[][][][][][][[I]]
Mikroskopische
Untersuchungen

über

die Uebereinstimmung in der Struktur und dem
Wachsthum
der
Thiere und Pflanzen


Mit vier Kupfertafeln.

Berlin: 1839.
Verlag der Sander’schen Buchhandlung.
(G. E. Reimer.)

[[II]][[III]]

Vorrede.


Es ist ein wesentlicher Vorzug unseres Zeit-
alters, daſs die einzelnen Disziplinen der Natur-
wissenschaften in immer innigere Vereinigung
miteinander treten, und gerade dieser wechsel-
seitigen Durchdringung und Ergänzung verdan-
ken wir einen groſsen Theil der Fortschritte,
welche die Naturwissenschaften in der neuesten
Zeit gemacht haben. Um so auffallender ist es
aber, wenn die Anatomie und Physiologie der
Thiere und Pflanzen trotz der vielen Bestrebun-
gen ausgezeichneter Männer noch ziemlich isolirt
nebeneinander stehen und die Schlüsse aus dem
einen Gebiet nur eine entfernte und äuſserst vor-
sichtige Anwendung auf das andere Gebiet er-
lauben. Erst in der neuesten Zeit haben beide
Wissenschaften angefangen in innigere Verbin-
dung miteinander zu treten. — Die vorliegende
Abhandlung hat zur Aufgabe, den innigsten Zu-
sammenhang beider Reiche der organischen Na-
[IV] tur aus der Gleichheit der Entwicklungsgesetze
der Elementartheile der Thiere und Pflanzen nach-
zuweisen.


Das Hauptresultat der Untersuchung ist, daſs
ein gemeinsames Entwicklungsprinzip allen ein-
zelnen Elementartheilen aller Organismen zum
Grunde liegt, ungefähr so wie alle Krystalle
trotz der Verschiedenheit ihrer Form sich doch
nach denselben Gesetzen bilden. Ich habe den
Sinn eines solchen Vergleichs im Anfange des
dritten Abschnittes dieser Abhandlung ausführli-
cher auseinanderzusetzen mich bemüht und will
hier noch die wichtigsten geschichtlichen Mo-
mente in Bezug auf die Ausbildung dieser Idee
hervorheben.


Sobald man das Mikroskop zur Erforschung
der Struktur der Pflanzen benutzte, muſste die
groſse Einfachheit derselben im Vergleich mit
der Structur der Thiere auffallen. Während die
Pflanzen sich ganz aus Zellen zusammengesetzt
zeigten, waren die Elementartheile der Thiere
äuſserst manchfaltig und die meisten derselben
schienen mit Zellen gar nichts gemeinsam zu ha-
ben. Dies harmonirte mit einer längst geltenden
Ansicht, daſs nämlich das Wachsthum der Thiere,
deren Gewebe mit Gefäſsen versehen sind, we-
sentlich verschieden sei von dem der Pflanzen.
Den ohne Gefäſse wachsenden Elementarthei-
len der Pflanzen schrieb man ein selbstständiges
Leben zu, man betrachtet sie gewisser Maaſsen
als Individuen, die erst die ganze Pflanze zu-
[V] sammensetzen, während man bei den Elementar-
theilen der Thiere keineswegs ein Gleiches that.
Man statuirte also einen wesentlichen Unter-
schied in der Art und in den Grundkräften des
Wachsthums.


Indessen zeigte sich bald, daſs bei den Thie-
ren auch Gewebe vorkommen, welche ohne Ge-
fäſse wachsen und zwar erstens bei der Bildung
des Eies und den frühern Entwicklungsstadien
des Embryo vor der Blutbildung, zweitens bei
einigen Geweben des Erwachsenen, z. B. der
Epidermis. Bei dem Ei, wo sich unzweifel-
hafte Beweise eines wirklichen Lebens zeigten,
waren alle Physiologen darin einverstanden, daſs
dort ein sogenanntes pflanzenähnliches Wachs-
thum statt finde. Diese Pflanzenähnlichkeit be-
zog sich auf ein Wachsthum der Eitheile ohne
Gefäſse: Form und Entwicklungsweise der Ele-
mentartheile waren dabei gleichgültig. Man hielt
sich aber nicht berechtigt aus der Analogie des
Eies auf ein pflanzenähnliches Wachsthum der
Elementartheile der gefäſslosen Gewebe des Er-
wachsenen zu schlieſsen; es machte sich viel-
mehr die Ansicht geltend, daſs diese Gewebe
durch eine Sekretion von der Oberfläche der or-
ganisirten Gewebe entständen und wüchsen. So
beim Epithelium, der Krystalllinse u. s. w. Diese
Ansicht bestand noch fort, als auch die Struktur
dieser Gewebe genauer bekannt wurde. Auch
wurde durch das pflanzenähnliche Wachsthum
der Bestandtheile des Eies die postulirte we-
[VI] sentliche Verschiedenheit des Wachsthums der
gefäſshaltigen Gewebe nicht aufgehoben.


Im Jahre 1837 wurde ein sehr wichtiger
Fortschritt dadurch gemacht, daſs auch das wirk-
liche Wachsthum der Elementartheile des Epi-
theliums ohne Gefäſse nachgewiesen wurde:
Henle (Symbolae ad anatomiam vill. intest.
Berol. 1837) zeigte, daſs die Epitheliumzellen
von den untern Schichten gegen die obern be-
deutend an Ausdehnung zunehmen, wodurch also
über ein wahres pflanzenähnliches Wachsthum
derselben kaum noch ein Zweifel übrig bleiben
konnte. Henle*) sagt (l. c. pag. 9): Hoc in
loco (in planta pedis) cellularum (retis Malpighii)
diametrum extrorsum augeri, saepius repetita ob-
servatione pro re certa affirmare audeo. Quas
retis cellulas non minus in foetu suillo sensim in-
crescentes transire in cellulas epidermidis, nun-
quam non inveni. Purkinje und Raschkow
(meletem. circa mammal. dentium evol. Vratisl.
1835) hatten über die Entwicklung der Epider-
mis Folgendes beobachtet: In primis evolutionis
periodis — squamulae — epithelii nondum ita
conformatae sunt ut in illa periodo, quae partui
praecedit, sed parenchyma plantarum cellulis si-
millimum ostendunt, cum quaeque squamula, quae
[VII] postea talis apparet, tunc temporis tanquam cel-
lula polyedrica e membrana tenacissima constans
globosamque guttulam continens in conspectum
veniat. Pressu applicato rumpebantur istae cel-
lulae atque lymphaticum liquorem effundebant, quae
cellulae, procedente evolutione, verisimile con-
planatae in illas polyedricas squamas mutantur.
Henle, indem er diese Stelle anführt, fügt hinzu
(l. c. pag. 9): Haec illa num vero sola compres-
sio in causa esse possit, ut parva cellula in tan-
tam laminam extendatur, nondum satis mihi con-
stat: certe principio increscere volumen cellulae,
nescio an imbibitione, constabit, nisi spes fallit,
promotis disquisitionibus. Auch wieſs Henle
nach, daſs die Wimpern tragenden Cylinderchen
nur eine Modification des Epitheliums sind (l. c.
pag. 22 u. ff.).


Turpin (Annal. des sciences natur. VII.
pag. 207) zeigte, daſs die Körperchen, welche
Donné in den Ausflüssen der Vagina gefunden
hatte und für abgestoſsenes Epithelium hielt, or-
ganisirte Zellen seien, die im Allgemeinen läng-
lich und an Einer oder an beiden Seiten zuge-
spitzt oder ganz unregelmäſsig seien, und in de-
ren Innerm sich eine neue Generation sphärischer
Bläschen bilde. Er bemerkt dann (l. c. pag. 210):
On ne peut s’empêcher, après avoir bien étudié
les vésicules dont est formée la couche de mu-
cus produite par la membrane muqueuse vagi-
nale, d’y voir un tissu cellulaire bien organisé
et composé comme tous les tissus cellulaires vé-
[VIII] gétaux, d’un agglomérat, par simple contiguité, de
vésicules distinctes et vivant individuellement
chacune pour leur propre compte au dépens de
l’eau muqueuse, qui les baigne de toutes parts.
Turpin vergleicht dann dieses unter dem An-
sehn von Schleim auftretende thierische Zellen-
gewebe mit dem, was er suppurations vegé-
tales, excretions muqueuses, qui semblent suinter
sous forme de gouttelettes, de la surface des
tissus vifs nennt und was man gewöhnlich unter
dem Namen Cambium zusammenfasse und setzt
zuletzt hinzu (l. c. pag. 212): En étendant la
comparaison entre deux choses si comparables,
on trouve que la forme variable des vésicules du
tissu cellulaire du mucus de la membrane vagi-
nale, leur allongement en pointe, leur flaccidité,
toujours entretenue par l’humidité constante qui
baigne les tissus animaux, et le développement
dans leur intérieur, soit des granules, soit des
vésicules sphériques, sont toutes choses, qui s’ob-
servent également dans la composition de tous
les tissus cellulaires végétaux mous et aqueux
et que l’on désigne par le nom de pulpe ou de
parenchyme dans certaines tiges ou feuilles gras-
ses et dans certains fruits mûrs ou blettes.


In demselben Jahre theilte Dumortier Un-
tersuchungen über die Entwicklung der Schnek-
keneier mit (Annal. des sciences natur. VIII.
pap. 129). Er beobachtete, daſs in der in die-
sen Eiern befindlichen Schleimkugel, aus welcher
sich der Embryo bildet, Zellen entstehn, in de-
[IX] ren Innerm sich sekundaire Zellen bilden u. s. f.
und daſs sich dieses Gewebe von Zellen in die
Leber umwandelt, während die übrigen Gewebe
aus einer gallertartigen Masse entstehen, in der
sich Myriaden von Punkten zeigen. In seinen
Schlüssen sagt er (l. c. pag. 163): En exami-
nant l’évolution des Mollusques, nous avons dé-
montré que les tissus animaux, quoique formés
originairement de même par la solidification des
surfaces, se développent de différentes manières:
le tissu cellulaire par des productions médianes,
le tissu dermo-musculaire par un feutré de ca-
nicules centripètes. Ainsi, chez les animaux, les
tissus ne se forment pas au dépens les une des
autre; il n’y existe pas un tissu générateur uni-
que, mais bien plusieurs tissus originairement di-
stincts. — Les belles observations de M. Mir-
bel
ont prouvé que chez les végetaux il existe
un seul tissu originel, le tissu cellulaire, qui par
une suite de métamorphoses, se transforme en
tissu vasculaire. Par consequent le regne végé-
tal est caractérisé par l’unité originel, et le regne
animal par la pluralité originelle des tissus.


Man hatte auſserdem schon häufig auf die
Formähnlichkeit einzelner thierischer Gebilde mit
pflanzlichen aufmerksam gemacht. So wurde häu-
fig von dicht gedrängten thierischen Zellen oder
auch bloſsen Kugeln erwähnt, daſs sie ein An-
sehn wie Pflanzenzellgewebe darbieten und Va-
lentin
(Nov. Act. N. C. XVIII. P. 1. 96) fügte
der Beschreibung des Kerns der Epidermiszel-
[X] len hinzu, daſs er an den im Pflanzenreiche vor-
kommenden nucleus in den Zellen der Epider-
mis, des Pistills u. dgl. erinnere. Solche Ver-
gleiche hatten aber deſshalb keine weitere Folge,
weil es bloſse einzelne Formähnlichkeiten von
Gebilden waren, welche die manchfaltigsten For-
men zeigen.


Schleiden stellte Untersuchungen über die
Entwicklungsweise der Pflanzenzellen an, wo-
durch dieser Prozeſs aufs herrlichste aufgeklärt
wurde. Diese vortreffliche Arbeit erschien spä-
ter im zweiten Heft von Müller’s Archiv 1838.
Er fand, daſs bei der Bildung der Pflanzenzel-
len in einer körnigen Substanz zuerst kleine
schärfer gezeichnete Körnchen entstehn und um
diese sich die Zellenkerne (Cytoblasten) bilden,
die gleichsam als granulöse Koagulationen um jene
Körnchen erscheinen. Die Cytoblasten wachsen
noch eine Zeit lang und dann erhebt sich auf
ihnen ein feines durchsichtiges Bläschen, die
junge Zelle, so daſs diese Anfangs auf dem Cy-
toblasten, wie ein Uhrglas auf einer Uhr auf-
sitzt. Sie dehnt sich dann durch Wachsthum
weiter aus. Schleiden theilte mir die Resul-
tate seiner Untersuchungen vor der Publikation
im October 1837 wit. Es war mir früher schon
die Formähnlichkeit der Chorda dorsalis, worauf
J. Müller schon aufmerksam gemacht hatte, und
der Kiemenknorpel der Froschlarven mit Pflan-
zellen aufgefallen; es lieſs sich indessen daraus
nichts folgern. Die Entdeckungen von Schlei-
[XI] den
gaben aber die Veranlassung zu weitern Un-
tersuchungen in einer andern Richtung.


