/ laſſet euch dieſen Schatz nicht rauben/
geſchicht durch zween unuͤberwindliche Zaͤune und Mauren/ nemlich die
adjuncta ſacramentalia, Præſentiam rerum cœleſtium, \& Conjun-
ctionem ſpecierum indiviſam. Vom erſten wollen wir fuͤr dißmal
mit einander reden und handeln/ und E. L. vortragen und erklaͤren die
warhafftige/ weſentliche Gegenwart des Leibs und Bluts Chriſti im
H. Abendmahl/ und zwar 1. ejus veritatem, 2. qualitatem.Gott
gebe darzu ſein Gnad und Segen. Amen.
SO ſoll E. L. nun vor allem wiſſen/ daß der Streit zwi-
ſchen uns und unſern Sacrament-Stuͤrmern nicht ſeye de
materia cœleſti, an ihr ſelbs/ ob Leib und Blut das him̃liſche
Ding ſeyen/ dann das geſtehen ſie gar gern/ Combach. der neuliche
Caſſeliſche Calviniſt/ de Euchariſt. p. 13. ſchreibet: Non nuda \& vacua
ſigna ea dicimus; nam præter rem terrenam etiam re cœleſti conſtare
Euchariſtiam aſſerimus. Sunt verò ea Corpus \& ſanguis Domini no-
ſtri, corpus verò illud non figuratum, tropicum aut metonymicum,
ſed hoc ipſum corpus, quod pependit in cruce, \& is ipſe ſanguis, qui è
latere ejus effluxit, nobis in cibo \& potu exhibetur:Wir ſagen/
daß die irdiſcheElementakein bloſe und laͤhre Zeichen ſeyen/
und verjaͤhen/ daß das H. Abendmahl ohne das Jrdiſche auch
auß einem Himmliſchen Stuck beſtehe/ ſo nichts anders/ als
Neunter Theil. S sder
[322]Die Vierzehende
der Leib und Blut des HErꝛn/ und zwar kein verbluͤmter und
figuͤrlicher/ ſondern eben der Leib/ der am Creutz gehangen/
eben das Blut/ ſo auß ſeiner eroͤffneten Seiten gefloſſen/ wird
uns in Brod und Wein dargereicht.Theophil. Reuberger
Poſtill. p. 2. p. 228. Vom H. Abendmahl lehren wir/ daß wir in
demſelben nicht ſchlecht Brod und Wein/ nicht bloſe und laͤh-
re Zeichen/ ſondern auch den warhafftigen/ weſentlichen/ fuͤr
uns in den Tod gegebenen Leib/ und das warhafftige/ weſent-
liche/ fuͤr uns vergoſſene Blut JEſu Chriſti geiſtlicher weiſe
empfangen durch den Glauben zur Vergebung unſerer Suͤn-
de/ ja daß wir nicht nur der Fruͤchte des Verdienſts Chriſti/
ſondern auch ſeines Leibs und Bluts ſelbſt/ als dadurch Er
uns die Vergebung der Suͤnden/ und das ewige Leben erwor-
ben hat/ theilhafftig werden. Jſt der Griff/ dadurch viel tauſend
Menſchen verfaͤhrt und verfuͤhrt werden; Jndem ſie ihnen eingebildet/
es ſeye davon kein Streit/ wir ſeyen keinnuͤtze Zaͤncker und Staͤncker.
Aber was ſagt gemelter Combachius ferner c. 6. p. 123. non de objecto
manducationis \& bibitionis eſt quæſtio, ſed de modo præſentiæ, \&
unionis cum ſymbolis \&c.Es iſt der Streit nicht von der
Speiß und Tranck (im H. Abendmahl) ſondern von der Weiß
und Art der Gegenwart und Vereinigung (des Leibs und Bluts
Chriſti) mit den ſichtbarn Zeichen. Hie ſtoßt ſichs nun/ in dem ſie
die warhafftige/ wuͤrckliche und thaͤtliche Gegenwart des Leibs und
Bluts Chriſti auff Erden im H. Abendmahl mit aller Gewalt laͤugnen:
Wir aber als das fuͤrnemſte Hauptſtuck/ den beſten Kern und Stern
verfechten und behaupten.
Demnach hie zuerwegen 1. Præſentiæ realis veritas, dieſelbe zuer-
weiſen/ bleiben wir allein bey dem bloſen Buchſtaben der Einſatzung/ wie
auch Lutherus dieſe Wort fuͤr die Feſtung gehalten.
Tom. 3. Jen. p. 339. So wil ich nun widerum zu verachten den Teuffel auff
das mal nicht mehr/ dann den einigen Spruch Chriſti fuͤr mich nemmen/
(das iſt mein Leib) und ſchen was ihm die Schwaͤrmer bißher haben abge-
brochen/ allermeiſt darum/ weil ſie ſchlipfferig und unſtete ſind/ ſich drehen
und wenden in tauſend Winckel/ ob ich ſie in GOttes Nahmen moͤchte er-
bitten/ daß ſie mir auff den einigen Spruch ſtuͤnden/ und richtig antworten/
die andern Spruͤche wil ich ſparen auff ein ander mal.
Dieſelbe
[323]Predigt.
Dieſelbe ſeind nun heiter und klar/ Matthaͤus der mit und darbey ge-
weßt/ ſamt Marco/ hat ſie alſo concipirt: das iſt mein Leib/ das iſt
mein Blut.Matth. 26, 26. Marc. 14, 22. Lucas aͤndert den ſtylum ein
wenig/ das iſt mein Leib der fuͤr euch gegeben wird/ (corpus victi-
matum) das iſt der Kelch des N. Teſtaments in meinem Blut/
das fuͤr euch vergoſſen wird.Luc. 22, 19. 20. h. e. das iſt das Jnſtru-
ment/ durch welches mein Blut/ ſo fuͤr euch und fuͤr viel vergoſſen/ mit-
getheilet wird/ oder in dieſem Blut/ durch und in Krafft dieſes Bluts iſt
mein Teſtament gemacht und geſtifftet/ St. Paulus 1. Cor. 11, 24. τοῦτό μου
ἐϛὶ τὸ σῶμα, τὸ ὑπὲρ ὑμῶν κλώμενον. Das iſt mein Leib der fuͤr
euch gebrochen wird. Ob hie ſchon das ein und andere Wort moͤchte
dunckel lauten/ iſt es doch durch das andere ſatt und gnug erklaͤret und
erlaͤutert. Was heißt dann allhie τοῦτν? heißt es mehr nicht als Brod/
das alleinige Brod? wie zwar Gegentheil mit Gewalt dahin gehet.
Dann ſo lauten die Wort Bergii, Churf. Brandenb. Hoff-Predigers in
ſeinem Buch/ daß die Wort Chriſti noch feſte ſtehen. p. 46. Wann die
Vernunfft durch vorgefaßten Wahn nicht geblendet waͤre/ ſo
iſts ſo klar und deutlich/ daß ein jedes Kind ſehen und verſte-
hen moͤchte/ daß der HErꝛ eigentlich auffs Brod deutet/ und
vom Brod redet/ was er genommen/ gebrochen/ gegeben/ das
iſt ſein Leib. Jſt aber der eigentliche Haupt-Fehler/ das π [...]ῶτον ψεῦδος,
und der Stein des Aergernuſſes/ daran ſich beede Paͤbſtler und Calvini-
ſten geſtoſſen. Dann daß durch das τοῦτο nur das Brod angedeutet wer-
de/ leidet die Syntaxis nicht/ τοῦτο ἄρτος, und dann Tropi non-neceſſitas,
wie droben in einer ſondern Predigt erwieſen worden. Die Wort ſeind
ja klar/ Paulus deutet mit Fingern drauff: Τοῦτό μου dieſes einige/ eigene/
nemlich mein Leib/ der unter/ in/ und mit dieſem Brod dargebotten wird/
iſt mein Leib. Jtem/ das wird durch das Wort τοῦτο verſtanden/ das fuͤr
uns gegeben und vergoſſen worden. Nun aber iſt nicht das Brod/ ſon-
dern der Leib dargegeben/ nicht der Wein/ ſondern das Blut Chriſti fuͤr
uns vergoſſen worden. E. non panis non vinum per τοῦτο intelligen-
dum. Und wiederum: Id per τοῦτο intelligitur, quod eſt res Novi Te-
ſtamenti, ſo das Weſen des Neuen Teſtaments/ und alſo der Coͤrper
ſelbſt/ nicht das Schatten-Bild/ und zwar nicht am Brod/ ſondern im
Brod. Es wird auch nicht verſtanden der Leib Chriſti bloß und allein/ wie
Carlſtad geſchwaͤrmet/ dann ſo waͤre es kein Geheimnuß geweßt/ ſon-
dern τὸ συμπεϖλεγμένον, der Leib in caſu recto, das Brod in caſu obli-
S s i jquo
[324]Die Vierzehende
quo, in/ mit/ und unter dem Brod und Wein iſt der Leib und Blut
Chriſti zugegen. Und dieſes iſt der erſte/ natuͤrliche/ ungekuͤnſtelte/ fuͤr
ſich ſelbſt flieſſende Verſtand. Daß aber dieſe Erklaͤrung recht/ beweiſen
wir ex collatione ſimilium phraſium: Gleichwie wann der Patriarch
Jacob auff ſein Geleit/ die H. Engel deutend/ ſpricht: Diß iſt GOttes
Heer/Gen. 32, 4. Die Tochter Pharao auff das Moſis-Kaͤſtlein/ diß
iſt der Hebreiſchen Kindlein eins/Exod. 2, 6. St. Petrus auff die
feurige Pfingſt-Cronen/ JEſus Chriſtus zur Rechten GOttes
erhaben/ hat außgegoſſen das/ was ihr ſehet und hoͤret.Act. 2, 32.
So kan niemand anfangs einen andern Verſtand faſſen/ als unter/ in/
und mit dieſem himmliſchen Geſichte ſeind die Himmliſche-Engeliſche
Heerſchaaren warhafftig zugegen: Dieſes Kindlein ſo in dieſem Rohr-
Kaͤſtlein ligt/ iſt der Hebreiſchen Kindlein eines; das ſo in/ mit/ und un-
ter der Feurs-Geſtalt geſehen wird/ iſt der H. Geiſt. Es erhellet exem-
plo vulgarium locutionum,Wann ich einen Sack (ita D. Luth. in
Confeſſ. S. Cœnæ) oder Beutel zeig und darreich/ und ſpreche:
das ſind 100. fl. da gehet das Zeigen und das Woͤrtlein Das
auff den Beutel/ weil aber der Sack und die Gulden etlicher
maſſen ein Weſen ſind/ als ein Klump/ ſo triffts zugleich auch
die Gulden. Der Weiſe nach greiffe ich ein Faß an/ und ſpre-
che/ das iſt Rheiniſcher Wein/ das iſt welſcher Wein/ das iſt
rother Wein ꝛc. Jtem ich greiff ein Glaß an/ und ſpreche/ das
iſt Waſſer/ das iſt Bier/ Salb. Jn allen dieſen Reden ſieheſt
du/ wie das Woͤrtlein DAS zeiget auff das Gefaͤſſe/ und
doch/ weil das Getraͤnck und Gefaͤß etlicher maſſen ein Ding
iſt/ ſo triffts zugleich/ ja fuͤrnemlich das Getraͤncke. Jſts nicht
alſo/ wann ein ſtandhaffter/ kluger und reicher Herꝛ einem armen Bett-
ler ein kupffern Buͤchslein darreichte/ ſagend: Nim̃ hin/ das iſt Gold/ wuͤr-
de er nicht alſobald darauff fallen/ und gedencken: Siehe/ dieſer Herꝛ
ſchencket mir unter/ mit/ und in dieſem kupffern Buͤchslein ein ſtuͤck
Golds/ er iſt ein kluger Herꝛ/ er weiß/ was er redet/ ein frommer/ warhaff-
ter Herꝛ/ er kans wol thun: Nimmermehr werden dem Bettler folgende
Gedancken zufallen/ nimmermehr wird er gedencken koͤnnen/ ſiehe/ dieſer
Mann wil ſo viel ſagen: Dieſes kupfferne Buͤchslein iſt ein Zeichen ei-
nes abweſenden Goldes/ ſondern in/ mit/ und unter dieſem Kupffer iſt
das Gold. Und eben ſolche Gelegenheit hat es mit der andern propoſi-
tion,Das iſt mein Blut des Neuen Teſtaments. Dann damit
niemand
[325]Predigt.
niemand ihm einbilde/ es ſey ein figuͤrliches Blut/ ſo ſetzet er hinzu/ des
Neuen Teſtaments; nicht nur die Schalen und Schatten/ ſondern Kern
und Haupt-Gut. Waͤre es nur ein Bedeutungs-Blut/ ſo waͤre zwiſchen
dem A. und N. Teſt. kein Unterſcheid. Dann wie das Vieh-Blut bedeu-
tet das abweſend kuͤnfftige Lamms-Blut/ alſo allhie das abweſend erſchie-
nene. Damit es aber nicht das Anſehen hab/ als haͤtten wir dieſe Gloß
erdichtet/ nemmen wir zum Commentario 1. Paulum 1. Cor. 10, 16. Der
geſegnete Kelch/ den wir ſegnen/ (poculum benedictum, h. e. in uſu
benedictionis) iſt der nicht die Gemeinſchafft des Bluts Chriſti/
das Brod/ das wir brechen/ iſt das nicht die Gemeinſchafft des
Leibs Chriſti? Jſt die Concluſio, ſo auß dem Text fließt/ darum ſo
muͤſſen die Wort einen ſolchen Verſtand haben/ auß welchem nothwendig
die κοινωνία herauß kom̃t/ und alſo kein andern/ als wie albereit angedeu-
tet/ nemlich/ wie Chriſti Menſchheit eine Gemeinſchafft hat mit der Gott-
heit/ ohne Wort-Blum und Deuteley/ die Engel mit ihren angenomme-
nen Leibern/ der H. Geiſt mit der Tauben/ und mit dem Tauff-Waſſer:
Alſo der Leib und Blut Chriſti mit Brod und Wein; ſo eine ſolche Ge-
meinſchafft. E. auch eine warhaffte/ weſentliche Gegenwart/ und Verei-
nigung/ und nicht eine Abweſung/ quia omnis præſentia divina eſt ſub-
ſtantialis. 2. Johannem, der ſelbs mit und darbey geweßt/ und viel beſſer
verſtanden als unſere Kluͤgling/ der ſchreibet 1. Joh. 5, 8. Drey ſeind die
da zeugen auff Erden/ der Geiſt/ und das Waſſer und das
Blut. Wann zeuget es? warhafftig im Sacrament/ als einem Goͤtt-
lichen Sigill. Wo? auff Erden; nicht/ ſagt er/ droben im Himmel/ ſetzet
den Zeugen auff Erden dem Zeugen im Himmel entgegen/ zeugt es auff
Erden/ ſo iſt es auch auff Erden. 3. Senſum diſcipulorum. Ohne allen
Zweiffel haben die Juͤnger des HErꝛn JEſu dieſen obigen/ erſten/ einfaͤl-
tigen Verſtand bey der erſten Einſatzung auß Chriſti Worten geſchoͤpffe;
Haͤtte Chriſtus/ wie ſonſt/ verbluͤmt reden wollen/ wuͤrden ſie/ wie ſonſt
mehrmalen geſchehen/ darwider geredt und geſagt haben: Diß ſind harte
Wort.
II. Præſentiæ Qualitas. Nicht gnug iſts/ wiſſen rem, ſondern
man muß auch verſtehen modum præſentiæ revelatum, das Wie/ nach
dem Exempel der H. Jungfrauen Mariaͤ/ wie mag ſolches zu gehen?
Luc. 1, 34. So iſt nun dieſe præſentia 1. non merè ſpiritualis per fidem.
Nicht ein bloß-geiſtliche Gegenwart/ ſo geſchicht durch den Himmel-klet-
ternden Glauben/ (ſo fern das geiſtliche dem warhafften/ wuͤrcklichen und
thaͤtlichen opponirt und entgegen geſetzet wird. Dann ſonſt iſts freylich
S s iijeine
[326]Die Vierzehende
eine geiſtliche/ und keine grobe/ fleiſchliche/ leibliche und Capernaitiſche
Gegenwart) der ſich hinauff ſchwingt/ und ſich mit Chriſto und ſeinem
Leib vereinbaret/ dann was bloß durch den Glauben/ ohne warhafftige
Gegenwart begriffen wird/ das iſt abweſend/ nach dem ſtylo der Schrifft.
Hebr. 10, 1. Das Geſetz hat den Schatten von den zukuͤnfftigen
Guͤtern/ nicht das Weſen der Guͤter ſelbſt.c. 11, 13. Dieſe alle
(die Glaubens-Helden im Alten Teſtament) ſeind geſtorben im
Glauben/ und haben die Verheiſſung nicht empfangen/ ſon-
dern ſie von ferne geſehen/ und ſich der vertroͤſtet. Nicht 2. lo-
calis per conſubſtantiationem, oder Beyweſelung/ wir geſtehen ſie nie-
mands. Keine einſchlieſſende/ ein wicklende/ raͤumliche/ anhefftende/ ver-
ſteckende Gegenwart/ da Chriſtus als ein kleines Kindlein in der Hoſtia
eingeſchloſſen/ keine verbergende Gegenwart/ dann wann wir mit Jo-
hann Huſſen ſingen: Daß wir nimmer des vergeſſen/ gab Er uns
ſein Leib zu eſſen/ verborgen im Brod ſo klein/ iſts anzunemmen
nicht de loco, von einem raͤumlichen Ort/ in der Hoſtien/ ſondern ſcien-
tia, daß wie es zugehe/ uns verborgen ſey. Non 3. ſacramentalis typica
\& ſignificativa, auff welche weiß Chriſtus auch mit ſeinem Leib den
Vaͤttern im A. Teſtament gegenwaͤrtig geweßt/ 1. Cor. 10, 3. Sie haben
alle einerley Speiß gegeſſen/ und haben alle einerley geiſtlichen
Tranck getruncken/ ſie truncken aber von dem geiſtlichen Fels/
der mit folget/ welcher war Chriſtus. Sondern 4. realis non fi-
ctitia, ſacramentalis exhibitiva, eine wuͤrckliche/ thaͤtliche/ ſacramentli-
che/ darreichende Gegenwart/ gleichwie ein Engel vereiniget iſt mit ſei-
nem angenommenen Leib/ der H. Geiſt mit der Taubens-Geſtalt/ und
mit dem Tauff-Waſſer. Uber das 5. Imperſcrutabilis und unerſorſch-
lich. Wir glauben und lehren/ (verba ſunt Lutheri Tom. 3.
Jen. p. 341. f. 2.) daß man im Abendmahl warhafftig und leib-
lich Chriſtus Leib iſſet und zu ſich nim̃t/ wie aber das zugehe/
und wie Er im Brod ſey/ wiſſen wir nicht/ ſollens auch nicht
wiſſen/ GOttes Wort ſollen wir glauben/ und ihme nicht
Weiß noch Maß ſetzen. Brod ſehen wir mit den Augen/
aber wir hoͤren mit Ohren/ daß der Leib da ſey. Weit/ weit
hinweg mit allen proportions-Phantaſien/ wie der verklaͤrte Leib Chriſti
eine proportion habe mit dem Brod? Sage mir/ wie Er zur verſchloſ-
ſenen Thuͤr/ und durch den Grab-Stein durchgedrungen.
Diß iſt ja die Sonn der Warheit ſelbs/ ſo heiter und klar/ daß ſich
wol
[327]Predigt.
wol zu verwundern/ daß Leute in der Welt ſeyn ſolten/ welche die Sonn
und dero Liecht ſelbſt in diſputat gezogen/ verſtehe den Calviniſchen Jrꝛ-
Geiſt/ und deſſen angeblaſene/ angehauchte und uͤberwitzige Gruͤbler/ bey
denen lauten die Wort der Einſatzung gar anders/ letz/ verkuͤnſtelt und
vertraͤhet alſo: Das/h. e. das Brod iſt der Leib Chriſti/ der Kelch iſt
das Blut. Weil nun dieſes ſeltzam/ ungereimt und abentheurlich lau-
tet/ dann wie ſolte ein lebloſes Brod der lebendige Leib Chriſti ſeyn/ ſo
muß es nothwendig per figuram und Wort Blum verſtanden werden.
Das iſt der Leib/ h. e. diß Brod bedeutet und verſigelt den Leib Chriſti:
derowegen/ wann das Brod der Leib Chriſti genennet wird/ ſo geſchicht
es nach Brauch der Sacramenten/ welche Art darinnen beſtehet/
daß die Schrifft den aͤuſſerlichen Zeichen den Nahmen zueig-
net derer Ding/ darauff ſie weiſen. Nicht auß dieſer Urſach/
daß die Zeichen in die bezeichnete Guͤter ſolten verwandelt
werden/ oder daß die bezeichnete Guͤter in den Zeichen ſolten
eingeſchloſſen ſeyn/ ſondern dieweil ſie uns dadurch fuͤr gebil-
det/ und wir von der Empfahung derſelben verſichert werden.
Ita Catech. Palat. q. 78. Et ibid.Das Brod beym Abendmahl
wird der Leib/ und der Kelch oder Wein darinn das Blut
Chriſti genennet/ um zweyer Urſachen willen/ 1. wegen der
Vergleichung zwiſchen dem Brod und ſeinem Leib/ zwiſchen
dem Wein und ſeinem Blut. 2. wegen unſerer Verſicherung
von der geiſtlichen Nieſſung ſeines Leibs und Bluts.hæc eſt
metonymia ſacramentalis. Als zum Exempel/ die Beſchneidung
wird ein Bund genennet/ Gen 17, 10. weil ſie ein Zeichen des Bundes/
das Oſter-Lamm Paſſah oder Uberſchritt/ weil es ein Zeichen des Uber-
gangs/ die Tauff ein Bad der Widergeburt/ und Abwaſchung der
Suͤnden/ weil ſie erinnert und verſichert/ daß die innerliche Reinigung
von Suͤnden geſchehen. Alſo Brod und Wein der Leib und Blut
Chriſti/ weil ſie zum Gedaͤchtnuß des Leibs und Bluts Chriſti empfan-
gen werden/ und uns der Gnugthuung Chriſti fuͤr unſere Suͤnde verſi-
chern. Warum nennet (ſo fraget der Heydelbergiſiche Catechiſm.
q. 79,) Chriſtus das Brod ſeinen Leib/ und den Kelch ſein Blut/ ꝛc.
und antwortet/ Chriſtus redet alſo nicht ohne groſſe Urſach/
nemlich/ daß Er uns nicht allein wil damit lehren: daß
gleich wie Brod und Wein das zeitliche Leben erhalten/ alſo
ſey auch ſein geereutzigter Leib/ und ſein vergoſſen Blut/ die
wahre
[328]Die Vierzehende
wahre Speiß und Tranck unſerer Seelen/ zum ewigen Le-
ben: Sondern vielmehr/ daß Er uns durch das ſichtbare
Zeichen und Pfand wil verſichern/ daß wir ſo warhafftig ſei-
nes wahren Leibs und Bluts/ durch Wuͤrckung ſeines Heiligen
Geiſtes theilhafftig werden/ als wir dieſe heilige Wahrzei-
chen mit dem leiblichen Mund zu ſeiner Gedaͤchtnuß empfan-
gen; und daß all ſein Leyden und Gehorſam ſo gewiß unſer
eigen ſey/ als haͤtten ſie ſelbs wir unſer eigen Perſon alles ge-
litten und gnug gethan. Wo bleibt aber die κοινωνία Apoſtolica
und Gemeinſchafft? 1. Cor. 10. Ja/ ſprechen ſie/ die bleibt/ wir laͤug-
nen die κοινωνίαν ſpiritualem und geiſtliche Gemeinſchafft mit Chriſto
nicht/ ſo iſt und heißt 1. Relativa \& ſignificativa, qualis eſt unio ſigni
\& ſignati, non ficta, ſed realis, ſicut ſenſilia ſenſui, memorabilia me-
moriæ, credenda fidei præſentia. Crocius.Eine ſolche Vereini-
gung/ als zwiſchen dem Zeichen und dem Bezeichneten/ keine
erdichtete/ ſondern eine warhaffte Vereinigung/ auff ſolche
weiß/ wie ſichtbare und empfindliche Ding in ihren Sinnen/
denckwuͤrdige dem Gedaͤchtnuß/ die Verheiſſungen dem
Glauben gegenwaͤrtig ſeynd. 2. Energetica. Sol abſens nobis
in cœlo nihilominus efficaciter præſens eſt nobis: quantò magis Sol
Juſtitiæ Chriſtus corpore in cœlis abſens, præſens eſt nobis non cor-
poraliter quidem, ſed ſpiritualiter per vivificam operationem, \&
ut ipſe ſe nobis præſentem futurum expoſuit in ultima cœna. Ita
Confeſſ. Helvet. p. 111. Die Sonn iſt zwar oben am Himmel/
und weit von uns abgelegen/ nichts deſtoweniger iſt ſie mit
ihrer Krafft bey uns auff Erden gegenwaͤrtig/ wie viel mehr
iſt die Sonne der Gerechtigkeit JEſus Chriſtus/ ſo mit ſei-
nem Leibe droben im Himmel/ und alſo von uns abweſend/
gegenwaͤrtig/ nicht zwar leiblicher weiß/ doch nach dem Geiſt/
durch lebendig-machende Krafft und Wuͤrckung/ und wie Er
ſelbſt im letſten Abendmahl bey uns gegenwaͤrtig zu ſeyn
ſich erklaͤret hat. Daher ſingen wir ſelbs: Er iſt bey uns wol auff
dem Plan/ mit ſeinem Geiſt und Gaben. 3. Præſentia fidei, eine
Gegenwart des Glaubens/ der ſich mit ſeinen Fluͤgeln hinauff in den
Himmel erſchwingt. Spiritus Sanctus efficit, ut ille ipſe Chriſtus
JEſus, qui nunc quatenus homo eſt, non eſt alibi quam in cœlis, ſicut
Scriptura teſtatur, nobis tamen, qui in terris ſumus, non minùs verè
done-
[329]Predigt.
donetur, quàm ſigna ipſa, de quibus diximus: quatenus videlicet fi-
des noſtra eum centemplans in ſacramentis, ſicut expreſſa promiſſio
teſtatur, in cœlum uſque conſcendit, ubi verè eum complectitur. Beza
in vol. 1. de S. Spiritu, p. m. 28. Es verſchafft der H. Geiſt/ daß
eben der JEſus Chriſtus/ der jetzt/ ſo fern er ein warhaffter
Menſch/ nirgend anders/ als im Himmel iſt/ wie die Schrifft
bezeuget/ dennoch uns/ die wir auff Erden ſeind/ nicht weni-
ger warhafftig geſchencket und mitgetheilet werde/ als die
ſichtbare Zeichen/ wann nemlich unſer Glaub ihne in den Sa-
cramenten beſchauet/ und in den Himmel hinauff ſteigt/ da er
ihn warhafftig ergreifft und umfaßt. Den gantzen Butzen ſtellet
uns Polanus fuͤr Augen in zweyen Worten: Es ſey eine Communio
non ὁμοῦ, non in, cum \& ſub, ſed ἅμα, ἅμα eſt temporis, ὁμοῦ eſt loci.
Am Brod/ nicht im Brod.
‘Polan. l. 6. c. 16. Cum pane \& vino exhibetur à Chriſto, \& percipitur à verè fi-
delibus corpus \& ſanguis Chriſti: quod non intelligi debet ὁμοῦ, id eſt, ſimul
loco, ac ſi in vel ſub pane corpus, item in vel ſub vino ſanguis Chriſti in eo-
dem loco hîc in terris eſſent: ſed ἅμα, id eſt, ſimul tempore, ut ſit ſenſus:
Quando homo fidelis edit panem Domini, vinum Domini ore corpotis,
tùm eodem tempore ſimul edit corpus \& bibit ſanguinem Chriſti ore
animæ.’ ()
Das heißt ja wol einen blauen Dunſt fuͤr die Augen gemacht/ das heißt
ein gewaltſamer Noth-Zwang: wer hat jemalen von ſolcher real-Gegen-
wart gehoͤret/ da zwey Ding einander gegenwaͤrtig/ die viel tauſend Mei-
len/ ja ſo hoch als Himmel und Erden/ von einander getrennet. Die
Sonne wuͤrcket wol in den tieffen Metall- und Gold-Gruben/ durch ihre
Jnfluentz und Tugend/ wer kan aber mit Warheit ſagen/ daß die Sonne
den Metallen und der Erden warhafftig gegenwaͤrtig ſeye? Heißt das
nicht dem Geiſt GOttes widerſprechen/ welcher das/ was ſolâ relatio-
ne \& virtute da iſt/ nicht gegenwaͤrtig/ ſondern zukuͤnfftig/ μέλλον \&
πόῤῥωϑεν heißt? 2. Cor. 5, 6. Hebr. 10, 1. c. 11, 13. Heißt das nicht das
Vater Unſer corrigiren/ Zukomm uns dein Reich? da es alſo heiſſen
muß/ wir ſchwingen uns zu deinem Reich hinauff; daß heißt die hold-
ſelige συγκατά [...]ασιν auffheben/ wann Chriſtus Joh. 14, 23. verſpricht/ es
werde die gantze H. Dreyfaltigkeit zu uns herab kommen/ und Woh-
nung bey uns machen; das heißt auß dem Glauben ein Icarum machen/
der hin fladert/ und weiß nicht wo auß noch an. Dann der Glaub ſoll
Neunter Theil. T tChriſtum
[330]Die Vierzehende
Chriſtum ergreiffen/ da/ wo Er warhafftig und wuͤrcklich iſt/ ſo Er aber
im Himmel auff reimliche Weiß an einem gewiſſen Ort/ wo iſt wol der-
ſelbe Sitz/ gegen Morgen oder Abend/ Mittag oder Mitternacht? Das
heißt mit einer Hand geben/ mit der andern alles wieder nemmen: Hie
ſagt man Chriſti Leib ſey gegenwaͤrtig mit ſeinem Geiſt und Wuͤrckung/
dort/ der Leib ſey Safft- und Krafft-loß/ corpori Chriſti nullus ſuccus
vigorque vitæ. Danæus in Exam. Chemnit. p. 148. der dem Commu-
nicanten weder kalt noch warm gebe/ und empfange der Mund des Glau-
bens anders nichts/ als eine Safft- und Krafft-loſe Speiß. Jſt alſo
der Leib Chriſti im Sacrament eben ſo wenig zugegen/ als der Leib
Enochs und Elias. Fern ſeye es/ daß unſer ſel. Lutherus in ſeinem
Lied: Ein veſte Burg iſt unſer Gott/ der erdichteten Wuͤrckungs-Ge-
genwart/ mit denen Worten: Er iſt bey uns wol auf dem Plan/ ꝛc.
haͤtte auffgeholffen/ maſſen der natuͤrliche und eigentliche Verſtand al-
lein dieſer iſt: Er/ der rechte Helden-Mann/ der da heiſſet JEſus Chriſt/
die gantze Perſon/ Gott und Menſch/ nach beeden Naturen/ iſt bey uns/
nicht aber/ als ein ſtrenger Richter/ uns nur zu ſchrecken/ und zu verdam-
men/ ſondern mit ſeinem Geiſt und Gaben/ alſo/ daß Er uns mit ſeiner
holdſeligen/ erfreulichen und gnaͤdigen Gegenwart befeſtiget/ behertzt und
lebendig macht/ in aller Gefahr regiert/ ſchuͤtzet und endlich darauß erloͤßt.
Es muͤſſen aber gleichwol hochwichtige Argumenta und Beweiß
fuͤrhanden ſeyn/ um dero willen man von dem Buchſtaben abweichet/
ſolche Deuteleyen auff die Bahn bringet/ und die warhafftige weſentliche
Gegenwart des Leibs und Bluts Chriſti auff Erden im H. Abendmahl
impugnirt und laͤugnet. Ja freylich/ ſprechen ſie/ ſind vorhanden/ und
zwar 1. Corporis Chriſti veritas, die eigentliche Art und Beſchaffenheit
des Leibs Chriſti/ der iſt uns in allem gleich/ außgenommen die Suͤnde/
und demnach iſt er ein einiger/ unzertheilter/ fuͤhl- und ſichtbarer/ raͤum-
licher/ umſchriebener/ gemeſſener Leib/ der ſeine Laͤnge/ Breite und Tieffe
hat/ und alſo unmuͤglich/ daß er koͤnne zertheilt werden in ſo viel Coͤrper/
als ſtuͤcker Brod/ in ſo viel und unzehlichen Orten zugleich gegenwaͤrtig/
zugleich im Brod/ und auch auſſer dem Brod/ ſeyn. Antwort: Freylich
iſt Chriſtus uns gar gleich nach dem Fleiſch/ und wie die Kinder Fleiſch
und Blut haben/ iſt ers gleicher maſſen theilhafftig worden/ quoad ſub-
ſtantiam, nach dem Weſen des Leibs/ nicht aber was anlanget die δόξαν
und Herꝛligkeit/ dann darin mußte er das præ haben. Er iſt der An-
fang und Erſtgebohrner von den Todten/ auff daß Er in allen
Dingen
[331]Predigt.
Dingen den Fuͤrgang habe.Col. 1, 18. in ſolche iſt er nun gegangen/
da Er von den Todten aufferſtanden/ alſo daß Er Krafft derſelben nun
hat corpus glorificatum \& inſenſile, einen ſolchen Leib/ der den leiblichen
Sinnen nicht unterworffen/ und allein mit verklaͤrten erhabenen Augen
kan geſehen werden/ wie dorten die feurige Roß und Wagen/ 2. Reg. 6, 17.
Ey/ ſagen ſie/ hat Er doch auch nach ſeiner Aufferſtehung koͤnnen geſehen/
betaſtet und begriffen werden. Antwort: Das iſt geſchehen auß einer
ſonderbaren diſpenſation und Willkuhr/ wie Er auch gegeſſen und ge-
truncken. Ja nicht nur das/ ſondern auch corpus illocale, der zugleich
an unterſchiedlichen Orten ſeyn kan/ daher Er mit ſeinem Leib im Him-
mel hat ſeyn/ und auch Paulo auff dem Weg gen Damaſcum erſcheinen
koͤnnen. II. Teſtimonium Scripturæ, welche ſagt/ er ſeye auffgefahren
gen Himmel/ ihn habe der Himmel faſſen muͤſſen. Piſcator Bibl. Her-
born. Act. 3, 21. Hinc argumentum: Welchen der Himmel faſſet/ biß
ans Ende der Welt/ der kan nicht in unzaͤhlich viel Hoſtien ſeyn mit ſei-
nem Leib/ Chriſtum mußte der Himmel faſſen/ ꝛc. E. Antwort/ nicht
muß der Himmel Chriſtum faſſen/ ſondern umgekehrt/ Ehriſtus mußte
den Himmel einnemmen/ beherꝛſchen/ und auff ſeinem Thron ſitzend/ re-
gieren/ ſonſt muͤßten nachfolgende Hiſtorien alle nicht wahr ſeyn/ da Er
mit ſeinem Leib auff Erden erſchienen/ Act. 7, 55. Als Stephanus voll
Heiliges Geiſtes war/ ſahe er auff gen Himmel/ und ſahe die
Herꝛligkeit GOttes/ und JEſum ſtehen zur Rechten GOt-
tes.cap. 9, 3. ſeq.Da er (Saulus) auff dem Wege war/ und nahe
bey Damaſeon kam/ fiel er auff die Erden/ und hoͤret eine
Stimme/ die ſprach zu ihm/ Saul/ Saul/ was verfolgſtu
mich. Er aber ſprach: HErꝛ wer biſtu? der HErꝛ ſprach:
Jch bin JEſus/ den du verfolgeſt.cap. 23, 11. Des andern Ta-
ges aber in der Nacht ſtund der HErꝛ bey mir/ und ſprach/ ſey
getroſt Paule/ dann wie du von mir zu Jeruſalem gezeuget
haſt/ alſo muſtu auch zu Rom zeugen. 2. Tim. 4, 16. 17. Jn der er-
ſten Verantwortung ſtund niemand bey mir/ ſondern ſie ver-
lieſſen mich alle/ der HErꝛ aber ſtund bey mir/ und ſtaͤrckte mich.
Die Auffarth hebt die Gegenwart des Herrn ſo gar nicht auff/ daß ſie
dieſelbe vielmehr bekraͤfftiget/ dann eben darum iſt Er auffgefahren
uͤber alle Himmel/ auff daß er alles in allem erfuͤlle.Eph. 4, 10.
III. Difficultas credendi. Wie es die Apoſtel verſtanden/ ſo ſollen wirs
auch verſtehen. Nun ſind der Apoſtel wenigſte Gedancken geweßt/ daß
T t ijim
[332]Die Vierzehende
im Brod etwas ſeyn ſolte/ dann ſie habens ja (ſeind Wort Bergii
pag. 48.) nicht angeſehen/ als ein Gefaͤß in welchem gleichſam
als in einer Paſteten ein andere Speiß verborgen ſeyn ſolte/
viel weniger haben ſie gedencken koͤnnen/ daß Chriſtus/ der fuͤr
ihren Augen am Tiſche ſaß/ zugleich einen unſichtbarn Leib
haͤtte/ und daß derſelbe unſichtbare Leib im Brod ſeyn ſolte/
dann wann hatten ſie jemals von einem ſolchen unſichtbaren
Leibe gehoͤret?Et mox:Aber das haben ſie leicht verſtehen koͤn-
nen/ daß ſie bey dieſem Brod-Brechen Chriſti der Verheiſ-
ſung des neuen Bunds vertroͤſtet und verſichert wuͤrden/ daß
Er ſeinen Leib fuͤr ſie dahin geben wolte/ ſonderlich/ da ers
auch in folgenden Worten ſo deutlich erklaͤrt. Antwort 1. Der
Juͤnger Unverſtand und Unglauben hebt GOttes Warheit nicht auff.
2. Eben ſo leicht haben ſie koͤnnen dafuͤr halten/ daß in/ mit/ und unter
dem Brod ſein Leib außgetheilet werde/ als leicht ſie geglaubet/ daß der
H. Geiſt verâ \& reali prâſentiâ in dem Athem und Hauchen Chriſti
Joh. 20. zugegen/ und was doͤrffen wir uns viel bekuͤmmern/ wie es die
Juͤnger verſtanden/ lehren ſie es doch ſelbs/ Paulus 1. Cor. 10. Johan-
nes ep. 1. c. 5. IV. Præſentiæ in utilitas. pareus nennet dieſe Præſentz
paleam, in qua nullum granum fidei, nullus ſuccus conſolationis, ein
Spreu/ darinnen kein Koͤrnlein des Glaubens/ noch Safft einiges
Troſts. Jſt ein vergebenes Schul-Gezaͤnck/ um welches willen die Ge-
muͤther nicht aneinander zu hetzen. Antwort: Das ſind auch (ita
D. Luth. Tom. 3. Jen. p. 375.) D. Oecolampads ſchaͤndlich greu-
licher Laͤſterung zwo/ daß er fragt/ worzu es nutz oder noth ſey/
daß Criſti Leib im Brod ſey/ und wo wirs nicht werden anzei-
gen/ wil er ſchlieſſen/ es ſeye nichts daran. Was ſoll ich doch
ſagen zu der frevelen Thurſt des hoͤlliſchen Satans? Wolan
wann wirs gleich nicht koͤnten anzeigen/ wie es nutz und noth
waͤre/ daß Chriſtus Leib im Brod ſey/ ſolte darum GOttes
Wort falſch/ und nach unſerm Duͤnckel zu draͤhen ſeyn? Ein
fromm Gottsfuͤrchtig Hertz thut alſo: Es fraget zum erſten/
obs GOttes Wort ſey/ wenn es das hoͤret/ ſo daͤmpffet es mit
Haͤnden und Fuͤſſen dieſe Frag/ worzu es nutz oder noth ſey/
denn es ſpricht mit Furcht und Demuth alſo: Mein lieber
GOtt/ ich bin blind/ weiß warlich nicht/ was mir nutz oder
noth ſey/ wils auch nicht wiſſen/ ſondern glaube und traue
dir/
[333]Predigt.
dir/ daß Du es am allerſten weiſſeſt/ und meyneſt nach deiner
Goͤttlichen Guͤte und Weißheit. Jch laß mir genuͤgen/ und
bin darzu froh/ daß ich ein bloſes Wort hoͤre/ und deinen Wil-
len vernehme. Gibt darauff folgende Jnſtantz. ib. f. 2. GOtt be-
fahl Abraham/ er ſolte ſeinen Sohn Jſaac opffern/ da war
Abraham freylich tieff genug verborgen/ wozu doch das noth
oder nutz waͤre. Haͤtte er nun ſich auch mit GOtt (wie un-
ſer Schwaͤrmer) in Zanck begeben/ und wiſſen wollen/ wozu
es nutz und noth waͤre/ oder haͤtte ſein Wort wollen verkehren/
was ſolt er wol fuͤr einen Segen erlangt haben? Eben den
Lucifer im Himmel verdienet. Wiederum unſer Mutter
Heva hatte auch GOttes Wort/ daß ſie von dem einigen
Baum nicht eſſen ſolt/ da kam der Schwaͤrmer Abgott zu ihr
eben mit dieſer Frage/ und ſprach/ warum hat GOtt das ge-
botten? Als ſolt er ſagen: wozu iſts nuͤtze/ wozu iſts noth?
Ey es iſt nichts daran/ GOttes Wort meynet ſolches nicht/
und deutet ihr GOttes Wort anders/ da fiel ſie dahin/ und
zog uns alle mit ſich. Wir ſeind aber ſo eng nicht beſchlagen/ daß
wir nicht ſolten auch den Nutzen anzeigen koͤnnen. Es flieſſet darauß
1. Præſentiæ gratioſitas, was nutzte es Potiphar/ da er Joſeph in ſeinem
Hauß hatte? Von der Zeit an/ da er ihn uͤber ſein Hauß und
alle ſeine Guͤter geſetzt hatte/ ſegnete der HErꝛ des Egypters
Hauß um Joſephs willen/ und war eitel Segen des HErꝛn
in allem was er hatte zu Hauß und zu Felde.Gen. 39, 5. Was
Obed-Edom/ da er die Bunds-Lade in ſeinem Hauß beherberget?
Da die Lade des HErꝛn drey Monden blieb im Hauſe Obed-
Edom/ ſegnet ihn der HErꝛ und ſeingantzes Hauß. 2. Sam. 6, 11.
Was nutzets Zacheum/ das Chriſtus bey ihm eingekehret? Heute
(ſagt Chriſtus ſelbs) iſt dieſem Hauß Heyl wiederfahren.Luc.
19, 9. Gewiß Er kom̃t nicht laͤhr/ er bezahlt die Jrten redlich. Was
nutzet die Kinder Jſrael die Gegenwart der Wolcken-Saͤule/ Moſes
wolt nicht mit ohne das Angeſicht des Herrn. Exod. 33, 3. 12, 13. ſeqq.
Alſo auff der Reiß ins Himmliſch Canaan/ da heißts ne time, Cæſarem
vehis. ϛῆτε, Χριϛὸς μεθ᾽ ἡμών. 2. Fidei confortatio, die Befeſtigung
unſers Glaubens/ es iſt ja ein ſtarckes momentum die arrham ſelbſt
præſentem empfangen/ es hat ja eine Jungfrau einen groſſen Troſt/
wann ſie den Trau-Ring in der Hand/ dann da zweiffelt ſie an der Treue
T t iijund
[334]Die Vierzehende
und Liebe ihres Braͤutigams nimmermehr/ und weiß/ daß er ſie ihr Le-
benlang nicht verlaſſen werde. Alſo/ ſoll das nicht kraͤfftiger Troſt
ſeyn/ wann ich das Pfand des Erbes/ den Leib/ der fuͤr mich in den Tod
gegeben/ das Blut/ ſo fuͤr meine Suͤnde vergoſſen/ empfahe/ zur Verſt-
cherung der inniglichſten/ hertzlichſten Liebe meines Heylands? 3. Aſſe-
curatio communicationis \& amoris, die Verſicherung der ewigen Lie-
be/ Bluts-Freundſchafft und Gemeinſchafft aller erworbenen Guͤter.
4. Fervidum Chriſtianiſmi ſtudium. Das muß ja ein Ertz-Boͤßwicht
ſeyn/ der dieſes theure Pfand empfangt/ Chriſtum zum Gaſt bekom̃t/
der ihm von neuem das Loſament beſchmeiſſen wolt/ er macht ihm viel-
mehr einen lieblichen/ angenehmen Rauch/ und erweißt ihm alle Gaſt-
Pflicht/ daß er nimmer von ihm weichen ſoll. 5. Die Gewißheit der
Aufferſtehung unſers Fleiſches/ und deſſelben himmliſchen Glory/ es
ſoll der Menſch ewig leben/ auch nach dem Leib/ von der Speiß des Leibs
Chriſti. Sicut oralis manducatio arboris vitæ erat typus immortali-
tatis,Unſer Leib/ (ita rurſus Luth. Tom. 3. Jen. p. 376. f. 2.) wird
mit dem Leib Chriſti geſpeiſet/ auff daß unſer Glaub und
Hoffnung beſtehe/ daß unſer Leib ſoll auch ewig leben von der-
ſelbigen ewigen Speiß des Leibs Chriſti/ den er leiblich iſſet/
welches iſt ein leiblicher Nutz. Aber dennoch auß der maſſen
groß/ und folget auß dem Geiſtlichen/ denn Chriſtus wird ja
auch unſern Leib ewiglich lebendig/ ſelig und herꝛlich machen.
Welches viel ein groͤſſer Ding iſt/ denn daß er ſeinen Leib eine
kleine Zeit auff Erden uns zu eſſen gibt. Drum wil Er in
uns natuͤrlich ſeyn/ (ſpricht Hilarius) beyde in der Seele und
Leibe/ nach dem Wort Joh. 6. Wer mich iſſet der bleibet in
mir. Jßt man Jhn geiſtlich durchs Wort/ ſo bleibt Er geiſt-
lich in uns in der Seele. Jſſet man Jhn leiblich/ ſo bleibt Er
leiblich in uns/ und wir in Jhme. Dann Er wird nicht ver-
dauet noch verwandelt/ ſondern verwandelt ohn unterlaß
uns/ die Seele in Gerechtigkeit/ den Leib in Unſterblichkeit.
Sprichſtu noch/ Oecolampad, es ſey nichts nutz? Jſts noch eine
palea, Paree?
Diß iſt nun die Beut/ die uns Gegentheil unterſteht zu rauben
per philoſophiam \& κυ [...]είαν, da laßt uns nun nicht Kinder ſeyn/ und
uns wiegen und waͤgen von dem Niderlaͤndiſchen/ Engellaͤndiſchen/
Fran-
[335]Predigt.
Frantzoͤſiſchen/ Heſſiſchen/ Pfaͤltziſchen Zweybruͤckiſchen Winden/ und
an fremden Exempeln witzig werden. Baſel war vor Zeiten eine edele
Jungfrau/ da Sulcerus noch profitirt/ aber Grynæus hats verderbt.
Colmar deßgleichen. Die armen Leute wurden Calviniſch/ wußten
nicht wie. Da gedencke E. L. ob wir nicht groſſe Urſach haben zu eif-
fern/ daß nicht auch dergleichen bey uns geſchehe. Und zwar 1. Predi-
ger/ daß ſie dieſe und dergleichen Geheimnuͤſſe nicht nur ſuperficiariè,
ſondern verſtaͤndlich tractiren/ nicht daruͤber ſpringen wie ein Hahn uͤber
die gluͤende Kohlen. 2. Obrigkeiten/ Lutherus thut eine rechte Heroi-
ſche Vermahnung an die Stadt Straßburg/ Tom. 3. Jen. p. 382. f. 2.
Jhr liebe Rath-Herren zu Straßburg/ und alle die ihr ſolche
Sacraments-Rotten bey euch habt/ moͤget euch ſolche ihre
Rede wol warnen laſſen/ daß ihr die Augen nicht in den Beu-
tel ſteckt/ ſondern des Spiels wol acht habt/ der Muͤntzer (Cal-
vinus, Zvvinglius, Beza) iſt todt/ aber ſein (ihr) Geiſt iſt noch
nicht außgerottet. Ja auch 3. Layen und junge Leute inſonderheit/
die geht die Vermahnung St. Johannis an/ 1. Joh. 4. Glaubet nicht
einem jeglichen Geiſt/ pruͤffet die Geiſter/ ob ſie von GOtt
ſind. Seyd geiſtliche Schiffleuth/ daß ihr die Geiſter als Winde pruͤf-
fet/ ob ſie von oben herab/ oder unten auß der Hoͤllen herauß blaſen.
Dann es bleibt dabey/ wer glaubt/ das iſt/ wer recht glaubt/ der wird ſe-
lig. Eben darum/ und ob ignorantiam werden die Heyden unglaubig
genannt. Wann einer die groͤſte gute Werck thaͤte/ haͤtte aber den
Glauben nicht/ ſo waͤre es nichts/ wie Glaub ohne Lieb lahm und tod/ ſo
iſt die Lieb ohne Glauben blind. Dienet zur Lehr fuͤr uns/ den Glauben
zu ſtaͤrcken/ wie viel meynen wir wol/ das Calviniſten unter uns ſeyen/
die nicht wiſſen/ was Lutheriſch oder Calviniſch/ gilt ihnen alles gleich.
Wer es bißher nicht verſtanden/ der lerne es/ auff daß Gott nicht zuͤr-
ne/ dann wann man die Liebe der Warheit nicht wil annemmen/ ſo ſtrafft
GOtt mit kraͤfftigen Jrꝛthummen. Ad Elenchum des Gegentheils/
nicht zwar in der Meynung/ die Ketzermeiſter ſelbs zu bekehren: Chri-
ſtus bekehret (ſind Wort Lutheri Tom. 3. Jen p. 339.) keinen Ho-
henprieſter/ aber ihre Juͤnger wurden wol bekehret/ als Nico-
demus/ Joſeph/ Paulus und dergleichen. Die alten Pro-
pheten bekehren keinen falſchen Propheten. Paulus kunte
auch keinen falſchen Apoſtel bekehren/ ſondern gab die Lehre/
wann einer waͤre zwey- oder dreymal vermahnet/ ſolte man
ihn
[336]Die Vierzehende.
ihn meiden und fahren laſſen/ als einen Verkehrten. Alſo ha-
ben die heiligen Doctores auch noch nie keinen Ketzer-Meiſter
bekehrt. Nicht darum/ daß dieſe alle jener Jrꝛthum nicht haͤt-
ten jemals gnugſam beſtritten und uͤberzeuget mit der War-
heit/ ſondern ihr Hertz war beſeſſen mit eigenem Duͤnckel/ und
gieng ihnen/ wie es dem gehet/ der durch ein gemahlt Glaß
ſiehet/ man lege demſelbigen fuͤr/ was man fuͤr Farbe wil/ ſo
ſiehet er kein andere Farbe/ dann ſein Glaß hat. Es mangelt
aber nicht daran/ daß man ihm nicht rechte Farbe fuͤrlegt/ es
mangelt daran/ daß ſein Glaß anders gefaͤrbet iſt. Wie der-
ſelbige Spruch Jeſaia auch gibt/ Jhr werdet ſehen/ (ſpricht
er) und werdets doch nicht ſehen. Was iſt das anders geſagt/
dann es wird euch fuͤr die Augen gnug und wol kommen/ daß
ihrs ſehen moͤchtet/ und andere werdens auch ſehen; aber ihr
werdets nicht ſehen/ das iſt die Urſach/ ſpricht Joh. am 12. daß
man ſolche Leute nicht bekehren kan/ die fuͤrgelegte Warheit
thuts nicht. GOtt muß das gemahlte Glaß wegnemmen/
das koͤnnen wir nicht thun. Ob ich nun auch kein Schwaͤr-
mer-Meiſter bekehre/ ſo ſolls doch daran nicht mangeln/ ob
GOtt wil/ daß ich die Warheit hell und duͤrre gnug wil fuͤr
ihre Augen ſtellen/ und etliche ihrer Schuͤler abreiſſen/ oder je
die Einfaͤltigen und Schwachen ſtaͤrcken/ und fuͤr ihrem Gifft
bewahren. Geraͤht das auch nicht (da GOtt fuͤr ſey) ſo wil
ich doch hiemit fuͤr GOtt und aller Welt bezeuget und bekañt
haben/ daß ich mit dieſen Sacraments-Laͤſterern und Schwaͤr-
mern nicht halte/ noch je gehalten habe/ noch nimmermehr
halten wil/ (ob GOtt wil) und wil meine Haͤnde gewaſchen
haben von allem Blut der Seelen/ die ſie mit ſolchem Gifft
Chriſto abſtehlen/ verfuͤhren und ermorden/ denn ich bin un-
ſchuldig daran/ und habe das meine gethan. Jſt jemand unter
dieſem Hauffen dieſem Schwarm beygethan/ den wolle Gott erleuch-
ten/ und uns bewahren fuͤr dieſem argen Geſchlechte/ daß ſichs in uns
nicht flechte/ im gegentheil heiligen in ſeiner Warheit/ dann ſein Wort
iſt Warheit/ damit wir alſo lauter und unanſtoͤſſig erfunden
werden biß auff den Tag Chriſti.
Amen.
Die
[337]Predigt.
Die Fuͤnffzehende Predigt/
Von
Dem Gebrauch des H. Abendmahls
unter beeder Geſtalt.
GEliebte in Chriſto. Es vergleichet ſich ὁ υἱὸς ἀϖω-
λείας, das Kind des Verderbens/ der Roͤmiſche Wider-
Chriſt/ 2. Theſſ. 2, 3. mit ſeinem Bruder dem συνωνύμῳ,
und gleich genannten ὑῷ ἀϖωλείας, dem Judaͤ Jſcarioth/
wie in vielen andern Stuͤcken/ alſo inſonderheit in Sacri-
legio in dem verwegenen/ wiewol mit Heiligthum und
Heucheley vermumten/ Kelch-Wein-Blut-Kirch- und Gottes-Raub/
und daſſelbe in gewiſſen gradibus:
I. In Sacrilegio bonorum Eccleſiæ externorum. Es hatte Ju-
das/ wie Johannes c. 12, 6. klar bezeuget/ den Beutel/ und trug den Se-
ckel/ er war Chriſti Seckel-Meiſter/ Kirchen-Schaffner/ Heiligen-
Pfleger und Verwalter der geiſtlichen Guͤter/ aber er war ein Dieb/ por-
tabat miniſterio, exportabat furto, ſaget Auguſt. Dionyſ. Carthuſ. er-
zehlet ex traditione, er habe je den zehenden Pfenning gezwackt und ge-
ſtohlen/ wie irgend untreue Maͤgde heutiges Tages theurer verrechnen/
als ſie außgeben/ und heimliche Mutten machen. Vielleicht hat er
manchmal/ was er den Armen geben ſollen/ inbehalten/ oder leichtlich
ſagen koͤnnen/ es ſeye auff dißmal mehr nicht einkommen. Darauß
obiter abzunemmen/ daß nicht allezeit die bey dem Herrn die Liebſten/
die Er zu Praͤlaten uͤber die geiſtliche Guͤter gemacht/ Johannes war
der Liebſte/ aber Er hat ihm den Seckel nicht vertraut:
‘Nec incommodè obſervari poteſt, quòd Chriſtus loculos non tradidit Johan-
ni, quem præ reliquis dilexit, Joh. 13. ꝟ. 23. c. 20. ꝟ. 2. cap. 21. ꝟ. 7. ſed Judæ,
quem noverat fore Apoſtatam, ut moneamur, temporalia \& caduca hujus
vitæ bona non eſſe amicorum DEI propria, ſed piis \& impiis, bonis \& malis
communia, quin imò ſæpius obtingere impiis quàm piis, malis quàm bonis.
Ita Gerh. Harm. c. 143. p. 133.’ ()
Alſo auch der Roͤmiſche Papſt/ der groſſe Clavarcha \& Gazarcha, Ad-
Neunter Theil. U umini-
[338]Die Fuͤnffzehende
miniſtrator \& diſpenſator bonorum Eccleſiaſticorum, der hat die
Schaͤtze der Welt durch ſein Fiſcher-Netz an ſich gezogen/ er wil den mil-
den Stifftungen/ ſo der Kirchen ins gemein zum Beſten vor Zeiten ge-
reicht und beygelegt worden/ Obriſter Verwalter heiſſen und angeſehen
ſeyn/ geſtalt auß dem nechſten Stifft- und Cloſter-Krieg genugſam er-
hellet/ und Paul. Layman in juſtâ defenſione beſtritten; Aber zuge-
ſchweigen/ daß er andere Geiſtliche zu Bettlern gemacht/ und ſie uͤberre-
det/ daß ſie votum paupertatis abgelegt/ ſo hat er die Layen dergeſtalt
außgeſchloſſen/ daß wann auch die Welt ſolte untergehen/ und alles in
der Kriegs-Flamm bleiben/ er/ ſo viel an ihm iſt/ kein Stifft oder Kloſter
Corn. Lap.
ad Act. c. 3.
p. 101.herauß gegeben haͤtte. Daher als Thomas Aquinas zu Pabſt Innocen-
tio IV. einsmals gekommen/ fuͤr welchem ohngefaͤhr ein groſſe Summa
Gelds gezehlet wurde/ und ihne Innocentius angeredet/ ſieheſtu mein lie-
ber Thoma/ daß die Kirch nicht mehr/ wie anfangs/ ſagen koͤnne/ Silber
und Gold habe ich nicht/ habe er ihm beſcheiden und vernuͤnfftig geant-
wortet: Freylich iſt dem alſo/ Heiliger Vater/ aber es kan die Kirch auch
nicht mehr w. e. die erſte Mutter-Kirch/ zu einem Lahmen ſagen: Stehe
auff und wandele. Ja eben damit hat er ſich gnugſam verrathen/ daß er
nicht Petri/ ſondern Judaͤ Succeſſor und Nachfolger ſeye. Und darff
doch noch wol einer ſeiner Schmarotzer ſchreiben/ Thom. Boz. l. 10. de
Sign. Eccleſ. c. 10. l. 11. c. 11. p. 464. Pontifex ne milleſimam quidem par-
tem à Chriſtianis accipit, quæ deberetur.Er empfahe von den Chri-
ſten nicht den tauſendſten Theil/ den man ihm zu reichen ſchuldig waͤre.
II. In ſacrilegio boni interni, myſtici, Judas hat Crriſtum ver-
kaufft/ verrathen/ feil gebotten/ hin gegeben/ und alſo geſtohlen. Dann
was man verkauffen darff/ iſt entweder eigen von Rechts wegen/ oder ge-
ſtohlen. Nun war Chriſtus nicht von Rechts wegen Judaͤ eigen/ er hat
Jhn geſtohlen/ und Marckententerey mit ihm getrieben. Er bekannte
ſelbs/ ich habe unſchuldig Blut verrathen. Matth. 27. 24. Alſo auch der
Pabſt/ der verkaufft nicht nur Chriſti Leib und Blut/ und vermeyntes blu-
tige Meß-Opffer ums Geld. Jſt ein alte Klag die im Concilio Trident.
ſelbs gefuͤhret worden/ und noch nicht allerdings abgeſchafft/ Seſſ. 22. de
Reform. und ſtehet unter ſolchen Meß-Mißbraͤuchen fornen an/ Miſſifi-
cum avaritia, miſſæ interveniente mercede celebratæ, kupffern Geld/
kupffern Seel-Meß. Daher Johannes Picus Mirandula alſo geſchrieben:
‘
Emerat ipſe prius, vendere jure poteſt.
[339]Predigt.
Das iſt:
Verkauffet Alexander par/
Daſſelb zu thun hat er gut Macht/
Weil ers durch Kauff vor an ſich bracht.
Und Accius Sannazarius:
‘
Cur Leo [x] non poterat ſumere? vendiderat.
Das iſt:
Warum Leo in Sterbens-Zeit/
Das Sacrament nicht kont empfangen?
Das machts/ es war im Kauff drauff gangen.
Sondern neben dieſer Simoni und Fuggerey hat er noch dazu den
Layen/ darunter Potentaten/ Kayſer und Koͤnige/ und alſo den Kindern/
das Brod genommen/ und den Meß-Hunden dargewoffen/ ſamt dem
Kelch und geſegneten Wein/ indem er ihnen das Blut JEſu Chriſti
freventlicher weiß geraubt und geſtohlen/ außgenommen Regem Chri-
ſtianiſſimum, dem Clemens VI. ob ingentia merita das Sacrament
unter beeder Geſtalt zu gebrauchen/ Macht und Gewalt gegeben/ deren
er ſich aber nur zweymal bedienet/ auff den Tag ſeiner Croͤnung/ und in
den letſten Todes-Noͤthen.
III. In ſacrilegii pallio hypocritico. Judas kunte ſeinen Schalck
artig verbergen/ da Maria mit einem Pfund Salben/ von ungefaͤlſchter
koͤſtlicher Narden/ die Fuͤſſe JEſu geſalbet/ Joh. 22, 4. thut Judas ſich
herfuͤr: Warum iſt dieſe Salbe nicht verkaufft um drey hun-
dert Groſchen/ und den Armen gegeben? Johannes gibt die [...]πί-
κρισιν, das ſaget Judas nicht/ daß er nach den Armen fragete/
ſondern er war ein Dieb/ er haͤtte auch gern eine Feder von dieſer
Ganß gehabt. So kan der Roͤmiſche Pabſt ſein furtum und Kelch-
Raub gar meiſterlich verdecken/ unter dem Schein ſonderbarer Heilig-
keit und Reverentz/ daß dem Blut Chriſti kein Unehr angethan werde/
entweder durch [Verſchuͤttung]/ Verwandelung in Eſſig/ Gefrierung/
Beſchmitzung von den langen Baͤrten/ und was dergleichen mehr. Jſt
eben das jenige/ davon wir nun zu reden und zu handeln haben/ dann
nachdem wir zum nechſten mal angefangen die adjuncta ſacramentalia
U u ijzu
[340]Die Fuͤnffzehende
zu tractiren/ und allbereit erwogen die præſentiam realem, folget nun
Communio ſub utrâque, und deſſen oppoſitum, Communio ſub unâ.
Hievon fruchtbarlich zu reden/ wolle Gott ſeine Gnad und Geiſt verlei-
hen. Amen.
GEliebte in Chriſto. Belangend nun vorhabendesThe-
ma, nemlich/ communionem ſub utrâque, ſo iſt dieſelbe fun-
dirt in Gottes Wort ſonderlich I. Jn den Teſtaments-Worten
der Einſatzung/ davon es heißt/ Gal. 3, 15. Verachtet man doch eines
Menſchen Teſtament nicht/ wann es beſtaͤtiget iſt/ und thut
auch nichts dazu. Nun ſagt Chriſtus klar: Trincket Alle darauß/
in welchen Worten er mit Fleiß vorbeugen wollen/ als der wol geſehen/
Luth. lib.
de captiv.
Baby l. c. de
Euchar.daß ins kuͤnfftige ſolche Sacrament-Stuͤmler werden auffkommen/ wel-
che zwar das Brod/ nicht aber den Kelch/ allen Communicanten reichen
werden. Maſſen wol zu mercken/ daß angezogene Wort nicht ſeind verba
ſtatus, wie die/ Seyd fruchtbar und mehret euch/ ſondern ritus eſ-
ſentialis, einer weſentlichen unveraͤnderlichen Sitt und Gebrauchs; auch
nicht verba præcautionis, daß ſie es unter ſich theilen ſollen/ dann dieſe
Wort ſind ſchon vorher gegangen/ Luc. 22, 17. Er nam den Kelch/
dancket und ſprach: Nemmet denſelbigen/ und theilet ihn un-
ter euch. So iſts nicht vermuthlich/ daß die Apoſtel ſolche Wein-
Schlaͤuch und ſo vertruncken geweßt/ daß ein jeglicher/ wann Chriſtus
dieſe inſtruction nicht gegeben/ den gantzen Kelch/ ſo ein Quart Weins
gehalten/ wie Beda bezeugt/ außgetruncken haͤtte; nicht reſtrictiva ad ſo-
los ſacerdotes, dann ſie waren da nicht conficientes; ſondern verba man-
dati, an alle und jede/ was ich euch ſage/ das ſage ich allen/Marci
cap. 13. Gleichwie bey Beſprengung des Altars (Exod. 24, 4. 5. 6.) die
zwoͤlff Seulen das gantze Volck præſentirt: Alſo die zwoͤlff Apoſtel/ in
Nieſſung des Bluts JEſu Chriſti im H. Abendmahl/ die gantze werthe
Chriſtenheit. Daß aber dieſe Wort keinen andern/ als dieſen Verſtand
leiden/ erhellet auß nachfolgenden Gruͤnden. 1. Alle die jenigen werden
durch das Wort ALLE verſtanden/ die dieſes Sacrament faͤhig/ dieſer
Gutthat beduͤrfftig/ zu welchen geſagt/ daß wie ſie gegeſſen/ deſſelben glei-
chen/ ὡσάυτως, auch trincken ſollen. Nun ſeind alle Menſchen/ die dazu-
mal gelebt/ noch leben/ und ins kuͤnfftige leben werden/ ſo fern ſie noch in
dem Macht-Reich/ und in der ſtreitenden Kirchen begriffen/ getaufft/ der
Selbs-Pruͤffung maͤchtig/ und wie ſie Brod eſſen/ alſo auch Wein trin-
cken koͤnnen/ dieſes Sacraments faͤhig/ dieſer Gutthat beduͤrfftig/ ſeind
die
[341]Predigt.
die jenigen/ zu welchen geſagt/ daß ſie ὡσάυτως, deſſelben gleichen trincken
ſollen/ wie ſie gegeſſen. E werden ſie alle/ ſo wol Prieſter als Layen/ durch
das Wort Alle verſtanden. Gleichwie wann ein beruͤhmter/ koͤſtlicher
und erfahrner Artzt in ein Lazareth- und Siechen-Hauß hinein tritt/ und
findet in einem Gemach ſolche Patienten/ die mit einerley Kranckheit/
der Peſt/ dem Krebs/ Waſſerſucht ꝛc. behafftet/ und ſie mit dieſen Worten
anredet: Trincket alle von dieſem Gifft-Heyl- und Artzney-Tranck zu eue-
rem Geneſen und Geſundheit/ der wuͤrde ja kein einigen/ ſo mit dergleichen
Kranckheit und Breſten beladen/ nach der Artzney ſich ſehnet/ und mit bee-
den Haͤnden darnach greifft/ außgeſchloſſen haben. Alſo hat Chriſtus
dazumal aller Welt gleichſam zugeruffen/ kom̃t her ihr Armen/ laßt mich
uͤber euch erbarmen/ ihr ſolt glauben und nicht wancken/ daß hie ſey ein
Speiß (Tranck) der Krancken/ denen ihr Hertz von Suͤnden ſchwer/ und
fuͤr Angſt iſt betruͤbet ſehr. Es ſeind ja die Gutthaten ampliſſimæ inter-
pretationis, und reichen ſo weit/ als weit nicht der Evergeta und Gutthaͤ-
ter einen Knopff dafuͤr macht/ und den Riegel fuͤrſchiebt. 2. Erhellet ſol-
ches auß den Nahmen des H. Abendmahls/ Teſtament und
Sacrament/ dann daß es ein Sacrament ſeye/ bekennet Bellarminus
frey und ungezwungen l. 1. de Euchar. c. 9. Sacramentum eſſe, de quo hîc
agitur, nemo negat. Chriſtus ſelbs nennet es ein Teſtament/ diß iſt
mein Blut des Neuen Teſtaments/Matth. 26. oder wie Lucas den
ſtylum fuͤhret/ Luc. 22. Dieſer Kelch iſt das Neue Teſtament in
meinem Blut. Nun aber iſt ein Sacrament anders nichts/ ratione
nominis, als ſacrum juramentum, quod miles Imperatori præſtat, da-
her dieſer Schluß fließt: Alle die werden in dem Anſpruch Chriſti (Trin-
cket alle ꝛc.) verſtanden die geiſtliche Soldaten ſeind/ die in der H. Tauff
Chriſto Treu und Glauben geſchworen/ und unter ſeinem Blut-Fahnen
biß in den Tod ritterlich kaͤmpffen und ſtreiten wollen. Nun ſeind alle ge-
tauffte ꝛc. geiſtliche Soldaten ꝛc. E. Alle die/ denen das Blut Chriſti Te-
ſtaments-weiß vermacht/ gehet auch dieſer Anſpruch an. Nun iſt ſolches
nicht nur geſchehen den gegenwaͤrtigen Juͤngern/ ſondern auch ihren
Kinds-Kindern/ und allen denen/ die dazumal noch ferne geweſen feind/
die Gott herzu ruffen wird/ Act. 2, 39. E. 3. Auß der Macht und Ge-
walt/ Rath/ Affect/ Sinn und Verſtand Chriſti/ da er das heilige
Abendmahl eingeſetzt. Geſetzt/ der Verſtand dieſer Wort waͤre etwas
dunckel/ ſo kan er doch liecht und leicht gemacht werden/ auß dem jenigen
Staat und Stand/ darin der Herr dieſe Wort geſprochen. Der Herr/
der zu dieſem Mahl eingeladen/ hatte Macht/ dieſen ſeinen Schatz biß ans
U u iijEnde
[342]Die Fuͤnffzehende
Ende der Welt außzutheilen. Er war hoſpes ϕιλάνθρωπος, ein freundli-
licher/ leutſeliger Herr/ der von keiner proſopolepſi weiß/ es iſt ihm ei-
ner wie der ander/ in ſeinem Reich/ was anlangt ſeine Gnaden-Gaben/
und Gutthaten/ und hat weder Mann noch Weib/ weder Lay noch Cleri-
cus, einige prærogativ fuͤr dem andern; Er ladet zum Sacramentlichen
Mahl ein zu der Zeit/ da Er in den groͤſten Flammen der Liebe geſtanden/
und dieſelbe ſeinen Juͤngern und uns allen zum Exempel der Nachfolg
fuͤrgemahlt; Er ladet ein in dem Verſtand der διάνοιαι καὶ ἐυγνωμοσ [...]ην,
ſeu æquiprudentiam admittirt/ daß wann Er noch lebte/ und von uns
koͤnte gefragt werden/ ob er auch wolte/ daß vom Genuß ſeines Bluts auß
dem Sacramentlichen Kelch einiger Menſch ſolte außgeſchloſſen wer-
den/ gewißlich mit Nein antworten wuͤrde. Weil nun dem allem alſo/ hat
Er ja in dem Wort/ Alle/ nicht allein ſeine Juͤnger/ ſondern die gantze
Kirch/ und allgemeinen Hauffen der werthen Chriſtenheit geeinet und ge-
meinet. 4. Auß Chriſti als des Gaſtgebers Zweck und End-
Urſach/ ſo da iſt die Vergebung der Suͤnden/ als welche der fuͤrnemſte
Kern und Stern/ Safft und Krafft/ Sonn und Kron/ wie des gantzen
Evangelij/ alſo auch dieſes Sacraments: Trincket alle darauß/ ſagt
Chriſtus Matth. 26, 26, 28. τοῦτο γὰρ, eben darum/ weil es vergoſſen zu Ver-
gebung der Suͤnden. Hinc argumentum, Omne bibendum hoc fine,
zu dem Ende/ Frucht und Nutz/ Zweck und Ziel/ promiſſion und Verheiſ-
ſung/ daß man davon habe die Vergebung der Suͤnden/ das dienet zur
Vergebung der Suͤnden/ die Nieſſung des Sacramentlichen Kelchs hat
ſolchen Zweck/ Frucht/ Nutzen/ Verheiſſung/ ꝛc. E. dienet ſie zur Verge-
bung der Suͤnden. Gleichwie wann ein Medicus ſagte: Nim̃ hin dieſen
Artzney-Tranck/ und trincke/ das iſt eine neue Artzney zur Heilung deines
Fiebers/ ſo koͤnte man ja nicht anders gedencken/ als es ſeye dieſes der ei-
nige und fuͤrnemſte Zweck der Artzney/ nemlich das Fieber zu vertreiben.
Alſo wann auch Chriſtus ſagt: Trincket alle darauß/ dieſer Kelch
iſt das Neue Teſtament in meinem Blut/ das fuͤr euch und fuͤr
viel vergoſſen wird zur Vergebung der Suͤnden/ ſo kan ja nie-
mand/ der ſanæ mentis und geſunden Verſtands/ anders gedencken/ als
Chriſtus habe diß Sacrament eingeſetzet nicht fuͤr die geſunden/ ſondern
fuͤr die Verwundeten und Krancken/ und daß es fuͤrnemlich gewidmet ſey
zu Troſt/ Heyl und Cur der bloͤden und boͤſen Gewiſſen. Worauß weiter
fließt: Wen der Zweck/ Nutz und Frucht der Nieſſung des Sacramentli-
lichen Kelchs trifft und angehet/ den gehet auch der Anſpruch Chriſti an:
Trincket alle darauß. Nun iſt das ἐξαγώνιον, auſſer allem Streit/ ge-
wiß/
[343]Predigt.
wiß/ und zu beeden Seiten bekantlich/ daß die Frucht der Nieſſung des
Sacramentlichen Kelchs/ die Vergebung der Suͤnden angeht/ nicht al-
lein die Juͤnger Chriſti/ die Clericos, \&c. ſondern auch die Layen/ welche
ſeyn werden biß ans Ende der Welt/ biß der Herr kommen wird. E. ſo
gehet ſie auch das Alloquium und Anſpruch Chriſti an. 5. Auß der
Praxider erſten Kirch. Der Schluß iſt dieſer: Was in Außſpendung
des H. Abendmahls die erſte/ Apoſtoliſche/ Corinthiſche Kirch/ als Ec-
cleſia Exmplaris und Muſter-Kirch gethan/ dazu iſt auch die Roͤmiſche/
Straßburgiſche ꝛc Kirch verbunden. Quia primum in unoquovis ge-
nere eſt menſura reliquorum. Zumalen weil Paulus ſeine Epiſtel nicht
nur an die zu Corintho abgehen laſſen/ ſondern der gantzen werthen Chri-
ſtenheit gleichſam dedicirt/ inſinuirt/ und hoͤchſt anbefohlen. Paulus
beruffen zum Apoſtel JEſu Chriſti/ durch den Willen GOt-
tes/ der Gemeine GOttes zu Corinthen/ den Geheiligten in
Chriſto JEſu/ den beruffenen Heiligen/ ſamt allen denen/
die anruffen den Nahmen unſers HErꝛn JEſu Chriſti/ an
allen ihren und unſern Orten. Gnade ſey mit euch und Frie-
de ꝛc. 1. Cor. 1, 1. 2. Nun aber hat die gantze Corinthiſche Kirch/ und alſo
auch die Layen auß und nach des Herrn Befehl vom geſegneten Kelch
getruncken/ als welches mit Soñen-Strahlen geſchrieben 1. Cor. 11, 25. 26.
Dieſer Kelch iſt das Neue Teſtament in meinem Blut/ ſolches
thut/ ſo offt ihrs trincket zu meiner Gedaͤchtnuß. Dann ſo offt
ihr von dieſem Brod eſſet/ und von dieſem Kelch trincket/ ſolt
ihr des HErꝛn Tod verkuͤndigen/ biß daß Er kom̃t. Und v. 28.
Der Menſch pruͤfe ſich ſelbſt/ und alſo eſſe er von dieſem Brod/
und trincke von dieſem Kelch. Jſt demnach der Befehl des Apoſtels
gnugſam exprimirt/ theils in dem Wort Solches thut/ theils/ er
trincke von dieſem Kelch/ als welches der Apoſtel imperativè geſetzt/
πινέτω, und beydes/ das Trincken und Pruͤfen/ categoricè befohlen; er
redet nicht ex hypotheſi, daß/ ſo jemand von den Layen auß dem Kelch
trincken wolte/ auß permiſſion der Kirchen/ er ſolches nicht thue/ ohne
vorhergehende probation, ſondern es war hie eine ſolche tradition, die
der Apoſtel vom Herrn empfangen. Jch habe es von dem HErꝛn
empfangen/ das ich euch gegeben habe. 1. Cor. 11, 23. und alſo nicht
auß der acht zu laſſen/ ſondern treulich zu proſequiren/ nach ſeiner eige-
nen Vermahnung 2. Theſſ. 2, 15. So ſtehet nun lieben Bruͤder/ und
haltet an den Satzungen/ die ihr gelehret ſeyd/ es ſey durch
unſer Wort oder Epiſtel.
II. In
[344]Die Fuͤnffzehende
II. In explicatione Paulina, 1. Cor. 10, 16. Der geſegnete
Kelch/ welchen wir ſegnen/ iſt der nicht die Gemeinſchafft des
Bluts Chriſti? Was nun Gott zuſammen gefuͤget/ das ſoll der
Menſch nicht ſcheiden. Es hat aber Gott im H. Abendmahl nicht
zuſammen gefuͤgt Brod und Wein/ wie in der Hiſtoriâ Serapionis ge-
ſchehen/ apud Euſebium lib. 6. c. 36.
ann. Chri-
ſti 255. n. 32.
gnam vitæ partem integrè \& incorruptè tranſegiſſet, tempore
tamen perſecutionis præ imbecillitate animi lapſus eſt. Hic ſæpe-
numero in Eccleſiam denuò recipi ſupplex poſtulabat: ſed ne-
mo, quia idolis ſacrificaſſet, ejus poſtulationi aliquando auſcul-
tavit. Quin in gravem morbum delabens, triduo deinceps mu-
tus \& abſque ſenſu vixit: quarto autem die paulum relevatus,
nepotem ad ſe accerſivit, ſicque alloquitur: Quouſque me filii
detinetis? præparate, obſecro, \& me ocyus dimittite; aliquem
ex presbyteris advoca ad me. Quæ cum dixiſſet, iterum fuit mu-
tus. Puer currit ad presbyterum: nox jam erat. Ille fortè mor-
bo vexatus, accedere ad eum non poterat: ſed tamen quoniam
à me quidem mandatum dabatur, ut, qui jam eſſent è vita migra-
turi, ſanctorum myſteriorum (dummodò peterent, \& vel maxi-
mè ſi anteà, dum in integrâ valetudine erant, ſupplices petiviſ-
ſent) participes fierent, ſicque cum pace dimiſſi, \& bonâ ſpe
confirmati ex hac luce decederent; puero exigdam quandam
Euchariſtiæ partem dedit, præcipiens, ut eam madefactam in os
ſenis infunderet. Quam puer ſecum afferens, rediit. Cui jam
appropinquanti, priuſquam cum eo, quod geſtabat, intraret
ædes; Serapion denuò voce recuperatâ, dixit: Veniſti Fili? tam-
etſi presbyter non poteſt venire, tu tamen præſta, quod tibi in
mandatis dedit, \& dimitte me abire. Particulam igitur puer,
quam apportârat, madefacta in os ſenis infudit. Atque ille ſi-
mul atque eam pedetentim per fauces dimiſerat, illicò extremum
ſpiritum edidit.’ ()
auch nicht Brod und Blut/ ſondern Brod und Leib/ Wein und Blut.
Was nun Gott zuſammen gefuͤget oder geſcheiden/ ſoll der Menſch nicht
trennen/ noch zuſammen fuͤgen.
Daß nun uͤber die 1000. Jahr in der Kirchen Gottes/ nach ermeltem
Verſtand/ und in beeder Geſtalt das H. Abendmahl außgeſpendet worden/
iſt
[345]Predigt.
iſt auß der Kirchen-Hiſtori gnugſam zu erweiſen. Ignatius der heilige
Maͤrtyrer epiſt. ad Philadelph. εἷς καὶ ἄρτος τοῖς πᾶσιν ἐθρύφϑη, καὶ ἓν
ποτήριον τοῖς ὅλοις διενεμήϑη. Quomodo, ait Cyprian. l. 1. epiſt. 2. do-
cemus aut provocamus eos in confeſſione nominis ſanguinem ſuum
fundere, ſi eis militaturis Chriſti ſanguinem denegamus? aut quo-
modo ad martyrii poculum idoneos facimus, ſi non eos prius ad bi-
bentium in Eccleſia poculum Domini jure communionis admittimus?
das iſt: Wie koͤnnen wir ſie unterweiſen und anfriſchen/ um
der Bekanntnuß willen des Chriſtlichen Namens ihr Blut
zu vergieſſen/ wann wir ihnen zu der Zeit/ da ſie in den Kampff
gehen ſollen/ das Blut Chriſti abſchlagen? oder wie koͤnnen
wir ſie zum blutigen Maͤrtyrer-Kelch geſchickt und tuͤchtig
machen/ wann wir ſie nicht zuvor in der Kirch zum Genuß
des Kelchs des HErꝛn/ vermoͤg der Gemeinſchafft/ zu laſſen?
Joh. Chryſoſt. hom. 18. ad cap. 8. poſter. ad Corinth. Non ſicut in ve-
teri lege partem quidem ſacerdos comedebat, partem verò populus,
nunc ſecus ſe res habet: omnibus corpus unum proponitur \& pocu-
lum unum. Ea, quæ ſunt Euchariſtiæ, communia ſunt omnia inter
ſacerdotem \& populum. Das iſt: Es geht jetzt nicht mehr zu/
wie im Alten Teſtament/ da einen Theil der Prieſter/ den an-
dern das Volck gegeſſen/ ſondern es verhaͤlt ſich die Sach gar
anders. Es wird allen ein Leib und ein Tranck vorgeſetzt/
und hat an dem/ was zum H. Abendmahl gehoͤrt/ Prieſter und
Lay theil und gemein.Auguſtin. lib. 3. qq. ſuper Levit. q. 57. Si
illis ſacrificiis Vet. Teſt. unum hoc ſacrificium ſignificabatur, in quo
vera fit remiſſio peccatorum, à cujus tamen ſacrificii ſanguine in ali-
mentum ſumendo, non ſolum nemo prohibetur, ſed ad bibendum
potius omnes adhortantur, qui volunt habere vitam. Das iſt:
Wann durch die Opffer Alten Teſtaments dieſes einige Opf-
fer bedeutet wurde/ in welchem die warhafftige Vergebung
der Suͤnden geſchicht/ von welchem Opffer-Blut/ ſo es zur
Nahrung und Auffenthalt der Seelen genommen wird/ nicht
allein niemand abgehalten/ ſondern vielmehr alle/ welche das
ewige Leben haben wollen/ zu trincken angemahnet werden.
Theodoret. Comment. in 1. Cor. 11. ſchreibet: Illius (Sacræ Cœnæ,
quam vocat Sacramentum Dominicum) omnes ſunt æquè participes,
\& qui in paupertate degunt, \& quibus divitiæ ſpiritus faciunt, \&
Neunter Theil. X xDomini
[346]Die Fuͤnffzehende
Domini \& ſervi, \& Principes, \& qui eorum parent imperio. Das iſt:
Des H. Abendmahls ſeind alle theilhafftig/ beydes die ihr Le-
ben in Armuth zu bringen/ und die wegen ihres Reichthums
ſtoltz und auffgeblaſen ſeind/ beydes Herren und Knechte/
Fuͤrſten und die/ ſo unter ihrer Herꝛſchafft begriffen. Die In-
vectiv und Verweiß Ambroſii, den er Theodoſio gegeben/ hat Theo-
doretus auffgezeichnet. l. 5. c. 18. mit denen Worten: Quî, quæſo,
manus injuſtâ cæde \& ſanguine reſperſas extendere audes, \& iiſdem
ſacroſanctum corpus Domini accipere? aut quomodo venerandum
ejus ſanguinem ori admovebis, qui furore iræ jubente tantum ſan-
guinis fudiſti? das iſt: Wie darffſt du dich erkuͤhnen/ deine
Haͤnde/ die mit frevelem Mord und unſchuldigem Blut beſu-
delt/ außzuſtrecken/ und mit denſelben den Allerheiligſten
Leib des HErꝛn zu empfahen? oder wie wilt du von dieſem
hochheiligen Blut trincken/ der du auß zornigem/ raſendem
Wuth und Muth ſo viel Blut vergoſſen?De ſeculis ſequio-
ribus vid. D. Gerhard. Confeſſ. Cathol. de comm. ſub utrâque
p. 1057.
Und dieſe Lehr iſt in der Kirchen geblieben biß auff das naaß-weiſe
und tyranniſche Concilium zu Coſtnitz/ da Johann Huſſ um dieſer Lehre
willen verbrannt/ ſeine Aſche in den Boden-See geſprengt/ und folgen-
des Decret Seſſ. 13. geſetzt worden. Generale Concilium declarat, de-
cernit \& definit contrà hunc errorem (de communione Laicorum
ſub utrâque ſpecie) quod licet Chriſtus poſt Cœnam inſtituerit \& ſuis
diſcipulis adminiſtraverit ſub utrâque ſpecie panis \& vini hoc vene-
rabile ſacramentum, Tamen hoc non obſtante, ſacrorum canonum
auctoritas laudabilis \& approbata conſuetudo Eccleſiæ, ſervavit \&
ſervat, quod hujuſmodi ſacramentum non debet confici poſt cœnam,
neque à fidelibus recipi non jejunis.Das gemeineConciliumſetzt/
ſchließt und ordnet/ wider dieſen Jrꝛthum/ (der Layen Sacra-
mentlichen Nieſſung unter beeder Geſtalt) daß ob zwar Chriſtus
dieſes Hochwuͤrdige Sacrament nach dem Abendeſſen einge-
ſetzet/ und ſeinen Juͤngern unter beeder Geſtalt Brods und
Weins außgeſpendet/ doch deſſen ungeachtet/ iſt/ vermoͤg der
heiligen Canonen/ und loͤblicher und bewaͤhrter Kirchen Ge-
wonheit/ gehalten worden/ und wird noch gehalten/ daß dieſes
Sacrament nach dem Nachteſſen nicht ſoll gehalten/ und von
den
[347]Predigt.
den Glaubigen anders nicht/ als nuͤchtern genommen und em-
pfangen werden. Da dann das Concilium nicht nur die nuͤchterliche
Nieſſung gebotten/ ſondern auch die communionem ſub utrâque ver-
botten. Ohnangeſehen nun/ daß auff dieſen Kelch-Raub grauſame und
Blut-ſtuͤrtzende Kriege erfolget/ ſonderlich in Boͤhmen/ ſo hat man ſich
doch erhaͤrtet/ nicht nur Johann Huſſen verbrennt Anno 1415. ſondern
auch Hieronymum Pragenſem Anno 1426. darwider die Boͤhmen
proteſtirt/ Joh. Ziſca hat wider Kayſer Sigiſmundum gekriegt/ ihn durch
ein Stratagema der Weiber Schleyer uͤberwunden.
Ita enimGottfried in ſeiner Chron. part. 3. p. 300. Nach Koͤnig Wenceslai
Ableiben nam ſich ein Boͤmiſcher Edelmann/ Johannes von Torſeneck/ mit
dem Zunahmen Ziſca/ der Huſſiten an/ tobet und wuͤtet wider die Můnche
und Pfaffen/ war ſonderlich ergrimmet uͤber die Franciſcaner und Prediger
Muͤnche/ durch deren Anſtifften Johann Huß umkommen ſeyn ſolte. Sie
zerbrachen die Stifft/ Cloͤſter und Kirchen/ nachdem ſie zuvor ſolche ge-
pluͤndert hatten/ und thaten ſolches faſt im gantzen Boͤhmer-Lande. Anno
1420. wolte Kayſer Sigmund als ein Erb ſeines Bruders Wenceslai das
Koͤnigreich Boͤhmen einnemmen. Weil er aber zu Breßlau etliche um
Auffruhr willen hatte richten laſſen/ machten ihnen die zu Prag auch kein an-
dere Rechnung/ ſchreiben derowegen an alle Staͤdte/ ſie ſolten Sigiſmundum
nicht einnemmen/ der als ein Feind zu ihnen kaͤme. Ziſca zog auch wider
ihn auß/ erobert die Stadt Auſſig/ ruckte darnach dem Kayſer unter Augen/
Sigiſmundus hatte lauter Reutter/ und Ziſca anders nichts dann Fußvolck.
Nun war die Wahlſtatt ein unebener Ort/ ungeſchickt zum Reutter-Tref-
fen/ derowegen des Kayſers Reuter von den Pferden abſtiegen/ und zu Fuß
fechten wolten. Da diß Ziſca vernam/ hieß er die Weiber (deren ſehr viel
ihren Maͤnnern und dem Lager nachfolgten) ihre Schleyer (ſo der Zeit
ſchmal waren) auff die Erde werffen/ des Wegs/ da die Reuter herkamen/
darein ſich die Kayſerlichen mit den Sporen verwickelten/ nicht fuͤr ſich
kommen konten/ und alſo von dem Feind ůbereilet/ geſchlagen worden.
Konte ſich demnach Kayſer Sigmund weder der Stadt Prag noch Tabor
bemaͤchtigen.
Martinus V. ſchicket ein Cardinal/ der die Teutſchen wider Boͤhmen
auffwickeln ſolt/ darauff ſie drey ſtarcke Armeen 100000. Mann auff die
Bein gebracht; Aber panico tetrore, dermaſſen an Hertz und an Muth
geſchlagen worden/ daß ſie einen Sieg nach dem andern verlohren. Die
Romaniſten hatten kein Stern noch Gluͤck wider die Huſſiten/ und
mußte Johann Huß theur genug bezahlt werden/ das todte Fell Ziſcaͤ
uͤber die Trummel gezogen/ hat ihnen eine ſolche Forcht eingejagt/ daß
ſie nicht dafuͤr beſtehen koͤnnen/ und wolte Sigiſmundus Boͤhmiſcher
Koͤnig ſeyn/ ſo mußte er ihnen beede Geſtalt zu laſſen.
X x ijHic
[348]Die Fuͤnffzehende
‘Hic (ita Marchant. hort. Paſtor. p. 758. declamat) eſt lapis offenſio-
nis, in quem primi impegerunt Huſſitæ Bohemi, ſectatores cu-
juſdam Johannis Huß, Sacerdotis \& Magiſtri in Univerſitate
Pragenſi tunc florentiſſima. Hic ob errores condemnatus fuit
\& flammis datus in Concilio Conſtantienſi, \& cineres in Rhe-
num diſperſi, ne eos diſcipuli colligerent, aut ejus memoriale
ullum reſiduum foret: ſed doctrina ejus cum cineribus non fuit
ſepulta, hactenus enim ſectatores habet. Tunc autem maximè
errorem hunc ab inferis reſuſcitarunt Taboritæ hæretici, ſic di-
cti à civitate ædificata in Bohemia in monte, cui nomen Tabor
indidêre, alluſione factâ ad montem, in quo Chriſtus transfigu-
ratus eſt. In hoc monte initio hujus hæreſeos, pluſquam tre-
centæ menſæ erectæ fuerunt, \& triginta hominum millia con-
currerunt, ut ſub utrâque ſpecie ibi communicarent, innumeris
illuc vaſis illatis, ut plebs inſana vino conſecrato \& calice ute-
retur. Hunc deinde montem aquis circumdatum triplicibus
muris cinxit, Ziſcka Tyrannus eorum dux: qui totam turbans
Bohemiam, frequentiſſimè contrà Sigiſmundum Imperatorem
acie inſtructâ triumphavit: \& utrôque licet oculo tandem care-
ret, feliciter exercitum ductare viſus eſt. His victoriis inſolen-
ter inflatus, cùm divinitùs peſte percuſſus foret, moriens nihilo-
minus præcipiebat ſuis, ut detractâ cadaveri ſuo pelle, tympa-
num bellicum ex ea confici curarent, certò aſſerens, ad illius vel
ſolum ſonum hoſtiles acies fugiendas \& exterrendas. Quid plu-
ra? ad aſſertionem hujus erroris, in vexillis calix depictus præfe-
rebatur: Sacerdotes in medio militum armatorum calicem defe-
rentes, decantabant: PANGE LINGUA. In portis \& ſuperli-
minaribus domuum calix depingebatur; in frontiſpicio Urbis
Tabor, viſebatur effigies Ziſckæ cum angelo eum præcedente \&
calicem deferente. Denique in cathedris ſcholarum, in pulpitis
templorum, in officinis typographorum, denotabat lingua di-
ſertorum, calamus ſcribentium, typi imprimentium, contrà Ec-
cleſiam, tanquam injuſtitiam: quæ calicem fidelibus ſubtraxiſ-
ſet, \& Sacramentum mutilum contrà fas diſtribueret.’ ()
Endlich iſt dieſer Kelch-Raub im Concilio Tridentino, wie hefftig auch
die Oratores dawider geſtritten/ wie wir bald hoͤren werden/ confirmirt/
und da das Sigel darauff gedruckt worden/ Seſſ. 21. cap. 1. Etſi Chriſtus
Dominus in ultima Cœna venerabile hoc Sacramentum in panis \&
vini
[349]Predigt.
vini ſpeciebus inſtituit, \& Apoſtolis tradidit, non tamen illa inſtitutio
\& traditio eò tendunt, ut omnes Chriſtiani fideles, ſtatuto Domini,
ad utramque ſpeciem accipiendam aſtringantur.Obwol Chriſtus
der HErꝛ im letſten Abendmahl diß hochwuͤrdige Sacrament
unter der Geſtalt Brods und Weins eingeſetzt/ und den Apo-
ſteln gegeben/ ſo geht doch dieſe Einſatzung und Uberreichung
nicht dahin/ daß alle und jede Glaubige in Chriſto/ Krafft der
Einſatzung Chriſti/ das Abendmahl in beeder Geſtalt empfan-
gen muͤßten.Et cap. 3. Quamvis Redemptor noſter in ſupremâ illâ
cœna hoc Sacramentum in duabus ſpeciebus inſtituerit \& Apoſtolis
tradiderit, tamen fatendum eſſe, etiam ſub alterâ tantùm ſpecie totum
atque integrum Chriſtum, verumque Sacramentum ſumi, ac propter-
ea quod ad fructum attinet, nullâ gratiâ ad ſalutem neceſſariâ eos de-
fraudari, qui unam ſpeciem ſolam accipiunt.Ob ſchon unſer Er-
loͤſer im letſten Abendmahl dieſes Sacrament unter beeder Ge-
ſtalt eingeſetzt/ und den Apoſteln uͤberreicht/ ſo muͤſſe man doch
bekennen/ daß auch allein unter einer Geſtalt der gantze Chri-
ſtus/ und das warhafftige Sacrament empfangen werde/ und
deßwegen/ was deſſen Frucht anlangt/ die jenige/ die es nur
unter einer Geſtalt gemeſſen/ um keine zur Seligkeit noͤthige
Gnaden-Gab gebracht und betrogen werden. Welchem
Wolffs-Geheul hernach alle andere Woͤlff nachgeheult/ Bellarminus,
Becanus, und andere Helffers-Helffer habens mit aller Macht behau-
ptet. Maſſen ſolches alles auß benamſten Hiſtorien und Buͤchern ſo klar
und offenbar/ als die Sonn am Himmel iſt.
Was ſollen wir aber auß dem Handel machen? wie ſollen wir dem
Kind einen Namen geben? wie koͤnnen wir nun dieſen Abzug und Ent-
ziehung des Kelchs und geſegneten Weins und Bluts Chriſti/ in ſtatu
definitivo anders taͤuffen als ein Sacrilegium? Scheinet zwar eine har-
te Anklag und groſſe Injuri zu ſeyn. Dann wer kan leiden daß man ihn
eines Diebſtals uͤberzeugt? Aber wir wollens heiter und klar an Tag
thun. Es heiſſet ja Sacrilegium und Kirchen-Raub ſo viel/ als rei ſa-
cræ toti Eccleſiæ communis, theſauri publici interverſio monopolica,
invito Domino proprietario \& uſufructuario. Wie der peculatus
anders nichts/ als boni communis, ac eatenus alieni ſurreptio, wann
man den gemeinen Seckel beſtihlt/ und damit unter dem Huͤtel ſpielt.
Qui calicem ſacrum è loco vel ſacro vel non ſacro ſurripit, propriè di-
ctum ſacrilegium committit,Wer einen geweyheten Kelch/ er ſey
X x iijin
[350]Die Fuͤnffzehende
in der Kirch oder auſſer der Kirch ſtihlt/ der begehet eigentlich
ein Kirchen-Raub. So lehret der Dillingiſche Jeſuit Layman.
Theol. moral. tract. 10. c. 7. n. 17. \& 12. Nun iſt hie l. Bonum ſacrum
publicum, ein heiliges und gemeines Gut/ S. lipſanum, Schatz/ Loͤß-
Geld/ Artzney/ Teſtament/ Zehr-Pfenning/ das Blut JEſu Chriſti/ das
vergoſſen worden zur Vergebung der Suͤnden/ das aber wird dem Layen
genommen und abgeſchlagen. Mit nichten/ ſprechen ſie/ der Lay hat ſich
nichts zu beklagen/ per concomitantiam und nothwendige Mit-Folg
empfanget er es eben ſo wol/ unter der Geſtalt des Brods empfangt er
auch den Leib Chriſti/ welcher/ weil er ein warhafftiger Leib/ kan er noth-
wendiger weiß nicht ohne Blut ſeyn/ was darff er ſich dann viel beſchwe-
ren? Die gantze Erbſchafft/ der Leib und das Blut Chriſti/ wird ihm
uͤberreicht/ nur iſt das der einige Unterſcheid/ daß die den Kelch trincken/
empfangen die Erbſchafft ſub duabus tabulis, die andere nur unter ei-
ner. Jſt alſo ein ſolcher Unterſcheid/ der nicht der Rede werth/ differen-
tia nullius momenti, man ſolte kein Hand drum umwenden/ und viel
Kappen-ruckens machen. In ſpiritualibus (ita Corn. à Lap. ad Joh. 6.
pag. 343.) \& ſacramentalibus æquè ac divinis idem eſt comedere \& bi-
bere: quare qui unam tantùm ſpeciem ſumit, tantum fructus \& gra-
tiæ percipit, quantum ille, qui utramque ſumit imò in rebus corpora-
libus, idem lac ſimul \& cibus \& potus, idem panis vino intinctus ſi-
mul cibat \& potat, ſimul comeditur \& bibitur, ſimul famem \& ſitim
reſtinguit.Jn Geiſtlichen/ Sacramentlichen/ wie auch Goͤtt-
lichen Sachen iſt Eſſen und Trincken eins ſo viel als das an-
dere; daher hat der jenige der nur eine Geſtalt empfangt/ ſo
viel Nutzen/ als der/ der alle beede. Ja auch in leiblichen Din-
gen/ iſt Milch ſo wol eine Speiß als ein Tranck. Brod in
Wein eingedunckt/ ſpeiſſet und traͤncket/ wird zugleich gegeſſen
und getruncken/ ſtillet Hunger und Durſt. Das heißt ja Koth
mit Koth abwiſchen! wo iſt doch dieſe concomitantia und Mit-Folge in
der Schrifft gegruͤndet? wo deſſen veſtigia in der Antiquitaͤt anzutref-
fen? was ſagt Paulus 1. Cor. 10, 16. Der geſegnete Kelch iſt der nicht
die Gemeinſchafft des Bluts Chriſti? Er ſagt ja nicht/ das Brod
ſey die Gemeinſchafft des Leibs und Bluts zugleich/ ſondern allein des
Leibs/ was nun Gott von einander geſchieden/ ſoll der Menſch nicht zu-
ſammen fuͤgen. Geſetzt/ daß Leib und Blut/ Krafft der natuͤrlichen Ver-
einigung/ unzertrennlich/ ſo ſeind ſie doch nicht Sacramentlicher weiß im
Abendmahl vereiniget. Entweder empfangt der Lay das Blut Chriſti
in/
[351]Predigt.
in/ und mit dem Leib/ natuͤrlicher/ oder Sacramentlicher weiß/ ſo das
erſte/ iſt er ein Capernait; ſo nicht/ ſo empfangt ers nicht Krafft der na-
tuͤrlichen concomitantz. Wann der Gebrauch des Kelchs darum
nicht noͤthig/ weil er in der Geſtalt des Brods ſo viel empfangt/ als un-
ter der Geſtat des Weins/ iſt auch die Geſtalt des Brods nicht mehr noͤ-
thig. Dann was der Lay im Brod empfangt/ hat er albereit empfangen
in der H. Tauff/ als in welcher er den gantzen Chriſtum angezogen/ und
empfangts noch taͤglich im Wort. Uber das alles iſt/ daß der Herr
ſagt: Trincket. Wann ein Medicus dem Krancken Pilulen und ein
Traͤncklein verordnet/ wuͤrde er damit zu frieden ſeyn/ wann er nur die
Pilulen wolte gebrauchen/ das andere aber nicht/ wuͤrde er ſo viel Nutzen
haben von dem einen/ als von allen beeden?
II. Es geſchicht dieſe Interverſio und Sacrilegium invito Domino
proprietario, wider Willen des Eigenthums-Herꝛn. Deſſen Wort lau-
ten hell und klar alſo: Trincket alle darauß/h. e. Alle/ die wahre Glied-
maſſen der Kirchen/ dann die/ ſo drauſſen ſeind/ fremd und auſſer der
Burgerſchafft Jſraelis/ ſeind auch fremd von den Teſtamenten der Ver-
heiſſung. Eph. 2, 12. Renaſci prius oportet, quàm paſci. Alle die von
Natur geſchickt zu trincken/ alle die ſich ſelbs pruͤffen koͤnnen/ alle Juͤnger
Chriſti/ quà tales, dann was Chriſtus ſeinen Juͤngern ſagt/ das ſagt Er
allen/ Marc. 13, 37. Alle geiſtliche Soldaten/ ſo zu dieſem Sacrament au-
ctorirt/ alle Erben dieſes Teſtaments/ alle die der Vergebung der Suͤn-
den begierig. Alle/ fuͤr welche Chriſtus ſein Blut vergoſſen: Alle dieſe/ wil
Chriſtus ſagen/ ſollen trincken/ ὡσάυτως, gleicher geſtalt/ wie ſie auch gegeſ-
ſen. Es ſtehet nicht frey hie jemand zu diſpenſiren/ der Befehl iſt klar und
außgetruckt/ Bellarminus muß ihn ſelbs geſtehen. lib. 1. de Euchar. c. 9.
Chriſtus non ſolum conſilium ſed \& præceptum dedit hoc ſacramen-
tum ſumendi, tàm Apoſtolis, quàm futuris fidelibus. Marchant. hort.
paſt. p, 736. Es iſt nicht allein ein Evangeliſcher Rath/ ſondern auch ein
ernſtes Mandat und Gebott. Obj. Es werde doch die Libertaͤt laxirt in
folgenden Worten: Solches thut zu meiner Gedaͤchtnuß/ h. e. Wann
es euch wird belieben zu trincken/ ſo ſolt ihr mein dabey gedencken. Dar-
auß folge aber kein Befehl. Antwort: Das moͤchte einen Schein haben/
wann das bibite und præcipite nicht fuͤrſtuͤnde/ die Meldung ſeines Ge-
daͤchtnuß/ bey Empfahung des Kelchs/ hebt den Befehl nicht auff.
Gleichwie wann ein Obrigkeit anordnete/ daß Jaͤhrlich den 30. Julij das
Frieden-Feſt continuirt wuͤrde/ mit dieſem Beſcheid: Alle Jahr ſolt ihr
das Frieden-Feſt halten/ und ſo offt ihr das thut/ folt ihr der groſſe Gut-
that
[352]Die Fuͤnffzehende
that/ die uns Gott erwieſen/ gedencken/ wor wolte darauß die Freyheit
ſolches zu unterlaſſen/ ſchlieſſen koͤnnen? Ein Teſtator ſetzet in ſeinem
Teſtament auß/ man ſoll Jaͤhrlich im Spittal auff ſeinen Nahmens-
Tag unter die Armen Zehen Reichsthaler außtheilen/ und ſo offt ſie es
thun/ ſollen die Armen ſeiner dabey gedencken. Wer wolte abermal
hierauß argumentiren/ daß die Erben ſolches nach Belieben thun oder
unterlaſſen koͤnnen?
III. Invito Domino uſufructuario, dahin dann gehoͤren die Kir-
chen und Gemeinden/ die daruͤber geklagt/ inſonderheit die Klag Ferdi-
nandi I. Imper. Rom. der in ſeinen Brieffen an Pabſt Pium IV. unter
andern alſo ſchreibt:
Zelo (ita D. Gerh. Confeſſ. Cathol. lib. 2. part. 2. art. 14. cap. 7. p. 1064.)
pietatis \& honeſtâ intentione moti fuimus, cum proximè cele-
braretur Tridenti Sacrum Oecumenicum Concilium, ut agere-
mus \& laboraremus pro conceſſione calicis, non certè tempora-
lis alicujus commodi aucupandi gratiâ, ſed quia prorſus perſua-
ſum habuimus, ſicut etiam nunc habemus, hujuſmodi conceſſio-
nem futuram eſſe utiliſſimam in genere, plurimum momenti al-
laturam in ſpecie ad reductionem lapſorum \& errantium, nec
non ad faciendum jam tandem utile principium reſtaurandæ
unitatis \& pacis Eccleſiæ tamdiu fruſtrà expectatæ \& deſideratæ.
Verùm quoniam eò tempore nobis relatum fuerat, non deeſſe,
qui de hac materiâ \& conceſſione nonnihil dubitarent, \& varia
impedimenta injicerent, facilè tulimus, rem aliquandiu differri,
ut poſſemus interim pro exoneratione conſcientiæ noſtræ de
hoc negotio conferre, cum nonnullis præcipuis ac potiſſimum
S. Rom. Imperii Prælatis ac Principibus, exiſtimantes, quod præ-
habito eorum conſilio rectius ac liberalius poſſemus. Deinde
omnibus modis inſtare \& elaborare, ut petitioni noſtræ ſatisfie-
ret. Inſtitutâ igitur maturâ ac diligentiſſimâ deliberatione de
hoc negotio, utrum ſcilicet expediat hanc conceſſionem ulterius
exquirere \& urgere, nec ne? cum dictis Prælatis atque Principi-
bus Eccleſiaſticis, \& dato eis cogitandi ſpatio, quò \& ipſi poſ-
ſent rem cum ſuis Theologis \& Doctoribus, pietate \& eruditio-
ne præſtantibus, conferre, prout contuliſſe non ambigimus,
iidem Prælati \& Principes Eccleſiaſtici, cum intellexiſſent,
nos ad hujuſmodi petitionem tàm neceſſariam, tum regnis \&
dominiis noſtris, tum univerſæ nationi Germanicæ, inclinatos
eſſe
[353]Predigt.
eſſe \& ſtatuiſſe, Sanct. V. hoc nomine reverenter interpellare, ma-
gnopere collaudato propoſito noſtro promiſerunt, quod \& ipſi
in hac parte non eſſent defuturi officio ſuo \&c. planè nobis per-
ſuaſimus, Sanct. V. non permiſſuram, ut fruſtrà ab ea auxilium
petiiſſe videamur in re neceſſaria, \& ad ſalutem Chriſtiani popu-
li pertinente, quæ in Concilio tam diligenter ventilata \& diſcuſſa
fuit, præſertim cùm jam omnibus conſtet, \& manifeſta ſit ingens
utilitas, quæ ex hujuſmodi conceſſione expectanda eſt. Dux
Bavariæ (ita Petr. Suav. lib. 8. Concil. Trid. p. 959.) ejuſdem argu-
menti literas ad Pontificem dedit, quæ ſic habebant: Quod ſæ-
pius ad ſanctitatem ejus mandaſſet, qui miſerabilem Germaniæ
ſtatum in negotiis religionis exponeret, ſperare non admiſſu-
ram, ut deſideretur diutius paternæ ſuæ medicationis auxilium.
Quam quoniam hactenus adhibitam non viderit, orare ſe unà
cum Cæſarea Majeſtate \& Electoribus Eccleſiaſticis, ut conce-
dat Epiſcopo Saltzburgenſi poteſtatem diſpenſandi cum Pres-
byteris Catholicis, ut confeſſis \& contritis, cæteroſque articulos
religionis credentibus calicem præbeant. Eam conceſſionem
ſatisfacturam ſubditis ſuis, tum iis, qui habitant in ditione ſuâ,
tum illis, qui hujus Sacramenti perceptionem extrà provincias
ſuas apud Sectarios quærunt. Se quidem unâ ſpecie ſemper
contentum fore, nec unquam ad uſurpationem calicis eos ad-
acturum, qui, ſicut ipſe, in ſola ſpecie panis acquieſcunt. Ho-
rum nomine nihil ſe petere, ſibi tamen videri non indignum Vi-
cario Chriſti cæterorum quoque miſereri.
Anderer/ als Andreæ Dudithij, Kayſerlichen Legati, Catharinaͤ Koͤni-
gin in Franckreich/ und vieler mehr/ fuͤr dieſes mal zugeſchweigen/ was
ſeind dieſe Klagen/ Querelen und Forderungen anders als accuſatio-
nes ſacrilegii?
Jſt alles ſo klar und heiter/ daß Gegentheil nichts ſonderlichs erden-
cken koͤnnen/ ſolchem Liecht entgegen zu ſetzen/ als 1. der Kirchen Gewalt
in re adiaphorâ, wie ſie denſelbigen gebraucht in der aſperſion des Taͤuff-
lings/ alſo auch hie. Aber ein anders iſt immerſio, die Eintauchung des
Taͤufflings ins Waſſer/ und deſſen Beſprengung/ ein anders das Trin-
cken im H. Abendmahl: Jenes iſt ein Mittel-Ding/ dieſes ein weſentlich
Stuck/ und iſt ein Unterſcheid zu machen inter λῆψιν \& modum λήψεως,
in dieſem mag die Kirch diſpenſiren/ in jenem durchauß nicht/ und geſte-
hen wir nichts wenigers als ſolchen Gewalt. Es heißt hie/ der Mann iſt
Neunter Theil. Y yMeiſter/
[354]Die Fuͤnffzehende
Meiſter/ und nicht die Frau. 2. Scripturæ loca coacta, etliche Schrifft-
Stellen/ die ſie mit Haaren herzu gezogen/ und namentlich Luc. 24, 30.
Jhr argument iſt dieſes: Chriſtus hat zu Emaus den Juͤngern das
Brod gebrochen. E. hat Er damit bezeugt/ daß auch das Abendmahl un-
ter einer Geſtalt gnugſam ſeye. Becanus iſt ſo vermeſſen/ daß er zwo Ein-
ſatzungen erdichtet. Infero, (inquit lib. de Com̃un. ſub utrâque c. 3. §. 4.)
Chriſtum bis inſtituiſſe Euchariſtiam: ſemel Hieroſolymis in ultima
Cœna ante paſſionem; \& ſemel in Emaus poſt reſurrectionem: Illic
ſub utrâque ſpecie; hîc ſub unâ: illic adfuiſſe Apoſtolos, qui tunc fie-
bant ſacerdotes; hîc duos diſcipulos, qui adhuc erant Laici. Das iſt:
Darauß ſchlieſſe ich/ es habe Chriſtus das H. Abendmahl
zweymal eingeſetzt/ einmal zu Jeruſalem im letſten Abendeſſen
vor ſeinem Leyden/ und einmal zu Emaus nach ſeiner Auffer-
ſtehung/ dort unter beyder Geſtalt/ hie unter einer/ dort waren
mit und dabey die Apoſtel/ ſo dazumal Prieſter wurden/ hie
zween Juͤnger die noch Layen waren. Aber daß unſer Heyland
Chriſtus das Sacrament des H. Abendmalhs zu Emaus weder auff ein
neues eingeſetzt/ noch wiederholt habe/ erhellet daher/ weil es/ ſo Chriſtus
ſolches auff ein neues eingeſetzt/ geſchehen waͤre ohne Subſtantial-Befehl
und Einſatzungs-Wort; ſo Er es wiederholt/ ſo hat Ers gethan entwe-
der mit/ oder ohne Wein? ſo mit Wein/ koͤnnen die Adverſarii nichts er-
halten; ſo nicht/ wirds auch erlaubt ſeyn/ nach dem Exempel Chriſti ohne
Wein zu conſecriren/ welches abermal ihnen entgegen/ und mit ihren
rationibus nicht uͤbereinſtimmet. Wie aber? Es hat der Evangeliſt eben
die Wort gebraucht/ wie bey der Einſatzung des H. Abendmahls: Er
nam das Brod/ dancket/ brachs/ und gabs ihnen.Luc. 24, 30.
Deßgleichen ſo haben die Juͤnger bey dem Brod-Brechen erkant/ daß es
der Herr ſey/ darum iſt es ein ſolche fraction und Brechen geweßt/ die
Er zuvor beym Sacrament auch im Brauch gehabt/ bey welcher ſie dar-
auff gefallen/ es koͤnne niemand anders/ als Er ſeyn. Antwort: wann
angezogene Ort das Sacrament ſolten erzwingen/ muͤßte folgen/ daß
Chriſtus das H. Abendmahl nicht allererſt hie/ ſondern laͤngſt/ und vor
der Nacht/ da Er verrathen worden/ eingeſetzt/ wann wir gleiche phraſeo-
logiam conferiren/ als Matth. 14, 19. Marc. 6, 41. Luc. 9, 16. Uber das/
wann St. Lucas meldet/ daß die Juͤnger den Herrn an dem Brod-
Brechen erkannt/ wird ſolcher Umſtand nicht angezogen/ als waͤre er
medium agnitionis das Mittel der Erkanntnuß geweßt/ ſondern nota
temporis, daß ſich der Herr ihnen geoffenbaret/ eben zu der Zeit/ da Er
das
[355]Predigt.
das Brod gebrochen. Deßgleichen ex Act. 2. 42. Sie blieben aber be-
ſtaͤndig in der Apoſtel Lehre/ und in der Gemeinſchafft/ und im
Brod-Brechen/ und Gebet. Hie wird (ſo ſchließt Gegentheil) das
Abendmahl abermal nur unter einer Geſtalt/ nemlich des Brods/ be-
ſchrieben. Dann daß durch das Brod-Brechen nichts anders als das
Sacramentum S. Euchariſtiæ verſtanden wird/ erhellet daher/ weil es
St. Lucas neben andern heiligen Actibus und Ubungen/ dem Gebet/ und
der Lehr/ als etwas beſonders benamſt/ haͤtte St. Lucas die gemeinen
Mahlzeiten gemeynet/ waͤre es den neuen Chriſten kein ſonderbarer
Ruhm geweßt/ wenn ſie beſtaͤndig Gaſtreyen gehalten. Antwort: Es
folget gar nicht/ St. Lucas ſetzet Gebet und Brod-Brechen zuſammen/
E. ſo iſts eine Sacramentliche Handlung geweßt; Maſſen die Chriſten
auch ihre Liebes-Mahlzeiten mit Gebet und andern heiligen Ubungen
conſecrirt/ wie Tertullianus bezeuget. Zu dem wird hie nicht gelobt die
perſeverantz in den Liebes-Mahlzeiten/ ſondern die Einigkeit der perſe-
verantz. Geſetzt aber/ es werde das Sacramentliche Brod-Brechen an-
gedeutet/ haben darum die erſte Chriſten kein Wein dabey außgeſpendet/
weil des Weins keine Meldung geſchicht? auff gleiche weiß muͤßte fol-
gen/ daß auch bey dem Mahl Eſther kein Brod vorhanden geweſen/ weil
allein des Wein-Trinckens gedacht wird/ Eſth. 7, 1. 2. daß wir im Vater
Unſer und deſſen vierten Bitt allein um das Brod/ und nicht zugleich
um den Wein beteten/ darum iſts ein bekanter Hebraiſmus, da unter dem
Brod zugleich alles das/ was man bey einer Mahlzeit aufftraͤgt/ einge-
ſchloſſen wird. conf. Gen. 43, 16. Luc. 14, 1. 3. Identitatem fructus.
Wann man einem Gelt gibt/ was fragt er darnach/ er geb es im Seckel
oder Papier. Alſo gibt man dem Layen Chriſti Leib und Blut/ ob man
es unter Brod und Wein zugleich gibt/ oder unter der Geſtalt des Brods
allein/ iſt gleichviel. Antwort: Wo Chriſti Ordnung nicht wird nachge-
lebt/ hat man ſich auch der Frucht nicht zu getroͤſten/ Gott wil einmal
allein nach ſeinem Willen/ und nicht nach Menſchen-Gebott/ verehret
ſeyn/ wanns kluͤglen guͤlte/ koͤnte man das Sacrament gar uͤber einen
Hauffen werffen/ weil Chriſtus albereit durch den Glauben in unſern
Hertzen wohnet. Gottes Ordnung iſt hoͤher/ als aller Vernunffts-Duͤn-
ckel. Eva hat uns gewitziget/ daß wir vom Buchſtaben nicht abweichen
ſollen. 4. Abſurdum. Auff dieſe weiß wuͤrde folgen/ daß Chriſtus zer-
theilt und geſchieden ſeye/ und einen Blut-loſen Leib habe. Antw. Hie iſt
ein Unterſchied zu machen unter der perſoͤnlichen/ natuͤrlichen/ und Sa-
cramentlichen Vereinigung. Natuͤrlicher weiß iſt das Blut Chriſti alle-
Y y jjzeit
[356]Die Fuͤnffzehende
zeit dem Leib \& vice verſa vereiniget/ aber nicht Sacramentlicher weiß/
ſondern allein Brod und Leib/ Wein und Blut Chriſti. 5. Indecorum
\& irreverentiam, Unehr, Gefahr und Aergernuß. Es moͤchte bey alten
ſchwachen Leuten etwas verſchuͤttet/ der Wein moͤchte zu Eſſig werden/ es
moͤchte ein Muck drein fallen/ ein oder das ander Troͤpfflein an der Bau-
ren Knebel-Baͤrten hangen bleiben. Es moͤchte einen ein Eckel im
Nach-Trincken ankommen/ und was des liederlichen Dings mehr. Hie
laßt der Teuffel ſeine Eſels-Ohren und Wolffs-Klauen recht herfuͤr/
als waͤre Chriſtus ein Stiffter ſolcher Irreverentz/ und haͤtte dieſes alles
nicht zuvor geſehen. Haͤtte man dafuͤr die Taanſubſtantiation und re-
poſition abgeſchafft/ haͤtte man ſich deſſen allen nicht befahren doͤrffen.
Auff dieſe weiſe nun nim̃t man im Pabſtthum den Kindern das
Brod/ (Wein) und wirfft es fuͤr die Hunde. So begehet man im Pabſt-
thum ein unverantwortlich Sacrilegium und Kirchen-Raub. Sprichſt
du/ das lautet faſt zu hart/ es ſtreitet wider die Amneſtiam und allgemei-
nen Frieden-Schluß/ O nein/ die amneſti iſt entgegen geſetzt ori gladii,
non gladio oris Chriſti. Eben dadurch iſt uns Huͤlff geſchafft worden
getroſt zu lehren. Pſ. 12. Der Pabſt und ſeine Cleriſey hat ſich deſſen nicht
zu beſchweren noch zu befremden/ dann den Vorſpruch geben ihre Rech-
ten/ und der H. Geiſt im Wort/ die Concluſion moͤgen ſie mit dem H.
Geiſt außmachen. Die Layen haben ſich deſſen nichts anzunemmen/ ſie
ſeind ſubjecta paſſiva \& miſerabilia. Paͤbſtiſche Fuͤrſten haben des
Pabſts weniger zu entgelten/ als Jonathan des Sauls/ als Joſias des
Manaſſis. Zu wuͤnſchen waͤre es/ daß dieſe Dica allein geltete denen/ die
drauſſen ſeind/ im Pabſtthum/ wir muͤſſen aber leider mit St. Paulo ſa-
gen Rom. 2, 22. Du ſprichſt/ man ſoll nicht Ehebrechen/ und du
drichſt die Ehe/ dir greuelt fuͤr den Goͤtzen/ und du raubeſt
GOtt was ſein iſt/ du predigeſt/ man ſolle nicht ſtehlen/ und du
ſtihlſt/ und begeheſt ein Sacrilegium und Kirchen-Raub/ welches taͤglich
geſchicht von den Unwuͤrdigen/ welche mit ungewaſchenen Haͤnden die-
ſes Heiligthum beruͤhren/ mit garſtigen ungewaſchenen Fuͤſſen hinzu
lauffen wie die Saͤue zum Trog/ die ohne das rechte Hochzeitliche Ehren-
Kleid des Glaubens und wuͤrdiger Vorbereitung erſcheinen/ die nicht mit
hungerigem Magen und durſtiger Seelen dieſe edelſte Lebens-Speiß
und edelſten Himmel-Tranck koſten/ die nicht in geiſtlicher Nuͤchterkeit
ſtehen/ und leer ſeind von allen Welt-Affecten und boͤſem Vorſatz/ ſon-
dern in Welt- und Gelt-Wolluſt/ und Welt-Wuſt truncken und gantz
und gar erſoffen/ dieſe ſeind ſchuldig des Leibs und Bluts des Herrn/ ſo
wol
[357]Predigt.
wol als Judas/ und die Creutziger/ ſie ſeind garſtige Schwein und Hun-
de; Schwein/ weil ſie dieſes Heiligthum mit ihren Zaͤhnen zerbeiſſen und
zerreiſſen. O munde immunde, du unreine Welt/ wieviel haͤgeſt du Hun-
de/ fuͤr welche dieſes Brod geworffen und den Kindern im gegentheil ge-
nommen wird. Man ſiehet ja gar keine Beſſerung/ Chriſti Blut muß al-
les abwiſchen/ der Laͤſterer laͤſtert immer fort wie vorhin/ der Sabbath-
Schaͤnder entheiliget den Sonntag ohne Scheu und Stirn/ Pracht/
Rebellion/ Neid/ Haß/ Unzucht/ Calumnien graſſiren einen weg als den
andern. Aber was Salomon ſagt/ Prov. 23, 1. \& 2. Wenn du ſitzeſt
und iſſeſt mit einem Herren/ ſo mercke/ wen du fuͤr dir haſt/ und
ſetze ein Meſſer an deine Kehle/ wiltu das Leben behalten.h. e.
Gedencke/ das Meſſer ſtecke dir an der Kehle/ wie Damoeli das Schwerdt
uͤber ſeinem Haupt geſchwebet bey der Koͤniglichen Tafel Dionyſn. Das
gehet alle unbeſonnene/ unwuͤrdige Communicanten an/ das Rach-
Schwerdt des Goͤttlichen Zorns trifft ihnen nicht nur die Kehl/ ſondern
erwuͤrget die Seel/ ſie eſſen ex accidenti, auß eigener Schuld lauter Gifft
und Tod. So groß nun die Gefahr bey den harpyjis, ſo groß der Troſt
bey den Kindern/ die es mit kindlicher Einfalt und Glauben empfangen/
die darnach hungern und duͤrſten/ die ſich fuͤr Reu und Buß ſchaͤmen und
ſcheuen wie die Kinder/ die ſich mit wahrem Glauben/ und der Gerech-
tigkeit JEſu Chriſti/ wie die Kinder mutzen und zieren mit ihrem Goͤttel-
Kleid/ die ſich daran ergoͤtzen/ daſſelbe/ wie die Kinder loben und preiſen/
O gutele/ gutele! die empfangen in und an dem Blut Chriſti/ einen ede-
len Schatz/ ein herꝛliches κειμήλιον und lipſanum, Loͤß-Gelt und Artzney
zum Heyl des verwundeten boͤſen Gewiſſens/ einen Zehr-Pfenning auß
dieſer Welt-Wuͤſten in das himmliſche Canaan/ es iſt ihnen ein theurer
Advocat, das ſchreyet und ruffet um Gnad/ Troſt/ Verſoͤhnung/ Huͤlff
und Rath. Das iſt ein ſuͤſſes Evangelium/ Troſt und Labſal. Wie nun
ἐυεργεσία und ἐυχκριςία allezeit zwo Schweſtern/ alſo auch hie/ demnach
wir fuͤr dieſes Evangelium und prædam reportatam dancken ſollen mit
Mund und Hertzen/ und der himmliſchen Stimme nachſtimmen/ Apoc.
19, 1. 2. Halleluja/ Heyl und Preiß/ Ehre und Krafft ſey GOtt
unſerm HErꝛn/ denn warhafftig und gerecht ſind ſeine Ge-
richte/ daß Er die groſſe Hure veru rtheilet hat/ welche die Er-
de mit ihrer Hurerey verderbet/ und hat das Blut ſeiner Knech-
te von ihrer Hand gerochen. Dancken aber nicht allein mit dem
Munde/ ſondern auch im Werck/ wandeln als die Kinder des Liechts/
damit Gott nicht zuͤrne uͤber Edel und Unedel/ daß ſie wiederum des
Y y iijPabſts
[358]Die Fuͤnffzehende
Papſts Sclaven werden/ welches der verdiente Lohn waͤre. Dann
nach den Kindern Jſrael hat kein Volck unter der Sonnen Gott mit
mehrer Undanckbarkeit belohnet/ nachdem Er ſie auß Egyptenland auß-
gefuͤhret/ als die Teutſchen/ nachdem ſie auß dem eiſern Ofen des Roͤmi-
ſchen Egypti erloͤſet worden. Gott hat den Sacramentlichen Kelch wie-
der gegeben/ aber ſie haben ihn bezahlt mit ſacrilegiis, und Gott ſeine
Ehre geraubt/ darum nun auch der Herr den Daumel-Kelch einge-
ſchencket/ den Zorn-Kelch/ daß ſie truncken und toll worden/ fuͤr dem
Schwerdt/ das Er unter ſie geſchickt/ Jer. 25, 16. Gott woll dem Jam-
mer einmal ein Ende machen/ und unſer um ſeines Nahmens willen
erbarmen/ den Daumel-Kelch von unſern Haͤnden wegnemmen/ ſamt
den Heffen ſeines Grimms/ und unſern Schindern in die Hand geben.
Eſai. 51, 23. die groſſe Hur verurtheilen/ und mit ſeiner Majeſtaͤtiſchen
Zukunfft ein Ende machen. Jer. 16, 7. und uns voll einſchencken ſeiner
himmliſchen Freuden. Amen.
Die Sechszehende Predigt/
Von
Dem Mund-Sacramentlichen Eſſen und
Trincken des Leibs und Bluts JEſu Chriſti.
GEliebte in Chriſto. Unter andern Calumnien/
damit vor Zeiten die arme Chriſten und heilige Maͤrtyrer
belegt und beſchweret worden/ iſt nicht die geringſte ge-
weßt accuſatio cœnarum Thyeſtæarum, da man ſie der
barbariſchen und unmenſchlichen That bezuͤchtiget/ als
waͤren ſie Menſchen-Freſſer und Blut-Saͤuffer/ unge-
Euſeb. lib.
5, 1. Tertull.
apol. Athe-
nag. Apol.heure Thyeſtes (von deme die Heydniſche Scribenten geſchrieben/ er habe
ſeinen eigenen Sohn/ der ihm von ſeinem Bruder Atreo fuͤrgeſtellet
worden/ gefreſſen/) barbariſche Cyclopen/ Polyphemi, und ſolche Un-
menſchen/ wie die Wilden in der neuen Welt/ die ihre Feinde auß Rach-
gierigkeit freſſen/ oder wie wir leyder auch zu unſern Zeiten erlebt/ daß
man Menſchen-Fleiſch gefreſſen/ und die todten Leichnam auß den Graͤ-
bern
[359]Predigt.
bern abgenagt. Jſt unſchwer zuvermuthen/ woher dieſe Calumni ent-
ſprungen/ nemlich auß der uhralten Lehr/ de manducatione corporis \&
ſanguinis Chriſti. Es kamen die Chriſten vor Tag zuſammen/ hielten
ihre Sacra und Gottesdienſt/ wie Plinius bezeugt/ hielten ihre Sacramen-
ta und myſteria,/ gaben vor/ wie wahr/ ſie eſſen Chriſti Leib/ und trincken
ſein Blut/ bald blaßt der Teuffel Lermen an/ und finden ſich abtruͤnnige
Mammelucken/ die breiten das Geſchrey auß/ Chriſten ſeyen ungeheure
ἀνθρωποφάγοι, ſie, ſeyen aͤrger als die wilden Thier/ indem ſie ihren eigenen
Gott freſſen. Das war die Urſach ſolcher Calumni. hinc illæ la-
crymæ!
Eadem fabula mutatis perſonis luditur. So geſchickt iſt der Teuf-
fel nicht/ daß er etwas neues erdenckt/ er bringt einerley inventa, Ca-
lumnien ꝛc. aber in unterſchiedlichen Maſcaraden und Mummereyen/
laßt ſich zur fordern Thuͤr hinauß ſchlagen/ ſchleicht zur hindern Thuͤr
wiederum hinein. Maſſen er eben dieſe Faßnacht und Mum-Schantz
vor ungefaͤhr hundert Jahren wiederum ins Mittel gebracht durch
Calvinum, Zvvinglium, Bezam, und biß dato auff dem Theatro Ec-
cleſiæ geſpielt. Dann wann die recht-glaubige Kirch auß GOttes
Wort und der Antiquitaͤt oralem manducationem bekennt/ hat ſie
ſchroͤckliche Calumnien muͤſſen uͤber ſich ergehen laſſen; man hat ein
Narrenwerck darauß gemacht/ uns arme Lutheraner wegen der Lehr
de orali manducatione, Capernaiten/ Fleiſch-Freſſer und Blut-Saͤuf-
fer titulirt. Beza nennets momentum, cujus vel ipſum Satanam
pudeat, ein Sach/ deſſen ſich auch der Teuffel ſchaͤmen ſolt. Die gar
gnaͤdig/ mild und Bruͤderlich mit uns umgehen wollen/ ſonderlich Pa-
reus in ſeinem Irenico cap. 13. nennets paleam, in qua nullum granum
fidei, nec ſuccus conſolationis ineſt, einen Spreu/ darinnen nicht ein
Koͤrnlein des Glaubens/ weder Safft noch Troſt/ vergleichts mit denen
canonibus inutilibus in Gratiano.
Wir uͤbergeben dieſe Calumni dem gerechten Richter Jeſu Chriſto/
troͤſten uns mit Paulo 1. Cor. 1. Das Evangelium von JEſu
Chriſto ſey den Juden ein Aergernuß/ den Griechen eine
Thorheit/ ſintemal die Juden (Papiſten) Zeichen fordern/ und
die Griechen (Calviniſten) nach Weißheit fragen. Schreiben
an die Vorthuͤr dieſes Geheimnuß die Wort Chriſti/ tanquam ferreum
murum \& cherubinum gladium,das Fleiſch iſt nichts nutz.Joh.
6, 63. Wann dann auch unſere neue Capernaiten kommen und ſagen:
Wie kan uns dieſer ſein Fleiſch zu eſſen geben? und meynen wie
jene/
[360]Die Sechszehende
jene/ die Alten/ ſie werden ad immanes ferarum mores und viſceratio-
nes vocirt und beruffen/ Joh. 6, 52. geben wir ihnen zum Beſcheid Chriſti
Antwort. ꝟ. 53. Warlich/ warlich/ ich ſage euch: Werder ihr
nicht eſſen das Fleiſch des Menſchen Sohn/ und trincken ſein
Blut/ ſo habt ihr kein Leben in euch. Und abermal ꝟ. 61. Aergert
euch das/ wie wenn ihr denn ſehen werdet des Menſchen Sohn
auffahren dahin/ wo er vor war/ der Geiſt iſts/ der da lebendig
macht/ das Fleiſch iſt keinnuͤtz. Es ſchickt ſich nicht zu den Goͤtt-
lichen Geheimnuſſen/ dann dazu gehoͤren keine fleiſchliche Gedancken.
Nun wir wollen das Geheimnuß etwas fleiſſiger beſchauen/ recht deutlich
und ordentlich fuͤrtragen/ bevorab weil unſere Leut am wenigſten davon
verſtehen/ und Gegentheil am meiſten ſich daran aͤrgert. Gott gebe
erleuchtete Augen/ gefangene Vernunfft/ glaubige Hertzen. Amen.
GEliebte in Chriſto. Auff daß wir nun einander recht
verſtehen/ und uns keine widrige Meynung angedichtet werde/
und auch jederman kund und offenbar ſeye/ was wir von der
Sacramentlichen Nieſſung halten und lehren. So verſtehen wir/ was
anlangt das gantze Sacrament/ den Leib mit dem Brod/ keines wegs
I. Manducationem phyſicam, ein natuͤrliches Eſſen und Trin-
cken/ ſo beſtehet in Zerknitſchung/ Verbeiſſung/ Verſchluckung/ Ver-
dauung des Leibs Chriſti/ davon Chriſtus redet Matth. 15, 17. Alles
was zum Munde eingehet/ das gehet in den Bauch/ und wird
durch den natuͤrlichen Gang außgeworffen. Das ſey fern/
und wer uns dieſes zumuthet/ thut uns Gewalt und Unrecht. Wir
citiren unſere adverſarios fuͤr den Oberſten Richter JEſum Chriſtum/
ſprechen mit Luthero Tom. 3. Jen. p. 361. Wenn habt ihr jemals
von uns gehoͤret/ daß wir das Abendmahl Chriſti alſo eſſen/
oder zu eſſen lehren/ daß allein ein aͤuſſerlich leiblich Eſſen da
ſey des Leibes Chriſti? haben wir nicht alſo gelehrt durch viel
Buͤcher/ daß im Abendmahl zwey Stuck ſind zu mercken.
Eines das allerhoͤheſt und noͤthigſt/ das ſind die Wort. Nem-
met/ eſſet/ das iſt mein Leib/ ꝛc. Das ander iſt das Sacrament
oder leiblich Eſſen des Leibs Chriſti. Nu/ die Wort kan frey-
lich niemand durch den Hals in den Bauch jagen/ ſondern
muß ſie durch die Ohren in das Hertz faſſen. Was faſſet er
aber ins Hertz durch die Wort? Nichts anders/ deñ das ſie lau-
ten
[361]Predigt.
ten/ nemlich den Leib fuͤr uns gegeben/ welches iſt das geiſtli-
che Eſſen. Und haben weiter geſagt/ daß wer das Sacrament
leiblich iſſet/ ohn ſolche Wort/ oder ohn ſolch geiſtlich Eſſen/
dem iſts nicht allein kein nuͤtze/ ſondern auch ſchaͤdlich/ wie
Paulus ſagt/ wer das Brod unwuͤrdig iſſet/ der iſt ſchuldig
an dem Leib des HErꝛn. Darum haͤttet ihr uns nicht doͤrf-
fen lehren/ daß leiblich Eſſen kein nuͤtz iſt. Wir ſagen wol
mehr und ſprechen/ daß leiblich Eſſen auch gifftig und toͤdlich
iſt: So bitten wir nun/ Lieben Herren/ wenn ihr wollet wi-
der die Lutheriſchen oder neuen Papiſten (wie ihr uns ſchaͤn-
det) ſchwaͤrmen/ wollet euch doch der Luͤgen enthalten/ und
von uns predigen und ſchreiben nicht anders/ denn wie wir
lehren.
II. Wird nicht verſtanden manducatio ſpiritualis, das bloſe geiſt-
liche Eſſen und Trincken/ ſo geſchicht durch den Glauben/ da die Speiß
iſt der gantze Chriſtus/ der Mund der Glaub/ und in folgender collation
beſtehet: Gleichwie die Speiß von einem Hungerigen verlangt/ mit
dem Mund angenommen/ geſchmaͤcket/ gekaͤuet/ mit des Menſchen Na-
tur vereinbaret/ und der Menſch davon erquicket/ erlabet und geſtaͤrcket
wird: Alſo ſehnet ſich der Glaub mit feuriger Begierde nach Chriſto/
und allen deſſen Wolthaten/ ergreifft ſie mit ſtarcker Zuverſicht/ und
ſpricht gleichſam mit Jacob: Jch laß dich nicht/ du ſegneſt mich
dann: Er verdaͤuets durch heilige meditation und Betrachtung/ durch
ſuͤſſe Soliloquia. Zum Exempel/ wann der Herꝛ Meſſias ſagt Eſa.
43, 24. Mir haſtu Arbeit gemacht in deinen Suͤnden: ſo falt
ihm der Glaub bey/ Ja dir/ dir/ Herr/ und abermal: Jch/ ich tilge
deine Ubertrettung. ꝛc.ſubſumirt der Glaub wiederum. E. auch
meine/ ja meine Ubertrettung/ er verwandelts in Safft und Krafft/
durch genaue Vereinigung/ und ſagt mit Paulo/ Gal. 2, 20. Jch lebe/
doch nun nicht ich/ ſondern Chriſtus lebet in mir/ dann was
ich jetzt im Fleiſch lebe/ das lebe ich in dem Glauben des
Sohns GOttes/ der mich geliebet hat/ und ſich ſelbſt fuͤr
mich dargegeben. Der glaubige Menſch wird davon ſchoͤn und
jung/ er erſtarcket wie ein Adler/ er wachſet ins ewige Leben. Und von
ſolchem geiſtlichen und verbluͤmten Eſſen ſeind die Wort Chriſti zu ver-
ſtehen Joh. 6. Wann Er die 5000. Mann/ die Er mit fuͤnff Gerſten-
Broden geſpeiſet/ und ihme nachgelauffen biß gen Capernaum/ alſo an-
Neunter Theil. Z zgeredet:
[362]Die Sechszehende
geredet: ꝟ. 26. Warlich/ warlich/ ich ſage euch/ ihr ſuchet mich/
nicht darum/ daß ihr Zeichen geſehen habt/ ſondern daß ihr
von dem Brod geſſen habt/ und ſeyd ſatt worden. Wuͤrcket
Speiſe/ die nicht vergaͤnglich iſt/ ſondern die da bleibet in das
Ewige Leben/ welche euch des Menſchen Sohn geben wird.
Und verſ. 35. Jch bin das Brod des Lebens/ wer zu mir kom-
met/ den wird nicht hungern/ und wer an mich glaubet/ den
wird nimmermehr duͤrſten. verſ. 48. Jch bin das Brod des
Lebens. Euere Vaͤtter haben Manna geſſen in der Wuͤſten/
und ſind geſtorben/ diß iſt das Brod/ das vom Himmel kom̃t/
auff daß wer davon iſſet/ nicht ſterbe. Jch bin das lebendige
Brod vom Himmel kommen/ wer von dieſem Brod eſſen
wird/ der wird leben in Ewigkeit. Und das Brod/ das ich
geben werde/ iſt mein Fleiſch/ welches ich geben werde fuͤr das
Leben der Welt. verſ. 53. Werdet ihr nicht eſſen das Fleiſch
des Menſchen Sohns und trincken ſein Blut/ ſo habt ihr kein
Leben in euch/ wer mein Fleiſch iſſet/ und mein Blut trincket/
der hat das ewige Leben. Dieſes/ ſag ich/ wird nicht verſtanden/
dann diß Eſſen/ davon der Herr in der Einſatzung des heiligen Abend-
mahls redet/ iſt ein eigentliches/ jenes ein verbluͤmtes: dieſes ein neues/
jenes ein altes Eſſen/ es war ſchon Joh. 6. vermeldet/ war von den Juͤn-
gern albereit geſchehen im Oſter-Lamm; dieſes iſt unterſcheiden von der
Gedaͤchtnuß/ jenes nicht/ dann wann die geiſtliche Nieſſung in dem
Wort Eſſen verſtanden wuͤrde/ gebs eine tautologiam,Eſſet zu mei-
ner Gedaͤchtnuß.h. e. Glaubet/ auff daß ihr glaubet; Dieſes iſt
gemein Wuͤrdigen und Unwuͤrdigen/ jenes geſchicht allein von den
Wuͤrdigen; dieſes geſchicht augenblicklich/ jenes beſtaͤndig; dieſes iſt
ein Eſſen allein des Leibs und Bluts Chriſti/ jenes des gantzen Chriſti;
dieſes iſt ſchlechter Dings nicht noͤthig/ jenes iſt abſolut nothwendig/
von dieſem ſingen wir; Daß wir nimmer des vergeſſen/ gab Er
uns ſein Leib zu eſſen/ verborgen im Brod ſo klein/ und zu
trincken ſein Blut im Wein. Von jenem: Hie iſt das rechte
Oſter-Lamm/ davon GOtt hat gebotten/ das iſt an des
Creutzes-Stamm in heiſſer Lieb gebraten. Wiewol die geiſtli-
che Nieſſung nicht außgeſchloſſen/ als welche in cauſa finali und in den
Worten begriffen/ das thut zu meiner Gedaͤchtnuß.
Sondern
[363]Predigt.
Sondern es wird gemeynet und verſtanden I. Manducatio myſtica
\& cœleſtis, ein himmliſches/ uͤbernatuͤrliches/ unempfindliches/ und in
geſundem Verſtand/ ein geiſtliches Eſſen/ nicht auff Zwingliſche Weiß/Berg. tract.
daß die
Wort Chri-
ſti noch feſt
ſtehen.
p. 39.
da Leib und Brod ſo weit von einander/ als der oberſte Himmel von der
unterſten Erden/ und allererſt durch den Himmel-fladernden Glauben
muͤſſen vereiniget werden/ auch nicht in dem Verſtand/ wie Joh. 6. ſon-
dern ſo fern geiſtlich dem natuͤrlichen/ groben/ leiblichen/ raͤumlichen
Eſſen wird entgegen geſetzt.
2. Sacramentalis, dann weil es nicht natuͤrlich/ nicht geiſtlich/
und aber allein in dieſem Sacrament uͤblich/ ſo nennet mans billig ein
Sacramentliches Eſſen. Gleichwie das Eſſen des Oſter-Lamms/ und
die Beſprengung des Taͤufflings mit Waſſer kein gemein Werck/ ſon-
dern ein Sacramentliche Handlung/ alſo auch dieſe Nieſſung. Die
Zwinglianer geſtehen zwar auch ein Sacramentliches Eſſen/ verſtehen
aber manducationem ſolius ſigni, der Menſch eſſe zwar das Brod na-
tuͤrlich/ aber AM Brod den Leib Chriſti Sacramentlich und Geiſtlich.
Das Sacramentliche Eſſen (ita Berg. p. 39.) iſt/ welches Chri-
ſtus im heiligen Abendmahl eingeſetzet/ daß wir nemlich das
gebrochene Brod eſſen ſollen/ zwar auff natuͤrliche Weiſe/
aber eben nicht zur natuͤrlichen Nahrung unſers Leibs/ ſon-
dern zu ſeinem Gedaͤchtnuß/ und alſo zur geiſtlichen Nah-
rung/ und Staͤrckung unſerer Seelen in dem geiſtlichen Le-
ben. Und dieſes Sacramentliche Eſſen des Brods mag auch
genennet werden das Sacramentliche Eſſen des Leibs Chriſti/
eben wie das Brod ſelbſt Sacramentlicher Weiſe iſt und
heißt der Leib Chriſti/ wie auch das Eſſen des Oſter-Lamms
genannt wird dasPaſſaheſſen/ weil es nemlich zum Gedaͤcht-
nuß/ und alſo zum geiſtlichen Eſſen ſeines Leibs gerichtet iſt/
daß alſo in dem Sacramentlichen das leibliche Eſſen des
Brods/ und das geiſtliche des Leibes Chriſti zuſammen kom-
met/ dergeſtalt/ daß das leibliche/ als ein Sacramentliches
Zeichen und Ceremonie/ zu dem geiſtlichen/ als zu dem bezeich-
neten/ gerichtet/ und beydes zugleich in einer Handlung ver-
richtet werde. Dann wann wir das Brod mit unſern leib-
lichen Augen anſchauen/ und mit leiblicher Hand und Mun-
de empfangen und eſſen/ ſollen wir wegen des Befelchs und
Verheiſſung Chriſti/ in unſern Hertzen nicht anders geſinnet
Z z ijſeyn/
[364]Die Sechszehende
ſeyn/ als wann wir ſeinen gecreutzigten Leib ſelbſten ſichtlich
fuͤr Augen ſehen/ denſelben auch zugleich/ nicht zwar in un-
ſern Mund und Magen/ ſondern in unſer Hertz alſo einſchlieſ-
ſen/ und in ſtaͤtem Gedaͤchtnuß behalten/ daß unſere Seele
von dieſer ihrer Speiß lebendigen Troſt und Krafft empfin-
de. Alſo werden wir recht Sacramentlich gegeſſen haben.
Jſt aber nichts wenigers als ein Sacramentliches Eſſen; Sondern die
Sacramentliche Nieſſung iſt/ die geſchicht in ſacramento unbegreifflich/
unempfindlich/ unraͤumlich/ mittelbarlich im Brod/ unzertrennlich/ daß
der Communicant eben in dem Augenblick/ Handlung/ τάξει, und Ord-
nung/ da er das Brod iſſet/ zugleich den unſichtbarn Leib Chriſti genießt
und empfahet/ dann er genieſſet das τοῦτο, das jenige/ ſo die Gemein-
ſchafft des Leibs Chriſti/ das die Unwuͤrdigen koͤnnen zum Gericht eſſen/
welcher unwuͤrdig von dieſem Brod/ von dieſem ſo heiligen/ mit
dem Leib Chriſti vereinbarten Brod/ iſſet/ der iſt ſchuldig am Leib
und Blut des HErꝛn/ 1. Cor. 11, 27. Und gleichwie Maria den ewi-
gen unſichtbaren Sohn GOttes/ warhafftig und wuͤrcklich in ihrem
Leib in ſemine empfangen/ wie die Juͤnger des Herrn geſehen und be-
taſtet haben das Wort des Lebens/ im Fleiſch/ wie die Kriegs-Knecht
den Herrn der Herꝛligkeit gecreutziget/ in ſeiner menſchlichen Natur/
in ſeinen Haͤnden und Fuͤſſen/ wie Johannes den H. Geiſt in leiblicher
Taubens-Geſtalt ſehen herab fahren/ wie der Wallfiſch die Seele Jonaͤ
verſchluckt/ vermittelſt ſeines Leibs/ alſo genieſſet im Sacrament der
Communicant den Leib Chriſti in/ mit/ und unter dem geſegneten Brod/
actuinſeparato, unzertrennlich/ und unabgeſondert.
3. Oralis, eine muͤndliche Nieſſung/ und zwar ein warhafftiges/ ei-
gentliches/ muͤndliches Eſſen: daß dem alſo/ erhellet ja ex clarâ literâ,
Eſſet/ Trincket/ warhafftig eſſen aber geſchicht anders nicht/ als mit
dem Mund/ wie/ da die himmliſche Stimme Petro zugeruffen/ Petre/
ſchlachte und iß.Act. 10, 13. ers nicht anders/ als von dem leiblichen
Mund hat verſtehen koͤnnen. Wie Hiob recht geſchloſſen/ Jch werde
Gott ſehen. E. mit meinen leiblichen Augen/ meine Augen werden ihn
ſchauen. Jtem/ wie es eine nothwendige Conſequentz/ wer Ohren hat
zu hoͤren/ der hoͤre/ E. mit leiblichen Ohren. Alſo/ wann Chriſtus ſagt:
Eſſet: E. mit dem leiblichen Mund. Sprichſtu/ es muͤſſe allhie nicht
vom leiblichen Mund verſtanden werden/ ſondern vom geiſtlichen Mund
des Glaubens. Antwort: Es iſt kein Noth/ daß ich zum Dach hinein
ſteige/ wann ich kan zur Hauß-Thuͤr hinein kommen. Chriſtus ſagt hie
nicht/
[365]Predigt.
nicht/ meine Wort ſind Geiſt/ h. e. geiſtlicher weiſe anzunemmen/ bevor-
ab/ weil auff dieſe weiß Chriſto eine ſchandliche τυντολογία muͤßte ange-
richtet werden/ wie droben albereit ermeſſen. Doch/ welches hie wol zu
mercken/ ſo iſts zwar ein muͤndliches Eſſen/ doch nicht ratione modi,
ſed organi, es geſchicht mit dem Mund/ aber nicht auff muͤndliche weiſe/
durch Verdauung/ Verkaͤuung/ ꝛc. Ja ſprichſtu/ es ſey σιδηρόξυλνν, oh-
ne das Magen-Eſſen/ Verdauung/ ꝛc. geſchehe ja kein warhafftig Eſſen.
Aber hoͤre/ liebe Uberwitz/ und kluge Frau Ratio, daß nicht alles natuͤr-
liches Eſſen eben angedeute actus nach ſich ziehet/ iſt ja ſo hell als der
Tag/ die Pillulen werden ja nicht zerbiſſen/ ſondern nur hinunder ge-
ſchluckt/ der Wallfiſch hat Jonam gegeſſen/ und hinab geſchlucket/ und
doch weder verbiſſen noch erwuͤrgt/ aurum potabile, kan geſſen/ und doch
nicht verzehret werden. Ein junges Kind iſſet die Brey/ ohne zubeiſſen
und kaͤuen/ die Zaͤhn-loſe alte Leute nemmen auch/ ſo gut ſie koͤnnen/ et-
was von harter Speiſe zu ſich/ und zerbeiſſen es doch mit den Zaͤhnen
nicht: Etliche Krancke eſſen und trincken dieſe oder jene Speiſe/ und iſt
doch bey ihnen der Geſchmack verderbt/ ſie empfinden auch von der einge-
nommenen Speiß oder Tranck keine Krafft oder kraͤfftige Ernehrung/
und iſt und heißt doch alles ein rechtes natuͤrliches Eſſen. Uber das frage
ich/ ob die Engel Gen. 18. warhafftig gegeſſen? ſagſtu nein/ ſo haſtu wi-
der dich Auguſtinum, der lib. 13. de Civ. Dei c. 22. ſchreibet: Non in
phantaſmate Angelos ediſſe credendum eſt. Calvinum und Rive-
tum. Hic (ita ille Exerc. 91. in Geneſ. p. m. 446.) movent inter-
pretes quæſtionem, an verè comederint, quos homines verè
non fuiſſe novimus? De qua \& ſimilibus prudenter Calvinus:
Quemadmodum has quæſtiones attingere utile eſt, nec ulla re-
ligio vetat, ſic rurſum nihil melius, quam ſobriâ ſolutione nos
eſſe contentos. Refert autem eſſe, qui reſpondeant, Angelos
comedentium ſpeciem tantùm præbuiſſe. Commentum autem
hoc ipſis in mentem veniſſe, quia non veris corporibus, ſed ſpe-
ctris, indutos fuiſſe imaginantur. Longè autem aliter ſe rem
habere, meritò cenſet. Quamobrem dubium non eſſe, quin
Deus corpora illis ad tempus dederit, in quibus injunctum ſibi
munus peragerent. Inde infert, ſicuti verè ambulârunt, locuti
ſunt, \& perfuncti aliis officiis, ita verè comediſſe, non quod
opus haberent, ſed ut laterent uſque ad tempus manifeſtationis.
Hanc ſententiam veriſſimam eſſe non dubitamus, \& præferen-
dam opinioni Theodoreti, qui quæſt. 68. in Geneſ. exiſtimat,
Z z iijillos
[366]Die Sechszehende
illos non verè comediſſe, quemadmodum non verè erant viri,
ſed tantùm ob figuram, qui etiam comediſſe dicuntur, quia id vi-
ſum fuit Abrahamo; non quidem quod cibum inferrent in os
\& ventrem, ſed eum manibus comedentes, in ſimulatum os in-
gerentes, clàm conſumerent, prout illis placebat.
Sagſtu ja; wie habens dann die Engel verdaut? Jtem/ Chriſtus hat
nach ſeiner Aufferſtehung gegeſſen gebratene Fiſch und Honigſeim/
Luc. 24. ſo gegeſſen/ E. entweder eigentlich/ oder nicht? So nicht/ wie
hat er dann die Warheit ſeiner Aufferſtehung probirt; ſo eigentlich/ fragt
ſichs abermal/ wie Er es digerirt und verdauet? wie nun Chriſtus nach
ſeiner Aufferſtehung warhafftig muͤndlich gegeſſen/ aber nicht natuͤrlich/
nicht auch bloß geiſtlich/ ſondern myſticè, alſo muß man auch im heiligen
Abendmahl manducationem tertiam, oralem, myſticam, concediren
und paſſiren laſſen.
Und dieſes alles iſt kein neue/ ſondern uhralte Lehr/ dann ſo ſcheuen
ſich nicht die heiligen Vaͤtter zu lehren und zu reden/ Iren. lib. 4. c. 34.
pag. 263. Quomodo dicunt carnem in corruptionem venire, \& non
percipere vitam, quæ à corpore Domini \& ſanguine alitur? Das iſt:
Wie koͤnnen ſie ſagen/ daß das Fleiſch die Verweſung werde
ſehen/ und nicht wieder lebendig werden/ daß mit dem Leib und
Blut des HErꝛn geſpeiſet wird?Lib. 5. cap. 4. p. 318. Quomodo
carnem negant capacem eſſe donationis DEI, quæ eſt vita æterna, quæ
corpore \& ſanguine Domini nutritur.Wie koͤnnen ſie laͤugnen/
daß das Fleiſch faͤhig ſey der Gabe GOttes/ welche iſt das
ewige Leben/ das von dem Fleiſch und Blut des HErꝛn erneh-
ret wird.Tertull. de Reſurrectione carnis cap 8. p. 317. Caro corpo-
re \& ſanguine Chriſti veſcitur ut \& anima de Deo ſaginetur.Das
Fleiſch genießt den Leib und Blut des HErꝛn/ daß auch die
Seele von GOtt geſaͤttiget werde.Chryſoſt. Homil. 27. in 1. Co-
rinth. p. 567. Hæc facis Chriſti mensâ exceptus illo die, quo dignus
habitus es, qui carnem ejus linguâ tangeres, quicunque ſis ergò, ne
hæc fiant, manum tuam expurga, \& caſtiga linguam, \& labra, ἅπερ
ἐγεύετο ϖρόϑυρα τῇ [...]πι [...]άσει τοῦ Χριςοῦ, quæ fuere veſtibula ingreſſus
Chriſti.Du thuſt das an dieſem Tag/ an welchem du beym
Tiſch des HErꝛn geweßt/ da du gewuͤrdiget worden/ ſein
Fleiſch mit deiner Zung anzuruͤhren. Daß nun dieſes nicht
geſchehe/ ſo reinige/ du magſt auch ſeyn wer du wilt/ deine
Hand/ und zuͤchtige deine Zung und Lippen/ als welche Thuͤr
und
[367]Predigt.
und Thor/ durch welche Chriſtus eingehen wil.Homil. 29. in
2. Corinth. Non vulgarem honorem conſecutum eſt os noſtrum, ac-
cipiens corpus Dominicum.Es iſt unſerm Mund keine geringe
Ehre wiederfahren/ indem er den Leib des HErꝛn empfangen
hatHomil. 3. in Epiſt. ad Epheſ. Quomodo comparebit ante tri-
bunal Chriſti, qui labris immundis auſit corpus ejus attingere.Wie
wil der fuͤr dem Richterſtul Chriſti erſcheinen/ der ſeinen Leib
mit unreinen Lippen beruͤhret hat.Cyrillus lib. 10. in Johann.
cap. 13. p. 500. Non negamus rectâ nos fide charitateque ſincerâ Chri-
ſto ſpiritualiter conjungi, ſed nullam nobis conjunctionis rationem
ſecundùm carnem cum illo eſſe, id profectò pernegamus, idque à di-
vinis Scripturis omninò alienum dicimus.Wir laͤugnen nicht/ daß
wir durch rechtſchaffenen Glauben und ungefaͤrbte Liebe mit
Chriſto geiſtlicher Weiſe vereiniget werden/ daß aber nach
dem Fleiſch keine Vereinigung zwiſchen uns und Jhm ſeye/
geſtehen wir rund nicht/ als welches der Goͤttlichen Schrifft
gantz und gar entgegen und zuwider.Theodoretus lib. 5. hiſtor.
Eccleſ. cap. 17. Quâ temeritate (refert verba Ambroſii ad Imperat.
Theodoſium) ore tuo poculum ſanguinis precioſi percipies, quando
furore verborum tuorum injuſtè eſt effuſus ſanguis.Mit was fuͤr
frechem Sinn wilt du mit deinem Mund/ vermittelſt des
Kelchs/ das theure Blut empfangen/ da doch auff deinen un-
ſinnigen Befehl unſchuldig Blut vergoſſen worden.Auguſt.
epiſt. 118. Placuit Spiritui Sancto, ut in honorem tanti Sacramenti in
os Chriſtiani prius Dominicum corpus intraret, quàm cæteri cibi.
Es hat der H. Geiſt fuͤr gut angeſehen/ daß ſolchem hohen
Sacrament zu Ehren der Mund eines Chriſten ehe den Leib
des HErꝛn/ als andere Speiſe zu ſich nehme.Idem lib. 2. con-
trà adverſ. legis \& Prophetar. c. 9. circa finem. Mediatorem DEI \&
hominum hominem JEſum Chriſtum, carnem ſuam nobis mandu-
candum bibendumque ſanguinem dantem, fideli corde atque ore
ſuſcipimus, quamvis horribilius videatur, humanam carnem mandu-
care quàm perimere, \& humanum ſanguinem potare, quàm fundere.
Wir nemmen mit glaubigem Hertzen und Mund auff den
Mittler zwiſchen GOtt und den Menſchen/ den Menſchen
JEſum Chriſtum/ der uns ſein Fleiſch zu eſſen/ und ſein Blut
zu trincken gibt/ wiewol es grauſamer ſcheinet zu ſeyn/ Men-
ſchen-Fleiſch eſſen/ als toͤdten/ Menſchen-Blut trincken/ als
ver-
[368]Die Sechszehende
vergieſſen.Et ſerm. 215. de tempore. Videte fratres chariſſimi, ſi
juſtum eſt, ut ex ore Chriſtianorum, ubi corpus Chriſti ingreditur,
luxurioſum canticum quaſi venenum Diaboli proferatur.Liebe
Bruͤder/ pruͤffet ob es recht ſey/ daß ein unflaͤtiges und unkeu-
ſches Lied/ als des Teuffels Gifft/ auß dem Mund der Chri-
ſten/ zu welchem der Leib Chriſti hinein gehet/ gehoͤret werde.
Theophil. in 2. Corinth. 13. Per os Chriſtus ingreditur, cum ſacro-
ſanctum corpus accipitur.Chriſtus gehet zum Mund des Men-
ſchen ein/ wann ſein allerheiligſter Leib empfangen und genoſ-
ſen wird.Oecumenius in 1. Corinth. 11. Sacratiſſimum Chriſti cor-
pus manibus impuris accipiunt indigni, \& execrando ori ſuo admo-
vent.Die Unwuͤrdigen empfangen den Leib Chriſti mit unrei-
nen Haͤnden/ und eſſen ihn mit ihrem verfluchten Munde.
Was aber/ ſprechen die ſo genannten Reformirten/ iſt es nutz? was
hat man fuͤr Safft und Krafft davon? es iſt ja ein palea, in qua nullus
ſuccus conſolationis, es gibt den geringſten Troſt nicht. Aber wann
ſchon gleich kein Troſt noch Krafft in der muͤndlichen Nieſſung zu fin-
den/ ſolten wir darum die Goͤttliche Weißheit rechtfertigen/ und in die
Schul fuͤhren? Sage mir im Werck der Schoͤpffung/ was nutzen alle
Creaturen/ der iſt noch nicht gebohren/ der es alles ſagen kan/ ſeind ſie
darum nichts nutz/ hat ſie Gott umſonſt und vergebens erſchaffen?
wir wollen aber mit wenigem auß GOttes Wort die Nutzen und Troſt
andeuten. Es iſt die muͤndliche Nieſſung Inſtrumentum abſolutio-
nis, dann ſo der jenige/ der unwuͤrdig iſſet/ zum Gericht iſſet/ E. wer wuͤr-
dig iſſet/ genieſſet es zur Vergebung der Suͤnden. Wie es gleicher Ge-
ſtalt folgt: das Evangelium iſt den Unglaubigen ein Geruch des To-
des zum Tode. Ergò, den Glaubigen ein Geruch des Lebens zum Le-
ben. Symbolum incomparabilis amoris, ein Zeichen der unvergleich-
lichen Liebe JEſu Chriſti. Gnug waͤre es geweßt/ wann er geſagt:
Betet meinen Leib an/ oder kuͤſſet in/ die Heyden lieſſen ſich beduncken/
ſie ſeyen gar wol daran/ wann ſie ihre Goͤtzen gekuͤßt. 1. Reg. 19, 18.
Gnug/ wann Er uns in ſeine Haͤnde gezeichnet/ gnug/ wann Er geſagt:
Sauget an meiner Mutter Bruͤſten/ als welches auch der hoͤchſte Grad
der Muͤtterlichen Liebe/ daß ſie nicht nur mit Schmertzen ihr Kind an
die Welt gebaͤhret/ ſondern auch nachmalen an die Bruſt applicirt.
Ein unvergleichliche groſſe Treu und Kinds-Lieb hat jene fromme Toch-
ter erwieſen/ die ihren gefangenen und zum Hunger-Tod verdam̃ten
Vater
[369]Predigt.
Vater Conon eine geraume Zeit geſaͤuget/ und das Leben erlaͤngert.
Man hat auch wol Exempel/ daß liebhabende Perſonen einander fuͤr
Liebe Biß gegeben/ und verwundet/ aber alle dieſe Liebes-Staffeln uͤber-
ſteiget der hoͤchſte Liebes-Gipffel der Liebe JEſu Chriſti/ daß Er ſein Leib
zu einer Speiß und ſein Blut zu einem Tranck geſtifftet. Es iſt die Liebe
ſelbs. Teſſera conſanguinitatis, ein Malzeichen der Blut-Freund-
ſchafft. Dann wie der Sohn GOttes menſchliche Natur an ſich ge-
nommen/ und unſers Fleiſches und Bluts theilhafftig worden/ daß Er
ſich mit uns verbruͤderte/ und mit uns in Bluts-Freundſchafft geriethe:
alſo auff daß wir auch ſeine Bluts-Freunde wuͤrden/ iſts nicht genug an
Jhn glauben/ ſondern wir muͤſſen auch ſeines Fleiſches und Blutes
theilhafftig gemacht/ und alſo in Jhn einverleibet werden. Wie Maria/
ſolte ſie eine rechte Bluts-Freundin Chriſti werden/ mußte ſie Chriſtum
im Hertzen durch den Glauben/ und durch leibliche Emfaͤngnuß unter
dem Hertzen tragen.
Da Maria die Jungfrau (Verba ſunt Lutheri Tom. 3. Jen. p. 362.) Chriſtum
empfieng/ und gebar/ da war Chriſtus ja ein recht leiblich ſichtbarlich
Menſch/ und nicht allein ein geiſtlich Weſen/ noch empfieng und gebar ſie
Jhn auch geiſtlich/ wie ſo? Alſo/ ſie glaubte dem Wort des Engels/ da ſie
ſolte ſchwanger werden und geberen. Mit demſelbigen Glauben in des
Engels Wort empfieng und gebar ſie im Hertzen Chriſtum geiſtlich/ zu-
gleich da ſie in ihrem Leibe empfieng und gebar leiblich. Denn wo ſie
nicht haͤtte Chriſtum in ihrem Hertzen empfangen geiſtlich/ haͤtte ſie Jhn
nimmermehr empfangen leiblich. Wiewol GOtt haͤtte moͤgen von ihrem
Leibe machen Chriſtus Leib/ in ihrem Schlaff ohn ihr Wiſſen/ wie Er
Heva von Adam macht/ aber da waͤre ſie nicht ſeine Mutter worden/ gleich-
wie Adam nicht Heva Mutter iſt.
Pignus reſurrectionis \& immortalitatis, ein Pfand der Unſterblich-
keit/ und kuͤnfftigen Aufferſtehung. Dieſe Speiß iſt dem Todten-Biß
im Paradiß entgegen geſetzt. Hie iſt der Baum des Lebens. Satietatis
complementum, nach dem was David ſagt/ die Elenden werden eſ-
ſen und ſatt werden/Pſ. 22, 27. ja truncken werden von den rei-
chen Guͤtern des Hauſes GOttes/ und mit Wolluſt getraͤn-
cket als mit einem Strom.Pſalm. 36, 9. Wann die Koͤnigin von
reich Arabia gleich lang Salomons Herꝛligkeit geſehen/ hatte ſie es doch
nicht contentirt/ aber die Mahlzeit/ da er ſie gaſtirt/ in welcher ſie warge-
nommen der Speiß fuͤr ſeinem Tiſch. 1. Reg. 10, 5. die vergnuͤgte ihr Ge-
muͤth. Alſo auch hie. Diß iſt der Vorſchmack/ dort ſoll die Fuͤlle folgen.
Darauß leicht abzunemmen/ was einem glaubigen Communicanten bey-
Neunter Theil. A a awohnen
[370]Die Sechszehende
wohnen und zuwachſen/ und wie er auff das muͤndliche Nieſſen das geiſt-
liche bauen und gruͤnden ſoll. Jch armer Menſch und Erd-Wurm/ mein
Mund ein ſuͤndlicher Mund/ meine Zung ein Welt voll Ungerechtigkeit/
hie aber das Blut JEſu Chriſti/ dadurch ſie geheiliget/ und dermaleins
verklaͤret Gott loben und preiſen ſoll! bin ich ſchon verlaſſen in der Welt/
hie iſt die Mutter-Milch/ da ſchlotze ich an den Bruͤſten! Jch bin zwar
verlohren und verdam̃t/ ich habe den Kroͤbiß noch im Magen von dem
erſten Apffel-Biß/ hie aber iſt der Baum des Lebens/ der Gnaden-Thron/
der Leben/ Troſt und Vergebung der Suͤnden mittheilet/ und auff mich
gieſſen und flieſſen laßt! Jch hungere und duͤrſte nach der Gerechtigkeit/
wie der Hirſch ſchreyet nach friſchem Waſſer/ ſo ſchreyet meine Seele
Gott zu dir/ meine Seele duͤrſtet nach Gott/ nach dem lebendigen Gott/
wie ein truckenes und duͤrres Land/ da kein Waſſer iſt. Hie iſt der Tiſch
bereitet/ und darauff lauter Gutes und Barmhertzigkeit/ hie iſt der Kelch
voll eingeſchenckt/ dadurch die Seele in Wolluſt fett kan werden!
Was hat nun abermal ex oppoſito der uͤbel- und falſch-reformiren-
de Jrꝛ-Geiſt hie zu thun? Er poldert/ er laͤſtert/ er ſchaͤndet und ſchmaͤhet
auff dieſe Lehr auff das allergrimmigſt und gifftigſte. Beza nennet die
manducationem oralem und Mund-Sacramentliche Nieſſung duos
pilos caudæ equinæ, zwey Pferds-Haar: Pareus in ſeiner Friedens-
Sermon/ paleam oder ſtipulam, in qua nullum granum fidei \& quæſtus
ſolatii, ein Sprey oder Stoppel/ in welcher kein Koͤrnlein des Glaubens/
und Gewinn des Troſts ſey. Steinius, idolum humani cerebri, lauter
Menſchen-Gedicht. Bergius, den eigentlichen Grund/ darauff die Meſſe
mit allen ihren Greueln gebauet. Maſſonius des Teuffels liebe Braut.
Er gibt fuͤr/ es ſeye 1. Cibus ventris, ein Bauch-Speiß/ ein Bauch-
Tranck/ dann was mit dem leiblichen Munde gegeſſen und getruncken
wird/ daſſelbe werde durch den Hals in den Magen eingeſchlungen/ und
komme alſo in den Bauch/ es geſchehe nun gleichwie es wolle/ natuͤrlicher
oder uͤbernatuͤrlicher/ irdiſcher oder himmliſcher/ begreifflicher oder unbe-
Darmſtad.
Gruͤndt.
Außfuͤhr.
pag. 759.greifflicher weiſe. Grad/ als wañ alles was mit dem leiblichen Mund geſ-
ſen und getruncken wird/ ſtracks eine Bauch-Speiß und Bauch-Tranck
ſeyn muͤßte/ ſo raͤumlich und natuͤrlicher weiſe in den Magen kommen/
und darin verdaut werden ſolte. Hat nicht Chriſtus nach ſeiner Auffer-
ſtehung von den Todten mit ſeinem leiblichen Mund gegeſſen und ge-
truncken/ Luc. 24, 41. und iſt doch die von ihm genoſſene Speiß und
Tranck kein ſolche Bauch-Speiſe/ und kein ſolcher Tranck geweſen/ der
raͤum- und natuͤrlicher/ bey uns Menſchen auff Erden ins gemein ge-
braͤuch-
[371]Predigt.
braͤuchlicher weiſe in ſeinen Magen kommen/ und darinnen zu ſeiner nu-
trition und Erhaltung verdauet worden waͤre/ dann Chriſtus hatte da-
mals einen verklaͤrten Leibe/ Philip. 3, 21. der keiner Speiſe und Trancks
beduͤrfftig geweſen. Uber das iſt zu wiſſen/ daß weil der Leib und das
Blut Chriſti von uns alſo gegeſſen und getruncken werden/ wie ſie mit
dem geſegneten Brod und Wein vereiniget zugegen ſind/ nemlich un-
raͤumlicher/ uͤbernatuͤrlicher und unbegreifflicher weiſe/ ſo koͤnnen ſie
auch keine Bauch-Speiſe/ und kein Bauch-Tranck ſeyn/ ſondern ſie ſeind
ein geiſtliche (das iſt nicht-natuͤrliche) himmliſche und uͤber-natuͤrliche/
Sacramentliche Speiß und Tranck der Seelen/ ja des gantzen Men-
ſchen/ der auß Leib und Seele beſtehet. 2. Cibus barbarus, κρεοφαγία
cyclopica, dadurch der Leib Chriſti verzehret und auffgegeſſen werde.
Daher Beza ſein κρεοφαγίαν Cyclops inſcribirt/ ein ſolches Fleiſch eſſen
und Blut trincken/ auff welche weiſe die Peruani und Tapujani, oder
wie Catilina Blut geſoffen.
De quibus Gerh. Joh. Voſſ. in addend. ad lib. 1. de Theol. Gentil.
p. 3. hæc habet: Illud, ait, præterire non poſſumus, humanis eos
veſci carnibus: ſed eo ſe meliores putare aliis άνθρωϖοφάγοις,
quod hi carnes edant hoſtiles: ipſi manducent cadavera amico-
rum, prælio, vel morte extinctorum: idque ad teſtandum ſuam
ergà eos pietatem ac amorem: ut quos non patiantur vermium
eſcam fieri, vel fœtidâ putredine abſumi; ſed in propria recon-
dant viſcera, inque ſuccum ſanguinemque ſuum, \& ipſam quo-
dammodo animam, de quibus nihil carius, convertant. Me-
morabile hujus rei exemplum ab eodem generoſo viro accepi-
mus. Evênit, ut Tapuis in Hollandorum territorio ad arcem,
ut vocant, Rio Grande, conſiſtentibus, quidam ejus vitâ excede-
ret. Hujus cadaver conſanguinei lavarunt, exenterarunt, vi-
ſcera à ciborum detrimentis repurgârunt, cæteras etiam ſordes
undique abluêre, crines \& ungues reſecuêre, reſectas ſervârunt.
Tùm corpus diſſecuêre in partes varias, quarum nullas, ne geni-
tales quidem fuêre aſpernati: Univerſas enim aſſarunt, ſedulò
etiam adipem humoremque in aſſando deſtillantem exceperunt:
hæc univerſa pro epulis fuêre inter ſanguine conjunctos; nam
cæteri à convivio hoc arcentur. Quæ comedi nequeunt, ut cri-
nes, ungues, dentes, oſſa, in cinerem rediguntur: ejus cineris
portio aliqua poculis inditur, \& bibitur, donec longiori com-
potatione abſumptus ſit univerſus.
A a a ijDiß
[372]Die Sechszehende
Diß alles mag der widrige Geiſt dem fuͤrwerffen/ und damit zihlen
wider die jenige/ die ſolche barbaram viſcerationem ſtatuiren/ uns thut
er allzeit nicht wehe. Uber das iſts auch nicht wahr/ daß alles was man
ißt/ conſumirt und zu nicht gemacht werde. D. Cramer. in Gloſſ. Bibl.
ad 1. Reg. 17, 14. uͤber die Wort: das Meel im Cad ſoll nicht verzehret wer-
den/ ſchreibet nlſo: GOtt ſorget fuͤr Wittwen und Wayſen/
Pſ. 68, 6. \& 146, 9. Und er weiß wol Wege zu finden/ da ſchon
alle Vernunfft lauter Nein ſpricht/Zachar. 8, 6. Nutzet zu wah-
rem Vertrauen zu GOtt/ und Staͤrckung unſers Glaubens/
in der Gegenwart des wahren Leibs und Bluts JEſu Chriſti
im Nachtmahl: dawider die Sacrament-Schwaͤrmer zu laͤ-
ſtern pflegen: Ob wir nicht den Leib des HErꝛn haͤtten lang
auffgefreſſen? Dann hat GOtt an dem wenig Meel ſolches
thun koͤnnen/ daß es nicht hat verzehret werden moͤgen/ unange-
ſehen Elias/ die Wittwe und ihr Sohn taͤglich und zwar na-
tuͤrlicher weiſe davon gegeſſen: Solte dann Chriſtus mit ſei-
nem unverweßlichen Leibe uns nicht uͤbernatuͤrlich alſo ſpeiſen
koͤnnen/ daß er unverzehret bleibe? O ihr Gottslaͤſterer!
3. Cibus impoſſibilis, ein warhafftiger menſchlicher Leib koͤnne ohnzer-
theilt nicht gegeſſen werden. Zertheilt man ihn aber/ ſo reicht er nicht
weit/ und koͤnnen ſo viel tauſend mal tauſend Menſchen nicht Theil da-
ran haben. Welches freylich wahr/ von einem bloß natuͤrlichen menſch-
lichen Leibe/ nicht aber von dem Leibe JEſu Chriſti/ der in den Schoß
des Sohns GOttes auffgenommen/ und perſoͤnlich mit ihm vereiniget
worden. Dann wie er hat koͤnnen mit 5. Broden ſo viel tauſend Mann
ſpeiſen/ eben auß ſolcher Krafft ſo viel tauſend Menſchen mit ſeinem Leib.
Jſt der alten Capernaiten objection geweßt/ deren Chriſtus ſchon laͤngſt
vorgekommen Joh. 6/61. Aergert euch das (manducatio viſibiliter
præſentis,) wie wann ihr dann ſehen werdet des Menſchen
Sohn auffahren dahin/ da er vor war/(quantò magis mandu-
catio in cœlos aſſumpti.) 4. Cibus inutilis,das Fleiſch iſt kein-
nuͤtze.Joh. 6, 63. Gar recht! freylich iſts Fleiſch keinnuͤtz/ verſtehe/
nicht das Fleiſch Chriſti; Quomodo caro vivifica nihil proſit? caro
ſepulta prodeſt, quidni \& comeſa? Auguſtin. tract. in Johann. 27.
Wie kan das lebendig machende Fleiſch keinnuͤtz ſeyn/ ſo es in
dem Grab nicht keinnuͤtz geweſen/ warum nicht auch jetzt/
wann es gegeſſen wird? ſondern carnalis ratio, die fleiſchliche Ver-
nunfft/
[373]Predigt.
nunfft/ welche uͤber dieſe Geheimnuß lachet und ſpoͤttelt. Damit es
aber nicht das Anſehen habe/ als ob die ratio, als die Magd/ ſo gar un-
billig der Revelation, als der Frauen/ ſich widerſetze/ ſo bringt ſie auff die
Bahn folgende Schein-Gruͤnde/ nemlich 1. die Ungleichheit zwiſchen
einem geiſtlichen und verklaͤrten/ und zwiſchen einem groben ſichtbaren
Leibe. Organum corporeum non eſt capax cibi ſpiritualis, ein leibli-
ches Glied/ der leibliche Mund iſt nicht faͤhig einer geiſtlichen Speiſe/
und demnach auch nicht des Leibs Chriſti. Antwort: Wie kan dann
ein leibliches verklaͤrtes Aug Gott in ſeinem unendlichen geiſtlichen
Weſen ſehen? wie haben dann die Juͤnger mit ihrem Leibe durch das
Anhauchen den H. Geiſt empfangen? Job. 20. 2. Scandalum ratio-
nis,Noch vielmehr (ita Bergius l. cit. p. 16.) gereichet dieſes zur
Unehre Chriſti/ daß Er nicht allein leiblich im Brod ſeye/
ſondern auch mit leiblichem Munde ſoll gegeſſen werden/ und
zwar auch von den Gottloſen/ von Trunckenbolden/ Hu-
rern/ Gottslaͤſterern/ die ſollen den weſentlichen Leib Chriſti
mit ihrem Mund empfangen/ ja ſo wol als der beſte Heilige/
ja die ſollen jetzund viel naͤhere Gemeinſchafft haben an dem
Leib Chriſti/ dann die Heiligen im Himmel; Dann da wird
keiner ſeyn/ der den Leib Chriſti im Mund haͤtte. Es iſt ein
groſſes/ daß der HErꝛ Chriſtus im Stande der Niedrigung
nur einmal den Gottloſen in die Haͤnde gerathen/ da Er von
ihnen gebunden und gecreutziget worden: Aber dieſes waͤre
noch viel ein groͤſſers/ daß Er im Stande ſeiner Herꝛligkeit
dennoch taͤglich vielen tauſend Gottloſen Menſchen in ihren
Mund gerathen muͤßte/ daß Er von ihnen gegeſſen wuͤrde.
Antwort: das Fleiſch iſt keinnuͤtz/ ihr irret und wiſſet die Schrifft nicht/
ſagt nicht St. Paulus 1. Cor. 11, 27. Welcher unwuͤrdig von dieſem
Brod iſſet/ oder von dem Kelch des HErꝛn trincket/ der iſt
ſchuldig an dem Leib und Blut des HErꝛn. Nemlich/ wie
Cain an Abel/ dieweil er Hand angelegt. Freylich geſchicht dem Leib
Chriſti Unehr von den Gottloſen/ ſo wol als von Juda/ es hat ja Chri-
ſtus ſeine Feinde. Pſ. 110. die Hoͤchſte Majeſtaͤt GOttes wird taͤglich ge-
laͤſtert/ Chriſtus nachdem Er allbereit zu ſeiner Herꝛligkeit erhaben wor-
den/ ruffet: Saul/ Saul/ was verfolgſtu mich?Act. 9. Jſt das
nun ſeiner Majeſtaͤt nicht zuwider/ E. auch jenes nicht. Wiewol ein
groſſer Unterſcheid inter præſentiam in medio inimicorum ultrò vi-
A a a iijctam
[374]Die Sechszehende
ctam \& vincentem, ſervilem \& dominantem. Er wird von den Gott-
loſen ſo mißhandelt/ daß er doch mitten unter ihnen herꝛſchet/ er laßt ſich
nicht knechtlicher und gezwungener weiß alſo ſchimpfflich tractiren/ ſie
habens nicht zugelachen/ ſie werdens einmal ſchwer gnug buͤſſen muͤſſen.
3. Teſtimonium domeſticum. Wir ſingen ja alle Oſtern/ Chriſtus
wil ſelbs die Koſte ſeyn/ und ſpeiſen die Seel allein. So die
Seele allein/ E. nicht den Mund. Antwort: Es iſt fallacia diviſionis,
Chriſtus allein und ſonſt niemand wil die Seele ſpeiſen. Das Wort
allein iſt vocabulum excluſivum ſubjecti non prædicati, und iſt zuletſt
geſetzt/ nach Art des Reimens.
Nachdem nun dieſer Jrꝛ-Geiſt ſeinen Muth an dieſem Geheimnuß
erkuͤhlt mit Schelt-Worten/ ſo kom̃t er auffgezogen mit einem gar an-
dern/ fremden/ abentheurlichen phantaſmate. Ruͤhmet 1. manduca-
Calvin. ad
1. Cor. 1.
Declar.
Confeſſ.
Helvet.tionem Icariam, ein Himmel-ſteigendes Eſſen mit Gedancken. Es iſt
gantz kein ungereimt Ding/ daß Chriſtus in dem Himmel
bleibe/ und doch von uns empfangen werde. Dann daß er ſich
uns mittheilet/ daß geſchicht durch die heimliche und verbor-
gene Wuͤrckung des H. Geiſtes/ welche ſehr fern von einander
geſchiedene und entlegene Ding nicht allein zuſammen brin-
gen/ ſondern auch in eines zuſammen vereinigen kan. Damit
wir aber ſolcher Gemeinſchafft faͤhig ſeyn moͤgen/ ſo muͤſſen
wir hinauff in den Himmel ſteigen/ da muß nun der Glaube
zu ſtatten kommen/ nachdem alle Sinne des Fleiſches verſagen.
Schnur ſtracks entgegen dem/ was Chriſtus ſagt Apoc. 3, 20. Sihe/ ich
ſtehe fuͤr der Thuͤr/ und klopffe an/ ſo jemand meine Stimme
hoͤren wird/ und die Thuͤr auffthun/ zu dem werde ich einge-
hen/ und das Abendmahl mit ihm halten/ und er mit mir.
2. Tropicam \& ſpiritualem. Dann wann der Heidelbergiſche Cate-
chiſmus quæſt. 76. alſo fraget: Was heiſſet den gecreutzigten Leib Chriſti
eſſen/ und ſein vergoſſen Blut trincken? antwortet er alſo: Es heiſſet
nicht allein mit glaubigem Hertzen das gantze Leyden und
Sterben Chriſti annemmen/ und dadurch Vergebung der
Suͤnden und ewiges Leben bekommen; Sondern auch dar-
neben durch den H. Geiſt/ der zugleich in Chriſto und in uns
wohnet/ alſo mit ſeinem heiligen Leibe je mehr und mehr verei-
niget werden: Daͤß wir/ ob gleich Er im Himmel/ und wir
auff Erden ſeind/ dannoch Fleiſch von ſeinem Fleiſch/ und
Bein von ſeinen Beinen ſeind/ und von einem Geiſt/ wie die
Glieder
[375]Predigt.
Glieder eines Leibs von einer Seelen/ ewig leben und regieret
werden. 3. Sacramentalem, auff ſolche weiſe wie die Glaubige im Al-
ten Teſtament/ daß wie ſie im Oſter-Lamm den Leib und Blut Chriſti ge-
noſſen/ am Fleiſch/ alſo wir am Brod. Mit dem Brod und mit
dem Wein/ wird von Chriſto gereicht/ und von den warhaff-
tig-Glaubigen empfangen der Leib und das Blut Chriſti:
welches nicht ſoll verſtanden werden ὁμοῦ dasſimul locoan ei-
nem Ort; als wann in oder unter dem Brod der Leib/ und
in oder unter dem Wein das Blut Chriſti hier auff Erden an
einem Ort waͤren; ſondern ἅμα, das iſtſimul tempore,zugleich
auff eine Zeit/ und hat den Verſtand: wann ein glaubiger
Menſch das Brod des HErꝛn iſſet/ und den Wein des
HERRN trincket mit dem leiblichen Munde/ ſo iſſet er
eben zu derſelbigen Zeit den Leib/ und trincket das Blut Chri-
ſti mit dem geiſtlichen Seelen-Munde.Ita Polan. l. 6. c. 56. Jo-
hann von Muͤnſter zu Vortlag ſagt davon alſo:
‘
Ruͤſte nicht den Bauch noch Zaͤhne/
Dein Seel bereite friſch/
Nach Adlers Brauch thu ſehnen.
Jn Himmel flieg und ſuch das Aaß
Das dir GOttes Geiſt wird weißen/
So nim̃ſtu auch mit voller maaß/
Chriſti Fleiſch und Blut zu genieſſen.
Wann du glaubſt/ ſo haſtu empfangen.
Jſt aber in der That und Warheit kein Sacramentliche Nieſſung/
ſondern vielmehr extra ſacramentalis, als welche kan geſchehen bey einer
jeden Mahlzeit/ ſo offt Brod und Wein auffgeſtellet wird. Ja ſoll auch
geſchehen nach der Vermahnung Pauli 1. Cor. 11, 31. Jhr eſſet nun oder
trincket/ oder was ihr thut/ ſo thut es alles zu GOttes Ehre.
und Col. 3, 17. Alles was ihr thut mit Worten und Wercken/
das thut alles im Namen des HErꝛn JEſu.ſc. per ſpiritualem
anagogen. Ja auch nicht einmal ein geiſtliche Nieſſung/ dann der
Glaub und die Gutthaten/ der ſaugende Mund/ und die ſafftige kraͤfftige
lebendigmachende Speiß ſeind correlata. Nun aber iſt der Leib Chriſti
ein ſolcher Leib/ wie Danæus lehret/ in dem weder Safft noch Krafft des
Lebens/ und alſo ein manducatio inutilis, ein unfruchtbare Nieſſung/ der
Geiſt
[376]Die Sechszehende
Geiſt iſt hie kein nutz/ das Calviniſch/ geiſtlich/ Phantaſtiſch eſſen iſt
keinnuͤtz.
Wir unſers theils laſſen dem Jrꝛ-Geiſt ſeinen Schwarm/ er beluſtige
ſich mit ſeinem pomo eridos, er mag damit ſpielen ſo lang als er wil/ er
wirds am Juͤngſten Tag verſpielen/ und bitten den Allerhoͤchſten/ er wol-
le diejenige/ die ſich von ihm verfuͤhren laſſen/ und in der Finſtere tappen/
erleuchten/ und erleuchtete Augen geben/ mit uns dieſes Geheimnuß recht
zu erkennen/ davon Troſt/ Heyl und Leben zu ſchoͤpffen. Nos exhorreſci-
mus ad ϕρικτα μηςήρια. Wir erzittern uͤber dieſe Geheimnuß. Moſes er-
ſchrickt/ da er den Sohn GOttes im feurigen Buſch geſehen/ Abraham
ſiehet den Tag des Herrn/ und redet mit ihm/ aber mit was Forcht und
Reverentz? Jch bin Erd und Aſchen. Der Hauptmann zu Capernaum
ſagt: Jch bin nicht werth/ daß du unter mein Dach geheſt/ was wuͤrde er
geſagt haben/ wann er ihm ſein Fleiſch und Blut dargereichet haͤtte.