In den oben erwähnten Untersuchungen von
Henle, Turpin und Dumortier lag die Pflan-
zenähnlichkeit der untersuchten thierischen Ge-
webe, Epithelium und Leber der Schnecken, er-
stens darin, daſs die Elementartheile dieser Ge-
webe ohne Gefäſse und zum Theil frei in einer
Flüssigkeit oder sogar eingeschlossen in einer
andern Zelle wachsen, zweitens darin, daſs diese
ein gefäſsloses Wachsthum zeigenden Elemen-
tartheile mit einer eigenthümlichen Wand verse-
hene Zellen sind, wie die Pflanzenzellen. Nach-
dem diese Beweise geliefert waren, war man
berechtigt, diese Zellen so neben die Pflanzen-
zellen zu stellen, wie die verschiedenen Arten
thierischer Zellen, z. B. Keimbläschen, Blutkör-
perchen, Fettzellen nebeneinander standen, als
verschiedene Species unter dem naturhistorischen
Begriff Zellen.


Die Lage der Sache im Anfange meiner
Untersuchung war demnach folgende: Die Ele-
mentartheile der Organismen erschienen unter den
manchfaltigsten Formen; mehre von diesen wa-
ren einander ähnlich und man konnte nach die-
ser gröſseren oder geringeren Aehnlichkeit eine
Gruppe der Fasern, der Zellen, der Kugeln u.
s. w. unterscheiden, und es gab in jeder dieser
Abtheilungen wieder verschiedene Arten. Wie
die Zellen insgesammt von den Fasern, so muſs-
ten auch die einzelnen Zellenarten von einander
[XII] und die einzelnen Faserarten von einander, nur
dem Grade nach weniger, als verschieden ange-
nommen werden. Alle diese Formen schienen
untereinander nichts gemeinsam zu haben, als
daſs sie durch Ansatz neuer Molekule zwischen
die vorhandenen wachsen, daſs es lebendige Ele-
mentartheile sind. So lange man die Epithelium-
zellen als eine Sekretion der organisirten Sub-
stanz betrachtete, konnte man sie auch nicht ein-
mal in diesem Sinne neben die lebenden Ele-
mentartheile stellen. In der Art, wie sich die
Molekule zu den lebenden Elementartheilen zu-
sammenfügen, schien nichts Gemeinsames statt
zu finden. Hier fügten sie sich zu dieser, dort
zu jener Art von Zellen, an einer dritten Stelle
zu einer Faser u. s. w. zusammen. Das Ent-
wicklungsprinzig schien für die physiologisch
verschiedenen Elementartheile durchaus verschie-
den, und eine Verschiedenheit der Gesetze, wie
man sie bei der Entwicklung einer Zelle und
einer Faser annehmen muſste, muſste man auch
nur in geringerm Grade zwischen den einzelnen
Zellenarten und zwischen den einzelnen Faser-
arten annehmen. Zellen, Fasern u. s. w. waren
daher nur naturhistorische Begriffe und man konnte
aus der Entwicklunsweise einer Zellenart nicht
auf die einer andern schlieſsen, und in der That
geschah dies auch nicht, obgleich man wichtige
Punkte in dem Entwicklungsprozeſs einzelner
Zellenarten, z. B. der Blutkörperchen (S. p. 75
d. Abh.) und des Eies (S. d. Nachtrag p. 258)
[XIII] kannte. Die oben angeführten Untersuchungen,
obgleich sie das wichtige Faktum des gefäſslosen
Wachsthums konstatirten, änderten darin nichts.
Die Idee, durch Vergleichung thierischer Zellen
mit Pflanzenzellen die Gleichheit des Entwick-
lungsprinzips für physiologisch verschiedene Ele-
mentartheile nachzuweisen, lag in jenen Unter-
suchungen nicht, und deſshalb konnten jene For-
scher auch bei den angeführten Untersuchungen
stehen bleiben.


Die Entdeckungen von Schleiden lehrten
den Entwicklungsprozeſs der Pflanzenzellen ge-
nauer kennen. Dieser Prozeſs enthielt charak-
teristische Momente genug, um einen Vergleich
thierischer Zellen in Bezug auf ein gleiches Ent-
wicklungsprinzip möglich zu machen. Ich ver-
glich in diesem Sinne die Zellen der Knorpel
und der Chorda dorsalis mit den Pflanzenzellen,
und es zeigte sich die vollständigste Ueberein-
stimmung. Die Entdeckung, welche meiner Un-
tersuchung zur Basis diente, lag gerade in der
Erkenntniſs des Prinzips, welches darin enthalten
ist, wenn zwei physiologisch verschiedene Ele-
mentartheile auf dieselbe Weise sich entwickeln.
Denn aus dem oben Gesagten geht hervor, daſs
wenn man in diesem Sinne die Uebereinstimmung
zweier Zellenarten behauptet, man gezwungen
ist, dasselbe Entwicklungsprinzip bei allen auch
den verschiedensten Elementartheilen anzunehmen,
eben weil der Unterschied zwischen den übrigen
Elementartheilen und einer Zelle nur gradweise
[XIV] verschieden ist von dem Unterschiede, welcher
zwischen zwei Zellen statt findet, also auch das
Entwicklungsprinzip der letztern nur dann gleich
sein kann, wenn es sich bei den übrigen Ele-
mentartheilen wiederfindet. Dies behauptete ich
daher auch gleich, sobald ich von der Ueberein-
stimmung der Knorpelzellen mit den Pflanzenzel-
len in diesem Sinne überzeugt war.


Es war nun leicht, das aufgestellte Prinzip
für die übrigen Gewebe durchzuführen, da man
gerade durch dieses Prinzip schon im Voraus die
Gesetze der Entwicklung derselben kannte. Die
wirkliche Beobachtung bestätigte auch vollkom-
men den für die übrigen Gewebe gezogenen
Schluſs. Bei den Elementartheilen gefäſshaltiger
Gewebe brauchte dieses Prinzip sich nicht noth-
wendig wiederzufinden; denn da hier kein selbst-
ständiges Leben der Elementartheile, also eine
Verschiedenheit der Grundkräfte des Wachsthums
angenommen wurde, so konnten hier auch, un-
beschadet des Prinzips, ganz andere Entwick-
lungsgesetze obwalten. Allein so gering auch
die Wahrscheinlichkeit im Anfange war, daſs das
Prinzip sich auch hier durchführen lasse, so zeigte
doch die Beobachtung bald, daſs die Gefäſse gar
keine wesentliche Verschiedenheit des Wachs-
thums begründen, sondern nur einige Unterschiede
veranlassen, die sich als Folge einer feinern Ver-
theilung der ernährenden Flüssigkeit, ferner des
hierdurch und durch die Cirkulation erleichterten
Stoffwechsels und endlich einer gröſsern Imbibi-
[XV] tionsfähigkeit der thierischen Substanz erklären
lassen. So stellte sich auch durch die Beobach-
tung der Satz fest, daſs es ein gemeinsames
Entwicklungsprinzip für die Elementartheile al-
ler Organismen gibt. Man wuſste zwar schon
längst, daſs alle Gewebe sich aus einer körni-
gen Masse bilden; allein daſs diese Körner in
einer direkten Beziehung zu den spätern Elemen-
tartheilen stehen und in welcher, war nur von
wenigen Elementartheilen bekannt, und bei die-
sen schien die Entwicklungsweise so verschie-
den, daſs die Einheit darin nicht erkannt wurde
und nicht erkannt werden konnte. Denn die
Gleichheit des Entwicklungsprinzips liegt haupt-
sächlich in der gleichen Entstehung dieser Kör-
ner selbst und diese war unbekannt, ja man be-
zeichnete unter dem Namen Körner oder körnige
Masse bald die ganzen Zellen, bald die Zellen-
kerne, bald körnige Substanzen, die sich gewis-
ser Maſsen als chemische Niederschläge bilden
und mit den Elementarzellen der Organismen in
keinem direkten Zusammenhang stehn.


Eine vorläufige Uebersicht der gewonnenen
Resultate, welche schon die meisten Gewebe um-
faſste, theilte ich im Anfange des Jahres 1838
in Froriep’s Not. No. 91, 103 u. 112 mit. Die
ausführlichere Behandlung erforderte längere Zeit;
die beiden ersten Hefte der vorliegenden Ab-
handlung gingen im August und December 1838
bei der Pariser Akademie ein. J. Müller und
Henle haben die Theorie bereits auf die wich-
[XVI] tigsten pathologischen Prozesse angewandt und
es fehlt nur noch die Ausdehnung auf die ver-
gleichende Anatomie namentlich der niederen
Thiere.


Am Schlusse dieser Abhandlung habe ich
eine Theorie der Organismen versucht und dafür
in der Abhandlung selbst alles Theoretische aus-
geschlossen, um das Faktische mit dem Hypo-
thetischen nicht zu vermischen. Die Theorie hat
wenigstens den Vortheil, daſs man sich darnach
eine bestimmte Vorstellung von den organischen
Prozessen machen kann, welche zu neuen Un-
tersuchungen führt: eine solche Theorie hat da-
her selbst dann Nutzen, wenn man ihre entschie-
dene Unrichtigkeit annimmt. Sie enthält die Prin-
zipien für die organischen Erscheinungen des ge-
sunden und kranken Organismus. Ich beabsich-
tigte noch die Anwendung auf die einzelnen or-
ganischen Processe hinzuzufügen; allein eine Ver-
änderung meiner äuſsern Verhältnisse zwang mich
die Abhandlung zu schlieſsen. Vielleicht findet
sich später Gelegenheit, das Fehlende zu er-
gänzen.


Berlin, im März 1839.


[[XVII]]

Inhalt.


  • Einleitung. Seite 1
  • I. Abschnitt. Ueber die Struktur und das
    Wachsthum der Chorda dorsalis und der
    Knorpel. — 11
  • 1. Chorda dorsalis. — 11
  • 2. Knorpel. — 17
  • II. Abschnitt. Ueber die Zellen als Grund-
    lage aller Gewebe des thierischen Körpers. — 41
  • I. Abtheilung. Ueber das Ei und die Keimhaut. — 46
  • II. Abtheilung. Bleibende Gewebe des thierischen
    Körpers. — 71
  • I. Klasse. Isolirte selbstständige Zellen. — 74
  • 1) Lymphkörperchen. — 75
  • 2) Blutkörperchen. — 75
  • 3) Schleimkörperchen. — 77
  • 4) Eiterkörperchen. — 78
  • II. Klasse. Selbstständige, zu zusammenhängen-
    den Geweben vereinigte Zellen. — 81
  • 1) Epithelium. — 82
  • 2) Das schwarze Pigment. — 87
  • 3) Nägel. — 90
  • 4) Klauen. — 92
  • 5) Federn. — 93
  • 6) Krystalllinse. — 99
  • III. Klasse. Gewebe, in denen die Zellenwände un-
    ter einander oder mit der Interzellularsub-
    stanz verschmolzen sind. Seite 110
  • 1) Knorpel und Knochen. — 111
  • 2) Zähne. — 117
  • IV. Klasse. Faserzellen, oder Gewebe, die aus Zel-
    len entstehen, welche sich in Faserbündel
    theilen. — 132
  • 1) Zellgewebe. — 133
  • 2) Sehnengewebe. — 147
  • 3) Elastisches Gewebe. — 148
  • V. Klasse. Gewebe, die aus Zellen entstehen, de-
    ren Wände und deren Höhlen miteinander
    verschmelzen. — 155
  • 1) Muskeln. — 156
  • 2) Nerven. — 169
  • 3) Kapillargefäſse. — 182
  • III. Abschnitt. Rückblick auf die vorige
    Untersuchung, der Zellenbildungsprozeſs,
    Theorie der Zellen. — 191
  • Nachtrag über die Bedeutung des Keimbläschens. — 258
  • Bemerkungen über eine von Herrn Prof. Valentin
    gegebene geschichtliche Darstellung der früheren
    Untersuchungen über den abgehandelten Gegen-
    stand. — 260
  • Erklärung der Kupfertafeln. — 267

[[1]]

Einleitung.