Die Stadt Bethſemes/ die Sonnen-Stadt hat gefaſtet/ da die Lade des
Herrn bey ihr eingekehret/ 1. Sam. 6. Wie viel mehr iſt dieſe reverentia
vonnoͤthen fuͤr dieſem Geheimnuß/ wann wir den Leib und Blut des
Herrn eſſen und trincken. Da ſehe ein jeder wol zu ſeinen Sachen/
wer ſich wil zu dem Tiſch machen. Sed \& delectamur ἐϖοπτείᾳ, wir belu-
ſtigen uns in dieſes Geheimnuß hinein zu ſchauen/ ſo viel uns geoffenba-
ret worden/ dann nunmehr iſt der Fuͤrhang zerriſſen/ wir ſeind nun alle
geiſtliche Prieſter/ und doͤrffen in die Evangeliſche Geheimnuſſe hinein
ſchauen/ wir ſehen nun gleichſam mit auffgedecktem Angeſicht die Herꝛ-
lichkeit des Herrn/ wie die Juͤnger des Herrn auff dem heiligen
Berge/ die Sigel der himmliſchen Glori/ arrham pacis ac amneſtiæ, das
Pfand der Vergebung der Suͤnden/ und des ewigen Friedens. Ubera
gratiæ Evangelicæ, die Bluts-Freundſchafft mit unſerm Goël und Jm-
manuel/ die holdſeligſte/ freundlichſte/ und genauſte Gegenwart/ die Dar-
reichung des theurſten Loͤſe-Gelds und Rantzion-Bluts fuͤr uns vergoſ-
ſen/ das unbetriegliche Zeugnuß der Flammen ſeiner himmliſchen/ un-
außſprechlichen Liebe. Groſſe Liebe war es/ daß ſich der ewige Sohn
Gottes in unſer Fleiſch und Blut verkleidet. Wann eines groſſen Herꝛn
Sohn mit gemeinen Kindern ſpielet/ iſts ein groſſes in der Welt/ und ein
Zeichen groſſer Freundlichkeit und Leutſeligkeit/ was wollen wir dann
ſagen von der groſſen ϕιλανθρωπίᾳ des groſſen Himmels-Koͤnigs/ daß
Er zu uns armen Erden-Wuͤrmen ſich ſo nahe herunter gelaſſen. Aber
noch ein groͤſſers/ daß Er ſeinen Leib fuͤr uns in den blutigen Angſt-
Schweiß/ ſchmertzliche Band und Geiſſel/ erbaͤrmliche Schlaͤg und
Streich/
[377]Predigt.
Streich/ blutige Striemen und Wunden/ zur dornenen Cron und Hohn/
ſchmaͤhlichen Noth und Tod dahin gegeben. Wer thut das? wo iſt
dergleichen jemalen gehoͤret worden? Aber auff daß wir noch nicht an
ſeiner Liebe zweiffeln/ und welches das groͤſte/ hat Er ſein Leib und Blut
uns zu eſſen und zu trincken verordnet.
Ergò deſideremus, Laſſet uns ein Verlangen und Appetit haben
nach dieſer edelſten Speiſe/ inſonderheit wann der geiſtliche Hunger und
Durſt ſich erzeiget/ wann es Nacht wird in ſchweren Anfechtungen/
wann der Glaub in einer lypothymia und geiſtlichen Ohnmacht da ligt/
dann auſſer dem iſt das Verlangen ſchlecht. Wie der Hirſch nicht ehe
nach friſchem Waſſer ſchreyet/ als wann er von groſſer Hitz und Durſt
geplaget wird/ der verlohrne Sohn nicht ehe nach ſeines Vaters Hauß
gedachte/ als biß ihm der Hunger zu den Augen herauß geſehen/ der
Krancke ſich nicht ehe nach der Artzney ſehnet/ als biß ihn Schmertzen
und Wehetagen trucken und aͤngſten: So mundet dieſe Sacramentli-
che Speiß am allerbeſten/ wann es Nacht wird/ wann man fuͤr geiſtli-
chem Hunger und Durſt verſchmachten wil. Wer voll Welt iſt/ der
gehet hin auß Gewonheit/ mit ſchlechtem Appetit. Selig aber ſeynd
die da hungert und duͤrſtet nach der Gerechtigkeit/ denn ſie ſol-
len ſatt werden.Matth. 5, 6. Ergò guſtemus, laßt uns ſchmecken/ wie
freundlich der Herr iſt/ wir ſchmeckens zwar auch im Macht-Reich/
was ſeind alle Creaturen anders/ als Goͤttliche Liebes-Bruͤſte/ daran
wir ſchlotzen und ſaugen/ aber ſie moͤgen das Hertz nicht ſaͤttigen. Hie
aber das Fleiſch Chriſti/ das iſt cibus gratiæ, die rechte Speiß/ ſein Blut
iſt der rechte Tranck/ wer diß Brod iſſet/ der wird leben in Ewig-
keit.Joh. 6. Edamus, bibamus, laßt uns eſſen und trincken/ geiſtlicher
und Sacramentlicher weiß/ bloß muͤndlich Eſſen iſt kein nuͤtz/ nicht an
ſich ſelbſt/ ſondern ex abuſu, aber Mund-Sacramentlich und geiſtlich iſt
viel nutz/ darum wie das muͤndliche und geiſtliche Eſſen in der theoria
unterſchieden ſind/ ſo ſollen ſie in der praxi vereiniget ſeyn/ ſie laſſen ſich
nicht trennen/ ſoll es ein fruchtbarlich Eſſen heiſſen. Gaudeamus \&
jubilemus ſolatiorum ebrii.Jſts nicht beſſer/ ſagt Salomo/ Eccleſ.
2, 24. dem Menſchen eſſen und trincken/ und ſeine Seele guter
Dinge ſeyn/ in ſeiner Arbeit/ das iſt/ ohne unnuͤtzliche/ vergebliche
Sorg der Gaben GOttes danckbarlich genieſſen/ dann wer hat froͤli-
cher geſſen/ und ſich ergoͤtzt/ dann ich/ ſagt er abermal daſelbs. Wie
vielmehr iſts wahr an dieſer Sacramentlichen Gnaden-Speiß? da laßt
ſich der 23. Pſalm mit Freuden hoͤren/ und fuͤr gutem Muth jauchtzen/
Neunter Theil B b bund
[378]Die Siebenzehende
und ſagen: Du bereiteſt fuͤr mir einen Tiſch/ fuͤr mein Feinden
allenthalben/ machſt mein Hertz unverzagt und friſch/ mein
Haupt thuſtu mir ſalben/ mit deinem Geiſt der Freuden-Oel
und ſchenckeſt voll ein meiner Seel/ deiner geiſtlichen Freuden.
Hie Vorſchmacks-weiß/ dort in vollkommenem Guß und Genuß. Das
helff uns allen der getreue Hirt/ JEſus Chriſtus/ Amen.
Die Siebenzehende Predigt/
Von
Nieſſung der Unwůrdigen.
GEliebte in Chriſto. Jn dem ſiebenden Capitel
des Buchs der Richter leſen wir von einem ſeltzamen/
aber Goͤttlichen/ wahr-gemachten und Geheimnuß-reichen
Traum. Dann als Gideon der ſtreitbare Held auff Re-
cognition und Kundſchafft bey Nacht außgegangen/
und ſich genahet an die Laͤger der Midianiter/ und an die
erſte Schildwacht/ da hoͤret er/ wie ein Soldat dem andern einen Traum
erzehlet/ und der andere ihn alſobald außgelegt. Siehe/ ſagt er/ Jud. 7,
13. 14. mir hat getraͤumet/ mich daucht/ ein geroͤſtet Gerſten-
Brod waͤltzet ſich zum Heer der Midianiter/ und da es kam an
die Gezelt/ ſchlug es dieſelbigen/ und warff ſie nider/ und keh-
ret ſie um/ das oberſt zu unterſt/ daß das Gezelt lag. Da
antwortet der ander: das iſt nichts anders/ dann das Schwerdt
Gideons/ des Sohns Joas/ des Jſraeliten/ GOtt hat die
Midianiter in ſeine Haͤnde gegeben/ mit dem gantzen Heer.
War/ ſag ich/
I. Somnium divinum, ohn allen Zweiffel ein Goͤttlicher/ von
Gott eingegebener Traum/ ein Traum von ſtarcker Impreſſion, und
hefftiger Einbildung/ ſo dem Schildwaͤchter nicht entfallen/ ſondern nach
allen Umſtaͤnden im Gedaͤchtnus blieben/ ein Traum von gewiſſer von
GOtt eingegebener Außlegung/ ein Traum in effectu, non umbra ſine
corpore, kein Bild ohne Weſen.
II. Somnium
[379]Predigt.
II. Somnium explicatum \& repræſentatum. Dann wie es der
onirocrita gedeutet/ ſo iſt es auch geſchehen/ Ach/ ſagt er/ das iſt nichts
anders/ als das Schwerdt Gideons/ des Sohns Joas/ des
Jſraeliten/ ꝛc. Gerſten-Brod halt man nicht ſo precios und werth
als Weitzen-Brod/ iſt unter den Broden das geringſte: alſo auch Gi-
deon vilis homo, ein Menſch von geringem/ unanſehnlichem Stammen
und Namen/ ein Droͤſcher/ ein Baursmann. Geroͤſtet Gerſten-Brod
wird bald gebachen in eil: Was im Offen gebacken wird/ muß lange
Weil haben; aber was auff dem Heerd und kluͤhenden Kohlen geroͤſtet
wird/ panis ſubcinericius, ein Aſchen-Kuchen/ damit gehet es geſchwind
zu/ iſt bald bereit: Alſo gieng es auch mit der Victori Gideons ſchnell/
ploͤtzlich/ und ſchleunig zu/ das Weltzen bedeutete einen Impetum, und
behenden Gewalt. Hic panis aries eſto, quo caſtra arietantur. Jſt
alles alſo geſchehen/ und wahr worden/ zu groſſem Troſt der betrangten
Kinder Jſrael/ zum Schrecken aber der Midianiter.
III. Somnium myſticum, der ſich gar wol auff das H. Abendmahl
appliciren laͤßt. Chriſtus deutet das Brod ſelbs auff ſich/ Joh. 6, 35.
Jch bin das Brod des Lebens.verſ. 51. Jch bin das lebendige
Brod vom Himmel kom̃en/ wer von dieſem Brod eſſen wird/
der wird leben in Ewigkeit. Er war Panis ſomniatus in V. T. den
die Vaͤtter im Alten Teſtament gleichſam im Traum/ in Geſichten/ un-
ter allerhand typis, ſonderlich im Manna geſehen. Panis vilis, er hatte
keine Geſtalt noch Schoͤne/ gering und unanſehnlich fuͤr der Welt/ doch
ſo ſtarck und maͤchtig/ daß Er die Pforten der Hoͤllen uͤberwaͤltiget und
außgehoben. Hat ſich klar erwieſen im Garten am Oelberg/ da Er in
GOttes Zorn-Flammen gleichſam geroͤſtet worden/ und ſich gleichſam
gewaͤltzet an das Laͤger der Schaarwacht/ die zu Jhme außgegangen mit
Schwerdtern/ mit Spieſſen und mit Stangen/ ſie geſtuͤrmet und zu Bo-
den geſchlagen/ daß ſie das unterſte zum oͤberſten gekehret/ und das thut
er noch taͤglich/ er herꝛſchet mitten unter ſeinen Feinden/ und wirfft ſie
zum Schemel ſeiner Fuͤſſe/ ſonderlich auch in Euchariſtia, da hat Er
fuͤr ſich Freunde und Feinde/ Adler und Harpyias, wuͤrdige und un-
wuͤrdige Communicanten/ ſein Fleiſch iſt das Brod des Lebens/ fuͤr un-
ſern Augen zwar ein unanſichtbar und gering-guͤltig Brod/ aber es hat
unermeßliche groſſe Krafft/ jene ſeine Glaubige zu troͤſten/ zu erquicken/
und zu erfreuen/ dieſe aber zu ſchroͤcken/ zu verdammen und zu ſtraffen/
ſie empfangen pro pane gladium, fuͤr Brod/ nicht nur Stein/ ſondern
Schwerdt. Dann/ ſagt der Apoſtel/ wer unwuͤrdig iſſet/ der iſſet ihm
B b b ijdas
[380]Die Siebenzehende
das Gericht und Verdam̃nuß. Jſt auch ein ſolcher Umſtand/ der wol
werth/ daß man ihn erwege/ nemlich die Nieſſung der Unwuͤrdigen/ ob
auch die Unwuͤrdigen und Unglaubigen den Leib und Blut des Herrn
genieſſen/ und deſſen theilhafftig werden? Gott gebe abermal hiezu ſei-
nes H. Geiſtes Gnade und Segen. Amen.
GEliebte in Chriſto. So iſt nun die Frag allhie von
den Unwuͤrdigen: Wer ſeind die? der Apoſtel beſchreibet ſie
alſo/ es ſeyen dazumal in der Corinthiſchen Kirchen geweſen
Schiſmatici, Ketzer und Rottirer/ Zaͤncker und Staͤncker/ die in Spal-
tungen und Unfrieden zuſammen kommen/ dort waren geſeſſen die Pau-
liner/ hie die Petriner-Temulenti, die ſich zuvor voll geſoffen. Immi-
ſericordes, die in ihren agapis, die Gemeinen/ und in derſelbigen die
Duͤrfftigen verachtet/ und beſchaͤmet/ die nichts hatten. Indiſcreti,
Unflaͤter/ die ſich zuvor nicht ſelbs gerichtet und gepruͤfet/ die hingeloffen/
wie ein Sau zum Trog. Infideles, glaubloſe Heuchler/ ſichere/ unver-
ſoͤhnliche/ die mit offentlichen Suͤnden und dannigen Laſtern die Kirch
geaͤrgert/ die in der Welt-Luſt/ Augen-Luſt/ und hoffaͤrtigem Leben gantz
und gar erſoffen/ Hund und Saͤu/ die den Sohn GOttes mit Fuͤſſen
getretten. Summa/ die des Hochzeitlichen Ehren-Kleides/ des gerecht-
ſelig- und wuͤrdig-machenden Glaubens gemangelt. Es fragt ſich de
facto, non debito \& jure, was geſchicht/ nicht was von Rechts-wegen
geſchehen ſoll. Es iſt allerſeits außgemacht/ das freylich den Hunden
dieſes Perlein nicht ſoll fuͤrgeworffen werden. Dann ſo lehren nicht nur
wir/ ſondern auch der Heydelberg. Catechiſm. der auff die 80. Frag:
Welche ſollen zum Tiſch des HErꝛn kommen? alſo antwortet:
Die ihnen ſelbſt um ihrer Suͤnden willen mißfallen/ und doch
vertrauen/ daß ihnen dieſelbige verziehen/ und die uͤbrige
Schwachheit mit dem Leiden und Sterben Chriſti bedecket
ſey: begehren auch je mehr und mehr den Glauben zu ſtaͤrcken/
und ihr Leben zu beſſern. Die Unbußfertigen aber und Heuch-
ler eſſen und trincken ihnen ſelbſt das Gericht. undquæſt. 81.
Sollen aber zu dieſem Abendmahl auch zugelaſſen werden/ die
ſich mit ihrem Bekanntnuß und Leben als Unglaubige und
Gottloſe erzeigen? Nein/ dann es wird alſo der Bund GOt-
tes geſchmaͤhet/ und ſein Zorn uͤber die gantze Gemeinde ge-
reitzet. Derhalben die Chriſtliche Kirch ſchuldig iſt nach der
Ordnung
[381]Predigt.
Ordnung Chriſti/ und ſeiner Apoſteln/ ſolche biß zur Beſſe-
rung ihres Lebens/ durch das Ampt der Schluͤſſel außzu-
ſchlieſſen. Zwar nach Goͤttlicher Intention und allgemeinem gnaͤdi-
gem Willen gehet ſie dieſer Schatz auch an/ als welcher allen und jeden
dieſe legata in ſeinem Teſtament vermacht/ und ſo viel an ihm iſt/ kraͤff-
tiglich anbietet; weil ſie aber die Goͤttliche Buß- und Glaubens-Ordnung
verachten/ und in den Wind ſchlagen/ wird ihnen billig der Paß zu deren
Genuß verlegt und verſperret/ ſo lang und viel/ biß ſie ſich in angedeute
Ordnung ſchicken. Auch iſt nicht die Frag de manducatione ſpiritua-
li, und geiſtlicher Nieſſung/ dann das iſt auch unſtrittig/ daß ſie nicht eſ-
ſen geiſtlicher weiß durch den Glauben/ weniger de ſacramentali, am
Brod/ auff alt-Sacramentliche weiß/ ſondern von der Mund-Sacra-
mentlichen Nieſſung.
Ob nun ſolche unwuͤrdige Communicanten/ wann ſie ſich unter die
Wuͤrdigen miſchen/ gleichwol auch den Leib Chriſti/ in/ mit/ und unter
dem geſegneten Brod/ Mund-Sacramentlicher weiß de facto empfan-
gen? Darauff antworten wir mit Ja/ und erhaͤrten ſolches mit nachfol-
genden Argumenten und Gruͤnden: I. Teſtimonio Scripturæ, und
zwar oraculo Pauli 1. Cor. 11, 27. 29. da er ſolche kraͤfftige/ guͤltige Wort
braucht/ darauß das Jawort nothwendiger weiß flieſſen muß. Wel-
cher/ ſagt er/ unwuͤrdig von dieſem Brod iſſet/ oder von dem
Kelch des HErꝛn trincket/ der iſt ſchuldig an dem Leib und
Blut des HErꝛn. Und abermal: Welcher unwuͤrdig iſſet und
trincket/ der iſſet und trincket ihm ſelber das Gerichte/ damit
daß er nicht unterſcheidet den Leib des HErꝛn. Alle Wort ſind
bedencklich: Welcher nun von dieſem Brod/ ſo Chriſtus mit ſeinem
Leib Sacramentlich verbunden und geſagt/ das iſt mein Leib/ das iſt/
unter/ in und mit dieſem Brod iſt mein Leib: Von dieſem Brod/ und
von dieſem Kelch/ welcher iſt κοινωνία, die Gemeinſchafft des Leibs und
Bluts Chriſti/ der iſt ſchuldig am Leib und Blut des HErꝛn/
Er ſagt nicht/ er verſuͤndiget ſich an Chriſti Perſon/ an ſeiner Gottheit/
an ſeiner Seelen/ warum das? dieweil das Brod mit dero keinem Sa-
cramentlich vereiniget/ ſondern allein mit dem Leib und Blut: Dann/
ſpricht er/ wer unwuͤrdig iſſet/ der iſſet ihmſelber das Gericht/
h. e. das Straff-Gericht. darum/ daß er nicht unterſcheidet den
Leib des HErꝛn. Weil Er das Brod mit dieſem ſo hoch-heiligen Leib
vereiniget/ nicht anders tractirt und anſiehet/ als eine gemeine Speiß/
und ein gemeines Brod. Hinc argumentum: Mit welcher Handlung
B b b iijdie
[382]Die Siebenzehende
die unwuͤrdigen Communicanten in Nieſſung des H. Abendmahls/ auff
Erden/ wider Chriſti weſentlichen Leib und ſein weſentliches Blut ſuͤn-
digen/ und eine verdam̃liche Suͤnden-Schuld alſo auff ſich ziehen/ daß ſie
ſchuldig ſind an dem weſentlichen Leib und Blut des Herꝛn Chriſti/ in
und mit derſelben Handlung muͤſſen ſie ja auch mit dem weſentlichen
Leib und Blut Chriſti ſelbſt im Abendmahl zu ſchaffen haben. Nun aber
iſt das muͤndliche Eſſen und Trincken in Nieſſung des H. Abendmahls
auff Erden die jenige Handlung/ in und mit welcher die unwuͤrdige
Communicanten wider Chriſti weſentlichen Leib und Blut ſelbſt ſuͤndi-
gen/ und eine verdam̃liche Suͤnden-Schuld auff ſich ziehen/ daß ſie ſchul-
dig ſeynd an dem weſentlichen Leib und Blut des Herꝛn Chriſti ſelbſt.
Darum muͤſſen die unwuͤrdige Com̃unicanten in Nieſſung des heiligen
Abendmahls auff Erden/ in und mit dem muͤndlichen Eſſen und Trincken
im H. Abendmahl auch mit dem weſentlichen Leib und Blut Chriſti ſelbs
zu ſchaffen haben. Der Vorſatz iſt richtig. In quo enim objecto pec-
cat actio, in eodem verſari ipſam neceſſe eſt, worinnen man mit einer
Handlung ſuͤndiget/ darmit muß dieſe Handlung umgehen. Des Ho-
henprieſters Diener hat Chriſto einen Backenſtreich gegeben/ Joh. 18. 22.
Mit dieſem Bachenſtreich hat er ſich an Chriſto groͤblich verſuͤndiget/
darum muß auch dieſer Backenſtreich mit Chriſti Backen etwas zu
ſchaffen gehabt haben/ und muß auff dieſelbe gangen ſeyn. Weil dann
die unwuͤrdige Gaͤſt des H. Abendmahls/ die unbußfertige Chriſten/ in
und mit dem muͤndlichen Eſſen und Trincken dieſes geſegneten Brods/
ſo die Gemeinſchafft des Leibs/ und dieſes geſegneten Kelchs/ ſo die Ge-
meinſchafft des Bluts Chriſti iſt/ ſich alſo groͤblich verſuͤndigen/ daß ſie
dadurch ſchuldig werden an dem weſentlichen Leibe und weſentlichen
Blut Chriſti ſelbſt/ ſo muß diß ihr muͤndlich Eſſen und Trincken auch
auff den weſentlichen Leib/ und auff das weſentliche Blut Chriſti ſelbſt
mitgehen. Der Nachſatz iſt in den klaren Worten St. Pauli gegruͤn-
det/ und an dem Exempel der Corinthier/ welche/ weil ſie unwuͤrdig gegeſ-
ſen/ ſeind ſie eines ploͤtzlichen und unſeligen Todes geſtorben/ ꝟ. 30. Es
ſagt zwar Paulus von ihnen/ ſie ſchlaffen; Jſt aber phraſis generalis;
dem Tod der Frommen und Gottloſen gemein. 1. Reg. 14. 21. 31. Jer. 51, 39.
Dan. 12, 7. Ob wir wol nicht laͤugnen/ es werden ſich etliche noch bekeh-
ret haben/ und ſelig eingeſchlaffen ſeyn.
E. L. verſtehe es in Gleichnuſſen. Ein boͤſer Bub und undanckba-
rer Geſell. e. g. epulo, der genießt der Speiß und Trancks/ und daſſelbe
auß
[383]Predigt.
auß uͤberſchwenglicher Goͤttlicher Gnade/ wegen des Verdienſts Chriſti/
ſonſt iſt Gott keinem Menſchen von Rechts-wegen etwas anders als
die Hoͤlle ſchuldig; aber es iſt kein Segen dabey/ es bekom̃t ihm wie dem
Hund das Graß/ er ſpeyt ſie wieder herauß. Daher Lutherus in marg.
ad Deut. 30, 9. ſchreibet: Die Gottloſen haben auch wol Ehre
und Gut/ offt mehr dann die Heiligen/ aber zu ihrem und an-
derer Verderben. Alſo empfangen auch die Unwuͤrdigen den Leib
Chriſti/ aber nicht die himmliſche Speiß-Krafft/ ſondern den Geruch
zum Tod/ Gifft und Gall/ und ſeind dieſes keine contradictoria: Maſ-
ſen auff gleiche weiſe das Wort GOttes/ als des H. Geiſtes gegenwaͤr-
tiges und kraͤfftiges Jnſtrument und Werckzeug/ mit dem leiblichen
Gehoͤr angenommen wird/ und mit dem Hertzen verworffen. Act. 13, 46.
Das Wort der Predigt halff jene nichts/ da nicht glaubeten
die/ ſo es hoͤreten. Simon der Zauberer iſt warhafftig mit Waſſer
und dem H. Geiſt getaufft worden/ und hat das Weſen des H. Geiſtes
empfangen/ aber ohne Frucht.
Hie iſt zwar der Reformirte Geiſt verſtrickt und gefangen/ der
Wolff ſteckt in der Gruben/ er iſt im Garn und im Sack. Aber er un-
terſtehet ſich herauß zu wickeln mit falſchen Gloſſen/ die er dem Paulini-
ſchen Spruch anſchmieret. I. Es ſey gar ein anders/ ein unwuͤrdi-
ger Gaſt/ und unwuͤrdiglich Eſſen. Dann alſo ſchreibet Piſcator in
Apol. adverſ. Röder. p. 565. 566. Paulus redet 1. Cor. 11, 27. 29.Darmſt.
Gruͤud[l].
Außfuͤhr.
p. 999.
ſeqq.
nicht von den Unglaubigen/ ſondern von den Glaubigen/ und
ſagt nicht: Wann ein Unwuͤrdiger das Brod iſſet/ ſondern
welcher (nemlich auß den Glaubigen/ dann von ſolchen redet
er) unwuͤrdiglich dieſes Brod iſſet. Nun iſt ja ein anders/
wann man ſagt/ es iſſet einer unwuͤrdiglich: ein anders aber/
wann man ſagt/ es iſſet ein Unwuͤrdiger: Sintemal auch ein
Wuͤrdiger unwuͤrdiglich eſſen mag. Als zum Exempel ein
groſſer Herꝛ/ ſonderlich der fromm und Gottsfoͤrchtig iſt/ iſt
wuͤrdig einer guten und herꝛlichen Speiſe: gleichwol kan ihm
widerfahren/ daß er dieſelbe unwuͤrdiglich iſſet/ als wann er
ſie iſſet ohne Gebet und Danckſagung. Jtem/ zu gierig und
uͤbermaͤſſig. Alſo/ ob ſchon niemand wuͤrdig iſt einiger
Wolthat GOttes/ jedoch hat GOtt auß Gnaden die Glau-
bigen gewuͤrdiget ſeiner mancherley Wolthaten/ unter wel-
chen
[384]Die Siebenzehende
chen auch iſt die Nieſſung des heiligen Abendmahls. Gleich-
wol kan es ſich zutragen/ daß ein Glaubiger daſſelbe unwuͤr-
diglich neußt/ indem ers nemlich neußt unachtſamlich/ ohne
Andacht/ ohne Betrachtung der Urſachen/ um welcher wil-
len es eingeſetzet iſt/ und eben dieſes iſt es/ das St. Paulus hie
an den glaubigen Corinthern ſtraffet/ nemlich daß ſie das hei-
lige Abendmahl ungebuͤhrlich genoſſen/ alſo/ daß ſie bey
demſelben nicht erzeigten gebuͤhrliche Reverentz/ ſondern
giengen leichtfertig/ liederlich/ und unachtſamlich mit um/
eben als wenn es ein gemeines Brod und Wein waͤre/ wel-
ches man nieſſen ſolte zur Erquickung des Lebens/ daher
dann ihrer etliche ſich truncken trancken. Antwort/ falſch iſt
der vermeinte Unterſcheid unter einem Unwuͤrdigen/ und unter ei-
nem der unwuͤrdiglich iſſet. Omnis indignè edens eſt indignus,
gleichwie der jenige/ qui injuſtè \& inceſtè agit, der ungerecht und un-
keuſch/ diebiſch/ huͤriſch und moͤrderiſch handelt/ ein Dieb/ Hurer und
Moͤrder iſt; der Geiſt verzeihe uns/ daß wir ſeine Subtilitaͤt nicht ver-
ſtehen. Ein groſſer Herꝛ bleibt in ſeinem Stand/ ob er ſchon unwuͤr-
diglich iſſet; aber ein Chriſt nicht/ er iſt ein gerichter und verdam̃ter
Menſch/ Joh. 3, 18. Uber das/ wann ein Koͤnig unflaͤtig ißt/ ſo iſt
er auch ein Unflath. 2. Κρίσις heiſſe hie eine zeitliche Zucht-Ruth/
Piſcator in
Apolog.
adv. Ro-
der. p. 566.nicht die ewige Verdam̃nuß. Es iſt auch dieſes zu mercken/ daß
Paulus daſelbſt durch das Woͤrtlen κρίσις, das iſt/ ein Gericht
oder Urtheil/ nicht verſtehe/ wie mans doch gemeiniglich ver-
ſtehet/ die ewige Verdam̃nuß/ ſondern eine zeitliche Straf-
fe; wie klaͤrlich zu vernemmen auß ſeinen Worten/ da er/
nachdem er des Gerichtes Meldung gethan/ verſ. 29. daſſelbe
Woͤrtlein in den nechſt-folgenden dreyen Verſiculen erklaͤret
mit dieſen Worten: Darum weil ihr des HERRN Abend-
mahl unwuͤrdiglich eſſet und trincket/ ſeind unter euch viel
Schwache und Krancke/ und ein gut theil ſchlaffen/ das iſt/
ſind geſtorben. Dann ſo wir uns ſelbs richteten/ ſo wuͤrden
wir nicht gerichtet. Wann wir aber gerichtet werden/ ſo
werden wir vom HERRN gezuͤchtiget/ auff daß wir nicht
ſamt der Welt verdam̃t werden. Antwort: Falſch iſt es aber-
mal/ daß Paulus nicht die ewige Verdam̃nuß/ ſondern nur die zeit-
liche Straffe verſtehen ſolte/ dann er verſtehet daſſelbe Gericht/ welches
mit
[385]Predigt.
mit dem reatu an dem Leib und Blut Chriſti verknuͤpffet iſt/ das Gericht/
welches uͤber Judam/ und andere ſeines gleichen ergangen. Das ſey
fern/ daß ſolche Hoͤll-wuͤrdige Suͤnden mehr nicht/ als eine zeitliche Zucht-
Ruth verdienen ſolten: Hat Judas die Hoͤlle verdient/ weil er ſich ver-
griffen und verſuͤndiget an dem Leib/ der dazumal noch in der Erniedri-
gung geſtanden/ was fuͤr eine ſchroͤckliche Straff ladet der auff ſich/ der
den Leib/ der nunmehr mit unermeßlicher Herꝛlichkeit gezieret iſt/ unwuͤr-
dig tractirt. 3. Es rede Paulus de peccato contemtûs. Die unwuͤrdigeSteinius 2.
Theil der
Bruͤder-
ſchafft/
p. 164, 165.
Sadeel lib.
de Sacram.
manducat.
c. 4. obj. 3.
p. 290.
Eilshem.
in Verthaͤ-
digung
p. 473.
Communicanten werden nicht ſolcher Geſtalt an dem Leib und Blut des
Herꝛn Chriſti ſchuldig/ als ob ſie mit Brod und Wein dieſelbe muͤndlich
empfiengen/ ſondern dieweil ſie das am Brod und Wein gehengte Wort
der Verheiſſung/ und die darinnen verſprochene himmliſche Guͤter/ den
gecreutzigten Leib und das vergoſſene Blut des Herꝛn Chriſti/ ſamt ſei-
nem gantzen Verdienſt und erworbenen Wolthaten/ nicht mit wahrem
Glauben faſſen/ ergreiffen und annemmen/ ſondern vielmehr durch Un-
glauben von ſich ſtoſſen/ und alſo ſich ſelbſt dieſer himmliſchen Gaben be-
rauben/ und unwuͤrdig machen. Antwort: Alle Unglaubige ſeind Ver-
worffene/ den reprobis aber wird/ ihrer Lehre nach/ der Leib und Blut
Chriſti nicht offerirt/ als welcher nicht fuͤr ſie in den Tod gegeben/ noch
fuͤr ſie vergoſſen worden/ zur Vergebung ihrer Suͤnden/ wie koͤnnen ſie
dann die jenige Gabe/ die ihnen niemalen angebotten worden/ von ſich
ſtoſſen und verachten? 4. Er rede de ignominiâ ſymbolis factâ, man
verſuͤndige ſich am Leib und Blut des Herrn/ wann man des Herrn
Brod unwuͤrdiglich iſſet/ und ſeinen Wein unwuͤrdiglich trincket/ weilSadeel. lib.
de Sacram.
manducat.
p. 219.
Urſin. tom.
1. q 81. Ca-
tech. p. 290
Pareus
comment.
in 1. Co-
rinth. 11.
p. 754.
dieſes Brod und dieſer Wein Goͤttliche Zeichen und Zeugnuſſe/ durch
welche uns der Herr bezeuget/ daß Er fuͤr uns geſtorben ſeye. Wer nun
dieſe Zeugnuſſe verunehret/ der unehret gleich mit die himmliſche Gaben/
welche dadurch bedeutet und bezeuget werden. Gleich als wann einer des
Kayſers Brieff und Siegel mit Fuͤſſen tritt/ der ſchmaͤhet damit den
Kayſer ſelbſt/ und verachtet die Guͤter/ welche ihm durch Zeugnuß des
Brieffs und Sigels uͤbergeben worden. Jtem/ wer dieſes heilige Zeichen
des Leibs Chriſti mißbrauchet/ der iſt ſchuldig am Leibe Chriſti; gleichwie
derſelbe wider des Kayſers Majeſtaͤt ſuͤndiget/ der ſein auff gerichtetes
Bild zerbricht und verſpottet. Antwort: Auff ſolche Weiß wuͤrde ſich ein
Unglaubiger im A. Teſtament/ der das Oſter-Lamm/ oder die ſuͤſſen Brod
genoſſen/ auch am Leib Chriſti verſuͤndiget haben/ welches aber in der
Schrifft nirgend geſagt wird. Jtem/ wann einer mit aͤuſſerlicher Reve-
rentz und Ehrerbietung die aͤuſſerlichen Zeichen/ Brod und Wein em-
Neunter Theil. C c cpfienge/
[386]Die Siebenzehende
pfienge/ waͤre aber unter deſſen ein Heuchler/ der wuͤrde ſich nicht an dem
Leib Chriſti verſuͤndigen.
II. Exemplo Judæ. Judas iſt ohne Zweiffel ein unwuͤrdiger Gaſt
geweſen/ ein Dieb/ ein Moͤrder/ ein Jnſtrument des boͤſen Geiſtes/ in den
der Satan gefahren/ ein Verraͤther/ ein Mammeluck; Und obwol Chri-
ſtus ihn unterſchiedlich erinnert/ und an treu-hertziger Warnung nichts
erwinden laſſen: Jhr ſeyd rein/ aber nicht alle/Joh. 13, 10. War-
lich/ warlich ich ſage euch/ einer unter euch/ der mit der Hand
mit mir in die Schuͤſſel taucht/ wird mich verrathen/Matth. 26,
21. 23. Der mein Brod iſſet/ tritt mich mit Fuͤſſen/Joh. 13, 18. hat
er doch ſein Unrecht gar nicht erkennt/ es war kein [...]οκιμασία, kein hoch-
zeitlich Ehren-Kleid nicht da/ er hatte cauteriatam conſcientiam. Die-
ſer Judas Jſcharioth nun wohnete warhafftig dieſem letſtern Sacra-
mentlichen Nachtmahl bey. Der Evangeliſt Lucas/ der alles ἀκρι [...]ῶς zu
beſchreiben verſprochen/ ſagt klar/ gleich auff die Wort der Einſatzung:
Doch ſiehe/ die Hand meines Verraͤthers iſt mit mir uͤber
Tiſche/ und zwar des Menſchen Sohn gehet hin/ wie es be-
ſchloſſen iſt/ doch wehe demſelben Menſchen/ durch welchen Er
verrathen wird.Luc. 22, 21. 22. Nun aber hat der Herr einem Juͤnger
den Befehl gegeben wie dem andern: Trincket alle darauß/ dem Judaͤ
hat er kein beſonders gemacht/ oder ihm auff eine andere Weiß das bloſe
Brod communicirt. So nun Judas wie die andere Apoſtel den Leib und
Blut des Herrn/ vermittelſt des geſegneten Brods und Weins/ genoſ-
ſen/ warum nicht auch alle andere Unwuͤrdige? Nichts tuͤchtiges bringt
Gegentheil dagegen auff die Bahn/ als daß Matthaͤus erzehle c. 26, 23.
Chriſtus habe vor der Einſatzung in die Schuͤſſel getaucht und geſagt/
Der mit der Hand mit mir in die Schuͤſſel tauchet/ wird mich
verrathen. Und melde der Evangeliſt Johannes/ c. 13, 30. da er den
Biſſen genommen hatte/ gieng er ſo bald hinauß/ und habe con-
ſequenter der Einſetzung des H. Abendmahls nit erwartet. Antw. Es
ſtehet klar dabey/ und es war Nacht/ da Judas hinauß gieng. Es war
aber noch nicht Nacht/ da ſie das Oſter-Lamm aſſen/ dann das mußte ge-
ſchehen auff den Abend/ ehe die Sonne vollends untergangen/ darum
muß das Griechiſche Wort ἐυϑέως nothwendig [...]ν ϖλάτει verſtanden wer-
den/ gleichwie Marc. 1, 12. Ja/ ſprichſtu/ auff dieſe weiſe muß Chriſtus und
Belial in Juda zugleich gewohnet haben. Antwort: Chriſtus hat in
Juda nicht gewohnet: Mit dem Mund hat er ihn zwar empfangen/ aber
Belial
[387]Predigt.
Belial hat er im Hertzen behalten/ Chriſtus iſt in Gnaden zu ihm nicht
gekommen/ obwol Sacramentlicher weiſe. Gleichwie Matth. 13/5. etli-
che den Saamen empfangen/ aber nicht behalten in einem feinen guten
Hertzen/ der ſteinichte Boden nam den Saamen des Worts bald an/
aber er wurtzelte nicht.
III. Analogiæ fidei, welche lehret/ daß der Menſchen Unglaub/
GOttes Glauben/ Ordnung und Einſatzung nicht auffhebe. Rom. 3, 2.
Der Eheſtand/ Obrigkeit und Predigampt bleibt GOttes Ordnung/ ob
ſchon zu weilen ein Schwein dieſe guldene Kette anthut/ und ſo verhaͤlt
ſichs auch mit dieſer Sacramentlichen Ordnung. Non intereſt, cum
de Sacramenti integritate quæritur, quid credat, aut quali fide imbu-
tus ſit, qui accipit: intereſt quidem plurimùm ad ſalutis viam, ſed ad
ſacramenti quæſtionem nihil intereſt: fieri enim poteſt, ut homo ha-
beat integrum Sacramentum, ſed perverſam fidem: ſchreibet Auguſt.
l. 3. contrà Donatiſt. c. 14. das iſt/ Wann von der Vollkommen-
heit des Sacraments geredet wird/ iſt nichts daran gelegen/
es mag der jenige/ der es empfangt/ glauben was er wil; Es
nutzet der Glaub zwar zum ſeligen Gebrauch/ er macht aber
nicht die eigentliche Beſchaffenheit und Weſen des Sacra-
ments: Dann es kan geſchehen/ daß einer das gantze Sacra-
ment habe/ und doch einen verkehrten Glauben.
IV. Adſtipulationi Patrum. Cyprianus ſerm. 5. de lapſis p. 222.
ſchreibet von den umgefallenen Mam̃elucken/ daß wann ſie hernach auß
Heucheley communicirt: Vis infertur corpori ejus \& ſanguini, plus
modò in Dominum manibus atque ore delinquunt, quàm cùm Do-
minum negaverunt.Es wird ſeinem Leib und Blut Gewalt
angelegt/ und verſuͤndigen ſie ſich alsdann mehr an dem
HErꝛn mit ihrem Mund und Haͤnden/ als zuvor/ da ſie ihn
verlaͤugnet.Origenes in Pſalm. 37. hom. 2. Tom. 1. p. 471. Cum
anima tua ægrotet, \& peccatorum languoribus urgeatur, ſecurus es,
contemnis gehennam, \&c. communicare non times corpus Chriſti,
accedens ad Euchariſtiam quaſi mundus \& purus, quaſi nihil in te ſit
indignum, \& in his omnibus putas, quod effugias Dei judicium.
Wann deine Seele kranck/ und mit Schwachheit der Suͤn-
den beladen/ ſo biſt du ſicher/ verachteſt das hoͤlliſche Feur/
und entbloͤdeſt dich nicht/ des Leibs Chriſti theilhafftig zu wer-
den. Du geheſt zum Abendmahl als rein und ſauber/ als
C c c ijwaͤre
[388]Die Siebenzehende
waͤre bey dir kein Unwuͤrdigkeit anzutreffen/ und in dieſem al-
lem bildeſtu dir ein/ daß du dem Gericht GOttes entfliehen
werdeſt.Auguſtin. Tom. 6. Libr. contrà Donatiſt. Boni \& mali
ſimul manducant \& bibunt corpus \& ſanguinem Domini, ſed cum
magnâ diſtinctione, quia iſti in honorem ſponſi induti ſunt veſte nu-
ptiali, illi autem non habent veſtem nuptialem. h. e. fideliſſimam
ſponſi charitatem, ac per hoc, etiamſi in uno eôdemque convivio, iſti
miſericordiam manducant, illi judicium.Die Frommen und
Gottloſen eſſen und trincken zugleich den Leib und Blut des
HErꝛn/ aber mit einem groſſen Unterſcheid/ weil dieſe ihrem
Braͤutigam zu Ehren ſich zieren mit dem hochzeitlichen
Ehren-Kleid; dieſe aber haben kein hochzeitliches Kleid an/
das iſt/ ſie tragen keine ſtandhaffte Liebe zu ihrem Braͤutigam/
daher eſſen dieſe/ wiewol in einem Abendmahl ihnen das Ge-
richt/ jene aber erlangen Barmhertzigkeit.Chryſoſt. hom. 60.
ad Pop. Antioch. Non parva pœna proponitur indignè ſumentibus,
conſidera quantum adverſus proditorem indignaris, \& contrà eos,
qui crucifixerunt eum. Itaque conſidera, ne tu quoque ſis reus cor-
poris \& ſanguinis Chriſti. Illi ſanctiſſimum corpus jugularunt, tu
verò pollutâ ſuſcipis animâ.Es haben die jenige/ die unwuͤrdig
eſſen/ keine geringe Straff zugewarten/ bedencke wie du zuͤr-
neſt uͤber den Verraͤther/ und uͤber die/ ſo Jhn gecreutziget ha-
ben/ darum erwege ſolches/ auff daß du nicht auch ſeines Leibs
und Bluts ſchuldig ſeyeſt. Jene haben den allerheiligſten
Leib ermordet/ du aber nim̃ſt ihn auff mit befleckter Seelen.
Und in 1. Corinth. 11. uͤber die Wort: Wer unwuͤrdig iſſet/ der iſt ſchul-
dig an dem Leib und Blut des Herrn. Quemadmodum, qui Chri-
ſtum punxêre, non ut biberent ejus ſanguinem, ſed ut effunderent,
idem ſanè facit, qui Chriſti ſanguinem bibit indignè, \& nullum ex
ejus potione fructum recipit.Wie die jenige/ die Chriſtum ver-
wundet/ ihn alſo zugerichtet/ nicht daß ſie ſein Blut wolten
trincken/ ſondern vergieſſen; eben das thut auch der/ der das
Blut Chriſti unwuͤrdig trincket/ und davon kein Nutzen und
Frucht genieſſet.Theodoret. in 1. Cor. 11. Non ſolum Apoſtolis,
ſed \& Judæ proditori precioſum corpus \& ſanguinem ſuum imper-
tiit Dominus.Der HErꝛ hat nicht nur den Apoſteln/ ſondern
auch Judaͤ dem Verraͤther ſein Leib und Blut mitgetheilt.
Gregor.
[389]Predigt.
Gregor. lib. 4. Dial. Eſt quidemin peccatoribus \& indignè ſumentibus
vera Chriſti caro, \& verus ſanguis, ſed eſſentiâ, non ſalubri efficien-
tiâ.Die Gottloſen und Unwuͤrdigen haben auch das war-
haffte Fleiſch Chriſti/ und ſein warhafftes Blut/ was anlangt
das Weſen/ aber nicht die heylſame Wuͤrckung.
Was bringt nun die Vernunfft darwider fuͤr Auffzuͤge? 1. Falſche
Gloſſen. Jhr koͤnt nicht zugleich trincken des HErꝛn Kelch/
und der Teuffel Kelch. Jhr koͤnt nicht zugleich theilhafftig
ſeyn des HErꝛn Tiſches/ und der Teuffel Tiſche. 1. Cor. 10, 21.
E. ſo koͤnnen die Unwuͤrdigen den Leib und Blut Chriſti nicht empfan-
gen. Antw. Sie koͤnnen nicht trincken ratione juris, von Rechts we-
gen/ mit gutem Gewiſſen/ mit Nutz und Frucht/ cum effectu gratiæ:
dergleichen phraſes mehrmalen in der Schrifft anzutreffen. Wir
koͤnnen das nicht thun/ daß wir unſerer Schweſter einen unbe-
ſchnittenen Mann geben.Gen. 34, 14. Jhr koͤnt nicht GOtt
dienen und dem Mammon.Matth. 6, 24. Wir koͤnnens ja nicht
laſſen/ daß wir nicht reden ſolten/ was wir geſehen und gehoͤret
haben.Actor. 4, 20. Du kanſt nicht Paſſah ſchlachten in irgend
deiner Thor einem/ die dir der HErꝛ dein GOtt gegeben hat.
Aber de facto kans freylich geſchehen/ wie das Exempel der Corinthier
ſelbs außweißt. Jtem/ das Fleiſch Chriſti iſt ein lebendig-machendes
Fleiſch/ ſo nun die Unwuͤrdigen daſſelbe im Abendmahl empfangen/
muͤßte folgen/ daß ſie auch lebendig-machende Krafft empfiengen. Ant-
wort: die Lebendigmachung iſt kein actus naturalis, ſondern der Sohn
GOttes machet lebendig wen er wil.Joh. 5, 21. 2. Paralogi-
ſmos rationis, es ſeind ja zwey contraria, die nicht beyſammen ſtehen
koͤnnen/ die Gnaden-Gaben und Gutthaten GOttes empfangen/ und
dieſelbe verwerffen/ und von ſich ſtoſſen. Nun ſtoſſen ja die unwuͤrdige
Communicanten dieſe Gutthaten von ſich. E. koͤnnen ſie derſelben nicht
theilhafftig werden. Reſp. Gleichwie die Gottloſen zwar mit den Ohren
das Wort GOttes hoͤren/ aber mit dem Hertzen nicht faſſen/ ſo em-
pfangen die Unwuͤrdige mit dem Mund den Leib und das Blut Chriſti/
wiewol/ was die Frucht deſſen anlanget/ das Hertz nichts geneußt.
Jtem die Gottloſe ſeind ja keine Erben/ ſondern von dieſem Teſtament
und Legat außgeſchloſſen/ ſie ſeind Hunde und Saͤu. Antw. Sie ſind
Erben/ was anlangt die Goͤttliche Intention, welche aber eine gewiſſe
Ordnung erfordert/ daß ſie dem Hochzeitlichen Kleid des Glaubens und
C i i jder
[390]Die Siebenzehende
der Buß erſcheinen/ wo nicht/ ſo entſetzen ſie ſich ſelbs. Wahr iſts/ daß
die gottloſen Hunde und Saͤue/ dergleichen Judas einer geweßt/ doch
hat ihm Chriſtus die Fuͤſſe gewaſchen. Die Apoſtel haben auch gepre-
diget τοῖς χλευάζουσι, den Pfingſt-Spoͤttern/ Act. 2, 13. Es koͤnnen ſich
auch hie zuweilen die Schwein und Hunde in Schaafe verwandeln. Hat
alſo der Calviniſche Jrꝛ-Geiſt Fehl geſchoſſen/ und nichts gewonnen mit
ſeinen Gloſſen und Schrifft-Foltern.
Worauß leicht erſcheinet/ welches ſeine theſis von Nieſſung der Un-
wuͤrdigen/ nemlich/ die Unglaubige/ das iſt/ die Verworffene/ wie ſie zu
dieſem Schatz nicht eingeladen/ ſo eſſen und trincken ſie auch den Leib und
Blut Chriſti nicht. Jm gegentheil/ weil die Glaubige allein den Glau-
bens-Mund mitbringen/ empfangen ſie auch allein das Weſen des Sa-
craments. Dann ſo gloſſirt Piſcator, die Wort Chriſti: das iſt das
Blut des N. Teſtaments/ das fuͤr euch und fuͤr viel vergoſſen wird/ h. e.
fuͤr alle Außerwehlten/ die ihm vom Vater gegeben ſind.hinc
in der 6. Lehr ad Matth. 26. Chriſtus hat nicht fuͤr alle Menſchen/
ſondern fuͤr viel/ (nemlich ſeine Außerwehlte/) ſein Blut ver-
gieſſen laſſen/ darum auch nicht allen das Abendmahl nutz iſt.
Dann wo einer nicht Theil hat am Gut/ und daſſelbe nicht
durch den Glauben beſitzt/ dem wird auch kein Brieff und Si-
gel druͤber gegeben.Omnes (ita Simplicius Verinus de Tranſſubſt.
p. 250) Sacramentum viſibile percipiunt, quia os habent, \& dentes,
\& ventrem; ſed non omnes gratiam inviſibilem, ſive rem Sacramen-
ti \& virtutem, h. e. corpus Chriſti conſequi poſſunt ἅγια τοῖς ἁγίοις,
ſancta ſanctis! das iſt/ Alle empfangen das ſichtbare Sacrament/
weil ſie Zaͤhne/ Mund und Bauch haben; aber ſie koͤnnen dar-
um nicht alle die unſichtbare Gnad/ oder das Weſen des Sa-
craments/ und deſſen Krafft/ den Leib Chriſti empfangen/ das
Heilige gehoͤrt fuͤr die Heiligen. Jſt aber dem alſo/ ſo iſt Gott
ungerecht/ der wegen Verachtung der Sacramenten den Menſchen ver-
dammet/ dem er ſie doch niemalen offerirt. Der Diener iſt ein Luͤgner/
ſo offt er zu einem Verworffenen ſagt: Nim̃ hin und iß/ das iſt der Leib
Chriſti/ fuͤr dich in den Tod gegeben. Das Sacramentliche Sigel/ la-
queus [...]πορίας, ein Zweiffel/ ja Verzweiffelungs-Strick. Dann wo-
her weiß ich/ daß ich unter ſo viel tauſend Menſchen einer/ der außerwehlt/
und Krafft der Erwehlung an dieſem theuren Schatz des Leibs und
Bluts Chriſti/ theil und gemein habe.
Ey
[391]Predigt.
Ey/ moͤchte jemand ſagen/ was martert man doch die Kirch mit ſol-
chen Streittigkeiten/ ein jeder ſehe fuͤr ſich/ wie er es wuͤrdiglich empfahe/
was gehen uns die drauſſen an; ſo kom̃t zwar auffgezogen ſpiritus Cal-
vini ἐπιχαιρέκακος, durch Maſſonium, der ſchreibet part. 3. p. 209. Soll
man ſich dann um die Gottloſen ſo hefftig bekuͤmmern/ und
alſo die Kirch GOttes unruhig machen?Et pag. 241. Was ge-
hen uns die jenigen an/ die drauſſen ſind? Jſts nicht gnug/ daß
wir durch Chriſtum erloͤßt/ gerecht/ heilig und ſelig gemacht
ſeind? Chriſtliche Hertzen gedencken viel anders/ erinnern ſich ihres
Biſchofflichen Ampts/ quilibet homo alterius Epiſcopus eſſe debet,
und wuͤnſchen ex συγχαιροσ [...]ῃ verbannet zu ſeyn fuͤr ihre Bruͤder. Ein
Vater ſorget fuͤr ſeinen boͤſen Sohn/ ob er durchs Abendmahl zugewin-
nen. Sie laſſen ihnen ein Angſt einjagen durch die Exempel deren/ die
ſich an GOttes Wolthaten und Geheimnuſſen vergriffen/ und ſchroͤck-
lich deßwegen geſtraffet worden/ ſonderlich der Jſraeliten in der Wuͤſten/
an denen Gott kein Gefallen gehabt/ und von Jhm nidergeſchlagen
worden: Der Bethſemiten/ 1. Sam. 6. deren auff einen Tag 50000. und
70. Perſonen jaͤmmerlich umkommen/ weil ſie die Bunds-Lade nicht
mit gebuͤhrender Reverentz und Andacht/ auß verwegenem Frevel und
Allfentzerey/ mit ungewaſchenen Haͤnden zur Unzeit betaſtet/ und mit
fuͤrwitzigen Augen angeſchauet/ da dergleichen zu thun bey Leibs- und
Lebens-Straff verbotten geweßt/ Num. 4, 15. Judaͤ des Verraͤthers/
dem ſein Tiſch zum Strick worden/ zur Vergeltung und zu einer Falle.
Pſalm. 69, 33. und anderer mehr.
Cyprianus ſerm. de lapſis. Quædam (inquit) ſacrificantibus nobis,
latenter obrepſit, non cibum, ſed gladium ſumens, \& velut ve-
nena quædam lethalia inter fauces \& pectus ſanguinem admit-
tens: angi \& animâ exæſtuante poſtmodum concludi cœpit, \&
preſſuram non jam perſecutionis, ſed delicti paſſa, palpitans
comedit; quæ fefellerat hominem, DEUM ſenſit ultorem. Alia
ab immundo ſpiritu correpta cecidit, laniavit dentibus linguam.
Ipſa ſui carnifex extitit, nec diu ſupereſſe potuit, doloribus ven-
tris \& viſcerum cruciata. Marchant. hort. paſtor. ex Baron.
tom. 10. Annal. ann. Domini 868. hæc refert: Tempore Adria-
ni II. Pontif. cum Lotharius Gallorum Rex Romam profectus
honorificè ab illo fuiſſet exceptus, interrogatꝰ eſt, an Waldradam
adulteram \& pellicem ſuam juxta præceptum Nicolai Pontificis
\& juramentum præſtitum à ſe rejeciſſet? Affirmante id ipſo
pro-
[362[392]]Die Siebenzehende
proceribuſque qui cum eo advenerant, ait Pontifex, Si veritas ver-
bis tuis ſuffragatur, reſtat tibi, ut ad confeſſionem S. Petri accedas, ibi
hoſtiam ſalutarem pro tua incolumitate immolabimus, ex qua nobiſcum
oportet te participare, ut per hanc membris Chriſti, unde abſciſſus eſſe vi-
debaris, merearis incorporari. Finitis ergò Miſſæ ſolennibus, acce-
pto in manibus corpore Domini, iterum ſic eum alloquitur: Si
innoxium te agnoſcis ab adulterij ſcelere, \& fixâ mente hoc ſtatutum ha-
bes, Waldradæ pellici tuæ à te repudiatæ nunquam nefario concubitu mi-
ſceri, accede fiducialiter ad Sacramentum ſalutis æternæ, ac remiſſionem
peccatorum tuorum ſuſcipe. Sin autem conſcientia te accuſat, \& le-
thali vulnere ſauciatum proclamat; aut ſi iterum mente diſponis in
mœchiæ volutabrum redire, accedere non præſumas, ne tibi cedat in ju-
dicium, quod ad remedium fidelibus divina providentia præparavit. At
is mente excæcatus, cum ſciret ſe pernicioſo mendacio Pontifi-
cem circumveniſſe, communionem de manu ejus ſumſit. De-
inde converſus Pontifex ad ſequaces \& Fautores Reges unicui-
que communionem obtulit in hæc verba: Si Regi tuo Lothario, in
objecto adulterij crimine favorem nec præſtitiſti, nec conſenſum; \& Wal-
dradæ aliiſ[q] à ſede Apoſtolica excommunicatis non communicaſti corpus
\& ſanguis Domini proſit tibi in vitam æternam. Qui ergò eorum
communionem auſu temerario ſumere præſumpſit, divino judi-
cio ab hac luce ſubtractus eſt, ante anni ſequentis principium.
Lotharius verò Româ egreſſus, morbo corripitur, \& Placen-
tiam veniens diem clauſit extremum. Et tanta ſtrages in ejus
populo facta eſt, ut non peſte periiſſe, ſed hoſtili gladio corruiſ-
ſe virtus \& nobilitas totius regni videretur.
Sie præpariren und bereiten ſich δοκιμασίᾳ \& ἀυτοψίᾳ, ſie erforſchen ſich
wie die Schiff-Geferten Jonam/ Jon. 1, 8. ſie zuͤnden eine Fackel an/ und
ſpehen alle Winckel des Hertzens auß/ wie eine Dienſtmagd/ die mit dem
Liecht allenthalben hinzuͤndet/ damit nicht eine Spinnwebe hangen bleibe/
finden ſie etwas/ daß ihnen nicht wol anſtehet/ ſo legen ſie es ab. Mutet
vitam, qui vult accipere vitam. Auguſt. ſerm. ſuper Advent. Domini.
Wer das Leben empfahen wil/ der aͤndere ſein Leben. Sie
entſcheiden διακρίσει dieſes Sacramentliche Brod von anderm gemei-
nem Brod/ ſie dencken piâ ἀναμνήσει der theurſten Gottes Gabe Chriſti
ihres Heylandes/ der ſie erloͤſet/ und ſelig machen wil/ der bey ſeinem
Tod
[393]Predigt.
Tod ein neues Teſtament auffgeſetzt/ und durch die Vergebung der Suͤn-
den den Schluͤſſel zu den herꝛlichſten Himmels-Schaͤtzen uͤbergibt/ bey
dem Brod dencken ſie an das Brod des Lebens/ bey dem Kelch/ an den
herben und bittern Paſſions-Kelch. Sie verkuͤndigen den Tod des
Herrn/gratâ parentatione, mit hertzlicher Danckbarkeit/ und freudi-
ger Nachfolg in ſeine Fußſtapffen/ daß ſie nicht nur Chriſtologi, ſon-
dern auch Chriſtophori werden. Sie leſen fleiſſig das 14. 15. 16. 17. Cap.
Johannis/ darinnen ein Schatz ligt/ der mit aller Welt Gut nicht zu be-
zahlen. Sie troͤſten ſich mit der Univerſalitaͤt dieſes Convivii, daß kein
getauffter Chriſt ſchlechter dings von dieſem Mahl außgeſchloſſen/ nach
der Verheiſſung Chriſti Joh. 6, 37. Wer zu mir kom̃t/ den wil ich
nicht hinauß ſtoſſen. und allgemeinen Invitation, Matth. 11. Kom-
met her zu mir alle/ die ihr muͤhſelig und beladen ſeyd ꝛc. Und
wo er der Ordnung nachkommet/ ſoll er auch Frucht/ Safft und Krafft
dazu genieſſen/ und daß die Wuͤrdigſten ſeyen die Unwuͤrdigſten. Sie
werden auch wegen Gebrechligkeit und Unvollkommenheit nicht klein-
muͤtig/ richten ſich auff mit dem Exempel der Juͤnger Chriſti/ welche ja
uͤber alle maſſen ſchwach im Glauben geweſen/ kaum haben ſie das
Abendmahl empfangen/ renoviren ſie den Streit vom Primat/ Luc.
22, 24. Uber alles aber erfreuen ſie ſich der ſtattlichen Verheiſſung de
agno digniſſimo, Apoc, 5, 12. als in welchem allein unſere Wuͤrdigkeit
hanget/ Luc. 21, 36. Col. 1, 12. ſonderlich deren/ die Er ſelbſt gethan/
Apoc. 3, 4. Du haſt wenig Namen zu Sarden/ die nicht ihre
Kleider beſudelt haben (mit geiſt- und leiblicher Hurerey) und ſie
werden mit mir wandeln in weiſen Kleidern/ dann ſie ſinds
werth/ (paſſivè, ſie ſind die rechte Ehrwuͤrdige) wer uͤberwindet/ der
ſoll mit weiſen Kleidern angeleget werden/ und ich werde ſei-
nen Nahmen nicht außtilgen/ auß dem Buch des Lebens/ und
ich wil ſeinen Namen bekennen/ fuͤr meinem Vater/ und fuͤr
ſeinen Engeln.
Jhme dem Lamm GOttes/ das der Welt Suͤnde getragen/
erwuͤrget iſt am Stamme des Creutzes/ das in heiſſer Liebe gebraten/ das
ſich uns zur Speiſe gegeben/ und uns ſo hoch gewuͤrdiget/ das da wuͤr-
dig iſt zu nemmen/ Krafft und Reichthum/ Weißheit und
Staͤrcke/ und Ehre/ und Preiß/ und Lob.Apoc. 5, 12. Jhme
ſey Krafft und Reichthum: Jhme ſey Lob wegen ſeiner Allmaͤchtigen
Krafft/ dadurch Er ſein Wort wuͤrcklich machen kan: ſeines Reich-
thums/ deſſen Gazophylacium in dieſem Sacrament erſcheinet. Jhme
Neunter Theil. D d dſey
[394]Die Achtzehende
ſey Weißheit/ dadurch er geſchaffen/ daß Gerechtigkeit und Barmher-
tzigkeit in dieſem Sacrament einander begegnen/ und kuͤſſen/ jene die Un-
wuͤrdigen/ dieſe die Wuͤrdigen. Amen.
Die Achtzehende Predigt/
Von
Dem Zweck und End-Urſach/ warum
Chriſtus das Heilige Abendmahl eingeſetzet/
nemlich der Vergebung der Suͤnden.
GEliebte in Chriſto. Unter andern Urſachen/
warum der H. Geiſt in einer Tauben-Geſtalt bey der
Tauff Chriſti erſchienen/ und in einer Tauben-Geſtalt ſich
abeonterfehen und abmahlen wollen/ iſt ſonderlich das
Evangeliſche Troſt-Ampt/ da er durch das Miniſterium
und werthe Predig-Ampt/ als das Ampt des Geiſtes/ re-
det und handelt/ von dem theurſten Gnaden-Schatz/ den Chriſtus er-
worben/ der ἀμνηςείᾳ und gnaͤdigen Vergebung der Suͤnden/ Erloͤſung
auß der Gewalt und Tyranney des Satans/ und kraͤfftigem Troſt wi-
der alle Anfechtungen der Suͤnden und des boͤſen Gewiſſens/ und daſſel-
be auff drey folgende Arten und Weiſen.
I. Illicio vocali. Gleichwie unter den Tauben etliche ſind und heiſ-
ſen Lock-Tauben/ ſo durch ihre Stimm andere und fremde/ auch wilde
Tauben/ wiederum zum rechten Neſt und Taub-Hauß locken: Alſo hat
der H. Geiſt ex ὑϖερώῳ Hieroſolymitano und Soͤller zu Jeruſalem
zwoͤlff Lock-Tauben außfliegen laſſen/ die haben Ephraim die verlockte
Taub/ Oſe. 7, 11. h. e. das Juͤdiſche Volck zuvorderſt/ und die zwoͤlff ver-
ſtraͤuete Staͤmme Jſrael/ hernach auch die Chamiten/ und andere ab-
goͤttiſche/ heydniſche Voͤlcker/ ſonderlich auch uns arme Japhiten/ zum
Taub-Hauß der Chriſtlichen Kirchen gelocket/ laut des Prophetiſchen
Segens/ Gen. 9, 27. GOtt breite Japhet auß/ und laß ihn woh-
nen in den Huͤtten des Sems/ oder wie es nach der Grund-Sprach
lautet/ und Lutherus in ſeinem Commentario erklaͤret: Gott locke den
verſcheichten und bloͤden Japhet/ und laß ihn wohnen in der Huͤtten des
Sems.
II. Sola-
[395]Predigt.
II. Solatio literali. Es iſt nichts neues/ ſondern in mancher Be-
laͤgerung nutzlich gebraucht worden der Tauben-Dienſt/ da man ſie zu
Poſt-Botten und Brieff-Traͤgern gebraucht/ den Belaͤgerten zu Friſt
und Troſt. In obſidione Mutinenſi apud Plin. l. 10. 37. hat zwar An-
tonius die Stadt gantz feſt plocquirt und beſchloſſen gehalten/ daß ihnen
kein Zufuhr und Poſt zukaͤme; aber per cœlum ivit nuntius, ein Taub
flog hin und her/ und trug Zeitung und Brieff unter den Fittigen: So
machtens auch die zu Tyro/ als ſie von den Chriſten belaͤgert geweßt.
Die Saracener brauchten der Tauben-Dienſt/ und ſagten den Belaͤ-
gerten Succurs und Huͤlffe zu. Welcher Geſtalt in den Niderlaͤndi-
ſchen Kriegen/ ſonderlich in der Belaͤgerung zu Leiden und zu Harlem/
die Tauben gebraucht worden/ in dem ſonderlich die zu Harlem kurtz
vor der Belaͤgerung etliche Tauben auß dem Taub-Hauß in Orangii
Laͤger und claſſem außfliegen laſſen/ die hernach auß Lieb ihrer Jungen
und Neſter wiederum zuruck geflogen/ aber nicht leer/ ſondern Troſt- und
Friſt-Brieff mitgenommen/ das iſt auß den Niderlaͤndiſchen Geſchich-
ten bekandt.
‘Fam. Strad. de bell. Belg. lib. 7. p. 378. his verbis refert: Fuit hæc
obſidio multis ſanè memorabilis. Namque in ea repetitum ex
antiquitate miniſterium columbarum literas perferentium.
Paulò enim antequam clauſa fuiſſet nuntiis via, Harlemenſes
ex urbis columbariis ad Orangij claſſem, \& vicina ſociorum op-
pida columbas aliquot cicures aſportarunt: quæ deinceps, ubi
opus fuit, cum literis ſubter alas alligatis emiſſæ, tecti quæque
ſui proliſque memor, Harlemum revolabant, ac per aërios hoſce
tabellarios Orangius ad perferendam tribus poſtremis menſi-
bus obſidionem cives obfirmavit, donec earum una, dum ab
volatu defeſſa caſtris inſidet, à milite artificii ignaro fortè tranſ-
fixa, literarum arcana patefecit. Quo factum, ut quotquotex-
inde tranſvolarent per aëra columbæ, quamquam innoxiæ, cer-
tatim à militibus figerentur.’ ()
Alſo hat der H. Geiſt uns die wir geweint und geheult: Dem Teuffel
ich gefangen lag/ im Tod war ich verlohren/ ꝛc. vom Himmel herab/
Brieff vom himmliſchen Vater gebracht/ literas propheticas, literas
βε [...]αιοτέρας, literas Apoſtolicas \& Evangelicas, voll Troſt/ Freud/ Ver-
heiſſung/ Gnad/ Vergebung der Suͤnden/ Erloͤſung/ Heyl und Seligkeit.
III. Sigillo reali. Gleichwie die jenige Taub/ welche Noah außflie-
gen laſſen/ nicht leer wiederkommen/ ſondern um die Veſper-Zeit ein Oel-
D d d ijBlat
[396]Die Achtzehende
Blat im Mund und Schnabel mitgebracht/ darauß Noah abnemmen
koͤnnen/ Numen placatum, daß das Waſſer gefallen/ Gott verſoͤhnet
und ſein Zorn geſtillet ſey: Alſo hat auch der H. Geiſt die Verheiſſung
und Bottſchafft/ die froͤliche Zeitung und gute neue Maͤhr von der Gna-
de Gottes/ der Verſoͤhnung mit dem Vater/ dem Ablaß und Vergebung
der Suͤnden/ mit ſichtbaren Zeichen in den H. Sacramenten verſigelt/
und daß um die Veſper-Zeit des Neuen Teſtaments/ in der jenigen
Nacht/ da das Sacrament eingeſetzet worden. Jſt eben der jenige verſi-
gelte Schatz/ und Gutthat/ davon wir nun etwas mehrers reden und
handlen wollen. Dann/ nachdem wir alle cauſas, efficientem, bey dem
Wirth und Gaſtgeber JEſu Chriſto/ materialem, bey den ſichtbaren Ele-
menten/ Brod und Wein/ und unſichtbaren Stuͤcken/ Leib und Blut
Chriſti/ und dann formalem, bey dem Mund-Sacramentlichen Eſſen
und Trincken/ wie auch der Sacramentlichen Handlung/ erwogen/ fol-
get nun auch cauſa finalis, ἀμνηςεία peccatorum.Gott gebe Gnad
und Geiſt/ hievon fruchtbarlich und aufferbaulich zu reden. Amen.
DAß nun/ Meine Liebſten/ der fuͤrnemſte Haupt-Nutz/
und Frucht des H. Abendmahls ſey der Ablaß der Suͤnden/
Erb- und wuͤrcklichen/ toͤdtlichen und taͤglichen/ aller groben
und ſubtilen/ die ἀμνη [...]εία, Impunitas und Freyheit von Straff und dero
Pflicht/ das iſt auß den Worten der Einſetzung abermal ſo hell und klar/
daß wer nicht muthwillig ſtockblind ſeyn wil/ es ſehen ja greiffen mag.
Nemmet hin und eſſet/ daß iſt der Leib fuͤr euch und euere Suͤn-
de zu buͤſſen/ dahin gegeben.Luc. 22, 19. es iſt cibus gratiæ obſignato-
rius. Wann ein groſſer Herꝛ einen Rebellen wiederum zur Taffel ladet/
und freundlich ſpeißt und traͤnckt/ ſo hat er ja ein klares Zeichen der Per-
don/ und amneſtiæ, e. g. Joſeph/ da er ſeine Bruͤder bewuͤrthet/ haben ſie
darauß erkennen ſollen/ es ſey alles todt und ab und vergeſſen. Nem̃et
hin/ das iſt das Blut des Neuen Teſtaments/Matth. 26, 28.
Was heißt aber das neue Teſtament? das leſen wir Jer. 31, 34. Jch wil
ihnen ihre Miſſethat vergeben/ und ihrer Suͤnde nimmer-
mehr gedencken. Τοῦτο γ [...] εἰς ἄϕεσιν ἁμαρτιῶν, darum trincket/ weil es
vergoſſen worden zur Vergebung der Suͤnden. Unde argumentum
das jenige/ das zu trincken dargereicht wird zu dieſem Zweck/ Nutz/ Frucht
und Verheiſſung/ das man davon habe die Vergebung der Suͤnden/ das
dienet zur Vergebung der Suͤnden. Wann ein Medicus ſagte: Nim̃
hin dieſen Artzney-Tranck/ und trincke/ das iſt ein neue Artzney zur Hei-
lung
[397]Predigt.
lung deines Fiebers/ ſo koͤnte man ja nicht anders gedencken/ als ſey der
einige und fuͤrnemſte Nutz und Zweck/ die Vertreibung des Fiebers.
Alſo iſt auch hie die Conſequentz guͤltig und richtig/ daß nemlich der beſte
Safft und Krafft/ Schatz/ Kern und Stern/ das Teſtamentliche Legat
ſey die Vergebung der Suͤnden. Zu gleicher weiß wie aber ein Teſtator
ſonderlich darauff ſihet/ wie ſein Legat glorios, daß er Ehr davon habe/
wie es heilſam/ wie es den Erben lieb/ vornemlich/ wie es ſicher und wol
verwahrt/ damit es nicht von der guldenen Fieber- und Silber-Sucht der
Teſtaments-Schaͤnder angegriffen werde: Alſo fallen auch eben dieſe
conditiones zuſammen in unſerer ἀμνηςείᾳ.
Sie iſt I. Theſaurus glorioſiſſimus. Es bemuͤhen ſich groſſe Poten-
taten ſonderlich dahin/ daß ſie bey ihren Friedens-Tractaten und Accor-
den ihre Reputation erhalten/ und ihre Majeſtaͤt ſelbs nicht verkleinern/
damit es ein reputierlicher Friede ſeye. Nun iſt einem groſſen Potenta-
ten nichts ruͤhmlichers/ als wann er ſichs ſelbs uͤberwindet/ und Clementz
die Gerechtigkeit uͤberwaͤgen laßt. Von Auguſto ſchreibet Seneca lib. 1.
de Clem. c. 9. daß/ als ihm auff eine Zeit einer von ſeinen Rebellen und
Meutmachern/ Nahmens Cinna, fuͤrkommen/ da hab er bey ſich ſelbs in
ſeinem Hertzen Rath gehalten/ was und wie er gegen demſelben zu ver-
fahren. Quid ergò, ego percuſſorem meum ſecurum ambulare patiar?
Wie? ſoll und kan ich dem das Leben ſchencken/ der mir nach Leib und
Leben geſtanden? Sein Gemahl Livia redet ihm ein/ und ſagt: Handle
mit ihm/ wie ein Artzt/ vergib ihm/ er iſt ergriffen/ und bekennet ſich zur
Ubelthat/ nocere tibi non poteſt, poteſt prodeſſe famæ, er kan dir nicht
mehr ſchaden/ aber er kan dir einen groſſen Nahmen machen/ daß jeder-
man von der Kayſerlichen Mildthaͤtigkeit und Barmhertzigkeit wird ſa-
gen und ruͤhmen koͤnnen. Darauff der Kayſer ſich zu ihm gewendet/
und geſagt: Vitam tibi, Cinna, iterum do, prius hoſti, nunc parricidæ,
ex hodierno die inter nos amicitia incipiet, Cinna,hiemit ſchencke
ich dir/ als meinem Feind/ und dazu Kayſer-Moͤrder/ das Le-
ben zum andern mal/ wiltu meine Gnade annemmen/ ſo wollen
wir jetzo und von Stund an gute Freunde ſeyn. Das war Au-
guſto eine groſſe Ehr. Nun M. L. ſolche parricidæ, Gottes-Moͤrder und
GOttes Feinde ſeind wir von Natur/ der allweiſe Gott hat ſeine com-
mentarios peccatorum, wie dort Ahaſverus ſeine Chronic gehalten.
Eſther 2. Jſt ſolches nicht/ ſagt der Herr/bey mir verborgen/
und verſiegelt in meinen Schaͤtzen?Deut. 32, 34. Nun aber Chri-
ſtus darzwiſchen kommen/ die ἀμνηςείαν geſtifftet und verſiegelt/ ſo uͤber-
D d d iijwindet
[398]Die Achtzehende
windet Gott gleichſam ſein eigenes Hertz/ und laßt alles tod und ab ſeyn/
und deſſen zum Pfand gibt er uns ſein Leib und Blut/ das gereicht zur
Ehre ſeiner Barmhertzigkeit.
II. Theſaurus ſaluberrimus, die weltliche ἀμνηςεία iſt die Quell und
Wurtzel aller zeitlichen Wolthaten/ zeucht nach ſich pacem, ſchalom, alles
Gute/ allen Segen und Wolſtand/ was Unfried verzehrt/ ernehret der
Fried wiederum/ er croͤnet das Land mit gutem/ und erwirbt die reſtitu-
tion deſſen/ was man vor dem Krieg verlohren/ ſo viel immer muͤglich.
Sonderlich gedencket Cicero lib. 2. offic. 23. ein denckwuͤrdiges Exempel
eines klugen Helden Aratus genannt/ dann nachdem er ſein Vaterland
von dem Tyrannen Nicocle auß fuͤnffzig-jaͤhriger Betrangnuß errettet/
und ſich befunden/ daß die jenige Guͤter/ die er reſtituiren ſollen/ durch
allerhand billigen und unbilligen Contract in fremde Hand kommen/ hat
er ein ſolches Mittel erfunden/ daß er Gelt auffgenommen/ die jenigen/ ſo
biß dato ihre Guͤter in gehabt/ außgekaufft/ und die andern wiederum ein-
geſetzet/ auff daß niemand unrecht geſchehe/ jederman aber bey dieſer
amneſti ſatisfaction haͤtt. Eben ſolche [...]ποκα τά ςασις wird uns præſen-
tirt durch die Rantzion des Sohns Gottes/ was wir im erſten Menſchen
durch den Apffel-Biß verlohren/ das erlangen wir wieder in Chriſto/
durch den Brod-Biſſen/ nemlich alle die Schaͤtze/ die Chriſtus erworben/
den H. Geiſt/ die Gemeinſchafft mit Chriſto/ Heil und Seligkeit/ darum
nennet Chryſoſtom. S. Cœnam, caput omnium bonorum. Es iſt die-
ſe ἀμνηςεία der rechte guldene Himmel-Schluͤſſel/ die hertz-brechende Pe-
tard des Himmel-Schloſſes. Dann wo Vergebung der Suͤnden iſt/
da iſt Leben und Seligkeit/ traͤgſt du Chriſtum/ ſo haſt du das Hoͤchſte
Gut/ Sonn und Schild/ und kan dir nichts mangeln.
III. Theſaurus liberaliſſimus \& jucundiſſimus. Man hat zwar
viel Weg in der Welt Frieden zu machen/ als durch Gelt/ welches pax
venalis, ein erkauffter Fried/ wie dort 2. Reg. 15, 19. 20. Menahen der Koͤ-
nig in Jſrael/ Phul den Kaͤnig in Aſſyrien außgekaufft/ mit tauſend
Centner Silbers/ die er von einer ſchweren auffs Land gelegten Contri-
bution erpreßt. Jtem durch Servitut und onera, wie die Spartaner mit
den Athenienſern Frieden gemacht/ mit der Condition, daß ſie ihre Forti-
fication, damit ſie den portum pyreum befeſtiget/ ſchleiffen/ alle Schiff
den Spartanern uͤbergeben/ die Mauren und Thuͤrn rings um die Stadt
abbrechen ſolten. Die ἀμνηςεία aber leidet dergleichen Beſchwerden nit/
und ſo iſt auch die Goͤttliche άμνηςεία geartet/ ſie hat keine Beſchwerden.
Mein Joch iſt leicht/ ſagt Chriſtus Matth. 11. ꝟ. ult. da darff man
kein
[399]Predigt.
kein Gelt zu/ wie die Gold-Fiſcher im Pabſtthum ihre Jndulgentz ums
Geld verkauffen; Sondern vergebens und umſonſt. Wolan/ alle die
ihr durſtig ſeyd/ kommet her zum Waſſer/ und die ihr nicht
Geld habt/ kom̃t her/ kauffet und eſſet/ kom̃t her/ kauffet ohne
Geld und umſonſt/ beyde Wein und Milch.Eſa. 55, 1.
IV. Theſaurus tutiſſimus \& ſecuriſſimus. Die ἀμνηςεία in der
Welt/ damit ſie kraͤfftig ſey/ wird gemeiniglich nicht nur mit einem Eyd/
ſondern auch mit Siegel und Brieff und Schrifftlichen Documenten
verwahret/ wie Thraſybulus zu Athen gethan/ apud Juſtin. l. 5. p. 104.
So ſicher aber iſt keine ἀμνηςεία, es laufft Betrug und ſinceration mit
unter/ μνησικακία bleibt nicht auß/ Brieff und Sigel werden durchloͤchert/
der Eyd wird vernichtet/ bevorab wann der Pabſt das jus diſpenſandi in
juramentis behalt/ und der compoſitioni pacis nachgelebet wird/ deren
Schluß iſt: Juramentum de re illicitânon eſſe ſervandum. Ein Eyd
uͤber ein unerlaubte Sach ſoll man nicht halten. Jam per ſe \& ſeclusâ
neceſſitate illicitum eſt, hæreſin tolerare. Nun iſt es fuͤr ſich/ und auch
die Nothwendigkeit auff eine Seit geſetzt/ nicht recht/ einige Ketzerey dul-
den. Aber dieſer Goͤttliche Ablaß iſt dergeſtalt befeſtiget/ daß er nim̃ermehr
wird koͤñen auffgeloͤſet werden. Zweiffelſtu/ hie iſt πιςὸς λόγος, das mehr
als Himmel-feſte Wort/ 1. Tim. 1. Hie iſt πιςὸς μάρτυρ, der treue Zeug/
Apoc. 1, 5. Zweiffelſtu noch/ hie iſt der Goͤttliche Eyd-Schwur/ Ezech.
33, 11. Zweiffelſt du noch/ hie iſt das Sacramentum. Baſilius nennet diß
Sacrament ἐυ ϖρόσδεκτον [...]πολογίαν, ἐπὶ του ϕο [...]εροῦ βήματος Θεοῦ. Eine
annehmliche Schutz-Rede fuͤr dem ſchroͤcklichen Richterſtuhl GOttes.
Wann nun dieſe ἀμνηςεία der finis und Zweck iſt dieſes Sacra-
ments/ ſo iſts im Gegentheil ein ſchnoͤder Mißbrauch/ wann man daſſelbe
angewendet und gebrauchet 1. ad finem phyſicum, zu Unterhaltung des
natuͤrlichen Leben/ dergleichen Corn. à Lap. von Ludovic. Pio Imp.
Joh. Abbate, Catharina Senenſi, Maria Oigniacenſi, als ſonderbaren
groſſen Heiligen erzehlet.
‘Euchariſtia (ita ille Comment. in Evang. S. Joh. p. 335.) non tan-
tum animam, ſed \& corpus nutrit \& vegetat, uti docent Theolo-
gi. Imò S. Johannes Abbas, teſte Palladio in Lauſiaca cap. 61.
S. Catharina Senenſis, S. Maria Oigniacenſis, S. Ebrulphus Ab-
bas apud Surium, Tom. 6. plureſque alii, ſolâ Euchariſtiâ, ſine
alio cibo, multo tempore vixerunt. Quin \& Ludovicus Pius
Imperator, in ſupremo morbo, quo obiit, totos 40. dies jejunus
tranſegit, Euchariſtiam ſolam quotidiè ſumens.’ ()
Jtem/
[400]Die Achtzehende
Loc. Com̃.
de Cœna
p. 418.
Jtem/ zur leiblichen Geſundheit/ wie Gorgonia Nazianzeni Schweſter/
und Satyrus Ambroſii Bruder/ der es an den Hals gehencket/ daß es gut
ſolte ſeyn fuͤr den Schiffbruch. Dergleichen Corn. à Lap. mehr erzehlet.
‘Ex dictis (inquit Comment. in Joh. p. 343.) liquet, fructus \& effe-
ctus Euchariſtiæ, per analogiam ex fructibus panis \& cibi colli-
gendos eſſe; quod enim panis \& cibus præſtat corpori, hoc
Euchariſtia præſtat animæ, ſubinde etiam corpori, ut ſcil. cor-
pus quoque alat, vegetet, vivificet, imò quandoque morbos ſa-
net, \& mortis pericula depellat. Quocircà ſolebant olim non-
nulli navem conſcenſuri, Euchariſtiam ſecum deferre, ut illam
in periculo ſumerent, imò periculum arcerent. Ita Gregorius
S. Gregorii Nazianzeni Pater ardentiſſima \& diuturna febri ex-
hauſtus, mortique vicinus, ab ea liberatus, vitæque \& ſanitati
reſtitutus eſt per Euchariſtiam in die Paſchatos ſumptam, uti re-
fert Nazianz. orat. quam habuit in funere Patris. Idem ibidem
narrat, matrem ſuam à gravi \& periculoſo morbo, panibus à ſe
ſacrificante conſecratis ſpiritualiter nutritam, convaluiſſe. Idem
orat. in funere S. Gorgoniæ ſororis ſuæ, teſtatur illam à mem-
brorum omnium diſſolutione ac graviſſimis cruciatibus, quibus
affligebatur, per Euchariſtiam fuiſſe ſanatam. Quàm parùm
hi abſunt à Capernaiſmo?’ ()
2. Ad finem politicum, und zwar 1. zur Beſcheinung der Un-
Baron. ad
ann. 941.ſchuld/ wie Fridericus Moguntinus Archiepiſcopus, als er einer con-
ſpiration beſchuldiget wurde/ hat er ſich mit Empfahung des heiligen
Abendmahls purgirt: Daher noch dieſes fermentum auch unter uns
Cluv. Epit.
hiſt. p. 509.gemein: Jch wil das heilige Abendmahl darauff empfangen. Viel
religioſer hat hierin gehandelt Henricus IV. der dieſes Mittel welches
ihm Gregorius VII. offerirt/ repudiirt. 2. Ad confœderationes, zu
Beſtaͤttigung Menſchlicher Buͤndnuſſen. Maſſen Lutherus gedencket
Tom. 6. Jen. p. 164. in der Erklaͤrung des 101. Pſalmen/ daß Pabſt
Julius das Sacrament in drey Theil theilen laſſen/ und dardurch mit
dem Kayſer Maximiliano und dem Koͤnig in Franckreich ein ewige Ver-
Stöcker.
Elench.
Catech.
p. 923.buͤndnuß gemacht/ daß/ gleichwie der Vater/ Sohn und H. Geiſt ein
Gott iſt/ alſo feſt hat auch ſolche Einigkeit ſeyn ſollen. Wie aber ſolche
Verbuͤndnuß Gott gefallen/ hat der Außgang bezeuget/ dann wie Lu-
therus ferner gedencket/ iſt bald hernach der allerheiligſte Vater mit
dem Sohn und Geiſt uneins worden/ und feindſeliger Weiſe wider
einander
[401]Predigt.
einander außgezogen/ der Pabſt am heiligen Oſtertag Anno 1512. in ei-
ner offentlichen Schlacht von Frantzoſen geſchlagen und uͤberwunden
worden. 3. Ad finem exorciſticum, den Teuffel damit zu beſchwoͤren
und außzujagen.
‘Johann. Bodin. l. 2. dæmon. c. 8. p. 216. ex Joviano Pontano in hiſt. Neapolit.
l. 5. p. 584. hæc habet: Legimus ibi, Gallis Sueſſæ in Neapolitano
Regno, ab Hiſpano obſeſſis, cum ſiccitate æſtuque ferverent o-
mnia, \& penuriâ aquæ dulcis Galli in ſummo diſcrimine eſſent,
aliquot Sacerdotes Magos crucifixum nocte per vicos traxiſſe,
innumeris blaſphemiis \& convitiis proſcidiſſe, atque in mare
projeciſſe. Deinde conſecratam hoſtiam aſino tradidiſſe, eum-
que vivum ad templi portam inhumaſſe, tùm poſtaliquot carmi-
na \& deteſtandas blaſphemias imbrem vehementiſſimum dilu-
vioque penè ſimilem accidiſſe, itaque obſidionem ab Hiſpano
ſolutam fuiſſe, \& vulgò fuiſſe dictum: Flectere ſi nequeo ſuperos,
Acheronta movebo. Valerius Polydorus Patavinus Minorita, Theolo-
giæ Doctor, in Practica Exorciſtarum p. 181. ait: Divina non deſunt re-
media, adjumentaque humana, pro dæmonibus incubis \& ſuc-
cubis pellendis, quæ ad novem principalia reducuntur. Primum
eſt confeſſio, ſecundum eſt ſacratiſſimæ Euchariſtiæ communio,
diebus ſaltem dominicis, vel etiam cujuſque feſtivitatis celebra-
ta, \&c. Zacharias Vice-Comes Ordinis SS. Barnabæ \& Ambroſii ad ne-
mus Mediolanenſe, in complemento artis exorciſticæ, part. 1. p. 791. ait:
Mihi accidit, dum in Eccleſia majori dæmonem conjurarem, qui
mulierem quandam Iſabellam nomine affligebat, præſente Re-
verendiſſimo Domino, Joh. Bapt. de Benedictis, Ophydami Ci-
vitatis Epiſcopo, aſtante ſimul Clero \& populo, in fine conjura-
tionis ego præcipiens Dæmoni in nomine JESU, ut in ungulam
mortiferam digiti parvi ſiniſtri pedis deſcenderet, ut ipſa fœmina
paupercula liberè ſua naturalia exercere poſſet. Reſpondit
Dæmon, hoc non faciam, niſi benignè poſtulaveris. Ego his au-
ditis in nomine JEſu, ille in ſuperbia ſimul diu contendentes, ſpe-
rabat ille nequiſſimus victoriam. Ego, qui reverà ſatis fatigatus
eram, cùm horas duas, ut cederet, ſuprà alias quinque pugnaviſ-
ſem, elevatis oculis ad Sanct. Sacramentum ſuprà altare poſitum,
DEO inſpirante, Tabernaculum, in quo Sanctiſſima Euchariſtia
erat repoſita, accepi, ponenſque ſuprà dæmoniacæ caput, firmâ
fide ac altâ voce aliquoties exclamavi, Miſericordia Signore.
Tandem ſummâ admiratione ceſſit, \& obedientiam præbuit.’ ()
Neunter Theil. E e eWie
[402]Die Achtzehende
Wie man nun im Pabſtthum auff dieſe Weiß dem H. Abendmahl
einen falſchen und ungegruͤndeten finem angedichtet/ ſo hat man demſel-
ben im Gegentheil den rechten Zweck und End-Urſach/ die amneſtiam
peccatorum, entzogen und abgeſprochen. Der Herren Patrum im Con-
cilio zu Trient Nacht-Eulen Geſchrey lautet Seſſ. 13. c. 2. alſo: DEUS
ſumi voluit hoc ſacramentum tanquam ſpiritualem animæ cibum, \&
tanquam antidotum, quo liberemur à culpis quotidianis, \& à pecca-
tis mortalibus præſervemur.GOtt hat gewolt/ daß wir dieſes
Sacrament empfangen/ als eine geiſtliche Seelen-Speiß/ und
Artzney/ krafft deren wir von den taͤglichen Suͤnden-Schul-
den erloͤßt/ und von den Tod-Suͤnden befreyet wuͤrden.Item
c. 7. Nullus ſibi conſcius peccati mortalis, abſque præmiſſa ſacramen-
tali confeſſione accedere debet.Keiner der ihm einer Tod-Suͤn-
de bewußt/ ſoll ohne vorhergehende Beicht zum H. Sacrament
gehen.Et can. 5. Si quis dixerit, præcipuum fructum Euchariſtiæ
eſſe remiſſionem peccatorum, anathema ſit:Wer ſagt/ daß des
H. Abendmals fuͤrnemſte Krafft und Nutz beſtehe in Verge-
bung der Suͤnden/ der ſey verflucht.Bellarminus redet noch
heuterer davon/ l. 4. de Euchar. c. 17. §. Jam verò. Catholica Eccleſia
in Concilio Trid. Seſſ. 13. c. 2. \& 7. \& can. 5. \& 11. docet, effectum Eu-
chariſtiæ præcipuum non eſſe remiſſionem peccatorum mortalium,
ſed nutritionem animæ \& præſervationem à peccatis. In Baptiſmo
applicantur Chriſti merita per modum lavacri, ad abluendas macu-
las: In ſacramento pœnitentiæ applicantur per modum emplaſtri vel
pharmaci ad curanda vulnera: In Euchariſtia autem applicantur per
modũ cibi \& potus ad reficiendum, \& nutriendum, \& præſervandum
à morbis.Die allgemeine Kirch imConcilio Trid.lehret/ daß
die fuͤrnehmſte Krafft und Wuͤrckung des Abendmahls nicht
ſeye die Erlaſſung der Tod-Suͤnden/ ſondern die Seele da-
durch zu nehren/ und vor den Suͤnden zu verwahren. Die
Tauff applicire und eigne das Verdienſt Chriſti zu/ als ein
Bad/ welches die Suͤnden-Flecken abwaſchet. Das Sacra-
ment der Buß/ als eine Artzney/ das Abendmahl aber als ein
Speiß und Tranck/ dadurch die Seele erfriſcht/ genehret und
vor Suͤnden-Kranckheit verwahret werde. Außgenommen die
Tod-Suͤnden/ ſo einem nicht bewußt/ ſo fern ſie einem irgend außgefallen
waͤren/ wie es die Cenſura Colonienſis erklaͤret/ p. 287. Das einige
wollen wir/ daß es ja wol in acht genommen werde/ daß der
vor
[403]Predigt.
vornehmſte Nutz des Sacraments nicht ſeye die Vergebung
grober oder ſchwerer Suͤnden/ die der Seelen den Tod brin-
gen/ obwol unter deſſen diß Sacrament die geringern und
kleinern Suͤnden außloͤſchet/ bißweilen auch etlicheſchwere
Suͤnden/ ſo fern dieſelben einem unter der Beicht außgefallen
waͤren. Die Tod-Suͤnden koͤnnen durch wahren Gebrauch
des Abendmahls nicht hinweg genommen werden. Summa/
wer im Pabſtthum diß Sacrament empfangen wil/ der muß zuvorderſt
das Sacrament der Buß und Abſolution empfangen/ alle ſeine Suͤnde
beichten/ und alſo gantz rein von allen Suͤnden erſcheinen. Hernach
gehet er zu dem Tiſch des Herrn/ nicht als einer Artzney/ ſondern als
einer erquickenden Mahlzeit/ dadurch er von kuͤnfftigen Suͤnden ſich præ-
ſervire/ und ob er etliche laͤßliche/ oder auch vergeſſene Tod-Suͤnden
mitbraͤchte/ die in dem Sacrament der Abſolution nicht verziehen wor-
den/ ſo werden dieſelbe auch in dieſem Sacrament weg genommen.
Warum iſt es aber ihnen zu thun? Antwort/ das erdichtete Sacra-
ment der Buß/ dadurch zu erheben und groß zu machen/ das ſoll viel
kraͤfftiger ſeyn/ als das Sacrament des Abendmahls/ welches von Chri-
ſto eingeſetzet worden; jenes nim̃t Tod-Suͤnden mit weg/ dieſes allein die
laͤßlichen: zu erheben und groß zu machen die Satisfactiones und Indul-
gentien/ dann ſolte das Abendmahl alle Suͤnde wegnemmen/ wo wird
ihr Ablaß-Kram hinkommen? Sie gedencken auch wie dort Demetrius
Act. 19, 27. Es wil mit unſerm Handel dahin gerathen/ daß er
nichts gelte. Zu erheben und groß zu machen die Meß/ das nim̃t alle
Tod-Suͤnden hinweg/ wann man es nur anſiehet ex opere operato, das
Sacrament des Abendmahls iſt nur eine Artzney fuͤr die Heiligen und
Geſunden/ die gar rar/ jener im Gegentheil ein groſſer Hauff.
Damit ſie aber dieſem Jrꝛthum ein Faͤrblein anſtreichen/ objiciren
ſie uns/ wie kein Unreiner vom Oſter-Lamm/ als Typo S. Cœnæ, eſſen
dorffte/ Num. 9, 7. \& 13. Viel weniger koͤnne einer das Abendmal genieſ-
ſen/ deſſen Hertz und Seel mit Suͤnden-Unflat und Unreinigkeit uͤber-
zogen. Es habe Chriſtus ſelbs zuvor ſeinen Juͤngern die Fuͤſſe gewa-
ſchen/ anzudeuten/ daß die Abwaſchung der Suͤnden durch wahre Buß
vorher gehen ſolle. Es ſeye einmal nicht fuͤr die Todten/ ſondern fuͤr die
Schwachen; die aber in Tod-Suͤnden ſtecken/ ſeyen ja geiſtlicher weiß
todt. Pruͤfung und Vorbereitung ſeye vonnoͤthen/ dann wer unwuͤrdig
iſſet/ der eſſe ihm das Gericht/ es nutze nichts/ und ſchade viel mehr/ wann
der Suͤnder mit verwundetem Gewiſſen hinzu gehet. Wir erfordern ja
E e e ijſelbs
[404]Die Achtzehende
ſelbs eine præparation, Glauben und Buß/ die Abſolution gehe fuͤrher.
Wann nun die Suͤnde verziehen/ was darffs dann allererſt eines Sacra-
ments/ dardurch man veniam peccatorum erlanget? Antwort. Auß
dieſem allem folget darum noch nicht/ daß die remiſſio peccatorum nicht
der fuͤrnemſte effect und Wuͤrckung ſey. Dann geſetzt/ es mag einer ſo
rein und heilig zum Tiſch des Herrn gehen/ als immer ſeyn kan/ ſo
bleibet dennoch die tentation des Zweiffels nicht auß/ vielleicht biſtu nicht
ſo geſund/ als du dich macheſt. Hie iſt confirmation, Sigel und Zeichen
von noͤthen/ wie Abraham/ ob er ſchon gerecht geweßt durch den Glauben/
empfieng er doch von Gott die Beſchneidung zum Sigel der Gerech-
tigkeit des Glaubens. Rom. 4, 11. alſo bleibt dem H. Abendmahl auffs
wenigſte finis obſignatorius, daß es die empfangene Vergebung der
Suͤnden in vorgegangener Abſolution verſigelt. Gott ſchwoͤret dem
Menſchen/ und ſetzet doch die Sacramenta darzu. Jſt eines. Ferner
hat 1. das Oſter-Lamm als typus des Abendmahls von niemand/
als der (Levitiſch) rein geweßt/ genoſſen werden koͤnnen; aber wer iſt
vollkommen rein? wer kan in einer Maltzey und Siechen-Hauß ſagen/
Jch bin rein? ſo rein iſt niemand/ es klebet ihm ein Mackel an/ die nicht
venial, ſondern per ſe mortal. Væ etiam laudabili hominum vitæ, ſi
remotâ miſericordiâ à DEO diſcutiatur. Auguſt. l. 9. confeſſ. c. 13.
Wehe auch dem Menſchen/ der ein loͤbliches und untadelhaff-
tes Leben fuͤhret/ wann der HErꝛ nach demrigorund Schaͤrffe
ſeines Geſetzes/ ohnbarmhertzig handeln ſolt. 2. Chriſtus hat
zwar ſeinen Juͤngern/ nachdem er ihnen die Fuͤſſe gewaſchen/ allererſt das
H. Abendmahl gereicht; aber wer iſt ſo ſauber und rein gewaſchen/ daß er
ſich nicht/ ehe er zu Tiſch ſitzt/ wieder beflecken koͤnte/ welches dannenhero
erhellet/ weil Chrſtus ſeinen Juͤngern die Fuͤſſe zweymal gewaſchen/
einmal ehe/ das andermal nachdem ſie das Oſter-Lamm gegeſſen/ nach
dem Fuß-Waſchen blieb einen weg als den andern die Jgnorantz dieſes
Geheimnuſſes/ davon die repulſa des Apoſtels Petri gnugſam zeuget/ ſie
waren noch mit dem falſchen Wahn von dem leiblichen und irdiſchen
Meſſias Reich behafftet/ daher alſobald ein Streit vom Primat unter
ihnen entſtanden. Auffs wenigſte bleibt der Geſtanck/ oder deſſen reli-
quiæ, wann man gar genau drauff ſehen und riechen wolt. 3. Das
Hochzeitliche Kleid wird zwar erfordert/ aber wir koͤnnen es mit und
durch unſere Reu/ Beicht/ Gnugthuung/ Faſten/ ꝛc. nicht ſelber ſpinnen/
ſondern es wird uns von Goͤttlicher Hand dargereicht/ wie bey den He-
breern der Brauch geweſen/ daß der Braͤutigam den Braut-Geſellen
Hoch-
[405]Predigt.
Hochzeitliche Feur-Kleider außgetheilet. Jud 14. Dieſes hochzeitliche
Kleid aber decket zwar der Suͤnden Bloͤße zu/ doch nicht tectione ab-
ſorptivâ, durch eine verſchlingende Verdeckung/ wie etwan ein Klufft in
der Erden verdecket wird/ wann man Grund hinein wirfft/ dieſelben auß-
fuͤllet/ und alſo zudecket: Sondern tectione juridicâ,Gott bedecket die
Suͤnde/ daß Er ſie nicht ſehen moͤge zur Straff/ ſchreibet Auguſt. uͤber
den 32. Pſalm/ er bedecket dieſelbe/ daß ſie uns nicht ſchaden koͤnne. Me-
dicâ, durch eine Artzney Bedeckung/ als mit einem heilſamen Pflaſter/
da der Artzt und Wund-Barbierer zuvor den Eyter und groͤſten Wuſt
wegnimmet/ darnach die Wunde mit einem Pflaſter bedecket/ dadurch
es dann geſchicht/ daß nach und nach die Wund geheilet wird. 4. Das
Abendmahl iſt zwar nicht geſtifftet fuͤr die Todte/ doch die jenige/ die die
Sterblichkeit an ihrem Fleiſch tragen/ nicht zwar fuͤr die Ertoͤdtete/ doch
taͤglich Verwundete/ Luc. 10. auffs wenigſte mit der Wund der Erb-
Suͤnde/ wie Paulus/ er war ihm nichts Boͤſes bewußt/ doch war er da-
rum nicht gerechtfertiget/ er kunte ſich gar wol erinnern des inwendigen
Hertzen verborgenen Erb-Giffts.
Darum laſſen wir den Roͤmiſchen Nacht-Eulen ihre Finſternuß/
befehlen ſie/ (weilen ſie ſich verhaͤrten) GOttes Gericht/ dem ſie ſchwere
Rechenſchafft geben werden. Wir/ als die Kinder des Liechts/ beſeliget
mit dem hellen Liecht des Evangelii/ ſtehen in hoͤchſter obligation der
Danckbarkeit/ Danck zu ſagen im Hertzen/ Danck mit dem Mund/
Danck im Werck/ zu wandeln als die Kinder des Liechts/ daß durch un-
ſer Exempel jene bekehret werden. Lernen aber auch ſolcher groſſen Gnad
und Kleinod recht zu gebrauchen. Laßt uns hinzu tretten mit ſchuldiger
devotion, nicht auß bloſer Gewonheit/ oder mit ecklendem Mund/ ſon-
dern mit ſehnlichem Appetit/ als der heilſamſten Seelen-Artzney: Laßt
uns wol fuͤrſehen fuͤr dem cauterio conſcientiæ, dergleichen bey den je-
nigen anzutreffen/ die ihre Suͤnde nicht einmal fuͤhlen/ die ſtimulos des
boͤſen Gewiſſens/ wann es durch das Geſetz reg gemacht wird/ im gering-
ſten nicht achten/ wie Herodes Agrippa Act. 26, 28. und in Betrachtung
ihrer zeitlichen Gluͤckſeligkeit ſicher in den Tag leben. Davon Jer. 48, 11.
Moab iſt von ſeiner Jugend an ſicher geweßt/ und auff ſeinen
Hefen ſtill gelegen/ und iſt nie auß einem Faß ins ander gegoſ-
ſen/ und nie ins Gefaͤngnuß gezogen. Darum iſt ſein Ge-
ſchmack ihm blieben/ und ſein Geruch nicht veraͤndert worden.
Laßt uns aber auch damit auffrichten wider das bloͤde/ verwundete und
E e e ijjzag-
[406]Die Achtzehende
zaghaffte Gewiſſen. Hieher du bußfertiges Hertz/ ſprich nicht mit Cain/
meine Suͤnde ſeynd groͤſſer/ dann daß ſie mir koͤnnen vergeben werden.
Hie ſichtbares Sigel und Pfand der gnaͤdigen Vergebung der Suͤnden/
hie das Loͤß-Geld fuͤr alle Schulden/ hie Artzney fuͤr die tieffe Seelen-
Wunden. Hie das holdſeligſte Liebes mahl/ da alle Feindſchafft auffge-
haben wird. Sprich nit in deinem Hertzen: Ja Gott hat mir verziehen/
aber ich habe den Tauff-Bund wider gebrochen/ vielleicht iſts unmuͤglich
Buß zu thun. O nein/ hie richtet der Vater aller Barmhertzigkeit auch
dem verlohrnen Sohn ein Mahlzeit zu. Sprich nicht/ mir ſeind die
Suͤnde verziehen/ aber nur die venalia, laͤßliche/ taͤgliche Suͤnden/ nicht
aber die Tod-Suͤnden. Hie iſt univerſalis ἀμνηςεία, hie alle Suͤnde ver-
geben werden. Ja ſonderlich begegne mit dieſer Lehr der tentation re-
cordationis peccati. Wann dir deine Suͤnde in der Jugend begangen/
auch nach rechtſchaffener Buß wider wollen auffkroppen/ wann der
σκόλοψ im Fleiſch/ wie Paulo begegnet/ ſich reget/ ſo erinnere dich dieſer
amneſti, was Gott vergeſſen/ das vergiß du auch/ grab die getoͤdtete
Suͤnden nicht wieder herfuͤr/ mache Gott nicht zum Luͤgner/ man darff
ſich wol noch derſelben erinnern/ nach dem Exempel Davids und Pauli/
man muß aber auß der Memori kein pabulum infidelitatis machen/ ſon-
dern vielmehr gebrauchen zur Anmahnung der Danckbarkeit: dann daß
geſagt wird/ Wir muͤſſen alle offenbar werden fuͤr dem Richter-
ſtuhl Chriſti/ auff daß ein jeglicher empfahe/ nachdem er ge-
handelt hat bey Leibes Leben/ es ſey gut oder boͤſe. 2. Cor. 5, 10.
iſt diſtributivè zu verſtehen/ das Gute auff ſeiten der Gerechten/ das
Boͤſe auff ſeiten der Gottloſen. Allein ſiehe zu/ daß deine Buß recht-
ſchaffen ſey/ huͤte dich fuͤr dem recidivat, ſchertze nicht mit Gottes Barm-
hertzigkeit/ auff daß du nicht GOttes Gerechtigkeit reitzeſt/ und reg ma-
cheſt/ und dir alsdann dieſer Paß zum Baum des Lebens verſchlagen
werde. Halte gute Diaͤt nach gebrauchter Artzney/ ſonſt wird deiner
Gerechtigkeit nicht gedacht werden. Ezech. 18, 26. Wenn der Gerech-
te ſich kehret von ſeiner Gerechtigkeit/ und thut boͤſes/ ſo muß
er ſterben. Sonderlich iſt das Buß-Glauben- und Liebes-Gedaͤchtnuß
gleichſam die Nehm-Hand dieſer amneſti, davon aber uͤber acht Tag mit
mehrem. Gott wolle uͤber das geſagte ſeinen Segen ſprechen/ und der
Friede GOttes/ der hoͤher iſt dann alle Vernunfft/ bewahre unſere
Hertzen und Sinn in Chriſto Jeſu unſerm Herrn.
AMEN.
Die
[407]Predigt.
Die Neunzehende Predigt/
Von
Der Gedaͤchtnuß des Leydens und Tods
JEſu Chriſti.
GEliebte in Chriſto. Es iſt je und allezeit eine ge-
meine Klag geweſen/ uͤber die Bloͤdigkeit der menſchlichen
Memori und Gedaͤchtnuß/ daß daſſelbe/ gleichwie alle an-
dere Kraͤfften des Menſchen/ des Boͤſen ſo faͤhig und be-
haltſam/ des Guten aber ſo gar vergeßlich. Welche
manche ſchoͤne Predigt/ ſagt manches Chriſten-Hertz/
hab ich gehoͤrt/ aber koͤnt ichs auch behalten! das wußte der fromme ge-
treue Gott im Himmel/ darum hat Er uns Menſchen eine ſchoͤne/ und
von ihm ſelbs canoniſirte/ Goͤttliche artem memoriæ und Gedaͤchtnuß-
Kunſt fuͤrgeſchrieben/ auff daß Er ja an ſeinem Ort nichts ermanglen
laſſe/ und wir am Juͤngſten Tag mit keiner Entſchuldigung auffkommen
moͤchten/ und daſſelbe Deut. 6, 6. 7. 8. Die Wort/ die ich dir heut ge-
biete/ ſoltu zu Hertzen nemmen/ und ſolt ſie deinen Kindern
ſchaͤrffen/ und davon reden/ wann du in deinem Hauße ſitzeſt/
oder auff dem Wege geheſt/ wann du dich niderlegeſt oder auff-
ſteheſt. Und ſolt ſie binden zum Zeichen auff deine Hand/ und
ſollen dir ein Denckmahl fuͤr deinen Augen ſeyn/ und ſolt ſie
uͤber deines Hauſes Pfoſten ſchreiben/ und an die Thore.
Seind drey unterſchiedliche præcepta mnemonevtica, und zwar die
edelſte/ beſte/ gewiſſeſte/ 1. Depoſitio in cor,du ſolt ſie zu Hertzen
nemmen/ ins Hertz/ als in die Schatz-Kammer/ wir ſollen/ was in die
aͤuſſerliche Sinne fallt/ per [...]λά [...]ειαν ergreiffen/ und wol beylegen/ als
einen Schatz/ den man nicht gern verliert. 2. Exercitatio, die Ubung/
angedeutet durch das reden und ſchaͤrffen/ du ſolt davon reden/
und deinen Kindern ſchaͤrffen. Alle andere Kraͤffte des Leibes nem-
men ab/ und werden muͤd durch viel uͤben/ aber die Seelen-Kraͤfften
wachſen durch Ubung/ und werden dadurch je laͤnger je mehr expolirt/
hinc
[408]Die Neunzehende
hinc Luth. in gloſſ. marginal. uͤber dieſe Wort: Wir ſollen immer
treiben und uͤben/ daß ſie nicht verroſten/ noch vertunckeln/
ſondern ſtaͤts im Gedaͤchtnuß und Wort/ als neu und helle
bleiben. Dann je mehr man GOttes Wort handelt/ je hel-
ler und neuer es wird/ und heiſſet billig/ je laͤnger je lieber.
Wo man es aber nicht treibet/ ſo wird es bald vergeſſen und
unkraͤfftig. 3. Signatio per ſcripturam, picturam, \& ſigna hiero-
glyphica,du ſolt ſie uͤber deines Hauſes Pfoſten ſchreiben/ du
ſolt ſie binden zum Zeichen auff deine Hand. Wir ſollen/ was
wir gehoͤret/ alſobald auffſchreiben/ und gewiſſe heilige Denck-Mahl
machen/ als bey den Juden geweßt die phylacteria, die Laͤplein und gele
Schnuͤrlein/ an den Fittichen ihrer Kleider. Num. 15, 37. Rede mit
den Kindern Jſrael/ ſagt Gott zu Moſe/ und ſprich zu ihnen/
daß ſie ihnen Laͤplein machen an den Fittichen ihrer Kleider/
unter allen euern Nachkommen/ und gele Schnuͤrlein anff die
Laͤplein anff die Fittich thun. Das iſt der Methodus gleichſam in
actu ſignato.
Eben dieſe Kunſt hat der groſſe Himmliſche Lehrer Chriſtus in actu
exercito practicirt/ der von ſich ſelbſt zeuget/ Joh. 5, 19. Was der Sohn
ſiehet den Vater thun/ das thut gleich auch der Sohn. Dann
dieweil an ſeines Namens Gedaͤchtnuß alles ligt/ ſo hat er auch verſpro-
chen 1. Cordialem depoſitionem, er wolle mit ſeinem Gottes-Finger/
dem H. Geiſt/ den Bund des Neuen Teſtaments in unſere Hertzen ſchrei-
ben. Jch wil mein Geſetz in ihr Hertz geben/ und in ihren Sinn
ſchreiben.Jer. 31, 33. Es haben vor Zeiten die Alten ihre Liebhaber und
dero Bildnuß pflegen in ſonderbaren Kleinodien gegraben/ auff dem
Hertzen zu tragen/ damit ſie es immer fuͤr Augen haͤtten/ und des Lieb-
habers dabey gedencken moͤchten. Die Goͤtzen-Knecht haben gar ihrer
Goͤtzen Bildnuß pflegen mit feurigen/ brennenden Eiſen auff die Bruſt
zu pfetzen.
‘Sub hæc tempora maleficiis uſos eſſe Judæos, \& Deorum imagines non in an-
nulis ſolum, \& laminis, ſed etiam in corporibus candenti ferro inuſtas ge-
ſtaſſe, docet Joacim Joſiæ filius, qui Deorum, quos coluit, in carne ſua ge-
ſtabat effigies, ut docet hiſtoria ſcholaſtica, in lib. 4. Reg. c. 39. \& Abul. in
l. 4. Reg. c. 25. q. 39. quod colligi putat ex lib. 2. Paralip. c. 36. ꝟ. 8. Hæc
Sanctius in Ezech. p. 345.’ ()
Alſo wil Chriſtus/ ſoll ihn auch ein liebhabendes Hertz auff der Bruſt
tragen/ ſetze mich wie ein Sigel auff dein Hertz/ und wie ein
Sigel
[409]Predigt.
Sigel auff deinen Arm.Cant. 8. 6. Er fordert 2. Exercitationem, er
wil immer geuͤbt ſeyn/ man ſoll allezeit von ihm ſingen und ſagen/ ſein
Wort treiben und uͤben/ leſen und meditiren/ und gleichſam ſchaͤrffen/
Col. 3, 16. Laſſet das Wort Chriſti unter euch reichlich wohnen
in aller Weißheit/ lehret/ vermahnet euch ſelbs mit Pſalmen
und Lob-Geſaͤngen/ und geiſtlichen lieblichen Liedern/ und ſin-
get dem HErꝛn in euerm Hertzen/ und alles was ihr thut mit
Worten und Wercken/ das thut alles im Namen des HErꝛn
JEſu. 3. Signationem per ſcripturam \& impreſſuram per pictu-
ras, wie wir dann nicht verwerffen das Crucifix-Bild und Gemaͤhld
Chriſti/ ob gleich daſſelbe nicht moͤcht eigentlich getroffen ſeyn. Dann
ſo Paulus ſeinen Galatern durch die Predigt Chriſtum fuͤr die Augen
gemahlt/ Gal. 3, 1. Warum ſolts unrecht ſeyn/ denſelben/ doch ohne
Goͤtzen-Dienſt/ fuͤr Augen gemahlt oder geſchnitzelt haben? Sonderlich
aber hat er zu ſolchem End ein monument und phylacterium angerich-
tet im hochwuͤrdigen Abendmahl/ das iſt nicht nur ein Bund und Liefe-
rungs/ ſondern auch ein Denck-Zeichen/ daß wir ja ſeiner nimmer ver-
geſſen. Nicht nur irgends in der Car-Woch/ und Car-Freytag an Jhn
gedencken/ in lauer Andacht/ und fliegender Hitz/ ſondern allezeit/ offt/ dick
und viel. Ein Braͤutigam/ der uͤber Feld reißt/ laͤßt ſeiner Braut da-
heim ein Controfeht/ oder Denck-Ring; So Chriſtus uns im Abend-
mahl ſein Leib und Blut zu einem Merck-Mahl/ biß daß er wider ſicht-
barlicher weiſe kommen wird am Juͤngſten Tag. Ein Teſtator ſihet
mit ſeiner Teſtation weiter nicht/ als auff das loͤbliche Andencken: diß
hat mir mein Vater/ meine Mutter erſpahrt: Alſo ſeind der Erb-Schatz/
die Goͤttliche Amneſti und unſere Gedaͤchtnuß correlatata. Jſt die End-
Urſach auff unſerer Seiten. Davon wir fuͤr dißmal handeln. Stehet
in denen Worten: Solches thut zu meiner Gedaͤchtnuß.Item,
So offt ihr das thut/ ſolt ihr meinen Tod verkuͤndigen.
1. Cor. 11, 26. Gott gebe hiezu abermal ſein Gnad und Segen. Amen.
GEliebte in Chriſto. Zween Umſtaͤnde ſeind hie zu er-
wegen. 1. Objectum memoriæ. 2. Actus memoriæ. Das
Erſte iſt angedeutet in denen Worten: εἰς τηὺ ἐμὴν ἀνάμνησιν,
zu meiner Gedaͤchtnuß. Da wir dann gleich anfangs Gegentheil gar
nicht geſtehen ihre Heyl- und Krafft-loſe Folge/ ſo ſie auß dieſen Worten
erſponnen. Chriſtus ſagt: Solches thut zu meiner Gedaͤchtnuß/ biß
daß ich komme. E. ſo iſt er mit ſeinem Leib und Blut nicht gegenwaͤrtig.
Neunter Theil. F f fGleich-
[410]Die Neunzehende
Gleichwie ein Ehe-Mann/ ein Braͤutigam/ wann derſelbe ſagte: Sihe/
das iſt mein Bild/ mein Denck-Ring/ den brauche zu meiner Gedaͤcht-
nuß/ biß daß ich komme/ der wuͤrde damit zu verſtehen geben/ daß er nicht
gegenwaͤrtig bleibe.
‘Argumentum noſtrum (ait Rivetus Cathol. Orthodox. Tract. 3.
q. 18. p. 142.) hoc eſt, qui dat ſui memoriale, vel alicujus ſuæ
præſtantiſſimæ actionis, uſque dum venerit, dicit quod non ſit
futurus præſens in eo memoriali: Dominus dedit ſui, ſuæque
mortis memoriale, uſque dum venerit: Ergò non eſt præſens in
hoc memoriali. Quemadmodum ſi maritus peregrè profectu-
rus, uxori ſuæ relinquat annulum, aut picturam, quo ſui recor-
detur, uſque ad reditum, oſtendit, ſe non fore præſentem ſub-
ſtantialiter: ita quoque fecit Dominus ſponſæ ſuæ Eccleſiæ.
Sicut memoria paſſionis ejus non eſt ipſa paſſio: ita quoque
commemoratio corporis uſque dum veniat, non eſt ipſum cor-
pus præſens.’ ()
Solte aber dieſe Folge gelten/ ſo muͤßte wahr ſeyn/ Chriſtus waͤre auch
dazumal nicht zugegen geweßt. Nun ſagt Er aber: εἰς τὴν ἐμὴν ἀναμνησιν,
thuts zu meiner Gedaͤchtnuß/ nicht zu meiner Paſſion allein. Ja
er muͤßte auch nach ſeiner Gottheit nicht gegenwaͤrtig geweſen ſeyn. Und
ob wol in pur menſchlichen Sachen dieſe Folg gelten moͤchte/ ſo hats
doch mit der Goͤttlichen Gegenwart eine andere Bewanntnuß. Gott
kehrets grad um/ Exod. 20, 24. An welchem Ort ich meines Nah-
mens Gedaͤchtnuß ſtifften werde/ da wil ich zu dir kommen/
und dich ſegnen. Gegenwart und Gedaͤchtnuß ſind conſentanea bey
Gott/ in Calvini Schul oppoſita. Es kan der Menſch ſeiner ſelbs ver-
geſſen/ warum nicht auch gedencken/ und iſt ihm doch ſelbs præſentiſſi-
mus, die Zukunfft Chriſti zum Gericht præſupponirt keine abſentz/ maſ-
ſen ſeine ſichtbare Zukunfft zum Gericht genennet wird ἐπιφάνεια τῆς πα-
ρουσίας, 2. Theſſ. 2, 8. Jſt alſo id, quod memorandum, Chriſti Perſon/
id quo, alle ſeine Gutthaten/ Empfaͤngnuß/ Menſchwerdung/ Geißlung/
Creutzigung/ ꝛc. Ein rechter Communicant muß gleichſam einen Flug
thun durch den gantzen Paſſion; ſonderlich aber ſeines Tods gedencken/
wie Paulus klar lehret 1. Cor. 11, 26. zuruck gedencken an den vergange-
nen/ angedraͤuten Tod im Paradiß/ und den befahrenden ewigen Tod/
und Chriſti Tod in die mitten ſetzen/ tanquam mortem expiatoriam \&
præſervatoriam, als einen außſoͤhnenden Tod/ der uns vor dem ewigen
Tod
[411]Predigt.
Tod verwahrt. Summa/ es ſtifftet der Henn hie juſta funebria, ſein
Leich-Begaͤngnuß. Wie nun die Kinder Jacob um ihren Vater ſieben
Tag lang Leyd getragen/ und bey der Tennen Atad eine groſſe bittere
Klag gehalten. Gen. 50, 10. Wie es eine Gewohnheit in Jſrael war/
daß die Toͤchter Jſrael hingiengen/ zu klagen die Tochter Jephthah/ des
Gileaditers/ des Jahrs vier Tage/ Judic. 11. ꝟ. ult. Wie gantz Juda
und Jſrael leyd trug um Joſia/ und alle Saͤnger und Saͤngerin ihre
Klag-Lieder uͤber ihn geredet/ 2. Chronic. 35, 25. Alſo ſoll der Tag der
Communion unſer Klag-Tag/ Wein-Tag und Traur-Tag ſeyn/ Chriſti
Tod ſoll in unſern Hertzen neu werden/ und friſche Wunden geben/ wie
ein Ehe-Gatt ſich auff den Tag/ da der Tod geſchehen/ des Verſtorbenen
ſich erinnert/ und ihn von neuem betrauret.
II. Actus memorandi, der iſt nun nicht bloß hiſtoricus, wie man ir-
gend einer alten verlegenen Hiſtori ſich erinnert/ die einen nicht angehet/
ſondern practicus, eine innigliche/ hertzliche/ hertz-brechende Gedaͤchtnuß/
da alle Affecten in der Flamm ſtehen und brennen/ und zwar
I. Recordatio pœnitentialis, ein Buß-Gedaͤchtnuß/ allermaſſen
wie der 38. Pſalm von ſolcher Buß-Gedaͤchtnuß den Titul fuͤhret/ und
von Petro geſchrieben ſtehet/ er gedachte/ ἐμνήϑη, an das Wort JE-
ſu/ und gieng herauß/ und weinet bitterlich.Matth. 26, 75. Wann
groſſe Haͤupter/ maͤchtige Koͤnige/ theure Helden/ Ehe-Gatten/ Eltern/
durch einen ploͤtzlichen Tod hingerafft werden/ ſo halt mans fuͤr ein boͤſes
Omen, als ein Tod/ der durch der Unterthanen Untugenden verwuͤrckt
und verſchuldet worden/ die Cron unſers Haupts iſt abgefallen.
O weh/ daß wir ſo geſuͤndiget haben/ darum iſt auch unſer
Hertz betruͤbt/ und unſere Augen ſind finſter worden/ klaget Je-
remias/ ſonderlich von Joſia/ Thren. 5, 16. 17. Alſo ſtehet auch Chriſtus
da/ das traurige Marter und Zorn-Bild/ uͤber welchen die Goͤttliche Ge-
rechtigkeit den gantzen Zorn außgegoſſen und außgeſtoſſen. Schroͤckli-
che Exempel ſeines Zorns hat Gott mehrmalen ſtatuirt/ an den gefalle-
nen Engeln/ an Adam und Eva/ Sodom und Gomorra/ an ſeinem eige-
nen Volck/ aber kein erſchroͤcklichers als an ſeinem Sohn. Wer ein
Fuͤncklein der Vernunfft hat/ der kan ja leicht ermeſſen/ es muͤſſe ſchroͤck-
lich an Gott gebracht ſeyn worden/ daß er wid er ſeinen eigenen Sohn
ſich gleichſam armirt/ mit dem Schwerdt ſich auffgemacht/ und allen
Paſſions-Waffen geruffen. Die Suͤnde muß ja ein grauſamer Greuel
ſeyn/ weil ſie Gott ſo ſchroͤcklich an unſerm Buͤrgen geſtrafft. Wiltu
derowegen/ O lieber Communicant/ wuͤrdiglich zu gehen/ ſo erinnere dich
F f f ijaller
[412]Die Neunzehende
aller der Schmertzen/ Marter und Qual/ Angſt und Pein/ die dein Hey-
land um deinet willen außgeſtanden. Stelle dich fuͤr das Creutz mit die-
ſen und dergleichen Gedancken: O heilige Seele/ was fuͤr groſſe und
grauſame Hoͤllen-Angſt haſtu empfunden! O blut-rothes Haupt/ wie
ſchmirtzet dich die dornene Kron! O ſchoͤnes Bild/ und ſchoͤnſtes
Menſchen-Kind/ wie Milch und Blut/ mit Marmel und Roſen ge-
mengt/ wie iſt dein heiliges Angeſicht ſo ſchaͤndlich vergeiffert! O ſchoͤne
klare Augen/ wie ſeyd ihr ſo dunckel worden/ wie ſchwimmet ihr in Thraͤ-
nen-Blut! O heilige Ohren/ die ihr der Engliſchen Muſic gewohnt/
was ſchnoͤde Laͤſterung muͤßt ihr hoͤren! O ſuͤſſer Mund/ O liebliche
Lippen/ was fuͤr einen ſauren Eſſig-Tranck muͤßt ihr koſten! O wunder-
Haͤnde/ O ſiegreiche Fuͤſſe/ wie ſeyd ihr durchgraben! Und O du Sohn
des Allerhoͤchſten/ den aller Himmel Himmel nicht verſorgen/ wie haͤn-
geſt du ſo ſchmaͤhlich am Creutz! Wann nun der Buͤrg ſo ſchroͤcklich lei-
det; wie wird es dann dem Selbs-Schuldner gehen? So Gott ſolch
erſchroͤcklich Exempel ſtatuirt an ſeinem Sohn; wie wirds dem Knecht
gehen? So an dem unſchuldigen Lamm Gottes; was hat dann der ſtin-
ckende Bock zu gewarten? O weh mir/ ich habe dieſe H. Perſon an das
Creutz gebracht! O weh/ ich habs verſchuldet/ ich bin der Gottes-Moͤrder!
O weh/ daß wir ſo geſuͤndiget haben/ biſtu nicht felſern/ ſo erſchrick mit dem
Hauptmann/ und ſchlage mit dem Volck an die Bruſt/ erinnere dich dei-
ner Suͤnde/ und dero Groͤſſe und Maͤnge. Mache es wie dort Carolus V.
Thomas Stybarus (ita Gerh. Loc. de Eccleſ. p. m. 1324. in hiſt. relat.
de vita Johann. Frider. \& Henr. Merkel. in relat. de obſid. Mag-
deb. referunt, ipſum ſæpè numero doluiſſe \& pœnituiſſe, quod ſe
inſtigari \& exacerbari adverſus laudatiſſimum Electorem paſ-
ſus fuerit. Nam cum Imperialem Magiſtratum abdicaſſet, \& Fra-
tri ſuo Ferdinando Regi adminiſtrationem ejus commiſiſſet, in
Hiſpaniam conceſſit, \& in Regiâ ſuâ juxta monaſterium quod-
dam vitam conſumſit, ibi tunc omnes res ſuas geſtas, quarum
viginti aut plures fuiſſe referunt, in mappis depingi, eaſque in
monaſterio parietibus circuitus affigi curavit. In iſtum circui-
tum monaſterii illius ſæpè ſe deportari juſſit, ibidemque coràm
mappis pictis ſedit, ſecum ipſe recolens, quid in expeditionibus,
obſeſſionibus, aciebus \& alibi acciderit, quos Duces belli, quos
Centuriones, \& equitum Magiſtros habuerit, quà uſus ſit fortu-
nâ, quibus ſucceſſibus \& infortuniis. Ubi devenit ad eas map-
pas, in quibus Schmalcaldenſe bellum \& captivitas Electoris Sa-
xonici
[413]Predigt.
xonici depicta erant, ingemiſcens ac ſuſpirans dixit: Hunc ſi re-
liquiſſem, qualis fuerat, manſiſſem \& ego, qualis eram.
Du darffſt aber kein ander Gemaͤld/ als ſtelle dich fuͤr das Calendarium
conſcientiæ, da wirſtu dich ſelbs und deinen Unflath mit lebendigen Far-
ben in greßlicher Geſtalt ſehen/ das erkenne/ bekenne/ bereue/ beweine/ ver-
fluche/ pfui dich du Schand-Suͤnd/ ſtelle dir fuͤr zum Exemplar Petrum/
wann der Hanen-Schrey im Gewiſſen mahnet/ ſo dencke an das Wort
JEſu/ und weine bitterlich.
II. Recordatio fiducialis, ein glaubiges Troſt-Gedaͤchtnuß. Wann
du erſt-erzehlter maſſen dieſes Marter-Bilds dich erinnert/ ſo wird ein
Gedaͤchtnuß dem andern die Hand bieten. Ein phreneticus und toller
Menſch achtet des Artztes nicht; aber wem ſonſt nur der Zahn weh thut/
den jagen die Schmertzen zum Artzt: Alſo auch der Suͤnden-Schmertz
zu Chriſto. Da heißts/ liebe Maͤnner/ was ſoll ich thun/ daß ich ſelig
werde? Hieher/ erinnere dich nun auch des Gnaden-Bilds. Bey leib-
lichem Tod und Leich-Begaͤngnuͤſſen faſſet man wieder ein Troſt/ auß
und von wegen der verlaſſenen Erbſchafft/ und Hoffnung der kuͤnfftigen
Aufferſtehung: Alſo auch hie/ richte dich wieder auff mit der Gedaͤcht-
nuß des Erbſchatzes/ der amneſti, und ſeiner froͤlichen Aufferſtehung/
daß Er zwar um unſerer Suͤnde willen dahin gegeben/ aber um unſerer
Gerechtigkeit willen wieder von den Todten aufferwecket worden. Troͤſte
dich mit der Paſſion und Tod Chriſti/ und rede mit deinem Heyland ohn-
gefehr folgender Geſtalt/ Euer Liebe die Wort gleichſam in den Mund
zu legen. O allerheiligſtes Hertz/ O holdſeligſter Braͤutigam JEſu/
was hat dich vom Himmel herab gezogen/ in dieſen Spittal und Jam-
merthal? warum haſtu im Garten am Oelberg dein Leiden angetretten/
warum iſt deine Seele betruͤbt geweſen biß in den Tod? So wird dir dein
Heyland mit dieſem Beſcheid und Antwort begegnen: Auff daß ich dir
die innerliche Freude des Gewiſſens und ewige Freude des Himmels er-
langen/ und deine Welt-Freud buͤſſen moͤchte. Warum haſtu mit dem
Tod gerungen biß auffs Blut? daß ich buͤſſete deinen Apffel-Biß/ und
dich verwahrete fuͤr dem ewigen Tod/ dem Tod den Stachel nehme/ und
deinen Tod in einen ſanfften Schlaff verwandele. Warum haſtu dich
fangen und mit Ketten binden laſſen? Auff daß ich dich von den Stricken
des Todes und Ketten der ewigen Finſternuß moͤchte befreyen. War-
um faͤlſchlich verklaget/ von einem ungerechten Richter zum andern ge-
ſchleppet? Auff daß du nicht ins Gericht kommeſt/ und Friede haͤtteſt.
F f f iijWarum
[414]Die Neunzehende
Warum/ verſpottet/ verſpeyet/ geſchlagen/ mit Purpur gekleidet/ mit
Dornen gekroͤnet? uns das Kleid des Heyls/ und die Cron der Gerech-
tigkeit zuerwerben. Warum gegeiſſelt/ und nackend/ ach nackend da
geſtanden/ und laſſen von dir ſagen/ Sehet welch ein Menſch? Auff daß
du unſern Ungehorſam buͤßeteſt/ das Kleid des Goͤttlichen Ebenbilds
erwuͤrbeſt/ und der himmliſche Vater auch mich anſehe mit Erbarmung:
Ach Vater ſiehe welch ein Menſch. Warum biſtu/ O Geſegneter/ ein
Fluch worden am Holtz/ auff daß du den Segen erlangeſt/ und dich opf-
fern lieſſeſt zum ſuͤſſen Geruch. Damit ich nun dieſes alles feſtiglich
glaube/ ſo bitte ich dich Himmliſcher Vater um den heiligen Leichnam
und Blut deines Sohns/ wie Joſeph von Arimathia/ gib daß ich ihn
mit Myrrhen und Aloes der Buß und Reu ſalbe/ in ein rein Leinwad
des Glaubens einwickle/ in das neue gereinigte Grab meines Hertzens
beylege/ verſigle du das Grab mit dem H. Geiſt/ daß weder Teuffel noch
Welt dieſen Schatz mir auß dem Hertzen raube/ auff daß ich mit mei-
nem Heyland Chriſto ſterbe/ lebe/ aufferſtehe/ gen Himmel fahre/ ewig
herꝛſche und triumphire.
III. Recordatio grata, ein Lob- und Danck-Gedaͤchtnuß/ wie es
Paulus erklaͤrt/ 1. Cor. 11, 26. So offt ihr von dieſem Brod eſſet/
und von dieſem Kelch trincket/ ſolt ihr den Tod des HErꝛn
verkuͤndigen/ biß daß er kom̃t. Jn der Welt pfleget man groſſen
Leuten/ die wegen ihrer Tugend/ Geſchicklichkeit/ Meriten/ ꝛc. beruͤhmt/
zu parentiren/ David hatte Jonathan dieſen Panegyricum geſungen.
2. Sam. 1, 19. ſeqq.Die Edelſten in Jſrael ſeind auff der Hoͤhe
erſchlagen/ wie ſind die Helden gefallen. Sagts nicht an zu
Gath/ verkuͤndigets nicht auff der Gaſſen zu Aſklon/ daß ſich
nicht freuen die Toͤchter der Philiſter/ daß nicht frolocken die
Toͤchter der Unbeſchnittenen. Jhr Berge zu Gilboa/ es
muͤſſe weder thauen noch regnen auff euch/ noch Aecker ſeyn/
da Heb-Opffer von kommen/ denn daſelbſten iſt der Helden
ihr Schild abgeſchlagen/ der Schild Saul/ als waͤre er nicht
geſalbet mit Oele. Der Bogen Jonathan hat nie gefehlet/
und das Schwerd Saul iſt nie leer widerkommen/ von dem
Blut der Erſchlagenen/ und von dem Fett der Helden.
Saul und Jonathan holdſelig und lieblich an ihrem Leben/
ſeind auch am Tode nicht geſchieden. Leichter dann die Ad-
ler/ und ſtaͤrcker dann die Loͤwen. Jhr Toͤchter Jſrael wei-
net
[415]Predigt.
net uͤber Saul/ der euch kleidet mit Roſinfarbe ſaͤuberlich/ und
ſchmuͤcket euch mit guldenen Kleinodien an euern Kleidern.
Wie ſind die Helden ſo gefallen im Streit? Jonathan iſt auff
deinen Hoͤhenerſchlagen. Es iſt mir leyd um dich mein Bru-
der Jonathan/ ich habe groſſe Freude und Wonne an dir ge-
habt/ deine Liebe iſt mir ſonderlich geweſen/ dann Frauen-Liebe
iſt/ wie ſind die Helden gefallen/ und die Streitbaren umkom-
men? Jeremias hatte dem Koͤnig Joſia parentirt. 2. Paral. 35, 25. Alſo
ſollen wir Chriſto auch parentiren/ carminibus, orationibus, concio-
nibus, ſtatuis \& trophæis. Jenes blutfluͤſſige Weiblein hat ihrem
HErꝛn JEſu zu Ehren und Danckbarkeit eine ſtatuam auffgerichtet.
‘Euſeb. Hiſtor. Eccleſiaſt. l. 7. c. 17. his verbis refert. Mulierem illam hæmor-
rhouſam, quam ex Sacris Evangeliis per Servatorem morbo ſuo liberatam
cognovimus, ex prædicta civitate (Cæſarea Philippi) ortam eſſe, ac domum
ejus in illa oſtendi, beneficiique Servatoris in illam collati, admiranda tro-
phæa hactenus durare ferunt. Stare enim ſuprà lapidem ſublimem ante
domus illius fores, æneam imaginem, mulieris in genua procumbentis, ac
manus ante ſe extendentis ad morem ſupplicantis. Deinde è regione hu-
jus aliam ſtare erectam viri imaginem ex eadem materia conflatam, ac di-
ploide ornatè veſtitam, manumque mulieri porrigentem, ad cujus pedes in
eâdem columnâ ignota quædam herbæ ſpecies enaſcatur, \& ad æneam ima-
ginis ſimbriam uſque excreſcens omnis generis morbis medeatur. Hanc
autem ſtatuam imaginem JEſu habere dicunt. Manſit autem ad noſtra
uſque tempora, ſicut \& ab illis videri poteſt, qui in eam civitatem commi-
grant. Nec mirum videri debet, eos qui ex gentibus olim à Servatore no-
ſtro curati ſunt, iſta feciſſe, quando \& Apoſtolorum illius imagines, Pauli
videlicet \& Petri, denique \& ipſius Chriſti in tabulis coloribus depictas aſ-
ſervari vidimus, quod veteres ex gentili conſuetudine, eos quos Servatores
putarunt, ad hunc modum honorare ſoliti fuerint.’ ()
Eben das ſollen wir thun im Hertzen durch ſelige Nachfolg/ in der Ge-
dult/ Demuth/ Gehorſam/ Sanfftmuth/ ꝛc. Dann eben darum werden
die parentationes angeſtellt/ andere anzufriſten/ daß ſie in gleiche Fuß-
ſtapffen tretten/ maſſen die viva exemplaria die kraͤfftigſte argumenta
zur Tugend. Dahero die Edle ihre Wappen und Stamm-Bilder pfle-
gen auffzurichten/ immer deren zu gedencken/ auff daß ſie ihren ruͤhmli-
chen und loͤblichen Vorfahren im Tugend-Preiß nachahnen moͤchten.
Diß ſind alſo die juſta funebria, das Leibfall/ ſo ſollen wir den Tag
unſerer Communion begehen/ der ſoll unſer Traur-Tag/ unſer Carfrey-
tag/ und gleichſam das feſtum expiationis ſeyn. Dann wann die Kin-
der Jſrael den Suͤnden-Bock in die Wuͤſten verbannt/ da mußten ſie
ihren
[416]Die Neunzehende
ihren Leib demuͤthigen/ caſteyen und quaͤlen. Eben das iſt auch unſere
Pflicht. Vor der Welt waͤre es ja eine groſſe Schand/ wann man auff
den Leich-Tag der lieben in GOtt ruhenden/ wolte ſpringen und tantzen.
Da gedencke nun du Unflat/ du Heuchler/ wer du auch biſt/ der du auch
den Tag zuvor Gott nicht ad expiationem und Außſoͤhnung/ und den
Sabbath zur Traur und heiliger meditation auffopfferſt. Laſſeſt dich
im Gegentheil beduncken/ es ſey gnug/ die Ampt-Predigt beſuchen/ die
uͤbrige Zeit aber koͤnne man wol mit Gaſtereyen/ mit Sieden und Bra-
ten/ mit Spielen und Kurtzweilen zu bringen/ O du Unflath! Wer
nun Gott ſeinen Traur-Tag in Freuden-Tag verkehret/ der wun-
dere ſich nicht/ wann Gott nachmahlen auch feine Freude in Trauren
verwandelt. Diß ſind die rechte præparatoria, ſo muß man ſich berei-
ten/ an den Oelberg/ ins Richthauß/ an das Creutz ſpatzieren/ den Zorn-
Gnaden- und Tugend-Spiegel ihm vorſtellen/ und dabey uͤber den Zorn
GOttes lernen erſchrecken/ ſeiner Gnade ſich troͤſten/ und der Suͤnde
von Hertzen feind werden. Da gedencke nun/ du Unflath und Heuch-
ler/ was du thuſt/ der du ohne rechte Buß/ ohne das Hochzeitliche Ehren-
Kleid in lauer Andacht erſcheineſt/ und dahin geheſt wie ein Sau zum
Trog/ und wieder davon/ wie ein Sau in die Muhrlach. Diß iſt das
rechte ὁρμητήριον ἀμνηςείας: So um der Suͤnden willen dieſe heilige
Perſon ſo viel leiden muͤſſen/ ſolteſtu nicht der Suͤnde feind werden/ ver-
geſſen und abſterben: So Er ſo viel dir zu gut gelitten/ ſolteſtu nicht alle
deine boͤſe Affecten und Grollen in dieſem Gedaͤchtnuß verſencken. Aber
wie es geſchicht/ das weiß Gott. Kein Geſchoͤpff iſt ſeinem Schoͤpffer
undanckbarer als der Menſch/ die Elementen ſeind daruͤber erzittert/ die
Sonn erſchwartzet/ die gantze Welt trug leyd/ und verkuͤndiget alſo den
Tod Chriſti. Aber du ſchnoͤder Menſch biſt aͤrger als ein Roß und Maul/
geheſtu herzu/ ſo iſts ein fliegende Hitz/ und laues Weſen/ und hernach wie-
der wie vor/ um kein Haar beſſer. Du kanſt fuͤr Gelt- und Welt-Lieb dein
Hertz nicht erheben/ und ſolche heilige Gedancken auffkommen laſſen.
Chriſtus hat alle Injurien vergeſſen/ und du Wurmhaͤlteſt noch Zorn.
Chriſtus entaͤuſſert ſich ſeines Vaters Schooß; aber du kanſt der Welt
nicht ſatt werden. Aber auch ἀμνηςήριον divinum.Gott wil vergeſſen/
wann wir gedencken/ Gott wil gedencken/ wann wir vergeſſen. Geden-
cken wann du ruffeſt: gedencke meiner mein Gott am beſten/ und nim-
mermehr vergeſſen/ ſo wenig ein Weib ihres Kindes kan vergeſſen/ ſiehe/
in die Haͤnde hat er dich gezeichnet. Ja gedencken am letſten End/ wann
du
[417]Predigt.
du mit dem Schaͤcher ſprichſt: Herr gedencke mein/ wann du in dein
Reich kommeſt. Darum/ wann alsdann mein Suͤnd mich werden
kraͤncken ſehr/ und mein Gewiſſen wird mich nagen/ weil ihr ſo viel als
Sand am Meer/ wil ich doch nicht verzagen. Gedencken wil ich an
deinen Tod/ HErꝛ JEſu deine Wunden roth/ die werden mich erhalten.
Amen.
Die Zwantzigſte Predigt/
Von
Dem Hochzeitlichen Ehren-Kleid
der wuͤrdigen Vorbereitung.
GEliebte in Chriſto. Was maſſen der jenige Un-
flat bey der Koͤniglchen Hochzeit des eingebohrnen
Sohns GOttes ohne das hochzeitliche Ehren-Kleid er-
ſchienen; wie der Herr/ nachdem er in ſeiner ſcharffen
luſtration ſeiner gewahr worden/ ihn angeredt uñ geſagt:
Freund/ wie biſtu herein kommen/ und haſt doch
kein Hochzeitlich Kleid an; was fuͤr ein ſchroͤcklicher Sententz iſt
uͤber ihn ergangen: bindet ihm Haͤnde und Fuͤſſe/ und werffet ihn
in das aͤuſſerſte Finſternuß hinauß/ da wird ſein Heulen und
Zaͤhn-klappen. Daſſelbe vernim̃t E. L. jaͤhrlich auff den 20. Sonn-
tag Trinitatis auß dem Evangelio Matth. 22. Drey Stuck werden
uns dabey in der Lehr vom Hochwuͤrdigen Abendmahl zu behertzigen wol
eingebildet:
I. Præparationis neceſſitas, daß einmal bey dieſer Mahlzeit eine
præparation und Vorbereitung vonnoͤthen/ dann ſo bey weltlicher Mahl-
zeit/ bey einem Fuͤrſtlichen und Koͤniglichen Panquet man zuvor ſich wol
verſehen/ waſchen/ reinigen/ und ſaubere Kleider anlegen muß; wann der
Metzger mit ſeinen blutigen Haͤnden/ der Schloſſer oder Schmidt mit
ſeinem kohl-ſchwartzen Antlitz/ der Kuͤrſchner und Gerber auß ſeiner Beyß/
der Baur von ſeinem Miſthauffen/ und ſo fortan/ alſobald wolte hinlauf-
fen/ der wuͤrde von jederman fuͤr einen groben ſocium gehalten werden.
Warum wolten wir dann Gott nicht auch die Ehr anthun/ und an ſei-
Neunter Theil. G g gner
[418]Die Zwantzigſte
ner Taffel erſcheinen mit rechter Bereitſchafft? Sollen die Jſraeliten
das Oſter-Lamm genieſſen/ mußten ſie ſich zuvor Levitiſch reinigen.
2. Chron. 30. Die Knaben Davids/ wolten ſie vom Schau-Brod eſſen/
mußten ſie ſich zuvor heiligen. 1. Sam. 21, 4. 5. Alſo/ wer bey dem heili-
gen Abendmahl wuͤrdiglich erſcheinen wil/ der darff in ſeiner Suͤnden-
Schwaͤrtze/ Koth und Unflath nicht auffgezogen kommen/ es muß eine
Reinigung und Heiligung vorher gehen.
II. Præparationis modus, woriñ die Præparation ſtehe? Zwar die
Alten/ ſonderlich die Roͤmer pflegten ſich zuvor mit Rennen/ Springen/
Fechten und andern leiblichen Ubungen/ mit Faſten/ mit Oehl ſalben/
mit Fuͤß-waſchen zu uͤben; ſind aber leibliche Ubungen/ die wenig nutzen.
1. Tim. 4, 8. Es hat aber die alte Kirch ſonderlich auffs Faſten gehalten
und getrungen. Placuit Spiritui Sancto (ait Auguſt. epiſt. 118. ad Ja-
nuar.) ut in honorem tanti Sacramenti in os Chriſtiani prius corpus
Domini intraret, quàm cæteri cibi.Es hat der H. Geiſt fuͤr gut
angeſehen/ daß dieſem Sacrament zu Ehren der glaubige
Communicant mit ſeinem leiblichen Munde ehe den Leib Chri-
ſti als andere Speiſen zu ſich nehme. Davon ſagt aber unſer Cate-
chiſmus/ Faſten und leiblich ſich bereiten/ ſeye mehr nicht/ als eine feine
aͤuſſerliche Zucht; Sondern die rechte Præparation beſtehet in der Er-
ſcheinung im hochzeitlichen Feyer-Kleid/ wie Judith ſich geſchmuͤckt.
Judith. c. 12. Es iſt aber daſſelbe Kleid anders nichts als die Juſtitia im-
putata, Chriſtus mit ſeinem gantzen Verdienſt angezogen/ damit muͤſſen
wir prangen/ als die Sternen von fremdem Sonnenſchein. Jſt wol das
ſchoͤne weiſe ſeidene Kleid/ welches der himmliſche Seiden-Wurm Chri-
ſtus geſponnen. Dort Apoc. 7, 13. fragte einer von den Elteſten: Wer
ſeind dieſe mit weiſen Kleidern angethan? Und Johannes ant-
wortet; Dieſe ſeinds/ die ihre Kleider gewaſchen/ und hell ge-
macht im Blut des Lamms. Das Fell des Lamms GOttes/ davon
(gleichwie unſere erſte Eltern ihre Scham bedecket) unſer Schande zu-
gedecket wird. Jſt das ſchoͤne guldene Stuck/ und Hoheprieſterliche
Schmuck/ darinnen wir vor Gott prangen/ das Kleid des Heyls/
Eſa. 61, 10, Apoc. 1, 6. das geiſtliche Brautſtuͤck und Feyer-Kleid/ damit
uns Chriſtus als ſeine Freunde und Gaͤſte berathen nach Lands-Art.
Jud. 14, 12. ςολὴ πρώτη, das beſte Kleid: Wann der verlohrne Sohn in
die Welt gerathen/ und das ſchoͤne Tauff-Kleid und Weſter-Hemdlein
verzettelt; aber nachgehends in wahrer Buß erſcheinet/ ſo gibt ihm der
himmliſche Vater ςολὴν πρώτηυ, Luc. 15, 22. das wolriechende koͤſtliche
Kleid/
[419]Predigt.
Kleid/ darinnen wir/ wie Jſaac/ den Segen erlangen muͤſſen. Gen.
27, 27.
III. Luſtratio divina, daß Gott unter den erſchienenen Gaͤſten
ein Examen anſtelle/ wehe dem/ der da nicht beſtehet/ er wird hinauß ge-
worffen in das aͤuſſerſte Finſternuß/ es heißt mit ihm/ fuͤr der Thuͤr iſt
drauſſen/ der Sententz iſt gefaͤllt/ die Execution wird verſpart biß an den
Juͤngſten Tag. Wollen wir nun auch beſtehen/ und ſtehen fuͤr dieſem
groſſen Koͤnig/ und wuͤrdiglich erſcheinen/ ſo iſt von noͤthen præventio
luſtrationis per ἀυτοκρισίαν, 1. Cor. 11, 31. So wir uns ſelbs richteten/
ſo wuͤrden wir nicht gerichtet. Jſts nicht alſo in der Welt/ wann
man zur Mahlzeit geladen/ ſich geputzt und bekleidet/ ſo ſtellt man ſich vor
den Spiegel/ da muß alles beym Weibs-Volck gleichſam auß der Laden
herauß gehen/ es muß alles eben ſeyn/ die Hauben muͤſſen ihre Ecken ha-
ben/ das Ubermuͤtter und Schleyer alles auffs pravſte und netſte anlie-
gen/ es laſſet andere von ſich judiciren/ wie ſteht es mir an/ iſts auch recht?
alles der Welt zu gefallen/ manche unzuͤchtige Perſonen zu reitzen. War-
um wollen wir dann nicht auch unſerm Seelen-Braͤutigam die Ehre
anthun/ und uns fuͤr den Spiegel des Geſetzes und Evangelii ſtellen/ un-
ſer eigen Gewiſſen hoͤren judiciren/ und alſo mit einem Wort uns ſelbs
richten und pruͤfen/ wie Paulus das Wort ἀνάμνησιν erklaͤret und auß-
legt de ἀναμνήσει διακριτικῇ \& [...]οκιμαςικῇ, 1. Cor. 11. Jn welcher Ideâ
wir auch verbleiben/ und die Lehre von der heilſamen Præparation tracti-
ren wollen/ welche vornemlich in drey Stucken beſtehet/ in Betrachtung
1. Dignitatis convivii. 2. Indignitatis noſtræ ac propriæ. 3. Digni-
tatis alienæ.Gott helffe. Amen.
GEliebte in Chriſto. So iſt demnach zur heilſamen
Præparation zum H. Abendmahl vonnoͤthen/ daß wir erwegen
I. Dignitatem convivii. Ein Ehr-liebender Gaſt bedencket
zuvor und mitten in der Mahlzeit wol/ wo er iſt/ und bey wem/ was fuͤr
Tractamenta auffgeſtellet werden/ und ſchicket ſich/ daß er kein Fehler
oder Unhoͤfflichkeit begehe/ entweder per curioſitatem und Fuͤrwitz/ oder
ruſticitatem, und ſaͤuiſche Unflaͤtherey. Salomon hat eine feine Tafel-
Regul fuͤrgeſchrieben/ Prov. 23, 1. Wann du ſitzeſt und iſſeſt mit ei-
nem Herꝛn/ ſo mercke/ wen du fuͤr dir haſt. Wiſſe das mit groſ-
ſen Herren boͤß Kirſchen eſſen iſt/ ſie werffen einem die Stiehl in das Ge-
ſicht. Hoff-Suppen ſchmecken wol/ man muß aber hohe Spruͤng dar-
nach thun. Setze ein Meſſer an deine Kehle/ wiltu das Leben
G g g ijbehal-
[420]Die Zwantzigſte
behalten. Wie du ein Schwerdt an den Guͤrtel bindeſt/ alſo henge
gleichſam auch ein Schwerdt an deinen Hals/ ſiehe zu/ daß du dich ver-
wahreſt fuͤr Trunckenheit/ vor Verraͤtherey des heimlichen. Plerumque
etiam Principes vino utuntur ut equuleo. Ambroſ. l. de Elia \& jejun.
c. 17. Groſſe Herren brauchen gemeiniglich den Wein an ſtatt
einer Folter/ die Warheit damit herauß zu preſſen. Das wil nun der
Apoſtel auch von uns haben/ wir ſollen den Leib des Herrn recht unter-
ſcheiden. Betrachten/ wer der Gaſtgeber/ nemlich der Richter? was fuͤr
Speiß/ nemlich der Leib und Blut Chriſti? deren Mißbrauch der Herr
ſo wenig kan ungerochen laſſen/ als wann ein Schwein und Unflath bey
der Tafel die vorgeſtellte Speiß wuͤrde wieder mit Unluſt von ſich geben/
oder gar mit Fuͤſſen tretten/ und den Wein verſchuͤtten. Was fuͤr Ge-
heimnuß darunter verborgen? nemlich ϕρικτὸν καὶ ὁμολογουμὲ [...]ως μέγα
μυςήριον, ein kuͤndlich groſſes Geheimnus/ daruͤber jederman billig er-
ſchrecken und erzittern ſoll/ ein Geheimnuß/ darein die Engel geluͤſtet zu
ſchauen/ ein verborgenes Eſſen. Da huͤte dich fuͤr der Curioſitaͤt/ daß dir
nicht widerfahre/ was dort den Behſemiten/ 1. Sam. 6. Dann als das
groſſe Heiligthum und hoch-troͤſtliche Geheimnuß der Bunds-Laden/ der
heiligen Wohnung GOttes/ auß der Hand und Land der Philiſter wie-
der zuruck kommen/ an beſagtem Flecken Bethſemes angelendet/ und
aber hierauff das Volck an allen Enden und Orten der Nachbar-
ſchafft/ mit hellem Hauffen/ mit ungeſaͤuberten Fuͤſſen zugelauffen/ dieſes
Kleinod und Geheimnuß entbloͤſet/ erſuchet/ mit fuͤrwitzigen Augen hin-
ein geſchauet/ betaſtet und angeruͤhret/ ſo ergrim̃et der Zorn des Herrn/
verhenget ϑεόπεμ πτον κακὸν, wie es Joſephus nennet/ eine gifftige anſte-
ckende Peſtilentz/ davon 50000. und 70. Perſonen jaͤmmerlich hingerafft
und umkommen/ daß ſie daher geſagt und außgeruffen: Wer kan ſtehen
fuͤr dem Herrn/ ſolchem heiligen Gott? 1. Sam. 6, 20. Warhafftig
wer dieſem Geheimnuß nachdencket/ der muß mit Forcht und Zittern
hingehen. So Eſaias ſagt: Wehe mir/ ich vergehe/ denn ich bin
unreiner Lippen/ und wohne unter einem Volck von unreinen
Lippen/ denn ich habe den Koͤnig den HERRN Zebaoth ge-
ſehen mit meinen Augen.Eſa. 6, 5. Wieviel mehr/ wann es heißt:
Jch habe den Leib und eigen Blut des Herrn Zebaoth gegeſſen und ge-
truncken. So pruͤfe dich nun/ ob du diß Geheimnuß mit ſolchem Re-
ſpect angeſehen?
II. Propriæ indignationis æſtimationem. Ein Gaſt/ wann er er-
wogen/ wo er hingeladen und fuͤr wem er erſcheinen ſoll/ ſo gehet er in ſich
ſelbs/
[421]Predigt.
ſelbs/ und betrachtet ſeine Unwuͤrdigkeit/ ſonderlich wann er nacket/ zer-
riſſen/ und wuͤſt gekleidet/ am allermeiſten wann er einen Mangel am
Leib/ irgend hofferig/ krum̃ iſt/ und einen ſtinckenden Athem/ oder ſonſt ei-
ne erbliche Kranckheit an ihm hat. Ein ſchoͤnes Exempel haben wir an
dem hinckenden Mephiboſeth/ dem Sohn Jonathan/ 2. Sam. 9. Dann
als David ihn ſo hoch begnadet/ daß er ihm nicht allein den Acker Sauls
wieder gegeben/ ſondern auch geſagt: Du ſolt taͤglich auff meinem
Tiſch das Brod eſſen. So gedencket Mephiboſeth an ſeinen ſchwa-
chen hinckenden Leib/ an ſein zwar Koͤnigliches/ aber nunmehr ſtincken-
des Herkommen/ betet an/ und ſagt: Wer bin ich dein Knecht/ daß
du dich wendeſt zu einem todten Hund/ wie ich bin? Das beſte
Exempel ſolcher ἀυτογνωσίας und Selbs-Erkanntnuß haben wir an un-
ſerm erſten Vater Adam/ der ſtellet ſich nach dem Fall fuͤr den Spiegel
des Geſetzes/ und ſeines eigenen Gewiſſens/ wird gewahr/ daß er bloß und
nackend. Er war kein Kind/ daß er nit auch zuvor wußte/ daß er nackend
geweſen/ aber er ward nicht gewahr der Fœditaͤt/ ein Kind das ſchaͤmet
ſich nicht; ein alter Menſch aber/ in dem ſich die boͤſen Begierden regen/
der ſchaͤmet ſich. Pudor eſt ϕό [...]ος τῆς ἀδοξίας, ſagt Ariſtoteles. Nudi
erant, (Auguſt. de Civ. Dei l. 14. c. 17.) \& non confundebantur, non
quod eis ſua nuditas eſſet incognita: ſed turpis nuditas nondum erat,
quia nondum libido membra illa præter arbitrium commovebat.
Das iſt: Sie waren nackend und ſchaͤmeten ſich nicht/ nicht/
als ob ihnen ihre Bloͤße unbewußt: ſondern weil ſie dazumal
noch nicht mit Schande verbunden geweßt: maſſen die boͤſe
Luſt ſich wider Willen in ihren Gliedern nicht gereget. War
alſo bey Adam agnitio nuditatis, affectuum \& vulneris conſcientiæ.
Es waren ihme ſeine Bloͤße/ boͤſe Begierden/ und Wunden des boͤſen
Gewiſſens nicht unbekant/ Scham begleitete ſeine Schande. Alſo/ O lie-
ber Menſch/ pruͤfe dich ſelbs/ gehe in dich/ ſtelle dich fuͤr den unpartheyi-
ſchen Geſetz-Spiegel/ hoͤre nicht/ was andere von dir ſagen/ dann da moͤch-
te dich der Fuchsſchwantz betriegen/ ſondern dein eigen Gewiſſen/ ſo wirſt
du finden/ daß du biſt arm und elend/ jaͤmmerlich/ blind und bloß/ daß du
mangelſt des Goͤttlichen Eben-Bildes/ der Weißheit/ Heiligkeit und
Gerechtigkeit/ du wirſt finden ein Abgrund und Pful aller Laſter und
Untugenden/ ja/ du wirſt fuͤr deiner Thuͤr ſo viel zu fegen finden/ daß du
andere Leute gar bald vergeſſen wirſt/ die irgend zu Fall kommen/ und
offentlich zu ſchanden worden/ und dich erinnern/ was Chriſtus ſagt:
Matth. 5, 27. Jhr habt gehoͤrt/ daß zu den Alten geſagt iſt/ du
G g g iijſolt
[422]Die Zwantzigſte
ſolt nicht Ehebrechen: Jch aber ſage euch/ wer ein Weib an-
ſiehet/ ihr zu begehren/ der hat ſchon mit ihr die Ehe gebro-
chen in ſeinem Hertzen. Gleiche Bewandtnuß hat es auch mit an-
dern Suͤnden: dazu dann werden kommen der ſtinckende Athem deines
Gottslaͤſterlichen unreinen Mundes/ die Laͤhme der Fuͤſſe zu wandeln
auff dem Wege der Gerechten/ die Schalckheit der Augen/ daß ſie gern ſe-
hen nach der Eitelkeit/ Augen-Luſt/ und hoffaͤrtigem Leben/ die anſtecken-
de Seuche der Verfuͤhrung und Aergernuß/ und ſonderlich die Wunden
des boͤſen Gewiſſens/ die nicht verbunden/ da gleichſam das gantze
Haupt kranck/ das gantze Hertz matt/ von der Fußſohlen an biß auff die
Haupt-Scheitel nichts geſundes/ ſondern lauter Striemen/ Wunden
und Eyter-Beulen/ die nicht gehefftet/ noch mit Oehl gelindert ſeind.
Eſa. 1. So abſcheulich dir ein Menſch vorkom̃t/ der unter die Moͤrder
gefallen/ und am gantzen Leib wund geſchlagen worden/ ſo abſcheulich
biſtu fuͤr Gott. So ſchandlich kom̃t dir nicht vor eine Stroh-Hochzeit/
deren die ihre Jungfrauſchafft verzettelt/ du biſt eben ein ſolcher fuͤr Gott/
biſt du nicht allerdings ſchamloß/ iſt noch ein ehrlicher Bluts-Tropffen in
deinem Hertzen/ ſo wirſtu dich ſchaͤmen/ es werden dir die Augen auffge-
hen/ du wirſt dich verkriechen/ wie Thamar/ 2. Sam. 13, 19. von deren die
Hiſtori meldet/ daß/ nachdem ſie von ihrem Bruder Amnon geſchwaͤcht
worden/ ſie Aſchen auff ihr Haupt geworffen/ den bunten Rock zerriſſen/
den ſie an hatte/ ihre Hand auff das Haupt gelegt/ daher gegangen und
geſchryen/ und ledig geblieben in Abſalom ihres Bruders Hauß. Das
iſt/ ſie hat ſich ingehalten/ nicht mehr als eine Jungfrau mit ihrem Krantz
unter die Leuthe gegangen. Urſach uͤber Urſach wirſtu finden zu ſchreyen
und zu ſagen: Jch bin ein todter Hund/ Staub und Aſchen/ nicht
werth/ daß du unter mein Dach geheſt.Matth. 8, 8. Vater/ ich
habe geſuͤndiget im Himmel und fuͤr dir/ und bin nicht werth/
daß ich dein Sohn heiſſe.Luc. 15, 18. Hie pruͤfe dich abermal/ ob du
in deinem Hertzen alſo geſinnet/ ob du das γνῶϑι σεαυτὸν recht practicirt?
III. Alienæ dignitatis [...]οκιμασίαν. Ein Ehrliebender Gaſt/ wann
er nun auff einer Seit ſeine Nichtigkeit/ auff der andern aber die Noth-
wendigkeit des Befehls und herꝛlichen Nutzens erwogen/ was ſoll er
thun? er lehnet ein fremdes Kleid/ gibt acht/ ob es ihm recht/ ob es ſeine
Scham gantz bedecke/ und ſiehet hierinnen genau zu/ daß er kein Fehl-Griff
thue: Alſo/ ſoll der Menſch mit Adam greiffen nach dem Feigen-Baum/
Feigen-Blaͤtter zuſammmen flechten/ Schuͤrtze darauß machen/ und die
Schame
[423]Predigt.
Schame damit bedecken/ die Suͤnde excuſiren/ extenuiren/ und ſich
klar ſchoͤn machen/ ey es hat nicht ſo viel zu bedeuten/ es ſchadet nichts/ ich
bin eben ſo gar boͤß nicht? Ach nein. Gott laßt Jhm kein Aug verklei-
ben/ Er laßt ſich nicht mit der Heucheley bezahlen. Sollen wir dann
nach der Muͤnchs-Kutt/ oder eigenen Wercken/ Meriten und Bußen
greiffen? Ach das iſt pannus menſtruatæ, ein verlumptes/ zerflicktes/
und unflaͤtiges Kleid/ gleich dem Kleid Joſephs/ das ſeine Bruͤder in
Blut gedunckt/ und ſich damit fuͤr dem Vater beſchoͤnen wollen. Son-
dern wir muͤſſen uͤber GOttes Kleider-Kaſten gehen/ in ſeinen Gaden/
und da außnem̃en/ und entlehnen ein fremdes Kleid/ das ſeidene Ehren-
Kleid der Gerechtigkeit JEſu Chriſti/ das muͤſſen wir anziehen in der
Chriſtlichen Kirch/ in dem muͤſſen wir erſcheinen/ da gehoͤret nun ein
Prob zu/ der Glaubende iſt das nackende duͤrfftige Kind/ ſo diß Kleid er-
greifft und anzeucht/ haſtu den Glauben/ ſo haſtu diß Kleid. So pruͤfe
dich nun ſelbſt/ ob du im Glauben ſteheſt/ und zwar Ex συμμαρτυρίᾳ Spi-
ritus S. \& tui, zum Exempel/ der Geiſt ſagt: JEſus Chriſtus iſt uns
von GOtt gemacht zur Weißheit/ zur Gerechtigkeit/ zur
Heiligung und zur Erloͤſung. 1. Cor. 1, 30. und Paulus 1. Tim. 1, 15.
Das iſt je gewißlich wahr/ und ein theures werthes Wort/
daß JEſus Chriſtus kommen iſt in die Welt/ die Suͤnder ſe-
lig zu machen. Jtem/ GOtt hat Chriſtum/ der von keiner
Suͤnde wußte/ fuͤr uns zur Suͤnde gemacht/ auff daß wir in
ihm wuͤrden die Gerechtigkeit/ die fuͤr GOtt gilt. 2. Cor. 5, 21.
Entweder halteſtu das fuͤr wahr/ oder nicht; ſo nicht/ ſo ſtraffeſt du Gott
Luͤgen; Glaubſtu aber/ daß Chriſtus auch dir gemacht ſeye zur Gerech-
tigkeit/ Heiligung und Erloͤſung/ daß Er auch dir zu gut in die Welt
kommen/ dich ſelig zu machen/ und dir zur Suͤnde gemacht/ daß auch du
wuͤrdeſt die Gerechtigkeit/ die fuͤr Gott gilt/ ſo magſtu ſprechen auß dem
61. Cap. Eſaiaͤ: Jch freue mich im HErꝛn/ und meine Seele iſt
froͤlich in meinem GOtt/ denn er hat mich angezogen mit den
Kleidern des Heyls/ und mit dem Rock der Gerechtigkeit ge-
kleidet/ wie ein Braͤutigam mit Prieſterlichem Schmuck ge-
zieret/ und wie eine Braut in ihrem Geſchmeide berdet.Ex
effectibus externis, Toͤdtung des ſuͤndlichen Fleiſches/ Streit des alten
und neuen Menſchen/ taͤglicher Buß/ Verlangen nach dem Him̃liſchen/
und nach dem das droben iſt/ Verſchmaͤhung der Welt/ und Verach-
tung alles deſſen/ was irdiſch iſt/ beſtaͤndigem Vorſatz je laͤnger je froͤm-
mer
[424]Die Zwantzigſte
mer zu werden. Und dann auß dem aͤuſſerlichen Tugend-Schein/ ſon-
derlich der Sanfftmuth/ hertzlichem Erbarmen/ Freundlichkeit/ Demuth/
Gedult/ Verſoͤhnlichkeit gegen dem Naͤchſten/ Matth. 5, 25. Daß/ wann
du deine Gabe auff den Altar opfferſt/ und wirſt allda eingedenck/ daß
dein Bruder etwas wider dich/ oder du wider ihn/ du fuͤr dem Altar dei-
ne Gabe laſſeſt/ und hingeheſt/ verſoͤhneſt dich mit deinem Bruder/ und
kom̃ſt und opfferſt deine Gabe.
Diß iſt nun præventio luſtrationis, der Spiegel der wuͤrdigen und
unwuͤrdigen Gaͤſte/ und gleichſam der Außſchuß/ demnach allhie außzu-
muſtern/ die angezogener luſtration und probation nit maͤchtig. Als die
Inhabiles und Unfaͤhige/ die albereit durch den Tod dahin gegangen/ und
geſtorben/ deßgleichen die quaſi mortui, bey denen in der aͤuſſerſten Todes-
Schwachheit alle Kraͤfften allbereit dahin/ daß ſie um ſich ſelbs nichts
mehr wiſſen/ obwol weiland dieſer Mißbrauch und Aberglauben in die
Kirch an etlichen Orten eingeriſſen.
‘Eouſque proceſſit ſuperſtitio, \& illa quidem vetus, quibuſdam in
locis, ut mortuorum ori fuerit impoſitum (Sacramentum,) vel
ſtomacho applicatum, \& cum cadaveribus ſepultum. In Legen-
da Baſilii legimus, tertiam partem Euchariſtiæ ſecum ſepeliendam, re-
ſervaſſe. Apud Gregorium in Dialogis lib. 2. cap. 24. Benedictus juſ-
ſit communionem Domini corporis in pectus defuncti reponi, \& ſic tumu-
lari. Quod abolitum fuit Canone VI. Concilii III. Carthag.
Placuit ut corporibus defunctorum Euchariſtia non detur. Ita Rivet.
Cathol. Orthod. part. 2. p. 199.’ ()
Die junge Kinder/ als welche/ wie ſie ſich nicht pruͤfen/ alſo auch den
Tod des Herrn nicht verkuͤndigen koͤnnen. Anders abermal als in
der erſten Kirch. Abſtemii abſolutè, die gar kein Troͤpfflein Weins zu
ſich nemmen koͤnnen/ deßgleichen die Furioſi, Bloͤdhaͤuptige/ Taube und
Stumme/ die gar kein Zeichen des Glaubens von ſich geben.
Inveniuntur (ita Eraſm. Brochmand. Loc. de Cœnâ. caſ. 10. p. m. 477.)
qui ſurdos \& mutos penitus arcent à Sacræ Cœnæ celebratione.
Sed opus hîc eſt piâ circumſpectione; ac omninò neceſſe eſt, ut in-
ter diverſi generis ſurdos \& mutos diſtinguatur. Etenim I. dantur
muti \& ſurdi, qui nati ſunt integris ſenſibus, ſed ſenſuum integrita-
tem \& uſum poſteà caſu aut morbo amiſerunt. Hi ante amiſſos,
ſenſus, ſi capita religionis Chriſtianæ didicerunt, \& ſacris con-
cionibus,
[425]Predigt.
cionibus, quando ſenſus adhuc integri erant, crebrò interfuerunt,
\& certis ſignis poſt amiſſum auditus \& loquelæ uſum teſtatum fa-
ciunt, ex animo optare ſe, ut ad ſacram Cœnam admittantur, neuti-
quam ipſis denegandum eſt ſacrum hoc epulum. Cum enim tales
norunt Chriſtum, ac apti ſint, qui ſeipſos probent. 1. Cor. 11, 28. quid
quæſo impediet, quo minus ad menſam Dominicam, tanquam di-
gni convivæ admittantur. Nam ne judicentur pejores aliis, ob ſo-
lam auditus \& loquelæ privationem, ſeverè interdicit Jehovah,
Exod. 4, 11. Quis ſtatuere potest mutum aut ſurdum, aut ſenſibus fallentem,
aut cœcum? nonne ego, qui ſum Jehovah? Et Chriſtus interrogatus
Joh. 9. ꝟ. 1. 2. ſeq. an hominis à nativitate cœci parentes, an ipſe pec-
caſſet, ut cœcus naſceretur; reſpondit: ne[q] hic peccavit, ne[q] parentes
ejus: ſed ut opera DEI manifeſta fierent in eo. II. Eadem eſto ſenten-
tia de his, qui nati ſunt muti, ſed audiendi facultate præditi. Ejuſ-
modi homines, ſi baptizati ſint, \& de capitibus religionis ita inſti-
tuti, ut certis indiciis teſtari poſſint, tùm, quod in JEſum Chriſtum
credant, tùm, quod Sacramentum hoc ex animo deſiderent: pote-
runt bonâ conſcientiâ ad S. Cœnam admitti: utpote apti ſeipſos
probare. III. Dantur muti \& ſurdi, qui ab ipſa nativitate \& muti
\& ſurdi fuerunt. Extrà autem dubium eſt, quod ad Cœnam S.
admitti non debeant, ſi certis indiciis non doceant, quod doleant
de peccatis, in Chriſtum credant, S. Cœnam, deſiderent, 1. Cor. 11, 28.
Et mox: ibid. p. 479. De furioſis res eſt expeditiſſima. Hos enim
ad S. Cœnam admitti nec poſſe, nec debere, quàm certiſſimum eſt.
Cum enim nemo ad diviniſſimum hoc epulum admitti debeat, niſi
qui ſeipſos probare, \& mortem Domini annunciare poſſunt, teſte
Apoſtolo. 1. Cor. 11. 26. 28. extra dubium autem ſit, quod fu-
rioſi ſeipſos probare, \& mortem Domini annunciare nequeant:
Ecquis non facilè intelligit, graviſſimè peccaturum miniſtrum ver-
bi divini, ſi hominem mente captum ad Cœnam ſacram admitte-
ret. Infantibus priſco ævo porrectam fuiſſe Cœnam S. teſtis eſt
Dionyſius Areopagita. in Eccleſ. Hierarch. cap. 3. tom. 1. p. 126.
Divus Cyprianus de lapſis pag. 240. Auguſtinus, alii. Et teſtis
eſt Maldonatus Jeſuita Comment. in c. 6. Joh. ſententiam hanc cir-
citer ſexcentos annos obtinuiſſe in Eccleſia, Tom. 2. Col. 640. E.
Certiſſima autem reſponſio eſt, neutiquam admittendos eſſe ad
Cœnæ S. uſurpationem infantes, idque quia ſeipſos probare \&
mortem Domini annunciare non poſſunt \&c.
Neunter Theil. H h hWuͤrdi-
[426]Die Zwantzigſte
Wuͤrdige ja die allerwuͤrdigſte Gaͤſte ſeind 1. Indigniſſimi ex ſe. Schei-
net zwar ein paradoxon zu ſeyn/ iſt aber wahr. Weg mit der Wider-
taͤufferiſchen Scheinheiligkeit/ der armen Leute/ die ſich beduncken laſſen/
es lige am aͤuſſerlichen Feigen-Blat/ aͤrgern ſich deßwegen an den ar-
men/ aber bußfertigen Suͤndern. Dann wer auff eigene Wuͤrdigkeit
warten wolte/ muͤßte lang warten/ und doͤrffte niemand zu gehen. ϖρὸς
τυῦτα τίς ἱκανὸς; Wer iſt hiezu tuͤchtig? 2. Cor. 3, 4. Jſt dir derowe-
gen deine Suͤnde leyd/ haſtu das γνῶϑι σεαυτὸν bußfertig erwogen/ ſo be-
ſinne dich nicht lang/ und halte dich nicht auff mit unzeitiger Unhoͤfflich-
keit/ ſchaͤme dich nicht wie Petrus/ da er nackend war/ Joh. 21, 7. und
ihm die Fuͤſſe nicht wolt waſchen laſſen. Die Conſequentz gilt nicht.
Jch bin ein armer Suͤnder/ E. darff ich nicht zum Tiſch des Herrn ge-
hen; Sondern contrà,die Krancken bedoͤrffen des Artzts/Matth.
9, 12. Kom̃t her zu mir/ alle die ihr muͤhſelig und beladen ſeyd/
ich wil euch erquicken.Matth. 11. ꝟ. 28. Den Schwachen im
Glauben nehmet auff.Rom. 14, 1. Jn den Schwachen iſt Got-
tes Krafft maͤchtig. 2. Cor. 12, 9. 2. Dignati alienâ juſtitiâ, die
der Herr ſelbs gewuͤrdiget und geheiliget/ Luc. 20, 35. 2. Theſſal. 1, 5.
Apoc. 3, 4. Darum auch der Prediger ſagt: Welche nun der Herr
gewuͤrdiget und geheiliget/ daß ſie mit Frucht herzu gehen moͤgen/ die
tretten herzu mit Chriſtlicher Zucht und Andacht.
Indigni ſeind die Unflaͤther/ die ohne Reverentz hinzu gehen/ grad als
ein Schwein zum Trog/ und nicht einmal zu Gemuͤth fuͤhren/ was es ſey/
dergleichen Unflaͤther zu Corintho geweßt/ die eine gemeine Zech darauß
gemacht/ wie es ihnen Paulus verwieſen. 1. Cor. 11, 20, 21. Die Impu-
dentes, die ihre Unart und Bloͤße nicht erkennen/ ſich derſelben nicht
ſchaͤmen/ bleiben bey ihrer alten Weiß/ laſſen ruffen und ſchreyen/ wie die
wilden Leute/ von welchen Letius ſchreibet/ daß ſie keine Hemder anlegen
wollen/ vorgebend/ es waͤre Lands Art/ die gefangene Weiber/ wann ſie
gleich mit Geiſſeln gezwungen worden/ Kleider anzulegen/ haben ſie ſie
dennoch zu Nacht wieder von ſich gethan/ und alſo in der Jnſul nackend
herum geloffen. Solche unverſchamte Leute ſeind auch die/ die in ihrer
Unwiſſenheit und Suͤnden-Greueln allezeit fort gehen. Ach mein Gott/
wieviel ſeind deren! Cauteriati, die gefrorne/ ſtein feſte/ fuͤhl-loſe Stoͤck
und Ploͤcke/ die dermaſſen verhartet/ daß ſie durch nichts zur Buße zu be-
wegen/ ſondern in ihrem alten Trab dahin gehen/ ein Jahr wie das ander.
Sonderlich die Unverſohnliche. Oeffentliche Rechts-Haͤndel ſeind hie
nicht gemeinet/ Paulus limitirt ſelbs. Jſts muͤglich/ ſo viel an euch
iſt/
[427]Predigt.
iſt/ ſo habt mit allen Menſchen Fried.Rom. 12, 18. Solche
Leute ſeind gleich den Bruͤdern Joſeph/ die frech und ohne Scheu fuͤr
ihren Vater getretten/ ohnangeſehen ſie ihren Bruder verkaufft. Und
dieſer aller iſt eine gantze Welt voll. Maſſen die Suͤnden nach dem
Abendmahl wieder erfriſchet/ Zeichen ſeind/ daß allezeit mehr Schwein
als Schaͤfflein erſchienen. Nun dieſe alle haben ihren Sententz: Bin-
det ihnen Haͤnde und Fuͤſſe/ und werffet ſie in das aͤuſſerſte Finſternuß/
da ſeyn wird Heulen und Zaͤhnklappen. Matth. 22, 13. Laßt uns im
gegentheil auß Chriſtlicher Sorgfalt angelegen ſeyn/ was ſonſten die
Mammons-Diener auß heydniſchem Mißtrauen: Womit werden
wir uns kleiden?Matth. 6, 31. Trachten nach dem Kleid des Heils/
und Rock der Gerechtigkeit JEſu Chriſti/ und wann wir ihn durch wah-
ren Glauben erlanget/ wol auffheben/ deſſen uns erinnern/ wann wir
uns nackend ſehen/ wann wir auff ſtehen und niderligen/ damit wir der-
mal eins in ſolchem Kleid fuͤr Gott erſcheinen/ und mit himmliſcher
Glori angezogen und uͤberkleidet werden moͤgen. Amen.
Die Ein und Zwantzigſte Predigt/
Von
Dem Lob-Spruch der ſůſſen Wunder-
Thaten/ die Chriſtus im H. Abendmahl
geſtifftet.
GEliebte in Chriſto. Obwol dieOpinionvom
Schwanen-Geſang/ da von den alten Philoſophen/ und
ſonderlich Ariſtotele l. 9. hiſt. animal. 12. allzu einfaͤltig
geglaubet worden/ als pflege derſelbe als ein Prophet/
ſeinem Tod mit einem Lied vorzuſpielen/ daher der Poet
ſagt:
‘
Cantator Cygnus funeris ipſe ſui.
‘
Stim̃t er ein klaͤglich' Muſic an.
H h h ijObwol
[428]Die Ein und Zwantzigſte
Obwol/ ſag ich/ dieſelbe Meynung auff dem Grund der Warheit nicht be-
ſtehet/ und nunmehr fuͤr eine Fabel und Gedicht gehalten wird/ davon
auch Plinius lib. 10, 23. ſchreibet: Olorum morte flebilis narratur cantus,
falſis, ut arbitror, aliquot experimentis. Man erzehlet/ daß die Schwa-
nen fuͤr ihrem Tod ein klaͤglich Geſang pflegen anzuſtimmen/ wie ich aber
darvor halte/ beruhet ſolche Relation auff ungegruͤndeten Gruͤnden. So
haben doch die lieben Alten/ ſonderlich ex hypotheſi, ſich damit erluſtiget:
die welt-weiſen Philoſophi zwar habens von den Gelehrten gedeutet/
welche je naͤher ſie zu dem Tod kommen/ je lieblicher ſie ſingen/ das iſt/ je
ſchoͤner/ je reiffer/ je heilſamer ſeind ihre meditationes, Gedancken und
Conſilia; wie dann ſolche carmina cygnea geweſen das Teſtament Ja-
cobs. Gen. 49, 3. das Valet-Lied Moſis/ Deut. 32, 1. die letſten Wort Da-
vids/ 2. Sam. 23, 1. ſeqq. der herꝛliche und freudige Spruch Simeons/ Luc.
2, 29. Wohin dann auch billig gehoͤret in der letſten Welt der Saͤchſiſche
Schwan Lutherus, davon Johann Huß 100. Jahr zuvor propheceyet/
ſprechend: Jetzt bratet ihr ein Ganß/ aber uͤber hundert Jahr wird ein
Schwan kommen/ den werdet ihr nicht braten koͤnnen. Dieſer letſte
Prophet hat der Welt das ſchoͤne Schwanen-Geſang des ewigen Evan-
gelii geſungen: Maſſen ſolches auff dem weiſen Berg/ das iſt Witten-
berg/ an der Elb/ beym weiſen und weiten Berg/ erfuͤllet worden.
Wie nun die Lehrer der Kirchen ſich nicht geſcheuet/ ex hypotheſi,
wanns wahr waͤre/ ſolch Schwanen-Geſang geiſtlicher weiß zu deuten/
wie ingleichem auch geſchehen mit dem erdichteten Pelicanen/ dem Vogel
Phoͤnix/ deren ſich die alte Lehrer/ Athenagoras, Hieronymus, Cyrillus,
Auguſtinus bedienet/ ein und anderes Geheimnuß darunter vorzubilden:
Alſo moͤgen wir auch wol von dem jenigen hymno, den Chriſtus unmit-
telbar nach der Einſatzung des H. Abendmahls ſamt ſeinen Juͤngern
geſungen/ ſagen/ daß er gleichſam ſein Schwanen-Geſang geweßt/ damit
er ſein Teſtament beſchloſſen/ und mit Freuden in den Tod gegangen.
Gleichwie die drey Geſellen und Maͤnner Danielis auch mitten im feu-
rigen Ofen geſungen: alſo ob Chriſtus wol wußte/ daß allenthalben ſchon
das Feur eingelegt/ und um ihn loh-hell brenne/ hat er doch deſſen unge-
acht mit Freuden geſungen/ wie dann das Wort den Verſtand hat/ Act.
16, 26. Was aber das Thema geweſen/ und der Text/ iſt die Vermuthung/
er habe geſungen nach Juͤdiſchem Gebrauch das groſſe Halleluja/ davon
der bekehrte Jud Paulus Brugenſis bezeugt/ daß es geweſen der 111. biß
auff den 118. Pſalmen/ wie E. L. zu dieſer Paſſions-Zeit vernommen.
Darinnen ſie ſich ſonderlich erinnert der Wunder GOttes/ Pſalm. 111/4.
Er
[429]Predigt.
Er hat ein Gedaͤchtnuß geſtifftet ſeiner Wunder/ der gnaͤdige
und barmhertzige HErꝛ. Verſteht ſich zwar vom Oſter-Lamm/ wir
moͤgens aber gar wol deuten auff das Sacrament des Abendmahls/ da
Gottjuſta funebria geſtifftet/ friſche Wunder zu erwecken/ da ſich eine
rechte σ [...]δρομὴ admirandorum und Zuſammenflieſſung der herꝛlichſten
Wunder erzeiget. Wann wir dann biß dato auch ſolche admiranda Eu-
chariſtica in 20. Predigten durch Gottes Gnade betrachtet/ und angezei-
get/ wie wir in bußfertiger/ glaubiger Gedaͤchtnuß und Reverentz dieſelbe
anſehen und betrachten ſollen/ ſo wollen wir ſie anjetzo in einen faſciculum
zuſammen faſſen/ und alſo auch mit unſerm Lob-Spruch der Lehre vom
H. Abendmahl ein Ende machen/ zuvor aber eine kurtze Repetition an-
ſtellen/ deſſen was biß daher gehandelt worden. Jch ſtimme den Lob-
Geſang an. E. L. gebuͤhret nachzuſingen. Wir bitten abermal/ man
wolle den Eſel der Vernunfft unten am Berg ſtehen/ und durch die blin-
den und lahmen Vernunffts-Goͤtzen ſich nicht blenden laſſen/ Fleiſch und
Blut ihre Phantaſien verbieten/ mirando non rimando zu dieſem my-
ſterio tretten/ ſo werden wir reichen Nutzen davon haben. Amen.
GEliebte in Chriſto. So beſtehet demnach der gantze
Panegyricus Euchariſticus und Lob-Geſang des H. Abend-
mahls I. in Objecto hymni. II. Hymnodiâ \& laudatione ipsâ.
Belangend das Erſte. So laſſen wir anfangs den Paͤbſtlern ihre erdich-
tete falſche admiranda, ſonderlich das admirandum der transſubſtantia-
tion, und Brod-Verwandlung/ als welche ein pur lauteres Schul-Ge-
dicht/ ſo in Gottes Wort kein Fundament/ dann Krafft ſolcher tranſſub-
ſtantiation ſoll es kom̃en ſeyn/ daß/ als Anno 1273. (wie Thomas Bozius
berichtet) zu Aufidi in Piceno ein Weib die Oblat uͤber Kohlen gelegt/
dieſelbe in Fleiſch verwandelt worden ſeye/ und Blut habe von ſich flieſſen
laſſen/ darauff in ein Leinwad eingewickelt/ und unter den Miſt begraben/
darunter es ſieben Jahr lang gelegen/ und groſſe Wunder gethan/ biß ſie
es endlich dem Prieſter gebeicht/ ſo alſobald von ihm auffgehaben/ und
noch heutiges Tages gewieſen werden ſolle. Anderer kraͤfftigen Jrꝛthum
und Zeichen des Anti Chriſts zu geſchweigen: Wir wenden uns vielmehr
zur Wiederholung der warhafften/ in Gottes Wort und in der Einſatz-
ung fundirten und gegruͤndeten Admiranden. Da dann das
I. Θαυμαςὸν, Hoſpes \& idem cibus ipſe. Der wunderbare Herr
und Wirth. Wunderbar iſt ſeine Gegenwart/ daß er da warhafftig am
Tiſch ſichtbar geſeſſen/ mit ſeinem warhafften natuͤrlichen Leibe/ und doch
H h h iijgleichwol
[430]Die Ein und Zwantzigſte
gleichwol unſichtbar ſeinen Leib und Blut zu eſſen und zu trincken/ und
daſſelbe vielen zugleich/ außgeſpendet/ daruͤber ein Capernait ſagen mag/
σκληρὸς λόγος, das iſt ein harte Rede/ wer kan ſie hoͤren! Chriſtus aber
ſpricht im gegentheil πιςὸς λόγος, es ſeye ein theures werthes Wort/ das
Fleiſch iſt nichts nutz. Hie ſtehet das Wort Chriſti/ Eſſet/ das iſt mein
Leib/ Trincket/ das iſt mein Blut. Wir habens droben erklaͤret mit
dem Exempel der Gegenwart Chriſti/ Matth. 8, 5. 13. Daß/ ſo der Herr
mit ſeinem Leib dem Hauptmann auſſer ſeinem Hauß/ und auch zugleich
mit demſelbigen in dem Hauß bey dem krancken Gichtbruͤchigen Knecht/
gegenwaͤrtig ſeyn koͤnnen/ ſo war es auch nicht unmuͤglich/ daß er dazu-
mal in der Stifftung des H. Abendmahls/ mit ſeinem Leib ſichtbarlich
bey ſeinen Juͤngern am Tiſch ſitzen/ und unſichtbarer/ geheimer und ver-
borgener/ Sacramentlicher weiſe/ in/ mit und unter dem geſegneten Brod
und Wein gegenwaͤrtig ſeyn koͤnnen. Noch wunderbarer/ daß der Herr
Wuͤrth und Speiß zugleich geweßt; gleichwie Er anderswo Joh. 10. der
Hirt und doch die Thuͤr des Schaaf-Stalls/ der Wegweiſer und der
Weg/ der Herr des Tempels und doch der Eckſtein/ der Hoheprieſter
und das Opffer/ alſo auch allhie der Speiſemeiſter und die Speiß ſelbſt.