So groſs die Manchfaltigkeit ist, welche die Pflanzen in
ihrer äuſseren Form darbieten, so einfach ist ihre innere
Structur. Dieser auſserordentliche Reichthum von Gestalten
wird nur hergebracht durch die verschiedene Aneinander-
fügung einfacher Elementargebilde, die zwar verschiedene
Modifikationen zeigen, aber wesentlich überall dasselbe
sind, nämlich Zellen. Die ganze Klasse der cellulären
Pflanzen besteht nur aus Zellen, die bald als solche er-
kannt werden können; manche derselben werden nur von
aneinandergereihten, gleichartigen oder selbst nur von
Einer Zelle gebildet. Die vaskulären Pflanzen bestehn
im frühesten Zustande ebenfalls nur aus einfachen Zellen
und das Pollenkorn, nach Schleiden’s Entdeckung die
Grundlage der neuen Pflanze, ist in seinen wesentlichen
Theilen nur eine Zelle. An erwachsenen vaskulären Pflan-
zen ist die Structur manchfaltiger, so daſs man noch vor
Kurzem als die Elementargewebe der Pflanzen, Zellenge-
webe, Fasergewebe und Gefäſse oder Spiralröhren unter-
schied. Allein die Untersuchungen über den Bau und
besonders über die Entwickelungs-Geschichte dieser Ge-
webe haben gezeigt, daſs diese Fasern und Spiralröhren
nur langgestreckte Zellen und die Spiralfasern nur spiral-
förmige Ablagerungen auf der inneren Fläche der Zellen
sind. Auch die vaskulären Pflanzen bestehn also aus Zellen,
die nur zum Theil eine weitere Entwicklung erfahren
haben. Nur die Milchsaftgefäſse sind bis jetzt noch
nicht auf Zellen zurückgeführt; allein es fehlt auch noch
1
[2] an Beobachtungen über ihre Entwicklung. Nach Unger
(Aphorismen zur Anatomie und Physiol. der Pflanzen.
Wien 1838, pag. 14) entstehen sie ebenfalls aus Zellen,
deren Zwischenwände obliteriren.


Die Thiere, wie sie überhaupt in ihrer äuſsern Form
noch weit manchfaltiger sind als die Pflanzenwelt, beson-
ders die höhern derselben im erwachsenen Zustande zeigen
auch eine weit manchfaltigere Structur in ihren einzelnen
Geweben. Wie sehr unterscheidet sich ein Muskel von
einem Nerven, dieser vom Zellgewebe, das mit dem
Pflanzenzellgewebe nur seinen Namen gemein hat, oder
vom elastischen Gewebe, Horngewebe u. s. w. Gehn wir
aber auf die Entwicklungs-Geschichte dieser Gewebe zu-
rück, so zeigt sich, daſs alle diese manchfaltigen Formen
ebenfalls nur aus Zellen entstehn und zwar aus Zellen,
die durchaus den Pflanzenzellen analog sind und in
ihren vegetativen Lebens-Erscheinungen zum Theil die
merkwürdigste Uebereinstimmung zeigen. Dieſs durch
Beobachtungen
nachzuweisen ist der Zweck der gegen-
wärtigen Abhandlung.


Es ist aber nothwendig, Einiges über die Lebens-
Erscheinungen der einzelnen Pflanzenzellen vorherzu-
schicken. Jede Zelle ist innerhalb einer gewissen Grenze
ein Individuum, ein selbstständiges Ganze. Die Lebens-
Erscheinungen Einer Pflanzenzelle wiederholen sich ganz
oder zum Theil in allen übrigen. Diese Individuen stehn
aber nicht als ein bloſses Aggregat neben einander, son-
dern sie wirken auf eine uns unbekannte Weise in der
Art zusammen, daſs daraus ein harmonisches Ganze ent-
steht. Die Prozesse nun, die in den Pflanzenzellen vor-
gehn, lassen sich auf folgende Punkte zurückführen:
1) Das Entstehen neuer Zellen; 2) die Ausdehnung der
vorhandenen Zellen; 3) die Umwandlung des Zelleninhaltes
und die Verdickung der Zellenwand; 4) die von den Zel-
len ausgehende Absonderung und Resorption.


Bei der genauern Betrachtung dieser einzelnen Lebens-
Erscheinungen der Zellen lege ich hauptsächlich die vor-
[3] trefflichen Untersuchungen von Schleiden zu Grunde,
die so viel Licht über diesen Gegenstand verbreiten.
(Siehe dessen „Beiträge zur Phytogenesis“ in Müller’s
Archiv. 1838. pag. 137 u. ff. Taf. III. und IV.)


Zunächst die Entstehung neuer Zellen. Diese ge-
schieht nach Schleiden bei den Phanerogamen mit vor-
läufiger Ausnahme des Cambiums immer innerhalb der
schon fertigen Zellen und zwar auf eine höchst merk-
würdige Weise von dem bekannten Zellenkern aus. Wegen
seiner Wichtigkeit für die thierische Organisation setze ich
die von Schleiden gegebene Beschreibung im Auszuge
hierher. Eine Abbildung findet sich in der beiliegenden
Tab. I. Fig. 1. a. a. aus einer Zwiebel. „Dieses Gebilde,
von R. Brown Areola oder Zellenkern, von Schleiden
Cytoblast genannt) variirt in seinen Umrissen zwischen
dem Ovalen und Kreisrunden, so wie es seiner Körper-
lichkeit nach von der Linsenform zur völligen Kugel über-
zugehen scheint. Seine Farbe ist meist gelblich doch
auch fast ins Silberweiſse übergehend; seiner [Durchsich-
tigkeit]
wegen ist der Cytoblast oft kaum zu unterscheiden.
Von Jod wird er nach seiner verschiedenen Modifikation
vom Blaſsgelb bis ins dunkelste Braun gefärbt. Seine
Gröſse variirt nach seinem Alter, nach den Pflanzen und
den verschiedenen Theilen einer Pflanze bedeutend von
0,0001 bis 0,0022 P. Z. Seine innere Structur ist gra-
nulös, ohne daſs sich doch die Körner, aus denen er be-
steht, scharf von einander abgrenzen. Seine Konsistenz
ist sehr verschieden, von der Weichheit, daſs er sich in
Wasser fast auflöst bis zur Festigkeit, daſs er selbst starken
Druck des Preſsschiebers erträgt, ohne seine Form einzu-
büſsen. Auſser dieser von Brown und Meyen schon
angegebenen Eigenthümlichkeiten des Cytoblasten hat
Schleiden im Innern desselben noch ein kleines Kör-
perchen entdeckt, (S. Tab. I. Fig. 1 b.), welches bei schön
ausgebildeten Cytoblasten als ein dicker Ring oder ein
dickwandiges hohles Kügelchen erscheint. Es zeigt sich
aber an verschiedenen Cytoblasten sehr verschieden. Bald
1*
[4] unterscheidet man nur den äuſsern scharfen Kreis dieses
Ringes mit einem dunkeln Punkt in der Mitte, bald und
zwar am haufigsten sieht man nur einen scharf umschrie-
benen Fleck. In andern Fällen ist dieser sehr klein und
zuweilen ist gar kein solcher Fleck zu erkennen. Da
im Folgenden häufig davon die Rede sein wird, so will
ich es der Kürze wegen Kernkörperchen nennen. Zuweilen
kommen nach Schleiden zwei, seltener drei oder nach
einer mündlichen Mittheilung selbst vier solcher Körper-
chen im Cytoblasten vor. Ihre Gröſse ist sehr verschie-
den vom halben Durchmesser des Cytoblasten bis zum
winzigsten Pünktchen.“


Die Entstehung der Zellen aus dem Cytoblasten ist
nach Schleiden’s Beschreibung folgende: „Sobald die
Cytoblasten ihre völlige Gröſse erreicht haben, erhebt sich
auf ihnen ein feines durchsichtiges Bläschen, die junge
Zelle, das auf den flachen Cytoblasten wie ein Uhrglas
auf einer Uhr aufsitzt. Es ist noch so weich, daſs es
sich nach einigen Minuten in destillirtem Wasser auflöst.
Allmählig dehnt es sich aus, wird konsistenter und zuletzt
so groſs, daſs der Cytoblast nur als ein kleiner in einer
der Seitenwände eingeschlossener Körper erscheint. Der
Theil der Zellenwand, welcher den Cytoblast von der in-
nern Seite bedeckt, ist aber äuſserst fein und gallertartig
und nur in seltenen Fällen zu beobachten, wird auch
bald resorbirt, zugleich mit dem Cytoblast, der ebenfalls
bei der ausgebildeten Zelle resorbirt wird. Die Cyto-
blasten bilden sich frei innerhalb einer Zelle in einer
Masse von Schleimkörnchen und die jungen Zellen liegen
ebenfalls frei in der Mutterzelle und nehmen, indem sie
sich gegeneinander abplatten, die polyedrische Form an.
Später wird die Mutterzelle resorbirt.“ Eine Abbildung
junger Zellen in Mutterzellen siehe Tab. I. Fig. 2. b b b.
Daſs die Bildung neuer Zellen immer aus einem Cyto-
blasten und immer innerhalb der vorhandenen Zellen ge-
schieht, kann einstweilen noch nicht mit Bestimmtheit
ausgesprochen werden, da die Cryptogamen in dieser Hin-
[5] sicht noch nicht untersucht sind und Schleiden sich
auch über das Cambium noch nicht ausgesprochen hat.
Nach Mirbel findet auch bei den Phanerogamen eine
Bildung neuer Zellen auſser den alten, in den Intercellular-
gängen und an der Oberfläche der Pflanze statt. Siehe
Mirbel über Marchantia in Annales de Musée I, 55.
und die Gegenbemerkungen von Schleiden l. c. pag. 161.
Verschieden von der angeführten Art der Bildung neuer
Zellen ist die Vermehrung der Zellen durch Theilung der
vorhandenen, indem in ihnen Scheidewände hervorwachsen,
wenn dieſs nicht, wie Schleiden vermuthet, eine Täu-
schung ist, indem die jungen Zellen ihrer Durchsichtigkeit
halber der Beobachtung entgingen und nur zuletzt die Be-
rührungsstellen der jungen Zellen als Scheidewand der
Mutterzelle angesehen wurden.


Die Ausdehnung der gebildeten Zellen ist entweder
regelmäſsig nach allen Seiten hin, wo dann die Zelle
kugelig bleibt oder durch Abplattung gegen die benach-
barten Zellen polyedrisch wird, oder sie ist unregelmäſsig,
indem die Zelle nach einer oder nach mehreren Richtun-
gen hin stärker wächst. Dadurch entsteht das früher so-
genannte Fasergewebe, welches bedeutend verlängerte
Zellen enthält. Auch eine Verästelung dieser Fasern kommt
vor, wenn sich verschiedene Stellen der Zellenwand nach
verschiedenen Richtungen hin ausdehnen. Diese Ausdehnung
der Zellenwand läſst sich nicht für eine bloſs mechanische
erklären, wobei die Zellenmembran beständig dünner wer-
den müſste. Sie ist oft sogar mit einer Verdickung der
Zellenwand verbunden und wird wahrscheinlich durch die
Intussusceplio genannte Art des Ernährungsprozesses be-
wirkt. S. Hugo Mohl Erläuterung und Vertheidigung
meiner Ansicht von der Structur der Pflanzensubstanzen.
Tübingen 1836. 4. Auch die Abplattung der Zellen läſst
sich hieher rechnen.


Von den Veränderungen, welche der Zelleninhalt und
die Zellenwand bei der Vegetation erleiden, betrachte ich
nur die Verdickung der Zellenwand, da ich über die Um-
[6] wandlungen des Contentums der Zellen bei den Thieren
nur einzelne wenige Beobachtungen habe, die allerdings
auf analoge Veränderungen, wie bei den Pflanzen hindeu-
ten. Die Verdickung der Zellenwände geschieht entweder
durch Ablagerung von der ursprünglichen Zellenwand ver-
schiedener oder seltener auch mit ihr homogener Sub-
stanzen auf der innern Fläche der Zellenwand, oder durch
wirkliche Verdickung der Substanz der Zellenwand. Die
erstern Ablagerungen geschehen schichtenweise, wie man
wenigstens an vielen Stellen sehr deutlich sieht. (Siehe
Meyen’s Pflanzen-Physiologie. I. Bd. Tab. I. Fig. 4.)
Sehr häufig, nach Valentin allgemein, geschehen diese Ab-
lagerungen in Spiralen, wie dieſs z. B. bei den Spiralröhren
und Spiralzellen sehr deutlich ist. Die Verdickung der Zel-
lenmembran selbst, obwohl seltener, scheint doch in einzelnen
Fällen unzweifelhaft, namentlich an den Pollenschläuchen
z. B. von Formium tenax. Mit der Umwandlung des Zellenin-
haltes steht wahrscheinlich das überaus merkwürdige Phäno-
men der Zellensaftbewegung in Verbindung, welches jetzt
schon an einem sehr groſsen Theil der Pflanzenzellen beob-
achtet worden ist. Bei den Charen, wo es am deutlichsten
ist, läſst sich auch darin eine Spiralbewegung erkennen.
Meistens aber durchkreuzen sich die Ströme auf die manch-
faltigste Weise.