Am allerwunderbarſten aber iſt der fuͤrtringende Liebes-Zwang/ daß Er
auß unvergleichlich groſſer Liebe/ nicht nur ſein Leib und Blut zur Ran-
tzion/ ſondern auch zur Speiß und Tranck und Auffenhalt/ nicht nur ſei-
nen Freunden/ ſondern auch Feinden/ dem Judaͤ Jſcharioth/ gegeben.
Deren Exempel hat man wol/ daß gute Freunde fuͤr einander das Leben
gelaſſen; aber Leib und Blut zur Speiß und Tranck geben/ das hat ihm
niemand nachgethan. Ein Mutter thut viel/ wann ſie ihr Kind ſaͤugt/
aber mit Blut und eigenem Fleiſch die Conſanguinitaͤt bezeugen/ iſt uͤber
alles/ dafuͤr muͤſſen Engliſche Zungen verſtum̃en. Das heißt einem das
Hertz im Leib ſchencken/ nicht ein todtes Hertz/ wie Henricus IV. ſein Hertz
den Jeſuiten vermacht/ ſondern ſein lebendiges/ heiliges/ Goͤttliches Hertz/
das jenige Fleiſch/ das Er in den Tod gegeben zum Verſoͤhn-Opffer/ das
Blut/ daß Er zur Rantzion fuͤr alle und jede Suͤnde vergoſſen.
II. Θαυμαςὸν, Cibi divini mirabilitas, die iſt nun nicht Cleopatræ
Perlin/ die man auff viel Tonnen Goldgeſchaͤtzet/ nicht Manna/ nicht das
geroͤſtete Brod/ krafft deſſen Elias 40. Tag lang erhalten worden/ 1. Reg.
19, 8. ſondern das rechte Himmel- und Engel-Brod/ cibus ἀϑανασίας und
Speiß der Unſterblichkeit/ der Leib/ welcher der Tempel der Gottheit/ der
Baum des Lebens/ das edelſte Opffer/ theurſte Loͤß-Geld/ koͤſtlichſte Artz-
ney/ Gnaden-Thron/ Schatz und Himmels-Pfand. Corpus quod An-
geli
[431]Predigt.
geli videntes horreſcunt, neque audent intueri propter eminentem
inde ſplendorem. Chryſoſt. Hom. 60. ad popul. Antiochen.Der
Leib dafuͤr die Engel erzittern/ wann ſie ihn anſchauen/ wegen
des herꝛlichen Glantzes/ ſo an Jhme herfuͤr leuchtet. Und zwar
der Leib/ ſo ohne Blut nicht beſtehet/ doch ohne Blut außgeſpendet wird/
das iſt ja Wunder. [...]ῶρον βασιλικὸν, ein rechtes Koͤnigliches Geſchenck/
πανδορῶν, darinnen alle andere Gaben mit begriffen/ das verborgene
Manna/ Apoc 2, 7. So dann zum Tranck das Blut/ nicht bloß Men-
ſchen-Blut/ das irgends auch zur leiblichen Geſundheit hilfft/ wie die
Exempel der Epilepticorum bezeugen/ ſondern das heilige Blut/ un-
ſchuldig Hohenprieſterliche Maͤrtyrer-Blut/ Goͤttlich Blut/ und zwar
abermal Blut ohne Leib/ ja das Blut/ das vergoſſen worden/ und auff die
Erde gefallen/ ſanguis ἄφϑαρτος, theures und unverweßliches Blut.
1. Petr. 1, 18. 19. Hebr. 9, 11. 24. ſeqq.
III. Θαυμαϛὸν, præſentiæ \& communicationis ſacramentalis ad-
mirandum, daß nemlich Chriſti Leib und Blut warhafftig/ weſentlich/vid. Salve
Reform.
p. 334. ſeq.
gegenwaͤrtig/ in/ mit und unter dem geſegneten Brod und Wein außge-
ſpendet und mitgetheilet werden. Dann daß dem alſo/ bezeugen die Wort
der Einſatzung/ das iſt mein Leib/ welche keinen andern/ als beruͤhrten
und angezogenen Verſtand leiden. Wie wann St. Petrus in ſeiner
Heroiſchen Pfingſt-Predigt ſpricht: Chriſtus JEſus zur Rechten
Gottes erhaben hat außgegoſſen diß/ was ihr ſehet und hoͤret/
Act. 2, 33. Niemand kein andern concept faſſen kan/ als dieſen/ unter/
mit/ und in dieſen feurigen Zungen iſt der H. Geiſt warhafftig zugegen.
Johannes/ der mit und darbey geweßt/ verſtehts nicht anders/ er ſchreibt/
Drey ſeind die da zeugen auff Erden/ der Geiſt/ und das
Waſſer/ und das Blut/ und die drey ſeind beyſammen. 1. Joh. 5, 8.
Das Blut/ ſagt er/ zeuget/ wann zeuget es? warhafftig im Sacrament/
als einem Goͤttlichen Sigel. Wo? auff Erden: Nicht/ ſagt er/ droben
im Himmel/ ſetzt den Zeugen auff Erden dem Zeugen im Him̃elentge-
gen. St. Paulus ſchleußt kraͤfftig auß dem buchſtaͤblichen Verſtand der
Stifftungs-Wort eine ſolche Concluſion, dergleichen die Calviniſche
Figur und Wort-Blum keine von ſich gebaͤhren kan/ daß das Brod
ſeye eine Gemeinſchafft des Leibs Chriſti/ der geſegnete Kelch
eine Gemeinſchafft des Bluts Chriſti. 1. Cor. 10, 16. heißts κοινωνία,
ſo iſts keine ἀϖουσία. Jſts eine Gemeinſchafft/ ſo iſts eine Vereinigung/
und nicht eine Abweſung. Demnach iſts keine bloſe geiſtliche Glaubens-
Gegenwart; Dann ſonſt wuͤrde Chriſtus auch den Vaͤtern im Alten
Teſtament
[432]Die Ein und Zwantzigſte
Teſtament gegenwaͤrtig geweſen ſeyn. Jſt auch kein raͤumliche und na-
tuͤrliche/ ſondern eine Sacramentliche Gegenwart und Gemeinſchafft/
die man zwar etlicher maſſen mit Gleichnuſſen illuſtriren/ aber in dieſer
Schwachheit nimmermehr verſtehen kan: wie nemlich der H. Geiſt in
der Taubens-Geſtalt/ unter dem Anhauchen/ den feurigen Zungen/ und
dem Tauff-Waſſer gegenwaͤrtig geweſen iſt/ ſo iſt Chriſtus mit ſeinem
Leib und Blut/ in/ mit und unter den geſegneten Symbolis und ſichtba-
ren Zeichen des Brods und Weins gegenwaͤrtig. Jſt abermal ein
Wunder/ daruͤber menſchlicher Verſtand verzuckt wird/ und wir uns
entſetzen und gleichſam verſtummen muͤſſen.
IV. Θαυμαϛὸν, iſt manducatio \& bibitio. Alles Eſſen/ ſo uns in
H. Schrifft ſonſt geoffenbahret worden/ iſt entweder ein figuͤrliches/
verbluͤmtes/ geiſtliches Eſſen/ und hat fuͤr ſich zur Speiſe den gantzen
Chriſtum/ geſchicht mit dem Mund des Glaubens auch auſſer Brod
und Wein: iſt die ordinari/ taͤgliche/ auch im Alten Teſtament uͤbliche/
einig nothwendige/ unablaͤßliche/ unmißbraͤuchliche/ ja ſtuͤnd- und augen-
blickliche Seelen-Speiß/ da ſich das glaubige Hertz mit ſeinem Heyland
Chriſto inniglich vereinbaret/ denſelben ergreiffet/ hertzet und kuͤſſet/
ſchmaͤcket und kaͤuet durch andaͤchtiges Nachdencken/ und in denſelben
ſich ſelbs verwandelt/ von demſelben ſchoͤpffet Heyl/ Leben und Seligkeit;
oder ein warhafftes/ eigentliches/ unverbluͤmtes Eſſen/ ſo da geſchicht
mit dem leiblichen Mund/ und dieſes auff zweyerley weiß/ entweder
natuͤrlicher weiß durch muͤndliches annehmen/ koſten und ſchmaͤcken der
Speiß/ dero nicht allezeit und nothwendig/ ſondern gemeiniglich zufaͤllet
die Zerbeiſſung/ Kaͤuung/ Daͤuung/ Verkochung und Außwerffung
der unreinen Materi; oder es geſchicht/ œconomicè, uͤbernutuͤrlicher/
auſſerordentlicher weiſe/ entweders auſſer einem Sacrament/ wohin ge-
hoͤret das warhafftige/ eigentliche/ wiewol nicht natuͤrliche Eſſen und
Trincken der heiligen Engel/ welche von Abraham gaſtiret worden/ ſo
dann das Eſſen und Trincken Chriſti nach ſeiner Aufferſtehung/ Luc.
24, 43. Act. 1, 17. War zwar ein warhafftes Eſſen/ als darauß Chriſtus
die Warheit ſeines Leibs und geſchehener Aufferſtehung beſtaͤttiget/ aber
gleichwol kein natuͤrliches Eſſen/ maſſen ſolches in und bey einem ver-
klaͤrten Leibe kein ſtatt und platz hat; oder im Sacrament/ in typo,
Fuͤrbild- und Schatten-weiſe/ welcher maſſen im alten Sacrament das
Oſter-Lamm von den glaubigen Jſraeliten/ am Oſterlamms-Fleiſch
das Fleiſch des kuͤnfftigen Meſſiaͤ/ durch den Mund des Glaubens ge-
geſſen worden. Dieſes Sacramentliche Eſſen aber iſt kein natuͤrliches
Mund-
[433]Predigt.
Mund-Eſſen/ oder Mund-natuͤrliches Eſſen/ verdauen/ verbeiſſen/ ver-
kaͤuen/ aber auch nicht ein bloſes geiſtliches Eſſen/ das allein im Glauben
geſchicht/ ſondern ein neues Eſſen/ ein augenblickliches Eſſen/ ein Stuck-
Eſſen/ ein gemein Eſſen/ ſo wol den Wuͤrdigen als den Unwuͤrdigen/ ein
unverbluͤmtes/ warhafftiges/ aber zugleich Geheimnuß-reiches Eſſen/
kan abermal in dieſem Leben nicht vollkom̃lich verſtanden/ wiewol illu-
ſtrirt werden mit dem Exempel Jobs/ der ſagt: Jch werde mit mei-
nen Augen GOtt ſchauen.c. 19, 27. verſtehe mit den Augen des
Leibs/ doch nicht leiblicher weiſe/ mit dem Eſſen der Engel/ und Chriſti
nach ſeiner Aufferſtehung.
V. Θαυμαϛὸν, Virtutis \& effica ciæ mirabilitas. So der todte
Leichnam Eliſaͤi einen Verſtorbenen lebendig gemacht/ ſo Antoninus
von getrunckener Chriſten-Milch geſchlacht/
‘De quo Tertull. ad Scap. Eum lacte Chriſtiano fuiſſe educatum, \& inde mites
hauſiſſe mores, ſi quando feris objectos vidit Chriſtianos, flevit, \& oculos
avertit.’ ()
und jener Wolff/ der Schaafs-Milch getruncken/ zahm worden/ wieviel
groͤſſere Krafft wird dieſer Leib und dieſes Blut haben/ nicht allein zu be-
deuten ſondern auch zu verſiegeln/ zu verſiegeln die Gutthaten/ die uns
Chriſtus erworben/ zuvorderſt den Schluͤſſel zu GOttes Schatz-Kam-
mer/ die ἀμνηϛείαν und Vergebung der Suͤnden/ wo wir nur mit demuͤ-
thiger/ bußfertiger und glaubiger Gedaͤchtnuß und Paſſions-Ubung ih-
me begegnen/ wie Petrus/ der/ als er an das Wort JEſu gedacht/ bitter-
lich geweinet/ dem Raͤtzel vom todten Loͤwen nachdencken/ damit wir das
Feyer-Kleid der Gerechtigkeit erlangen/ und als gewuͤrdigte und gehei-
ligte Gaͤſte erſcheinen moͤgen.
II. Laudatio \& hymnodia, der Lob-Geſang an ſich ſelbſt/ welches
auch allhie die praxis, beſtehet 1. in agnitione \& meditatione, in forſchen
und gruͤbeln. Jn dem/ was uns Gott nicht geoffenbaret/ ſollen wir bil-
lig unſern Fuͤrwitz ſparen/ was er aber uns kund gethan/ da ſollen wir
begierig ſeyn zu lernen/ und die Außlegung zu wiſſen. Chriſtus ſelbs
lobts an ſeinen Zuhoͤrern/ Matth. 13. 11. Euch iſts gegeben/ daß ihr
das Geheimnuß des Himmelreichs vernehmet/ denn wer da
hat/ dem wird gegeben/ daß er die Fuͤlle habe. 2. Evangelizatio-
ne, wann die Kinder fragen/ Man hu? was iſt das? ſollen wir ihnen
antworten/ daß iſt das Gedaͤchtnuß der Wunder GOttes/ hie gilt das
Wort des Engels/ Tob. 12, 8. Der Koͤnige und Fuͤrſten Rath und
Heimlichkeit ſoll man verſchweigen/ aber GOttes Werck ſoll
Neunter Theil. J i iman
[434]Die Ein und Zwantzigſte
man herꝛlich preiſen und offenbaren. Urſach/ jene ſtehen allezeit in
zweiffelhafftigem Event, dieſe aber fehlen nimmermehr. Bey andern
Mahlzeiten heißts/ μισῶ μνήμονα συμπότην, ein Gaſt der alles gar genau
in das Gedaͤchtnuß ſchreibt/ iſt verhaßt. Urſach/ es gehet viel Unver-
nunfft fuͤr. Hier aber je ſchaͤrfferes Gedaͤchtnuß/ je groͤſſere Lieb/ dann
es iſt alles herꝛlich/ loͤblich und weißlich angeordnet. 3. Gratiarum actio-
ne, daher hat auch das H. Abendmahl den Nahmen gewonnen/ daß es
Euchariſtia, oder Danckſagung titulirt worden. Welche Danckſagung
ſich dann erzeigen ſoll Corde, durch heilſame gute Gedancken; auff dieſe
und dergleichen Art und Weiſe: HErꝛ JEſu wohne du in mir/ hiermit
uͤbergib ich dir die Schluͤſſel zum Thor meines Hertzens/ wie einem Un-
terthanen gebuͤhret/ brauche mich zum Gefaͤß deiner Ehre/ wohne da/ be-
wahre es/ ſey du der Koͤnig in dieſer Stadt/ Gott in dieſem Tempel/
Prieſter in dieſem Altar/ Prophet auff dieſer Cantzel/ biſtu der Braͤuti-
gam/ laß mein Hertz deine Braut-Kammer ſeyn/ damit ich dich kuͤſſe/
und mich niemand hoͤhne/ biß du dermal eins die Decke hinweg thun
wirſt/ und mich genieſſen laſſen/ was hie im Glauben/ dort im Schauen/
was hie im Sacrament/ dort im Complement/ was hie in der Zeit/ dort in
Ewigkeit. Opere, alſo daß wir die Gegenwart Chriſti auß dem Tempel
des Hertzens leuchten laſſen/ die abgoͤttiſche/ heydniſche Tempel vor Zeiten
hatten eine eingebildete Majeſtaͤt/ und ſchreibet Lipſius von dem Tempel
zu Loreto, daß ihn ein Schroͤcken ankom̃en vor der Majeſtaͤt des Orts.
Wie vielmehr ſoll ein Chriſt/ ein lebendiger Tempel/ ein χριϛόφορος von
ſich leuchten laſſen Chriſti Freundlichkeit/ Demuth/ Liebe/ ꝛc. ſonderlich
die Gedult/ daß er ſich zum Creutz gefaßt mache. So bald der Herr
den Lob-Geſang geſprochen/ ſo gehet die Paſſion an: Alſo nach dem Sa-
cramentlichen Kelch folget der Creutz-Kelch; Maſſen fromme Chriſten
niemals mehr Anſtoͤß/ Anfechtungen/ und ſcandala haben/ als wann ſie
zum Tiſch des Herrn gehen/ iſt alles des Teuffels Werck/ man ruͤſte
ſich dazu. Verbis, mit dem Seraphiſchen Lob-Geſang/ Eſa. 6, 3. Heilig/
Heilig/ Heilig iſt der HErꝛ Zebaoth/ alle Lande ſeind ſeiner
Ehren voll/ dem Gloria in Excelſis, der himmliſchen Heerſchaaren/
Luc. 2, 14. Ehre ſey GOtt in der Hoͤhe/ Friede auff Erden/ und
den Menſchen ein Wolgefallen. Dem Verwunderungs-Wort
Pauli/ Rom. 11, 33. O welche eine Tieffe des Reichthums/ beyde
der Weißheit und Erkantnuß GOttes/ wie gar unbegreiff-
lich ſind ſeine Gerichte/ und unerforſchlich ſeine Wege/ wer
hat des HErꝛn Sinn erkant? Mit dem Lob-Spruch Davids/
Pſalm.
[435]Predigt.
Pſalm. 103. 1. ſeq.Lobe den HErꝛn meine Seele/ und was in mir
iſt/ ſeinen heiligen Namen/ Lobe den HErꝛn meine Seele/ und
vergiß nicht/ was Er dir Gutes gethan/ der dir alle deine
Suͤnde vergibt/ und heilet alle deine Gebrechen/ der dein Le-
ben vom Verderben erloͤſet/ der dich kroͤnet mit Gnad und
Barmhertzigkeit/ der deinen Mund froͤlich macht/ daß du wi-
der jung wirſt/ wie ein Adler Pſal. 111. Jch dancke dem HErꝛn
von gantzem Hertzen/ im Rath der Frommen/ und in der Ge-
meine. Groß ſind die Wercke des HErꝛn/ wer ihr achtet/ der
hat eitel Luſt daran. Was Er ordnet/ das iſt loͤblich und
herꝛlich/ und ſeine Gerechtigkeit bleibet ewiglich. Er hat ein
Gedaͤchtnuß geſtifftet ſeiner Wunder/ der gnaͤdige und barm-
hertzige HErꝛ. Und Pſ. 118. Dancket dem HErꝛn/ dann Er
iſt freundlich und ſeine Guͤte waͤret ewiglich. Es ſage nun
Jſrael/ ſeine Guͤte waͤhret ewiglich. Man ſinget mit Freu-
den vom Sieg in den Huͤtten der Gerechten/ die Rechte des
HErꝛn iſt erhoͤhet/ die Rechte des HErꝛn behaͤlt den Sieg.
Der Stein/ den die Bauleute verworffen/ iſt zum Eckſtein
worden/ das iſt vom HErꝛn geſchehen/ und iſt ein Wunder
fuͤr unſern Augen. Diß iſt der Tag den der HErꝛ macht/
Laßt uns freuen und froͤlich darinnen ſeyn. O HErꝛ hilff/
O HErꝛ laß wol gelingen! Mit welchen Worten wir auch dieſe
Predigt beſchlieſſen. O Herr hilff/ O Herr laß wol gelingen! Dir
ſey Danck fuͤr alle gute Gedancken/ Gedeyen und Erbauung. Hie ligt
die Cron fuͤr deinem Thron. Nicht uns/ ſondern deinem Nahmen gib
die Ehr. O Herr hilff/ daß dadurch die Unwiſſende erleuchtet/ die
Jrrende bekehret/ das Hertz erneuert/ die Affecten gereiniget/ die Seele
getroͤſtet werde/ und unſer gantzes Leben zu deinem Lob und Preiß/ und
Beſſerung unſers Naͤchſten diene/ biß wir gar heilig und ſelig werden/
und auß der Zeit in die Ewigkeit/ vom Spiegel-Glauben ins helle
ſchauen/ vom Sacrament ins Complement verſetzt/ ewig leben/
und am himmliſchen Tiſch volle Genuͤge haben
und genieſſen moͤgen.
Amen.
J i i ijAnhang
[436]Die Erſte
Anhang
Sieben unterſchiedlicher Predigten
uͤber
Das ſchoͤne und Lehr-reiche Geſpraͤch/
ſo Chriſtus und Martha mit einander
gehalten/
beſchrieben
- Es begab ſich aber/ da ſie wandelten/ gieng Er in
einen Marckt/ da war ein Weib/ mit Namen
Martha/ die nam Jhn auff in ihr Hauß/ und
ſie hatte eine Schweſter/ die hieß Maria/ die
ſatzte ſich zu JEſu Fůſſen/ und hoͤret ſeiner
Rede zu. Martha aber macht ihr viel zu ſchaf-
fen/ ihm zu dienen. Und ſie trat hinzu/ und
ſprach: Herr/ fragſtu nicht darnach/ daß mich
meine Schweſter laͤßt allein dienen? Sage ihr
doch/ daß ſie es auch angreiffe. JEſus aber
antwoꝛtet und ſprach zu ihr: Martha/ Martha/
du haſt viel Sorge und Muͤhe. Eines aber iſt
noth: Maria hat das gute Theil erwehlet/
das ſoll nicht von ihr genommen werden.
Die
[437]Predigt.
Die Erſte Predigt/
Von
Martha/ als der Verklaͤgerin ihrer
Schweſter Mariaͤ.
GEliebte in Chriſto. Bekannt und offt widerholt
iſt das judicium und glorwuͤrdige Gericht/ in welchem
Salomon der weiſeſte Koͤnig ein Prob unvergleichlich
groſſer Weißheit edirt und abgelegt/ beſchrieben 1. Reg.
3, 16. \&c. ſo da vorgegangen zwiſchen zwey Weibern/ die
in der Hebraͤiſchen Sprach heiſſen naſchim zonoth, das
iſt/ in weiterm Verſtand Dienſt-Weiber/ gedingte Weiber/ die um gewiſ-
ſen Lohn allerhand ſo ehrliche/ ſo unehrliche Dienſt gethan/ und ſich zu al-
lerhand Geſchaͤfften und Wercken brauchen laſſen/ wie die Wuͤrthin/
Gaſtgeberin/ Naͤherin/ Waͤſcherin/ und dergleichen zu thun pflegen. Lu-
therus hats gedolmetſchet zwo Huren/ nicht eben in rigore literæ, als waͤ-
ren es offentliche Schandpoͤcken und proſtibula geweßt/ die ſich zur Un-
zucht gebrauchen laſſen; Sintemal unter der Regierung und Diſciplin
Davids und Salomons/ offentliche Schand- und Land-Huren/ nach
dem Moſaiſchen Geſetz/ Deut. 23, 17. Es ſoll kein Hure ſeyn unter
den Toͤchtern Jſrael/ kein Raum im Land/ weniger einen freyen unge-
ſcheuten Paß und Zutritt fuͤr den Koͤnig und Richter des Lands hatten.
Vermuthlich iſt die eine/ die Klaͤgerin eine ehrliche/ tugendſame/ keuſche
Matron geweßt/ fuͤr die andere die beklagte wird niemand wollen ſchwoͤ-
ren/ als die ihre Untugend mit ihren frechen/ leichtfertigen Worten ſelbsJuxta Re-
gulã Theo-
log. in Scri-
ptura Sac.
quædam
δοξαϛικῶς
dicuntur,
Idola Elo-
him, Sophi
magi, Hie-
ruſalem ci-
vitas ſan-
cta, ita \&
meretri-
ces,
verrathen/ und gnugſam an den Tag gegeben/ was Haar ſie ſey: ſondern
[...]οξαϛικῶς, dieweil gemeiniglich ſolche Leute/ wiewol nicht offentliche doch
heimliche Buͤberey und Schand getrieben/ unter denen auch wol etliche
fromme/ keuſche und unſchuldige geweſen ſeind. Zwiſchen dieſen zweyen
Weibern entſtund eine controverſia und Zanck-Sach von dem Mutter-
Recht und Mutter-Lieb: Dann nachdem beyde Muͤtter in einem Zim-
mer und Bett beyſammen gelegen/ und aber eine die Beklagte ihr eigen
Kind ertruckt/ der Klaͤgerin ihr lebendiges Kind geſtohlen/ und hingegen
das todte Kind ihr an die Arm gelegt/ ſie aber das lebendige Kind an ihre
Arm genommen/ und alſo die Kinder außgetauſcht; Da entſtund ein
Zanck unter ihnen/ welches die rechte Mutter/ die Wort waren einerley/
J i i iijdieſe
[438]Die Erſte
dieſe ſagte/ das lebendige Kind iſt mein/ ich liebe es/ als eine Mutter ihr
Kind/ jene ſagte eben auch die Wort. Das kam Salomon als ein
Raͤtzel fuͤr/ er ſolle richten und ſchlichten/ einen gerechten Außſpruch
thun/ und anzeigen/ welches die rechte Mutter waͤre: er bedencket und
erweget die Sach wol/ laßt ihm ein Schwerdt bringen/ heißt das leben-
dige Kind in zwey Stuck zerhauen/ und einer jeden die Helffte davon ge-
ben. Worauff als er das Mutter-Hertz getroffen/ daß es entbrandt/
und dem Kind um ſein Leben gebeten/ hat er den Außſpruch gethan pro
accuſatrice, die Klaͤgerin ſey die rechte Mutter/ die ϛοργὴ und Mutter-
Hertz/ ſo nicht liegen kan/ habe es gnugſam entdeckt.
Hie/ meine Liebſten/ in abgeleſener außbund ſchoͤnen Evangeliſchen
Hiſtori und Geſchicht/ iſt und erſcheinet einer/ der mehr iſt als Salomon/
ein Koͤnig uͤber alle Koͤnig groß/ begabet mit nicht bloß erſchaffener/ end-
licher und gemeſſener Weißheit/ ſondern der nach der Gottheit/ die ewige/
unendliche/ unermeßliche Weißheit ſelbs/ deſſen menſchliche Natur ga-
zophylacium ſapientiæ, ein rechte Schatz-Kammer/ darin alle Schaͤtz
der Weißheit verborgen liegen/ ein Tempel/ darin die Fuͤlle der Gottheit
leibhafftig wohnet. Hie iſt ein mehreres an den Parteyen/ die vor dem
Sohn GOttes erſchienen/ keine Huren/ oder der Unzucht halben ver-
daͤchtige/ ſondern zwo ehrliche/ unberuffene/ edele/ Chriſt-ergebene Weibs-
Perſonen/ Lazari/ des reichen Land-Junckern zu Bethania/ Schweſtern/
Martha und Maria/ ohne zweiffel reich/ nahrhafft/ von guten Mitteln/
als welche vermocht mehrmalen Chriſtum mit ſeinem gantzen Comitat
bewuͤrten/ und ehrlich zu gaſtiren. Wer ſie aber von Stand geweßt/
obs ledige Jungfern/ ob verheurathete Weiber/ oder traurige Witt-
frauen/ das hat St. Lucas verborgen/ iſt uns auch zu wiſſen ſo hoch nicht
noͤthig. Hie iſt mehr gelegen an der controverſia, betreffend den beſten
An- und Erbtheil im Himmelreich/ in himmliſchen Guͤtern/ welcher
unter dieſen zwo Perſonen der beſte Theil an dem lebendigen Schooß-
Kind JEſu und ſeinem Himmelreich gebuͤhre und zukomme. Hie iſt
ein mehrguͤltiges und kraͤfftigers Schwerdt/ nemlich das Schwerdt des
Worts GOttes/ davon St. Paulus ruͤhmet/ Hebr. 4, 12. Das Wort
GOttes iſt lebendig und kraͤfftig/ und ſchaͤrffer dann ein zwey-
ſchneidig Schwerdt/ und durchdringet/ biß daß es ſcheidet
Seele und Geiſt/ auch Marck und Bein/ und iſt ein Richter
der Gedancken und Sinnen des Hertzens/ und iſt kein Crea-
tur fuͤr ihm unſichtbar/ es iſt aber alles bloß und entdeckt fuͤr ſei-
nen Augen.
Jſt
[439]Predigt.
Jſt das jenige Judicium und Gericht/ welches wir dißmal und ins
kuͤnfftige zu tractiren im Nahmen GOttes fuͤrgenommen/ welches nem-
lich das Unum neceſſarium, der Außſchuß/ Kern/ Marck und edelſte
Safft der gantzen heiligen Schrifft/ ſo viel uns darauß recht zu glauben/
Chriſtlich zu leben/ und ſelig zu ſterben/ zu wiſſen/ zu lernen und zu ge-
nieſſen vonnoͤthen. Dißmal wollen wir ſtill ſtehen bey der lieben Martha/
Klaͤgerin/ und derſelben Perſon/ Qualitaͤt/ und wie ſie uns von St. Luca
abgemahlet worden/ an den Tag legen. Damit aber durch dieſe zu fol-
genden Predigten eine gute præparation gemacht werde/ wolle der Geber
alles Guten die edelſte Gabe den Heiligen Geiſt von oben herab reichlich
ſenden und mittheilen. Amen.
GEliebte in Chriſto. So erſcheinet nun anfangs fuͤr un-
ſern Gemuͤths-Augen die liebe Martha in der poſitur und
Figur/ in welcher ſie St. Lucas beſchrieben/ abgemahlt und
fuͤrgeſchrieben hat.
I. Tanquam mulier gratioſa, ein begnadetes/ liebes und werthes
Weib/ welche der groſſe Welt-Heyland und Jungfrauen Sohn/ der See-
len-Braͤutigam/ JEſus von Nazareth/ in hoͤchſten/ keuſcheſten und hei-
ligſten Ehren inniglich geliebet/ und ſolchen ſeinen Affect undunckel ans
Liecht gelegt/ in widerholtem Anſpruch und Benamſung ihres Namens
Martha/ welche gemeiniglich eine ſonderbare Affection und Liebe/ ſo einer
wahren als falſchen Liebe in H. Schrifft bedeutet/ e. g. Matth. 7, 21. Herꝛ/
Herꝛ. Marc. 13, 36. 45. Rabbi, Rabbi, Rom. 8, 15. Gal. 4, 6. Abba ὁ πατὴρ,
Ach Vater/ lieber Vater. Alſo auch Martha/ liebe Martha. Was war
das Philtrum? was ſchoͤnes hat der liebe Herr an dieſer edeln Martha
erſehen/ das ihm ſo wol gefallen/ daß ſie Gnade funden fuͤr ſeinen Augen?
Chriſtus antwortet Cant. 4, 9. Du haſt mir/ ſagt der Herr/ der See-
len-Braͤutigam/ das Hertz genommen/ meine Schweſter/ liebe
Braut/ mit deiner Augen einem/ und mit deiner Halß-Ketten
eine. Des Herrn Augen ſehen nach dem Glauben/ der Glaub war das
Aug/ wiewol bloͤd/ ſchwach/ und Pippelaͤugig gnug/ doch in Gnaden an-
genommen/ Urſach/ es war dannoch oculus vivus, kein todter Glaub/ ſon-
dern ein lebendiger/ fruchtbarer Glaub/ durch die ungeſaͤrbte Liebe thaͤtig/
der wohnete in ihrem Hertzen/ und that ſich hell und klar herfuͤr/ εν ὑϖο-
δείξει, in der bereitwilligen Auffnam in ihr Hauß/ in mildreicher διακονίᾳ,
Bewuͤrthung und Darreichung Speiß und Trancks/ damit ſie Chriſtum
und ſeine Juͤnger verſorget/ und daſſelbe zur Zeit/ da Er mit ſeinen Juͤn-
gern gewandelt hinauff gen Jeruſalem/ als das Lamm zur Schlacht-
Banck
[440]Die Erſte
Banck/ nach dem kurtz zuvor alle ſeine Anhaͤnger excommunicirt und in
Bann gethan worden. Joh. 9, 22. da man ſchon die Mord-Glock uͤber ihn
gegoſſen/ und der Befehl erſchollen/ man ſolle Jhn greiffen/ und gefaͤng-
lich lieffern/ Joh. 7, 32. nachdem man Jhn als einen Gottslaͤſterer ſteini-
gen wollen/ Joh. 8, 59. c. 10, 32. und alſo tempore periculo ſiſſimo, zu der
Zeit/ da es am gefaͤhrlichſten drein geſehen/ loco periculoſiſſimo, an dem
Ort und Marckt Bethanien/ 15. Feld Wegs/ nur eine halbe Meil von der
Stadt/ Joh. 11, 18. da man Jhn gar bald außſpaͤen koͤnnen/ inſonderheit
weil Er ohne Scheu bey Tag daſelbs eingekehrt/ und nicht bey der Nacht
daher geſchlichen. Jn ſolcher Zeit/ an ſolchem Ort/ bey ſo gethanen Um-
ſtaͤnden erzeiget Jhm Martha die Liebthaten/ mit Dar- und Hindanſetzung
ihrer Ehr/ ja wol Leibs und Lebens. Hic fructus fidei, das war die ſchoͤ-
ne und edele Frucht/ ſo von dem guten fruchtbarn Baum dem wahren
Glauben gezeuget. Dann ſo Abraham fuͤr einen groſſen Glaubens-
Helden erklaͤret worden/ weil er die Engel Gottes/ ja den Engel-Koͤnig/
den ewigen Sohn GOttes beherberget und gaſtirt. Gen. 18, 3. Hebr. 13, 2.
So der Glaub Rahab dermaſſen geruͤhmet wird/ daß ſie in catalogum
Sanctorum, in die Zahl der Heiligen kommen/ weil ſie die Kundſchaffter
beherberget/ ſo wird ja freylich unſerer lieben Martha der einwohnende
Glaub nicht abzuſprechen ſeyn. Und iſt ſich daher deſto weniger zu ver-
wundern/ daß ſie geweſen gratioſa in oculis Domini, daß ſie Gnade fun-
den fuͤr den Augen des Herrn.
II. Mulier Negocioſa \& curioſa nimis, ein allzugeſchaͤfftiges und
ſorgfaͤltiges Weib. Ruͤhmlich war an ihr die Haͤußlichkeit/ Emſigkeit/
Arbeit und Sorgfaͤltigkeit; (maſſen Arbeitſamkeit ein ſchoͤner Ornat und
Zierde eines tugendſamen Weibes/ der Geiſt Gottes hat ein ſolches durch
Salomon hoͤchlich gelobt/ Prov. 31, 14. Er vergleicht es einem Kauffmañs
Schiff/ das ſeine Nahrung von ferne bringt/ conf. Syr. 26, 1. ſeqq. Tit. 2, 5.
1. Tim. 5, 14.) Sie hat groſſe Sorg und Muͤhe gehabt/ einen ſolchen wer-
then Gaſt wol und ſaͤuberlich zu empfangen/ ſie hat zugeſehen/ daß das Lo-
ſament wol und ſauber auffgeraumt/ aller Unrath und Unflat außge-
fegt/ die Tafel recht gedeckt/ die Pfulwen und Bett-Kuͤſſen wol gelegt/ die
muͤde Fuͤß ſauber gewaſchen/ und abgetruͤcknet nach Orientaliſchem Ge-
brauch und Sitt/ daß alle Speiß und Tranck wol gekocht/ und zugericht
wuͤrde/ das alles/ ſage ich/ war in ſubſtantia rei wol gethan/ und nicht zu
tadeln: aber an dieſem ſchoͤnen Tugend-Rock hiengen unterſchiedliche
Kletten/ Zecken und Flecken menſchlicher ja Weibiſcher Schwachheit.
Das Nimis, allzuviel Sorg und Muͤhe/ ſo ſie ihr zu ſchaffen gemacht:
Die
[441]Predigt.
Die ακαιρία und Intempeſtivitaͤt/ daß ſie es zur Unzeit gethan/ nemlich/
da ſie GOttes Wort haͤtte hoͤren ſollen: die μέριμνα, und fladernde/
uͤberentzige Bauch-Sorg/ περισπασμὸς, die Zerſtreuung der vielerley Ge-
dancken/ und darauff erfolgende τυρ [...]ασία, tumultuatio, Ermuͤdung/
das herum/ hin und her/ auff- und ablauffen/ daß ſie offt nicht gewußt/ wo
ſie anfangen/ enden und wehren ſoll: die [...]πίϛασις, daß ſie ſtehend fuͤr den
Herrn getretten/ nicht wie Maria in devotion geſeſſen/ und uͤber das
Dieſelbigen in ihrer devotion und Andacht turbirt/ und allda aufrecht ge-
ſtanden/ tanquam canis ex Nilo bibens, ſie hat hurtig ein Maul voll von
der Predigt gefaßt/ und damit auff und darvon geloffen. Summa/ die
ἀυτάρκεια, eine muͤſſige/ faule Gnuͤge/ indem ſie ſich duncken laſſen/ ſie habe
vorhin ſchon gnug Glaubens und Liechts/ ſie bedoͤrffe keines fernern
Wachsthums/ ἀσφαλείας, aſſecuration, und Verwahrung mehr: Sie
hatte fuͤr alles Sorg und Muͤh/ außgenommen das/ was einig noͤthig ge-
weßt. Gleich unſerer erſten Mutter Evaͤ/ die einen gantzen Garten voll
Fruͤchten gehabt/ und den eintzigen Baum des Lebens nicht geachtet:
gleich einem der den Tiſch mit allerhand Ferculen und Trachten wol be-
rathen/ und da man ſitzen wil/ noch kein Brod auff dem Tiſch gelegt:
gleich jenem Muͤller/ der eine Muͤhl gebauen/ und da ſie auffrecht geſtan-
den/ kein Waſſer bey der Hand gehabt: gleich jenem Studenten/ der bey
einem Handwercks-Mann um ein Stuͤck Brod gebettelt/ und fuͤrgege-
ben/ er ſeye ſeptem artium magiſter, aber hoͤren muͤſſen/ kanſtu ſieben Kuͤn-
ſte/ und kanſt die Brod-Kunſt nicht/ biſtu wol ein Thor und Phantaſt.
III. Mulier litigioſa, rixoſa, zeloſa, imperioſa. Aerger waren die
folgende Fehler/ eines biſſigen/ zaͤnckiſchen/ eiferenden/ meiſterloſen Wei-
bes/ indem ſie nicht allein ihrer Schweſter fuͤr das Angeſicht geſtanden/
und ſie einer Nachlaͤſſigkeit und Faulheit bezuͤchtiget und angeklagt/ quaſi
re benè geſtâ, ſondern auch ſich nicht entbloͤdet/ dem HErꝛn JEſu ſelbs
unter die Augen zu tretten/ und die Schweſter ohne Stirn und Scheu
zu verklagen/ ja gar den Herrn zu cenſiren und ſyndiciren: was ſagt
ſie/ HErꝛ/ fragſtu nichts darnach/ ου᾽ μέλει σοι; Haſtu nicht Sorg/
laſſeſtu dir es nicht angelegen ſeyn/ ô du unachtſamer ſorgloſer Mann/
fragſtu nicht darnach/ daß mich meine Schweſter laßt allein
dienen/ und da ſitzt/ die Haͤnde in den Gehren legt/ und mir allen Laſt al-
lein auff dem Hals liegen laßt; ſags ihr doch/ daß ſie es auch an-
greiffe/ und die Hauß-Buͤrde helffe erheben/ ſatis pro imperio, ſo mußte
der Herr die Cenſur uͤber ſich ergehen laſſen. War wol ein meiſterloſer
Frevel! darum auch der Gerechte auffs freundlichſte ſie geſchlagen/ und
Neunter Theil. K k kBalſam
[442]Die Erſte
Balſam auff ihr Haupt geſchuͤttet/ und ihr ihr Unrecht gar ſaͤuberlich/
artig/ doch empfindlich verwieſen/ weil er geſehen/ daß es nicht auß boß-
hafftigem Vorſatz und Ehrgeitz geſchehen/ ſondern auß Schwachheit und
auß gutem Vertrauen der bißher gepflogenen Kundſchafft. Anders
als Abſalom/ der ſeinen Vater/ aber auß Ehrgeitziger Regierſucht/ auch
verklagt/ 2. Sam. 15, 1. ſeqq. als thue er ſein Koͤniglich Ampt nicht/ ſitze
immer uͤber der Bibel/ tichte Lieder/ ſpiele in ſeiner Hoff-Capell auff dem
Pſalter/ darum koͤnne niemand einige Audientz bey ihme haben. Das
war Boßheit/ hie aber Schwachheit/ darum der Herr gar ſaͤuberlich
mit ihr/ als einem ſchwachen Werckzeug umgegangen/ ihr ihre Fehler
nach einander auff das Brod geſtrichen/ ihr Hertz gewonnen/ und
Schamroth gemacht/ darauff ſie worden
IV. Mulier obſequioſa, ein gehorſames Weib/ keine uͤppige Dru-
ſilla/ die St. Paulo bald den Rucken gekehrt/ und Urlaub gegeben/ weni-
ger eine trutzige/ ſtoltze Jeſabel/ oder Herodias/ die es nicht leiden koͤnnen/
wann man ihr den Eyſen geruͤhrt/ ſondern darwider gewuͤtet und geraſet/
und der Warheit den Tod gedraͤuet: So war Martha nicht geartet/ ſie
ſagte nicht/ was geht den Propheten von Nazareth meine Muͤhe und Ar-
beit an/ was darff er mir filtzen; er mag mir wol ein unhoͤfflicher grober
ſocius und Gaſt ſeyn/ der mich in meinem Hauß wil reformiren/ wil er
die Gutthat nicht annemmen/ ſo mag er hin lauffen/ wo er her kommen;
ſondern ſie war obſequioſa, die ſich laſſen mit Schamroth anſtreichen/
und nachdem ſie ſich fuͤr den rechten Spiegel geſtellt/ ihre Fehler corrigirt.
Ohne allen Zweiffel iſt ſie alſobald neben ihre Schweſter geſeſſen/ der
Predigt fleiſſig zugehoͤret/ nicht weniger als ihre Schweſter/ und ihr her-
nach kramen und wiederholen laſſen/ was ſie verſaumt/ wiewol der Evan-
geliſt Lucas ſolches expreßè nicht meldet/ doch hat er es uns ad ὑϖόνοιαν
hinderlaſſen/ waͤre es anders/ wuͤrde ſie nach dieſem nicht ſo hell und klar
ihren hochgewachſenen und heroiſchen Glauben haben koͤnnen leuchten
laſſen/ in der herꝛlichen/ uͤber auß ſchoͤnen und heroiſchen Glaubens-Con-
feſſion/ welche ſie herauß gegeben/ da ihr Bruder kranck worden/ ja gar ge-
ſtorben: Dann als der Herr gleichſam den Catechiſmum repetirt/ und
gefragt: Glaubſtu das/ daß Jch bin die Aufferſtehung und das Le-
ben/ und wer an mich glaubet/ der werde leben/ ob er gleich ſtuͤr-
be/ und wer da lebet/ und glaubet an mich/ der werde nimmer-
mehr ſterben?Joh. 11, 25. 26. iſt ſie in dieſe heroiſche Glaubens-Wort
außgebrochen: HErꝛ/ ja ich glaube/ daß du biſt Chriſtus der
Sohn Gottes/ der in die Welt kom̃en iſt/ war ein rechter Helden-
Glaub/
[443]Predigt.
Glaub/ ein felſiner Glaub/ Petri Glaub/ Matth. 16, 16. Fleiſch und Blut
hatte ihr das nicht offenbaret/ ſondern der Vater im Himmel.
V. Mulier glorioſa, eine glorwuͤrdige Himmels-Burgerin/ maſſen
wir an ihrer Seligkeit zu zweiffeln die geringſte Urſach nicht haben/ ſon-
dern deren ex judicio charitatis uns zuverſichern/ nach dem Wort des
Herrn/wer mich ehret/ den wil ich auch ehren. 1. Sam. 2, 30.
und Joh. 12, 26. Wer mir dienen wird/ den wird mein Vater eh-
ren. Auff dem Roͤmiſchen Fabel- und Maͤhrlein-Marckt wird auch
dieſes verkaufft/ es ſeye ihr Chriſtus in ihrem Tod erſchienen/ und habe
ſie zur himmliſchen Mahlzeit eingeladen/ deßgleichen/ ſo habe Er ihre
Leich-Begaͤngnuß mit ſeiner Gegenwart geehret.
‘Chriſtus (ita Corn. à Lap. ad Luc. p. 129.) Marthæ morienti appa-
ruit, eique præmium hoſpitalitatis rependit, atque eam ad cœ-
leſte non hoſpitium, ſed regnum invitavit, dicens: Veni hoſpita
mea dilectiſſima, quia ſicut tu me in domum tuam recepiſti, ſic ego te in
cœlum meum recipiam. Ita habet ejus vita, quæ \& ex Sancto An-
tonino addit, Chriſtum ſuâ præſentiâ ſepulturam Sanctæ Mar-
thæ honoraſſe.’ ()
In Martyrologio Romano wird zu Beſtaͤtigung ihrer Heilig- und Se-
ligkeit erzehlt/ wie bey dero Grab Koͤnig Clodoveus in Franckreich gene-
ſen und curirt worden/ und andere Wunder mehr geſchehen ſeyen. Alt-
vetteliſche Fabeln! Glaubwuͤrdiger iſts/ Er ſeye ihr auch nach ſeiner
Aufferſtehung/ kurtz vor der Himmelfarth erſchienen/ und ſie geſegnet/
dergleichen Chriſtus keinen/ als heiligen Perſonen gethan/ und wer wol-
te zweiffeln/ daß der Herr am Juͤngſten Tag/ da ſie zur Rechten wird
geſtellet werden/ ihre Liebes-Werck und Gutthaͤtigkeit/ nicht offentlich
werde ruͤhmen und herauß ſtreichen. Matth. 25, 35. Jch bin hungerig
geweßt/ und du haſt mich geſpeiſet/ ich bin durſtig geweßt/
und du haſt mich getraͤncket.
Nun M. L. hie ſtehet die heilige Martha fuͤr den Augen unſers Ge-
muͤths und Verſtands/ als eine figura und imago, ein ſchoͤnes Bild/
Nicht I. Status Laicalis imperfecti, \& vitæ activæ, des unvollkommenen
Layen/ des Oberkeitlichen/ haͤußlichen und Burgerlichen Lebens-Stands.
Als gelte dem der Verweiß/ Martha/ Martha/ ꝛc. wie es die Paͤbſtiſchen
Interpretes ins gemein deuten.
Ridet (ita Maldonat. in Luc. p. 1040.) Calvinus Monachos, quod
duo ex hoc loco vitæ genera eſſe collegerint, alteram contem-
plativam, quæ Mariæ, alteram activam, quæ Marthæ reſpondeat.
K k k ijQuid
[444]Die Erſte
Quid ergò? negat antiquos illos Patres Monachos fuiſſe, qui ve-
ri Monachi fuerunt, cùm omnes tunc Monachos appellat? Hoc
enim, quod ipſe ſolis monachis tribuit, nemo eorum non dicit,
dicit Baſilius, dicit Auguſtinus, dicit Hieronymus, dicit Caſſia-
nus, dicit Gregor. illis duobus locis, quos modo citavimus, dicit
Beda, \& quis non? Non quod propriè collegerint ex hoc loco,
cujus nec ignorabant, nec tacuerunt alium eſſe ſenſum: ſed
quod eas duas mulieres, tanquam exempla duo, alterum con-
templativæ, alterum activæ vitæ propoſuerint, quibus nullum
profectò potuit accommodatius excogitari.
Grad als waͤren die Laici lauter Marthaner/ keine Marianer/ da doch
die Erfahrung und Hiſtori/ das Exempel Cornelii des Hauptmanns/
Dionyſii Areopagitæ, der Lydiaͤ/ ein anders lehren: grad als waͤren die
Geiſtliche im Papſtthum lauter Marianer/ da ſie doch ſich um die entle-
digte Guͤter geropfft/ aͤrger als die Spitz-Buben/ vielmehr ſeind ſie Mar-
thaner/ die ihnen mit Cloſter-Geluͤbden/ Ceremonien/ Allfaͤntzereyen/
Wallfarten/ Kirchen-Ornat/ und Pracht/ viel uͤberentzige Muͤhe ma-
chen/ und doͤrffen uns noch durch die Feder Beſoldi in ſeinen Chriſtli-
chen und erheblichen Motiven alſo anklagen: Die gantze Religion
der Lutheriſchen beſtehet nur im Predigen/ das iſt auff einer
bloſen Wiſſenſchafft/ deren doch ihre Zuhoͤrer wenig genieſ-
ſen/ und wann man einen fragen ſolt/ was er ſein Lebenlang
auß den Predigten gelehret/ wird es gewißlich gar nahe zu-
ſammen gehen. Das Beten iſt in der Kirchen kurtz/ und das
Singen geſchicht mit geringer Andacht/ wird auch hiedurch
wenig das Gemuͤth zu GOtt erhaben Jn gemein brauchen
die Lutheraner keine Ceremonien/ ſo zu der innerlichen Er-
bauung und rechten Aenderung des Gemuͤths fuͤhren/ das
Knien/ Faſten/ Wachen/ Saͤck anziehen/ und anders derglei-
chen/ (davon doch die H. Schrifft voll und uͤberhaͤufft) iſt
bey ihnen gantz abkommen. Da doch Maria viel lieber zu den Fuͤſ-
ſen des HErꝛn JEſu geſeſſen/ und mit bruͤnſtiger Andacht ſeiner Pre-
digt zugehoͤrt/ im Gegentheil Martha ihr gar zu viel Muͤhe mit aller-
hand παρέργοις, mit herum lauffen ꝛc. gemacht/ darinnen die Papiſten ſie
mit ihren uͤberfluͤſſigen/ unnoͤthigen Ceremonien/ Wallfarten/ ꝛc. nach-
ahnen. Viel weniger 2. die Welt-Kinder/ getaufften Heyden/ Eſavi-
tarum βε [...]ήλων, die ihr Recht der Erſt-Geburt um ein Linſen-Muß/ um
ein Hand voll weltlicher Vanitaͤten verkauffen/ das beſte Gut abſolutè
hindan
[445]Predigt.
hindan ſetzen/ welchen eckelt ab dieſem Manna/ als einer loſen Speiſe.
Nicht 3. der Suiten/ porcorum und Schweine/ die das Heilige/ Chriſtum
und ſein Wort mit Fuͤſſen tretten/ durch Hindanſetzung/ Verachtung/
Verſaumung/ wie die Gadarener/ die Schrifftgelehrten/ Bethlehemi-
ten/ Pilatus/ Gallion/ bey deme eine Gott- und Sorg-loſe Traͤgheit ge-
wohnt/ in dem er ihm unbekante Sachen nicht wollen bekant machen/
und eine ſolche ſchoͤne Gelegenheit/ die Theognoſiam und Erkanntnuß
des einigen wahren lebendigen GOttes/ und in derſelben den rechten
Weg zur Seligkeit zu erlernen/ nicht bey den vordern Haar-Locken er-
griffen/ ſondern durchſchlieffen und fuͤr uͤber gehen laſſen/ er wolte Pau-
lo nicht einmal Audientz geben/ Act. 18, 11. 12. ſeqq. Wie Felix, der die
ſcharffe Geſetz-Predigt Pauli/ ſo ihme Lauge nach der Proportion des
Grinds auffgegoſſen/ fuͤr das Gericht des Gewiſſens/ und wo er da nicht
erſcheinen wolt/ fuͤr das Juͤngſte Gericht citirt/ ſchnoͤder weiß in Wind
geſchlagen. Act. 24, 25. Nicht 4. Canum und derer Hunde/ die die Per-
len anbellen/ und verfolgen/ wie Herodes/ dem alle Perſecutores und
ungehorſame Chriſten folgen/ die ſprechen: Laſſet uns zerreiſſen ihre
Bande/ und von uns werffen ihre Seile.Pſ. 2, 3. Wir wollen
nicht/ daß dieſer uͤber uns herꝛſche.Luc. 19, 27. Dieſen canibus
kommen gar nah/ ja ſeind aͤrger als die Hunde des reichen Schlemmers/
die dem armen Lazaro die Schwaͤren geleckt/ die jenige karge Filtze/ die/
ob ſie wol Lazari zu Bethanien Gut haben/ dem armen Lazaro dennoch
nicht zu Huͤlff kommen. Es hat eine Chriſtliche Obrigkeit juͤngſthin
eine ruͤhmliche/ hochloͤbliche/ dem Goͤttlichen Geſaͤtz gemaͤße Bettel- und
Almoſen-Ordnung promulgirt/ auff daß Chriſtus mit ſeinen Bruͤ-
dern beherberget/ und mit Nothdurfft verſorget wuͤrde: Zu welchem End
eine Chriſtliche Burgerſchafft um Vermehrung der Buͤchſen ermahnet
worden/ und ſich deſſen verſehen/ es werde ein jeder nach dem Vermoͤ-
gen/ das ihme Gott dargereicht/ reichlich beytragen. Daß aber bey ei-
ner ſolchen Chriſtlichen Gemein Leute ſeyn/ die der Proportion nach we-
nig oder nichts geſteurt/ das iſt unverantwortlich/ un Chriſtlich/ Huͤn-
diſch/ bevorab wann man noch die Diſpenſatores mit ungegruͤndetem
Argwohn/ wider die Chriſtliche Liebe/ beſchweren wil/ dann wann ſchon
der Argwohn Platz haͤtte/ ſo ſolten ſie doch auff den terminum ultima-
tum ad quem, Chriſtum/ und nicht per quem, ſehen/ bedencken die Ex-
empel der Geitz-Haͤls und Simoniſten/ Gehaſi/ dem Naeman dannoch
in Einfalt des Hertzens gegeben/ ohne murmeln/ 1. Petr. 4, 9. Judaͤ
Jſcharioth/ daß/ ohnangeſehen er ein (wiewol verborgener) Dieb geweſen/
K k k iijihme
[446]Die Erſte
ihme dennoch Maria Magdalena/ Suſanna und Johanna beygetragen/
dieſe Eſauiten/ Suiten und Hunde kommen hie in keine conſideration,
ſind keine Marthaner/ hinauß mit den Hunden/ vor der Thuͤr iſt drauß.
Sondern Marthaner/ oder Marthaͤ Bruͤder und Schweſtern/ de-
ren Muſter ſie iſt/ ſeind die jenigen Chriſten/ die durch den Tauff-Bund
gratios worden/ die Erſtlinge des Glaubens und deſſen kleine Fuͤncklein
empfangen/ den Catechiſmum dem Wortlaut nach erlernet/ auch GOt-
tes Wort bißweilen hoͤren/ die Sacramenta gebrauchen/ Almoſen geben/
und ſonſt ein erbar und politicè untadelich Leben fuͤhren; aber in weltli-
chen Dingen/ Schaͤtzen/ Guͤtern/ und dero Begierd zuviel thun/ dieſelbe
ihnen mehr als die himmliſche Schaͤtze und ewige Guͤter laſſen angele-
gen ſeyn/ und noch dazu andere von ihrer devotion abhalten/ durch
Sonntaͤgliche Spatzier-Fahrten/ Gaſtereyen/ Spielen/ Kinder und Ge-
ſind am Gottes-Dienſt hindern/ allerhand opera intermiſſibilia und Ge-
ſchaͤffte zu der Zeit anſtellen/ da man in die Kirch gehen ſoll/ das Baurs-
Volck am Soñtag martern und plagen mit Contribution, Schatzung/
Fronen/ Schulden einfordern/ daß alſo der Same des Evangelii erſti-
cken muß. Wann Pfarrer mehr der Meel-als Seel-Sorg ſich befleiſ-
ſigen/ die Gelehrten mit ihrem Ariſtotele, Tacito, Galeno, Juſtiniano
ſo viel ihnen zu ſchaffen machen/ daß ſie daruͤber Moſis und der Prophe-
ten vergeſſen: wann die ἀυτάρκεια allzuſtarck einreiſſet/ daß man ſich bey
dem Catechiſmo und deſſen Wort-Laut/ beym putamine ſine nucleo,
contentirt/ und den außgewickelten und vergewiſſerten Verſtand nicht
achtet/ ſondern ihm ſelber eine gewiſſe Menſur und Maaß ſeiner ſchuldi-
gen und erkloͤcklichen Wiſſenſchafft erdichtet/ ſich beduncken laßt/ wann
man etwas weiters forſchen und lernen ſolte/ man moͤchte der Sachen
zuviel thun/ und zu weit gruͤblen; Unterdeſſen in Begierde und Sam-
lung zeitlicher Guͤter weder Maaß noch Ziel finden kan. Dieſe ſeind
Marthaͤ Nachfolger/ allen dieſen gilt der Verweiß/ daß ſie das gute Theil
nicht erwehlen/ ſondern ſich deſſen verluſtigt machen.
Sprichſtu: Ergonè otiandum. Soll man dann nichts thun/ muͤſſig
gehen/ allezeit in der Kirchen ſitzen/ Ampts-Geſchaͤfft hindan ſetzen/ alle
Fruͤh-Gebet beſuchen? Antwort: O nein! Sechs Tag ſolt du arbeiten/
doch beten und Kirchen gehen/ wann es Ampts-Geſchaͤffte halben ſeyn
kan/ bleibt unverbotten; aber am Sonntag nulla fidejuſſionis flagitetur
exactio, taceat apparitio, advocatio deliteſcat, ſit ille dies à cognitione
alienus, Prætoris horrida vox ſileat,ſoll man niemand vor Gericht
gebieten/ von niemand Buͤrgſchafft fordern/ dieProcuratores
ſollen
[447]Predigt.
ſollen ſchweigen/ des Richters Stimm ſoll verſtummen/ da
ſoll man keinen Rath oder Gericht beſitzen: ſo lautet des Kayſers
Leonis und Antonini Verordnung in Codice de Feriis. Und dann iſt
der monatliche und wochentliche Bet-Tag vor andern privilegirt/ auß
Anſtalt unſerer andaͤchtigen Vorfahren/ bald nach der Reformation/
veranlaßt durch des Erb-Feinds Wuͤten in Ungarn/ Anno 1532. da man
den Pſalter zu tractiren/ und die Litaney zu beten angefangen/ und jeder-
man agminatim, auch die Schuler und Studenten zur Predigt ange-
halten worden. Darum es Profeſſoribus wol anſtehet/ wann ſie in die-
ſem Stuck der ſtudierenden Jugend gute Exempel geben. Sprichſtu/
ich hoͤre doch/ Martha ſey einen Weg als den andern ſelig worden/ wann
ſie gleich eben keine ſo groſſe Heiligen-Freſſerin geweßt/ als Maria. Jch
mag dieſer ihren hoͤhern Sitz und aureolam wol goͤnnen/ wann ich nur
auch ein Plaͤtzlein im Himmel finde. Antw. O Spott-Vogel/ Gott
laßt ſich nicht ſpotten/ haͤtte Martha ihren Kopff auffgeſetzt/ nicht parirt/
waͤre ſie nicht Schamroth worden/ ſondern die oblata beneficia und
dargebottene Wolthaten verachtet/ ſo koͤnte ich ſie auß keinem Fundament
ſelig preiſen. Wer nicht glaubet/ der wird verdam̃t/ wer nicht hoͤret/ der
glaubet nicht/ iſt der Himmel-feſte Apoſtoliſche Sorites. Rom. 10, 17. Ge-
dencket an des Loths Weib/ ſagt Chriſtus Luc. 17, 32. die war auch
dem Zeitlichen zimlich ergeben/ und daher nahrhafft/ aber der Engel war-
net ſie/ und ſagt: Errette deine Seele/ und ſiehe nicht hinter dich.
Gen. 19, 17. Dieſe Warnung ſchlaͤgt ſie in den Wind/ ſie ſiehet zuruck ex
affectu, mit traurigen Augen und Gemuͤth/ daß ſie alle das ihre muß da-
hinten und im Stich laſſen. Was geſchicht? Sie wird zur Saltz-Seule
verwandelt. Jſt geſchehen/ nicht allein daß ſie uns wuͤrtze/ ſondern auch
ſchroͤcke/ ob ſie verdam̃t worden/ wiſſen wir nicht/ wiewol die Wort hart
lauten. Sap. 10, 7. Sie ſtehe da zum Gedaͤchtnuß der unglaubigen
Seelen. Doch lernen wir an der metamorphoſi ſo viel/ daß/ wer Got-
tes Wort und Anmahnung verachtet/ der wird verhaͤrtet wie ein Stein/
wie dort Nabal/ die Verhaͤrtung aber iſt der nechſte Grad zur Verdam̃-
nuß. Gedencket der fuͤnff thoͤrichten Jungfrauen/ die hatten auch ein we-
nig Oel in den Lampen/ ſonſt haͤtten ſie nicht ſorgen doͤrffen/ daß ihnen
das Liecht werde außloͤſchen. Aber nicht gnug/ an der Mehrung und
Waͤhrung/ am Wachsthum mangelte es/ ihr Gewiſſen predigte ihnen/
daß ſie mehr Oehl beduͤrffen/ deſſen aber ungeachtet/ lieſſen ſie ſich vom
Schlaff uͤberwaͤltigen/ die Oel-Sorg hatten ſie außgeſchwitzt/ daß noth-
wendiger weiß ihre Lampen verloͤſchen muͤſſen/ die klugen aber/ ob ſie zwar
ein
[448]Die Erſte
ein wenig genickt/ haben ſie ſich doch wieder ermuntert/ Oel nach und
nach immer wieder zugegoſſen/ das Liecht des Glaubens erhalten/ daß ſie
nachmals den Braͤutigam mit brennender Lampen empfangen koͤnnen.
Darum jene den Sententz muͤſſen anhoͤren: Jch kenne euer nicht/ fuͤr der
Thuͤr iſt drauſſen. Jſt das Urtheil uͤber alle ſolche Welt-Narren. Dar-
um wuͤnſche ich/ und wolte Gott/ daß wie das vermeinte Heiligthum
Marthaͤ nach ihrem Tod ſoll Wunder gethan haben/ alſo lipſanum vir-
tutis, das Heiligthum ihrer Tugend/ Beſſerung und Schamroth auch
bey uns operire und wuͤrcke das groſſe Miracul des Schamroths/ wer
biß dato in einem oder dem andern Wahn geſteckt/ der laß ihm denſelben
benehmen/ ſo lieb ihme ſein Theil Himmelreich.
part. 1.
p. 452.
admirandorum lectori præſcripſit. Verè fateor, ajens, nimia jam
etiam cura, an curioſitate peccari à pleriſque noſtrûm, qui omnia
antiqua avidè ſcrutamur, \& in maris illo fundo pænè dicam
arenas. Ah! quis fructus eſt? peccavimus \& nos fortaſſe olim:
ſed nunc cum aliis annis mens eſt alia, \& clamo liberè, quædam
eſſe, quæ malo ignorare quàm diſcere. Timonis illud mihi ſæ-
pè in mente. Πουλυμαθημοσυύης ὡς ου᾽ κενώτερον ἄλλο.’ ()
Das Miracul des Schamroths/ ſag ich/ nicht aber des Schamroths/
etwas zu lernen/ dann lernen iſt keine Schand. Man hat die Exempel
deren/ die/ wann ſie gemerckt/ daß ihnen die Hebraͤiſche Sprach zu wiſſen
von noͤthen/ ſich nicht geſchaͤmet im Alter ſolche zu lernen. Ein beruͤhm-
ter JCtus bey dieſer Stadt/ nach dem er es hoch gebracht/ hat er erſt im
Alter anfangen Theologiam zu ſtudieren/ vielmehr ſollen die Jungen
bey Zeiten die Blum ihres Alters/ Gott zu Ehren wol anlegen/ und ſoll
bey ihnen heiſſen: linquo coax ranis, cras corvis, vanaque vanis. Wol-
te Gott/ daß ſie in uns operire und wuͤrcke ὅρεξιν unius neceſſarii, eine
ſehnliche Begierde nach der lautern Milch des wachſenden Glaubens/
daß wir allezeit ſeufftzen mit dem Vater des Monſichtigen/ Marc. 9, 24.
Jch glaube/ lieber HErꝛ/ hilff meinem Unglauben. Damit
wir auch mit Martha des Glaubens End/ der Seelen Seligkeit davon
bringen moͤgen. Darum bitten wir zum Beſchluß:
‘
Daß wir durch deinen Geiſt je mehr
Jn deiner Erkanntnuß nehmen zu/
Und endlich bey dir finden Ruh. Amen.
Die
[449]Predigt.
Die Andere Predigt/
Von
Maria/ der Schweſter Marthaͤ/
als der Beklagten.
GEliebte in Chriſto. Warlich ich ſage euch/ wo
diß Evangelium geprediget wird in der gantzen
Welt/ da wird man auch ſagen zu ihrem Ge-
daͤchtnuß/ was ſie gethan hat. So ſpricht die War-
heit ſelbs/ Chriſtus JEſus Matth. 26, 13.
Ἅυτη γυνὴ, dieſes Weib/ die Maria/ Lazari und Marthaͤ leibliche
Schweſter/ die Maria/ nicht auß Galilaͤa zu Magdala buͤrtig/ die reiche/
gutthaͤtige Nehrerin des HErꝛn Chriſti/ ſonſt Maria Magdalena ge-
nannt/ weniger die groſſe Suͤnderin und weyland groſſe/ aber nachge-
hends bußfertige Ertz-Hur/ Luc. 7. die Chriſto/ dem keuſchen Jungfrauen
Sohn/ die Fuͤſſe mit ihren Thraͤnen genetzet/ und mit den Haaren ihres
Haupts getruͤcknet/ gekuͤſſet und geſalbet. Wie zwar von Alters her
dieſe lugenhafftige und laͤſterliche Sag in dem Roͤmiſchen Babylon
(und wolte Gott nicht auch in unſern Kirchen und Cantzeln!) erſchol-
len/ und vorgegeben worden/ die Suͤnderin Luc. 7. Maria Magdalena
und dieſe Salberin/ und Lazari Schweſter/ ſeyen nicht drey/ ſondern nur
ein Weib und eine Perſon geweſen. Maſſen ſich Baronius unterſtehet
in ſeinen Annalibus und Kirchen-Chronic ſolches mit aller Macht zuer-
haͤrten. anno 32. n. 17. O ungeſchwungene unverſchamte Schand-
Lugen! O ſchnoͤde Laͤſterung! damit beydes die fromme und Gottſelige
Magdalena und auch Maria Lazari Schweſter geſchmaͤhet und geſchaͤn-
det/ und ſo viel hundert Jahr ohne Grund/ fuͤr offentliche/ verruffene/
wiewol bußfertige Schand-Dirnen außgeſchrien worden/ das heißt die
Heilige GOttes feyren und in Ehren halten!
De Maria Magdalena (verba ſunt judicio ſiſſimi noſtri Chemnitii,
Harm. Evang. cap. 58. p. m. 996.) vulgariſſima eſt opinio, ipſam
fuiſſe peccatricem, quam Chriſtus capite præcedenti in gratiam
receperat, cuique peccata ſua dimiſerat. Imò aliqui faciunt quo-
Neunter Theil. L l lque
[450]Die Andere
que ex ea Mariam, ſororem Marthæ \& Lazari. Sed utra que ſen-
tentia nullum fundamentum habet in hiſtoria Evangelica, neque
enim fruſtrà Lucas hic adjicit, \& Marc. 16. ꝟ. 9. repetit, ex Maria
Magdalena ſeptem dæmonia exiiſſe. Inde enim colligere licet,
primò illam non fuiſſe ſordidam illam peccatricem. De hac
enim Lucas in præcedentibus teſtatus fuerat, eam adſtitiſſe ad
pedes Chriſti, amarè illacrymatam fuiſſe, pedes ejus lacrymis ri-
gâſſe, capillis terſiſſe, unguento unxiſſe, crebra oſcula fixiſſe.
Chriſtus autem hæc omnia interpretatus eſt, fuiſſe ſigna ſeriæ
pœnitentiæ, qua peccata ſua agnoverat, fidem teſtata ſit, \& toto
corde eum, qui ſalutaria æternæ vitæ monita præbuerit, amare
cœperit. Talia verò nunquam quiſquam de dæmoniacis, quam-
diu ejuſmodi eſſent, prædicari audivit. Adhæc, ſunt dæmoniacæ
etiam ab uno tantum, nedum à ſeptem obſeſſæ adeò horribiles,
\& cuilibet ſpectanti terrificæ, ut reverà perditè \& prodigioſè li-
bidinoſus ſit, qui fœminam, quæ à diabolo exagitatur \& diſcru-
ciatur in comitatu habere velit. Cùm ergò prior illa à peccato,
hæc verò à dæmoniis, quorum exagitatio non peccatum, ſed
pœna peccati eſt, liberata fuerit: Quis non videt, duas diverſas
fuiſſe? Deinde quoque hæc Maria, quæ cognominatur Magda-
lena, non fuit illa Maria, ſoror Marthæ \& Lazari; eò quod Ma-
gdalena fuerit Galilæa, Maria autem Marthæ ſoror fuerit Judæa,
ex caſtello Bethania, Joh. 11. ꝟ. 1. Anile autem \& nugatorium eſt,
\& omni fundamento Evangelico caret, quod Hiſtoria Lombar-
dica fabulatur, fuiſſe Lazarum, Martham \& Mariam ex Regia
proſapia oriundos, atque adeò divites, ut non tantùm Bethania
\& major pars Hiero ſolymorum ad ipſorum hæreditatem perti-
nuerit, ſed etiam ex hac copia Magdalon munitiſſimum caſtrum
ædificarint, quod Mariæ ſorori in habitandum tradiderint, unde
ipſa poſteà Magdalena dicta fuerit. Hæc extra Scripturam ad-
ducta eâdem facilitate rejiciuntur, quâ afferuntur. Et cuivis dili-
genti Scripturarum Lectori ſponte ſuâ patet, tres diverſas fœmi-
nas fuiſſe, peccatricem Luc. 7. ꝟ. 37. Mariam Magdalenam hîc
Luc. 8. ꝟ. 2. \& Mariam ſororem Marthæ, Luc. 10. ꝟ. 39. \& Joh. 11, 1.
Hæc ſatis manifeſta ſunt ex hiſtoria Evangelica, ſicut etiam Cor-
nelius Janſenius, Epiſcopus Gandavenſis, negare non poteſt.
Nihilominus tamen urget receptam Eccleſiæ opinionem, quâ te-
netur, eandem fuiſſe fœminam \& peccatricem, \& ex qua ſeptem
dæmo-
[451]Predigt.
dæmonia ſunt ejecta, \& quæ Bethaniæ Chriſtum hoſpitio exce-
pit. Et concludit ſecundum hanc ſententiam eſſe ſentiendum,
non obſtante eo, quod ex Evangeliis videtur obſtare. Sed non
perpendit quàm turpè, imò quàm impium \& profanum ſit, homi-
nis, quiſquis is ſit, ſenſum præferre teſtimonio Evangelii. Origi-
nem autem hæc opinio traxiſſe videtur ex Gregorio Magno, qui
ſuper Evangelium de pecccatrice hæc ponit verba: Cogitanti
mihi de Mariæ Magdalenæ pœnitentia, flere magis libet quàm
dicere. Cujus enim vel ſaxeum pectus illæ hujus peccatricis la-
crymæ ad exemplum pœnitentiæ non emolliant? Ab eo tem-
pore in Eccleſia cœptum eſt peccatricem \& Mariam Magdale-
nam pro unâ eâdemque haberi: cùm vetuſtiores Patres Orige-
nes, Chryſoſtomus, Theophylactus, Ambroſius \& Hieronymus
ſemper pro diverſis habuerint. Adeò facilè eſt \& proclive Dia-
bolo errorem in Eccleſiam invehere etiam ex eo, ſi quando in-
ſigni alicui Doctori inconſideratior aliquis ſermo excidit. Et
Gerh. Harm. Evang. c. 143. p. m. 97. hæc habet: De hac fœmina
(ſc. quæ Chriſtum unxit) illud certò conſtat, quod fuerit illa, quæ
Luc. 10. ꝟ. 39. dicitur, ſediſſe ſecus pedes Domini, ac verbum ejus ſtu-
dioſè audiviſſe, Marthâ ſorore interim in cura rei familiaris oc-
cupatâ, cui etiam Chriſtus hoc Elogium perhibet, quod optimam
partem elegerit, quæ non poſſit ei auferri. ꝟ. 42. Certum \& illud eſt,
quod fuerit ſoror Lazari, Joh. 11. ꝟ. 1. haud ita pridem à Chriſto
reſuſcitati, cujus beneficii, ut \& aliorum à Chriſto ſibi exhibito-
rum memor hoc ſumtuoſæ unctionis officium gratâ mente re-
pendere voluit. Illud verò non ſolum incertum \& dubium, ſed
etiam veritati Evangelicæ parùm congruum, quod Baronius
Tom. 1. Annal. ann. 32. n. 17. tam confidenter aſſerit, Mariam hanc
eſſe peccatricem illam, à qua Chriſtus Luc. 7. ꝟ. 37. in domo Simonis Pha-
riſæi fuerat prius unctus, ac Mariam illam Magdalenam, à qua ſeptem
dæmonia Chriſtus ejeciſſe dicitur, quæ unà cum Maria Jacobi, Salome,
Johanna \& aliis ad ſepulchrum ungendi corporis Chriſti cauſa abiit.
Matth. 28. ꝟ. 1. Marc. 16. ꝟ. 1. Luc. 24. ꝟ. 10. Joh. 20. ꝟ. 1. cui etiam
Chriſtus primæ omnium poſt reſurrectionem ſuam apparuit. Marc. 16, 9.
quam ſententiam Johannes Faber Epiſcopus Roffenſis in libro
de una Maria \& Natalis Beda latè confirmare nituntur. Quod
enim hæc unctrix non fuerit illa fœmina, cujus mentionem facit
Lucas c. 7. ꝟ. 37. duplici confirmari poteſt argumento. 1. Illa
L l l ijapud
[452]Die Andere
apud Lucam vocatur peccatrix, quia notorio ſcortationis deli-
cto ante unctionem fuerat infamis, hæc verò pietatis \& integri-
tatis laude à Johanne \& Chriſto ipſo commendatur nec ullo
modo probabile eſt, quod cum fuerit dives \& honeſta, ut ex de-
ſcriptione Johannis colligitur, quæſtum corpore mereri volue-
rit. 2. Illa fuit Galilæa, quia hiſtoria unctionis à Luca deſcri-
pta in Galilæa contigit, hæc verò fuit Judæa ex Bethania oriun-
da, ibidemque habitans. Joh. 11. ꝟ. 1.
Sondern Maria Bethanienſis, es iſt die Maria von und zu Bethania/
das iſt/ von Armhauſen/ Niderhauſen/ Kummerhauſen/ Creutzhauſen/
in einem ſolchen Ort/ da Chriſtus der Herr gern eingekehret und ge-
wohnet/ als der Hohe und Erhabene/ der in der Hoͤhe und Heiligthum
wohnet/ aber auch zu Bethanien/ bey denen/ die demuͤthiges und zerſchla-
genen Geiſtes ſeind/ daß Er ſie erquicke/ Eſa. 57, 15.
2. Was wird dann die Sage ſeyn? was wird man von ihr ſagen
und ruͤhmen? καλὸν ἔργον, daß ſie ein gutes Werck an mir gethan/
nemlich ſie hat ein Pfund Salben/ mit koͤſtlichem/ ungefaͤlſchtem Nar-
den-Waſſer genommen/ dem HErꝛn JEſu erſtlich ſeine Fuͤſſe damit ge-
ſalbet/ und mit ihren Haaren getruͤcknet/ darnach das Glaß/ die Buͤchs
von Alabaſter zerbrochen/ und auff ſein Haupt gegoſſen/ von deſſen Ge-
ruch das gantze Hauß voll worden. Das war ein gutes Werck/ per
omnes cauſas. Goͤttlich/ weil ſie es gethan zu Gott/ dem HErꝛn Meſ-
ſia zu Ehren/ auß Gott/ex motivo fidei und Trieb des Glaubens/ rum-
pantur utilia Judæ, und ſolte Judas Jſcharioth druͤber zerborſten ſeyn/
der es getadelt/ vernichtet/ und als uͤbel angewendet/ als eine Vergei-
dung geſcholten/ es ſey ein Unrath/ warum/ ſagt er/ iſt dieſes Waſſer
nicht verkaufft worden um 300. Groſchen/ und den Armen
gegeben.Marc. 14, 5, 6. O Schalck/ O Dieb! wie gern haͤtteſtu ein
Feder von dieſer Ganß gebabt.
3. Ubi? Wo ſoll und wird dieſe Sag erſchallen? ubi Evangelium,
ibi Elogium, wo das Evangelium vom Tod und Aufferſtehung Chriſti
wird geprediget werden/ in der groſſen/ weiten und breiten Welt/ biß ans
Ende der Welt/ da wird der Ruhm der edlen Tugend-Cron Mariaͤ er-
ſchallen. Gleichwie der Geruch von ihrer Salb das gantze Hauß erfuͤl-
let: ſo wuͤrde man auch von ihr ſingen und ſagen/ und alſo ihre laudes
allenthalben ſingen: das war Mariaͤ ein mnemoſynon und Denck-
Zeichen/ weit uͤber alle Pyramides, Mauſolea und Ehren-Seulen; dann
dieſes iſt von dem H. Geiſt ſelbs auffgerichtet worden.
Damit
[453]Predigt.
Damit wir nun/ meine Liebſten/ auch in dieſem kleinen angulo und
Oertlein der Welt/ bey dieſer Verſamlung/ des groſſen Propheten Chri-
ſti/ ſo hoch-betheurte/ und mit einem Warlich verſiegelte Weiſſagung/ ſo
viel an uns/ erfuͤllen/ ſo wollen wir auch dieſen erlaubten Ehren-Dienſt
erweiſen/ und die Quell anzeigen/ auß welcher dieſes ſo hoch geprieſene gu-
te Werck gefloſſen/ deßgleichen das groſſe Heiligthum/ dadurch beſagtes
Werck conſecrirt worden/ nemlich den Glauben/ und Vernehmen die
Ordnung/ das Mittel und die Schul/ darin ſie dieſen Glauben erler-
net/ und damit zugleich ihre Schweſter die Martham/ mit ihren Ankla-
gen beſchaͤmen und abweiſen/ und beſcheinen/ daß Martha ein unbefugte
Klaͤgerin/ Maria aber eine hoch-ruͤhmliche Tudend-Cron geweßt/ die mit
Unrecht von ihrer Schweſter einiger Fahr- und Hinlaͤſſigkeit bezuͤchtiget
worden/ alles nach der deſcription und præſentation des H. Evange-
liſten Lucaͤ. Daß nun auch dieſer Ehren-Dienſt Chriſto dem Herrn
ſelbs zu ſeinen Ehren gereiche/ uns aber zur Lehr/ Vermahnung und Troſt/
wolle der Vater des Liechts mit der Gnad des H. Geiſtes reichlich bey-
wohnen. Amen.
GEliebte in Chriſto. So erſcheinet nun die edle Tugend-
Blum/ ſo zu Bethania gewachſen/ die Maria/ I. tanquam Di-
ſcipula, τεταγμένη, ein wol diſponirte/ geſchickte/ regulirte/ or-
dentliche Schulerin und Juͤngerin des HErꝛn JEſu/ als welche nach ih-
res Meiſters Lehr in der Berg-Predigt Matth. 6, 33. Trachtet am er-
ſten nach dem Reich Gottes/ und ſeiner Gerechtigkeit/ die Pfer-
de nicht hinter den Wagen geſpannen/ ſondern zuvorderſt geſucht das
Reich GOttes/ und deſſen jura, privilegia, und beneficia, in Hoffnung
die mantiſſam und Zugab zeitlicher Guͤter auch zuerlangen. Dann ſo
bald als ſie gehoͤret/ JEſus der Prophet von Nazareth ſeye ankommen/
und habe in ihrer Schweſter der Marthaͤ Hauß eingekehret/ ſo ſiehet ſie
nicht zuruck/ laßt alles ligen und ſtehen/ gedencket/ naͤhen/ ſpinnen/ wuͤr-
cken/ kochen/ ſieden/ braten/ Tiſch bereiten/ ꝛc. das kom̃t noch wol hernach/
fronte capillata eſt poſthæc occaſio calva, das iſt ein Mann/ den man
nicht allzeit haben kan/ ich muß den Marckt nicht verſaumen. Derowe-
gen ſtehet ſie eilend auff/ wie ſie nachmalen auch gethan/ Joh. 11/ 29. laufft
dem Herrn entgegen/ ohne Zweiffel nicht ungleichig/ als haͤtte ſie kein
Glied im Leib gehabt/ oder ſtumm/ ſondern mit demuͤthigen Geberden/
mit freundlichen holdſeligen Worten: Biß willkomm du edler Gaſt/ mich
Suͤnderin nicht verſchmaͤhet haſt/ und kom̃ſt ins Hauß herein zu mir/ wie
ſoll ich immer dancken dir. Sie wird ihre andaͤchtige Seuffzer nicht un-
L l l iijterlaſſen
[454]Die Andere
terlaſſen haben/ ich bin ein verirret und verlohren Schaaf vom Hauſe
Jſrael/ um welches Willen du in die Welt kommen biſt/ Pſ. 119. ꝟ. ult.
Du haſt geſagt/ Jer. 29, 14. So ihr mich von gantzem Hertzen ſu-
chen werdet/ ſo wil ich mich von euch finden laſſen. Ach ſuche
mich/ ich ſuche dich/ Herr laß dich finden.
II. Tanquam diſcipula devota, eine andaͤchtige/ Chriſto gantz erge-
bene und gelaſſene Schulerin/ angedeutet durch das Sitzen/ ſie ſatzte
ſich/ verſtehe nicht nur mit dem Leib/ ſituatione \& poſiturâ corporeâ,
das war ein adiaphorum, und nicht viel daran gelegen/ ſondern affectu,
ihr Hertz ſatzte ſich/ und war ſtill in ihrem GOtt. Was der Herr ſeinen
Juͤngern kurtz vor ſeiner Himmelfart befohlen: Jhr ſolt in der Stadt
Jeruſalem bleiben/ biß daß ihr angethan werdet mit Krafft
auß der Hoͤhe. καθίσατε, ſtehet in heiliger Sprach/ Luc. 24 49. das iſt/
ruhet von euern fleiſchlichen Sinnen und Gedancken/ von Begierden zu
einem Welt-Reich. Das hat Maria gethan/ ihr Hertz hat ſich geſetzet
und geſtillet/ ſie hat ihre Gedancken nicht laſſen ſpatzieren/ und zerſtreuet
wie Martha/ ſondern ihre Sinne/ Gedancken/ Affecten zuſammen ge-
faßt/ und Chriſto dem Herrn ſich gantz gelaſſen/ in Erwegung/ daß
vagirende Gedancken ſo wenig des Goͤttlichen Worts faͤhig/ als man in
ein flieſſendes/ und vom Wind erregtes Waſſer Buchſtaben ſchreiben
kan. Sedebat quaſi ecſtatica, ſo gar/ daß ſie auch ihrer ſelbs und ihrer
Famæ vergeſſen/ ſich gegen ihrer Schweſter Anklagen nicht verthaͤdiget/
ſondern/ wie Auguſtinus wol dafuͤr gehalten/ ſerm. 27. de verb. Dom.
gedacht/ ich habe einen guten Advocaten an meinem Meiſter/ dem Herꝛn
Chriſto/ maluit ſuam cauſam judici committere, quàm in reſponden-
do laborare. Das heißt/ ſie ſatzte ſich.
III. Tanquam diſcipula humillima \& obſequioſa, ſie ſatzte ſich zu
den Fuͤſſen JEſu/ nicht uͤber den Kopff/ oder auff die Nebens-Seit. Es
war bey den Hebreern Sitt und Gebrauch/ daß/ wann der Rabbi auff der
Catheder geſeſſen/ ſo haben ſich die Schuler und junge Studenten muͤſſen
zu den Fuͤſſen ſetzen/ ihre Demuth und Nidertraͤchtigkeit hiemit zu bezeu-
gen. Ambroſius in Ep. 1. Cor. c. 1. ſchreibet: die alte Rabbinen ſeyen auff
der Catheder/ die mittelmaͤſſigen auff den Subſellien/ die juͤngſte aber auff
den ſtoreis humi ſtratis, Matratzen/ geſeſſen. Exempla parallela finden
wir in der H. Schrifft ſelbs. Deut. 33, 3. Jn Moſis Segen- und Schwa-
nen-Geſang ſtehet: Die Heiligen in Jſrael (die Jſraeliten rechter
Art) ſind in deiner Hand/ ſie werden ſich ſetzen zu deinen Fuͤſſen/
und werden lernen von deinen Worten. Der arme Menſch/ der
mit
[455]Predigt.
mit einer Legion Teuffel beſeſſen geweßt/ nachdem ſie Chriſtus außgetrie-
ben/ ſatzte ſich zu den Fuͤſſen JEſu/ verſtehe/ auß tieffſter Demuth/ Lehr
und Unterricht von Jhm einzunemmen/ Luc. 8, 35. Sonderlich gehoͤret
hieher das Exempel des edlen Roͤmers von Tharſo, St. Pauli/ welcher/
nachdem er die Encyclopædiam in Patrio gymnaſio begriffen/ gen Jeru-
ſalem auff die Hohe Schul gezogen/ und daſelbſt geſeſſen zu den Fuͤſſen
Gamalielis, wie er ſelbſt bekennet/ Act. 22, 3. Jch bin erzogen in dieſer
Stadt/ zu den Fuͤſſen Gamalielis/ gelehret mit allem Fleiß im
Vaͤtterlichen Geſetz/ und in ſolcher Intention ſatzte ſich auch unſere
liebe Maria zu den Fuͤſſen JEſu. Quantò humilius ſedebat, tantò am-
plius capiebat, confluit enim aqua ad humilitatem convallis, denatat
de tumoribus collis. Auguſt. l. cit.Je tieffer und nidriger ſie ſaß/
je mehr ſie gefaßt/ dann das Waſſer fleußt von den hohen Ber-
gen herunter/ und ſetzet ſich in die tieffe Thaͤler.
IV. Tanquam diſcipula Auſcultatrix, eine gefliſſene/ hoͤrende Schu-
lerin/ ſie hoͤret zu der Rede des HErꝛn JEſu. Sie hat die aͤuſſer-
liche Pædagogiam in acht genommen/ gehoͤret mit leiblichen Ohren/ als
durch welche Gott der H. Geiſt den Glauben geben und wuͤrcken wil.
Rom. 10, 17. Aber das war nicht gnug/ ſie hoͤrete nicht nur mit aͤuſſerlichen
Ohren/ wie ein thum̃es Schaaf/ ſondern auch mit innerlichen Hertzens-
Ohren. Gleichwie zu einer leiblichen Muſic auch muſicæ aures, ſolche
Ohren gehoͤren/ die den Schall vernehmen und wol unterſcheiden koͤn-
nen. Ein Eſel/ Hund und Ochs hoͤret auch die Muſic/ was anlangt den
Schall und Thon: Ein Jdiot hoͤret auch einer ſchoͤnen Muſic zu/ es ge-
fallt ihm wol; aber unter zehen iſt kaum einer/ der den innern Geiſt der
Muſic/ die gratiam und Anmuth/ die harmoni und Vorſchmack des ewi-
gen Lebens/ das ἀγγελικὸν καὶ ϑει̃ον, mit Chriſtlichen vernuͤnfftigen Hertzens-
Ohren faſſet/ und andaͤchtig zu Gemuͤth ziehet/ daß die Augen in Zehren
ſchwimmen und ſchwitzen. Alſo ſeind auch Schwein und Hunde in der
Kirche/ die hoͤren auch wol den Schall der Predigt/ wie Herodes/ der Jo-
hannem den Taͤuffer gern gehoͤret. Felix und Druſilla; aber die den Geiſt/
den innern Verſtand/ Hertz/ Kern/ Geiſt/ Krafft/ Safft/ Leben und Troſt
mit lechzendem Hertzen faſſen/ und annemmen mit innern Hertzens-
Ohren/ ſind pauci, pauciores, pauciſſimi, Urſach/ ſie ſind voll Geld und
Welt/ voll Dorn und Diſteln allerhand Wolluͤſten. Eine ſolche Hoͤrerin
war unſere Maria von Bethania nicht. Welches à poſteriori \& elogio
Chriſti zuermeſſen/ indem ſie mit ſolcher Prudentz und geiſtlicher Klug-
heit
[456]Die Andere
heit gehoͤret/ daß ſie eine herꝛliche Chur und Wahl gethan. Davon wir zu
ſeiner Zeit mit mehrerem hoͤren werden. Und dieſe Hoͤr-Kunſt hat ſie von
Maria der Mutter GOttes gelernet/ dieſelbe hoͤret den Engliſchen Gruß
an/ erweget die Wort in ihrem Hertzen/ es fallt ihr ein Scrupel ein/ ſie fra-
get nach dem Verſtand: Quomodo, wie mag ſolches zugehen? der Engel
beantwortet denſelben auß GOttes Wort/ bald folgt die geiſtliche Con-
ception, mir geſchehe wie du geſaget haſt/ und gleich darauff die Geburt in
ihrem Magnificat. So machte es auch unſere Maria/ ſie hoͤret die Wort/
nim̃t ſie zu Hertzen/ wehlet und erweget dieſelbe wol/ und wer wolte laͤug-
nen/ daß ſie nicht ſolte den Herrn gefragt haben/ Quomodo, wie das
und jenes zu verſtehen? dann ſo war es dazumal braͤuchlich/ daß man in
methodo dialogiſtica gelehret und gelernet. Dem Herrn war auch
nichts liebers/ als wann man Jhn gefragt: Darauff nachdem ſie den
Schatz gewonnen/ hat ſie durch den Glauben concipirt/ die Geburt des
Glaubens war das edle gute Werck/ deſſen droben im Eingang gedacht
worden.
V. Tanquam diſcipula καρϖοφόρος, ein frucht-bringende Juͤngerin/
die ihren innern/ inwohnenden/ unverfaͤlſchten Hertzens-Glauben mit ei-
nem vortreflichen Werck der Liebe bezeuget/ durch welchen auch das Werck
gut geheiſſen worden. Daher Lutherus in margine ſchreibet: Da ſiehet
man/ daß der Glaube allein das Werck gut machet/ denn alle
Vernunfft haͤtte diß Werck verdam̃t/ wie auch die Apoſtel
ſelbs thaͤten. Dann die Werck ſind die beſten/ da man nicht
weiß/ wie gut ſie ſind. Judas hatte das Werck beraffelt/ und getadelt/
und fuͤr ein Uberfluß und Verſchwendung angeſehen. Nein/ ſagt der
Herr/ laßt ſie zu frieden/ Sie hat ein gut Werck an mir gethan/
ihr habt allezeit Armen bey euch/ mich aber habt ihr nicht alle-
zeit bey euch.Matth. 26, 10. 11. verſtehe als einen Armen/ daß ihr mir in
eigener Perſon Guts thun koͤnnet. Dann/ ſagt der Herr ferner/ daß
ſie das Waſſer hat auff meinen Leib gegoſſen/ hat ſie gethan/
daß man mich begraben wird.ꝟ. 12. meinem Begraͤbnuß vorzukom-
men/ ſie hats gethan/ tanquam Prophetiſſa realis, zu bezeugen/ daß der
Jeſus von Nazareth ſeye der Geſalbte Gottes/ und daß er ſterben werde/
als ein Opffer fuͤr die Suͤnde der gantzen Welt/ mit demſelben ein ſuͤſſen
Geruch in der Naſen Gottes erwecken/ und allen Suͤnden-Geſtanck ver-
treiben. Ja/ er werde auch in dieſem ſeinem Fleiſch aufferſtehen/ und die
Verweſung nicht ſehen/ Pſalm. 16. Das alles glaubte ſie/ ein ſolch hie-
roglyphiſch Werck war dieſe Balſamirung/ darum ſie auch unter den
Weibern
[457]Predigt.
Weibern/ die den Herrn nach der Aufferſtehung ſalben wollen/ nicht
geweßt. Und auß dieſem Glaubens-Trieb war ſolche Danckbarkeit her-
gefloſſen.
VI. Tanquam diſcipula glorioſa, die auch dieſes ihres liebthaͤti-
gen/ liebreichen Glaubens-Genoſſen. Dann ſo ein kalter Trunck Waſ-
ſer ſolche groſſe Verheiſſung hat/ wie vielmehr ein ſo koͤſtlicher Balſam/
damit ſie Chriſtum den Propheten geſalbet. Nun leuchtet ſie im Him-
mel viel heller als ein Stern/ auff Erden wird ihr Ehr und Ruhm/ der
weit groͤſſer/ als Alexandri Magni, Platonis, Ciceronis, \&c. nimmer-
mehr verloͤſchen/ und ſoll alsdann allererſt recht vollkommen angehen/
wann ſie die Stimme hoͤren wird: Kommet her/ ihr Geſegneten
meines Vaters/ ererbet das Reich/ das euch bereitet iſt von
Anbegin der Welt/ denn ich bin hungerig geweßt/ und ihr habt
mich geſpeiſet. Jch bin durſtig geweßt/ und ihr habt mich ge-
traͤncket/ ꝛc.Matth. 25, 34. 35.
Es iſt aber uͤber dieſes alles Maria von St. Luca fuͤrgebildet worden/
ſonderlich uns/ als auff welche das Ende der Welt kommen iſt/ tanquam
diſcipula Illex, als eine Lockerin. Jm Griechiſchen Text ſtehet das
Wort Καὶ gar bedencklich/ (ἡ καὶ παρακαθίσασα) Auch hab ſie ſich geſetzt/
weil ſie geſehen/ daß andere/ die dem HErꝛn Chriſto nachgefolgt/ ſich auch
geſetzet haben.