Die Resorption und die Sekretion können als Wir-
kungen der Pflanzenzellen nach auſsen zusammengefaſst
werden. Von der Resorption geben das Verschwinden
der Mutterzellen, in denen sich junge Zellen gebildet ha-
ben, oder des Zellenkerns und vieles Andere hinlängliche
Beispiele. Die Sekretion zeigt sich z. B. bei den Aus-
scheidungen von Harz in den Interzellulargängen, einer
zuckerhaltigen Flüssigkeit bei den Nektardrüsen u. s. w.


Bei alle diesen Prozessen bleiben die Zellen jede für
sich bestehend getrennt. Es kommen aber auch Beispiele
bei den Pflanzen vor, wo die Zellen mit einander ver-
schmelzen und zwar entweder bloſs die Wände oder auch
die Höhlen. Bei den Cacteen hat Schleiden gefunden,
[7] daſs die verdickten Wände vieler Zellen sich zu einer
homogenen Substanz vereinigen, in der nur noch die Reste
der Zellenhöhlen unterschieden werden können. Tab. I.
Fig. 3 stellt eine solche von Schleiden beobachtete
Verschmelzung der Zellenwände dar. Das Ganze ist eine
Mutterzelle mit verdickten Wänden, in welcher sich vier
junge Zellen gebildet haben, deren Wände ebenfalls ver-
dickt und unter einander sowohl als mit den Wänden der
Mutterzelle verschmolzen sind, so daſs nur die vier Höhlen
mit ihren Kernen in einer homogenen Substanz übrig blei-
ben. Die Spiralgefäſse und nach Unger auch die Milch-
saftgefäſse liefern Beispiele, wie durch Resorption der
Scheidewände auch die Höhlen mehrerer Zellen sich mit
einander vereinigen können.


Nach diesen Vorerinnerungen gehen wir nun zu den
Thieren über. Man hat schon häufig auf die Aehnlichkeit
einzelner thierischer Gebilde mit pflanzlichen aufmerksam
gemacht. Allein mit Recht hat man aus solchen einzelnen
Aehnlichkeiten nichts gefolgert. Nicht jede Zelle ist ein
den Pflanzenzellen analoges Gebilde, und die polyedrische
Form, da sie ein nothwendiges Attribut dicht gedrängter
Zellen ist, fügt kein neues Merkmal der Aehnlichkeit
hinzu, als eben das dichte Gedrängtsein der Zellen. Wenn
man Zellen thierischer Gewebe jenem Elementargebilde
der Pflanzen analog stellen will, so kann dieſs mit Sicher-
heit nur auf einem der folgenden Wege geschehen, ent-
weder 1) dadurch, daſs man zeigt, daſs ein groſser Theil
der thierischen Gewebe aus Zellen, von denen jede ihre
besondere Wand haben muſs, entsteht oder besteht, in
welchem Falle es dann wahrscheinlich wird, daſs diese
Zellen dem bei den Pflanzen allgemein vorkommenden
zelligen Elementargebilde entsprechen, oder 2) bei einem
einzelnen aus Zellen bestehenden thierischen Gewebe ist
es nothwendig, auſser seiner zelligen Structur überhaupt
[8] nachzuweisen, daſs in diesen Zellen ähnliche Kräfte wir-
ken, wie in den Pflanzenzellen, oder, da dieſs direkt unmög-
lich ist, daſs die Erscheinungen, wodurch sich die Thätig-
keit dieser Kräfte äuſsert, nämlich Ernährung und Wachs-
thum auf dieselbe oder ähnliche Art vor sich gehen, wie
bei den Pflanzenzellen. Von diesem Gesichtspunkte aus
betrachtete ich auch die Sache, als ich im vorigen Som-
mer, bei Gelegenheit meiner Untersuchungen über die Ner-
venendigungen in dem Schwanze der Froschlarven (Medic.
Zeitung 1837), nicht nur die schöne zellige Structur der
Chorda dorsalis bei diesen Larven sah, sondern auch die
die Kerne in diesen Zellen entdeckte. J. Müller hatte
bei den Fischen schon nachgewiesen, daſs die Chorda dor-
salis aus einzelnen, mit eigenthümlichen Wänden versehe-
nen, dicht zusammengelagerten Zellen, wie das Pigment der
Chorioidea bestehe. Es kamen nun zur Erhöhung der
Pflanzenähnlichkeit die Kerne hinzu, die in ihrer Form den
gewöhnlichen platten Pflanzenzellenkernen zum Verwech-
seln ähnlich sind. Allein da die Wichtigkeit dieser Kerne
nicht bekannt war, vielmehr die meisten Zellen der er-
wachsenen Pflanzen keine Kerne zeigen, so genügte dieſs
nicht zu weiteren Schlüssen. Daſs die von Purkinje
und Deutsch entdeckten Knorpelkörperchen in mehreren
Knorpelarten hohl, also im weiteren Sinne des Wortes Zel-
len sind, hatte J. Müller durch den allmählichen Ueber-
gang derselben in gröſsere Zellen nachgewiesen, und auch
Miescher unterscheidet eine besondere Klasse spongiö-
ser Knorpel von zelliger Struktur. Kerne in den Knor-
pelkörperchen waren ebenfalls bekannt. Da nun Müller
und später auch Meckauer das Hervorstehen von Knor-
pelkörperchen am Rande eines Präparates beobachteten, so
war es sehr wahrscheinlich, daſs wenigstens ein Theil der
Knorpelkörperchen als Zellen im engeren Sinne des Wor-
tes oder mit einer Haut umschlossene Höhlen betrachtet
werden muſsten. Gurlt nennt auch die Knorpelkörper-
chen in einem Theil der bleibenden Knorpel Bläschen.
Es gelang mir nun, die eigenthümliche Wand der Knorpel-
[9] körperchen zuerst an den Kiemenknorpeln der Froschlar-
ven, später auch der Fische wirklich zu beobachten, und
die Uebereinstimmung aller Knorpelkörperchen und da-
durch bei allen Knorpeln eine zellige Struktur im enge-
ren Sinne des Wortes nachzuweisen. An einigen Knor-
pelzellen lieſs sich bei ihrem Wachsthum auch eine Ver-
dickung der Zellenwände erkennen. Dieſs war eine neue
Erweiterung der Aehnlichkeit in dem Vegetationsprocesse
thierischer Zellen mit Pflanzenzellen. Gelegentlich theilte mir
nun Hr. Dr. Schleiden seine vortrefflichen Untersuchungen
über die Entstehung der neuen Zellen bei den Pflanzen aus den
Kernen innerhalb der Mutterzellen mit. Es erklärte sich da-
durch leicht der mir bis dahin noch räthselhafte Inhalt der Zellen
der Kiemenknorpel der Froschlarven, worin ich nun junge,
mit einem Kern versehene Zellen erkannte. Meckauer
und Arnold hatten schon früher Fettbläschen in den
Knorpelkörperchen gefunden. Als es mir nun bald dar-
auf gelang, bei den Kiemenknorpeln die Entstehung der
jungen Zellen innerhalb der Mutterzellen aus den Kernen
sehr wahrscheinlich zu machen, war die Sache entschie-
den. Im thierischen Körper kamen Zellen vor mit einem
Kern, in seiner Lage zur Zelle, seiner Form und ihren
Modifikationen übereinstimmend mit dem Cytoblasten der
Pflanzenzellen, eine Verdickung der Zellenwand fand statt,
und die Bildung junger Zellen innerhalb der Mutterzelle
aus einem ähnlichen Cytoblasten und deren Wachsthum ohne
Gefäſszusammenhang war nachgewiesen. Viele Einzelhei-
ten erweiterten noch diese Uebereinstimmung, und für die-
sen einzelnen Theil war der oben verlangte Beweis gelie-
fert, daſs diese Zellen den Elementarzellen der Pflanzen
entsprechen. Ich vermuthete nun gleich, daſs die Zellen-
bildung ein weiter verbreitetes, vielleicht allgemeines Prin-
cip für die Bildung organischer Substanzen sei. Es wa-
ren schon mehrere Zellen zum Theil mit Kernen bekannt,
z. B. beim Ei, beim Epithelium, Pigment, Blutkörperchen
u. s. w. Es lag nahe, diese bekannten Zellen unter Einem
Gesichtspunkt zusammenzufassen und z. B. die Blutkörper-
[10] chen mit den Epitheliumzellen zu parallelisiren, und diese
so wie die Knorpel- und Pflanzenzellen als einander ent-
sprechend und als Realisirungen jenes gemeinschaftlichen
Princips zu betrachten. Dieſs war um so wahrscheinli-
cher, als schon mehrere ähnliche Momente des Entwicklungs-
ganges dieser Zellen bekannt waren. C. H. Schultz
hatte schon die Präexistenz der Kerne der Blutkörperchen,
die Bildung der Bläschen um dieselben und die allmählige
Ausdehnung dieser Bläschen nachgewiesen. Henle hatte
das allmählige Wachsthum des Volumens der Epi-
dermiszellen von den untern Epidermisschichten ge-
gen die obern hin beobachtet. Das von Purkinje
beobachtete Wachsthum des Keimbläschens diente auch
Anfangs als Beispiel vom Wachsthum einer Zelle in-
nerhalb einer anderen, obgleich es später wahrschein-
licher wurde, daſs es nicht die Bedeutung einer Zelle,
sondern eines Zellenkerns hat, und dadurch den Beweis
lieferte, daſs nicht alles, was Zelle ist, auch den Pflanzen-
zellen entspricht. Man müſste ein eigenes Wort für diese
den Pflanzenzellen entsprechenden Zellen festsetzen, etwa
Elementarzellen oder Vegetationszellen. Bei der weiteren
Ausdehnung der Untersuchung fand sich nun jenes Pincip
der Zellenbildung immer weiter realisirt. Die Keimhaut
zeigte sich bald ganz aus Zellen gebildet, und bald fanden
sich die Zellenkerne und später auch die Zellen in allen
Geweben des thierischen Körpers bei ihrer Entstehung, so
daſs alle Gewebe aus Zellen bestehen oder sich auf verschie-
dene Weise aus Zellen hervorbilden. Damit war auch der
andere Beweis für die Analogie der thierischen und pflanz-
lichen Zellen geliefert.


Im Folgenden werde ich bei der Mittheilung der ein-
zelnen Beobachtungen denselben Gang beibehalten und da-
her zunächst von der Structur und dem Wachsthum der Chorda
dorsalis und der Knorpel sprechen, und im zweiten Ab-
schnitt die Keimhaut und die übrigen Gewebe abhandeln.
Leider standen mir nur erwachsene Froschlarven frisch zu
Gebote, wie sie im October und November zu haben sind.


[[11]]

I. Abschnitt.
Ueber die Structur und das Wachsthum der
Chorda dorsalis und der Knorpel.


1. Chorda dorsalis.


Die Chorda dorsalis liegt bei den Froschlarven, wie bei
den Fischen in oder bei einigen unter den Körpern der
Wirbel und setzt sich hinter dem Steiſsbein in der ganzen
Länge des Schwanzes fort. Sie ist von einer festen Scheide
umschlossen und bildet einen spindelförmigen konsistent
gallertartigen durchscheinenden Strang, der am Anfange
des Schwanzes am dicksten ist und von da nach beiden
Seiten bis zum Schädel und zur Schwanzspitze allmählig
sich verschmälert. An dem frisch getödteten Thiere läſst
sie sich nicht gut im Zusammenhange lostrennen, wohl
aber lassen sich dann am besten feine Querschnitte der-
selben erhalten. Läſst man das Thier 24 Stunden oder
länger nach seinem Tode in Wasser liegen und schneidet
dann den Schwanz an seiner Ursprungstelle durch, so
kann man die Chorda dorsalis durch leises Streichen von
der Schwanzspitze oder vom Kopfe gegen die Wunde hin
ohne Schwierigkeit ganz herausdrücken. Da dieſs nicht
gelingt, wenn man das Thier ebensolange nach seinem
Tode auſser Wasser liegen läſst, so scheint die leichtere
Trennbarkeit der Chorda dorsalis bloſs auf einem Eindrin-
gen des Wassers zwischen sie und ihre Scheide, die festere
Verbindung derselben aber im frischen Zustande nur auf
einer innigern Berührung, einer Einkeilung der Chorda dor-
[12] salis zu beruhen, nicht auf einer Gefäſsverbindung und
ich vermuthe, daſs sie keine Gefäſse enthält. Mikrosko-
pisch betrachtet zeigt sie sich, wie J. Müller bei den
Fischen entdeckt hat, in ihrem Innern von einem zelli-
gen Gefüge, auſsen mit einer verhältniſsmäſsig dünnen
Rinde umgeben, die mit zerstreuten Körnern besetzt ist.
Das Innere gleicht ganz dem parenchymatösen Zellenge-
webe der Pflanzen. Siehe Tab. I. Fig. 4. Bald erkennt
man besonders an den Berührungsstellen dreier Zellen,
daſs jede Zelle für sich von einer besondern Haut um-
schlossen ist. Die Zellen sind von sehr verschiedener
Gröſse, im Allgemeinen in der Mitte am gröſsten, nach
auſsen werden sie etwas kleiner. Sie haben eine unregel-
mäſsig polyedrische Gestalt mit meist sphärischen Flächen,
die bald nach auſsen bald gegen die Zellenhöhle hin konvex
sind. Ihre Wände sind sehr dünn, farblos, glatt, und fast
vollkommen durchsichtig, fest und wenig dehnbar. In Aetzkali
lösen sie sich sehr leicht auf. Die Rudimente der Chorda
dorsalis in den kegelförmigen Zwischenräumen der Wirbel
der Knorpelfische werden durch verdünnte oder konzentrirte
Essigsäure nicht aufgelöst. Die Chorda dorsalis der Fische
verwandelt sich nach J. Müller auch nach langem Kochen
nicht in Leim. Die Zellen der Chorda dorsalis der Frosch-
larven enthalten in ihrem Innern eine farblose, homogene
durchsichtige Flüssigkeit, die sich in der Siedhitze nicht
trübt; die geringe Trübung, die man nach dem Kochen
an der Chorda dorsalis sieht, scheint mehr in den Zellen-
wänden zu liegen, die nachher feinkörnig aussehen.


Bei der Larve von Pelobates fuscus fällt sogleich noch
eine andere Bildung auf. Bei weitem die meisten dieser
Zellen enthalten nämlich einen sehr deutlichen Kern. Er
stellt ein etwas gelblich gefärbtes Scheibchen dar, von
ovaler dem Runden sich nähernder Form, etwas kleiner
als ein Froschblutkörperchen und fast eben so platt.
Vergl. Tab. I. Fig. 4a, wo es aus der Chorda dorsalis einer
Plötze abgebildet ist. Bei den Froschlarven ist der Kern
beinahe noch einmal so groſs. Er hat einen scharfen dun-
[13] keln Rand und sieht feinkörnig aus. In diesem Scheibchen
sieht man einen, selten zwei und sehr selten drei dunkle
scharf umschriebene Flecke. Er gleicht also sowohl im
Ganzen wie in seinen Modifikationen durchaus dem Cyto-
blasten der Pflanzenzellen mit dessen Kernkörperchen und
ist mikroskopisch gar nicht davon zu unterscheiden.
Vergl. Tab. I. Fig. 4a. mit Tab. I. Fig. 1 a. Aber auch
in seiner Lage zur Zelle stimmt er mit ihm überein.
Bei sehr vielen Zellen nämlich, deren vertikale Wand von
oben gesehn wird, kann man sich überzeugen, daſs er
dicht an der innern Wandfläche der Zelle oder selbst in
der Wand eingebettet liegt. Er sieht dann aus, wie
Tab. I. Fig. 1 a' nur noch etwas platter. Doch ist es mir
noch nicht gelungen zu sehen, daſs eine Lamelle der Zel-
lenwand über seine innere Fläche wegging, was man auch
bei Pflanzen nur selten sieht. Untersucht man die äuſsere
mit zerstreuten Körnern besetzte Rinde der Chorda dor-
salis von Pelobates fuscus genauer, so erkennt man, daſs
diese Körner durchaus den Zellenkernen gleichen, nur etwa
um die Hälfte kleiner, übrigens aber oval und mit einem
Kernkörperchen versehen sind. Diese Rinde ist nicht
scharf vom eigentlichen Gewebe der Chorda dorsalis ge-
trennt und da die Zellen der letztern sich gegen die Rinde
hin schnell sehr verkleinern, so glaube ich, daſs diese
Körner der Rinde die Cytoblasten abgeplatteter Zellen
sind, welche die Rinde bilden. Zuweilen erkennt man,
wiewohl wenig deutlich bei sehr günstigem Lichte in den
Zwischenräumen zwischen diesen Kernern sehr feine Li-
nien, wo die Zellen aneinanderstoſsen, wie bei dem ge-
wöhnlichen pflasterförmigen Epithelium. Bei der chorda
dorsalis der Larve von Rana esculenta wo die Kerne in
den Zellen nicht deutlich sind, erkennt man auch in der
Rinde diese Kerne nicht; die pflasterförmige Structur aber
ist hier evident. Man muſs sich sehr hüten die Cyto-
blasten zu leugnen, wenn man sie nicht sogleich sieht.
Sie können, wie bei den Pflanzen, so auch bei den Thie-
ren einen Grad von Durchsichtigkeit erlangen, der ihre
[14] Beobachtung auſserordentlich erschwert. So konnte ich
sie bei den in den kegelförmigen Zwischenräumen der
Wirbel befindlichen Rudimenten der Chorda dorsalis eines
groſsen Cyprinus Carpio lange nicht finden, bis sie sich an
einem sehr hellen Tage zwar sehr blaſs aber durchaus
unverkennbar und mit Gewiſsheit ganz von derselben
Form, wie oben beschrieben, zeigten. Schon etwas deut-
licher waren sie bei Esox lucius und Cyprinus erythroph-
thalmus. Von dem letztern ist die Abbildung Tab. I.
Fig. 4. genommen. Bei diesen Fischen sind sie aber klei-
ner als bei den Froschlarven.


Kehren wir aber zu unserer Larve von Pelobates fus-
cus zurück. Die Zellen der Chorda dorsalis liegen hier
so dicht aneinander, daſs die Wände zweier benachbarten
Zellen sich unmittelbar berühren. Selbst wenn drei oder
mehrere Zellen zusammenstoſsen, ist dieſs meistens so
innig, daſs man nur die sich berührenden Wände bemerkt.
Zuweilen jedoch bleibt in diesem Falle ein kleiner Zwi-
schenraum, der gröſser ist, als daſs er durch die unver-
dickte Zellenwand ausgefüllt werden könnte: und hier
zeigt sich dann wie bei den Pflanzen eine Art (schein-
barer oder wirklicher?) Interzellularsubstanz oder ein In-
terzellulargang. Was die letztern betrifft, so sieht man
wenigstens zuweilen, obwohl selten, in einem solchen
Falle von Aneinanderstoſsen dreier Zellen auf einem fri-
schen Querschnitte die Zellenwände sowohl nach der Zelle
hin als nach auſsen scharf begrenzt, und zwischen ihnen
einen kleinen dreieckigen Zwischenraum, der von einer
durchsichtigen Flüssigkeit (nicht von Luft) oder wenig-
stens von einer Substanz gefüllt wird, die das Licht an-
ders bricht als die Zellenwände selbst. Ganz so, wie es
Tab. I. Fig. 1 c. von der Zwiebel abgebildet ist.


Innerhalb der Zellen der chorda dorsalis bilden sich
frei schwimmend junge Zellen, wie bei den Pflanzen. Sie
sind indessen bei den Froschlarven so durchsichtig, daſs
man sehr gute Instrumente und sehr gutes Licht braucht
um sie zu sehen. Auch ist die Zahl der Zellen, in denen
[15] sich neue bilden bei den Larven wenigstens, wie sie im
Spätherbst zu haben sind, nicht groſs. Bei den oben er-
wähnten Cyprinus-Arten und auch bei andern Fischen
sind sie aber leicht zu sehen und in groſser Zahl. So-
wohl hier als auch schwieriger bei den Froschlarven er-
kennt man in der Höhle vieler Zellen Bläschen von sehr
verschiedener Gröſse, von denen bald ein einzelnes den
gröſsten Theil der Höhle ausfüllt, bald mehrere in Einer
Zelle liegen. Tab. I. Fig. 4 b b c. Sie sind gewöhnlich
ganz rund; nicht selten stoſsen aber auch zwei zusam-
men und sind gegeneinander abgeplattet. Daſs sie frei in
der Zelle liegen geht daraus hervor, daſs sie sich ohne
zu zerreiſsen isoliren lassen. Zerrt man nämlich ein
Stückchen der Chorda dorsalis in kleinere, legt ein dünnes
Glasplättchen mit Wasser darauf und schiebt dieſs einige
Mal leise ein wenig hin und her, so gelingt es oft nach-
her auf dem Sehfeld einige solche Bläschen isolirt zu
zu treffen. Man kann sie dann rollen lassen und sich
von ihrer Kugelgestalt überzeugen. Viele Mühe habe ich
mir gegeben in ihrer Wand den Kern zu entdecken aber
ohne Erfolg. Bei den jungen Zellen der Chorda dorsalis
der oft erwähnten Froschlarven hat es oft, so lange die
Zelle nicht isolirt ist, das Ansehen als ob die junge Zelle
auch einen Kern hätte; allein hier ist eine Täuschung sehr
leicht möglich, indem ein solcher Kern einer darunter
oder darüher liegenden Zelle angehören kann. Auch
muſs man sich hüten eine beim Durchschnitt in die Chorda
dorsalis hineingeschlüpfte kugelige Epithelium-Zelle für
eine Zelle der Chorda dorsalis zu halten. An isolirten
jungen Zellen derselben habe ich noch keinen Kern, we-
nigstens nicht von der charakteristischen Form mit Zu-
verlässigkeit beobachten können. In seltenen Fällen lag
ein sehr kleines Körperchen (d d der Figur) an der in-
nern Fläche der jungen Zelle an. Ob wirklich kein Kern
vorhanden oder ob er bloſs seiner Durchsichtigkeit wegen
nicht sichtbar ist, oder ob diese Körperchen sich zum
Kern entwickeln, muſs dahin gestellt bleiben. Darin
[16] stimmt wenigstens die Chorda dorsalis mit den Pflanzen-
zellen überein, daſs junge Zellen innerhalb der alten
entstehen.


Was die Verdickung der Zellenwände anbelangt, so
scheint bei der Chorda dorsalis der Froschlarven die Zel-
lenwand immer einfach zu bleiben. Aber bei den er-
wachsenen Knochenfischen z. B. bei Cyprinus zeigt sich
eine solche und zwar in den Zellen, die in der Nähe der
Achse der kegelförmigen Zwischenräume der Wirbel liegen.
Die Zellenhöhlen werden durch diese Verdickung der
Wände immer kleiner. Die verdickten Wände oder die
Zwischensubstanz zwischen den Zellenhöhlen bestehen aus
dicht zusammenhängenden Längsfasern, zwischen denen
sich auch zuweilen sehr feine Querfasern zeigen. Die
Längsfasern laufen ununterbrochen an mehrere Zellen
vorbei; die ursprüngliche Membran jeder Zelle läſst sich
nicht mehr unterscheiden.


Um die Untersuchungen über die Chorda dorsalis zu-
sammenzufassen, kann man also sagen: Sie besteht aus
polyedrischen Zellen, die in oder an ihrer innern Wandfläche
ein mit dem Pflanzenzellenkern in seiner Form und Lage
übereinstimmendes Gebilde haben, nämlich ein ovales plattes
Scheibchen, welches ein, zwei oder sehr selten drei Kern-
körperchen enthält. Die Zellen stoſsen gewöhnlich dicht
aneinander. Zuweilen aber kommt an Stellen, wo drei
oder mehrere Zellen zusammenstoſsen eine Art Intercel-
lularsubstanz oder ein Intercellulargang vor. Innerhalb
der Zellen bilden sich neue, die Anfangs rund sind und
frei in der Mutterzelle schwimmen. Kerne von der cha-
rakteristischen Form wurden in diesen nicht mit Bestimmt-
heit beobachtet, zuweilen aber lag ein kleines Kügelchen
an der Innenfläche der jungen Zellen an. Bei den Zellen,
die sich weiter entwickeln, verschwindet die Zellenmem-
bran als etwas Selbstständiges und die Zwischensubstanz
zwischen den Zellenhöhlen, besteht gröſstentheils aus
Längsfasern.