‘Particula καὶ (ita annotat Lyſer. Harm. cap. 106. p. m. 1969.) emphatica eſſe vi-
detur, innuens, affuiſſe etiam alios auditores. Sicuti Chriſtus perrarò ſine
magno comitatu iter fecit. Dum ergò non tantùm Martha, ſed etiam La-
zarus ipſe \& alii domeſtici occupati erant, ut hunc tantum hofpitem dignè
hoſpitio excipere poſſent, Maria à domeſticis negotiis omnibus feriata, ſe
totam compoſuit ad audiendum JEſum, \& ſimul unà cum aliis mulieribus,
quæ peregrinæ extra domum adveniſſent, aſſedit pedibus JEſu.’ ()
Daſſelbe καὶ gehet uns auch an. Gleichwie ſie ſich locken laſſen zu dieſem
ſchoͤnen Gottesdienſt: alſo locket ſie uns auch ad ſanctam imitationem,
zu heiliger Nachfolg. Nicht ad ſimialem ſimulationem, ſie iſt keine
Kraͤmerin/ die Maulaffen und Abentheur feyl hat/ ſie iſt keine Matriar-
cha vitæ contemplativæ, das iſt/ des faulen/ muͤſſigen/ geiſtloſen Hum-
mel-Pfaffen-Moͤnchen-Nonnen- und Cloſter-Lebens/ wie man ſolche
Mißgeburt im Pabſtthum derſelben zugeſellet.
Neunter Theil. M m mNota
[458]Die Andere
Nota (ita Corn. à Lap. ad Luc. 10. p. 132.) Martham gerere Typum
vitæ activæ, Mariam vitæ contemplativæ, dum ſedet, dum tacet,
dum interpellata non reſpondet, quæ denique intus rapta, foris
inſenſibilis redditur. Subſcribit Grotius in N. T. p. 719. Errare
mihi non videntur veteres, qui in duabus his ſororibus exem-
plum ponunt, βίου ϑεωρητικου̃ καὶ πρακτικου̃: ut \& Hebræi in Rachele
\& Lea. Τῆς γὰρ ψυχῆς ὑμῶν διμερου̃ς ὑϖαρχούσης καὶ τὸ μὲν λογικὸν, τὸ [...]
ἄλογον ἐχούσης α᾽ρετὴν ἑκατέρου ὑϖάρχειν συμ [...]έ [...]ηκε, λείαν μὲν του̃ λο-
γικου̃, του̃ δὲ ἀλὸγου Ραχὴλ, inquit Philo libro περὶ τῆς εἰς τὰ προπαι-
δἐυματα συνόδου, quem magno conſenſu ſequuntur Chriſtiani
Scriptores.
Umgekehrt/ das Widerſpiel iſt wahr/ Maria iſt eine gefliſſene Hoͤrerin ge-
weßt des Worts GOttes/ Maria Papæa haßt das predigen und hoͤren/
Urſach/ es koſtet Muͤh/ waͤre Luther nicht kommen/ und haͤtte die Pfaffen
nicht hinder die Buͤcher gejagt/ ſie wuͤrden noch wenig predigen/ der uͤbri-
ge gantze Gottesdienſt beſtehet in der Schau/ Meßmachen/ Gauckeley/
Comoͤdianterey/ Alfaͤntzerey/ Affenwerck/ Puppenwerck. Jſt alſo nicht
Mariaͤ Tochter/ ſondern Mißgeburt. Maria iſt eine Lockerin zu lernen
die ſeligmachende himmliſche Weißheit/ ſie ſchreibet uns realiter mit ih-
rem Exempel folgende Reguln fuͤr:
I. Quærite primùm regnum DEI.Trachtet am erſten nach
dem Reich GOttes/ und ſeiner Gerechtigkeit/ der zu gerechneten
Gerechtigkeit JEſu Chriſti/ des innern Gewiſſen-Friedens/ alſo daß euch
euer Hertz nicht verdam̃t/ und wie ihr dermaleins fuͤr Gott beſtehen/ und
in ſeinem gerechten Gericht nicht zu ſchanden werden wollet. So wird
euch das uͤbrige alles zufallen.Matth. 6, 33. Wie Salomon/ der bat
um ein gehorſames Hertz/ daß er das Volck des HErꝛn richten
moͤge/ und verſtehen/ was gut oder boͤſe iſt. 1. Reg. 3, 9. darauff hat
ihme Gott neben ſeiner unvergleichlichen Weißheit/ Reichthum und
Ehre/ und ein langes Leben/ als eine mantiſſam zugeworffen. Es heißt
auch hie/ Aurora Muſis amica, Morgenſtund hat Gold im Mund/ Gold
des Glaubens/ wann man die Bibel lißt/ und das glaubige Gebet erhoͤ-
ret wird; Trachtet am erſten darnach/ wer nicht leſen kan/ der gehe in ein
Fruͤh-Gebet. Quærite, Trachtet darnach/ ſo viel immer muͤglich/ verlaſſet
die offentliche Verſamlungen nicht/ gedencket an das alte Sprichwort:
Predigt hoͤren ſaumet nicht. Wiewol der freche und verwegene Jeſuit
und Wort-Feind Scherer in ſeiner Poſtill/ in der fuͤnfften Predigt des
erſten Sonntags nach der heiligen Drey Koͤnig Tag ſich nicht entbloͤden
darff
[459]Predigt.
darff alſo zu ſchreiben: Es haben die Lutheriſchen auch das alte
Sprichwort veraͤndert/ das ihnen jetzt lauten muß: Predigt
hoͤren verſaumet nichts/ und nicht: Kirchen gehen verſaumet
nichts. Grad/ als wann kein anderer Gottesdienſt waͤre/ als
Predigt hoͤren. Ein Churfuͤrſt von Sachſen hat im 1547.
Jahr auch Predigt gehoͤrt/ iſt aber daruͤber vom Kayſer Carl
gefangen/ und am lincken Wang mit einem zimlichen Schram
bezeichnet worden. Dieſe Predigt hat ihme viel verſaͤumet
und auffgehalten in der Flucht auff Wittenberg zu. Biß hie-
her der verlogene Sycophant/ verlogene/ ſag ich/ indem er in die Welt
hinauß ſchreyen und ſchreiben doͤrffen/ es waͤre der Churfuͤrſt Johann
Friderich/ Chriſtloͤblichen Andenckens/ uͤber der Predigt gefangen und
verwundet worden; und darff noch ſolches auß Sleidano beweiſen wol-
len/ der zwar meldet/ daß er vor der Schlacht/ und wie es die Umſtaͤnde
geben/ fruͤh morgens eine Predigt gehoͤret/ ſpath aber hernach/ ſintemal
die Schlacht biß in die Nacht hinein gewaͤhret/ gefangen und verwundet
worden. Sycophant/ indem er den Lutheranern eine Verfaͤlſchung zu-
meſſet; Grad/ als waͤre es unrecht/ die in Predigten allegirte Proverbia
nach der hypotheſi des jetzigen Stands/ Zeit und auditorii zu accom-
modiren. Moria im gegentheil/ das iſt/ virgo fatua, die thoͤrichte
Jungfrau/ eine Gottes-vergeſſene Seele/ kehrets um. O cives, cives,
quærenda pecunia primùm, virtus poſt nummos, wann wir alt werden/
gnug zuſammen geſcharret/ und uns zu Ruhe begeben/ da iſts Zeit ge-
nug in die Kirch zu gehen.
2. Καθίσατε, Sitzet/ nicht eben ratione corporalis ſituationis, mit
dem Leib/ Eglon/ als er vernommen/ Ehud habe Gottes Wort an ihn/ da
ſtehet er auff von ſeinem Stul auß Reverentz und Ehrerbietung/ Jud. 3, 21.
darin er dann nicht unrecht gethan. Deßgleichen wird auch Conſtanti-ap. Euſeb.
lib. 4. de
vit. Conſt.
c. 33.
no M. dem Chriſtlichen Kayſer zu Lob nachgeſchrieben/ daß/ als derſelbe
einsmals eine Sermon von der Begraͤbnuß Chriſti angehoͤrt/ ſo ſeye er
die gantze Zeit/ auß Reverentz und Demuth/ geſtanden/ ohnangeſehen/ ih-
me zugemuthet worden/ weil die Sermon ſich etwas langs verzogen/ er
wolle doch auff den Koͤniglichen Stuhl ſitzen. Nein/ ſagte er/ das waͤre
nicht recht/ daß ich entweders der langen Predigt muͤd werden/ oder mich
niderſetzen ſolte. Sondern ſitzet mit den Affecten/ ohne herum ſchweiffen
der Gedancken; Es iſt zwar nicht allerdings muͤglich/ die Voͤgel fremder
Gedancken vom Opffer weg zutreiben/ aber doch muß man auch das
kaͤmpffen nicht unterwegen laſſen. Agone opus eſt. Jm gegentheil
M m m ijMoria
[460]Die Andere
Moria reiſſet ſich ums wol ſitzen in der Kirch/ und zerpalgt und zerzanckt
ſich wol um die Stuͤhle/ aber zu was End? Sedet ut dormiat, ſie ſitzet/ daß
ſie ſchlaffen kan. Zwar es gehet auch Schwachheit mit unter bey den klu-
gen Jungfrauen/ ſie entſchlieffen auch. Eutyches hat ſich geſetzt und vom
Schlaff uͤbereilen laſſen/ iſt aber dadurch des Gnaden-Schooß GOttes
nicht entſetzet worden/ wo aber vorſetzlich Anlaß gegeben wird/ da man
wol zuvor faſten/ und den Leib caſteyen koͤnte/ das iſt nicht verantwortlich.
3. Καθίσατε ad pedes. Das Haupt iſt uns zu hoch/ die Fuͤſſe ſeind
Lehrer und Prediger/ zu denen ſoll man ſich ſetzen/ und ſich deſſen nicht
ſchaͤmen. Keiner ſoll ihm zu wol trauen. Paulus ſelbs iſt geſeſſen zu den
Fuͤſſen Ananiaͤ/ die edle Roͤmiſche Weiber zu den Fuͤſſen Hieronymi/
und haben Brieff mit ihm gewechſelt. Die groſſe Creutz-Schweſter Ma-
ria Koͤnigin in Ungarn zu den Fuͤſſen Lutheri/ wann ſie ſeinen Com-
mentarium uͤber die vier/ 37. 62. 99. 109. Pſalmen mit Gnaden-Danck
Saubert.
mirac. A.
Cõf. p. 140.angenommen/ und mit einem ſchoͤnen Echo beantwortet. Von Johanne
Friderico, Churfuͤrſten Johannis Sohn/ ſo hernach Magnanimus, der
Großmuͤtige genennet worden/ wird zu ewigem Ruhm nachgeſchrieben/
daß er in ſeiner Jugend/ als er 9. Jahr alt geweſen/ ſeinen Herꝛn Vater
hoch gebetten habe/ er wolle ihm vergoͤnnen/ daß er mit andern gemeinen
Kindern der Stadt Torgau/ in die Kinderlehr gehen doͤrffte/ da man den
Catechiſmum nicht allein geprediget/ ſondern auch examinirt/ da er dann
in wahrer Gottesforcht und Erkanntnus der reinen Evangeliſchen Re-
ligion dermaſſen proſicirt und zugenommen/ daß er mit hohem Verſtand
precioſum à vili, das Gute von dem Boͤſen unterſcheiden/ und von Reli-
gions-Sachen/ gruͤndlich urtheilen/ und Geſpraͤch halten koͤnnen/ daher
er auch auff dem Reichs-Tag zu Augſpurg/ als er mit ſeinem Herꝛn
Vater dahin kommen/ etlich mal mit den Papiſtiſchen Theologis in ei-
ne Conferentz ſich eingelaſſen/ und ſie ſchamroth gemacht. Zum Exem-
pel: als jene auff eine Zeit uͤber der Frag/ ob man den Layen nur die eine
Geſtalt des Abendmahls/ oder aber beyde Stuck reichen ſolte? ſtarck be-
haupten wolten/ daß nur die eine Geſtalt den Layen gebuͤrte: da hat Jo-
hann Friderich ihnen ihre Gruͤnde richtig abgelehnet; und dargegen die
Wort der Einſatzung ſtarck vorgehalten: bibite ex hoc omnes: Trin-
cket alle darauß auß Matth. 26. Worbey jene keine andere Außflucht
nehmen koͤnnen/ als daß ſie geruffen: Omnes, omnes, i. e. Sacerdotes
non Laici. Alle/ alle/ das iſt/ die Prieſter/ nicht die Layen/ der Fuͤrſt hin-
gegen ſagte mit groſſer Beſcheidenheit/ er koͤnte nicht abſehen/ auß was
Urſachen das Woͤrtlein omnes, Alle/ eben ſo viel heiſſen ſolte/ als nur die
Prieſter/
[461]Predigt.
Prieſter/ ſonderlich weil Paulus auch den Layen zu Corintho den Kelch
dargebotten. Als ſie es aber nochmalen mit groſſem Ungeſtuͤmm wider-
holten/ Omnes, id eſt, Sacerdotes, da ſprach der Fuͤrſt mit laͤchlendem
Munde: Ergò quid hic dicetis, cum ait Chriſtus: Mundi eſtis, ſed non
omnes, i. e. non Sacerdotes. Was wolt ihr dann ſagen auff den Spruch
Chriſti/ ihr ſeyd rein/ aber nicht alle/ das iſt (euerer Erklaͤrurg nach) Jhr
Layen ſeyd rein und fromm/ aber nicht die Prieſter und Pfaffen? darauff
ſie ſich etwas entfaͤrbet/ und dem Fuͤrſten das Zeugnuß geben muͤſſen/
daß er in der H. Schrifft wol beleſen und geuͤbet. Jm gegentheil Moria
ſitzt uͤber ihr ſelbs/ verachtet das offentliche Predigampt/ lißt die Bibel/
wie der Kaͤmmerer/ ohne den rechten Schluͤſſel/ deßgleichen des Arnden
Buͤcher ohne diſcretion, geraͤth daruͤber in Geiſterey/ Phantaſterey und
verduͤſtert Weſen. Ja es ſeind wol gar/ die dem Predigampt auff den
Kopff ſitzen/ und daſſelbe meiſtern/ nicht nur groſſe Herren/ denen man
predigen muß/ was ſie wollen/ oder werffen dem Prediger den Sack vor
die Thuͤr; ſondern auch Herꝛ Omnis, die dem Geiſt GOttes ſich wider-
ſetzen/ von dem Schwerdt des Geiſtes ſich nicht wollen ſtraffen laſſen/
nach deinem Wort wollen wir nicht thun. Darum kein Wunder/ daß
hernach das blutige Rach-Schwerdt/ der Tuͤrckiſche Saͤbel ſtraffen muß/
der allbereit uͤber uns gezuckt/ entbloͤſet/ und von weitem glaͤntzet.
4. Audite, hoͤret wie Lydia/ die zwar mit dem aͤuſſerlichen Ohr ge-
hoͤret/ Gott aber hat ihr inwendig das Hertz geoͤffnet/ ihr Hertz hatte
wie eine Meer-Schneck den Himmels-Thau des Goͤttlichen Worts
angenommen/ und empfangen/ und nachmalen das edele Perlein des
Almoſens/ ſo ſie an Paulum verwendet/ gebohren. Jm gegentheil hoͤ-
ret Moria, wie ein thummes Vieh im Stall/ den Wortlaut/ aber die διά-
νοια wird nicht geachtet/ es ſeind Boͤhmiſche Doͤrffer/ man erfahrets/
wann man auß den Predigten fragt/ wie man ſo gar nichts verſtanden/
alle aviſo und Gaſſen-Zeitungen kan man nachſagen/ aber die Evangelia
des Glaubens ſeind bey dem meiſten und groͤſten Hauffen ἄῤῥητα ῥήματα,
davon iſt man mauß-ſtill/ man verſtummet druͤber.
5. Fructificate, ungite. Zeig mir deinen Glauben auß den Wercken/
die auß dem Trieb des Glaubens herflieſſen. Salbet Chriſtum in ſeinen
Gliedern durch reichliches Almoſen/ welches eben nicht allezeit in Silber
und Gold beſtehet/ ſondern auch in Wercken/ die edler als Gold und Sil-
ber. Geſchicht/ wann ein frommer Regent die Gerechtigkeit adminiſtrirt/
dem Armen als dem Reichen/ ohne Vortheilſucht/ wann der Juriſt/ der
Medicus dem Armen umſonſt dienet/ wann der Profeſſor die Studioſos
M m m iijnicht
[462]Die Dritte
nicht mit allzugroſſen honorariis uͤbernim̃t/ daß ſie nicht beſtehen koͤnnen/
alles weißlich/ nach der Regul eines Chriſt-klugen erleuchteten Gewiſſens.
Es geſchicht durch milde Stifftungen und Stipendia, dadurch junge
Pflantzen zur Ehre Gottes gezielet/ nutzliche organa zu Vermehrung des
Gnaden-Reichs/ in den Schulen erzogen werden/ welche fremde Spra-
chen/ verwickelte Knotten in Glaubens-Sachen auffzuloͤſen/ lernen/ und
hernach andern Außlaͤndiſchen damit kramen/ und die Verfuͤhrte bekeh-
ren koͤnnen. Gregorius der Zehende/ Pabſt zu Rom/ machte ihm unter
den Seinigen einen unſterblichen Nahmen/ indem er ſeine eigene Apoſto-
liſche Rent-Kammer eingeriſſen/ und ein Collegium zur Fortpflantzung
des Glaubens und der Religion fuͤr die Teutſchen auffgerichtet/ daß da-
ſelbs Teutſche Studenten erzielet/ als Lock-Voͤgel die Teutſchen an ſich
locken/ und zum Roͤmiſchen vielmehr Schlangen-Neſt als Taub-Hauß
bringen ſollen. Contrà Moria wendets viel lieber ad cauſas madidas
\& vanas, als pias, auff Panqueten/ Jag-Huͤnde/ Falcken und andere
Vanitaͤten/ zu Werckzeugen ihrer eigenen Ehr und Herꝛligkeit/ GOttes
Ehr mag das Nachſehen haben.
Wie nun der Moriæ und allen thoͤrichten Jungfrauen/ die ſolchen
Rath verachten/ und mit Fuͤſſen tretten/ ihr Urtheil allbereit gefaͤllet/
Matth. 25, 10. Die Thuͤr iſt verſchloſſen/ ich kenne euer nicht. Sie fah-
ren in ihrem Narren-Schiff der Hoͤllen zu/ ſie werden dermal eins/ aber
zu ſpat/ die Haͤnde uͤber dem Kopff zuſammen ſchlagen/ und ſagen:
O wir Narren/ wir haben des rechten Wegs verfehlet/ Sap, 5, 6. Alſo
werden die Marianer gewiß ihres Glaubens genieſſen/ hie ſollen ſie haben
mnemoſynon eines guten Nahmens/ dort die ewige unverwelckliche
Himmels-Cron. Das helff uns JEſus GOttes und Mariaͤ Sohn/
unſer Heyland und Gnaden-Thron. Amen.
Die Dritte Predigt/
Von
Der Predigt Chriſti/ deren Maria
zugehoͤret.
GEliebte in Chriſto. Unter andern hell-leuchtenden
Liechtern und Gotts-gelehrten alten Lehrern/ welche den Gna-
den-Himmel/ das Gnaden-Reich Jeſu Chriſti von Alters her/
mit
[463]Predigt.
mit ihren Gaben/ Mund und Weißheit erleuchtet und gezieret/ iſt auch ei-
ner/ und zwar nicht der nachguͤltigſte/ geweſen/ der weyland beraͤhmte Pa-
triarch zu Conſtantinopel/ ſo im 4. Seculo 400. Jahr nach Chriſti Geburt
florirt/ gelebt und gelehret/ nahmens Johañes/ mit dem Zunamen Chry-
ſoſtomus, das iſt/ Guldmund/ oder guldenmuͤndige Lehrer/ nicht allein da-
rum/ weil er guldene Aepffel/ in ſilbern Schalen/ das iſt/ das koͤſtliche Gold
des wahren Glaubens/ 1. Petr. 1, 7. in außerleſenen ſchoͤnen Worten und
Wort-Blumen fuͤrgetragen/ und alle ſeine Rhetoric und Philoſophie,
ſeine freye Kuͤnſte/ die er in der Jugend auff der Hohen Schul zu Athen
ſtudirt/ artig an den Mañ gebracht; ſondern auch ob flumen eloquentiæ
aureum, wegen des guldenen Flußes ſeiner lieblichen/ kraͤfftigen/ penetri-
renden und durchtringenden Suada, dadurch er als mit einem philtro,
maͤnniglich an ſich gezogen/ alſo/ daß wann man gehoͤrt/ Johannes Chry-
ſoſtomus werde predigen/ ſo ſeind die Leute ſturmatim und Stroms-weiß
zugeflogen/ der Handwercks-Mann hat ſeine officin und Werck-ſtatt ſo
lang quittirt/ der Kraͤmer ſeinen Kram zugeſchloſſen/ die Schiffleut ihre
Schiffe verlaſſen/ Garten-Baur- und Ackers-Leute haben ihre Arbeit
auffgeſchoben/ und der Predigt zugelauffen. Ja auch ob auream con-
ſtantiam, wegen der guldenen Beſtaͤndigkeit in Truͤbſaal. Wie Gold
vom Feur nicht verſehret noch verzehrt/ ſondern gelaͤutert und bewehret
wird/ alſo auch Chryſoſtomus: Es fuͤhrte dieſer Mann ein eifferige und
gewaltige παῤῥησίαν, er griff jederman in die Woll/ und zwagte/ wo er
Grind gefunden/ nicht nur dem Poͤbel/ ſondern auch dem Clero. Zufor-
derſt hat er die damalige Lehrer und Prediger/ die ſeiner Inſpection un-
tergeben/ und nicht eben alle und allezeit zum beſten Haußgehalten/ wacker
zu Chor getrieben/ dem Hoff und deſſen Junckern/ den Grandibus, dem
groſſen Eunucho und Kaͤmmerer Eutropio gab er in Predigten gewal-
tige Griffe: Dem Arianiſchen General und Kriegs-Oberſten Gaina, der
fuͤr ſeine Arianer und Ketzer kurtzum eine Kirch und Religions-Ubung
in der Stadt Conſtantinopel erpracticiren wollen/ widerſtund er kraͤff-
tiglich/ ſchonet auch des Kayſers Arcadii ſelbs und ſeiner Gemahlin Eu-
doxia ſo gar nicht/ daß er auch dieſe eins mals in einer Predigt der Jeſabel
und Herodias verglichen/ daruͤber nicht nur Feur ins Dach kommen/
ſondern es brennete auch das gantze Conſtantinopolitaniſche Meer/ und
mußte der gute Mann ſeinen Stab in die Hand nemmen/ und ins bitte-
re Exilium hinauß wandern. Aber wie Gold im Feur unverſehrt bleibt/
alſo blieb auch Chryſoſtomus und ſeine Alethea oder Confeſſion der
Warheit beſtaͤndig im Glauben und Gedult/ biß ans Ende.
Hier
[464]Die Dritte
Hier in unſerm abgeleſenen Text iſt mehr als Chryſoſtomus. So
Johannes der Patriarch zu Conſtantinopel dieſen ſchoͤnen Nahmen ei-
nes guldenen Munds meritirt/ und doch ein bloſer/ ſuͤndlicher/ ſterbli-
cher Menſch geweßt/ und in ſeinem manchmal fleiſchlichen Eiffer exceß
begangen/ bey dem eben nicht allezeit Gold geweßt/ was geglaͤntzet; Wie
viel mehr iſt ὁ λόγος ὑϖοϛατικὸς, der ewige Sohn GOtts/ des Vaters
Rath und ewiges Wort/ der groſſe Prophet JEſus von Nazareth/ deſſen
Haupt das feineſte Gold/ Cant. 5, 11. dieſes Namens wuͤrdig und werth/
als welcher freylich aurea poma, guldene Paradiß-Aepffel/ myſteria fi-
dei, auß dem Schooß ſeines Himmliſchen Vaters herab gebracht/ und
uns damit gekramet/ in ſilbern Schaalen der außerleſenſten ſchoͤnſten
Wort/ in Wort-Blumen/ Raͤtzeln/ Figuren/ gnomis, parabeln und der-
gleichen/ dieſelbe vorgetragen/ Er hat mit ſeiner lieblichen/ gewaltigen/
durchdringenden Suada totos greges bey viel tauſenden an und nach
ſich gezogen/ alſo/ daß ſie im Gedraͤng der Menge einander getretten/ Luc.
12, 1. ſamtlich uͤber dieſen Mann ſich verwundert/ uͤber ſeiner holdſeligen
Lehr/ die auß ſeinen Lippen gefloſſen/ einander angeſehen und geſagt: Es
hat nie kein Menſch alſo geredet.Joh. 7, 46. Er iſt auch freylich au-
rum in ignibus geweßt/ Er hat niemand geſchont/ daß auch ſeinen freyen
Muth und wahren Mund ſeine abgeſagte Feinde/ die Phariſaͤer und
Schrifftgelehrten fuͤhlen und ruͤhmen muͤſſen: Matth. 22, 16. Meiſter/
wir wiſſen/ daß du warhafftig biſt/ und lehreſt den Weg GOt-
tes recht/ und du frageſt nach niemand/ dann du achteſt nicht
das Anſehen der Menſchen. Welche Bekañtnuß Er fuͤr Pilato ge-
than/ und mit was fuͤr Beſtaͤndigkeit Er/ wie Gold im Feur/ außgedau-
ret/ das hoͤret E. Lieb jaͤhrlich in der Paſſions-Hiſtori. Jſt derowegen wol
wuͤrdig und werth/ daß wir uns mit Maria zu ſeinen Fuͤſſen ſetzen/ ſeinen
guldenen Mund und aureum λόγον hoͤren/ dann nachdem wir die erſte
Perſon Martham in ihrer Sorgfalt/ Mariam in ihrer Andacht/ betrach-
tet/ ſo folget nun/ daß wir Chriſtum in ſeinem guldenen Mund hoͤren/
was und wie er geprediget. Hievon zu reden zu GOttes Ehr/ und unſe-
rer Erbauung/ wolle Gott der Himmliſche Vater die Gnade des Hei-
ligen Geiſtes mildiglich verleihen/ um JEſu Chriſti willen. Amen.
GEliebte in Chriſto. Ob nun wol St. Lucas mit duͤr-
ren/ klaren und außgetruckten Worten das Thema der Predigt
Chriſti/ die er gehalten in dem Hauß Marthaͤ zu Bethanien nicht
benamſet/
[465]Predigt.
benamſet; ſondern in generali, ins gemein nur dieſelbe nennet λόγον eine
Rede: Maria hab ſich geſetzet zu den Fuͤſſen JEſu/ und ſeiner
Rede zugehoͤret. Jedoch wann wir das genaue und hoch anbefohlene
ἐρευνᾶν, und die ὑϖόνοιαν in acht nemmen. Wann wir gleich einem Weyd-
mann und Jaͤger die cubilia, Neſter und Loͤcher/ wo das Wildprett ligt/
recht außſpaͤen und außſpuͤhren; gleich einem Schatz-Graber und Berg-
knappen die Gold-Adern recht forſchen und ergraben/ ſo werden wir den
Schatz finden/ wiſſen und verſtehen lernen/ was das Thema geweßt/ und
wovon er geprediget/ nemlich mit einem Wort/ die Χριϛοσοφία, die Lehre
von Chriſto/ ſeiner Perſon/ Ampt und Gutthaten/ das einig noͤthige/ die
allerbeſte Lehr/ ſo von uns nicht kan genommen werden. Die gelehrte/
die vermehrte/ die hell erklaͤrte/ die ſehnlich begehrte/ die kraͤfftig bewaͤhrte
und verwahrte Kunſt uͤber alle Kuͤnſte/ die Weißheit uͤber alle andere
Weißheit/ die Lehr uͤber alle Lehren/ die Erkanntnuß Chriſti/ daß aber dem
alſo/ und nicht anders/ erhellet 1. auß dem General-Zweck der H. Prophe-
ten/ davon Petrus Act. 10, 43. von JEſu Chriſto zeugen alle Pro-
pheten/ſymphonicè, mit einhelligem Mund/ das Zeugnuß JEſu
iſt der Geiſt der Weiſſagung.Apoc. 19, 10. Alle Propheceyung iſt
eine groſſe Lucern auff Chriſtum: Weil nun JEſus von Nazareth der
groſſe Prophet/ Deut. 18, 15. von deſſen Liecht alle Propheten empfangen
Gnade um Gnade/ der auß dem Schooß ſeines Himmliſchen Vaters
fluenta Sapientiæ, Guͤſſe und Fluͤſſe himmliſcher Weißheit herunter ge-
bracht/ und von ſich flieſſen laſſen/ der alles was dunckel geweßt/ als der
Phoſphorus ſolte erleuchten/ Moſen/ Propheten/ und Pſalmen außlegen/
Luc. 24. das Liecht herum tragen/ und ſagen: Heut iſt dieſe Schrifft
erfuͤllet fuͤr euern Ohren.Luc. 4, 21. So hat freylich der Herr an
dieſem Ort nicht gefeyret/ und reflexè von ſich ſelbs/ ſeinem Meſſianiſchen
Ampt/ Perſon und Gutthaten eine holdſelige Rede gethan/ und daſſelbe
modeſtiſſimè, zuvermeiden die περιαυτολογίαν, und Selbs-Ruhm/ in ter-
tia perſona, als der vor ſeiner Aufferſtehung ſich ſelbs nicht fuͤr den Meſ-
ſiam außtrucklich angegeben/ außgenommen bey der Samariterin/ Joh.
4, 26. Jch bins/ der mit dir redet. Sonſt aber/ ſo viel characteres an-
gezeigt/ die an ihm erfuͤllet worden/ daß es ein Blinder greiffen koͤnnen.
Es erhellet 2. ex prædicatis, die er der Herr in ſeinem judicio von ſeiner
Rede gethan/ auß denen das Subjectum unſchwer zu erkennen geweßt.
Maria/ ſagt er/ hat den beſten Theil erwehlet/ das ſoll nicht von
ihr genommen werden. Eines iſt noth. Gibt damit klar zu verſte-
hen/ daß Er ſeine Rede concipirt von einem Schatz/ von einer hochwei-
Neunter Theil. N n nſen
[466]Die Dritte
ſen Lehr/ die einig noͤthig/ die gut/ die die beſte Lehr in dieſer Welt/ dero
Krafft durch kein Gewalt kan entzogen werden/ wann wir nur per indu-
ctionem, alle Kuͤnſte/ Wiſſenſchafften und Lehren zuſammen faſſen/ ſo
werden wir kein einige finden/ die mit dieſen Qualitaͤten begabt/ als die
Chriſtoſophia. Dazu dann 3. kom̃t der effect und Frucht dieſer Rede/
auß welcher eben dieſes auch zu erhaͤrten. Bald nach dieſer Rede ſtellet
der Herr ein Examen an mit der Martha/ Joh. 11, 27. dann nach dem
Er geſagt: Jch bin die Aufferſtehung und das Leben/ wer an
mich glaubet/ der wird Leben/ ob er gleich ſtuͤrbe/ und wer da le-
bet/ und glaubet an mich/ der wird nimmermehr ſterben. So
fragt er Martham/ glaubſtu das? darauff ſie geantwortet: HErꝛ ja/
ich glaube/ daß du biſt Chriſtus der Sohn GOttes/ der in die
Welt kommen iſt. Woher hat ſie dieſen Glauben geſchoͤpfft? nicht
von Fleiſch und Blut/ das hat ihr ſolches nicht offenbaret/ ſondern auß
der Predigt Chriſti zu Bethania. Und wie Martha ihres Glaubens Be-
kanntnuß gethan mit Worten/ alſo auch Maria im Werck und Geber-
den/ indem ſie des Herrr Haupt und Fuͤſſe geſalbet/ dann wie der groſ-
ſen bußfertigen Suͤnderin Luc. 7. aͤuſſerliches Werck ein perſpectiv ge-
weßt/ dadurch man in ihr Hertz hinein hat ſehen koͤnnen/ die Thraͤnen zeug-
ten/ daß der Geiſt zerſchlagen und gedemuͤthiget/ daß das Hertz im Leib
verwundet/ und geweinet/ und daß es Goͤttlich betruͤbet ſeye/ der Kuß zeug-
te vom Glauben/ der Oelguß von den wahren Fruͤchten der Buß. Alſo
war die Balſamirung Chriſti ein Zeichen des ſchimrenden und leuchten-
den Glaubens inwendig in dem Hertzen Mariaͤ. Solte man ſie gefragt
haben/ warum ſie das thue/ wuͤrde ſie ohne Zweiffel geſagt haben/ das habe
ich auß des Herꝛn Jeſu Predigt gehoͤret/ die Er neulich gethan zu Be-
thania. Jch habe Jhn geſalbet als den Herꝛn Meſſiam und Geſalbten
des Herrn/ als den theurſten Hohen-Prieſter/ als den ewigen Koͤnig
uͤber das Hauß Jacob. Jch habe Jhn geſalbet/ weil er wird ſterben/ und
begraben werden/ aber auch wieder aufferſtehen/ als deſſen Fleiſch die Ver-
weſung nicht ſehen kan. Und iſt gar bedencklich/ daß unter den ſchwach-
glaubigen Weibern/ die auff den Oſtertag kommen/ Chriſti Leichnam zu
balſamiren/ Maria von Bethania/ Lazari Schweſter/ nicht erſchienen/ als
deren ein ſolcher heroiſcher Glaub beygewohnet/ Krafft deſſen ſie dafuͤr
gehalten/ Er werde nach ſeinem Tod keines balſamirens bedoͤrffen/ ſein
Fleiſch werde die putredinem und Verweſung/ welche zuverhuͤten die
Balſamirung angeſehen/ nicht ſehen/ er werde gewiß von den Todten
aufferſtehen/ darum ſie lieber den lebendigen als den todten Jeſum balſa-
miren/
[467]Predigt.
miren/ und ihren Glauben damit bezeugen wollen/ ſie glaube an Chriſtum/
der von den Todten werde aufferſtehen. Wo mag dieſe Maria dieſe ſo
hohe/ Geheimnuß-reiche Theologie ſtudirt haben? warhafftig è λόγῳ
Bethaniano, auß der Rede/ die der Herr zu Bethania gethan. Darum
bleibts darbey/ Chriſti Rede ſeye geweſen Chriſtologia, \& Chriſtoſo-
phia, die Lehre von Chriſto.
Daß aber der Herr ſeine Chriſtoſophiam und Chriſt-Weißheit
nicht bloß ſuperficialiter und oben hin dem Wortlaut nach/ ſondern in
einem anmuthigen/ artigen methodo damal tractirt; nicht nur bloß ge-
lehrt/ ſondern auch vermehrt/ erklaͤrt und bewaͤhrt/ daſſelbe erſcheinet
nicht nur auß den Umſtaͤnden der Evangeliſchen Hiſtori/ ſondern auch
auß ſeiner holdſeligen Art zu lehren/ da er zu unſerm groben/ doͤlpiſchen/
menſchlichen Verſtand/ der ihm gelaſſen/ die Geheimnuß GOttes nicht
faſſen noch verſtehen kan oder wil/ ſich per συγκατά [...]ασιν herunter gelaſ-
ſen/ und zwar 1. was das Incrementum, die Mehrung und das Wachs-
thum betrifft. Es war dieſe Predigt nicht die erſte/ die der Herr zu
Bethania gehalten/ dann Er freylich ein modium ſalis mit Lazaro gegeſ-
ſen/ biß er ſein Freund worden; Er hat aber nicht ταῦτα τάυτως immer-
dar einerley/ oder einerley zum zweyten mal gebracht/ dann ſonſt waͤre
Maria nicht ſo unerſaͤttlich begierig geweſen zu hoͤren/ maſſen unſer Na-
tur alſo beſchaffen/ daß ſie gern von je laͤnger je mehr etwas neues hoͤret/
darum hat Er ihr das himmliſche Manna auff ein andere weiß zubereitet
als zuvor/ bald dieſe bald jene Propheceyung vorgenommen und außge-
legt/ bald dieſe bald jene Figur an das Liecht gebracht/ und alſo das
Wachsthum des Glaubens befoͤrdert/ allermaſſen wie er auff ſolchen ſei-
nen methodum ſelber gedeutet/ Matth. 13, 32. Ein Senffkoͤrnlein iſt
das kleineſt unter allen Saamen/ wann es aber erwaͤchſt/ ſo iſt
es das groͤſte unter dem Kohl/ und wird ein Baum/ daß die
Voͤgel unter dem Himmel kommen/ und wohnen unter ſeinen
Zweigen. Deßgleichen in der Cur des Blinden. Marc. 8, 24. An-
fangs ſchencket er ihm nur einen Glaſt/ daß ihm Menſchen vorkommen/
als waͤren es Baͤume/ nachgehends aber hat er ihn dermaſſen zurecht ge-
bracht/ daß er alles ſcharff ſehen konnen. So zuͤndet er in der Erleuch-
tung des Menſchen an ein kleines Liechtlein in dem Verſtand/ welches
ſich je laͤnger je mehr vergroͤſſert/ biß der helle Morgenſtern auffgehet/
und die Klarheit des Herrn ſich ſpiegelt mit auffgedecktem Angeſicht/
2. Cor. 3, 18. Wir finden
II. Illuſtramentum Chriſtoſophiæ, daß der Herr nicht nur ge-
N n n ijlehrt
[468]Die Dritte
lehrt und vermehrt/ ſondern auch klar/ deutlich und anmuthig erklaͤrt/
illuminirt und verſtaͤndlich gemacht. Waͤre er obſcur mit ſeiner Lehr
umgangen/ wuͤrde weder Maria noch ſonſt ſo viel Volcks ihm nachge-
loffen ſeyn/ ſondern vielmehr abhorrirt/ weil der menſchliche grobe Eſels-
Verſtand ſo geartet/ daß/ wann man es ihm nicht wol wuͤrtzet/ ſo mun-
det es nicht/ wann himmliſche Geheimnuß nicht evident gemacht wer-
den/ ſo wollen ſie nicht ins Hertz flieſſen/ darum der Herr ſo viel Wort-
Blumen und Gleichnuſſen erdacht/ die himmliſche hohe Ding mit ni-
dern Worten/ mit menſchlicher Zung außgeſprochen/ daß mans greiffen
muͤſſen/ Er hat nicht nur parrheſia, mit hertzhafftem Mund und Muth/
ſondern auch parœmia, durch Sprichwort geredt. Joh. 16, 25. dem Ver-
ſtand deſto beſſer einzubilden/ zur interrogation und Frag zu excitiren/ ut
quod difficilius quæritur, dulcius inveniatur. Auguſt. in Pſalm. 105.
Das was man mit groſſer Muͤh und Fleiß ſuchet und forſchet/
mit deſto groͤſſerer Freud und Luſt gefunden werde. Wir fin-
den in dieſer Rede.
III. Excitamentum, daß er die Begierde Mariaͤ und ſeiner Zuhoͤrer
damit erweckt und geſchaͤrfft/ indem er in die ſchweren Geheimnuſſen alſo-
bald eingelegt und inſinuirt die heylſamen Lehr-Quellen/ Lebens-Quellen/
Troſt-Quellen/ Tugend-Quellen/ die calcaria morum, und Tugend-Spo-
ren/ als der abermal unſers Hertzens Haͤrtigkeit wol gewußt/ wo man bey
einer ſchweren Lehr nicht alſobald den Nutzen ſpuͤrt/ ſo acht man ihrer
nicht. Wann zum Exempel ein Rechen-Meiſter und Gulden-Schreiber
ſeinen Scholaren die Rechen-Kunſt/ ſonderlich die ſchweren Formen/
Regulam de Tri, und andere beybringen ſoll/ ſo wil der faule Eſel nicht
dran/ er mag den Kopff nicht druͤber zerbrechen: Wann er ihm aber die
Nutzbarkeiten vorlegt/ ſihe/ kanſtu dieſe Kunſt/ ſo wirſtu in dem Gewerb
und Handthierung/ da viel zu rechnen ſeyn wird/ gar leichtlich fortkom̃en/
du wirſt flugs wiſſen/ wie hoch die Ehle kom̃t/ niemand wird dir ſo leicht
einen blauen Dunſt koͤnnen fuͤr die Augen machen/ die multipl cation iſt
darzu gut/ die diviſion dortzu/ ꝛc. Alſo auch Chriſtus/ der beſte Didacticus,
als der ſich aller Verſtand nach accommodirt und bequemet. Wir finden
IV. Firmamentum, die ἀσφάλειαν, Befeſtigung/ Bewaͤhrung und
Gruͤndung deſſen/ was er gelehret. Er hat den Nahmen nicht haben
wollen/ als proponire Er etwas auß ſeinem eigenen Hirn/ als haͤtte Er
es auß ſich ſelbs geſponnen/ Joh. 5, 31. Sondern Moſen/ die Propheten
und Pſalmen allegirte Er allenthalben/ ſeine adverſarios ad ἀνοιαν uſ-
que zu uͤberweiſen/ und alſo das Hertz zu befeſtigen/ daß es nicht wancken
ſoll/
[469]Predigt.
ſoll/ und zwar was unſern gegenwaͤrtigen Text anlanget/ ſo hat unſer
liebſte Heyland ſeine Chriſtoſophiam bewaͤhret auß den Pſalmen Da-
vids/ und wie Er von Maria iſt geſalbet worden/ ſo hat Er auch von der
Salbung geprediget/ Er ſeye der Geſalbte zu Zion/ den David gemeinet
und verſtanden/ wann er im 2. Pſalm alſo ſagt: Warum toben die
Heyden/ und die Leuthe reden ſo vergeblich? Die Koͤnige im
Lande lehnen ſich auff/ und die Herren rathſchlagen miteinan-
der wider den HErꝛn und ſeinen Geſalbten? Jtem/ wann im
45. Pſal. v. 8. ſteht: Du liebeſt Gerechtigkeit/ und haſſeſt Gott-
loß Weſen/ darum hat dich GOtt/ dein GOtt geſalbet mit
Freuden-Oel/ mehr denn deine Geſellen. Sonderlich Pſalm. 16, 10.
Du wirſt meine Seele nicht in der Hoͤlle laſſen/ und nicht zu-
geben/ daß dein Heiliger verweſe. Und hat alſo Chriſtus profitirt
Χριϛοσοφίαν Davidicam, dann gleichwie David ſeine groͤſte Hertzens-
Freud gehabt an ſeinem verſprochenen Sohn dem Meſſia/ maſſen kein
groͤſſere Freud nach der Himmels-Freud/ als wann ein Vater Ehr an
ſeinem Sohn ſiehet/ e. g. da Jacob gehoͤret/ daß ſein Sohn Joſeph ſeye ein
Groß-Herꝛ in Egypten/ fiel er in ein Ohnmacht: Alſo hat David zwar
groß Creutz und Hertzenleyd an ſeinem ungerathenen Sohn erlebt/ aber
Salomo/ nicht der irdiſche/ ſondern der himmliſche war ſein delicium
und Troſt/ dem zu Ehren dichtet und ſtimmet er manchen ſchoͤnen Pſal-
men/ mit Jauchtzen und Frolocken/ da er ſolches alles im Geiſt geſehen:
Alſo hat auch ſein Sohn der Meſſias ſonderlich ſeines Groß-Vaters
Gedicht und Geſicht/ Lieder und Pſalmen allegirt und gefeyret.
Wie nun dieſem allem nach bey dieſer general Intimation Chriſtli-
che Lehrer und Prediger/ als die Ora des himmliſchen Chryſoſtomi, die
der Herr ſelbs gewuͤrdiget/ ſeine/ als des gulden-muͤndigen Lehrers ora
zu nennen/ Jer. 15, 19. ſtill zu ſtehen und zu lernen haben den rechten/ Gott
wolgefaͤlligen methodum concionandi. Hie ſtehet die Idea Conciona-
toris, der Außbund aller Prediger/ keiner hats je beſſer gemacht/ wirds
auch keiner beſſer machen koͤnnen. Darum lernet von ihm Thema,
Centrum, Scopum omnium concionum, wovon ihr eigentlich/ fuͤrnem-
lich/ exochicè predigen ſolt/ nemlich/ nicht von Fabeln auß den Legenden/
ſondern von Chriſto/ ſeiner Perſon/ Ampt und Gutthaten/ daher wil
Paulus nichts wiſſen/ als JEſum Chriſtum den Gecreutzigten/ wer an-
ders geſinnet iſt/ der prediget mehr Paͤbſtiſch/ moraliſtiſch und Heydniſch/
als Chriſtlich und Evangeliſch. Lernet Thematis methodum, ἄυξησιν,
N n n iijJhr
[470]Die Dritte
Jhr ſollet ſeyn didactici, lehrhafft/ ſtehet in der Hauß-Taffel/ und dem-
nach ſemper Auguſti, allezeit Mehrer des Glaubens/ plus ultrà, von ei-
ner Klarheit zur andern/ nicht ταῦτα ταύτως vorbringen/ ſondern άυξη [...]-
κῶς, daher ihr auch immer im Studieren ſollt wachſen/ denn die Quell
iſt unerſchoͤpfflich/ der Fund-Grund iſt unergruͤndlich/ niemand kan
außſtudieren/ und ſolte er ſo alt werden als Mathuſalem. Wer das
widrige thut/ der iſt gleich einem armen Mann/ der in aller ſeiner Haab
und Nahrung nicht mehr/ als ein dutzet Thaler vermag/ wann derſelbe
immer ſeine Thaler wolte zehlen ſine addito und Zuſatz/ und ihm doch
einbilden/ er ſeye gar reich/ er habe ſatt und gnug/ den wird man fuͤr ei-
nen Thoren halten/ maſſen dergleichen einer geweßt der Engel der Ge-
meine zu Laodicea/ Apoc. 3, 17. der ſagte: Jch bin reich/ und habe gar
ſatt/ und darff nichts. Lernet die declarationes und Erklaͤrungen/
ſuchet alle artes organicas, die ihr in der Schul gelernet/ herfuͤr/ dieſelbe
zu accommodiren/ die Logic, Rhetoric, Phiſophie muß alles dienen.
Das Wort GOttes iſt gleichſam ein Himmel/ darinnen die Sternen
ſich unter einander beleuchten/ da dann die Perſpectiven nicht verbotten/
ſondern gebotten werden. Das Wort GOttes iſt ein Edelgeſtein/ dar-
um wird der Finger-Ring/ denſelben zu faſſen/ nicht weg geworffen.
Das Wort GOttes iſt eine Koͤnigin/ darum muß ſie auch ihr Frauen-
Zimmer haben/ die ihr auffwarten/ und Dienſt leiſten. Wer das wi-
drige thut/ und immer nur die Schrifft allegirt ohne Erklaͤrung/ der
predigt auff gut Moſcowitiſch und Barbariſch.
‘Spondan. ad ann. 1579. n. 16. annotat: Conciones apud populum, quibus is eru-
diatur, nullas à Sacerdotibus haberi patiuntur, ſed quæ à veteribus Doctori-
bus Græcis tradita ſunt, in ſuam linguam hanc ob cauſam traducta, ſtu dio-
ſèque conquiſita à ſcripto publicè pronunciant: ſeu quod homines nullis
literis eruditi ſuo ingenio minus confidant: ſeu quod propius vero videtur,
ne pro curioſitate humani ingenii nova inveniendi ſtudio ab antiquitate \&
veritate recedatur. Quod \& profectò ſatius eſſet à multis noſtrorum con-
cionatorum obſervari; quàm ad ſolam vanitatem, ut faciunt, declamantes,
effutire, quæ nec ipſi intelligunt, nec proinde ab auditoribus intelligi poſ-
ſunt. Et tamen ita plerique compoſiti ſunt, ut hujuſmodi hominum inani,
loquentiam ſolidæ verbi Dei prædicationi præferant; parùm de fructu ani-
mæ curantes modò verba ad aures jucundius ſonent.’ ()
Diſcite excitare, lernet die Lehr-Quellen und Tugend-Quellen auß
dem Text recht herauß ziehen/ und die Lehre von Chriſto alſo leicht machen/
daß man ein Anmuth gewinne/ ex. gr. die Lehre von Mittheilung der Ei-
genſchafften/ Allgegenwart Jeſu Chriſti ſcheinen ſchwerer zu ſeyn/ alſo
daß der Auditor und Zuhoͤrer ein Eckel daran hat/ er abhorrirt/ wann
man
[471]Predigt.
man aber den Uſum practicum weißt/ ſo kan man ſie ihme mit Luſt und
ohne Muͤhe beybringen. Die das widrige meynen/ ſind gleich den Al-
chymiſten/ die viel vom Gold-machen ruͤhmen/ kom̃ts zum Treffen/ ſo
iſts eine bloſe Scientia. Lernet die geiſtliche Firmung/ kom̃t nicht auff-
gezogen mit groſſen farraginibus dictorum, die memori ſehen zu laſſen/
ſondern arbeitet ein dictum recht auß/ bewahrets feſt/ und wickelts auß/
vindicirt es/ wo Noth fuͤrhanden/ unterſcheidet Liecht und Finſternuß.
Solches fordern euere Zuhorer von euch/ wann ſie ſingen: Laß uns in
deiner Liebe/ und Erkanntnuß nemmen zu/ wann ſie vor der Pre-
digt beten: Weil all unſer Heyl daran ſtehet/ daß wir deines hei-
ligen Worts einen rechten Verſtand haben/ ꝛc. Jtem/ nach
dem H. Abendmahl: daß wir im Glauben an dich/ der durch die
Liebe thaͤtig ſey/ immer mehr wachſen und zunemmen. Sol-
ches thut/ was ſie von euch begehren/ dann durch euch wil Gott erhoͤ-
ren/ ihr ſolt ſeine oracula und Mund ſeyn/ thut ihrs nicht/ wuchert ihr
nicht recht mit euern Talentis, ſo dencket an den Goͤttlichen Donner-
ſtrahl/ Matth. 25, 30. den unnuͤtzen Knecht werffet in die Finſter-
nuß hinauß/ da wird ſein Heulen und Zaͤhnklappen. Jſt ein
Wort/ daß einem gewiſſenhafften Prediger ſoll heiß machen.
Wie/ ſag ich/ dieſe ihre Lection Doctores und Studioſi zu behalten.
Alſo auch ihr lieben Zuhoͤrer/ ſehet zu/ daß ihr auch gern hoͤret/ der Rede
des HErꝛn JEſu zuhoͤret/ wie Maria/ daß ihr auch gern hoͤret Χριϛοσο-
φίαν auctam, und je laͤnger je mehr in der Erkanntnuß Chriſti wachſet/
von einer Klarheit in die andere. Daß ihr auch gern die Erklaͤrung hoͤ-
ret/ wann ſich Chriſtus in euch ſpiegelt/ daß ihr euch ſehnet nach den Lehr-
Quellen/ gierig ſeyt nach der lautern Milch/ nicht nur zu trincken/ ſon-
dern auch im Glauben zuerſtarcken/ und ſolches im Leben zuerweiſen/
daß ihr auch die Firmamenta nicht abhorrirt/ ein Abſcheuen habt an den
controverſiis in theſi und antitheſi, dann daher kommen die Apoſtatæ,
daß man wehrloß an den Feind gehet/ daß ihr alſo feſt werdet/ und euch
nicht muͤſſet wehen laſſen von allerhand Winden der Lehre. Der Aller-
hoͤchſte Gott gebe um Chriſti willen/ durch ſeinen Heiligen Geiſt/ daß/
wie es von mir/ in meiner Intention und andaͤchtigem Gebet/ zu euerer
armen Seelen Seligkeit gemeynet/ es alſo auch angenommen werde/
und Frucht bringe.
‘
Und ſeinen Segen geben:
Sein
[472]Die Vierte
Sein Antlitz uns mit hellem Schein
Erleucht ins ewig Leben.
Uns ſegne Vater und der Sohn/
Uns ſegne GOtt der H. Geiſt/
Dem alle Welt die Ehre thut/
Fuͤr ihm ſich foͤrchten allermeiſt.
Nun ſprecht von Hertzen
AMEN.
Die Vierte Predigt/
Von
Dem Einig Noͤthigen.
GEliebte in Chriſto.Man hu?Was iſt das? Alſo
fragten und ſagten die Kinder Jſrael in der Wuͤſten/ da
ſie zum erſten mal das Manna/ ſo vom Himmel herab
geregnet/ und ihnen zugeſchnien/ in die Augen bekom-
men und geſehen. Man hu, quaſi Mahu, was iſt das?
Dann/ ſtehet dabey/ ſie wußtens nicht/ was es
war.Exod. 16, 15. Moſes berichtet ſie/ was es ſey: Es iſt das
Brod/ daß euch der HERR zu eſſen gegeben hat: Es iſt
Himmel-Brod. Gott der Herr hat die Thuͤr des Himmels eroͤff-
net/ und auß den Wolcken herab regnen laſſen: Es iſt Engel-Brod/
durch Geſchaͤfft der Engel/ als der Becken/ gebachen/ zugerichtet und
bereitet/ und ſo anmuthig/ ſafftig/ delicat/ ſuͤß und gut/ daß/ wann die
Engel Speiß haͤtten beduͤrfft/ ſie kein andere als dieſes Brod wuͤrden
begehret haben: Ein ſonderbares Brod/ auff eine ſonderbare weiß ge-
ſchaffen/ klein wie Reiff/ rund wie Coriander-Saamen/ weich wie But-
ter/ ſo von der Sonnen-Hitz zerſchmeltzt/ hart/ wann man es vor der
Sonnen auffgeleſen/ ſo hart/ daß mans mit Muͤhlen zerreiben und zer-
ſtoſſen muͤſſen. Num. 11. 8. Es iſt aber auch βρῶμα πνεευματικὸν, ein geiſt-
liches Brod. 1. Cor. 10, 4. Ein verborgenes Manna/ Apoc. 2. Von geiſt-
licher Deutung und Bildung/ nemlich auff ein ander Brod/ welches
Moſes
[473]Predigt.
Moſes und die glaubigen Jſraeliten im Glauben gegeſſen. Chriſtus
hats auff ſich gedeutet/ Joh. 6, 48. Jch bin das Brod des Lebens.
Euere Vaͤtter haben Manna geſſen in der Wuͤſten/ und ſind
geſtorben. Diß iſt das Brod/ das vom Himmel kom̃t/ auff
daß wer davon iſſet/ nicht ſterbe. Jch bin das lebendige
Brod vom Himmel kommen/ wer von dieſem Brod eſſen
wird/ der wird leben in Ewigkeit.
Und diß iſt nun eben das Brod/ die Speiß/ darzu der Gaſt ſeine
Wuͤrthin geladen/ der Tiſch/ den Er ihr bereitet/ das unum neceſſarium,
das Maria erwehlet. Gleichwie der Hern mehrmalen/ è re natâ, auß
gegenwaͤrtiger occaſion eine Parabel erdichtet/ und die Gemuͤther vom
Jrdiſchen auffs Himmliſche gezogen. E. g. wann Er dort Joh. 4. mit
der Samariterin ein holdſeliges Geſpraͤch gehalten/ und aber ſeine Juͤn-
ger Speiß auffgetragen und geſagt: Rabbi iß/ ſo ſagt der Herr gleich
darauff ꝟ. 32. Jch hab eine Speiß zu eſſen/ da wiſſet ihr nicht
von. Meine Speiſe iſt die/ daß ich thue den Willen deß/ der
mich geſandt hat/ und vollende ſein Werck.Item Luc. 14. da
Er von einem Phariſaͤer Oberſten zur Taffel geladen worden/ und unter
anderem Geſpraͤch einer von den Mit-Gaͤſten geſagt: Selig iſt/ der
das Brod iſſet im Reich GOttes. Behend iſt der Herr da mit
einer Parabel/ von einem groſſen geiſtlichen Gnaden-Mahl/ welches
ein Menſch gemacht und viel darzu geladen/ ſo nichts anders/ als das
Evangelium vom Reich GOttes. Alſo auch/ da Er bey der Martha
zu Bethania eingekehret/ und ſie ihr mit Tiſch bereiten/ ſieden/ braten/
kochen/ bachen/ viel Muͤhe gemacht/ ſolchen koͤſtlichen Gaſt wol zu be-
wuͤrthen/ ſo bereitet der Herr darauff einen geiſtlichen Tiſch/ ladet ſie
darzu/ mit Vermeldung Eines (nicht wie etliche albere/ ungeſchickte
Commentatores von ungeuͤbten Sinnen es erklaͤret. q. d. Eine Tracht
iſt von noͤthen/ mit einer wil ich mich wol contentiren laſſen/ ſondern
Eins/) nemlich Chriſtoſophia, die er damal gelehret/ gemehret/ erklaͤret/
bewaͤhret/ wie wir heut acht Tag gehoͤret/ die Chriſt-Weißheit/ die Er-
kanntnuß der Perſon/ Ampts und Gutthaten des HErꝛn Chriſti/ der
erleuchtete/ gemehrte/ erklaͤrte/ bewaͤhrte Glaub an JEſum Chriſtum/
iſt das unum neceſſarium, welches wir fuͤr dißmal unter der Figur des
Manna unius neceſſarii, zuerklaͤren und fuͤrzutragen uns fuͤrgenom̃en.
Der Vater des Liechts wolle mit der Gnad/ Liecht und Beyſtand des
H. Geiſtes mildiglich hiezu erſcheinen. Amen.
Neunter Theil. O o oGeliebte
[474]Die Vierte
GEliebte in Chriſto. So iſt nun dieChriſtoſophia 1. Ne-
ceſſarium neceſſitate mandati \& medii, keine Chur-freywil-
lige Wiſſenſchafft/ die bey uns ſtuͤnde zu wehlen und zu erkoſen
oder nicht/ ſondern gleichwie das Manna den Kindern Jſrael darum
vom Himmel herab geregnet und gegeben worden/ daß ſie es eſſen/ ſchmaͤ-
cken und dauen/ in ſuccum \& ſanguinem, in Safft und Krafft ver-
wandeln mußten/ wolten ſie anders ihre vorhabende Reiß außmeſſen/
und das Land Canaan friſch und geſund erreichen/ ihre abgemattete
Kraͤfften erfriſchen/ und nicht erliegen und ſterben. Wo nicht? haͤtten
ſie ſich wollen außhuͤngern/ ſo waͤren ſie Moͤrder an ihnen ſelbs worden.
Da es auch dahin kommen/ daß ihnen das Manna nicht mehr munden
wollen/ und ihrer Seelen dafuͤr geeckelt/ ſo ſind die gifftige Schlangen
herfuͤr gewiſcht/ und haben dieſelbe ſchmertzlich gepeiniget und erwuͤrget/
Num. 11. \& 21. Alſo neceſſitate mandati iſt uns gebotten/ Chriſtum in
allen ſeinen Gutthaten zu eſſen/ es iſt keine frey-Chuͤrliche Speiß und blo-
ſes Schau-Eſſen/ oder Augen-Weyd/ ſondern es hat die Weißheit
ihren Tiſch bereitet/ und ihre Dirnen außgeſandt/ zu laden
oben auff die Pallaͤſte der Stadt/ wer alber iſt/ der mache ſich
hieher/ und zum Narren ſprach ſie/ kom̃t/ zehret von meinem
Brod/ und trincket des Weins den ich ſchencke.Prov. 9, 3. 4. 5.
und Eſa. 55, 1. Wolan/ alle die ihr durſtig ſeyd/ kommet her zum
Waſſer/ und die ihr nicht Geld habt/ kommet her/ kauffet und
eſſet/ kommet her/ und kauffet ohne Geld/ beydes Wein und
Milch. Noͤthig/ neceſſitate medii, uns zu erquicken/ geiſtlicher weiß
in Anfechtung/ Schwermuth/ geiſtlicher Ohnmacht/ die Spiritus zu er-
friſchen/ die Lebens-Adern zu ſtaͤrcken/ das geiſtliche Leben/ das recht-
ſchaffene Leben in Chriſto Jeſu. Gal. 2, 20. anzuzuͤnden und zu verneuern:
wo wicht? ſo muͤßten wir des ewigen Todes ſterben/ wir geriethen in den
ewigen Hunger/ die feurige Schlangen wuͤrden hie unſere Gewiſſen ver-
wunden nagen und plagen/ dort aber in der ewigen Pein der hoͤlliſche/
ungeheure groſſe Feur-Drach/ dann ſo lautet die peremptoria Chriſti,
Joh, 6, 51. Wer von dieſem Brod eſſen wird/ der wird leben in
Ewigkeit/ er wird nicht ſterben verſtehe des ewigen Tods/ und ꝟ. 53.
Warlich/ warlich ich ſage euch: werdet ihr nicht eſſen das
Fleiſch des Menſchen-Sohns/ und trincken ſein Blut/ ſo habt
ihr kein Leben in euch. Das heiſſet præciſè rund abgeſchlagen.
Was iſt aber das? moͤchte jemand ſagen/ was verſtehet er durch das
Eſſen? die Capernaiten kunten ſich auch nit drein richten/ σκληρὸς λόγος,
das
[475]Predigt.
das iſt ein harte Rede! wie kan dieſer uns ſein Fleiſch zu eſſen geben? ſol-
len wir Menſchen-Fleiſch eſſen? Antwort: Bey den Hebreern iſt die Fi-
gur und Wort-Blum gar gemein/ daß eſſen ſo viel heißt als wiſſen/ ler-
nen/ erkennen/ glauben; und finden wir dergleichen unterſchiedliche Ex-
empel/ Syr. 15, 3. c. 24, 29. Luc. 14, 15. Apoc. 10, 9. Wann nun ein hungeri-
ger/ abgematteter Menſch iſſet/ die Speiß in Mund nim̃t/ verkaͤuet/ dieſel-
be wol verdauet/ ihm wol ſchmecken laßt/ dann einem froͤlichen Her-
tzen ſchmecket alles wol/ was er iſſet/Syr, 30, 27. er verwandelts in
ſuccum \& ſanguinem, es wird auß Speiß und Fleiſch ein Ding. Alſo
wil der Herr auch von uns haben/ daß wir als die Hungerige nach der
Gerechtigkeit/ die wie der verlohrne Sohn geiſtlicher weiß Hunger und
Kummer gelitten/ an unſers Vaters Hauß dencken/ und wann uns das
Himmel-Brod/ das verborgene Manna/ Chriſtus mit allen ſeinen Gut-
thaten in ſilbern Schalen/ im Evangelio/ wird fuͤrgetragen/ wir ihn mit
dem Mund des Glaubens faſſen/ wol verdauen per meditationem und
geiſtliche Betrachtung/ wie Maria von Nazareth/ uns laſſen wol ſchme-
cken/ uns damit in Anfechtung erquicken/ und in Chriſtum holdſelig ver-
einigen/ du biſt mein/ und ich bin dein/ uns ſoll der Tod nicht ſcheiden.
II. Unum neceſſarium. Nicht nur bloß noͤthig/ ſondern unicè ne-
ceſſarium, unum heißt in den Schulen indiviſum in ſe, \& diviſum ab
alio. Gleichwie das Manna abgeſondert und geſchieden war von allen
andern natuͤrlichen Speiſen/ ſonderbare Art/ Krafft und Natur an ſich
gehabt/ die Kinder Jſrael hatten/ wie ſie ſagen und klagen/ in Egypten die
Fuͤlle Fleiſch und Knoblauch/ Exod. 16. 3. ſo hat ihnen auch zweymal
Gott der Herr Fleiſch gegeben/ und Wachtlen angerichtet/ das war
zwar delicat, aber nicht noͤthig/ ja wol per accidens ſchaͤdlich/ dann weil
ſie allzu gierig darauff gefallen/ haben ſie ihnen den Tod an den Hals ge-
freſſen. Gott wußte wol/ was ihnen einig noͤthig und gut war/ darum
gab er ihnen das Manna gantz ſonderer Art/ davon ſie dermaſſen erſtarck-
ten/ daß ſo lang ſie in der Ordnung geblieben/ und davon gegeſſen/ nicht
muͤd noch kranck worden/ unangeſehen ſie kein Brod gegeſſen/ noch Wein
und ſtarck Getraͤncke getruncken. Deut. 29, 6. Alſo ſeind zwar dazumal zun
Zeiten Chriſti allbereit viel Wiſſenſchafften und Kuͤnſte im Schwang
gegangen/ und in groſſem Werth gehalten worden/ nicht allein ſchwartze
Kuͤnſte/ zauberiſche Kuͤnſte/ Teuffels-Bannungen/ Politiſche Sophiſte-
reyen/ Phariſaͤiſche und Sadducaͤiſche Philoſophiæ, wie Joſephus be-
zeuget l. 8. c. 2. ſondern es iſt auch die Salomoniſche Weißheit beruͤhmt
geweſen/ unter dem Volck GOttes beliebet/ und certo gradu geuͤbet wor-
O o o ijden/
[476]Die Vierte
den/ ſonderlich feine poëmata, ænigmata, Gedicht und Raͤtzel/ feine Po-
litic und Oeconomie/ daruͤber ſich die Koͤnigin von Mittag nicht
gnugſam verwundern koͤnnen. Aber alles abgeſchmackt/ theils verbot-
ten/ theils nichts nutz zur Seligkeit/ es mundete der Mariaͤ nichts/ al-
lein die Chriſtoſophia, die von allen Wiſſenſchafften weit weit unter-
ſchieden/ ſo weit als Himmel und Erden/ als das Himmliſche und Jr-
diſche/ als das Vergaͤngliche und Unvergaͤngliche.
III. Unum indiviſum in ſe, ein unverſchiedenlicher/ unzertrennlicher
und untheilbarer Schatz. Gleichwie das Manna ein ſolches Gemaͤcht
geweſen/ das ſeine gewiſſe Maaß gehabt/ wie viel ein jeder ſamlen und eſ-
ſen ſolte/ nicht zu viel/ noch zu wenig/ doch zur Saͤttigung: Der Herr
ſagt/ Er wolle Brod geben/ daß ſie ſollen davon ſatt werden/ Exod. 16, 12.
ein Gomor auff ein jeglich Haupt/ ſo viel ein geſunder Menſch des Tages
zur Speiß von noͤthen hatte/ und eſſen mochte/ einer viel/ der ander wenig/
aber/ (ſagt Moſes) da mans mit dem Gomor maß/ fand der nicht/
druͤber/ der viel geſamlet hatte/ und der nicht drunter/ der we-
nig geſamlet hatte/ ſondern ein jeglicher hatte geſamlet/ ſo viel
er fuͤr ſich eſſen mocht.Exod. 16, 17. 18. Alſo hat die Chriſtoſophia ihr
Maaß und Ziel/ und leidet weder Zugang noch Abgang/ weder zu luͤtzel/
noch zu viel/ doch ſatt. Einem iſt mehr zu wiſſen von noͤthen/ als dem an-
dern/ einem Theologo mehr als einem gemeinen Chriſten/ einem Erleb-
ten mehr als einem Kind/ einem Burger mehr als einem Bauren/ doch
daß ſie alle ſatt haben/ und keiner zu viel oder zu wenig wiſſe/ lerne und
glaube/ als ihme zu wiſſen von noͤthen/ der Zweck nemlich/ das geiſtliche
Leben zu erhalten/ gibt Zahl/ Maaß und Gewicht/ wie viel einem jeden zu
wiſſen von noͤthen. Gleichwie einer wolbeſtelten Republic eine gute be-
waͤhrte heilſame Apotheck wol anſteht/ darin man nicht allein Hirſch-
horn/ koͤſtlichen Bezoar/ Perlin-Waſſer/ die in Hinzuͤgen zu gebrauchen/
ſondern auch Artzney von allerhand ſpeciebus und Gattungen auff aller-
ley Faͤll finden und antreffen kan/ daß nichts breſte. Alſo iſts nicht gnug
ſo viel wiſſen/ als in agone im letſten Abtruck/ im Noth-Knopff und Hin-
farth von noͤthen/ da behilfft man ſich etwan mit einem einigen ſafftigen
und kraͤfftigen Spruch: Sondern/ was die gantze Zeit uͤber in allerhand
Anfechtungen/ derer viel tauſenderley caſus, dienen kan zur Erhaltung
des geiſtlichen Lebens/ zu Ruh/ Fried und Freud des Gewiſſens/ die See-
le zu nehren/ und ſich zu wehren/ wann Anfechtung kom̃t daher/ die einen
bald kan verkehren: zu Schutz und Schirm wider allerhand Schatz-
Raͤuber/ richtig und troͤſtlich zu glauben/ kindlich und zuverſichtiglich zu
beten/
[477]Predigt.
beten/ Chriſt-gewiſſenhafft zu leben/ dapffer und ritterlich zu ſtreiten/ und
endlich ſelig abzuſterben/ da iſt eine gantze vollkommene Chriſtoſophia
von noͤthen/ die ſelbs begraͤntzte ἀυτάρκεια hat hie kein ſtatt und platz. Lu-
therus ſchreibet Tom. 6. Witteb. p. 179. Der Glaub ſoll und muß
gantz rund und rein ſein/ ob er wol ſchwach ſeyn kan/ und an-
gefochten werde/ dennoch ſoll und muß er gantz und nicht falſch
ſeyn. Schwach ſeyn thut den Schaden nicht/ aber falſch ſeyn/
das iſt der ewige Tod. Die Chriſtoſophia iſt gleichſam eine Kette/
wann ein Gleich ſolvirt und auff geloͤßt wird/ ſo geht die gantze Kett drauff/
alſo wann in der Chriſtoſophia ein Articul fehlt/ ſo geht die gantze Chri-
ſtoſophia zu Grund. Athanaſii Symbolum lautet hart/ aber wahr und
gewiß; Wer da wil ſelig werden/ der muß fuͤr allen Dingen
den rechten Chriſtlichen Glauben haben/ wer denſelben nicht
gantz und rein haͤlt der wird ohn Zweiffel ewiglich verlohren
ſeyn. Dann ſo ein einiges Staͤublein/ das in das zarte Glaubens-
Aug kom̃t/ daſſelbe verletzt/ ſo ein einiger Jrthum in einer Grund-Lehr
den Seelen-Schiffbruch cauſirt/ wie an dem Exempel Hymenæi und
ſeinem Anhang zu erſehen: der hatte in die Corinthiſche Kirch den Jr-
thum von der bloß-geiſtlichen Aufferſtehung des Fleiſches eingeſchoben/
und alſo den Glauben der reinen Lehr und guten Gewiſſens von ſich ge-
ſtoſſen/ aber damit hat er am Glauben Schiffbruch gelitten; Er hat da-
mit den ſeligmachenden Glauben/ und mit demſelben die Seligkeit ver-
lohren/ dann wo kein gut Gewiſſen mehr iſt/ da iſt auch kein rechter ſelig-
machender Glaub. Ein wenig Saurteig verſaͤurt den gantzen Teig.
Es kan geſchehen/ daß wann ein Bruder in der Lehr von der Chriſtlichen
Freyheit ſich ſtoſſet/ verirret und verwirret wird/ er uͤber ſolchen Jrthum
und Stoß verderbe und verlohren werde: So nun ein eintziger Grund-
Jrthum die Seele dem Tod in den Rachen liffern kan/ wie wird der je-
nigen Seelen gewartet werden/ welche den gantzen Grund miteinander
umreiſſet? Wahr iſt es/ es ſeind die Haupt-Articul der geſunden Lehr
nicht eben zu allen Zeiten gleich noͤthig/ es kan ſeyn/ daß ein und der an-
der Chriſt von dieſer und jener Verſuchung unangefochten bleibet/ daß
ihm alſo die Wiſſenſchafft derſelben Lehr ſo nothwendig nicht iſt/ als ei-
nem andern; gleichwol aber muß er immer in der Gefahr ſtehen/ was
jenem widerfahren/ koͤnne ihm auch geſchehen: Jſt er alsdann nicht wol
præſervirt und verwahrt/ ſo kan er in eine geiſtliche und toͤdliche Seelen-
Kranckheit gerathen/ und des ewigen Heyls verluſtigt werden.
O o o iijIV. Eli-
[478]Die Vierte
IV. Eligibile, Wehlwuͤrdig und Churwerth/ wann einem Koͤnig die
Tafel gedecket wird/ da alles vollauff und delicat, und aber der Medicus
ſagt: Jhr Majeſtaͤt wollen bey dieſer eintzigen Tracht bleiben/ die iſt geſund:
Varietas ciborum eſt cauſa morborum, ſo folget er: Alſo haͤtten die Kin-
der Jſrael nicht ſollen geluͤſtrig werden nach dem Knoblauch/ Fleiſch und
Fiſchen Egypti/ ſondern ſich mit dem Manna begnuͤgen laſſen/ welches
Jſraels Artzt/ (der geſagt: Jch bin der Herr dein Artzt/) vom Himmel
herab gleichſam ihnen recommendirt und verordnet: Unſere erſte Mut-
tee haͤtte nicht eſſen ſollen von dem verbottenen Baum/ weil ſie aber nicht
recht gewaͤhlet/ hat ſie ihr und uns den ewigen Tod an den Hals gefreſſen.
Viel beſſer und kluͤger machte es der Fuͤrſtliche Prophet Daniel/ und ſeine
Geſellen/ die contentirten ſich mit Zugemuͤſſen/ tanquam uno neceſſario,
und einig-noͤthigen/ und bedanckten ſich der Koͤniglichen Tractamenten.
Alſo hatte auch David das unum neceſſarium erwehlet/ Pſ. 27, 4. Eins
bitte ich vom HErꝛn/ das haͤtte ich gern/ ꝛc.Pſ. 86, 11. Erhalte
mein Hertz bey dem einigen/ daß ich deinen Namen foͤrchte.
h. e. erkenne und ehre. Aſſaph/ Pſ. 73, 25. HErꝛ/ wann ich nur dich
habe/ ſo frage ich nichts nach Him̃el und Erden. Paulus/ 1. Cor.
2, 2. Jch hielte mich nicht dafuͤr/ daß ich etwas wuͤßte unter
euch/ ohn allein JEſum Chriſtum den Geereutzigten. Das an-
dere alles haͤlt er fuͤr σκύ [...]αλα. Philipp. 3, 8. Und eben ein ſolche kluge Weh-
lerin und Chur-Frau iſt auch unſere Maria von Bethanien/ ſie laßt der
Schweſter ihr haͤußliche Klugheit und Sorgfalt/ gehet der Phariſeer und
Sadduceer Secten muͤſſig/ wartet hungerig und durſtig auff den Troſt
Jſrael: Ach daß die Huͤlffe auß Zion uͤber Jſrael kaͤme/ ꝛc. Er kuͤſſe mich
mit dem Kuß ſeines Mundes/ faſſet ihn mit dem Mund des Glaubens/
ſauget auß ſeinen Bruͤſten die lautere Milch des Evangelij/ verkauet ihn
durch heilige meditationes, erquicket ſich inniglich/ und wird mit demſel-
ben geiſtlicher weiß vereinbaret/ da es nachmalen dann bey ihr geheiſſen:
Hoſianna/ him̃liſch Manna/ das wir eſſen/ deiner kan ich nicht vergeſſen.
So klug nun dieſe unſere Maria von Bethanien/ die edle Tugend-
Cron geweßt in ihrer Chur und Wahl/ und das rechte unum neceſſarium
getroffen/ und nunmehr ſolcher ihrer Wahl genoſſen/ und genieſſen wird
in Ewigkeit. So thoͤricht und unſinnig haben je und allezeit gethan und
gehandelt/ thun und handeln noch alle die jenige unvorſichtige Wehler/
die in Brands Narren-Schiff dem ewigen Tod in Rachen hinein fahren.
Nicht allein 1. die Faſtidianten/ die Gallioniſten/ Pilatiner/ die Feſtianer/
die von Chriſto allerdings nichts wiſſen wollen/ welchen fuͤr dieſer loſen
Speiß
[479]Predigt.
Speiß eckelt/ die ſind warhafftig rechte Selbs-Moͤrder/ die ſich muthwil-
liger weiß ſelbs außhuͤngern/ und von dem gifftigen feurigen Gewiſſens-
Wurm nagen und plagen/ verwunden und toͤdten laſſen. Nicht allein 2.
die Delicianer in temporalibus, die vor der Welt-Weißheit zur him̃liſchen
Chriſt-Weißheit nicht kom̃en koͤnnen. Nicht allein die mit der Schwartz-
Kunſt/ mit falſchen irrigen Lehren behafftet/ die περίεργα, Alfentzerey und
fuͤrwitzige Kunſt treiben; ſondern auch die ſonſt-erlaubte Kuͤnſte nicht in
rechter Ordnung zum rechten Gott wolgefaͤlligen Zweck tractiren/ non-
neceſſaria docent \& diſcunt, neceſſaria neſciunt, die nicht noͤthige Sa-
chen lehren und lernen/ die noͤthige aber nicht forſchen/ ſuchen und begeh-
ren zu faſſen. Wann zum Exempel der Theologus es beym bloſen Wiſ-
ſen laßt verbleiben/ von Chriſto predigt/ kan aber den rechten Safft und
Krafft nicht herauß ziehen/ auff welche weiß der Teuffel der beſte Theo-
logus. Wann der JCtus, der in foro agirt/ ſich bemuͤhet die cauſas zu ge-
gewinnen/ aber in foro Juſtificationis divino, wie er ſeiner armen See-
le moͤchte rathen und helffen/ nicht ſorgfaͤltig iſt/ und im geringſten nicht
achtet/ und ihme fremde Goͤtter ſeyn laßt: Wann der Medicus andere
am Leib heylt/ ſich aber nicht an der Seel/ und die Wunden des Gewiſſens
curiret: Wann der Philoſophus excellirt in weltlicher Weißheit/ uͤber
ſeinem Ariſtotele, Tacito, Polybio, Cicerone ſitzt/ da er die Chriſtoſo-
phiam lernen/ und andere gute Exempel geben ſolte: Wann der Diale-
cticus gute Schluß-Reden macht/ unterdeſſen aber nicht achtet des Syl-
logiſmi, qui mortis non timet Ergò: Wann der Grammaticus critiſirt/
und die Zungen polirt/ aber die einige rechte Sprach nicht kan: Abba/ lie-
ber Vater/ den einigen Nominativum nicht weiß/ Jeſum Chriſtum einen
Herrn zu nennen. Sonderlich gehoͤren hieher die jenige Oeconomi,
die alles auff Chryſum/ nicht aber Chriſtum richten. Die ſubtilen Alchy-
miſten/ die mit nichts umgehen als mit Gold machen/ und zwar daſſelbe
herauß preſſen und zwingen auß Steinen/ auß Holtz/ auß Papier/ auß
Woll und Tuch/ Frucht und Wein/ offt per fas \& nefas. Die ihre Kinder
nicht anziehen ad unum neceſſarium, ſondern zu Vanitaͤten/ gar wenig
ſeind deren/ die ſagen: Mein Kind muß ein guter Chriſt werden/ dieſe alle
ſind vor Gott rechte Thoren und Narren/ und rechte Selbs-Moͤrder.
Sondern es gehoͤren auch hieher alle Schell-wuͤrdige Thoren/ die das
Unum Indiviſum nicht beobachten/ das rechte Maaß nicht treffen/ thun
der Sachen entweder zu luͤtzel/ oder zu viel/ glauben weniger oder mehr/ als
ſie wiſſen und glauben ſollen. Das ertz-blinde Pabſtthum iſt nichts an-
ders/ als eine ſolche verdam̃liche Superſtition, da man mehr auß dem un-
geſchrie-
[480]Die Vierte
geſchriebenen Wort glaubet/ als man nach der geſchriebenen Regul glau-
ben ſoll: was Gott zu glauben befohlen/ hat man gar gnau zuſam̃en ge-
packt/ und in den fidem implicitam eingeflochten/ was aber Gott nicht
befohlen zu glauben/ da iſt man unerſaͤttiich/ und iſt des Glaubens kein
Ort und End/ und gehet alles finaliter auf die Marioſophiam/ was nem-
lich den Muͤnchen traͤumet/ was die Jeſuiten fuͤr neue Cultus, Heilig-
thum und Wunderwerck erdichten. Zu wenig glauben unſere Irenici und
Syncretiſten/ alte und neue/ Pareus und Duræus, M. Anton. de Dom. die
friedliedende Hertzen/ Caſſander, Grotius, Calixtiner und Julianer/ deren
neue Invention kurtz dahin gehet/ wolle man in der Religion Kirchen-
Frieden ſtifften/ ſo ſeye das das einige Mittel/ man ſoll alle Controverſien
abſchneiden/ ſo nach den erſten 500. Jahren nach Chriſti Geburt auffkom-
men/ man ſoll das Quomodo indiſcretè bloß abſchaffen/ gnug iſts/ wann
einer glaubet/ daß eine Gnadenwahl ſeye/ Krafft welcher der wenigſte
Theil zum ewigen Leben außerkohren; daß Chriſtus warhafftig gegenwaͤr-
tig bey uns ſey; daß der H. Geiſt ſeine Gnad im Wort und Sacramenten
anbiete; ob aber die Gnadenwahl bedingt oder unbedingt ſeye? ob Chri-
ſtus nach der Gottheit allein/ oder aber auch zugleich nach der Menſchheit
gegenwaͤrtig? ob die Gnade des H. Geiſtes verlierlich/ oder nicht? das ſoll
man den Schulen zu verfechten geben/ und die Kirch damit unverwor-
ren laſſen; die Schul termini ſollen abgeſchnitten werden/ als die in der
Schrifft nicht ſtehen/ hernach ſoll man den Apoſtoliſchen Glauben fein
einfaͤltig nach dem Wortlaut/ in dem Verſtand/ wie er in den erſten
500. Jahren von den Patribus in Conciliis erklaͤret worden/ annemmen/
das uͤbrige ſoll man den Schulen uͤberlaſſen/ die Zaͤncker und Diſputan-
ten haͤmen und zaͤhmen/ alle drey groſſe Religionen toleriren und dul-
ten/ ihre Jrꝛthumme nicht anathematiſiren/ auch Kirchen-Freundſchafft
und Gevatterſchafft fuͤr genehm halten/ und zulaſſen. Das iſt das
Irenicum melli-veneficum, und ſuͤß-gifftige Fund Frieden zu machen.
Wo iſt aber ſolche Friedens-Condition in GOttes Wort geweyhet?
Waͤre das ein canoniſirt Mittel/ warum hat dann Chriſtus mit den
Phariſeern und Sadduceern keinen ſolchen Frieden getroffen? Warum
hat Paulus mit den falſchen Apoſteln ſich ſo zerzanckt uͤber dem Quo-
modo und Wie der Aufferſtehung. Wie werden die Todten
aufferſtehen/ und mit welcherley Leib werden ſie kommen?
1. Cor. 15, 35. Warum hat Athanaſius mit den Arianern ſich nicht koͤn-
nen ſtellen/ da es doch nur um das einige Wort/ ὁμοουσία, zu thun geweßt?
Warum haben es ihnen die Auguſt. Confeſſores bey der erſten Refor-
mation ſo ſaur laſſen werden/ und auch mit Darſetzung ihres Bluts
die
[481]Predigt.
die ſtrittige Articul wider das Pabſtthum verfochten/ wann ſo ein leichter
Weg waͤre geweßt Frieden zu ſtifften? Aber das iſt eben die jenige συλα-
γωγία, und Kirchen-Raub/ dafuͤr Paulus ſeine Coloſſer ſo treulich ge-
warnet/ Col. 2, 8. Jſt eben als wañ ein Sohn das koͤſtliche/ reiche anſehn-
liche Erb/ ſo ihm von ſeinem Vater hinterlaſſen worden/ wolte in zwey
Theil dergeſtalt partiren/ daß er allein die liquidirte unſtrittige Mittel/
Zinß-Brieff und Land-Guͤter fuͤr ſich behielte/ die andere illiquida und
ſtrittige den Rechts-Gelehrten/ oder auch wol dero Miß-Geburten den
Rabulis und Zungen-Droͤſchern zu verfechten gebete. Solte der Vater
wieder lebendig werden/ und ſolchen traͤgen Fund warnehmen/ wuͤrde er
auch mit ſeinem Sohn zufrieden ſeyn? wuͤrde er nicht ſagen? O du fau-
ler ꝛc. meyneſtu daß ich das groſſe Gut deßwegen zuſammen geſparet/ daß
du die Zeit auff dem Faul-Bett zubringen/ und andern fremden Leuten
meinen ſauren Schweiß in die Hand ſpielen koͤnneſt? Es hat irgend ein
groſſer Herꝛ und Potentat durch den Krieg ſein Land und Gebiet erwei-
tert/ und ſich dermaſſen befeſtiget/ daß ihm das erworbene nicht wieder zu
nemmen geweßt/ ſo weit ers vielleicht ohn durch das Kriegs-Schwerdt
nimmer wuͤrde gebracht haben. An Carolum M. haben ſich die Sachſen
genoͤthiget/ er waͤre lieber ruhig geſeſſen/ nachdem ihm aber Gott der
Herr anſehnliche Beuten beſchehrt/ hat er auch das erſtrittene nicht
wieder auß der Fauſt laſſen wollen. Nun verhaͤnget Gott der Herr
Rotten und Secten Seiner Kirchen zum beſten/ auff daß die verborgene
Warheit je laͤnger je mehr herfuͤr kom̃e/ und die Troſt-Quellen je laͤnger
je mehr bekannt wuͤrden: Wer nun durch das Schwerdt des Geiſtes ſol-
chen Troſt-Schatz erfochten hat/ thaͤt er auch kluͤglich/ wann er durch ei-
nigen Ruck-zug zu vorigem Stand denſelben auß reſpect eines unziem-
lichen Friedens ſchwinden laſſen wolte? Sprichſtu/ auff dieſe weiſe muͤß-
ten alle Chriſten gelehrte Leuthe ſeyn. Antwort: Wolte Gott/ daß alle
das Volck des Herrn weiſſagte/ Num. 11, 29. Gott hat ſeinen Geiſt
nicht vergebens im N. Teſt. uͤber alles Fleiſch reichlich außgegoſſen/ auch
auff die Knechte und Maͤgde/ ſondern zu dem Ende/ daß Soͤhne und
Toͤchter ſollen weiſſagen/ Juͤnglinge Geſichte ſehen/ und die Elteſten Traͤu-
me/ das iſt/ eine vollkommene/ wiewol nach eines jeden Talent abgemeſſe-
ne Erkanntnuß GOttes/ einen recht-erleuchteten/ Gotts-gelehrten/ wol
gegruͤndeten Glauben haben. Gradus perfectionis wird erfordert/ nicht
perfectio gradus. Mit Verwunderung vernimt man von dem Fleiß
und Eiffer/ den die Widertaͤuffer in Religions-Sachen von ſich ſcheinen/
und nichts deſto minder ihren ſecularibus nichts abgehen laſſen. Wann
Neunter Theil. P p phierin
[482]Die Vierte
hierin die Kinder des Liechts den Kindern der Finſternuß nichts nachge-
beten/ wann die Sonn- und Feyrtaͤgliche Zeit/ die man mit weltlichen
Ubungen und Uppigkeiten manchmal zubringt/ zur Ubung und Wachs-
thum des Glaubens angewendet wuͤrde/ wuͤrde vielleicht Liecht und leicht
werden/ was jetzt dunckel und ſchwer fuͤrkom̃t. Sprichſtu/ unſer Wiſſen
iſt Stuckwerck/ und unſer Weiſſagen iſt Stuckwerck/ wann aber kom̃en
wird das Vollkommene/ ſo wird das Unvollkom̃ene auff hoͤren/ wir ſehen
jetzt durch einen Spiegel in einem dunckeln Wort/ denn aber von Ange-
ſicht zu Angeſicht. Jetzt erkenne ichs ſtuckweiß/ denn aber werde ichs er-
kennen/ gleichwie ich erkennet bin. 1. Cor. 13. Antw. was folget? Ergò ſol-
len wir auch das Stuck- und Spiegel-Werck nicht begehren zu wiſſen/
weil wir das Vollkom̃ene nicht wiſſen koͤnnen? Ergò auch nicht das ὅτι,
weil uns das διότι zu hoch? Ergò ſoll auch ein Diſcipel das nicht lernen/
was ihm in der untern Schul auffgegeben worden/ weil er die Academi-
ſche und Facultaͤtiſche Studia zu tractiren noch nicht faͤhig? Obwol/
ſchreibet Luther. Tom. 8. Witteb. in Hagg. p. 561. f. 2. dieſe Urſachen
der Menſchwerdung des Sohns GOttes nicht gnugſam koͤn-
nen ergruͤndet und geſehen werden/ und werden im ewigen Le-
ben beſſer und eigentlicher erkannt und geſehen werden/ ſo iſt
doch vonnoͤthen/ daß wir dieſe Weißheit in dieſem Leben anfa-
hen zu betrachten/ daß dadurch Verwunderung und Verlan-
gen ſolcher Goͤttlichen Gemeinſchafft in uns entzuͤndet werde/
und daß wir mit danckbarem Hertzen ſolche groſſe Wolthaten
ruͤhmen und preiſen. Sprichſtu/ viel tauſend einfaͤltige Leute ſind oh-
ne dieſe und dergleichen Wiſſenſchafften ſelig worden/ was iſts dann ei-
nem jeden gemeinen Layen zu wiſſen noth? Antw. Wer weiß? wer dieſes
Liecht haben kan/ und daſſelbe verachtet/ der hat ſo wol als die Phariſeer
den Rath GOttes (nach welchem Gott der Herr allen Menſchen ſein
Wort geoffenbaret/ daß es die Albern und Einfaͤltigen ſoll weiß machen
in aller geiſtlicher Weißheit und Verſtand) verachtet. Wer wol wehnet/
dem iſt wol/ aber hie wird er ſich betrogen befinden. Es iſt einem Koͤnig
beſſer/ es traͤume ihm/ er ſey ein Bettler/ als einem Bettler/ er ſey ein Koͤ-
nig/ er habe gnug. Das iſt fuͤr dieſes mal anzuzeigen geweßt. Jſt je eine
Zeit geweſen hievon zu handeln/ ſo iſts dieſe/ da das Calixtiniſche Gifft
ſchon weit um ſich gefreſſen: Straßburg hat ſich zu ſpieglen an Baſel/
Bremen/ Colmar/ die durch dieſe Principia unmerckſam verfuͤhret wor-
den/ und wie viel ſeind ſchon unter uns/ die die Calixtiniſche Religion im
Buſen haben/ und wiſſens nicht/ affectu \& ſenſu, ob ſchon nicht profeſ-
ſione,
[483]Predigt.
ſione, darum wir Gott zu bitten/ Er wolle uns behuͤten fuͤr Jrꝛſahl/ da-
mit wir nicht klagen muͤſſen auß Sap. 5, 4. 6. O wir Narren/ wir haben
des rechten Wegs verfehlet. Er wolle uns corda Electoralia geben/
daß wir mit Maria den beſten Theil/ das einig-noͤthige erwehlen/ daß
wir nicht Meiſter fuchen mehr/ denn JEſum Chriſt mit rechtem Glau-
ben/ und Jhm auß gantzer Macht vertrauen. Amen.
Die Fuͤnffte Predigt/
Von
Dem guten Theil/ den Maria erwehlet.
GEliebte in Chriſto. Gleichwie GOtt der HErꝛ
in dem irdiſchen Paradiß-Garten/ den er ſelbs unmittel-
bar und mit allerhand fruchtbaren Baͤumen/ Gewaͤch-
ſen und Fruͤchten gezieret/ angefuͤllet/ und alſo dem Men-
ſchen/ ehe er geweſen/ den Tiſch gedecket/ und die Tafel be-
reitet/ ſonderlich zween benamſte/ eminirende/ deſignirte
Baͤume dem Menſchen zur Wahl fuͤrgeſtellet/ einen unter dieſen beeden
zuerwehlen.
1. Den todten Baum mitten im Garten/ einen boͤſen Baum/ nicht
zwar per ſe ſeiner Subſtantz und Weſen nach/ dann ſo war es ein Luſt-
und Schau-Baum/ ein Schau-Eſſen/ den der Menſch anſchauen und be-
trachten ſolte: Als einen verbottenen Bann-Baum/ zur Anzeig domi-
nii ſupereminentis, daß der Menſch allein ein Vaſall des groſſen Lehen-
Herꝛn/ dem er zu gehorſamen ſchuldig: Als einen Prob-Baum/ an dem
Gott der Herr des Menſchen freyen Willen pruͤffen wolle/ wohin er
ſich wuͤrde lencken/ zum Boͤſen oder zum Guten/ zum Leben oder zum Tod/
zum Gehorſam oder zum Ungehorſam/ wurde deßwegen genant der
Baum des Erkanntnuß Guten und Boͤſen: Als ein Ehren-Baum/ da
der Menſch als einem Luco ſacro ſein Paradiß-Kirch halten/ und Got-
tes dienſt verrichten/ ſeinen Schoͤpffer loben und preiſen ſolte/ wie Lutheri
Gedancken dahin gehen: Aber auch als einen Todten-Baum/ im fall er
nicht Farb halten wuͤrde/ daruͤber alle Evaͤ Kinder noch heutiges Tages
wehe-muͤthigſt klagen und ſagen muͤſſen: Unſere erſte Elten haben Heer-
P p p ijlinge
[484]Die Fuͤnffte
linge gegeſſen/ und in eine ſauren Apffel gebiſſen/ und unſere Zaͤhne ſind
davon ſtumpff worden.