Mit Ausnahme der Bildung dieser Fasern, deren Ent-
[17] stehung ich noch nicht untersucht habe, und des Mangels der
Kerne an den jungen Zellen stimmt das Uebrige ganz mit den
Pflanzenzellen. Es muſs unentschieden bleiben, ob bei diesen
jungen Zellen der Kern wirklich fehlt, wie er ja auch
nicht bei allen Pflanzen (z. B. vielen Akotyledonen) nachge-
wiesen ist, oder ob das kleine Körperchen, welches an
der Innenfläche einiger jungen Zellen vorkommt, der Kern
ist, der mit der Zelle wächst, wie dieſs an andern Thier-
zellen sich zeigen läſst, oder ob der Kern an den jungen
Zellen seiner Durchsichtigkeit wegen nicht sichtbar ist,
indem auch erwachsene Zellen [vorkommen], wo er zwar
bestimmt in derselben Form vorhanden, aber seiner Durch-
sichtigkeit halber auf der Grenze der Sichtbarkeit steht.


2. Knorpel.


Wichtiger für die ganze thierische Organisation ist
die Uebereinstimmung der Structur der Knorpel mit dem
Pflanzengewebe. Wir haben es hier nicht nur mit einem
weiter verbreiteten thierischen Gewebe zu thun, sondern
auch mit einem solchen, welches wenigstens in seinen
spätern Entwicklungsstufen Gefäſse enthält, daher entschie-
dener den Charakter eines thierischen Gewebes trägt. Die
einfachste Form der Knorpel zeigt sich in den Knorpeln
der Kiemenstrahlen der Fische. Löst man z. B. bei einer
Plötze einen Kiemenstrahl von dem Kiemenbogen, entfernt
durch leises Streichen die Schleimhaut, so stellt der übrig
bleibende Knorpel ein Stäbchen dar, welches von seiner
Insertionsstelle an dem Kiemenbogen gegen seine freie
Spitze hin sich verschmälert, seitlich ein wenig zusammen-
gedrückt ist und an seinen seitlichen Rändern einige
stumpfe Vorsprünge zeigt. Die Structur dieser Knorpel
ist sehr einfach. An der Spitze gleicht sie in ihrem Total-
anblick ganz dem parenchymatösen Pflanzenzellgewebe.
S. Tab. I. Fig. 5. von einer Plötze. Man sieht kleine po-
lyedrische dicht aneinander liegende Zellenhöhlen mit ab-
gerundeten Ecken. Die Zellenhöhlen werden durch äuſserst
dünne Scheidewände von einander getrennt. Der Zellen-
2
[18] inhalt ist durchsichtig und läſst an einigen Zellen schon im
frischen Zustande, an anderen erst nach der Einwirkung
von Wasser einen kleinen blassen runden körnigen Kern (a)
erkennen. Die Structur der seitlichen Vorsprünge des
Knorpels ist dieselbe wie in der Spitze, nur daſs die Zel-
len ein wenig in die Länge gezogen sind. Rückt man
nun von da gegen die Mitte fort, oder noch besser rückt
man von der Spitze gegen die Wurzel des Kiemenstrahls
fort, so sieht man, daſs allmählich die Zwischenwände der
Zellenhöhlen immer dicker werden; die Höhlen sind hier
etwas kleiner. Tab. I. Fig. 6. An den verdickten Zellenwänden
kann man nun auch unterscheiden, daſs die Zwischensub-
stanz der Zellenhöhlen nicht einfach ist, sondern aus den
besondern Wänden der aneinanderstoſsenden Zellen zu-
sammengesetzt ist. Jede Zellenhöhle nämlich zeigt sich
mit einem dicken Ring, ihrer eigenthümlichen Wand, um-
geben, dessen äuſsere Kontur bald mehr bald weniger
deutlich ist, in dem Präparate, wovon die Abbildung ge-
nommen ist, stellenweise eben so deutlich war, wie die
innere Kontur. Zwischen zwei Zellen flieſsen diese äu-
ſseren Konturen zu Einer Linie zusammen, laufen aber
auseinander, wenn die Berührung der Zellenwände auf-
hört, so daſs oft ein drei oder viereckiger mit einer glei-
chen Substanz ausgefüllter Zwischenraum c, eine Art In-
tercellularsubstanz, zwischen den Zellenwänden übrig bleibt.
In den verdickten Zellenwänden lieſs sich weiter keine
Structur, keine Schichtung und kein Unterschied zwischen
primärer Zellenmembran und sekundärer Ablagerung beob-
achten. Der Zelleninhalt bleibt auch bei der Verdickung
der Wände klar. Rückt man noch weiter gegen die Wur-
zel des Kiemenstrahls fort, so hört die Unterscheidbarkeit
der besonderen Zellenwände gröſstentheils oder ganz
auf und es bleibt nur das Ansehn einer homogenen Sub-
stanz übrig, in der nur einzelne kleine Höhlen vorkom-
men. Tab. I. Fig. 7. Nur um einzelne Zellenhöhlen
sieht man einen Ring als Spur der eigenthümlichen Zel-
lenwand. Fig. 7 b. Dieser Ring ist gewöhnlich ziemlich
[19] dünn, so daſs nicht die ganze Zwischensubstanz der Zel-
lenhöhlen von den Zellenwänden gebildet sein kann, son-
dern die Intercellularsubstanz, die in der Mitte des Kie-
menstrahls nur sehr gering war, hier wesentlich zur Bil-
dung der Knorpelsubstanz beiträgt und häufig die unmit-
telbare Berührung der Zellenwände ganz verhindert. Diese
Intercellularsubstanz scheint aber mit der Substanz der
Zellenwand homogen und flieſst an den meisten Stellen
mit den Zellenwänden zusammen. Die Zellenhöhlen, die
hier durchsichtig und ohne körniges Contentum sind, sind
nun die Knorpelkörperchen.


Der Bildungsprozeſs des Knorpels ist hier also fol-
gender. Er besteht ursprünglich aus dicht aneinanderlie-
genden Zellen, von denen aber jede ihre besondere sehr
dünne Zellenmembran hat. Dieſs folgt 1) aus der Ueber-
einstimmung des jüngsten Knorpels mit dem Pflanzenzell-
gewebe in seinem Totalanblick; 2) aus der Anwesenheit
des Zellenkerns in den jungen Knorpelzellen, eines Ge-
bildes, welches, wie wir später sehen werden, an der bei
weitem gröſsten Zahl der Zellen, die sich bei andern Ge-
weben nachweisen lassen, vorkommt; 3) aus den bei den
verdickten Zellenwänden oft deutlich erkennbaren getrenn-
ten Zellenwänden. Diese Zellenwände liegen entweder
dicht aneinander oder nur mit einer Spur von Intercellu-
larsubstanz, oder die Menge der Intercellularsubstanz ist
gröſser, so daſs sie die Berührung der einzelnen Zellen-
wände ganz verhindert. Die Wände dieser Anfangs sehr
dünnhäutigen Zellen verdicken sich. Die Höhlen der Zel-
len mit verdickten Wänden in der Mitte des Kiemenstrahls
sind zwar kleiner, als die mehr nach auſsen gelegenen Zel-
lenhöhlen mit weniger verdickten Wänden. Es ist aber
ungewiſs, ob dieſs durch eine Verdickung der Zellenwand
nach innen hervorgebracht wird, oder ob nicht vielmehr
diese Zellen in ihrer Uranlage kleiner waren. An diesen
Verdickungen läſst sich keine Schichtung, noch eine Ver-
schiedenheit von der unsprünglichen Zellenmembran erken-
nen. Die verdickten Zellenwände flieſsen zuletzt unter einan-
2*
[20] der oder mit der Intercellularsubstanz zu einer homogenen Sub-
stanz zusammen, in der nur die Zellenhöhlen als einzelne kleine
mit einer durchsichtigen Substanz gefüllte Höhlen erkennbar
bleiben, und diese Zellenhöhlen sind die Knorpelkörperchen.


Die Manichfaltigkeit der Form, welche die Knor-
pelkörperchen oft zeigen, kann hier nicht irre machen;
denn wenn man die Kiemenstrahlen eines sehr groſsen
Hechtes untersucht, so kann man den allmählichen Ueber-
gang verfolgen von den dünnwändigen fast kugeligen Zel-
len zu den verschiedensten Formen, wo die lang gezoge-
nen Reste der Zellenhöhlen dem Knorpel fast ein faseri-
ges Ansehen geben.


Dieser höchst einfache Prozeſs der Knorpelbildung
wiederholt sich in allen Knorpeln, jedoch mit nicht un-
bedeutenden Modifikationen. Diese Modifikationen, deren
Grundtypus schon an den beschriebenen Knorpeln der
Kiemenstrahlen der Fische angedeutet ist, beziehen sich
hauptsächlich darauf, ob die Zwischensubstanz der Zellen-
höhlen oder Knorpelkörperchen vorzugsweise von den
verdickten Zellenwänden oder von der Intercellularsub-
stanz gebildet wird. Wir haben gesehen, daſs in der Mitte
der Kiemenstrahlen der Fische diese Zwischensubstanz
fast nur von den verdickten Zellenwänden mit einem Mi-
nimum von Intercellularsubstanz gebildet wurde, daſs an
der Wurzel derselben, also bei dem zuerst gebildeten
Knorpel, die Intercellularsubstanz überwog, und die we-
niger verdickten Zellenwände weniger zur Bildung der
eigentlichen Knorpelsubstanz beitrugen. Bei den meisten
ossifizirenden Knorpeln, und namentlich bei den Knorpeln
der höheren Thiere, scheinen nun die Wände der Zellen
wenig oder gar nichts zur Bildung der Knorpelsubstanz
beizutragen. Eine Verdickung der Zellenwände habe ich
bei Säugethierknorpeln noch nicht beobachtet, und die
Knorpelkörperchen scheinen hier die ganzen Zellen zu
sein. Sie haben, wie die meisten Zellen, an ihrer inne-
ren Wandfläche einen Kern, der gewöhnlich noch ein
oder zwei Kernkörperchen enthält. Ich habe indessen
[21] die Knorpel der höheren Thiere von dem dieser Abhand-
lung zu Grunde liegenden Gesichtspunkte aus weniger
untersucht, und mich vorzugsweise an die Kiemen- und
Schädelknorpel der Froschlarven gehalten, wo die Gröſse
der Zellen die Untersuchung sehr erleichtert.


Die Knorpel der Kiemenbogen der Froschlarven beste-
hen eben so wie die Knorpel der Kiemenstrahlen der Fi-
sche aus Zellen, die aber weit gröſser sind als bei den Fi-
schen, aber kleiner als die Zellen der chorda dorsalis,
mit denen sie sonst in ihrem Totalanblick viele Aehnlich-
keit haben. Die Zwischenwände der Zellen sind dicker,
als bei der chorda dorsalis, im Vergleich mit der Zellen-
höhle aber noch dünn zu nennen. Siehe Tab. I. Fig. 8.
Betrachtet man die Zellenwände genauer, so sieht man,
daſs gewöhnlich je zwei, drei oder vier Zellenhöhlen näher
aneinanderliegen, durch weniger dicke Wände von einander,
aber durch eine gemeinsame dickere Wand von den übri-
gen Zellen getrennt. Dieſs kann entweder daher rühren,
daſs sich je zwei bis vier Zellen in einer gröſsern Zelle,
deren Wände schon verdickt waren, entwickelt haben oder
daher, daſs je zwei bis vier Zellen in einer solchen wech-
selseitigen Einwirkung aufeinanderstehen, daſs die Verdik-
kung der Zellenwände am stärksten an den Stellen vor
sich geht, wo sie sich nicht einander berühren. Eine
solche bloſs einseitige Verdickung der Zellenwände kommt
auch bei den Pflanzenzellen z. B. bei der Bildung der
Cuticula vor. Da ich keine ganz jungen Froschlarven
hatte, so lieſs sich die Sache nicht bestimmt entscheiden.
Die verschiedene Entwicklung der Intercellularsubstanz
zwischen den Zellen scheint hier nicht die Ursache der
unregelmäſsigen Vertheilung der Zellenhöhlen in der Knor-
pelsubstanz zu sein. Denn an Stellen, wo drei dieser ver-
mutheten Mutterzellen zusammenstoſsen, erkennt man oft
noch die Scheidungslinien dieser Zellen oder ihre äuſsern
Konturen angedeutet, die zuweilen einen ganz kleinen drei-
eckigen Zwischenraum lassen, der aber von einer ähnlichen
Substanz ausgefüllt wird, wie die, woraus die Zellenwand be-
[22] steht. Siehe Tab. I. Fig. 8 a. Diese Andeutung der ursprüng-
lichen Konturen beweist, daſs die Zellen dieser Knorpel
nicht bloſse Aushöhlungen der Substanz, sondern von einer
besondern Wand umschlossene Höhlen sind. Diese Zellen-
wände befinden sich aber nicht mehr in ihrem ursprüng-
lichen Zustande, sondern sind offenbar schon verdickt.
In diesen verdickten Zellenwänden bemerkt man an vielen
Stellen einige parallele Linien und man könnte auf die
Vermuthung kommen, daſs hier die Verdickung wirklich
durch eine schichtenweise Ablagerung der Substanz auf
der innern Fläche der Zellenwand bewirkt werde. Man
muſs hierbei aber bedenken, daſs jede Zwischenwand
zweier Zellen schon aus zwei Schichten bestehen muſs,
wovon jede der Wand der entsprechenden Zelle entspricht.
Da eine solche anscheinende Schichtung nur in den dicken
Wänden zwischen zwei Zellengruppen vorkommt und diese
Gruppen vielleicht dadurch entstehn, daſs sich zwei bis vier
Zellen in Einer Mutterzelle gebildet haben, so muſs, dieſs
vorausgesetzt, jede Hälfte der Zwischenwand zweier Gruppen
wieder aus zwei Schichten bestehn, von denen die eine der
Wand der Mutterzelle, die andere der Wand der sekundären
Zelle entspricht, so daſs also jede Zwischenwand zweier
Gruppen aus vier Schichten bestehn muſs. Wenn es nun
zwar auch scheint, daſs mehr Schichten vorhanden sind,
so muſs ich doch bemerken, daſs diese Beobachtungen
zum Beweise eines für den Ernährungsprozeſs so wichti-
gen Faktums bei weitem nicht überzeugend genug sind,
und daſs ich die schichtenweise Ablagerung der Substanz
dadurch nicht erwiesen glaube, ja nicht einmal für wahr-
scheinlich halte. Jenes Phänomen kann vielleicht eine
optische Täuschung sein. Wie oben erwähnt, wurde
bei den Knorpeln der Kiemenstrahlen der Fische kein
Unterschied zwischen primärer Zellenmembran und se-
kundärer Verdickung gefunden, sondern es schien eine
wirkliche Verdickung der Zellenmembran statt zu finden.
Bei den Kiemenknorpeln der Froschlarven ist ebenfalls
kein solcher Unterschied zu bemerken.


[23]

Nimmt man die oben beschriebenen Zellengruppen
als dadurch entstanden an, daſs sich sekundäre Zellen in
einer primären Mutterzelle gebildet haben, so haben sich
doch nicht in allen primären Zellen sekundäre entwickelt,
die die Mutterzelle vollständig ausfüllen, sondern bei der
Larve von Pelobates fuscus fallen in den Kiemenknorpeln
sogleich einzelne Zellen auf, die etwas gröſser sind als
die sekundären Zellen, aber kleiner als die übrigen pri-
mären Zellen, und sich auch, wie wir sogleich sehen
werden, durch ihren Inhalt auszeichnen.


Die Zellen der Kiemenknorpel der Larve von Pelo-
bates fuscus enthalten nämlich in ihrem Innern einen oder
mehrere Kerne. Fig. 8 d. Diese Kerne, die sich leicht
isoliren lassen, sind wenig oval oder vollkommen kugel-
rund, bald mehr bald weniger granulös und gelblich und
wie es scheint, hohl. Sie enthalten in sich einen oder
zwei sehr distinkte runde dunkle Kernkörperchen, welche
im Innern derselben dicht an ihrer Wand oder doch in
deren Nähe liegen. Die Kerne scheinen wenigstens zum Theil
frei in der Zellenhöhle zu liegen, da sie sich leicht isolirt
erhalten lassen. Die oben erwähnten primären Zellen der
Larven von Pelobates fuscus, in denen sich keine die
Mutterzelle ganz ausfüllende sekundäre Zellen entwickelt
haben, enthalten gewöhnlich auch mehrere solche Kerne,
und auſserdem eine oder mehrere junge Zellen. Solche
junge Zellen sind Tab. I. Fig. 8 f f. aus den Kiemenknor-
peln der Larve von Rana esculenta abgebildet. Es sind
runde Bläschen, die an der innern Fläche ihrer Wand,
niemals central, einen Kern enthalten ganz von derselben
Form und Gröſse wie die freiliegenden Kerne. Nie fehlt
in den jungen Zellen dieser Kern. Die Zellen aber sind
verschiedener Gröſse, einige kaum gröſser als der in ihnen
enthaltene Kern, andere zwei bis dreimal im Durchmesser
gröſser. Gewöhnlich liegen in einer solchen primären
Zelle ein bis drei solcher jungen Zellen von verschiedener
Entwicklungsstufe, und zuweilen platten sie sich wegen
Mangels an Raum in der Zelle ab. In den Kiemenknor-
[24] peln der Larve von Rana esculenta enthalten, wie die
Figur zeigt, die meisten sekundären Zellen solche junge
Zellen und nur wenige bloſse Kerne, ja in einigen dieser
jungen Zellen kommt noch ein zweiter etwas blasserer
Kern vor. Diese jungen Zellen liegen frei in der Mutter-
zelle und lassen sich auf dieselbe Weise isolirt erhalten,
wie es bei der chorda dorsalis angegeben wurde. Sie
scheinen Anfangs vollkommen durchsichtig zu sein; all-
mählig aber erhalten sie ein körniges gelbliches Ansehn
und merkwürdig ist, daſs dieser gelbliche Niederschlag
sich gewöhnlich oder immer zuerst in der Umgebung des
Kernes bildet.


Das Vorkommen bloſser Kerne, das Vorkommen von
Zellen, die einen Kern von derselben Gestalt und Gröſse
an ihrer innern Wandfläche enthalten und nur wenig grö-
ſser sind als der Kern und die Beobachtung aller Ueber-
gangsstufen bis zu den Zellen, die vielmal gröſser sind
als der Kern, gewähren ein vollständiges Bild der Ent-
wicklung der Zellen, die mit der Entwicklung der Pflan-
zenzellen übereinstimmt. Es sind zuerst bloſse Kerne da.
Wenn diese ihre vollständige Gröſse erreicht haben, so
bildet sich um sie, und sie enge umschlieſsend, die Zelle;
diese dehnt sich immer mehr aus und der Kern bleibt
lange Zeit unverändert in Form und Gröſse an ihrer in-
nern Wandfläche anliegen. Es sind nämlich folgende drei
Fälle denkbar: entweder die Zelle entwickelt sich zuerst
und nachher der Kern oder beide entwickeln sich gleich-
zeitig oder der Kern entwickelt sich zuerst und um ihn
die Zelle. Das Erste, daſs die Zellen sich früher ent-
wickeln als die Kerne, ist nicht möglich, weil man dann
Zellen auf einer gewissen Entwicklungsstufe ohne Kerne
finden müſste. Die gleichzeitige Entwicklung einer Zelle
mit ihrem Kern als zwei unterscheidbarer Gebilde ist eben-
sowenig möglich, weil man dann die Entwicklungsstufen
beobachten müſste, wo Zelle und Kern noch nicht die
Gröſse der gewöhnlichen Kerne haben. Denkbar wäre
indessen hier der Fall, daſs Kern und Zelle sich zwar
[25] gleichzeitig entwickeln, aber die Zelle bis zur vollständi-
gen Entwicklung des Kerns diesen so dicht umschlieſst,
daſs sie als etwas Getrenntes nicht unterschieden werden
kann. Diese Erklärung ist sowohl bei den Knorpeln als
bei den Pflanzenzellen möglich, läſst sich aber solange
nicht behaupten, als nicht die Duplicität der Wand des
Kerns nachgewiesen ist. Wollen wir nicht über die Beob-
achtung hinausgehn, so bleibt uns nur der dritte Fall
übrig, daſs der Kern zuerst da ist und sich um ihn die
Zelle bildet. Diese Bildung der Zelle um den Kern kann
dann entweder so erklärt werden, daſs der Kern gleich
bei seiner Bildung eine doppelte Wand hat, von denen,
wenn der Kern eine bestimmte Gröſse erreicht hat, sich
die äuſsere zu einer Zelle ausdehnt oder, was wahrschein-
licher ist, auf einer gewissen Entwicklungsstufe des Kerns
spaltet sich seine Wand in zwei Lamellen oder es konden-
sirt sich auf seiner äuſsern Fläche eine neue Schichte
festerer Substanz und entweder diese äuſsere Lamelle oder
diese neue Schichte dehnt sich zur Zelle aus. Jedenfalls
stimmen die Beobachtungen über die Entstehung der jun-
gen Zellen in den Knorpeln mit den Beobachtungen von
Schleiden über die Entstehung der Pflanzenzellen über-
ein. Auch darin liegt eine Uebereinstimmung, daſs sich
jüngere Zellen in den schon gebildeten Zellen entwickeln.
Ich will nicht behaupten, daſs diese jungen Zellen wirk-
lich Knorpelzellen sind; allein darin liegt auch nicht die
Uebereinstimmung, sondern bloſs in der Entwicklung von
Zellen in Zellen. Stimmten bei den Phanerogamen, wo
sich nach Schleiden nur Zellen in Zellen bilden, die
jungen Zellen immer mit den alten überein, so könnte
nie eine Differenz in den Zellen zu Stande kommen *). Bei
[26] den Knorpeln entwickeln sich die jungen Zellen aus den
Kernen erst dann, wenn diese ihre gewöhnliche Gröſse
erreicht haben. Es liegt aber nichts Widersprechendes
darin und läſst sich an andern thierischen Geweben nach-
weisen, daſs auch die Kerne noch eine Zeit lang mit den
Zellen, aber schwächer als diese, wachsen können. Die
Zellen dehnen sich nun immer mehr und manchmal so
weit als der Raum der Mutterzelle oder anstoſsende junge
Zellen es gestatten, aus, und platten sich, wo sie ein
Hinderniſs finden, ab. Die Uebereinstimmung der Form
der jungen Knorpelzellen und der jungen Pflanzen-Zellen
zeigt sich in einen Vergleich von Tab. I. Fig. 8 f. mit
Fig. 2 b.


Die eigentlichen Knorpelzellen, welche entweder selbst
die Knorpelkörperchen sind, oder deren Höhlen, wenn
ihre Wände verdickt und unter einander und mit der In-
tercellularsubstanz verschmolzen sind, die Knorpelkörper-
chen darstellen, scheinen ebenfalls aus Kernen zu ent-
stehen, wie wenigstens aus dem wie es scheint kon-
stanten Vorkommen der Kerne in den jungen und mei-
stens auch in den mehr erwachsenen Knorpeln, selbst der
Säugethiere, wahrscheinlich wird. Später wird, wie bei
den Pflanzen so auch hier, der Kern meistens resorbirt.
Bei den Knorpeln der Kiemenstrahlen der Fische zeigen
sich nach der Einwirkung des Wassers die Kerne nur in
den jungen Zellen, seltener in denen, wo die Wände schon
sehr bedeutend verdickt sind. Bei den Kiemenknorpeln
der Froschlarven sieht man in vielen Zellen einen kleinen
Kern mit zerrissenen Konturen, welches wahrscheinlich
der in der Resorption begriffene Cytoblast dieser Zelle
ist. Diese Cytoblasten der eigentlichen Knorpelzellen lie-
gen, auch wenn die Wand der Zelle verdickt ist, immer
in der Höhle der Zelle, ohne daſs sich unterscheiden läſst,
*)
[27] ob er noch mit der Wand zusammenhängt oder frei liegt.
Hiervon ist eine doppelte Erklärung möglich; entweder
der Cytoblast trennt sich nach vollendeter Bildung der
Zellenmembran von der Wand und fällt frei in die Zellen-
höhle, wie es auch bei den Pflanzen geschieht, und nun
erst tritt eine sekundäre Ablagerung von Substanz auf
die Zellenwand ein, oder die Verdickung der Zellenwand
ist eine wirkliche Verdickung der ursprünglichen Zellen-
membran und so wird der Kern nach innen geschoben
und kann mit der Wand in Verbindung bleiben. Träte
eine sekundäre Ablagerung von Substanz auf der Zellen-
membran ein, bevor sich der Kern von ihr gelöst hat, so
müſste der Kern in der verdickten Wand eingeschlossen
sein, nicht in der Zellenhöhle liegen. Man sieht aus der
Möglichkeit dieser beiden [Erklärungen], daſs sich aus der
Lage des Cytoblasten kein Schluſs darüber ziehen läſst,
ob die Verdickung der Zellenwand eine sekundäre Abla-
gerung oder eine wirkliche Verdickung der Zellenmembran
ist. Wenn in Einer Knorpelzelle mehr als Ein Kern vor-
kommt, so sind die übrigen oder wenn der Cytoblast der
Zelle resorbirt ist, alle diese Kerne wahrscheinlich die
Grundlage neuer Zellen, die aber nicht zur Entwicklung
gekommen sind. Dasselbe zeigt sich oft bei den Pflanzen.
Die Mehrzahl dieser Kerne hat bei den Kiemenknorpeln
der Froschlarven dieselbe Gröſse; viele, wahrscheinlich
noch nicht vollkommen ausgebildete, sind kleiner. Es
kommt hier aber auch vor, daſs sich ein Kern sehr be-
deutend, um das Drei- bis Vierfache ausdehnt. Man könnte
solche Kerne für junge Zellen ohne Kerne halten. Allein
sie sind an ihrem Habitus bald erkennbar. Sie sind durch-
sichtiger und zarter und zeigen deutlich ein oder zwei
Kernkörperchen, die sehr deutlich an ihnen sichtbar und,
wenn ihrer zwei sind, weiter auseinandergerückt sind.
Eine solche bedeutende Vergröſserung des Kerns kommt
nach Schleiden auch bei den Pflanzen vor und es ist
dieſs eine auffallende Uebereinstimmung in, wie es scheint,
sehr unwesentlichen Sachen. Es scheint eine Art Abortus
[28] des Kerns zu sein; denn noch nie sah ich um einen sol-
chen Kern sich eine Zelle bilden.