2. Auff der andern Seiten den Baum des Lebens/ einen ſafftigen/
kraͤfftigen/ lebendig-machenden Baum/ von deſſen Genuß der Menſch
ſolte ſchoͤpffen ein immer friſches/ geſundes/ immer Freud-froͤliches/
immer-lebendes/ unzerſtoͤrliches/ und unſterbliches Leben/ und deſſen ge-
wiſſe und unfehlbare Verſicherung und Verſiglung.
Alſo erzeigen ſich hie in dieſer Welt/ ſonderlich im ſchoͤnen Paradiß-
Garten der Chriſtlichen Kirchen zween ſonderbare Baͤum/ ſo theils per
accidens alle ſichtbare Creatur/ die fuͤr ſich ſelbs gut und unverwerfflich/
aber derſelben unordentliche/ unziemende/ verdam̃liche Genuß/ Aß und
Speiſung/ der ſchnoͤde Mißbrauch/ wann man dieſelbe der Vanitaͤt un-
terwirfft/ aͤngſtet/ quaͤlet/ martert/ daß ſie zu Gott ſchreyen/ und um Rach
ruffen muß/ Rom. 8. die wuͤrcket den Tod/ dero Sold iſt der Tod; theils
aber auch per ſe boͤß/ der peſtilentzialiſche Lugen-Baum/ die grund-ſtuͤr-
tzende und betruͤgliche opinion und Meynung der falſchen Lehr/ die Se-
curitaͤt/ Deſperation, und alſo ἀϖώλειαν nach ſich ziehet/ davon Chriſtus
ſagt: Matth. 7, 17. Ein fauler Baum bringet arge Fruͤchte. Dem
zugegen iſt aber auch in der Chriſtlichen Kirchen gepflantzet und geſetzt ein
Baum des Lebens/ ein gruͤnes Holtz/ ein Holtz des Lebens/ das im Para-
diß Gottes iſt/ Apoc. 2, 7. Das Holtz des Lebens/ das dem Prophetiſchen
Evangeliſten Johañi in einer Viſion erſchienen/ Apoc. 22. 1, 2. welches am
Chryſtall-klaren Strom geſtanden/ zwoͤlfferley Fruͤchten getragen/ und
daſſelbe alle Monat/ deſſen Blaͤtter dienen zur Geſundheit der Heyden/ al-
ler Voͤlcker. Fragſtu/ wer da? und wer der iſt? Er heiſſet JEſus Chriſt/
Sanctus Sanctorum, Chriſtus eſt lignum vitæ,Chriſtus iſt das
Holtz des Lebens/ deutet und ſchreibet Auguſt. l. 13. de Civ. D. 21.
So uͤbel nun/ thoͤricht/ und unſinnig Eva unſere erſte Mutter geweh-
let/ einen ſchaͤdlichſten/ ſchaͤndlichſten Mißgriff und Mißtritt gethan/ den
Baum des Lebens fuͤrbey gegangen/ und den Baum mitten im Garten
den Todten-Baum erwehlet: So wol hat im gegentheil ihre Gottſelige
und kluge Tochter die Maria von Bethania erkoſen und gewehlet: den
unziemlichen/ unzeitigen/ allzu muͤhſamen fladernden/ dem Wort Gottes
hinderlichen Genuß und Gebrauch der Creatur und dero zeitlichen Er-
goͤtzlichkeit/ daran ſich ihre Schweſter bemuͤhet/ ſo dann auch den gifftigen
Baum der Phariſeiſchen und Sadduceiſchen Jrꝛthum hat ſie hindan
geſetzt/ und erwehlet den rechten geiſtlichen Baum des Lebens/ Chriſtum
JEſum/ zu deſſen Fuͤſſen ſie ſich geſetzet/ ſeine uͤber-Koͤnigliche Tracta-
menten
[485]Predigt.
menten und himmliſche/ Engliſche myſteria angehoͤret/ gegeſſen/ ſich er-
goͤtzt und erquickt/ und alſo mit einem Wort άγαθὴν μερίδα, das gute
Theil/ das nimmermehr ſoll von ihr genommen werden/ erwehlet und
außerkohren. Gleichwie wir nun heut acht Tag das unum neceſſarium
unter der Figur und Bild des Mannaͤ E. L. vorgetragen/ alſo wollen wir
jetzt ἀγαθὴν μερίδα unter der Geſtalt des Baums des Lebens E. L. propo-
niren und wol vorbilden. Welches/ daß es geſchehe Gott zu Ehren/
wolle Er ſelbſt mit ſeiner Gnade kraͤfftiglich erſcheinen. Amen.
WAnn demnach Chriſtus unſer Heyland von ſeiner
andaͤchtigen/ ihme gantz ergebenen diſcipula, Schulerin und
Zuhoͤrerin ruͤhmet und lobet/ ſie habe den guten Theil erweh-
let/ ſo hat er ohn allen Zweiffel ſeine reflexion und Abſehen gehabt/ wie
auch heut acht Tag vermeldet worden/ auff die gegenwaͤrtige occaſion,
und das zubereitete gegenwaͤrtige Gaſt-Mahl/ ſo von Martha zugerichtet
geweſen/ deßwegen ſie ſich ſo aͤngſtiglich bemuͤhet/ dieſen groſſen Herrn
wol zu bewuͤrthen und zu gaſtiren/ daher nim̃t nun der Herr die Figur.
Dann gleichwie bey einer irdiſchen/ weltlichen/ doch ordentlichen/ und wol
angeſtellten Mahlzeit und Gaſtmahl man den Gaͤſten die Wahl laſſet/
keinem wird ein und andere Speiß/ ein und ander Getraͤnck/ was und
wieviel er trincken ſoll/ auff gedrungen/ ſondern einem jeden wird die freye
Chur und Wahl gelaſſen. Jnmaſſen der ſonſt Heydniſche Koͤnig Ahaſ-
verus bey ſeinem Koͤniglichen Panquet Eſth. 1. niemand geſetzt/ was er
trincken ſolt/ ſondern verordnet/ daß ein jeglicher ſolte thun/ wie es ihm
wol gefiel/ anders als unſere unmenſchliche barbariſche Teutſchen/ ihrem
Abgott dem Sauffauß zu Ehren/ den Gaͤſten die Servitut aufflegten/ ſon-
derliche Geſundheiten/ und damit anders nichts als allerhand Wehetag/
Seuchen und Kranckheiten/ Podagra/ Schwindſucht an den Hals zu
ſauffen/ da es gleichſam geheiſſen/ ἢ πίϑι ἢ ἄϖιθι, Vogel ſauff/ oder tod.
Deßgleichen bitteten auch die edle Hebreiſche Juͤnglinge und Studenten/
Daniel/ Sadrach/ Meſach und Abed Nego um die Wahl; Jhr Inſpe-
ctor, der auff ſie beſtellet war/ hatte Befehl ſie zu tractiren mit den beſten
Bißlein von der Koͤniglichen Tafel/ und dem Wein/ den der Koͤnig ſelbs
tranck/ aber Daniel bittet um Zugemuͤß/ die ihm auch worden/ welches
ihm und ſeinen Geſellen beſſer zugeſchlagen/ als allen andern Juͤnglin-
gen/ die von des Koͤnigs Tiſch aſſen. Das waͤre heutiges Tages man-
chem ſo edlen ſo unedlen Juͤngling nicht gelegen/ Zugemuͤß/ Habern/
Gerſten/ Erbſen/ Linſen/ Kraut und Ruben zu eſſen/ er wuͤrde ſie von ſich
P p p iijſtoſſen/
[486]Die Fuͤnffte
ſtoſſen/ und nach den beſten Bißlein greiffen: Alſo weil auch der Mariaͤ
von Bethanien drey unterſchiedliche Tiſch und Taffeln gedecket und be-
reitet worden/ von drey unterſchiedlichen Trachten: Eine war die ὀικοσο-
φία und Vernunffts-Klugheit ihrer Schweſter Marthaͤ/ ſo nach dem
Fleiſch gerochen/ und behafftet geweſen mit einer unziemlichen/ unordent-
lichen/ unzeitigen/ und fahrlaͤſſigen Sorgfalt und Hindernuß des Worts
GOttes: Die andere die [...]α [...]μονοσοφία, Jac. 3, 15. wie dieſelbe in den Juͤ-
diſchen Synagogen fuͤrgetragen worden/ ſo nichts anders/ als der Pha-
riſaͤiſche Saurteig/ und Sadduceiſche Greuel-Suppen/ lauter Lugen
und Mord: und dann die Χριϛοσοφία, eine Koͤnigliche Salomons-Tafel/
uͤberſtellt von Himmliſchen/ hoch-troͤſtlichen Geheimnuſſen des Reichs
Gottes/ die Chriſtus der groſſe Sympoſiarcha damal in ſeiner Rede vor-
getragen/ ſo macht ſie eine Wahl unter dieſen dreyen/ beurlaubet die zwo
erſten/ als die ihr nicht gemundet/ die dritte allein hat ſie außerkohren/
als ἀγαθὴν μερίδα, das gute Theil/ davon ſie das rechte Leben/ lauter
Safft und Krafft geſogen. Und zwar
I. Bonum ſanitatis, vitæ beatæ, das Gute eines geiſtlichen/ immer
friſchen und geſunden Lebens/ dann darzu iſt der Baum des Lebens im
Paradiß geſchaffen geweſen/ daß ſeine Blaͤtter und Fruͤchte dienen ſolten
zur Geſundheit/ Apoc. 22, 3. der Menſch hatte zwar ſein Leben empfangen
in der Schoͤpffung/ durch das Goͤttliche Anhauchen eines lebendigen
Athems/ dieweil aber auch der natuͤrliche Lebens-Safft abgenommen/ ſo
hat derſelbe durch Nahrung/ Speiß und Tranck/ von einem gleich guten/
edlen und kraͤfftigen Safft muͤſſen ergaͤntzt und erſetzet werden/ faſt auff
die art und weiß/ wie vinum generoſum, ein edler/ koͤſtlicher Wein/ ſoll
derſelbe conſervirt und erhalten werden/ ſo muß man im̃er zufuͤllen/ nicht
ſchlechten/ ſauren/ weichen/ matten/ abgeſchmackten Wein/ weniger Waſ-
ſer/ Wein von gleicher Art/ Adel/ Tugend und Wuͤrde/ und ſo bleibt er
alsdann gut: Alſo ſoll auch der Lebens-Safft im Menſchen gut und ge-
ſund bleiben/ ſo muß kein Safft von verfluchten Fruͤchten/ wie wir leider
nach dem Fall ſolche Fruͤchten genieſſen/ und deßwegen ſiechen und ſterben
muͤſſen; ſondern von dem ſafftigen/ kraͤfftigen/ proportionirten/ gleich ed-
len Fruͤchten des Lebens-Baums/ davon war der Menſch fuͤr Seuchen/
Kranckheiten und Wehetagen verwahrt/ er wurde zwar auch alt von
Jahr-Zeiten/ aber nim̃er von Kraͤfften/ immer bluͤhend/ nimmer verbluͤ-
hend/ immer jung/ friſch und wacker/ das Temperament war ad pondus
abgemeſſen. Ein ſolch bonum ſanitatis, eine gute portion haben wir
auch an dem Genuß des geiſtlichen Lebens-Baums/ der Χριϛοσοφίᾳ der
Erkannt-
[487]Predigt.
Erkanntnuß und Glauben an Chriſtum. Wir ſeind nach dem Fall wie
bekandt/ allerhand geiſtlichen Schwachheiten und Seuchen unterworf-
fen/ den geiſtlichen Lebens-Safft/ das rechtſchaffene Leben auß Gott und
deſſen Erſtlinge haben wir empfangen in der Gnad der Widergeburt in der
H. Tauff/ ſoll aber dieſelbe fovirt und erhalten werden/ da gehoͤret geiſtli-
cher Lebens-Safft zu/ die febris hectica, die innerliche Seelen-Peſt/ die
Erb-Luſt/ die Erb-Suͤnd/ klebet uns allen an/ wir koͤnnen derſelben nicht
loß werden: darauß kommen die Fruͤchten der wuͤrcklichen Suͤnden/
manchmal hauet ihm der Menſch ſelbs ſchmertzliche/ unheilſame/ toͤdli-
che Wunden in ſein Hertz und Gewiſſen hinein/ in denſelben und auß der
ungeheylten Faͤule wird hernach gezeuget ein beiſſender/ nagender Wurm/
der unſterbliche Gewiſſens-Wurm/ die feurige Schlang/ darauff endlich
nichts folgen kan/ als der Suͤnden Sold/ der ewige Tod/ Hoͤll und Ver-
dam̃nuß. Wo nun Rath? wo Artzney? Chriſtus und ſeine σοφία iſt die
Panacea und ἀλεξίκακον, ἀντίδοτον του̃ μὴ ἀϖοθανει̃ν, dein Wort/ dein Evan-
gelium/ O HErꝛ JEſu/ die Verheiſſung/ von dem glaubigen Anblick der
ehrnen Schlangen heilet allen Schaden/ Sap. 16, 13. dein edles Balſam-
Blut/ das wir genieſſen und trincken im H. Abendmahl/ heilet alle Wun-
den der Seelen/ der glaubige Anblick deiner/ als des ehrnen Schlaͤngleins/
gilt wider alle gifftige Biſſe der hoͤlliſchen Schlangen/ dein Blut iſt ein
bewaͤhrtes Mittel fuͤr allen Suͤnden-Schaden/ 1. Joh. 1, 7. Das Blut
JEſu Chriſti als des Sohns macht uns rein von allen Suͤn-
den.Hebr. 9, 14. Das Blut JEſu Chriſti/ der ſich ſelbſt ohn
allen Wandel/ durch den H. Geiſt/ GOtt geopffert hat/ rei-
niget unſere Gewiſſen von den todten Wercken/ zu dienen dem
lebendigen GOtt.Cap. 10, 22 Durch die Beſprengung des
Bluts Chriſti werden wir loß vom boͤſen Gewiſſen. Wiewol
toͤdliche Wunden ſind kommen von der Suͤnden/ iſt doch ein Artzt gege-
ben/ der ſelber iſt das Leben. Chriſtus fuͤr uns geſtorben/ der hat das
Heyl erworben. Sein Wort/ ſein Tauff/ ſein Nachtmahl/ dient wider al-
len Unfall/ der Heilige Geiſt im Glauben/ lehrt uns darauff vertrauen.
Diß iſt nun prima portio, das erſte gute Theil/ das Maria erwehlet/ auß
der Rede Chriſti/ damit ſie ſich getroͤſtet wider die Suͤnde und Tod.
II. Bonum hilaritatis, vitæ lætæ \& lætificæ. Das gute Theil eines
froͤlichen und froͤlich-machenden Lebens. Non eſt vivere, ſed valere vitâ.
Wer lebet/ und lebet nicht mit Freuden/ froͤlich und luſtig/ der lebet nicht/
das Leben iſt ihm ein Straff und Tod/ der Tod das Leben und ein Troſt.
Hat nun Adam von dem Genuß des Lebens-Baums Leben und Geſund-
heit
[488]Die Fuͤnffte
heit geſchoͤpfft/ ſo iſt er auch als ein geſunder und friſcher Menſch voller
Hertzens-Freud geweſen/ iſt der Leib geſund/ ſo iſt auch die Seele froͤlich
und muthig/ er hat alle ſeine Werck angegriffen mit Freuden/ mit Freu-
den gefuͤhret und vollfuͤhret/ es iſt ihm der Garten- und Acker-Bau nicht
ſchwer ankommen/ und faſt nicht anderſt als einen Lauteniſten und Mu-
ſicanten/ der auff dem Jnſtrument geſpielet/ ſein Schlagen und Pfeif-
fen/ er thuts per ludum. Alſo iſt auch die Chriſtoſophia, der Glaub
und Erkanntnuß Chriſti ſo geartet/ daß ſie in einem glaubigen Hertzen
wuͤrcket Fried und Freud im Gewiſſen/ ſatten Troſt wider das forchtſa-
me/ traurige und mit der Verzweifflung ringende Gewiſſen/ GOttes
Bruͤnnlein hat Waſſers die Fuͤlle/Pſ. 65, 10. Ein einiger Evange-
liſcher Spruch/ wann derſelbe recht außgewuͤrcket und erklaͤret wird/
ſchaffet mehr Freud/ als alle Welt betruͤben mag/ Troſt mitten im Feur-
Offen der Truͤbſaal/ als die wir wiſſen/ daß wir Friede haben mit Gott/
Rom. 5, 1. 3. und daß Truͤbſaal bringet Gedult/ ſchmertzliche Ubung
des Leibs machet ſtarck/ immer Krieg macht reſolution, nur die erſte Hitz/
ſagt der Kriegsmann/ thut weh/ darnach achtet man es nimmer/ man
verhaͤrtet darin/ Gedult bringt Erfahrung/ Pruͤfung/ daß man
außdauret/ wie Gold im Feur/ Erfahrung bringet Hoffnung/ auß
der ſymmorphia und Gleichfoͤrmigkeit Chriſti/ daß weil man ihm aͤhn-
lich im Creutz/ ſo werde man ihme auch gleich und aͤhnlich werden in der
Herꝛligkeit/ Rom. 8. Hoffnung laßt nicht zu ſchanden werden/ die
gegruͤndete Hoffnung gibt dem Menſchen Liecht/ Staͤrcke und lebendigen
Troſt. Das iſt die andere portion der Mariaͤ: Maſſen ſie ohne allen
Zweiffel auch mit Traurigkeit behafftet geweſen/ denn Anfechtung lehret
auffs Wort mercken/ gemeiniglich ſind dieſes die andaͤchtigſte Zuhoͤrer/
welche Noth/ Creutz und Anfechtung drucket und preßt.
III. Bonum ἀθανασίαϲ, vitæ immortalis, dazu iſt ſonderlich der
Baum des Lebens dem Menſchen beſchert geweſen/ als welches hell und
klar abzunemmen auß dem Wort des HerrnGen. 3, 22. Nun aber
(ſc. cavendum,) daß der gefallene Menſch ſeine Hand außſtrecke/ und
breche ab vom Baum des Lebens/ eſſe und lebe ewiglich. E. wer von dem
Baum des Lebens gegeſſen/ der iſt ἄσυλος à morte, ſicher und frey von
dem Tod geweſen/ ewig lebendig und unſterblich.
Juſta natura nullam ſenſiſſet mortem, vixiſſet in ſumma voluptate, in obedien-
tia DEI, \& admiratione operum DEI, uſque dum tempus mutationis veniſ-
ſet. Ibi ſenſiſſet Adam ſimile quiddam hujus ſomni, qui ſuavlſſimus ei ac-
cidit, cubanti inter roſas, \& ſub amœniſſimis arboribus. In co ſomno
eſſet
[489]Predigt.
eſſet mutatus \& translatus in ſpiritualem vitam, tàm non ſentiens dolorem
aliquem, quàm non ſentit aperiri corpus, \& eximi coſtam cum carne. Luth.
in Gen. p. m. 29.
Alſo iſt auch die Chriſtoſophia die Kunſt der Unſterblichkeit/ φάρμακον
ἀθανασίας. Joh. 6, 56. ſagt Chriſtus: Euere Vaͤtter haben Manna
gegeſſen/ und ſind geſtorben/ aber wer mein Fleiſch iſſet/ und
mein Blut trincket/ der bleibet in mir/ und ich in ihme/ wie
mich geſandt hat der lebendige Vater/ und ich lebe um des
Vaters willen/ alſo wer mich iſſet/ der wird auch leben um mei-
net willen. Daher kein glaubiger Chriſt eigentlich ſtirbet/ Chriſtus
ſagt von dem verſtorbenen Toͤchterlein Jairi/ das Kind iſt nicht todt/
ſondern es ſchlaͤfft.Marc. 5, 39. und von Lazaro: Lazarus unſer
Freund ſchlaͤfft.Joh. 11, 11. Und das meynet der Herr eigentlich/
wann er ſagt: Maria hab erwehlet bonum ἀναφαίρετον, ein ſolches Gut/
das nicht ſoll von ihr genommen werden/ nicht abſolutè und
ſchlechter dings/ ſondern per vim extrinſecam, durch aͤuſſerliche Gewalt/
auff welche weiß/ nemlich Chriſto/ niemand kein Schaaf auß ſeinen
Haͤnden reiſſen kan/ Joh. 10, 29. Wann durch die Unmuͤglichkeit eine
ſolche Artzney in der Welt waͤre/ die wider den Tod gewachſen/ wie zwar
viel Phantaſten mit ſolcher Phantaſi umgegangen/ die ihre Kunſt durch
eigenes Exempel vernichtet/ ſo wuͤrde es doch den Verſtand haben; Die-
ſe Artzney iſt gut und bewaͤhrt/ ſie verwahret fuͤr dem Tod/ es ſeye dann/
daß der Menſch ſelbs Hand anlege/ ihm Gifft beybringe/ und zu ſich
nemme/ und alſo freventlicher und muthwilliger weiß den Lebens-Faden
abſchneide. Alſo hat auch die Maria die ἀσυλίαν gehabt/ ſie iſt in den
Baum des Lebens dergeſtalt eingepfropfft geweſen/ daß ſie keine Macht
noch Gewalt kunte herauß reiſſen/ verſtehe/ ſo lang ſie in der Diaͤt/ Taxi,
Gebet und Gebrauch der heylſamen Mittel/ die Gott zur Seligkeit ver-
ordnet/ geblieben. St. Paulus ſchreibet den beſten Commentarium
hieruͤber/ Rom. 8, 38. da er aller aͤuſſerlichen Creaturen gedencket/ allein
die Suͤnde hat er excipirt. Jch bin gewiß/ daß weder Tod noch
Leben/ weder Engel noch Fuͤrſtenthum/ noch Gewalt/ weder
Gegenwaͤrtiges noch Zukuͤnfftiges/ weder Hohes noch Tief-
fes/ noch keine andere Creatur mag uns ſcheiden von der Liebe
GOttes die da iſt in Chriſto JEſu unſerm HErꝛn. Nicht
der allererſchroͤcklichſte Maͤrtyrer-Tod/ nicht das allermuͤhſamſte Leben/
wann man mich auch wolte Vogel-frey machen/ nicht die boͤſe Engel/
kein Tyranney/ weder gegenwaͤrtige noch zukuͤnfftige Gefahr/ weder die
Neunter Theil. Q q qHoͤhe
[490]Die Fuͤnffte
Hoͤhe des Creutzes/ noch die Tieffe des Meers allerhand Anfechtungen/
mag uns ſcheiden von Chriſto JEſu/ der in mir lebet/ und ich in ihm
durch den Glauben/ und von ſeiner Liebe/ damit er mich geliebet hat/ daß
Er ſich fuͤr mich in den Tod gegeben. Gal. 2, 20.
Nun/ meine Liebſten/ dieſer Baum des Lebens/ dieſer ſo ſafftige/ ſo le-
bendige/ ſo lebendig-machende Baum/ an dem ſich Maria ergoͤtzt/ ſtehet
noch mitten in der Stadt GOttes/ Apoc. 22, 3. Und zwar ſo iſt er arbor
ἐυϖρόσιτος, wir haben einen Zugang zu demſelben/ da iſt keine Engliſche
Quardi/ kein Cherubim/ ſo mit einem bloſen hauenden Schwerdt den
Paß verlegt/ ſondern da dieſer Baum vom Himmel herab kommen/ und
zu Bethlehem gepflantzet worden/ haben die Engel ſich Heers-weiß herab
gethan/ dem menſchlichen Geſchlecht gratulirt/ und ex συγχα [...]ροσυύῃ und
Mit-Freud geſungen: Friede auff Erden/ alle Fehde hat nun ein Ende/
das Schwerdt iſt wieder in die Scheide geſteckt. Uns ligt nur ob von
unſerer Maria zu Bethanien zu lernen prudentem electionem, wie wir
eine gute Wahl treffen moͤgen/ unter den jenigen Baͤumen/ die uns
noch heutiges Tages zur Prob und Wahl fuͤr Augen ſchweben/ und auff
gewiſſe weiß ein Leben wuͤrcken. Es ſtehet da Arbor mundi, der Welt-
Baum der weltlichen Fleiſches-Luſt/ der ſchnoͤde Mißbrauch der Welt/
und edlen Creaturen GOttes/ daß ſie druͤber aͤchzen/ ſeufftzen/ ach und
weh ſchreyen muͤſſen/ ſonderlich der edle Wein/ dem wir dieſes Jahr nicht
viel gutes prognoſticiren koͤnnen/ ſondern je beſſer er gerath/ je ſchnoͤdere
Servitut dieſer Welt-Baum hat; er wuͤrcket zwar auch ein Leben/ aber
vitam politicam, ein bloß zeitliches/ vanitaͤtiſches Leben der Kinder und
Leute dieſer Welt/ wie ſie David abgemahlt/ die ihr ἀγαθὴν μερίδα und
beſten Theil allein in dieſer Welt haben/ denen Gott der Herrex inun-
danti bonitate, auß uͤberſchwenglicher Guͤte/ ihre Baͤuch mit Schaͤtzen
fuͤllet/ gibt ihnen Kinder die Fuͤlle/ ſie aber laſſen ihr uͤbriges ihren Jungen:
und zu ſolchem Zweck werden auch ihre Kinder in der Jugend angezo-
gen/ daß es heißt/ mein Kind muß ein Politicus werden/ ein Welt-Mann/
der Chriſtoſophie gedencket niemand. Es wuͤrcket dieſer Welt-Baum
bey dem groſſen rohen Hauffen vitam cyclopicam, ein viehiſches Saddu-
ceiſch Sau-Leben/ wie dann ſolche Leute auch unter uns/ die im Werck
und mit der That bezeugen/ daß ſie gleich den Sadduceern/ kein Engel/
Unſterblichkeit der Seelen/ noch Aufferſtehung der Leiber glauben.
Wir haben ferner von unſerer Maria zu lernen/ daß wir auch hind-
an ſetzen den gifftigen Toden-Baum falſcher Lehr/ Religion und Jrꝛ-
thum der heutigen Phariſeer/ deren Aepffel ſind von Sodoma/ aͤuſſerlich
ſchoͤn
[491]Predigt.
ſchoͤn/ inwendig Aſch/ das iſt/ Todt und Gifft/ der ſchnoͤden Jgnorantz
und grund-ſtuͤrtzenden Jrꝛthum; maſſen die Phariſeer ſolche grobe Jgno-
ranten geweßt/ daß auch einer der Oberſten/ Nicodemus/ von der Wi-
dergeburt weniger gewußt/ als ein Kind/ und ſolche Laͤppiſche Gedancken
davon gehabt/ nicht anders/ als wie ein Kind. Jm gegentheil ſollen wir
mit Maria erwehlen ihren Theil und portion, Mariaͤ Theil iſt das gute
Theil/ das nicht ſoll genommen werden. Wollen wir daſſelbe recht ge-
nieſſen/ ſo iſt von noͤthen cautela nauſeæ, daß uns ja auch nicht eckele ab
dieſer loſen Speiſe/ maſſen ſolche nauſeanten ſeind 1. die ἀυταρκέϛατοι,
die allzugnugſame Zuhoͤrer/ die im Zeitlichen unerſaͤttlich/ da ſie ſolten
begnuͤgſam ſeyn/ im gegentheil in himmliſchen Geheimnuſſen ihnen ſelbs
eine ſolche erkleckliche menſur fuͤrſchreiben und tichten/ die ſie gar bald ge-
faßt/ und mit deren ſie gar bald fertig ſeyn/ da heißt es nicht/ plus ultrà,
immer weiter/ ſondern ſie laſſen dem himmliſchen Salomon ſeine Koͤ-
nigliche Taffel/ und nehmen mit Diogene mit Kaͤß und Brod fuͤr lieb.
2. Die Simpliciſten/ die nicht in dem Verſtand/ wie es ſeyn ſoll/ die einfaͤl-
tige Lauterkeit der Lehr/ wie und ſo fern ſie auch den Sataniſchen Ver-
fuͤhrungen entgegen geſetzt/ ſondern in dem Verſtand/ nach welchem Un-
verſtand/ Ungeſchicklichkeit/ Alberkeit/ wil zu einem Heiligthum geweihet
werden/ faſſen und lernen. Wahr iſt es zwar/ der Einfalt ſoll man pre-
digen/ aber gar nicht/ daß ſie einfaͤltig bleibe/ ſonder πρὸς τὸ σοφίσαι, daß
die albern weiſe werden/ Pſ. 19. Sonſt kom̃t der Apoſtel mit ſeinem
Verweiß/ der ſich bekennet ein Schuldner der Weiſen und Unweiſen.
Rom. 1, 14. auß Hebr. 5, 12. Und die ihr ſoltet laͤngſt Meiſter ſeyn/
beduͤrfft ihr wiederum/ daß man euch die erſten Buchſtaben
des Goͤttlichen Worts lehre/ und daß man euch Milch gebe/
und nicht ſtarcke Speiß. 3. Die Prætendenten/ die eben die jenige
difficultaͤt einwenden/ die auch die Juͤnger Chriſti haͤtten vorwenden koͤn-
nen: Wir ſind Jdioten/ Fiſcher/ keine gelehrte Leute/ einfaͤltige Layen wir
koͤnnen ſolche hohe Subtilitaͤten nicht faſſen: aber der HErꝛ ſchalt
deßwegen ihren Unglauben/ und ihres Hertzens Haͤrtigkeit/
Marc. 16, 14. O ihr Thoren und traͤges Hertzen/ zu glauben
alle dem/ das die Propheten geredt haben.Luc. 24, 25. 4. Die
Objicienten/ die die alte verlegene/ Paͤbſtiſche/ rancida und faule argu-
menta vorwerffen/ damit man Lutherum gequaͤlet/ unſere majores ſeind
keine Narren geweßt/ biſtu allein witzig/ ſind ſie denn alle verdam̃t? Wir
antworten mit Luthero auß 1. Sam. 2, 3. Laſſet auß euerm Mund das
alte/ denn der HErꝛ iſt ein GOtt der es mercket/ und laͤſſet
Q q q ijſolch
[492]Die Fuͤnffte
ſolch Fuͤrnehmen nicht gelingen. Wir verdammen niemand in
individuo, thuts aber die Schrifft/ ſo koͤnnen wirs nicht wehren/ uns
gebuͤhret auch nicht die Præfation des Athanaſianiſchen Symboli auß-
zukratzen/ welche zwar die hohen Geiſter die Arminianer ſuperbam præ-
fationem nennen/ diſtinguiren aber/ unter nicht wiſſen koͤnnen und nicht
wiſſen wollen. Jenes excuſire und entſchuldige/ nicht aber dieſes.
Aber muthwillens wollen ſie es nicht wiſſen/ und gehoͤren unter die Zunfft
deren/ die die Finſternuß mehr lieben denn das Liecht/ und dem Herrr
ſein Abendmal verachten/ die Chriſtus von ſeinem Himmelreich abwei-
ſet/ Luc. 14.
Suchen endlich mit dieſen Predigten gar nicht perfectionem ſum-
mam, und daſſelbe ohne diſcretion der Talenten/ non perfectionem
gradus, ſed gradum perfectionis, und dann ſonderlich den geiſtlicher.
Hirſch-Durſt und ſeligen Hunger nach der Chriſtoſophia, dazu viel
hilfft das liebe Creutz/ dann das bittere Creutz macht JEſum recht ſuͤß/
der bekehrte Schaͤcher erinnert ſich alsdann des gruͤnen Holtz des Le-
bens/ da er an dem Holtz gehangen: und das iſt der jenige Hunger/ wel-
chen ich wuͤnſche/ bitte und begehre/ ſo wird alsdann die Chriſtoſophia
wol ſchmecken/ ſo werdet ihr mit Luthero an allen Baͤumen anklopffen/
ob ihr Chriſt-Fruͤchten finden moͤchtet/ und mit dem lieben David ſagen/
Pſ. 16/ 5. Mir iſt ein ſchoͤn Erbtheil worden. und Pſ. 116. Jch wil
den heilſamen Kelch nehmen und des HErꝛn Nahmen predi-
gen. Mit Paulo zuſtimmen/ Chriſtum lieb haben iſt beſſer dann
alles wiſſen/ beſſer als ſeine gantze Encyclopædia, als alle ſeine chari-
ſmata, Wunder-Glauben/ Wunder-Weißheit/ und dergleichen/ ſo fern
ſie nur bloß im Wiſſen beſtehen/ Chriſtum/ ſag ich/ lieb haben/ aber nicht
mit blinder/ ſondern mit erleuchteter Liebe. So wird als dann die Ver-
heiſſung in ihre Krafft gehen/ Apoc. 2, 7. Wer uͤberwindet alle ſolche
tentationes, die nauſeam Chriſtoſophiæ, alle tentationes der Welt/
den Satan mit ſeinen Tractamenten/ dem wil ich geben von dem
Holtz des Lebens im Paradiß GOttes/ dem Paradiß/ welches
Chriſtus dem Schaͤcher beſcheiden/ zu eſſen/ zu ſaugen und zu genieſſen/
immer neue Fruͤchten ohne Eckel und Verdruß/ er ſoll haben ein immer
friſches/ gefundes/ immer Fried-froͤliches/ immer ewig unſterbliches Le-
ben/ Leben ohne Tod/ Leben ohne Noth/ Leben ohne Ach und Wehe/
droben in der herꝛlichen Himmels-Hoͤhe.
AMEN.
Die
[493]Predigt.
Die Sechſte Predigt/
Von
Der Chur und Wahl/ die Maria gethan.
GEliebte in Chriſto. Warum und woher es kom-
men/ daß die heiligen Ertz-Vaͤtter und Patriarchen vor
der Suͤnd-Flut/ ihren Lebens-Faden ſo weit außgezogen/
ihr zeitliches Leben in dieſer Welt etlich hundert Jahr
lang gefriſtet/ und ſo hoch/ ſonderlich Mathuſalem auff
969. Jahr gebracht/ davon haben die Commentatores,
ſonderlich auch Lutherus Comment. in Gen. 5. unterſchiedliche rationes
und natuͤrliche Urſachen erſonnen/ erdacht und auff die Bahn gebracht.
Und zwar
I. Indolem Temperamenti, die Qualitaͤt/ Art und Eigenſchafft ih-
rer noch ſafftigen und lebhafften/ kraͤfftigen complexion, der edlen und
proportionirten/ gleich abgewogenen craſi der humoren/ die wolthauen-
de innerliche Kuchen des Magens/ und der Leber/ die friſche/ geſunde
Lebens-Quellen und Geiſterlein/ ſo auß dem Hertzen entſpringen/ davon
der gantze Leib florirt/ und in ſtaͤt-waͤrendem vigor gegrunet und erhalten
worden.
II. Salubritatem alimentorum, die Guͤte der Erden-Gewaͤchſe/ ehe
und dann dieſelbe durch die allgemeine Suͤndflut uͤberſchwaͤmmet/ ge-
ſchwaͤchet und corrumpirt worden. Unum pomum plus tunc ſalubri-
tatis habuit, quàm nunc mille, ſchreibt Lutherus in Gen. p. 99. Ein
Apffel hat dazumal mehr nahrhafften und geſunden Safft
und Krafft gehabt als jetzt tauſend.
III. Temperantiam hominum, indem ſich die lieben Vaͤtter der
Maͤſſigkeit befliſſen/ wann die Gottloſen Cains-Kinder gegeſſen und ge-
truncken/ verſtehe aͤrger als die beſtiæ ſich toll und voll geſoffen/ ihre eige-
ne Leiber bekrieget/ und ihnen Gewalt angethan/ ihr Natur und Tempe-
rament geſtuͤrmet/ ihre Tafeln mit mancherley Speiſen mit varietaͤt und
luxu uͤberſtellet/ ſo haben die H. Patriarchen ſich alles Uberfluſſes/ auch ſo
gar des ſonſt edlen Reben-Saffts enthalten/ wie auß dem ſpaten Reben-
Bau des H. Patriarchen Noaͤ nach der Suͤndflut etliche muthmaſſen.
Q q q iijDann
[494]Die Sechſte
Dann haͤtte Noa deſſen Krafft zuvor gefuͤhlet und gewußt/ wuͤrde er ſich
ſchwerlich von demſelben haben uͤbernemmen laſſen.
IV. Sonderlich σιτοσοφίαν, \& hinc delectum ciborum, die kluge
und ſcharffſinnige Wiſſenſchafft und Erkanntnuß der Eigenſchafften
und Kraͤfften der Speiſen/ welche ſie als ein S. lipſanum Paradiſiacum
auß dem Paradiß erholt/ und von ihrem Großvater Adam erlernet/ daß
ſie aller Erden-Gewaͤchs Naturen und Tugenden mit erleuchteter Ver-
nunfft erkundiget/ gepruͤfet/ und ein delect angeſtellet/ die ſimpliciora,
ſalubriora und puriora erwehlet/ und ſich allein mit den jenigen Spei-
ſen beholffen/ ſo zu Nehrung und Erfriſchung deß Leibes am tauglichſten
und bequemſten geweſen. Und darauß iſt entſprungen die Longævitas.
Daher auch Serarius erzehlet von jenem Bauren.
‘Ante annos 4. aut 5. ait Serar. in Joh. c. 14. p. 348. cum Vogeſum, qui ab Alſatia
Lotharingiam diſpeſcit, tranſirem, eſſemque in Senonenſi cœnobio, vocavit
ejus loci Abbas è neſcio quo ejus montis pago, qui longiuſculè aberat, ru-
ſticum natu grandem, annorum ſuprà centum plurium. Venit ille pedes, ci-
tò ſatis, \& ad prandium cæteris cum hoſpitibus adhibitus: ut aſſedit, \& eſcis
exſtructam menſam pluribus, conditioribuſque aſpexit, cœpit ſubmiſſiore ſe-
cum voce, ut ab omnibus tamen ſonus audiretur; loqui, ac veluti murmu-
rate. Tum ei Abaas: Quid mi Pater: (ſic revetentiæ cauſa ſenem voca-
bat) loqueris? an deeſt quidpiam? eloquere clarius. Iſthuc verò eſt, re-
ſpondit ſenex, quod loquor: Si tantam talemque menſam ſemper habuiſ-
ſem, tamdiu non vixiſſem.’ ()
Gleichwie nun beſagter delectus alimentorum das jenige Mittel geweßt/
durch welches ſie ihr zeitliches Leben verlaͤngert: Alſo iſt auch dem jeni-
gen/ der ſich ſehnet nach dem allerlaͤngſten/ das iſt/ der nach dem immer-
waͤhrenden/ nimmer zerſtoͤrlichen/ unwandelbaren/ himmliſchen/ ewigen
Leben trachtet/ vonnoͤthen/ als ein heilſames Mittel/ die geiſtliche σιτοσοφία
und ecloge alimentorum ſpiritualium, die kluge/ tieff- und ſcharffſinni-
ge Chur und Wahl der geiſtlichen Seelen-Speiß/ nach dem Exempel
unſerer lieben Mariaͤ von Bethanien/ die unter denen Speiſen/ die ihr ſo
lieblich von ihrer Schweſter/ ſo geiſtlicher weiß in den Juͤdiſchen Syna-
gogen und der Hauß-Schul des JEſu von Nazareth bereitet und auff-
getragen worden/ ſo wol und kluͤglich gewehlet/ daß ſie das einig-noͤthige
von dem unnoͤthigen/ den guten/ ſafftigen/ kraͤfftigen Theil herauß gezogen
und geſogen/ und vor dem abgeſchmackten gifftigen erkohren/ und hierin
ſich als eine lobwuͤrdige Chur-Frau und Wehlerin erzeiget/ worauff der
Herr klar gedeutet mit dem weit-außſehenden Wort ἐξελέξατο, ſie hat
erwehlet. Was nun das fuͤr ein Chur und Wahl geweſen/ iſt das je-
nige/
[495]Predigt.
nige/ davon wir etwas weiter in der Forcht des Herrn reden und han-
deln wollen. Gott gebe dazu Krafft/ Gnad und Geiſt. Amen.
GEliebte in Chirſto. So iſt nun die Chur und Mahl-
Wahl/ welche der groſſe καρδιογνώϛης in dem innerſten Hertzen
der andaͤchtigen Mariaͤ geſehen und gefunden I. Electio exer-
citata, ein geuͤbte und habituirte Wahl. Dann das wird an dem/ der
unter Speiß uñ Getraͤnck wol kieſen und unterſcheiden wil/ erfordert/ daß
er einen guten Mund habe/ ein geſunden Geſchmack/ der durch Ubung
ihm ſolchen ſubtilen Geſchmack zu wegen gebracht. Wie dann groſſe
Herren deßwegen ihre Credentzer und Schencken pflegen zu halten/ die
ihnen zu ſolchem Dienſt auffwarten muͤſſen/ maſſen des Pharaonis
Gen. 40, 1. und Salomons Schencken 1. Reg. 10. 5. gedacht wird. Auß
Ermanglung dieſer Facultaͤt und Geſchicklichkeit entſchuldiget ſich der
fromme/ alte Barſillai gegen dem Koͤnig David/ da er ihm wegen ſeiner
Meriten ein Leib-Geding machen/ und an ſeiner Koͤniglichen Tafel ſpei-
ſen wolte/ er ſagte: Jch bin heut achtzig Jahr alt/ wie ſolt ich ken-
nen/ was gut oder boͤſe iſt/ oder ſchmecken/ was ich eſſe oder
trincke? Ach es mangelt mir an der Schmack-Krafft/ und Koſt-
Mund. 2. Sam. 19, 35. Alſo werden auch zu Unterſcheidung und Urtheil
der geiſtlichen Seelen-Speiß αἰοϑητήρια γεγυμνασμένα διὰ τὴν ἕξιν, ge-
uͤbte Sinne durch Gewonheit zum Unterſcheid des Guten und
des Boͤſen/ erfordert/ wie Paulus klaͤrlich bezeuget/ Hebr. 5, 14. und
1. Corinth. 2, 14. Der natuͤrliche Menſch vernim̃t nichts vom
Geiſt GOttes/ es iſt ihm eine Thorheit/ und kan es nicht er-
kennen/ der geiſtliche aber richtet alles/ φωτιοϑεὶς τὸν νου̃ν διὰ πνέυμα-
τος. Chryſoſt.nachdem ſein Hertz durch den Geiſt GOttes er-
leuchtet worden. Derſelbige geiſtliche Richter iſt nicht allein der alſo
im Pabſtthum genante geiſtliche Praͤlat/ Biſchoff/ Cardinal/ Pabſt/ als
welche mehrentheils voller Fleiſches/ fleiſchlicher Jgnorantz/ Frevel/
Stoltz/ ꝛc. Sondern ein jeglicher auß Gott gebohrner Menſch/ der
ſich in Leſung/ Betrachtung des Goͤttlichen Worts/ im Gebet Anfech-
tung wol geuͤbet/ wiewol nach Unterſcheid der Talent und Grad/ der ſoll
und kan urtheilen von Lehren/ und Lehrern/ von geſunden und gifftigen
Speiſen/ von den Geiſtern und Winden/ von Liechtern und Jrꝛwiſchen/
von larvirten Woͤlffen und Hirten/ und offt ſchaͤrffer als die Lehrer
ſelbs. Daher der Herr nicht vergebebens gedancket/ Matth. 11, 25.
Jch
[496]Die Sechſte
Jch preiſe dich Vater und HErꝛ Himmels und der Erden/
daß du ſolches den Weiſen und Klugen verborgen haſt/ und
haſt es den Unmuͤndigen geoffenbaret. Das iſt/ daß du durch ein
Eſelin den Bileam unterwieſen. Ein ſolche Sinn-geuͤbte Wehlerin
und geiſtliche Richterin iſt nun auch geweſen Maria/ die nicht mit unge-
waſchenem Maul die vorgeſetzte Speiß angefallen/ ſondern ſie hat mit
ſich gebracht geuͤbte Sinne auß der H. Schrifft. Damal hat man noch
von keinem Amadiß/ Schaͤffereyen und andern aͤrgerlichen Buͤchern ge-
wußt/ darauß die junge Toͤchter die Complimenten gelernt/ ſondern ſie
haben in den Synagogen Moſen und Propheten hoͤren/ nnd daheim zu
Hauß leſen und meditiren muͤſſen. Man hat den Kindern mit der
Mutter-Milch die heilige Schrifft eingegoſſen/ wie Timotheo begegnet/
2. Tim. 1. auff daß ſie hernach als die Jmmen den Honig auß dem Roſen-
Stock excerpiren kunten. Wie auff dieſe weiß Maria von Nazareth/
als eine ſolche edle Bien/ auß Moſe und Propheten ihr Magnificat zu-
ſammen geleſen/ welches billig den Nahmen eines Mellificii davon traͤgt.
Und eben ein ſolche war auch dieſe unſere Maria/ ſie hat in Gottes Wort
fleiſſig meditirt/ dazu die tentationes dapffer geholffen. Es waren damal
unterſchiedliche Meſſiaͤ auffkommen/ der Chiliaſtiſch-Juͤdiſche/ der Sad-
duceiſche Sau-Meſſias/ der Phariſeiſche Pracht-Meſſias/ und der He-
rodianiſche Heuchel-Meſſias: Deßgleichen hatten ſich unterſchiedliche
Religionen herfuͤr gethan und ſehen laſſen/ die alte Juͤdiſche/ ſo ſich in drey
Secten/ ja in vier abgetheilt/ der Phariſeer/ Sadduceer/ Eſſeer und He-
rodianer/ die alle ihren Anhang gehabt/ und ihre Speiſen wol gewuͤrtzet/
und in den Schulen auffgetragen. Uber die that ſich herfuͤr ein gantz neue
Religion/ die Nazareniſche Hæreſis, Act. 24, 5. da war Koſtens und
Schmeckens vonnoͤthen/ meditation und Gebet/ ſonderlich bey denen/
die nicht wie das thumme Vieh in den Tag gelebt/ ſondern ihnen ihr Heyl
und Seligkeit angelegen ſeyn lieſſen/ die auff den Troſt Jſraelis gewar-
tet/ und von Hertzen und mit Schmertzen geſeufftzet: Ach daß die Huͤlffe
auß Zion uͤber Jſrael kaͤme! Ach daß du den Himmel zerriſſeſt/ und her-
unter fuͤhreſt! Er kuͤſſe mich mit dem Kuß ſeines Mundes! Daher war
nun entſprungen bey Maria die ἕξις γευϛικὴ, daß ſie mit geuͤbten Sinnen
alle probieret/ eredentzet/ die abgeſchmackte verworffen/ und die kraͤfftigſte/
ſafftigſte/ beſte und lieblichſte Lehr-Tracht/ und Honig-ſuͤſſe Himmel-
Speiß des JEſu von Nazareh erkoſen und außerleſen.
II. Electio purificata, eine gereinigte Wahl von allen fleiſchlichen
Paſſionen und Gemuͤthts-Affecten/ eine uneingenom̃ene/ unpartheyiſche
Wahl
[497]Predigt.
Wahl. Es gibt die Erfahrung/ daß es wahr ſey/ was Ariſtoteles ge-
ſchrieben: Intus exiſtens prohibere alienum, wann der Mund oder die
Zung mit einem Geſchmack inficirt/ ſo laßt ſie keinen widrigen Geſchmack
recht koſten/ wann der Mund oder die Zung mit Gall uͤbergoſſen ſo kom̃t
ihr alle Speiß bitter vor/ eine volle Seele vertritt auch Honig-
ſeim/Prov. 27, 7. Chriſtus erklaͤrets mit einem Gleichnuß Matth. 9, 17.
Manfaßt nicht Moſt in alte Schlaͤuch/ anders die Schlaͤu-
che zerreiſſen/ und der Moſt wird verſchuͤttet. Ein alt ſtinckend
Faß kan ohne Schaden kein neuen Wein faſſen: Alſo war das Gemuͤth
der Juden zu Zeiten Chriſti mit vorgefaßten Opinionen und Phariſei-
ſchen Auffſaͤtzen alt und ſtinckend worden/ darum kunt auch die neue
Lehr/ die uͤbernatuͤrliche Geheimnuſſe des Evangelii nicht penetriren/ ſi
vas impurum, quicquid infundis acetum. Waͤre nun das Hertz Ma-
riaͤ auch alſo mit dem alten Saurteig behafftet geweſen/ ſo wuͤrde ſie Chri-
ſti Lehr nicht erwehlet haben/ ſondern auff ihren alten Heffen liegen
geblieben ſeyn. Aber ô nein! ſie bedienet ſich der reflexion und ed-
len Krafft ihrer Seelen/ und wie Salomo redet/ circumit cor ſuum,
Eccleſ. 7, 26. Sie kehret ihr Hertz um/ zu ſuchen Weißheit und Kunſt. q. d.
Ey bin ich auch recht dran? Vielleicht iſt die Phariſaͤiſche Religion recht/
vielleicht iſt die Nazareniſche gut? ſie abſtrahirts und ziehets ab von allen
vorgefaßten Meynungen/ legt alle fleiſchliche Affecten und Paſſionen
von ſich/ und koſtet mit reinem Mund.
III. Electio dialectica, eine dialectiſche/ das iſt/ ſolche Wahl/ da ſie
die Lehren und Glaubens-Articul der unterſchiedenen Religionen geko-
ſtet/ angebiſſen/ gegen einander verglichen/ auff die Wag gelegt/ und eine
der andern vor gezogen. Dann das geſchicht bey einem Gaſt-Mahl/ die
Credentzer und Schencken ſeind darzu geordnet/ daß ſie eine Speiß gegen
der andern halten ſollen. So machte es Daniel und ſeine Geſellen/ ſie
halten die Koͤnigliche Tractamenten/ und dero Art und Krafft gegen den
Zugemuͤſſen. Solche Wehlerin war auch Maria/ ſie ſpielet in ihrem
Hertzen und Gemuͤth/ ſie diſputirt mit ihr ſelbs/ ſie conferirt die Lehren
und deroſelben Gruͤnde mit einander; und zwar die Sadduceiſche Sau-
Religion/ aber ſie ſiehet/ daß es ein Religion ohne Troſt und ohne Hoff-
nung; die Phariſaͤiſche Auffſaͤtze/ und eingebildete Selbs-Gerechtigkeit/
traut ihr aber nicht wider den grimmigen Zorn GOttes mit derſelben zu
beſtehen; die Herodianiſche Hoff-Religion/ welche aber nichts anders/
als außwendig Heucheley und Syncretiſterey/ inwendig Epicureiſmus
und Atheiſmus.
Neunter Theil. R r rHabue-
[498]Die Sechſte
‘Habuerunt (ita Chemnit. Harm. cap. 83. p. m. 1575.) Herodiani aulicam quan-
dam Theologiam, quam tempori accommodabant, ſicque \& Phariſæis \&
Sadducæis ſeſe probabant. Herodes enim cum Phariſæis externam Judaiſmi
profeſſionem retinebat: intus verò \& in cute cum Sadducæis omnem Reli-
gionem ridebat; \& tantùm mundanam potentiam, opes \& dignitates quære-
bat. Quales hodie etiam multi inveniuntur, qui ſingularem quandam \&
politicam dexteritatem vel induſtriam eſſe arbitrantur; ſi latam illam \& la-
tè vagantem religionem colant, qua externâ \& blandâ converſatione ſeſe
omnibus probare ſtudent, interim ſinceriorem animi pietatem rident, atque
fidem in Chriſtum omnes ſpernunt, præſtabilius eſſe exiſtimantes, ut ita vi-
tæ ſuæ rationes inſtituant, quo hujus mundi bonis frui ipſis liceat, quàm ut
de futuræ vitæ felicitate, de qua dubitant, cum quoquam litigent.’ ()
Sie halt gegen einander den Phariſeiſchen Gluͤck-Meſſiam/ der wider
die Roͤmer rebelliren ſolte/ den Sadduceiſchen Sau-Meſſiam/ deſſen
man in jener Welt nicht/ und allein die denſelben hier erleben/ wuͤrden
zu genieſſen haben. Dieſe alle conferirt ſie mit der Perſon/ Lehr/ Ampt/
und Gutthaten deß neu-erſtandenen Propheten zu Nazareth/ vergleicht
dieſe und jene Lehren mit der Schrifft/ wie die edle Berrhoenſer gethan/
ob ſichs alſo verhielte/ εἰ ταῦτα σύμφωνα ται̃ς γραφαῖς, ob die Trachten
nach der Regul des himmliſchen Archiatri zugerichtet? macht in ihrem
Hertzen folgenden/ buͤndigen/ kraͤfftigen/ unauffloͤßlichen Syllogiſmum.
Welche Perſon alle die notas Meſſianas erfuͤllet/ dero Lehr iſt als Goͤtt-
lich und Himmliſch anzunehmen und zu erwehlen. Der Jeſus von Na-
zareth iſt eine ſolche Perſon/ ꝛc. E. die Major erhellet auß Gottes Wort
der H. Schrifft/ die Minor auß der gegenwertigen experientz. Darauff
ſchließt ſie: E. iſt dieſe ſeine Tracht die einig-noͤthige/ warhaffte beſte
Tracht/ worauff dann folgen muͤſſen
IV. Electio anathematica, dann ſo geſchichts/ wann der Credentzer
den Wein und die Speiß gekieſet/ und nicht juſt/ ſondern gifftig/ ſchaͤdlich
und toͤdlich befunden/ ſo ſpeyt er auß: Alſo gehoͤret auff die Erkanntnuß
der falſchen Lehr das anathema, das Pfui dich/ der Fluch. Auguſt.
tract. 6. in Johann. erklaͤrets durch das Gleichnuß Chriſti ſelbs/ der/ als
Er den vermyrꝛten Eſſig-Tranck gekoſtet/ nicht trincken wollen. Excipi-
te verba contradicentium, reſpuenda non tranſglutienda, \& viſceri-
bus danda. Facite inde, quod fecit Dominus, quando illi obtulerunt
amarum potum, guſta vit \& reſpuit, ſic \& vos audite \& abjicite.Hoͤ-
ret die Wort der Widerſacher/ die ihr verſpeyen/ und nicht in
den Leib hinab ſchlucken ſollet/ zwar an/ aber thut mit denſel-
ben/ was Chriſtus gethan/ dann da man Jhm einen herben
und
[499]Predigt.
und bittern Tranck gebracht/ hat Er ihn zwar verſucht/ aber
wieder außgeſpyen; Alſo auch ihr/ hoͤret und verwerffet ſie.
Alſo hat auch hie Maria procedirt. O Ade! Ade! Pfuy dich/ gute
Nacht Judenthum! Ade Sau-Meſſias! Ade Pracht-Meſſias! der Tod
iſt in euern Toͤpffen. Salve, im gegentheil/ JEſu von Nazareth/ biß
willkomm du edler Gaſt. Jch laſſe dich nicht. Mich und Dich ſoll nim-
mermehr nicht ſcheiden. Wie dann endlich darauff kommen
V. Electio apprehenſiva, dann ſo gehet es/ wann ein hungeriger
oder durſtiger lechzender Magen die Wahl getroffen/ und die rechte heil-
ſame Speiß und Tranck angetroffen/ ſo hungert und verlanget er mit al-
ler Macht/ er fallet drauff wie ein Adler auffs Aaß/ wie Eſau auff das
Linſen-Gericht/ wie die Kinder Jſrael auff die Wachtlen/ er ſauget
Safft und Krafft herauß/ und verliebet ſich in die Speiß ſo inniglich/ daß
er ſie in ſuccum \& ſanguinem convertirt/ es wird auß Lieb ein Leib/ hic
ſcopus electionis, das iſt der Wahl-Zweck. Das thut auch unſere liebe
Maria/ die wird zu einer hæretica, den verbannten/ verhaſſten/ und allbe-
reit zum Tod verurtheilten Kaͤtzer-Meiſter JEſum von Nazareth/ uͤber
den die Mord-Glock ſchon gegoſſen/ der von den Phariſeern nicht anders
wurde gehalten als ein πτῶμα, cadaver und Todten-Aaß/ den nim̃t ſie an
zu einem keuſchen Buhlen/ Seelen-Braͤutigam und Bruder/ in aller
keuſcheſter Liebes-Flamm. Wo der Schatz/ da war auch das Hertz. Jn
ihrem Gemuͤth/ Sinnen und Gedancken leuchtete es alles von JEſu/
und dem Glantz der Prophetiſchen Schrifften; Jhre Affecten brenneten
von lauter Goͤttlichen Liebes-Flammen/ alle Lebens-Quellen ſpringen
empor Jhm entgegen/ ſie ruͤſtet ihres Hertzens Hauß/ beſſer als Martha/
ſauber und rein auß/ daß dieſer werthe Gaſt bey ihr einkehre/ und Herberg
ſuche: Sie hat alle ihre Freud an Jhm/ ihre Augen und Hertz ergoͤtzet ſie
damit/ die edelſte Krafft der Seelen/ ihr Will ergibt ſich ihm gaͤntzlich/ ſie
eiffert uͤber Jhn/ ſie hoͤret Jhn gern reden/ ſie iſt willig zu lieben und zu lei-
den/ ihr Mund iſt voll Ruͤhmens. Omne quod loquitur ſponſa, te ſo-
nat, te redolet, Bernhard. Dann ſie ja nicht wie ein κωφὸν πρόσωπον, und
wie ein Oel-Goͤtz da geſeſſen/ ſondern des Hertzens Grund iſt gequollen
in den Mund. Daß heißt ἐξελέξατο. So weit fuͤhret uns die Figur von
der geiſtlichen Mahl-Wahl/ das iſt das edle Senff-Korn/ das ſo hoch
gewachſen. Jſt alles kein rhethoriſche exaggeration und politiſche
fiction, ſondern alles noch zu wenig/ Chriſtus ſtellet uns ein Ideam fuͤr/
die muß nun perfect ſeyn/ wiewol nicht im hoͤchſten Grad/ doch in ſub-
ſtantiæ ſinceritate, und warhafften Lauterkeit.
R r r ijJſt
[500]Die Sechſte
Jſt nun Maria von Bethania die außbund ſchoͤne machina, ein herꝛ-
lich Gemaͤch des H. Geiſtes/ zur Idea, Exemplar/ Muſter und Beyſpiel/
uns von Chriſto fuͤrgeſtellet/ ſo laßt uns auch von derſelben lernen 1. Ele-
ctionis diſciplinam, wie man die Lehren und Religionen/ conſequenter
auch Predigten und Schrifften/ von einander unterſcheiden ſoll/ und
zwar auß was Hertzen/ affecten und methodo? nemlich mit geuͤbten
Sinnen/ hinweg mit aller ungleichen/ blinden und unverſtaͤndigen Cen-
ſur, ne ſutor ultrà crepidam, ne ſus Minervam, ne ovum gallinam, ne
aſinus ad lyram. Wie offtmal ſich Predigten muͤſſen hecheln laſſen von
denen/ die es nicht verſtehen/ und nicht wiſſen/ auß was Geiſt/ Eiffer und
reflexion ein und ander locus tractirt worden. Sondern mit geuͤbten
Sinnen/ ſage ich/ und ſo iſt alsdann das officium electorale und diſcre-
tion allgemein. Anders als der Papiſt ſagt: das Schaaf ſoll von dem
Hirten nicht urtheilen/ welches zwar war de ove bruta, von einem thum-
men/ unverſtaͤndigen Schaaf/ nicht aber von einem auß GOttes Wort
erleuchteten/ gehorſamen/ Chriſt-vernuͤnfftigen Zuhoͤrer. Die beſten
Kieſer aber ſind die angefochtene und verzagte Hertzen. Was dem Pro-
pheten Ezechiel in einem Prophetiſchen Geſicht begegnet/ daß er auff
Goͤttlichen Befehl einen zuſammen gelegten Brieff eſſen mußte/ der ihm
in ſeinem Mund wie Honig ward/ Ezech. 3, 1. Das muß ein rechter
Chriſt auff gewiſſe weiß auch thun/ er muß die Schrifft gleichſam eſſen
und verdauen/ ſo wird es ihm zu lauter Honig werden. Es muß die
Wahl purificirt ſeyn von aller præſumption und falſchen Einbildung.
Daher hangen die Papiſten und Calviniſten an ihren alten Schlaͤuchen/
Sitten und Gewonheiten/ das neue Evangelium kan nicht penetriren.
Auch ſollen wir uns ſelbs nicht zu wol trauen/ es koͤnnen tentationes
kommen/ die unſern Glauben diſputirlich machen/ dazu gehoͤret nun eine
reflexion und iſt vonnoͤthen appetitus pædagogiæ \& aſphaliæ, die Be-
gierde der Unterweiſung/ Handleitung/ und feſten Gewißheit/ Luc. 1, 4.
der rohe Catechiſmus iſt nicht gnug. Es muß die Wahl ſeyn Electio
dialectica, niemand ſoll quid pro quo glauben/ wie jener Baur zu ſeinem
Fuͤrſten geſagt: Solt ich meinem Gnaͤdigen Herꝛn nicht ſo viel
zu gefallen thun/ und ſeine Religion annemmen/ die gaͤng und
geb iſt. Sondern man muß die edle Warheit erforſchen/ ſuchen/ er-
gruͤnden/ und wann man ſie gefunden/ ſoll folgen anathematizatio, und
Verſpeyung aller falſchen Lehr/ ein heilige Apoſtaſia und Abfall/ ſancta
hæreſis, 2. Tim. 2. ein ſehnlicher Adlers-Hunger nach der reinen Speiß/
daß wo der Schatz iſt/ auch das Hertz ſeye.
II. Electio-
[501]Predigt.
II. Electionis neceſſitatem. Es ſtehet nicht in unſerer freyen Chur/
ob wir wehlen wollen oder nicht. Hie ſtehet neceſſitas mandati, der klare
Befehl: Sehet euch fuͤr fuͤr den falſchen Propheten. Pruͤfet
die Geiſter. Mein Kind/ vermahnet Syrach c. 38, 5. pruͤfe/ was
deinem Leib geſund iſt/ und ſihe was ihm ungeſund iſt/ das gib
ihm nicht. Jm Alten Teſtament iſt der Unterſcheid gebotten unter rei-
nen und unreinen Thieren/ Lev. 11, 1. Das Ceremoniale judaicum iſt
laͤngſt verſchwunden/ aber das morale bleibt immer fort und fort Neceſ-
ſitas interdicti, das außtruckliche Verbott/ Werdet nicht der Men-
ſchen Knechte. 1. Cor. 7, 23. Es hat unſere Majores die liebe Libertaͤt
und Freyheit zu erkauffen/ Gut und Blut gekoſtet/ die laſſet uns nicht
wieder verlieren. Neceſſitas periculi, die augenſcheinliche Gefahr.
Was hat den Alcoran und Mahometiſmum außgebruͤtet/ als der Wahl-
Haß? da man des Katzen-Balgens muͤd worden/ und eine ſaturam
oder gemengte Religion auß der Chriſtlichen/ Juͤdiſchen und Mahometi-
ſchen gekocht/ und zuſammen gebuttert. Was hat den Anti-Chriſt ge-
ſtaͤrcket/ und ſo kraͤfftige Jrꝛthum eingefuͤhret/ und in blinde Gefangen-
ſchafft die Gewiſſen geſtuͤrtzt/ als eben auch dieſer Wahl-Haß? Was
gebieret die Calixtiniſche Simplicitaͤt anders als implicitam fidem, den
eingewickelten Kohlers-Glauben im Pabſtthum/ blinde Lieb/ Erbauung
ohne Gegenwehr?
III. Laßt uns aber auch von Maria anfriſten zur Nachfolg/ dann ſo
ein Weib/ ein einfaͤltiges Weibs-Bild/ ein ſchwacher Werckzeug/ die
Wahl-Kunſt und Chur ſo wol ihr laſſen angelegen ſeyn: wie viel mehr
wil ſolches gebuͤhren den Maͤnnern/ den ſophis, den Weiſen/ daß ſie
nach dem Exempel Moſis/ (der die Schmach Chriſti fuͤr groͤſſer
Reichthum geachtet/ als die Schaͤtze Egypti/Hebr. 11, 26.) die
him̃liſche Chriſtoſophiam fuͤr ihr ſummum bonum und hoͤchſtes Gut/
darnach ſie in dieſer Welt trachten ſollen/ halten. Wie viel mehr Chriſt-
lichen Obrigkeiten und Regenten/ als die auch Rechenſchafft geben muͤſ-
ſen von den Seelen ihrer Unterthanen/ daß ſie mit dem Hauptmann
Cornelio recht wehlen/ der hatte fuͤr ſich ſeinen Heydniſchen Glauben/
und deſſelben unterſchiedliche Secten/ in Syria erfuhr er die Juͤdiſche
Religion/ und deroſelben mancherley Gattungen/ ſo kam damal eben
auch die Chriſtliche Religion/ von dem entſtandenen Jeſu von Nazareth
auff die Bahn; Er haͤtte aber gern gewußt/ welches die einige/ rechte und
gewiſſe Lehre ſey/ durch welche unfehlbar ſelig zu werden. Darum betet
er immer zu Gott/ und laßt nicht nach/ biß ihm Gott einen Engel ge-
R r r iijſandt/
[502]Die Sechſte
ſandt/ der ihm einen rechten Wegweiſer/ nemlich Petrum zugewieſen.
Jnſonderheit und fuͤrnemlich Doctoribus Eccleſiæ, die thun ihrem
Ampt nicht gnug auff der Cantzel/ wann ſie allein bauen/ und nicht auch
zugleich das Schwerdt des Geiſtes fuͤhren/ und den Elenchum treiben/
darum ſie in ihrem Gewiſſen verbunden/ gruͤndlich/ ſine calumnia, auß
eigener deguſtation und Verſuchung/ als Credentzer und Schencken
die Jrꝛthum fuͤrzutragen und kraͤfftiglich denſelben zu widerſprechen/ daß
die Zuhoͤrer hernach ihrem Geſind/ das mit falſcher Religion angeſteckt/
zuſprechen/ und die Kinder dafuͤr warnen koͤnnen/ ſonderlich das Hertz/
als welches ein Wurtzel aller Ketzereyen/ fuͤr allen Verſuchungen und
Anfechtungen verwahren koͤnnen.
IV. Soll billig dieſe Maria ſchamroth machen/ nicht nur die negli-
gentes, die dieſe Wahl und Kieſung verſaumen/ verachten und in Wind
ſchlagen/ unterdeſſen alle niedliche Bißlein und Speiſen/ und was an ei-
ner jeden das beſte/ bald finden/ deßgleichen den guten Wein wol kieſen
koͤnnen/ auch ſolches ihren Jungen bey Zeiten inſtilliren/ und das Maul
verleckern/ aber die Seelen-Weid/ die Seelen-Speiß nicht achten. Son-
dern auch die contrà eligentes, die boͤſe ſchaͤdliche und verdam̃liche Fehl-
Griff thun/ und fuͤr Chriſtum Barrabam erwehlen. Wer erzittert nicht
ob dieſer Hiſtori/ wann er ſie lißt und hoͤret/ und geſchicht doch taͤglich/
wann der alte Adam das guldene Goͤtzen-Kalb Chriſto vorzeucht: und
zwar in allen Staͤnden/ jederman baut an dieſem guldenen Kalb/ das
heißt Mammon/ Gold- und Gelt-Goͤtz/ darum laufft und rennt man/ da-
rum werbt und wirbt man/ das iſt der ſcopus, dadurch man zu Ehren
ſucht zu kommen/ dat cenſus honores. Chriſtus muß dahinten ſtehen/
wo man zu groͤſſerer Ehre Chriſti etwas nur dencken wil/ ſo darff mans
nicht wagen noch ſagen: die alte Schlaͤuch nem̃en den neuen Moſt nicht
an/ man hat ſich der Repuls gewiß zu verſehen/ ſo bald es etwas koſten
moͤchte/ ſo halt mans mit Juda/ wozu ſoll dieſer Unrath? Nun es ſtehet
ein erſchroͤckliches Wort 1. Cor. 16, 22. So jemand den HErꝛn JE-
ſum nicht lieb hat/ der ſey Anathema/ Maharam Motha.
Jſt der alte Kirchen-Fluch/ wider die außgeſprochen/ die kein Lehren und
Wehren nicht annem̃en wollen/ da alles wolte deſperat ſeyn: der Herr
wird kommen und richten/ da wird das Lachen werden theur/ wann
alles wird vergehn im Feur/ und der Herr ſpott-weiß ſagen: Hi ſunt
Dii tui, diß ſeind euere Goͤtter/ heißt die euch nun helffen/ die ihr erwehlet
habt/ Jch kenne euch nicht. Jch beuge ſchließlich mit Paulo auß Eph.
3, 14. die Knie meines Hertzens gegen dem Vater unſers HErꝛn JEſu
Chriſti/
[503]Predigt.
Chriſti/ der der rechte Vater iſt/ uͤber alles/ was da Kinder heißt im Him-
mel und auff Erden/ daß Er euch Krafft gebe/ Chriſtum zu wohnen in
euern Hertzen/ und durch die Liebe eingewurtzelt und gegruͤndet werden.
Auch erkennen/ daß Chriſtum lieb haben viel beſſer ſey/ denn alles wiſ-
ſen/ Chriſtum/ den wahren/ nicht Chiliaſtiſchen/ Phantaſtiſchen/ fal-
ſchen Chriſtum/ lieb haben mit erleuchteter/ nicht blinder Lieb/ lieben
mit flammenden Affecten,beſſer ſeye den alles wiſſen/ alle Wiſſen-
ſchafften/ alle inventiones, in der Welt reich/ groß/ gluͤckſelig/ und geehrt
zu werden/ daß wir mit Moſe die Schand Chriſti hoͤher achten/ als alle
Schaͤtze Egypti/ und nachmalen von Hertzen beten und ſingen moͤgen:
‘
Begegnet mir in dieſer Zeit/
Der ſchmale Weg iſt Truͤbſal voll/
Den ich zum Himmel wandern ſoll.
Wo ſoll ich mich den wenden hin?
Zu dir HErꝛ JEſu ſteht mein Sinn/
Bey dir mein Hertz Troſt/ Huͤlff und Rath/
Allzeit gewiß gefunden hat.
Niemand jemals verlaſſen iſt/
Der ſich verlaſſen auff JEſum Chriſt.
Ob mir gleich Leib und Seel verſchmacht/
So weiſtu HErꝛ/ daß ichs nicht acht/
Wann ich dich hab/ ſo hab ich wol/
Was mich ewig erfreuen ſoll.
JEſu du edler Braͤutgam werth/
Mein einiger Troſt auff dieſer Erd:
An dir allein ich mich ergoͤtz/
Weit uͤber alle guͤldne Schaͤtz:
So offt ich nur gedenck an dich/
All mein Gemuͤth erfreuet ſich.
JEſu mein Troſt/ hoͤr mein Begier:
O mein Heyland waͤr ich bey dir!
AMEN.
Die
[504]Die Siebende
Die Siebende Predigt/
Von
Dem Urtheil und Gericht Chriſti/
uͤber die Wahl Mariaͤ.
GEliebte in Chriſto. Wo ihr in ein Hauß gehet/
ſo gruͤſſet daſſelbe/ ſpricht Chriſtus der Herr in der
Inſtruction, mit deren Er ſeine Juͤnger abgefertiget/ das
Evangelium vom Himmelreich zu predigen/ Matth. 10, 12.
Wo und So ſeind die beede bedenckliche termini und
Ziel/ nach denen ſie ſich zu richten. Wo/ ſagt er/ ihr in
in ein Hauß gehet/ verſtehe/ nicht Schwein- oder Hunds-Stall/ ſon-
dern ein Gruß-wuͤrdiges Hauß/ wann ihr in eine Stadt oder
Marckt gehet/ ſo erkundiget euch/ ob jemand darinnen/ der es
werth ſey. Der hungerig und durſtig/ der ſich fuͤr den unwertheſten
halt/ wie der Hauptmann zu Capernaum/ der ſich freuet mit Zacheo/
Chriſtum mit ſeinem Wort auffzunemmen/ und ſeinem Hauß Heyl zu
zuziehen/ der euch einladet wie die andaͤchtige Purpur-Kraͤmerin. Wo
ſie nun in ein ſolches gewuͤrdigtes Gaſt-Hauß kommen/ was ſollen ſie da
thun? ſollen ſie laͤhr daher kommen? oder unhoͤfflich und unbeſcheidenlich
mit der Thuͤr zur Stub hinein fallen/ wie Grobianer und Maul-Fran-
cken? Nein/ ſondern gruͤſſet daſſelbe/ bringet den Gruß zum Willkomm
mit/ wuͤnſchet ihnen alles Gutes/ bringet mit ein Hertzens-Gruß/ ein
Wunſch der auß dem Hertzen quillet in den Mund/ und alſo den Mund-
Gruß/ Schalom lecha, Friede ſey mit euch/ der Friede GOttes/ welcher
hoͤher iſt/ dann alle Vernunfft/ bewahre euere Hertzen und Sinne in
Chriſto Jeſu. Gott berathe euch mit allerhand geiſtlich- und leiblichem
Segen/ nicht aber allein den Mund-Gruß/ ſondern den Mund-Gruß be-
gleitet mit einem real-Gruß eines Apoſtoliſchen/ Gnadenreichen/ Troſt-
und Heyl-trieffenden Hauß-Weyh- und Gaſt-Dancks der H. Abſolu-
tion/ ſonderlich der Ubergab des H. Geiſtes und ſeiner Gaben.
Was nun Chriſtus der Herr ſeinen Juͤngern zugemuthet/ und Er
ernſtlich anbefohlen/ das hat er auch ſelbs zuvor manchmal exemplificirt/
und
[505]Predigt.
und ihnen auch in dieſem Stuck ein ὑπογραμμόν Muſter und Fuͤrſchrifft
hinterlaſſen/ wie zu andern Zeiten und Orten/ alſo auch in unſerer gegen-
waͤrtigen Hiſtori/ die ſich begeben zu Bethanien in dem Marckt/ da Er
hinauff gen Jeruſalem/ als ein Schaaf zur Schlacht-Banck gewallet/
und in dem Hauß der edlen und nahrhafften Martha/ der Schweſter La-
zari/ ſamt ſeinen Juͤngern eingekehrt/ als in einem Ort/ da Er auch je-
mand gefunden/ die ſeines Grußes werth war/ und nach demſelben ge-
hungert und gelechzet/ nemlich die außerwehlte Glaubens- und Tugend-
Cron/ Mariam. Das war das Wo? das So folget alſobald dar-
auff/ ſo gruͤſſet er daſſelbe auß dem Abgrund ſeines liebreichen/ flammen-
den/ inbruͤnſtigen Hertzens/ Er laßt ſeinen Hertzens-Gruß quillen in ein
holdſeliges Elogium und Lob-Spruch/ Eines iſt noth/ Maria hat
das gute Theil erwaͤhlet/ ſamt dem edelſten Præſent und Gab/ dem
H. Geiſt/ als dem oſculo Trinitatis, der vom Vater als dem Kuͤſſer/
vom Sohn/ dem Gekuͤßten/ als die angehauchte Liebe außgehet/ welcher
maſſen er auch auff das Oſter-Feſt ſeine Juͤnger mit dem Himmliſchen
Kuß dem H. Geiſt angehauchet/ den Glauben geſtaͤrcket/ und die Fruͤch-
te des Glaubens erwecket/ darauff der Real-Gruß und Gaſt-Danck ge-
folget/ nemlich das Judicium reale, der Außſchlag in der differentz der
zwo Schweſtern/ ſo auff ſeiten Mariaͤ war Judicium abſolutorium \&
paracleticum, ein Loͤß- und Troſt-Gericht/ auff ſeiten Marthaͤ aber Nu-
theticum \& Zelopoëticum, ein Anmahnung- und Eiffer-wuͤrckendes
Gericht/ alles auff Art und Weiß/ wie wir mit mehrerm vernehmen wer-
den. Wir haben die zwo ſtreitende Parteyen/ die zwo Schweſtern/ Mar-
tham die Geſchaͤfftige/ wie auch Mariam die Andaͤchtige/ eine nach der
andern beſehen und betrachtet: haben uns zu den Fuͤſſen des himmliſchen
Chryſoſtomi geſetzet: beſehen ſeine Chriſtoſophiam, als das unum ne-
ceſſarium, das einige Perlin/ auffgeſtellt in der himmliſchen Tafel/ die
damal Chriſtus bereitet: den niedlichſten und beſten Biſſen/ den Maria
erwehlet: auch dero kluge und geiſtliche Wahl zu Hertzen gezogen/ iſt
nichts mehr uͤbrig/ als zum Beſchluß der Gaſt-Danck/ und die Hauß-
Weyh/ der real-Gruß/ damit der Herr das Hauß geweyhet und ge-
ſegnet/ nemlich Judicium, das Gericht und Urtheil/ welches Chriſtus/
wiewol ſtill und geheim/ doch wuͤrcklich und warhafftig gefuͤhrt/ und den
zwo Schweſtern zum Nachdencken hinterlaſſen. Davon auch dißmal
fruchtbarlich zu reden/ wolle Gott der H. Geiſt ſeine Gnad und Segen
reichlich beſchehren. Amen.
Neunter Theil. S s sGeliebte
[506]Die Siebende
GEliebte in Chriſto. So iſt nun erſtlich das Gericht
und Urtheil/ welches Chriſtus uͤber die zwo Parteyen/ zweyer
lieben Schweſtern gefaͤllet/ Judicium abſolutorium, ein Loͤß-
Gericht auff ſeiten der Mariaͤ/ ſie wird von der Anklag abſolvirt. Dann
nachdem der Herr in dem Hauß Marthaͤ ankommen/ und Martha ſich
bemuͤhet/ Hauß-Ehr einzulegen; Maria aber zu den Fuͤſſen JEſu nider-
geſeſſen/ und den gantzen Laſt der Wuͤrthſchafft ihrer Schweſter auff dem
Hals liegen laſſen/ ſo ſiehet ſie es mit ſchelen Augen an/ ſie zuͤrnet und eif-
fert uͤber ihre Schweſter/ und legt eine foͤrmliche Klag ein/ HErꝛ/ ſagt
ſie/ fragſtu nichts darnach/ daß mich meine Schweſter laßt al-
lein dienen/ ſage ihr doch/ daß ſie es auch angreiffe. Billig verkla-
ge ich dieſe meine Schweſter/ die muͤſſige/ die faule/ ſie dienet dir nicht mit
Auffwarten/ wie ſie billig ſolte/ ſie legt die Hand nicht an den Herd und
Tiſch/ ſondern in den Gehren/ ſie handelt wider die Lieb/ laßt mich allein
dienen/ und begehet einen groſſen Unverſtand/ und das thut ſie lecurè, oh-
ne deinen Verweiß; Ja Herr/ die Warheit zu ſagen/ du connivirſt/ du
ſieheſt nicht einmal ſaur darzu/ du ſtaͤrckeſt ſie in ihrer Faulkeit/ du achteſt
es nicht/ du biſt deßwegen ohne einige Sorg. Maria die rea ſchweigt
gantz ſtill/ opffert die Klag auff ihrem Gott/ uͤberlaßt die Verantwortung
ihrem Advocaten Chriſto/ der ſpricht auch recht und ſchlecht/ er handelt
nicht allein als ein treuer Advocat/ Patron/ Anwald und Fuͤrſprech/ und
widerſpricht allen eingefuͤhrten Klagen: Nein/ es iſt nicht alſo/ Martha/
Martha/ du biſt uͤbel daran/ du uͤbereileſt dich/ Maria iſt nicht faul und
muͤſſig/ ſie thut das Werck Gottes/ das iſt Glauben/ Joh. 6. Sie iſt eine
kluge Wehlerin/ ſie dienet mir beſſer als du/ in dem ſie meinem Willen
Gehorſam leiſtet/ ſuchet zum erſten das Reich GOttes/ ſie laßt dich nicht
allein dienen/ ſondern ſie wuͤnſchet/ daß du mir dieneſt/ wie ſie/ ſie greiffet
das Werck an/ nemlich das unum neceſſarium, das gute Theil/ und con-
vertirts in ſuccum \& ſanguinem. Nicht allein aber/ ſag ich/ handelt Er/
als ein getreuer Advocat/ ſondern auch als ein weiſer/ gerechter/ und gar
guͤtiger Richter/ dann dieweil Martha Jhn den Herrn ſelbſt fuͤr par-
teyiſch angegeben/ als der da connivire/ und durch die Finger ſehe/ auch
daruͤber ihm gleichſam ein Verweiß gegeben/ es ſey keine Providentz bey
ihm/ Er achte keiner guten Werck nicht/ ſo bringt er die Sach fuͤr einen
andern/ und ihro der Martha ſelbs unverwerfflichen/ gantz unpaſſionir-
ten Richter/ ihr eigen Hertz und Gewiſſen/ wie Samuel gethan. 1. Sam. 12, 3.
Siehe/ hie bin ich/ antwortet wider mich fuͤr dem HErꝛn. Alſo
ſagt der Herr auch wuͤrcklich: Komme Martha/ laßt uns mit einander
rechten/
[507]Predigt.
rechten/ was haſtu fuͤr Fehler an mir? Jſts nicht alſo/ mein liebe Martha/
geben iſt ſeliger dann nehmen.Act. 20, 35. Wer gibt/ der hat die Ehr/
wer nim̃t/ der muß dancken/ das letſte/ nemlich das nehmen/ kan der ſelig-
ſte Gott nicht thun/ Er iſt viel zu edel und zu hoch dazu/ darum wird der
Menſch lieb und angenehm bey Gott/ nicht auß Wercken/ nicht auß me-
riten/ auff daß ſich nicht jemand ruͤhme. Gedenckeſtu nicht an Cain/
der vermeinte auch/ er wolle durch ſein Opffer-Werck durchtringen/ und
bey Gott ſich einkauffen/ ja da er wuͤrcklich geſehen/ daß das himmliſche
Opffer-Feur auff Abels Opffer gefallen/ ſo ſagt er/ nun iſt keine Provi-
dentz GOttes/ Gott richtet nicht recht. Gedenckeſtu nicht an Eſau/ der
ihm viel zu ſchaffen gemacht mit Rennen und Lauffen/ da doch Jacob den
Vaͤtterlichen Segen und das Recht der Erſt-Geburt davon getragen/ und
kein Fuß drum muͤd gemacht. Jſt dir ſchon entfallen/ was ich mehrmal
geprediget: Die Erſten werden die Letſten/ und die Letſten die Er-
ſten ſeyn. Nun aber du wilt geben/ und Ehr davon haben/ Maria wil
nehmen/ ſie erwehlet das beſte. Wie kanſtu dich denn uͤber ſie erzuͤrnen/ in
dem ſie erſt thut/ was Gott gefaͤllig/ ſie ſuchet GOttes Ehr/ du ſucheſt
deine eigene Ehr. Hat nicht Eva unrecht gethan/ daß ſie nach dem Todten-
Baum gegriffen/ und den Baum des Lebens auß der Acht gelaſſen? Ha-
ben nicht die Kinder Jſrael ſich verſuͤndiget/ daß ſie ab dem Manna ein
Eckel gewonnen? daher ſie auch nachmalen den Tod an den Wachtlen
gefreſſen: Haͤtteſt du gelebt vor der Suͤndflut/ wuͤrdeſt du nicht beſſer ge-
than haben/ wañ du mit den Ertz-Vaͤttern maͤſſig gelebt/ wuͤrdeſt du nicht
auch mit Daniel und ſeinen Geſellen lieber Zugemuͤß/ als die Koͤnigliche
Tractamenten erwehlet haben? Wie kanſtu dann deine liebe Schweſter
verdencken/ daß ſie die geiſtliche/ einig-nothwendige/ alleredelſte Seelen-
Speiß erwehlet/ und dir deine irdiſche/ vergaͤngliche/ leibliche Speiß/ den
Sadduceiſchen Saͤuen ihre Trebern/ den Phariſaͤiſchen Heuchlern ihre
Sodomiſche Aepffel gelaſſen. Jetzt mache die Concluſion ſelbs reflexo
judicio, du wirſt mit Warheit nicht anders koͤnnen/ als abſolviren. Ey
ſo abſolvire ich ſie auch/ in effectu, wiewol die Wort nicht exprimirt/
Maria ſey getroſt/ ſey loß von allen Anklagen. Wen die Warheit
frey macht/ der iſt recht frey.Joh. 8, 32. 36.
II. Judicium Paracleticum, ein Troſt-Gericht und Urtheil/ dann
wer kan ergruͤnden und außſprechen/ den innern Hertzens-Troſt/ die
Freud und Frieden/ der in dem Hertzen der lieben Mariaͤ nach ſolchem
Judicio entſtanden. Es war die liebe Maria ein angefochtenes Hertz/
dann allein Anfechtung des Hertzens lehret auffs Wort mercken.
S s s ijWann
[508]Die Siebende
Wann Angſt da iſt/ ſo ſuchet man dich Herr/ bitter Creutz macht JE-
ſum ſuͤß/ inwendig Forcht/ außwendig Streit: Sie fuͤhlete Anſtoͤß von
ihrer Schweſter/ die mit ihr geeiffert/ nun die war geſchweigt/ und in ih-
rem Gewiſſen uͤberwieſen; ſie ſahe die gegenwaͤrtige Gefahr/ von dem
geiſtlichen Synedrio, ſie war ein apoſtatica und hæretica, und alſo in
Leibs- und Lebens-Gefahr behafft/ dieweil albereit die Mord-Glock uͤber
ſie gegoſſen/ wie uͤber den gantzen Anhang Chriſti/ ſie war wuͤrcklich ex-
communicirt und im Kirchen-Bann/ Joh. 9, 22. Der blut-duͤrſtige Be-
fehl iſt erſchollen/ man ſoll Chriſtum den oberſten Kaͤtzermeiſter und
Meutmacher greiffen/ und gefaͤnglich lieffern/ Joh. 7, 32. Wo nun Troſt
wider dieſe Anfechtung und augenſcheinliche Gefahr? Maria hat einen
Schatz erwehlet/ der ſoll nimmer von ihr genommen werden/ darum ge-
dencket ſie/ nem̃en ſie den Leib/ Gut/ Ehr/ Kind und Weib/ laß fahren da-
hin/ das Reich/ der Schatz/ das beſte Theil koͤnnen ſie mir nicht rauben/
das Reich das Himmelreich muß mir doch bleiben. Das hoͤchſte Gut
macht rechten Muth/ dabey ich bleib/ wag Gut und Leib/ Gott helff mir
uͤberwinden/ wie ihre Creutz-Schweſter Maria in Ungarn geſungen. Sie
hatte Anfechtung von den fulminibus legis, den blitzenden Geſetz-Stra-
len. Deut. 27. Verflucht ſey jederman/ der nicht halt alles/ ſo in
dem Buch des Geſetzes geſchrieben ſtehet. Hie iſt der Meliz, der
Advocat/ der ſpricht ein Vor-Urtheil/ ein ſtarck præjudicium, dann wie
Chriſtus hie ſelber abſolvirt in regno gratiæ, dem Reich der Gnaden/ ſo
wird das Urtheil gelten in regno gloriæ, droben im Himmel. Und ſo ſei-
ner Juͤnger abſolution ſo ſtarck/ daß/ was von ihnen auff Erden geloͤſet
worden/ auch im Him̃el loß ſeyn ſolte/ wie vielmehr wird ſolche Staͤrcke
und Krafft haben abſolutio Dominica, wann der Herr ſelber die Abſo-
lution geſprochen/ und die Loͤſung angekuͤndet? Der Haupt- und Quell-
Troſt/ der ihr trauriges und Troſt-begieriges Hertz er quicket/ iſt die ἀσφά-
λεια Electionis, daß ſie eine ſey von den außerwehlten Chur-Kindern
GOttes/ denen alles zum beſten dienen muß/ eine Mit-Erbin Chriſti/ de-
ren Nam im Him̃el angeſchrieben. Der Schluß iſt Himmel-feſt: Wer
Chriſtum und ſeine Weißheit/ als das unum neceſſarium und beſten
Theil erwehlet/ der hat das groſſe Gluͤck/ das Erbtheil der Heiligen im
Liecht erlanget/ die Verheiſſung iſt Sonnen-klar/ Joh. 14, 21. Wer mich
liebet/ der wird von meinem Vater geliebet/E. erwehlt/ omnis di-
lectus electus, der Vater/ als ein Vater/ wird ihn in ſein Goͤttlich Teſta-
ment einſchreiben/ und in daſſelbe einverleiben/ und ich werde ihn auch
lieben/ als einen Mit-Bruder und Mit-Erben/ du biſt mein und ich bin
dein/
[509]Predigt.
dein/ und Joh. 16, 27. ſagt abermal Chriſtus/ der Vater ſelbs hat euch
lieb/ darum daß ihr mich liebet/ und glaubet/ daß ich von Gott
außgegangen bin. Die Engel des Liechts haben wol gewehlet/ unter
dem Guten und Boͤſen/ Gehorſam und Ungehorſam/ und daher erweh-
let/ und in der Cron der Beſtaͤndigkeit dermaſſen befeſtiget worden/ daß
ſie in Ewigkeit nicht mehr darauß fallen koͤnnen. David hat ſeinen Gott
außerwehlet/ der ſoll ſein Liecht und Heyl/ ſeine Burg und Felß ſeyn/ den
er hertzlich geliebet/ darum hat ihn auch Gott außerwehlt/ Pſ. 89/ 4. Jch
habe einen Bund gemacht mit meinem Außerwehlten/ ich habe
David meinem Knecht geſchworen. und ꝟ. 20. Jch habe einen
Helden erweckt/ der helffen ſoll/ ich habe erhoͤhet einen Außer-
wehlten auß dem Volck. Alſo auch/ weil Maria ihr zum einigen
und edelſten Schatz Chriſtum erwehlet/ ſo iſt ſie verſichert/ daß ſo lang ſie
in ſolcher Goͤttlichen Ordnung und Diaͤt werde verharren/ dieſer Schatz
nimmer von ihr ſolle genommen werden. Wuͤrcklich und warhafftig
kan auff ſie applicirt werden in dem Hohelied Salomonis/ die Wort der
Sulamithin: ſie ſpricht gleichſam Cant. 5, 10. Mein Freund iſt auß-
erkohren unter viel Tauſenden.ꝟ. 15. außerwehlt wie Cedern.
Darauff antwortet der himmliſche Braͤutigam durch ein Echo, Cant.
6, 7. 8. 9. Sechzig iſt der Koͤniginnen/ und achzig der Kebswei-
ber/ und der Jungfrauen iſt keine Zahl. Aber eine iſt meine
Taube/ meine Fromme/ eine iſt ihrer Mutter die Liebſte/ und
die Außerwehlte ihrer Mutter. Da ſie die Toͤchter ſahen/
preiſeten ſie dieſelbe ſelig/ die Koͤniginnen und Kebs-Weiber
lobeten ſie. Wer iſt die/ die herfuͤr bricht wie die Morgen-
roͤthe/ ſchoͤn wie der Mond/ außerwehlt wie die Sonne/
ſchroͤcklich wie die Heerſpitzen?
III. Judicium Zelopoëticum \& nutheticum, dann moͤchte jemand
ſagen/ was hat die gute Martha davon/ gehet ſie laͤhr auß? ſie wird auff
dieſe weiß mit ihrer haͤußlichen Arbeitſamkeit verdamt worden ſeyn. O
nein/ meine Liebſten/ es hatte dieſelbe wol groſſe Schwachheit und Bre-
ſten an ihr/ wie droben allbereit angezogen worden. Nicht loͤblich war an
ihr die πολυϖραγμοσυν́η, die ἀκαιρία und Intempeſtivitaͤt/ daß ſie ihre Ar-
beit zur Unzeit gethan/ nemlich/ da ſie GOttes Wort haͤtte hoͤren ſollen:
die μέριμνα, und fladernde uͤberentzige Bauch-Sorg: περισπασμὸς, die Zer-
ſtreuung der vielerley Gedancken/ und darauff erfolgende τυρ [...]ασία, tu-
multuatio, Ermuͤdung/ das herum-hin- und her-auff- und ab-lauffen/
daß ſie offt nicht gewußt/ wo ſie anfangen/ enden und wehren ſoll: Die
S s s iij [...]πίϛασις,
[510]Die Siebende
[...]πίϛασις, daß ſie ſtehend fuͤr den Herrn getretten/ nicht wie Maria in
devotion geſeſſen/ und uͤber das Selbige in ihrer devotion turbirt/ ſonder-
lich die αὐτάρκεια, daß ſie nach dem Wachsthum und Befeſtigung des
Glaubens nicht getrachtet; Aber darum verdam̃t und verſtoßt ſie der
Herr nicht/ maſſen bey ihr noch anzutreffen ein glimmendes Toͤchtlein/
das in ihrem Hertzen geſchimmert/ ein lebendiger/ fruchtbarer Glaub/ der
ſich herfuͤr gethan/ in διακονίᾳ πολλῇ, in ihrem geſchaͤfftigen Dienſt und
Auffwartung/ und daſſelbe zur Zeit/ da es gefaͤhrlich drein geſehen/
nur allein mangelte das Incrementum ihres Glaubens. Aber das iſts/
das der Herr gethan/ er hat einen Eiffer-Geiſt in ihrem Hertzen erwe-
cket/ an ſtatt des ſuͤndlichen Neid-Eiffers wider ihre Schweſter/ einen hei-
ligen/ Goͤttlichen Eiffer der Nachfolg. Gleichwie Jacob den Joſeph vor
allen andern als den Naſir und Außerwehlten geliebt/ und ihm einen
bunten Rock deßwegen machen und anziehen laſſen/ davon die uͤbrigen
Bruͤder kein Haß- und Neid-Feur/ ſondern ein Liebes-Feur anzuͤnden
ſolten. Alſo iſt auch eben dieſes GOttes alter Brauch je und allezeit ge-
weſen. Deut. 32, 21. ſagt der Herr:Sie haben mich gereitzt an dem
das nicht GOttes iſt/ mit ihrer Abgoͤtterey haben ſie mich er-
zuͤrnet/ und ich wil ſie wider reitzen an dem/ das nicht ein Volck
iſt/ an einem naͤrrichten Volck wil ich ſie erzuͤrnen. Paulus al-
legirt es Rom. 10, 19. Der erſte Moſes ſpricht: Jch wil euch eif-
fern machen uͤber dem/ das nicht mein Volck iſt/ und uͤber ei-
nem unverſtaͤndigen Volck wil ich euch erzuͤrnen. Und von ſol-
chem Eiffer ſagt er weiter Rom. 11, 13. 14. Weil ich der Heyden Apo-
ſtel bin/ wil ich mein Ampt preiſen. Ob ich moͤchte die/ ſo mein
Fleiſch ſind/ zu eiffern reitzen/ und ihrer etliche ſelig machen.
Æneas Sylvius gedencket einer Hiſtori/ ſo ſich zu Kayſers Caroli Magni
Zeiten zugetragen und begeben/ die ſich kuͤrtzlich alſo verhaͤlt: Jn Kaͤrn-
ten herꝛſchete ein Hertzog/ mit Namen Igno, der hatte nach Anleitung
Kayſer Carls den Chriſtlichen Glauben angenommen/ und das Land-
Volck auch beredet/ ſich dazu zu bekennen und tauffen zu laſſen; Aber die
Land-Herren/ der Adel und Ritterſchafft hiengen noch gar hart der alten
Heydniſchen Abgoͤtterey an/ und wolten keine Chriſten werden/ biß und ſo
lang ſie ihr Herꝛ/ Hertzog Igno mit einer fuͤrſichtigen/ ſehr weißen/ und zu-
gleich wunderbaren That zum Chriſtlichen Glauben braͤchte. Anno 790.
ließ er außſchreiben/ er wolte ein groß Panquet halten/ und lude darzu alle
ſeine Unterthanen/ Land-Herren/ Edle/ Ritter/ Burger und Bauren.
Wie nun auff beſtim̃ten Tag jederman ſich einſtellete/ der angebottenen/
freyen/
[511]Predigt.
freyen/ froͤlichen Mahlzeit zu genieſſen/ ordnete es Hertzog Igno alſo/ daß
zunechſt an ſeiner Tafel/ die zum Chriſtlichen Glauben bekehrte Burger
und Bauren rings herum ſitzen muͤſſen/ denen ließ er koͤſtliche Speiß und
Tranck in ſilbernen Schuͤſſeln und guldenen Credentzen fuͤrtragen/ ſo
wol als ihm ſelber: die Land-Herren/ Edelleuth und Ritterſchafft mußten
hinter und unter dem Land-Volck ſitzen/ und ward ihnen die Speiß und
Tranck in irdenen Schuͤſſeln und Kruͤgen auffgeſetzt. Das namen die
Land-Staͤnde und Ritterſchafft fuͤr eine groſſe Schmach auff/ fertigten
etliche ab/ dem Hertzogen uͤber der Tafel zu zuſprechen: warum er ſie ſo
ſchmaͤhlich und veraͤchtlich tractire? denen gab der Hertzog in Freund-
lichkeit dieſe Antwort: Er haͤtte das Panquet als ein Chriſtlicher Herꝛ
angerichtet/ nicht nach dem aͤuſſerlichen/ ſondern nach dem innerlichen
Anſehen/ aͤuſſerlich wuͤßte er wol/ daß ſie ihrer Ankunfft/ Stammens und
Ampts halben die gemeine Leut uͤbertreffen/ und ihnen vorzuziehen waͤ-
ren: aber weil ſie mit ihren Hertzen und Seelen noch an den Goͤtzen hien-
gen/ und mit Abgoͤtterey ſich verunreinigten/ waͤren ſie fuͤr Gott ſchwartz/
heßlich/ und von ſeinem Reich der ewigen Glori und Seligkeit weit abge-
ſondert/ und wo ſie ſich nicht bekehrten/ wuͤrden ſie von der Tafel Gottes
ewig geſchieden bleiben: Dieſe gemeine Leuthe aber/ ob ſie wol Adels/ aͤuſ-
ſerlichen Herkommens und Anſehens nach/ geringer und veraͤchtlicher
waͤren/ als ſie/ ſo waͤren ſie doch wegen der innerlichen Geſtalt ihnen weit
vorzuziehen/ dann durch das angenommene Wort GOttes/ durch die
Tauff und Glauben an Chriſtum/ haͤtten ſie gereinigte Hertzen/ ſchnee-
weiſſe Seelen/ waͤren nun Kinder GOttes/ und haͤtten die gewiſſe Hoff-
nung ewig bey Gott dem Herrn froͤlich und ſelig zu ſeyn und zu leben.
Es gehet im Reich Chriſti nicht anders her/ die erſten muͤſſen die letſten/
und die letſten die erſten ſeyn. Da ſie nun dieſe Antwort gehoͤret/ haben ſie
derſelben nachgedacht/ und durch Eingebung und Wuͤrckung des H. Gei-
ſtes/ auch Luſt zum Chriſtlichen Glauben bekommen/ und ſeind hernach
von beeden Biſchoffen zu Saltzburg Virgilio und Arnone gelehret/ be-
kehret und getaufft worden/ und geſagt: Ey! ſo wollen wir den Bauren
nichts nachgeben/ und dem Himmelreich Gewalt anlegen/ und zu uns
reiſſen. Alſo zielet Chriſtus gaͤntzlich ad ſcopum æmulationis, zum
Eiffer/ zum Schamroth. Er lobt die Mariam ſo hoch und wol/ daß
Martha anfangt zu eiffern und zu gedencken/ ſo wil ich dann meiner
Schweſter nichts nachgeben/ kan ſie zu den Fuͤſſen JEſu ſitzen/ ſo wil ichs
auch thun. Haͤtte ſie ſich geſteiffet/ Chriſti Wort uͤbel auffgenommen/ und
nicht leiden wollen/ wie Jeſabel und Herodias/ daß man ihr den Eyßen
geruͤhrt/
[512]Die Siebende
geruͤhrt/ und geſagt: Was gehet mich der Prophet von Nazareth an/ wil
er meine Gutthat nicht annehmen/ ſo mag er ſeinen Stab weiter ſetzen/
was bringt er fuͤr neue Subtilitaͤten und Novitaͤten fuͤr/ meynet er dann/
er wolle mich zu einer Doctorin und Rabbinin machen/ auff dieſe weiß
ergeiſtert er mich/ und fordert zu viel von mir/ und macht mich kleinmuͤ-
thig: Haͤtte ſie/ ſage ich/ ſolcher maſſen dem Herrn begegnet/ ſo waͤre
ſie warhafftig mit den thoͤrichten Jungfrauen/ die zwar auch Oel in den
Lampen gehabt/ aber nicht gnug/ ins ewige Darneben gerathen. Nein/
das thut ſie nicht/ ſondern ſo ſaumſelig ſie vor geweßt/ ſo eiferig und fleiſ-
ſig war ſie hernach/ alſo daß ſie ihres gewachſenen Glaubens ein herꝛlich
Specimen gethan/ zur Zeit ihres zu geſtandenen Hauß-Creutzes/ in ihrem
examine Catechetico, Joh. 11, 24. 27.
Gleichwie nun Chriſtus der Herr erſt-erzehlter maſſen ſein Wo
und So fuͤrtrefflich in acht genom̃en/ und das Hauß zu Bethanien mit
ſeinem Gruß-Segen beſeliget; alſo leuchtet er auch ſonderlich dem Pre-
dig-Ampt fuͤr: Er ſagt gleichſam: Was ich zu meinen Juͤngern ſage/ das
ſage ich allen/ ihr ſolt mein Mund ſeyn/ meine Wort nicht letz verſtehen/
und mißdeuten/ ſondern auch gleicher geſtalt judiciren/ und zwar 1. in fo-
ro externo, ihr werdet zu allen Zeiten fuͤr euch haben zwo Schweſtern/
aber zwo Stieff-Schweſtern/ die wahre und falſche Kirch/ Lehr und Reli-
gion/ ſonderlich die Babyloniſche Braut dort/ hie das Chriſt-ſchwangere/
mit der Soñen bekleidete Weib/ Apocal. 12. deren jene dieſe anklagt/ durch
den Mund Valeriani M. Ubi ſunt veſtra cilicia, flagella, jejunia? Laßt
ſehen/ wo ſeind euere ſelbs-erwehlte uͤbernommene Buſſen/ Faſten/ Geiß-
len? Erzehlet darauff eine groſſe Anzahl der groſſen Heiligen ſeines Or-
dens/ was fuͤr erbaͤrmliche Buſſen und opera ſupererogationis, ſie uͤber-
nom̃en/ mit Vermeldung/ wann Gott ſolche groſſe Marter und Pein
nicht anſehen wolte/ ſo muͤßte kein Providentz ſeyn. Da gehoͤret nun zu
Judicium illuminatum, conſcientiæ convictivum, ein erleuchtetes Ur-
theil/ dadurch das Gewiſſen uͤberzeuget wird. Das mercket ihr Studioſi
Theologiæ, lernet recht diſputiren/ elenchiſiren/ den ſtatum contro-
verſiæ ex hiſtoria certaminum wol formiren/ und verſtehen/ leſet Bel-
larminum und Calvinum ſelbs mit eigenen Augen/ damit ihr nicht ſeyd
ἄλογα ζῶα, unvernuͤnfftige Thiere/ Ep. Jud. ꝟ. 10. ſondern kraͤfftig und
buͤndig argumentiren/ und ad αύ τοκα τάκρισιν den Widerſprechern das
Maul ſtopffen koͤnnet/ verlaßt euch nicht auff miracula,Gott werde/
wie dorten im Concilio Niceno ſoll geſchehen ſeyn/ durch einen Jdioten
den Arianiſchen Philoſophum bekehren/ autoritate verbi, non claritate
veritatis. Sozom. l. 1. 18.
Lernet
[513]Predigt.
Lernet aber auch recht judiciren II. in foro conſcientiæ interno, in
dem innern Gewiſſens-Gericht. Dann ihr werdet allezeit fuͤr euch haben
dreyerley conſcientias, mit denen ihr zu thun haben werdet/ wollet ihr
conſcientioſè gehen. 1. Conſcientiam cauteriatam, ein brandmaliges
Gewiſſen/ das ſind die/ die in ihren Suͤnden ohne Buß immer hin gehen/
mit ihrem Ochſen-Kauff immer ſo viel zu thun finden/ daß ſie an Chriſti
Tafel nicht koͤnnen erſcheinen/ denen ab dieſer loſen Speiſe eckelt/ die ſich
mit ihrem rohen Catechiſchmo dem Wortlaut nach begnuͤgen/ und dabey
ihrer Seligkeit verſichern/ ja noch wol laͤſtern doͤrffen/ was ſie nicht ver-
ſtehen. Solche Atheiſtiſche Hertzen ſoll zwar das Miniſterium nicht per-
ſonaliter verdammen/ auch wann ſie ſchon todt ſeyn/ dann uns gebuͤhret
nicht Gott dem Herrn in ſeinem hoch-adelichen Richter-Ampt Ein-
griff zu thun/ ſondern wir ſollen warten biß der Herr kom̃t: weßwegen
St. Petrus ſo gar auch den Verraͤther Judam nicht verdam̃t/ ſondern
nur geſagt: Er ſey gegangen εἰς ἴδιον τόπον, in ſeinen Ort. Wohin/ weiß
Gott! Aber unterdeſſen koͤnnen und ſollen ſie dem Wort GOttes nicht
wehren/ welches alſo lautet: Wer nicht glaubet/ der wird verdam̃t
werden.Marc. 16, 16. Wer an den Sohn nicht glaubet/ der wird
das Leben nicht ſehen/ ſondern der Zorn GOttes bleibet uͤber
ihm. Solch Verdam̃nus iſt recht. Sie ſollen und koͤnnen auch nicht
das Symbolum Athanaſii außkratzen/ welches ich nicht vergebens noch
einmal wiederhole/ Wer da wil ſelig werden/ der muß fuͤr allen
Dingen den rechten Chriſtlichen Glauben haben/ wer denſel-
ben nicht gantz und rein haͤlt/ der wird ohne Zweiffel ewiglich
verlohren ſeyn. Es erfordert und wil haben den rechten Glauben.
Schwacher Glaub verdammet nicht/ aber falſcher Glaub/ den reinen
Glauben/ ohn Gifft-falſcher Lehre/ den gantzen Glauben/ alle articulos
ſolatifluos \& ſanctificos, darauß Troſt und heiliges Leben flieſſet/ auch
die harte Speiß nicht außgenommen/ anders als die Calviniſten/ die ihr
abſolutum decretum und bloſen Rathſchluß/ als ihr cor \& palladium,
wie dann auch die Lehre de communicatione Idiomatum, und Mitthei-
lung der Eigenſchafften/ zwar nicht auß den Buͤchern außkratzen/ aber
als eine harte Speiß von der Cantzel verweiſen/ anders als Chriſtus/ der
in der Schule zu Capernaum ſolche Lehre vorgetragen/ daruͤber ſeine
Juͤnger außgeruffen/ σκληρὸς λόγος, das iſt eine harte Rede/ wer
kan ſie hoͤren?Joh. 6, 60.
2. Conſcientiam Marthanicam, das ſind die/ die das Wort hoͤren/
Chriſtum beherbergen/ beym Beicht-Stuhl ſich einfinden/ das Hochwuͤr-
Neunter Theil. T t tdige
[514]Die Siebende
dige Sacrament des H. Abendmahls gebrauchen/ aber doch unterdeſſen
mit Faulwitz umgehen/ das unum neceſſarium verſaumen/ fuͤr dem
Wachsthum und aſphalia des Glaubens abhorriren/ nicht mehr ler-
nen/ als ſie gelernet/ dieſelbe ſoll man freylich nicht condemniren/ es laßt
ſich nicht ſagen/ der vierte Theil vom Acker/ von dieſem particular audi-
torio werde allein ſelig/ die uͤbrigen aber ſeyen verdam̃t/ maſſen ſolches
Chriſtus nicht geſagt/ ſondern Johannes (nicht der Evangeliſt/ auff deſ-
ſen Lehr wir erbauet/ ſondern) Chryſoſtomus, der war Lumen non
Numen, nicht αὐτὸς ἔφα, deſſen Wort eben kein Sacramenta Eccleſiæ,
er hat auch offtmal unzeitig geeiffert/ ſondern zelopoëticè und nutheticè
anfriſten: Jhr lieben Leut/ das iſt euch auch zu wiſſen noͤthig/ habt ihr es
biß daher nicht gewußt/ ſo wiſſet es jetzund/ habt ihr euch mit Martha viel
zu ſchaffen gemacht/ ſo thut dem HErꝛn Chriſto die Ehr an/ und ruhet in
ihm/ lernet recht/ gantz und rein glauben/ ἀκρὸν λά [...]ε, καὶ μέσον ἕξις, ihr
werdets doch zum hoͤchſten nicht bringen/ ſondern nur auff dem niderſten
Grad bleiben/ unterdeſſen ſtehet die perfection bey Chriſto/ der iſt uns
von Gott gemacht zur Weißheit/ 1. Corinth. 1.
III. Conſcientiam Marianam, da heißts/ abſolvite, troͤſtet/ troͤſtet
mein Volck/ troͤſtet ſie wider der Welt Haß/ mit der Liebe GOttes.
Omnis Deo dilectus mundo exoſus, Joh. 15, 19. Waͤret ihr von der
Welt/ ſo haͤtte die Welt das ihre lieb/ weil ihr aber nicht von
der Welt ſeyd/ ſondern ich habe euch von der Welt erwehlet/
darum haſſet euch die Welt. Troͤſtet Troſt-hungerige und Troſt-
wuͤrdige Hertzen wider des Geſetzes Fluch und Schrecken des Goͤttlichen
ſtrengen Gerichts/ mit dem Evangeliſchen Vorbeſcheid: Wer an den
Sohn glaubet/ der hat das ewige Leben/ und kom̃t nicht ins
Gericht/ ſondern er iſt vom Tod zum Leben hindurch gedrun-
gen.Joh. 3, 24. Wann Chriſtus euer Advocat und Fuͤrſprech fuͤr euch/
wer wil wider euch ſeyn? Rom. 8, 31. Der hoͤchſte Troſt iſt die aſphalia
und Gewißheit der Außerwehlung: Dann gleichwie Adam im Stand
der Unſchuld unfehlbar hat gewiß ſeyn koͤnnen ſeiner confirmation, das
iſt/ ſeiner himmliſchen Ehren-Cron/ daß er auß dem irdiſchen ins himm-
liſche Paradiß ſolte und wuͤrde ohne Noth und Tod verſetzt werden/ doch
ſo er des verbottenen Baums ſich muͤſſigen/ und des Lebens-Baums ge-
horſamlich genieſſen wuͤrde: Ja gleichwie ein frommes/ liebes gehorſa-
mes Kind zu ſeinem Vater/ das hertzliche/ kindliche/ unfehlbare Ver-
trauen haben kan/ es werde ihm mit der Zeit das Erb-Gut nicht fehlen/
doch ſo es in ſolchem Gehorſam ſtandhafftig verharren/ und der jenigen
Unfug
[515]Predigt.
Unfug und Laſter keines begehen wuͤrde/ um deß willen die Enterbung
in den Rechten erlaubt und zugelaſſen: Vielmehr hat ein glaubiges
Hertz ſich zu ſeinem him̃liſchen Vater/ dem Vater der Barmhertzigkeit/ der
Quellen aller Vaͤtterlichen Liebe und Treue gaͤntzlich zuverſehen/ es werde
ihm das Kind-Recht nicht fehlen/ das Himmelreich muͤſſe ihm werden/
ſo es nur durch beharꝛlichen unbußfertigen Unglauben/ ſich ſelbs ſeiner
Hoffnung nicht verluſtig machen/ ſondern vielmehr in wahrer Buß und
beſtaͤndigem Glauben biß an den letſten Seufftzer verharren werde.
Und dieſes war mein Scopus, Zweck und Ziel in dieſer Hiſtori/ nem-
lich die Chriſtoſophiam zu recommendiren/ alles zu dem End/ daß die
atheiſtiſche Hertzen durch Schroͤcken des Gewiſſens moͤchten gelocket
werden: Sind dieſelbe getroffen worden/ daß ſie daruͤber anfangen zu
bellen/ ſo dancke ich Gott/ der ſeinem Wort ſolche Krafft gegeben/ und
wuͤnſche/ daß ſie noch ferner betruͤbt und kleinmuͤtig werden. Von Pto-
lomæo dem Koͤnig in Egypten ſchreibet Valerius Max. l. 8. c. 9. daß er
Hegeſiæ dem Philoſopho Cyreniaco, der immer von des Menſchen
Elend diſſerirt und geſagt/ und die Leute zu weinen gemacht/ ja gar ihr
etliche in Verzweiffelung und Selbs-Mord geſtuͤrtzet/ ihm das Hand-
werck und Philoſophiren nidergelegt: Alſo moͤchten auch Welt-Kinder
gedencken/ ey was ſoll das ſeyn/ was iſt von noͤthen/ daß man die Leut
traurig mache/ und ihnen ein Angſter einjage/ es moͤchte ein ohne das
melancholiſcher Menſch durch dergleichen Predigten zur deſperation
und Verzweiffelung verleitet werden: Aber die Meynung hat es nicht/
ſondern daß die ſtein-harte und felſerne Gewiſſen reg werden/ und mit
den Zuhoͤrern Petri ſprechen moͤgen: Jhr Maͤnner/ lieben Bruͤ-
der/ was ſollen wir thun?Actor. 2, 37. und mit dem Kaͤrckermeiſter:
Liebe Herren/ was ſoll ich thun/ daß ich ſelig werde?Act. 16, 30.
Seind es aber Marthaner/ ſo werden ſie ſich durch dieſe Predigt nicht
ſchroͤcken laſſen/ ſo wenig als Martha/ denn ſie haben gehoͤrt/ daß ſie
Chriſtus nicht verdam̃t/ aber doch zum Eiffer gereitzt/ und dieſer Eif-
fer zum Wachsthum im Glauben iſt eben auch das/ was ich ſuche. Wer
dieſem Rath folget/ den wirds nicht reuen/ ſondern am Juͤngſten Tag
dafuͤr dancken. Nicht wiſſen iſt keine Suͤnd/ ſondern nicht wiſſen wol-
len. Seinds Marianer/ die gern und mit Andacht zu den Fuͤſſen Jeſu
ſitzen/ ſo haben ſie davon lauter Troſt: Jſrael hat dennoch Gott zum
Troſt/ wer nur reines Hertzens iſt: Troſt wider die Welt/ wider das zar-
te Gewiſſen/ wider die Anfechtung der Gnaden-Wahl/ Troſt in Truͤbſal/
daß weil ſie beruffen ad συμπάϑειαν, ſo ſeyen ſie auch beruffen ad συνδόζαν,
T t t ijnach
[516]Regiſter
nach dem was Paulus ſagt/ Rom, 8, 17. Sind wir denn Kinder/ ſo
ſind wir auch Erben/ nemlich GOttes Erben/ und Mit-Er-
ben Chriſti/ ſo wir anders mit leiden/ auff daß wir auch mit
zur Herꝛligkeit erhaben werden. Darum moͤgen ſie wol ihrem
Hertzen zuſprechen und ſingen:
‘
Hie Widerwaͤrtigkeit;
Wie ich auch wol verſchulde/
Kom̃t doch die Ewigkeit/
Jſt aller Freuden voll/
Dieſelb ohn einigs Ende
Dieweil ich Chriſtum kenne/
Mir wiederfahren ſoll.
AMEN.
Appendix A Erſtes Regiſter/
Begreiffend den Jnhalt aller Predigten/
ſo in dieſem Neunten Theil begriffen.
Appendix A.1 Eingangs-Predigten.
- DieI.Von desXXIII.Pſalms Urheber/ Materi und Jn-
halt/ Form und Geſtalt/ Zweck und Ziel.Pag.1. - DieII.Von dem HErꝛn als Davids Hirten.15.
- DieIII.Vom Hirten.28.
- DieIV.Von David/ als dem Schaaf.43.
- DieV.Vom Schaaf-Stall.58.
- DieVI.Von der Thuͤr des Schaaf-Stalls.71.
- DieVII.Von der Thuͤr des Hirten.85.
- DieIIX.Von dem Thuͤr-Huͤter.97.
- DieIX.Von der Weyd auff gruͤner Auen.112.
- DieX.Von friſchem Waſſer des H. Geiſtes.124.
Predigten
[[517]]der Predigten.
Appendix A.2 Predigten uͤber die Wort der Einſatzung
des H. Abendmahls.
- Die Erſte/ von dem Namen des H. Abendmahls.136.
- Die Andere/ von der Beſchreibung der heiligen Evangeliſten/ und de-
ro einhelligem Mund.147. - Die Dritte/ vom eigentlichen und buchſtaͤblichen Verſtand der Wort/
das iſt mein Leib.161. - Die Vierte/ von der Nacht/ da der HErꝛ JEſus verrathen ward/ als
der Zeit/ wann das H. Abendmahl iſt eingeſetzt worden.177. - Die Fuͤnffte/ von der Vorbereitungs-Handlung Chriſti zum heiligen
Abendmahl.190. - Die Sechſte/ von dem Wuͤrth und Gaſtgeber des H. Abendmahls/
Chriſto JEſu.205. - Die Siebende/ von dem Brod/ als dem einen ſichtbarn Element des
H. Abendmahls.220. - Die Achte Predigt/ von dem Leib JEſu Chriſti/ als dem einen unſicht-
baren weſentlichen Stuck des H. Abendmahls.232. - Die Neunte/ von dem Wein/ als von dem andern ſichtbaren Element
des H. Abendmahls.245. - Die Zehende/ von dem Blut Chriſti/ als dem andern weſentlichen und
unſichtbarn Stuck des H. Abendmahls.258. - Die Eilffte/ von dem Blut Chriſti/ als dem Blut des Neuen Teſta-
ments.273. - Die Zwoͤlffte/ von denen/ fuͤr welche Chriſtus ſein Blut vergoſſen.285.
- Die Dreyzehende/ von der Sacramentlichen Handlung Chriſti.295.
- Die Vierzehende/ von der warhafftigen weſentlichen Gegenwart des
Leibs und Bluts Chriſti im H. Abendmahl.319. - Die Fuͤnffzehende Predigt/ von dem Gebrauch des H. Abendmahls
unter beeden Geſtalten.337. - Die Sechszehende/ von dem Mund-Sacramentlichen Eſſen und
Trincken des Leibs und Bluts JEſu Chriſti.358. - Die Siebenzehende/ von Nieſſung der Unwuͤrdigen.378.
- Die Achtzehende/ von dem Zweck- und End-Urſach/ warum Chriſtus
das H. Abendmahl eingeſetzt/ nemlich der Vergebung der
Suͤnden.394.
T t t iijDie
[[518]]Regiſter
- Die Neunzehende/ von der Gedaͤchtnuß des Leydens und Todes JEſu
Chriſti.407. - Die Zwantzigſte/ von dem Hochzeitlichen Ehren-Kleid der wuͤrdigen
Vorbereitung.417. - Die Ein und Zwantzigſte/ von dem Lob-Spruch der ſuͤſſen Wunder-
thaten/ die Chriſtus im H. Abendmahl geſtifftet.427.
Appendix A.3 Anhangs-Predigten/ von Chriſti und
Marthaͤ Geſpraͤch/Luc. X.
- Die Erſte/ von Martha/ als der Verklaͤgerin/ ihrer Schweſter Ma-
riaͤ.439. - Die Andere/ von Maria der Schweſter Marthaͤ/ als der Beklagten.449.
- Die Dritte/ von der Predigt Chriſti/ deren Maria zugehoͤrt.462.
- Die Vierte/ von dem Einig Noͤthigen.472.
- Die Fuͤnffte/ von dem guten Theil/ den Maria erwehlt.483.
- Die Sechſte/ von der Chur und Wahl/ die Maria gethan.493.
- Die Siebende/ von dem Urtheil und Gericht Chriſti uͤber die Wahl
Mariaͤ.504.
Appendix B Das Ander Regiſter
Die denckwuͤrdigſten Sachen begreiffend.
- ABendmahl heißt [...]ει̃πνον κυριακὸν
139. Menſa Dominica ibid. Te-
ſtamentum ibid. Euchariſtia
180. Synaxis ibid. ἀγάπη ibid.
Sacrificium 141. Myſterium142. War-
um es ſo viel Namen 144. ſoll zuvor
recht erkant werden als genoſſen ibid.
Wird mit allen ſeinen Geheimnuſſen
im Papſtthum nicht voͤllig erklaͤrt 145.
iſt ein recht συο [...]ίτιον, euchariſticum
epulum150. das rechte Opfer-mahl
ibid. wird Joh. 6. nicht beſchrieben 151.
Jſt in der Nacht eingeſetzet 181. Jn
welchem Jahr ibid. Wann und wie
zu empfangen 186. iſt der rechte Zehr-
pfenning 189. hat Chriſtus mit gewiſ-
ſer Ordnung gehalten 193. Jſt von
Chriſto in ſeiner hoͤchſten Liebe geſtiff-
tet 211. Jſt Chriſti Schied-Jmbiß 212.
von Chriſto in einem Saal gehalten
213. Kan auch den Krancken zu Hauß
communicirt werden ibid. mit was
poſitur zu empfangen 215. Gibt nicht
nur Chriſti Leib/ ſondern offerirt auch
die Krafft ſeines Leibs 228. Jſt eine
troͤſtliche Speiß den Muͤhſeligen 244.
Eine
[[519]]der denckwuͤrdigſten Sachen.
Eine Wunder-Speiß 430. warum es
von den Vaͤttern ein Opffer genannt?
317. Ob es zu zweyen malen von Chri-
ſto eingeſetzt? 354. Frucht und Nutz iſt
Ablaß der Suͤnden 396. wird wider
die Papiſten erwieſen 402. wird zu
unterſchiedenen Sachen illicitè ange-
wendet 399. welchen es nicht ſoll gege-
ben werden 424 - Abendmahls admiranda 429. ſeqq.
- Abendmahls Einſatzungs-Wort. ſuche
Einſatzung. - Abendmahls-Gaͤſte pruͤfet Gott419.
ſollen dieſelbe Mahlzeit recht unter-
ſcheiden 420. ihre Unwuͤrdigkeit be-
trachten 421. Sollen ſich um das rech-
te Hochzeit-Kleid bewerben 423.
Wuͤrdige welche? 426. unwuͤrdige
welche? ibid. - Abendmahls herum tragen bey den Pa-
piſten ein Gauckelſpiel 221. Jſt mit
ſeinen Ceremonien vom Roͤm. Pabſt
erdichtet. - Abendmahls Nieſſung wuͤrcket eine geiſt-
liche Vereinigung 174. unter beeder
Geſtalt iſt in GOttes Wort fundirt
340. iſt uͤber tauſend Jahr im Brauch
geweſen 344 - Abendmahls unwuͤrdige Gaͤſte machen
ſich ſchuldig des Leibes Chriſti 242 - Ablaß der Sunden iſt Gott ruͤhmlich
397. iſt der guldene Himmel-Schluͤſſel
398. buͤrdet dem Menſchen keine Be-
ſchwerden auff. ibid. deſſen ſeind wir
verſichert 399 - Abſalon Davids Schaͤffer-Herꝛ 18
- Admiranda bey Einſetzung und in dem
H. Abendmahl 429
- Agapæ der Alten was ſie geweſen 141.
- Altar ſind ein Mittel-Ding in unſerer
Kirchen 215 - Americaner Wiſſenſchafft von Chriſto 318
- Amniſtia iſt die Quell aller burgerlichen
Wolfarth 398 - Antoninus wird von getrunckener Chri-
ſten-Milch geſchlacht 433 - Appetit menſchlichen Hertzens iſt uner-
ſaͤttlich 128 - Application des Todes Chriſti zur Se-
ligkeit allein nothwendig 294 - Arbeitſamkeit iſt ein ſchoͤner Weiber-
Ornat 480 - Ariſtoteles vom Schwanen-Geſang 427
- Aufidi in Piceno ſoll ein hoſtia zu Fleiſch
worden ſeyn 429 - Auffopfferung Jſaccs von Gregorio
Nyſſeno betrachtet 295 - Augſpurg. Confeſſion von den gefuͤrſte-
ten Biſtum̃en in Teutſchen Landen 40 - Auguſti Clementz gegen Cinna dem
Kayſer-Moͤrder 397 - Auguſtinus, was er von geiſtlichen Ge-
ſaͤngen gehalten/ 2. von dem 6. Cap.
Johannis 153 - Auſſatz/ iſt ein Suͤnden-Bild 258
- Außerwehlten zu gut hat Chriſtus nicht
allein ſein Blut vergoſſen 388 - Au da Chriſtus ſeine Schaaf weidet was?
114.
Appendix B.1 B.
- Bann-Formul der Heyden von ihren
Sacris143 - Baſel zu Sulceri Zeiten noch orthodox
335 - Baum des Todes im Paradis 483. des
Lebens 484. was ſeine Tugend geweſen
486
[[520]]Regiſter
486. 488. beede finden ſich in Chriſt-
licher Kirchen ibid. die ſollen wir kluͤg-
lich unterſcheiden 490 - Beicht der Papiſten ein Judas Beicht 132
- Bellarminus vom Gewalt des R. Pabſts
25. Vom Nutz des Abendmahls 402 - Bellarmini Behuͤlff die Traditiones zu
erweiſen 247 - Berengarius hat von den Worten der
Einſatzung einen groſſen Abſprung ge-
than 158. widerrufft ſeine Meynung 159 - Bergius wird refutirt 332
- Bernhardus von der Danckbarkeit die wir
Chriſto unſerm Herrn ſchuldig 27 - Beruff der Prediger wie er geſchehen ſoll.
105. ſeqq. geſchicht von Menſchen und
iſt doch Goͤttlich 108. geſchicht bey mei-
ſten Reformirten allein durch das
Presbyterium109. leidet heutiges
Tages groſſe Confuſion 119. ſeqq. - Beſold. der Mammeluck von der Luthe-
raner Religion 444 - Bettag zu Straßburg zu feyren 447
- Beza dichtet einen ſolœciſmum in den
Einſatzungs-Worten 276 - Bezæ Meynung von den ſichtbaren Ele-
menten im H. Abendmahl 250 - Bibel iſt in vorigen ſeculis durch Gloſſen
ſchaͤndlich vergifftet worden 121. ver-
gifft durch Calviniſche Gloſſen 122 - Bildnuß derer ſo man liebte pflegten die
Alten auff der Bruſt zu tragen 408 - Blut ſuch Chriſti Blut. der Menſchen
iſt unrein 266 - Blutfluͤſſige Weib richtet Chriſto eine
ſtatuam auff 415 - Blut-Goͤtzerey der Papiſten 264. ſeq.
- Brigitta ſoll Chriſti Blut gefunden ha-
ben 262 - Brod ſo ungeſaͤurt heiſſet die Schrifft
Brod des Elends 201. im Reich Got-
tes eſſen iſt die hoͤchſte Seligkeit 205.
im H. Abendmahl ein rechtes Schau-
Brod 221. ſeq. bleibt in ſeinem Weſen
Brod 223. wie es in unſern Kirchen
im Brauch wird probirt 225. dienet
nicht ad ſatietatem, ſed ſanctificatio-
nem ibid. mag geſaͤurt oder ungeſaͤurt
ſeyn 226. Jſt ein Mahlzeichen 227.
arrha 228. Organum exhibitionis ib.
Exemplum dehortationis 250. ad-
hortationis ibid. hat im H. Abend-
mahl Wunder-Krafft ibid. wird nicht
verwandelt 302. hat Chriſtus gebro-
chen 305. wie? 306. Wie es Chriſtus
den Juͤngern gegeben 310. wie in der
erſten Kirchen den Communicanten
gegeben worden? ibid. - Brod der Juden wie es geſtalt geweſen
305 - Brod brechen was es bey den Juden ge-
heiſſen 225. iſt heut zu Tag ein indiffe-
rens306. gehoͤrt nach Calviniſcher Lehr
zu dem Weſen des H. Abendmahls ib.
iſt kein Bildung des Leydens Chriſti
308. ſoll man den hungerigen 318 - Buceri Klag uͤber der Straßburgiſchen
Kirchen-Gebaͤu 65 - Buchſtaͤblicher Verſtand iſt ohne groſſe
Urſach nicht zu verlaſſen 165 - Bund zwiſchen Gott und Jſrael mit
Blut gemacht 278. ſeq. was er ſeye
278. Gottes mit uns/ iſt ein Teſtament-
licher Bund 279. den ſollen wir feſt
halten/
[[521]]der denckwuͤrdigſten Sachen.
halten 283. wird durch Suͤnde gebro-
chen 284. iſt conditionirt ibid. - Buͤndnuß der Heyden wurden mit Blut
verſigelt 273. der Teutſchen ibid. - Busbe quii relation was die Tuͤrcken von
dem Lebens-Ziel halten 98 - Buxtorff von der Juden Ruͤſt-Tag 198
Appendix B.2 C.
- CAlviniſten troͤſten ohn Nachtruck 132
laſſen ſich an die ſigna im Abend-
mahl nicht binden 251. Wollen den
Krancken zu Hauß nicht communici-
ren 213 - Canaan woher es das Milch-Land ge-
heiſſen 20 - Canon Miſſæ iſt in der erſten Kirchen
unbekant 316. deſſen Complement hat
Gregorius verfertiget ibid. Grego-
rianus und Ambroſianus ibid. - Canonicat der Lutheriſchen wie fern paſ-
ſirlich 40 - Carlſtads Schwarm vom H. Abend-
mahl 159 - Carolus V. betrachtet in ſeinem Cloſter
ſeine Thaten 412 - Caſaubonus vom Brod-Brechen der
Juden 307 - Cataphryges brauchten Menſchen-Blut
mit Meel gebachen zu Celebrirung
des Abendmahls 223 - Catilinæ Blut-Buͤndnuß 274
- Chariſtia ein Ort der Mahlzeiten bey
den Alten 147 - Chriſtoſophia iſt die hoͤchſte Weißheit
465. das einig noͤthige 474. iſt ein un-
theilbarer Schatz 476. iſt gleich einer
Kett 477. iſt wahl-wuͤrdig 478. wird
von unterſchiedlicher Art Leuten ver-
acht 479. iſt ein bonum ſanitatis486.
das gute Theil eines froͤlichen Lebens
487. ein Kunſt der Unſterblichkeit 489 - Chriſtus iſt des XXIII. Pſalms Kern
und Stern 8. Ein Hirt 9. hat unter
uns gewohnet 15. iſt nach ſeiner
menſchlichen Natur ein gemachter
Herꝛ 18. iſt ein Eigenthums-Herꝛ ib.
hat ſeine Schaaf theur erkaufft 19. ein
Siegs-Herꝛ und ſtarcker Hirt ibid.
der Uberwinder des hoͤlliſchen Loͤwens
20. Jſt ein reicher und reichmachender
Herribid. Fuͤllet ſeine Schaaf mit
allerhand Gnaden-Schaͤtzen 21. ein
allmaͤchtiger Herr22. ein eintziger
Hirt 23. hat ſeine Unter-Hirten ibid.
Jſt Paſtor Catholicus46. Jſt nicht
ohngefehr nach ſeiner Geburt in ein
Vieh-Stall geleget worden 58. iſt die
Thuͤr zum geiſtlichen Schaaf-Stall
75. Hat alle Qualitaͤten einer Thuͤr 78.
Jſt zu einem Ertz-Hirten geſalbet 88.
weydet ſeine Schaͤfflein auff gruͤner
Au 118. Jſt die fruͤh-gejagte Hindin
124. Traͤncket ſeine Schaaf 130. hat
viel figuͤrliche Reden gebraucht 164.
auch in ſeinen letſten Reden ibid. Ob
er in den Oſtern den Juden anticipirt
183. Warum er zur Hoͤllen gefahren
286. Jſt in Jſaac gebildet 297. Wie
und woher er nach ſeiner Aufferſteh-
ung geſehen worden 331. Jſt Wuͤrth
und Speiß zugleich im H. Abendmahl
429. der Stiffter des H. Abendmahls
U u u209.
[[522]]Regiſter
209. darum ein hoſpes Philanthro-
pus341. iſt der rechte Chryſoſtomus
und Gulden-Mund 464. wie und
was er gelehret zu Bethanien 467. ſeq. - Chriſti Blut hat edle Weins-Kraͤfften
254. iſt nectar immortalitatis250. ſo
im Abendmahl genoſſen/ iſt kein ver-
bluͤmtes Blut 261. ſo in ſeinem Leiden
auff die Erde gefallen/ ob im Abendmahl
noch gegenwaͤrtig 262. Ob deſſen reli-
quiæ noch befindlich ibid. Ob es ver-
faulet 263. deſſen Wuͤrde 265. iſt ein
heiliges Blut 266. ein Menſch-Goͤtt-
liches Blut 267. ein vergoſſen Blut
268. Opffer-Blut 269. voll heylſamer
Gutthaten ib. iſt fuͤr alle vergoſſen 289.
auch fuͤr die damalige Hoͤllenbraͤnd 295 - Chriſti Gegenwart im H. Abendmahl/
wie fern ſie zwiſchen uns und den Cal-
viniſten ſtreitig 321. wird auß dem
Buchſtaben der Einſatzung erwieſen
322. wie ſie geartet 325. auß Calvini-
ſchen Principiis beſchrieben 329. Jſt
keine palea332. hat reichen Nutzen 333. - Chriſti Gewalt wie groß? 22
- Handlungen und Geſchicht ſind nicht
plumbs-weiß geſchehen 58 - Hirten-Ampt iſt der Grund unſers
Vertrauens 26. Hirten-Eigen-
ſchafften 35. Stimme ſollen wir in
acht nemmen 38
- Handlungen und Geſchicht ſind nicht
- Chriſti Hoͤllen-Predigt 286
- Chriſti Leib im H. Abendmahl iſt nicht ins
gemein corpus antitypicum235. nicht
corpus myſticum ibid. nicht ſo fern er
in ſeinem natuͤrlichen Stand betrach-
tet wird 236. Jſt ſein perſoͤnlicher Leib
236. Ob er quantitativè gegenwaͤrtig
ibid. mit was Qualitaͤt 238. Wie er
fuͤr uns gegeben 239. Jſt ein Liebes-
Gnaden-Geſchenck 241. ſeqq. Ob er
noch heut zu Tag Blut habe? 262. Jſt
fuͤr alle dahin gegeben 289. Wird ohne
Abgang diſpenſirt 318. deſſen Eigen-
ſchafft hebt ſeine weſentliche Gegen-
wart im H. Abendmahl nicht auff 330 - Chriſti Marter-Bild durch Glauben im
Hertzen auffzurichten 271 - Chriſtum erkennen iſt das einige noͤthige
474. den muͤſſen wir geiſtlich eſſen ib.
Jſt ein Baum des Lebens 486. ſeq.
macht froͤliches Leben 487. bringt Un-
ſterblichkeit 489 - Chriſten gerathen offt in geiſtliche Ohn-
machten 128. Alte hatten vor der Em-
pfahung des heiligen Abendmahls ih-
re Buß-Ubungen 143. haben die Ge-
heimnuß Chriſtlicher Religion geheim
gehalten 144. haben den Sacramen-
ten unterſchiedene Namen gegeben ib.
ſeind geiſtliche Soldaten 340. wurden
von den Heyden der Menſchen-Freſſe-
rey bezuͤchtiget 358 - Chryſoſtomus de harmonia Verborum
S. Cœnæ157. wird gelobt 462 - Churfuͤrſt in Sachſen/ Johann Friderich
gehet zu Torgau in die Kinderlehr 460.
Machet zu Augſpurg die Papiſtiſche
Theologos ſchamroth ibid. - Clemens VI. laßt dem Frantzoͤſiſchen
Koͤnig die Empfahung des H. Abend-
mahls unter beeder Geſtalt zu 339 - Clodovæus ſoll bey Marthaͤ Grab geſund
ſeyn worden 443 - Combachius von dem Streit zwiſchen
den Lutheriſchen und Calviniſten von
der
[[523]]der denckwuͤrdigſten Sachen.
der Gegenwart Chriſti im H. Abend-
mahl 321 - Concil. Trident. von der Meß 321. Zu
Coſtnitz raubt den Kelch den Layen 346 - Concomitantia der Papiſten hat keinen
Grund 236. 350. dero Gruͤnde umge-
ſtoſſen 355 - Conon wird im Gefaͤngnuß von ſeiner
Tochter geſaͤuget 369 - Conſtantinus M. hat den Gewalt der
Obrigkeit und Prediger in der Kir-
chen artig ſequeſtrirt 24. nennet ſich
einen Biſchoff auſſer der Kirchen 107.
Bezeuget groſſe Affection im Predigt
hoͤren 137. 459. Ob er durch die Tauff
vom Auſſatz erlediget 260 - Coriolanus von der Roͤmiſchen Kirchen
Weitlaͤuffigkeit 66 - Corneri Verfaͤlſchung des Lieds: Es iſt
das Heyl uns kommen her/ ꝛc. 113 - Creutz vertreibet die Sicherheit 130
- Cuntz von Kauffen des Edeln Boͤß-
wichts That 86 - Currenten eilen durch die Poſtill zur Pro-
motion96 - Cyprianus vom Gebrauch des H. Abend-
mahls unter beeder Geſtalt 345
Appendix B.3 D.
- DAnckſagung Chriſti bey Einſetzung
des Abendmahls was? 298. war
kein actus vulgaris299 - Danckſagen wie wir Chriſto ſollen fuͤr die
Einſetzung des H. Abendmahls 434 - Daniels Wahl in den Speiſen iſt der
heutigen Welt nicht gelegen 485
- David ein ſinnreicher Poet/ und geiſtrei-
cher Muſicus4. hat in ſeinen Pſalmen
die Geheimnuß Chriſtlicher Lehr leicht
und liecht fuͤrgetragen ibid. Ein
Bauren-Knecht aber kein Bauren-
Bengel 5. Ein Philoſophiſcher Pfeif-
fer ibid. ſeine Poëſis iſt heutiges Ta-
ges gantz verborgen 10. Von Gomaro
vergeblich geſucht ibid. Jſt die He-
breiſche Nachtigal 12. Ein treuer Hirt
ſeines Volcks 34. hat allerhand ſchoͤne
Schaaf-Tugenden 51 - Davids Kinder zur Arbeit angezogen 17
Wie ſie Prieſter genennet worden 18 - Demoſthenis Maͤhr von des Eſels
Schatten 136 - Dietenbergers Bibel wird cenſirt 67
weiſet wie die Papiſten vor Zeiten die
Bibel vergifft 121 - Dionyſius weiſet Damocli ſein Wolleben
192 - Diſputiren verwerffen die Syncretiſten
480 - Durſt der Seelen wird auch durch Chri-
ſtum erweckt 129. wird von Chriſto ge-
ſtillt 130. der Welt nach Geld/ Wein ꝛc.
133
Appendix B.4 E.
- EBionitæ brauchten Waſſer in Cele-
brirung des Abendmahls 289 - Edelmanns am Saͤchſiſchen Hoff unver-
nuͤnfftig Judicium vom Vollſauffen 54 - Egyptier trugen bey ihren Mahlzeiten ei-
nen Todten-Kopff herum 212 - Ehr der Kinder gegen die Eltern wie ſie
beſchaffen ſeyn ſolle 28 - Einfaͤltigkeit in Glaubens-Sachen iſt
verbotten 54. welche erlaubt 145
U u u ijEin-
[[524]]Regiſter
- Einſatzung des H. Abendmahls iſt mit
gewiſſer Ordnung geſchehen 193. mit
gewiſſen Umſtaͤnden 196 - Einſatzungs-Wort des H. Abendmahls
haben figuͤrliche Reden/ und wo? 165
dero weſentliche Wort leiden keinen
Tropum ib. haben nach der Schwaͤr-
mer Lehr viel tropos168. werden lite-
raliter, orthodoxè erklaͤrt 171. dero
ſenſus literalis wird erwieſen/ ibid. \&
ſeqq. den ſoll man feſt halten 176.
haben keinen ſolœciſmum276. uͤber
Brod und Wein im Abendmahl ge-
ſprochen wuͤrcken nach Paͤbſtiſcher Lehr
dreyerley 300. werden von den Refor-
mirten metonymicè außgelegt 327 - Empfahung des H. Abendmahls ſoll mit
Forcht und Zittern geſchehen 193. wie
offt 187. ſeq. muß nicht nothwendig
nuͤchtern geſchehen 196. erfordert gute
præparation197. 417. und beſtehet
ſolche in Reinigung 200. Erinnerung
unſers Exilii Paradiſiaci200. De-
muth 201. Pruͤfung 202. ſoll mit de-
votion geſchehen 216. mit hertzlicher
Liebe des Naͤchſten 218. erfordert Gott-
ſelige Zubringung der vorher und
nachgehender Zeit 416 - Engel ob ſie warhafftig gegeſſen? 365
- Erinnerung der Suͤnden worzu ſie uns
dienen ſoll 406 - Erkanntnuß ſeiner ſelbs an den erſten El-
tern zu lernen 421. wird bey wuͤrdigen
Gaͤſten des H. Abendmahls erfordert
ibid. - Eſel wird nach Empfahung der hoſtien
von Frantzoſen lebendig begraben/ Re-
gen zu wegen zu bringen 401
- Eſſen bey dem H. Abendmahl iſt dreyer-
ley 196. Jſt/ wie es die H. Schrifft of-
fenbahret/ unterſchiedlich 432. heißt zu-
weilen/ lernen 475 - Geiſtliches Eſſen was es ſeye 361. iſt
Wuͤrdigen und Unwuͤrdigen gemein
362. iſt bey Nieſſung des H. Abend-
mahls nicht außgeſchloſſen. ibid. - Muͤndliches Eſſen/ ſuch muͤndliche Nieſ-
ſung. - Eſſen der Reformirten des Leibs Chriſti
im Abendmahl iſt inanducatio Icaria
374. iſt kein Sacramentliche Nieſſung
375 - Evaͤ Verfuͤhrung durch den Teuffel/ be-
ſchrieben 161. ſeq. iſt durch die Philo-
ſophie geſchehen 320 - Evangelium wird gruͤnem Graß vergli-
chen 114. ſeq. war vor Zeiten und noch
unterm Pabſt theur 122. iſt theur in
Calvini Schul ibid. Jſt das aͤlteſte
Teſtament 279 - Evangeliſche Pericopæ bedoͤrffen wol ei-
ne Muſterung 121
Appendix B.5 F.
- FAtum Evangeliſcher Chriſten iſt hy-
potheticum nicht abſolutum98 - Forſchen muß man in der Schrifft 12
- Francken liebten zu uralten Zeiten die
Muſicam und Geſaͤnge 3 - Friedenſchluß verbiet den Elenchum nicht
356 - Fuͤrſten Paͤbſtiſcher Religion haben ſich
deſſen/ ſo wider den Pabſt geſchrieben/
nichts anzunemmen 356 - Fußwaſchung Chriſti eine Juͤdiſche Cere-
moni 200. bedeutet unſer Reinigung
ibid. ſollen wir geiſtlich nachthun 217.
Gaſtreyen
[[525]]der denckwuͤrdigſten Sachen.
Appendix B.6 G.
- GAſtreyen ſind nicht mit ſinnloſen Ge-
bratens-Geigern zu zieren 14. der Al-
ten hatten viel Namen 147. waren
Syſſitia ibid. Chariſtia fœderalia \&c.
ib. wurden mit Geſpraͤchen gezieret 150 - Gedaͤchtnuß der Menſchen iſt ſchwach
407. der Goͤttlichen Gebott wie zuwe-
gen zu bringen ibid. im Abendmahl er-
fordert/ hebt Chriſti Gegenwart nicht
auff 409. Chriſti bey Empfahung des
H. Abendmahls ſoll ſeyn ein Buß-Ge-
daͤchtnuß 411. Ein glaubiges Troſt-
Gedaͤchtnuß 413. Ein Lob- und Danck-
Gedaͤchtnuß ibid. - Geiſt H. iſt der Thor-Huͤter des geiſtli-
chen Schaaf-Stalls 100. hat durch
die H. Maͤnner Gottes geredt 102. iſt
der gewiſſeſte Interpres der Schrifft
103. oͤffnet unſere Hertzen und Ohren
Gottes Wort zu hoͤren ibid. ſendet
Prediger 105. wird dem Waſſer ver-
glichen 125. warum er in Tauben-Ge-
ſtalt erſchienen? 394 - Geiſtliche im Pabſtthum ropffen ſich wie
Spitz-Buben um die geiſtliche Guͤter
444 - Genugſamkeit in Glaubens-Sachen iſt
unrecht 441 - Geſang/ vorher war alles verſchkoſſen/ ꝛc.
wie zu verſtehen? 287. Ein feſte Burg.
laͤugnet die weſentliche Gegenwart
Chriſti nach dem Fleiſch nicht 330 - Geſaͤng ſeind von den Heyden geliebt
worden 3. Geiſtliche hat Auguſtinus
geliebt 2. hat das Pabſtthum den Layen
entzogen 3. in Cloͤſtern nichts als bruͤl-
len ibid. als ein ſonderbare Gnaden-
Gab Gottes/ durch Lutherum in un-
ſern Kirchen eingefuͤhrt ibid. Geſaͤng/
ſo in unſern Kirchen uͤblich/ von wem
ſie gemacht ibid. - Gideons Traum Geheimnuß-reich 376
- Glaub iſt der Seelen-Schmuck 245. deſ-
ſen Fruͤchten ibid. Muß nicht noth-
wendig empfunden werden 256. ſoll
mit Wercken erwieſen werden 461 - Gluͤck ſuchet und wuͤnſchet alle Welt 71
- Gluͤck-Haͤfen ſeind in foro conſcientiæ
nicht zu billigen 72. ſeind abgoͤttiſch 82.
Ein Diebs-Sack ibid. - Gluͤcks-Wunſch/ iſt manchmal ſuͤndlich
72 - Gnoſtici brauchten abſcheuliche Materi
in Celebrirung des Abendmahls 223 - Gomarus hat in Unterſuchung der Da-
vid ſchen Poëſi delirirt 10 - Gott iſt den Menſchen gleich worden in
Chriſti Menſchwerdung 15. fuͤhret in
H. Schrifft viel Majeſtaͤtiſche/ herꝛli-
che und erſchroͤckliche Namen 16. hold-
ſelige liebliche Namen ibid. hat ſich
deutlich im Waſſer abgebildet 127. iſt
der rechte Pactolus voll guͤldenen Gna-
den-Schaͤtzen ibid. - Gottes Leutſeligkeit worin ſie erſchienen 15
Lieb gegen uns iſt in der Vaters-Liebe
gebildet 115- Namen Jehovah iſt voll groſſen Ver-
ſtandes 17. eines Hirten begreifft in
ſich ein Hauffen alles Guten 16
- Namen Jehovah iſt voll groſſen Ver-
- Gregorius Nyſſenus von der Auffopffe-
rung Jſaacs 295 - Griechen ſuchen Beweiß ihrer ungeſaͤur-
U u u iijten
[[526]]Regiſter
ten Brod in der Chronologi183. hal-
ten ſolche fuͤr noͤthig 226 - Grynæus Apoſtata95. hat die gantze
Pfaltz deformirt ibid. - Guͤlden Vellus der Heyden was es bedeu-
tet 117
Appendix B.7 H.
- HAndwercker haben boͤſe Gewonheiten
82 - Harlemiſche Belagerung 395
- Harmoni der Wort des Abendmahls 157
- Hebreer zierten ihre Convivia mit Mu-
ſicken 11 - Henricus IV. vermacht ſein Hertz den Je-
ſuiten 241 - Herꝛ des andern was eigentlich ſeye 18
- Herodianer hatten eine politiſche Reli-
gion 498 - Heyden hielten Zeit und Vorbereitungen
in acht/ bey denen die ſie ihre Sacra leh-
reten 142 - Heil-Brunn Chriſti durch Lutherum wie-
der auffgegraben 133 - Hirſch-Durſt nach friſchem Waſſer 124
- Hirt heiſſet Gott/ und wird darmit alle
ſein Guͤtigkeit verfaſſet 16. leiblicher
war zu Davids Zeiten kein nachguͤl-
tige Perſon 17. geiſtlicher in Curia
Romana ein Regent 30 - Hirten waren vor Zeiten reiche Leute 20.
maͤchtige Leut 22. Hirten ſind Lehrer
und Prediger Gleichnuß-weiß 23.
Geiſtliche haben einen erbettenen Ge-
walt ibid. heiſſen auch die weltliche
Obrigkeit 24 - Hirten-Stand der einfaͤltigſte und aͤl-
teſte/ aber vor Zeiten auch ein edeler
Stand 17
- Hochzeitlich Kleid 423
- Hoheprieſter ſeind zu Chriſti Zeiten von
Gottes Ordnung abgeſprungen 93 - Hoͤren Gottes Worts wie es ſolle geartet
ſeyn 461 - Hoͤrer des Worts Gottes ſollen Mariaͤ
nachfolgen 449. von Maria der Mut-
ter Gottes lernen 450 - Hoſtien ſoll zu Fleiſch worden ſein 429
- Huſſ warum er verbrandt worden 346
- Hyæna ein Thier von Wolffs-Art 56.
laͤßt ſich heut zu Tag in den Irenicis
hoͤren ibid. Calviniſche hat Baſel und
die gantze Pfaltz verfuͤhrt. 57
Appendix B.8 J.
- JAcob der Ertzvater iſt ein guter Phy-
ſiologus5. 43. hat ſolches von dem
Engel Gottes 44. hat in ſeinem Te-
ſtament ſine tropis geredet 167 - Jacobs Kunſt-Stuͤck mit ſeinen Staͤben
iſt heutiges Tages nicht nachzumachen
44. wird unfuͤglich in dem Catechiſ-
mus-Buͤchlein als ein Exempel des
Diebſtahls dem achten Gebott zugefuͤ-
get ibid. iſt ein Vorbild anff Chriſtum
ibid. \& ſeq. - Jacobus Rex Angliæ klaget uͤber die Pra-
xin ſeiner Religions-Verwandten Koͤ-
nige abzuſetzen 109 - Jehovah iſt Gottes Nam/ von wenig
Buchſtaben/ aber voll reichen Ver-
ſtands 17 - Ignatius vom Gebrauch des Abendmahls
unter beeder Geſtalt 345 - Igno Hertzog in Kaͤrndten wie er die Land-
Herren/ Adel und Ritterſchafft zu dem
Chriſtlichen Glauben gebracht 510. ſeq.
Jndia-
[[527]]der denckwuͤrdigſten Sachen.
- Jndianer Catechiſmus-Lehr 122
- Innocentii III. Conſtitution wann man
communiciren ſoll 186 - Inſtrumentum pacis Ferd. III. wurde
vom Roͤm. Pabſt angefeindet und fuͤr
null erklaͤrt 32 - Johannes warum er hiſtoriam Cœnæ
nicht auffnotirt 151 - Jrꝛthum/ auch ein einiger in der Grund-
Lehr cauſirt der Seelen Schiff-Bruch
477. ſolle man meiden 490 - Jſaacs Auffopfferung 295
- Judas hat von Chriſto mit dem Biſſen
keines wegs den Teuffel empfangen 47
wann er den Biſſen empfangen 291
Jſt des Roͤmiſchen Pabſts Typus337
war ein Dieb ibid. ſoll jeden zehenden
Pfenning geſtohlen haben ibid. - Juden haben in ihren Synagogen fuͤr-
nemlich den Pſalter getrieben 13 - Judicia der Leut von den Predigten 137
- Juckende Ohren heutiger Welt 137. \&
ſeq. - Julii Beſtaͤttigung ſeiner Buͤndnuß mit
Maximiliano400 - Juris Conſultus zu Straßburg ſtudirt in
hohem Alter Theologiam448 - Juſtinianus II. wird meineydig und von
Gott geſtrafft. 283
Appendix B.9 K.
- Kαισαροπαπία iſt heut zu Tag in Er-
wehlung der Prediger gemein 109 - Karge Filtz aͤrger als die Hund 445
- Kaͤtzer ſollen nach Paͤbſtiſcher Lehr mit
Feur und Schwerdt geſtrafft werden
31 - Kaͤtzereyen dienen ex accidenti der Kir-
chen Gottes. 487
- Kelch den Chriſtus gebraucht von Beda
beſchrieben 248. iſt nach Salmerons
Vorgeben zu Valentia ibid. bedeut
metonymicè den Wein ibid. ſoll ein
Quart Weins gehalten haben 340.
im H. Abendmahl iſt ein gemeines
Gut 350 - Kelch ſo die Kirch zu Tertulliani Zeiten
gebraucht/ waren mit Chriſti Hirten-
Bild gezieret 37 - Kelch-Raub wird im Papſtthum bemaͤn-
telt 339. Jm Conc. Trid. confirmirt
348. Jſt ein Kirchen-Raub 349. 356 - Kelchs reſtitution ward von Kayſer und
Koͤnigen geſuche 352 - Kinder der Koͤnige/ Fuͤrſten und Edlen
zu alten Zeiten als abgetheilte Herren
zur Arbeit angezogen 17. Davids be-
dienten in ihres Vaters Staat unter-
ſchiedene Aempter ibid. warum ſie
Prieſter in H. Schrifft heiſſen 18 - Kirch Chriſti hieniden auff Erden iſt in
Chriſti Geburts-Stall gebildet 59.
Ein Schaaf-Stall 60. ſeq. ein ſchoͤne
Au und Gottes Luſt-Garten 61. iſt ſi-
tuirt in Lycaonia der Welt 62. ein
Graß-Au 63. ein Ruhſtatt ibid. dero
wahre Geſtalt 65. iſt fuͤr der Welt un-
ſichtbar 65. iſt ein heiliger Stall ibid.
wird durch loͤbliche Potentaten be-
ſchuͤtzet 69. iſt nicht ſchlechter Dings
unfehlbar 79 - Evangeliſche iſt eine der drey Haupt-
Kirchen in Teutſchland 66. iſt ein ge-
ringer Hauffen ibid. - Reformirte hat Mangel an geſunder
Weyde 67. verfolgt die Evangeliſche
ibid.
Roͤmiſche
[[528]]Regiſter
- Roͤmiſche ein Lycaonia62. dero beſtaͤn-
digen ſplendorem hat Roma ſubter-
ranea verrathen 65. pranget mit ihrer
Weite 66. halt auch fuͤr ihre rechte
Glieder die Gottloſen 67. hat die leben-
dige Quell verlaſſen 132 - Kirchen-Gebaͤu ſolten reinlich gehalten
werden 65 - Kirchen-Gewalt wird von den Romani-
ſten angezogen zu Bemaͤntelung des
Kelch-Raubs 535 - Kirchen-Lehrer vom 6. Cap. Johann. 153
- Kuͤnſt und Wiſſenſchafften ſoll man in
rechter Ordnung zu Gottes wolgefaͤl-
ligem Zweck tractiren. 479
Appendix B.10 L.
- LAyen ſollen und koͤnnen ihnen das A-
bendmahl nicht ſelbs außſpenden 210 - Layen-Stand ob er an Martha gebildet
443 - Leben ohne Freud iſt aͤrger dann der Tod
487 - Leibfall ein Stuck Roͤmiſcher Schinderey
32. waren Mahlzeiten bey den alten
Begraͤbnuſſen 148. Chriſti wie zu be-
gehen 415 - Lerius von Adminiſtrirung des Abend-
mahls in der Neuen Welt 250 - Leutſeligkeit Gottes worin ſie erſchienen
15 - Liebe Gottes gegen uns iſt in der Vaters-
Lieb gebildet 115 - Lob. Geſangs Chriſti bey Einſetzung des
H. Abendmahls contenta429. Wel-
chen wir Chriſto fuͤr das H. Abend-
mahl ſchuldig 433 - Lob-Spruch des Lieds/ Es iſt das Heyl
uns ꝛc. 112
- Lobwaſſer laßt Chriſtum in ſeinen Geſaͤn-
gen auß 8 - Lohn empfahen macht keinen Miedling
40 - Lombardus einer der erſten Zaͤncker von
den Worten des Abendmahls 158.
hat die Transſubſtantiation zu erſt er-
dacht 804 - Lucaͤ Evangelium ziehet Paulus als ſein
eigenes an 156 - Ludovicus Pius lebet 40. Tag allein
durch taͤgliche Empfahung des Abend-
mahls 399 - Lutherus von den Hymnis Prudentii3.
von Wort-Blumen 10. von der Tuͤr-
cken Meynung/ was die Sterb-Stund
belanget 99. vom 6. Cap. Johan. 154.
vom geiſtlichen Fußwaſchen 217. von
Bekehrung irriger Lehrer 335. hat die
Pfaffen hinter die Buͤcher gejagt 458
der Obrigkeit das jus Epiſcopale wie-
derum zu wegen gebracht 26. Wird
von Leone X. mit Bann-Strahlen auß
der Roͤmiſchen Kirchen getrieben 27 - Lutheri Gewißheit vom rechten Verſtand
der Wort des Abendmals 170. Schrei-
ben an den Rath zu Straßburg 335 - Lutheraner werden von Calviniſten mit
ſchroͤcklichen Calumnien beleget 359
Appendix B.11 M.
- MAnna was es geweſen 232. Jſt ein
Brod geweſen von geiſtlicher Bil-
dung 472. war Brod him̃liſchen Ur-
ſprungs 233. von unbekandter Materi
ibid. weiß und durchſcheinend ibid.
obs allerhand Geſchmack gegeben? 234
hatte eine geiſtliche Bedeutung ibid.
Mantua
[[529]]der denckwuͤrdigſten Sachen.
- Mantua zeiget reliquias von Chriſti Blut
263 - Marci Evangelium von Petro canoni-
ſirt 156 - Maria zu Bethanien iſt eine Juͤngerin
Jeſu 453. andaͤchtig 454. demuͤtig
und gehorſam 454. ein gefliſſene Hoͤ-
rerin 455. ein Thaͤterin des Worts
450. ein kluge Chur-Frau 478. wußte
die Seelen-Speiß wol zu pruͤfen 496.
hat ihres liebthaͤtigen Glaubens ge-
noſſen 457. dero ſollen wir nachfolgen
ibid. iſt kein typus des Kloſter-Lebens
ibid. Papæa haſſet das Predigen 458.
warum ſie nicht kom̃en Chriſtum am
Oſtertag zu ſalben 466. War ein
Weib von guten Mitteln geweſen 438.
wes Stands ibid. - Maria Magdalena iſt nicht Maria die
groſſe Suͤnderin 449. wird wider Ba-
ronium vindicirt ibid. - Maria die Mutter Gottes hat Chriſtum
auch geiſtlich empfangen 369 - Marter-Bild Chriſti im Hertzen glaubig
auffzurichten 271 - Martha ein begnadetes Weib 439. war
geſchaͤfftig/ 440. Biſſig/ zaͤnckiſch/ 441
gehorſam 442. von heroiſchem Helden-
Glauben ibid. ein Himmels-Burge-
rin 443. dero ſoll Chriſtus erſchienen
ſeyn ibid. bey dero Grab ſolle Clodo-
veus geſund worden ſeyn ibid. kein
Bild des Layen-Stands ibid. Bild
glaubiger Chriſten 446. dero lipſana
ſollen Wunder gethan haben 448 - Martinus R. P. wickelt die Teutſchen wi-
der die Boͤhmen auff 347 - Mauritii des Juͤngern Land-Grafen in
Heſſen Judicium vom Verſtand der
Erklaͤrung der Einſatzungs-Wort 175 - Melanchton vom Verſtand der Wort
des Abendmahls 171 - Melchiſedechs Gaſtmahl iſt kein Fuͤrbild
des Meß-Opffers 317 - Menſa Solis221. 233
- Meß iſt Cor \& Palladium des Papſt-
thums 310. hat abentheurliche Ceremo-
nien ibid. dero unterſchiedliche actus
311. die dabey uͤbliche Auffopfferungs-
Wort ibid. dero End und Zweck ibid.
Jſt nach Paͤpſtlicher Lehr ein Verſoͤhn-
Opffer ibid. dero vermeinte Nutzbar-
keit 312. hat bey Papiſten herꝛliche Elo-
gia ibid. Jſt ein Greuel und Scheu-
ſal 313. wird erwieſen ſeqq. Jſt ein
Gauckel-Spiel 315. des Roͤmiſchen
Fiſchers Geld-Netz ibid. ein mono-
polium316 - Meß-Mißbraͤuch ſeind auch im Conci-
lio Trid. taxirt 338 - Meß-Opffer im Papſtthum worauff es
ſich gruͤnde 239 - Methodus concionandi iſt von Chriſto
zu lernen 469 - Metonymia in den Einſatzungs-Wor-
ten wird gern geſtanden 277 - Mizmor was es heiſſe 9
- Mohren-Koͤnigin gebieret eine weiſſe
Geburt 44 - Morgenlaͤndiſche Art Mahlzeit zu halten
211 - Moſcowiten leiden keine Predigten 470
- Muͤndliche Nieſſung wird von den Cal-
viniſten calumnirt 359. 370. iſt Bezæ
ein Sach/ deſſen ſich der Teuffel ſolte
ſchaͤmen ibid. Paræo ein Palæa ibid.
X x xWas
[[530]]Regiſter
Was anlangt den Leib mit dem Brod
iſt kein natuͤrliches Eſſen 360. nicht ein
bloß geiſtlich Eſſen 361. was ſie ſeye
363. iſt kein Eſſen des Leibes Chriſti am
Brod ibid. geſchicht im Abendmahl
mit dem Mund/ aber nicht auff muͤnd-
liche weiß 365. iſt in den Patribus fun-
dirt366. wird vindicirt wider die Ein-
wuͤrff der Calviniſten 372. iſt ein troͤſt-
liches Geheimnuß 368. 376 - Muſica ein Stuck eines guten lehrhafften
methodi2. dazu vom H. Geiſt ſelbſt
canoniſirt ibid. dero Urſprung in der
Kirchen 3
Appendix B.12 N.
- NAcht vor Außzug Jſraels in Egypten
beſchrieben 177. da Chriſtus das
Abendmahl eingeſetzt beſchrieben 183
der Truͤbſal iſt die rechte Zeit/ wann
das Abendmahl zu halten 187 - Nachtigallen wie ſie ihre Jungen ſingen
lehren 12 - Neuberger von Vollkommenheit des To-
des Chriſti 292
Appendix B.13 O.
- OBlaten ſeind warhafftigs Brod 224
waren vor dem Papſtthum ſchon im
Gebrauch 225 - Obrigkeiten heiſſen Hirten 24. 34. haben
das Jus Epiſcopale24. haben ihr Bi-
ſchoffs-Recht auß Mißhelligkeit im
Papſtthum verlohren ib. ſeind Maͤr-
tyrer 29. ſo nicht recht ihr Ampt ver-
walten/ ſeind Schergen ibid. Antheil
bey Vocation der Kirchen-Diener 107.
ſollen kein Pfarrer allein ſetzen ibid.
- Obrigkeitliche Stand iſt von GOtt ge-
adelt 29 - Ohnmachten des Glaubens 128
- Ordnung ſo Chriſtus im erſten Abend-
mahl gehalten 193 - Oſter-Lamm mußte vier Tag fuͤr Oſtern
abgeſondert werden 197 - Oſtern der Juden wie ſie gehalten wur-
den 194
Appendix B.14 P.
- PApſt zu Rom iſt Paſtor larvatus24.
Clemens VI. gebiet auch den Engeln
25. kan nach Bellarmini Meynung
auß Suͤnden Tugenden machen ibid.
hat alle characteres eines Tyrannen
26. de facto ein Koͤniglicher Monarch
30. ein Blut-Richter 31. ein Kriegs-
mann ib. hat das Biſchoffliche Recht
allein zu ſich gezogen 109. iſt ein groſſer
Kelch-Dieb 321. wird verglichen mit
Juda Jſcharioth 337. hat die Schaͤtze
der Welt an ſich gezogen 338. ver-
kaufft Chriſti Leib und Blut um Geld
ibid. - Papſts Gewalt von Bellarmino be-
ſchrieben 25. Tyrañey unermaͤßlich 26.
Wolffs-Stimm 85 - Papiſten wollen bloß mit ungeſaͤurtem
Brod das Abendmahl gehalten haben
226 - Papſtthum iſt nichts als ein verdam̃liche
Superſtition479 - Patriarchen vor der Suͤndflut/ warum
ſie ſo lang gelebt 495 - Paulus Speratus wird geruͤhmet 112
- Παρεδόϑη in den Einſatzungs-Worten wie
zu verſtehen? 184. ſeq. - Peruani ſeind Menſchen-Freſſer 371
Pepu-
[[531]]der denckwuͤrdigſten Sachen.
- Pepuziani brauchten Brod und Kaͤß zur
celebrirung des Abendmahls 223 - Philoſophie hem̃et den Lauff des Worts
GOttes 320 - Plinius von Nachtigallen 12. vom Wolff
42 - Poëſis des Davids und der Hebreer iſt
heutiges Tags gantz verborgen 14 - Prediger koͤnnen ſich rechtmaͤſſiger Vo-
cation getroͤſten 96. ſollen durch drey-
erley Stim̃en eligirt werden 105. ſeqq.
ſollen nach Chriſti Exempel ihre
Schaafe weyden 120. ſeq. ſo recht-
ſchaffene Hirten auch in Zion theur
122. ſeind geiſtliche Waſſer-Schoͤpffer
130. ſeind allein Chriſti Cooperarii in
Außſpendung des H. Abendmahls
210. ſoll man gern hoͤren 460. ſollen
den methodum concionandi von
Chriſto lernen 469 - Prediger ſeind Hirten 23. haben einen er-
bettenen Gewalt ibid. haben die Ideam
ihrer Pflicht an Chriſto dem Ertz-Hir-
ten zu ſehen 40. moͤgen wol Lohn nem-
men ibid. muͤſſen lieben und leyden 41.
Gehen nicht alle durch die rechte Thuͤr
in den Schaaf-Stall 95. ſeind Ora
Chriſti469 - Predigern hat der H. Geiſt den Titul der
Ehrwuͤrde ſelbſten gegeben 29 - Prediger-Ampt iſt Onus Angelicis hu-
meris tremendum29 - Predigampts Werben wie es muͤſſe ge-
ſchehen 95 - Predigten von Glaubens-Articuln ge-
hen den Leuten ſchlecht ein 138. hoͤren
ſaumet nicht 458 - Propheten woher ſie Treuffer genennet 14
- Propheceyungen ſeind Lucernen zu Chri-
ſto 465 - Prudentii hymni werden von Luthero
hoch æſtimirt 3 - Pruͤfung wie ſie geſchehen ſoll 202
- Pſalmen Davids vom H. Geiſt eingege-
ben 6. deß 23. Tichter/ Ticht-Zeit ibid.
von wem er rede 8. quâ formâ 10.
quo fine ibid. iſt bonum Eccleſiæ
commune11 - Pyrrhus wurde der Ehren-Glori nimmer
ſatt 128
Appendix B.15 R.
- REchenkunſt wuͤrdiger Communican-
ten 202 - Reich Gottes ſoll man fuͤr allen Dingen
ſuchen 458 - Reichen dieſer Welt traumet bald von
ſonderbarer Gewogenheit GOttes 53 - Robertus Straßburgiſcher Biſchoff hat
zu erſt im Muͤnſter daſelbs predigen
laſſen 42 - Roͤmiſchen Babylons Prieſter mangeln
Gottes Beruffs zu dem was ſie thun
94
Appendix B.16 S.
- SAal darin Chriſtus das Abendmahl
gehalten auß Nicephor. beſchrieben
213 - Sacramenta ſeind auſſer dem uſu keine
Sacramenta 173. Erfordern ein we-
ſentliches aͤuſſerliches Element 224
iſt ein ſacrum juramentum340 - Sacramentliche Vereinbarung im A-
bendmahl 172 - Salmeron von Chriſti Danckſagung bey
Einſetzung des Abendmahls 299
X x x ijSalo-
[[532]]Regiſter
- Salomons Urtheil zwiſchen zweyen
Weibern 437 - Saurteig der Suͤnden ſoll man außfe-
gen 198 - Schaaf lieben die Muſic 6. Chriſti ſind
alle Menſchen 47. doch allein ſeind
rechte Schaaf/ die τεταγμένοι 46 - Schaafs Natur und Eigenſchafft 50
- Schaͤffer waren im Alten Teſtament
reiche Leute 20 - Schau-Brod des Alten Teſtaments
Bedeutung 220 - Scherers Lugen vom Churfuͤrſt Johann
Friderich in Sachſen 459 - Schlaff wird vom Tod der Frommen
und Gottloſen gebraucht 382 - Schlaffen ſoll man nicht in der Kirchen
460 - Schmuck der Chriſten iſt der Glaub 245
- Schrifft iſt die Thuͤr/ durch welche Chri-
ſtus in den Schaaf-Stall eingegangen
88. Janua optima92. die ewige und
alleinige Thuͤr 93. iſt der Canal/ dar-
durch uns Chriſtus traͤncket 130 - Schuler der Hebreer ſaſſen bey der Lehrer
Fuͤſſen 454 - Schwanen-Geſang/ was davon zu hal-
ten 427. wird auff Chriſtum applicirt
428 - Selig werden erfordert agoniſmum und
ringen 84 - Senſus literalis der Einſatzungs-Wort/
ſuch Einſatzung. - Serapion empfangt mit in Wein ge-
dauchtem Brod das Abendmahl 344 - Serarii relation von einem alten Lothrin-
giſchen Bauren 494 - Sicilianiſche Veſper178
- Sigiſmundus wird von Ziſca geſchlagen
347. laßt den Boͤhmen beede Geſtalt
im Abendmahl zu ibid. - Solis menſa bey den Æthiopen 221. 233
- Solœciſmus iſt in den Einſatzungs-Wor-
ten nicht 276 - Sonntag wie nach Kayſerlichem Recht
zu feyren 446 - Spartaner werden durch Lycurgum
vom Geitz entwehnet 83 - Speiß ſo leiblich gegeſſen wird/ iſt darum
nicht ſo bald ein Bauch-Speiß 370.
wird nicht nothwendig zu nicht ge-
macht 372 - Speiß der Seelen erfordert einen geſun-
den Geſchmack 495. kan von allen
Wiedergebornen geurtheilet werden
495. muß ohne inficirten Mund ge-
pruͤfet werden 497. 501. ſo nicht gut/
ſoll man außſpeyen 498. geſunde ſoll
man mit Luſt genieſſen 499. ſeqq. - Stall darin Chriſtus gelegen ein Schaaf-
Stall 58. ein indicium der ſtreitenden
Kirchen 59 - Straßburg hat groſſe Tyrañey der Paͤpſt
und ihrer Biſchoͤffe erfahren 26. war
ihren Biſchoͤffen vor Zeiten eine gute
reiche/ aber wol außgeſogene Melck-
Kuh 32. iſt der Inficirung mit dem
Calviniſmo nahe geweſen 42 - Straßburgiſche Allmoſen-Ordnung 445
- Suͤnd iſt ein geiſtlicher Auſſatz 258. der
Jugend wann ſie auffkoppet/ wie ihr
zu begegnen 406 - Syncretiſten ſeind Hyænæ 56. ſeq. Glau-
ben zu wenig 480. ſuchen boͤſen Frie-
den zu ſtifften in den diſſidenten Reli-
gionen ibid.
Syſſitia
[[533]]der denckwuͤrdigſten Sachen.
- Syſſitia ein Art der Mahlzeiten bey den
Alten 147
Appendix B.17 T.
- TAcitus von der Teutſchen Liedern 3
Tauben ſind in Belagerungen zu
Brieff tragen gebraucht worden 395 - Tempel zu Jeruſalem war der Juden
Pfarꝛ-Kirch 13 - Teſtament Alt- und Neues ſeind weſent-
lich unterſchieden 280- Neues Fundament iſt Chriſti Blut 282
- iſt conditionirt 284
- Teſtaments-Wort ſollen und muͤſſen ge-
wiß ſeyn 166. heiſſen das letſte Gericht
167. Guͤter im Abendmahl gehen alle
an 290 - Teuffel iſt kein Herꝛ der Welt 22. bracht
liſtige Raͤnck in Verfuͤhrung Evaͤ 161.
braucht Verblendung zu Hinderli-
ſtung menſchlichen Hertzens 162. iſt
Gottes Aff 274. bringt allewegen die
alte Lugen auff die Bahn 359 - Teuffel werden im Papſtthum durch das
Sacramentdes Abendmahls beſchwo-
ren 401 - Teuffels Gewalt iſt gebunden 22. Macht
iſt kein Zeichen der Ohnmacht Chriſti
ibid. - Teutſche wie ſie ihre Buͤndnuß machten
273 - Thor-Wacht iſt eine heilſame Anſtalt in
einer Republic 97 - Thuͤr zum geiſtlichen Schaaf-Stall iſt
Chriſtus 79. dero Qualitaͤten 78- zum Himmel/ dichtet Bellarmin. auſſer
Chriſto 77. iſt eng 81 - des Jubel-Jahrs 77
- zum Himmel/ dichtet Bellarmin. auſſer
- Thyeſtes hat ſeinen eigenen Sohn ge-
freſſen 358 - Tiſch-Geſpraͤch wurden vor Zeiten durch
ſondere Notarios auff gezeichnet 150 - Transſubſtantiation im Papſtthum ge-
lehret 299. wordurch ſie geſchehe 300.
wird von Papiſten mit Gleichnuſſen
erklaͤrt 301. iſt im Papſtthum ein my-
ſterium ibid. iſt ein Gedicht 302. Ex-
crementum Antichriſtianum303.
von Innocentio III. beſtaͤttiget 304. iſt
des Anti-Chriſts Gauckeley ib. wird
mit falſchen Wunder-Wercken unter-
ſtuͤtzet ibid. gebieret abſcheuliche Con-
ſequentien 305 - Tropi der Schwaͤrmer/ ſo ſie in den Wor-
ten der Einſatzung geſuͤcht 168. koͤn-
nen in drey claſſes getheilt werden 169 - Trunck hat Chriſtus zur Letz herum gehen
laſſen/ nach Juͤdiſchem Gebrauch 195 - Tuͤrcken foͤrchten die Peſt nicht 98. glau-
ben ein fatum abſolutum ibid. - Του̃το bedeutet das gantze complexum ſa-
cramentale276. 323. beziehet ſich allein
auff die Actus Regios im H. Abend-
mahl 307
Appendix B.18 V.
- VEraͤnderung des Menſchen geſchicht
durchs Wort und Creutz 54 - Verdammen der widerwertigen Lehrer
wie es gemeynet 492 - Vereinigung iſt dreyerley 355
- Vereinigung des Brods und Leibs Chri-
ſti im Adendmahl wie ſie geartet oder
nicht 328 - Verſoͤhnung ſollen wir dem Neben-Men-
ſchen anbieten 188. wird zu wuͤrdiger
X x x iijNieſ-
[[534]]Regiſter
Nieſſung erfordert 203. ſoll vor dem
Abendmahl empfahen hergehen 416 - Verworffene ſeind auch Schaafe Chriſti
47 - Viel bedeut zu weilen alle 291
- Vnſchuld pflegte man vor Zeiten durch
das H. Abendmahl zu probiren 400 - Unterſcheid der Sacramentlichen und
geiſtlichen Nieſſung 152 - Unwiſſenheit in Glaubens-Sachen ſo ſie
muthwillig/ iſt verdam̃lich 146 - Unwuͤrdige machen ſich im Abendmahl
des Leibs Chriſti ſchuldig 242. begehen
ein Sacrilegium355. eſſen ex accidenti
Gifft und Tod 357. wer ſie ſeyen? 380.
ſie gehet nach Goͤttlicher Jntention der
Abendmahls-Schatz auch an 381. em-
pfangen auch den Leib Chriſti ib. wird
erwieſen auß der Schrifft ibid. wider
Calviniſche Einwuͤrff vindiciret ibid.
erwieſen durch Judaͤ Exempel 386.
auß der Analogia fidei387. auß den
P. P. vindicirt von Einwuͤrffen der
Vernunfft 389. von Gott geſtrafft und
dero Exempel 391 - Unwuͤrdigkeit haͤlt manchen vom Abend-
mahl ab 191
Appendix B.19 W.
- WAchsthum des Glaubens iſt noͤthig
482 - Wahl der Kirchendiener wie ſie geſchehen
ſolle 105 - Waſſer kein weſentlich Element des A-
bendmahls 249. wird von etlichen im
Abendmahl auß Furcht getruncken ib.
ohne Abendmahl zu gebrauchen hat
Innocentius III. diſpenſirt - Waſſer heißt der H. Geiſt 126
- Waſſer war im Juͤdiſchen Land ein groſ-
ſes Kleinod 127 - Weiber zu Rom durfften kein Wein trin-
cken 246 - Wein deſſen wird in den Einſatzungs-
Worten nicht außtrucklich gedacht
247. daß Ehriſtus im Abendmahl ge-
braucht wird probirt 248. ſeqq. iſt ſo
viel zum Abendmahl noͤthig allenthal-
ben befindlich 250. an deſſen Qualitaͤt
iſt man nicht gebunden 251. Jſt im
Abendmahl ein Zeichen 252. ein Sigill
256. ein Mittel das Vertrauen zu er-
wecken ibid. Anfriſtung zur wuͤrdigen
Vorbereitung 257. gemaͤnget mit
Waſſer ob Chriſtus gebraucht ibid.
wurde von der Morgenlaͤndiſchen
Kirchen gebraucht 252. wird vom
Conc. Trid. als noͤthig befohlen 252.
muß manche Heimlichkeit verrathen
420 - Weinkeller Chriſti was? 246
- Welt ſuchet zu erſt Geld 459. iſt eine
Lycaonia62 - Widertaͤuffer Fleiß in Religions Sa-
chen 481 - Wie? in Glaubens Sachen fragen iſt
nicht alles verdam̃lich 145 - Wiker eines Teutſchen tapffern Helden
mannliche That 18 - Wiſſenſchafft von Chriſto hat ihr Maaß
und Ziel 480. ſoll zunehmen 482 - Woͤlff in der Kirchen ſoll man fliehen 41
von rechten Hirten unterſcheiden 54.
ſeq. - Wolffs-Stimm des Roͤm. Papſts 55.
des Calviniſchen Jrꝛgeiſts. ib. \& ſeq. - Wort Gottes ein herꝛlcher Schatz 319.
ſeqq.
[[535]]der denckwuͤrdigſten Sachen.
ſeqq. dem iſt Satan gefehr 320. wird
durch die betruͤgliche Philoſophie ver-
lohren ibid. mit was Reverentz zu hoͤ-
ren 459. iſt im Himmel 470 - Wort-Blumen ſind in der H. Schrifft
gemein 10 - Wunder-Werck ſo die Transſubſtantia-
tion beſtaͤttigen ſollen/ ſeind erdichtet
804 - Wuͤnſche welche die beſten 71. ſeq.
- Wuͤrden ſeind Buͤrden 28
Appendix B.20 Z.
- ZEit von 5. Jahren der Heyden die ihre
initiandi außſtehen mußten 142
- Zeno Conſt. Kayſer ſuchet aberglaubi-
ſche Art das Biſtum zu Conſtant. zu
beſtellen 105 - Ziſca nim̃t ſich der Huſſiten an 347
- Zeugnuß der alten Kirchen-Lehrer vom
6. Cap. Johannis 153 - Zuhoͤrer ſollen ihre Prediger diſcerniren
und lieben 97. dero einhellige Stim-
men bey Election der Prediger kom-
men von Gott 106. - Zuͤrcher wie ſie den ihrigen das Brod im
Abendmahl reichen 310 - Zwinglii Traum von Erklaͤrung der Ein-
ſatzungs-Wort 159
Appendix C Regiſter der Bibliſchen Spruͤche/ ſo zum theil an ſtatt der Texte/
ſind abgeleſen/ zum theil ſonſten kuͤrtzlich erklaͤret und angezogen worden.
- Gen. _ _ Cap. _ _ verſ. _ _ Pag.
- 2. _ _ 16. 17. _ _ 162.
- 28. _ _ 12. _ _ 75.
- 30. _ _ 11. _ _ 71.
- Exod. _ _ 4. _ _ 16. _ _ 106.
- 16. _ _ 13. _ _ 432.
- 15. _ _ 472.
- 20. _ _ 12. _ _ 28.
- 24. _ _ 4. _ _ 274. ſeq.
- 25. _ _ 30. _ _ 220.
- 32. _ _ 22. _ _ 24.
- 16. _ _ 13. _ _ 432.
- Lev. _ _ 14. _ _ 4. _ _ 260.
- 16. _ _ 2. _ _ 76.
- 23. _ _ 5. _ _ 181.
- 24. _ _ 5. ſeq. _ _ 220.
- Deut. _ _ 6. _ _ 6. 7. 8. _ _ 407.
- Jud. _ _ 7. _ _ 13. 14. _ _ 378.
- 1. Sam. _ _ 10. _ _ 5. _ _ 5.
- 2. Sam. _ _ 8. _ _ 18. _ _ 17.
- 15. _ _ 1. ſeq. _ _ 442.
- 23. _ _ 2. _ _ 6.
- 1. Reg. _ _ 3. _ _ 16. _ _ 437.
- Pſalm. _ _ 23. tot. _ _ 1.
- 37. _ _ 25. _ _ 52.
- 42. _ _ 1. ſeq. _ _ 124.
- 69. _ _ 11. _ _ 13.
- 105. _ _ 15. _ _ 96.
- 119. _ _ ult. _ _ 46.
- Cant. _ _ 2. _ _ 4. _ _ 245.
- 8. _ _ 6. _ _ 408.
- Eſ. _ _ 54. _ _ 12. _ _ 75.
- 60. _ _ 11. _ _ 75.
- 65. _ _ 10. _ _ 113.
- Hoſe. _ _ 11. _ _ 15. _ _ 117.
- Amoſ. _ _ 6. _ _ 5. _ _ 14.
- Sap. _ _ 10. _ _ 7. _ _ 447.
- Matth. _ _ 7. _ _ 15. _ _ 40.
- 10. _ _ 12. _ _ 504.
- 18. _ _ 19. 20. _ _ 105.
- 21. _ _ 23. _ _ 85.
- 22. _ _ 12. _ _ 417.
- 26. _ _ 20. _ _ 450.
- 13. _ _ 449.
- Luc. _ _ 2. _ _ 38. _ _ 3.
Luc.
[[536]]Regiſter der Bibliſchen Spruͤche.
- Cap. _ _ verſ. _ _ Pag.
- Luc. _ _ 5. _ _ 8. _ _ 190.
- 10. _ _ 38. _ _ 437. ſeqq.
- 14. _ _ 15. _ _ 205.
- 17. _ _ 11. ſeq. _ _ 258. ſeq.
- 18. _ _ 9. _ _ 80.
- 22. _ _ 25. _ _ 33.
- 24. _ _ 30. _ _ 354.
- Joh. _ _ 1. _ _ 14. _ _ 16.
- 2. _ _ 17. _ _ 13.
- 6. _ _ 1. ſeq. _ _ 151.
- 7. _ _ 37. _ _ 126.
- 46. _ _ 92.
- 10. _ _ 1. ſeq. _ _ 74.
- 8. _ _ 93.
- 9. _ _ 81.
- 14. _ _ 9. \& 127.
- 26. _ _ 49.
- 13. _ _ 10. _ _ 220.
- 17. _ _ 12. _ _ 47. ſeq.
- Cap. _ _ verſ. _ _ Pag.
- Joh. _ _ 18. _ _ 28. _ _ 183.
- 20. _ _ 19. _ _ 237.
- 21. _ _ 17. _ _ 30.
- Act. _ _ 2. _ _ 42. _ _ 307.
- 11. _ _ 47. _ _ 3.
- 3. _ _ 21. _ _ 331.
- Rom. _ _ 8. _ _ 38. _ _ 489.
- 1. Cor. _ _ 10. _ _ 16. _ _ 172.
- 22. _ _ 139. 325.
- 11. _ _ 20. _ _ 139.
- 28. _ _ 202.
- 2. Cor. _ _ 11. _ _ 3. _ _ 161.
- Col. _ _ 1. _ _ 12. _ _ 81.
- 2. _ _ 8. _ _ 319.
- 3. _ _ 16. _ _ 2.
- Tit. _ _ 3. _ _ 4. _ _ 15.
- 1. Petr. _ _ 3. _ _ 19. 20. _ _ 285.
- 1. Joh. _ _ 4. _ _ 4. _ _ 335.
- Apoc. _ _ 22. _ _ 18. _ _ 190.
Appendix D ERRATA.
Pag. 6. lin. 2. Panegyricum. p. 8. l. 12. Mit ſolchen. p. 9. l. 28. kraͤncke ſie. p. 10. l. 3.
wie das zwitzern. p. 11. l. 11. ee hat Gott. p. 21. l. 24. zeiten. p. 23. l. 7. Liecht und Wonne.
p. 24. l. 14. ſich hoͤchlich. p. 42. l. 8. Sie ſeind zwar durch groſſe Gnad und panicos terrores
von dem ꝛc. pro durch was groſſe Gnad ꝛc. p. 43. l. 17. flecketen pro flecken. p. ead. l. 27.
Gutthaten außſchleußt pro Gutthaten. p. 50. l. 1. quas pro quos. p. 56. l. 16. ἀλλοίωσιν.
p. 69. l. 8. zug omittatur. p. 72. l. 33. poſt vocab. Reichs Gottes/ adde, das Gluͤck ſucht.
p. 73. l. 18. poſt voc. ich adde werde. p. ead. l. ult. leg. zuruck kommen. p. 75. 17. l. bekomme.
p. 77. l. 23. zu eroͤffnen. p. 88. l. 21. hat mich pro mich. p. ead. l. 34. leg. David ſo bald ihn
Gott pro David den Gott. p. 109. l. 2. gemahlt. p. ead. l. 4. leg. Schluͤſſel Gewalt an/
und hat als ein monopola. pro der als ein monopola \&c. p. 133. l. 31. wir trincken/ wir aber
duͤrſten. p. 315. l. 9. Zahl pro Jahre.
[][][][][][]
- Rechtsinhaber*in
- Kolimo+
- Zitationsvorschlag für dieses Objekt
- TextGrid Repository (2025). Collection 3. Catechismus-Milch/ Oder Der Erklärung des Christlichen Catechismi Neunter Theil. Catechismus-Milch/ Oder Der Erklärung des Christlichen Catechismi Neunter Theil. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). Kolimo+. https://hdl.handle.net/21.11113/4bq80.0