Bei den Kiemenknorpeln der Froschlarven sahen wir
die äuſsern Konturen der Wände einzelner Zellen noch
spurweise erkennbar und die Wände im Verhältniſs zur
Zellenhöhle noch wenig verdickt. Untersucht man nun
die Schädelknorpel derselben Larven von gleichem Alter,
so ist der Knorpelbildungsprozeſs schon weiter fortge-
schritten. Die Zellenhöhlen sind kleiner, es zeigt sich
ein weit gröſserer Zwischenraum zwischen den Zellen-
höhlen und dieser Zwischenraum oder die eigentliche Knor-
pelsubstanz bildet eine homogene Masse. Siehe Tab. I.
Fig. 9. Es ist offenbar derselbe Prozeſs, der sich bei den
Kiemenstrahlen der Fische an demselben Knorpel nach-
weisen lieſs, wenn man das Präparat von der Spitze des
Kiemenstrahls gegen seine Wurzel hin untersuchte (Vergl.
Tab. I. Fig. 5 — 7.). Die Zellenwände haben sich entwe-
der mehr verdickt oder die Interzellularsubstanz hat zu-
genommen. Die Zellenhöhle ist entweder dadurch verengt
worden oder war ursprünglich enger, und endlich sind
die Wände der verschiedenen Zellen unter einander und
mit der Intercellularsubstanz verschmolzen. In der That
denkt man sich, daſs diese bei den Fischen nachge-
wiesenen Prozesse an den Kiemenknorpeln Tab. I.
Fig. 8. vor sich gingen, so würde man die Schädel-
knorpel dieser Larven Tab. I. Fig. 9. erhalten. Der Un-
terschied in der Dicke der Wände an verschiedenen
Seiten Einer Zelle, ist auch hier noch erkennbar. Die
einzelnen Reste der Zellenhöhlen liegen gruppenweise
zusammen und die dicken Wände, wodurch schon bei den
Kiemenknorpeln eine Gruppe von der andern getrennt
wurde, sind bei den Schädelknorpeln vorzugsweise ver-
dickt, während die Scheidewände Einer Gruppe oft nur
wenig verdickt sind. So ist namentlich der Uebergang
der Gruppe b Fig. 8. in die Gruppe a Fig. 9. sehr auf-
fallend; es fehlt in der letztern nur, daſs sich in den
Zellenhöhlen keine junge Zellen entsprechend den Zellen f
[29] Fig. 8. entwickelt haben, sondern bloſse Kerne da sind
entsprechend d Fig. 8. Ob und wie viel die Verdickung
der Zellenwände und wie viel die Intercellularsubstanz
hier zur Bildung der Zwischensubstanz zwischen den Zel-
lenhöhlen beigetragen hat, läſst sich nicht unterschei-
den. Wie aber bei den Kiemenknorpeln primäre Zel-
len vorkommen, die nur lose, die Höhle nicht ganz
ausfüllende, junge Zellen enthalten, z. B. Fig. 8 i, so
scheint dieſs auch bei den Schädelknorpeln vorzukom-
men Fig. 9 b. Doch ist dieser Fall selten ganz deutlich
und über allen Zweifel erhaben. Auffallend ist nun die
Aehnlichkeit der Gruppe a Fig. 9. mit Tab. I. Fig. 3. wo
sich bei einer Pflanze 4 junge Zellen in Einer Mutter-
zelle entwickelt haben und die verdickten Wände derselben
untereinander und mit den Wänden der Mutterzelle ver-
schmolzen sind, so daſs nur die vier Höhlen in einer
gleichartigen Substanz übrig bleiben. Die Reste der Zellen-
höhlen der Schädelknorpel sind mit einer körnigen gelb-
lichen Substanz ausgefüllt, in der ein oder mehrere Kerne
oder junge mit einem Kern versehene Zellen liegen, und
diese Reste der Zellenhöhlen sind die von Purkinje
entdeckten Knorpelkörperchen.


Die Knorpelkörperchen sind also im Allgemeinen ent-
weder die eigentlichen Knorpelzellen selbst oder bloſs ihre
Höhlen: das erstere dann, wenn die Wände der Knorpel-
zellen sich nicht verdicken und mit der Intercellularsub-
stanz nicht verschmelzen, das zweite dann, wenn eine
solche Verdickung und Verschmelzung der Zellenwände
eintritt. Ob das Erstere, das Persistiren getrennter Zel-
lenwände, als etwas Bleibendes vorkommt, davon bin ich
nicht ganz überzeugt. Die Knorpelkörperchen als Zellen
oder Zellenreste enthalten zunächst ihren eigenthümlichen
Kern oder [Cytoblasten]. Dieser wird entweder später re-
sorbirt oder dauert rudimentär selbst noch nach der Ver-
knöcherung fort, so daſs man nach dem Ausziehen der
Kalkerde mit Salzsäure noch eine Spur desselben sieht.
Häufig, besonders in nicht verknöcherten Knorpeln, bilden
[30] sich in den Zellenhöhlen oder Knorpelkörperchen noch
ein oder mehrere Kerne, und zuweilen bilden eine oder
mehrere derselben um sich junge Zellen, die in der Höhle
des Knorpelkörperchens liegen und diese zum Theil oder
ganz ausfüllen. Die Knorpelkörperchen liegen entweder
gleichmäſsig durch die Knorpelsubstanz zerstreut, oder
gruppenweise zu zwei bis vier zusammen. Von der letz-
ten Anordnung ist es nicht ganz klar, ob sie durch Ent-
wicklung jeder Zellengruppe in einer Mutterzelle, oder
durch unregelmäſsige Verdickung der Zellenwände nach
verschiedenen Seiten hin hervorgebracht wird, oder ob die
Intercellularsubstanz wesentlichen Antheil daran hat. Die
Knorpelkörperchen liegen um so dichter zusammen, je jün-
ger der Knorpel ist. Ob mit der Zunahme der eigentli-
chen Knorpelsubstanz zwischen den Knorpelkörperchen
eine Verkleinerung dieser verbunden ist, ist für die Fälle,
wo eine Verdickung der Zellenwände statt findet, nicht
ausgemacht. Bei den verknöchernden Knorpeln der Säu-
gethiere scheint eine solche Verkleinerung nicht statt zu
finden.


Die bisher beschriebenen Prozesse der Knorpelbildung
gehn, wie es scheint, vor sich, ohne daſs Gefäſse in dem
Knorpel sind; wenigstens findet dieſs bei dünnen Knorpeln
Statt, zu denen wahrscheinlich die Blutflüssigkeit aus den
Gefaſsen der benachbarten Gewebe dringen kann. Denn
an den Kiemenstrahlen der Fische z. B. konnte ich kei-
nen Raum finden, wo sich Gefäſse hätten befinden können,
da überall bloſs Knorpelmasse und Knorpelkörperchen
waren, und keine Kanälchen, in denen Gefäſse hätten ver-
laufen können. Ueber die Entstehung der Markkanälchen
und der konzentrischen Schichten in den ossifizirenden
Knorpeln habe ich noch keine Untersuchungen angestellt.
Aus den pag. 23 erwähnten sich besonders auszeichnenden
Zellen mögen vielleicht später die Höhlen der Knorpel
entstehn.


Die Knorpel des Fötus stimmen chemisch nicht ganz
mit den Knorpeln des Erwachsenen überein, indem sie
[31] beim Kochen nur sehr schwer eine wenig leimartige Sub-
stanz, aber keinen gelatinirenden Leim geben. Von meh-
reren Schweineembryonen, die von der Schnauzenspitze bis
zur Schwanzwurzel 3½ Zoll maſsen, wurden einige nicht
ossifizirte Knorpel, nämlich einige Apophysen der Schen-
kelknochen und der knorpelige Theil der Schulterblätter
gekocht. Nach 12 Stunden waren die Knorpel ganz in
sehr kleine Blättchen zerfallen, die, in Wasser umgerührt,
diesem ein schillerndes Ansehn gaben und unter dem Mi-
kroskop äuſserst dünn und körnig erschienen. Die Flüs-
sigkeit, filtrirt und beinahe zur Trockenheit abgedampft,
gerann nicht. Sie wurde von Alhohol stark gefüllt. Die-
ser Niederschlag wurde getrocknet und dann in kochen-
dem Wasser gelöst und dann nicht ganz zum Trocknen
abgedampft. Aber auch jetzt trat keine Gerinnung ein.
Alaun und viel schwächer auch Essigsäure trübten diese
Flüssigkeit aber. Da die Menge des angewandten Knor-
pels zu gering war, so stellte ich den Versuch mit schon
verknöcherten Knorpeln derselben Embryonen an, näm-
lich mit den Stirnbeinen, Scheitelbeinen, Schulterblättern,
Oberarm, Oberschenkel und einigen Rippen. An allen war
das noch nicht ossifizirte möglichst rein entfernt. Die
Kalkerde wurde mit Salzsäure ausgezogen. Die Knorpel
dann mit Wasser ausgewaschen und 24 Stunden gekocht,
Sie zerfielen dabei nur sehr langsam, indem viele schil-
lernde Blättchen sich in der Flüssigkeit zeigten, die nach
dem Trocknen wie sehr feine Fischschuppen aussahen
und ein schönes Farbenspiel zeigten. Es waren vielleicht
die von Deusch beschriebenen Lamellen, welche die fei-
nen Markkanälchen umgeben. Bei den meisten Knorpel-
stückchen aber blieb die Form noch durchaus erkennbar
und wenig verändert. Sie sahen gelblich weiſs aus, gar
nicht gallertartig, wie gewöhnlich Substanzen, die im Be-
griffe sind, sich in Leim zu verwandeln. Die Flüssigkeit
wurde von diesen Blättchen und Knorpelstückchen abfil-
trirt und dann bis beinahe zum Trocknen abgedampft.
Sie zeigte nach 24 Stunden keine Spur von Gerinnung.
[32] Nachdem sie eingetrocknet war, wurde sie in kochendem
Wasser wieder aufgelöst, wobei aber ein Rückstand unge-
löst blieb. Es wurde daher filtrirt, das Filtrat wurde mit
Alaun stark gefüllt und der Niederschlag löste sich gröſs-
tentheils, doch nicht ganz, in überschüssig zugesetztem
Alaun. Essigsäure trübte die Flüssigkeit ebenfalls stark,
und überschüssige Essigsäure hob diese Trübung nicht
wieder auf. Galläpfeltinktur fällte stark und Essigsäure
löste diesen Niederschlag wieder auf, mit Hinterlassung einer
sehr geringen Trübung. (Essigsäure löst den von Tisch-
lerleim durch Galläpfeltinktur erhaltenen Niederschlag eben-
falls und zwar vollständig wieder auf, daher der Tischler-
leim aus einer essigsauren Auflösung gar nicht von Gall-
äpfeltinktur gefällt wird.) Nach diesen Reaktionen scheint
die erhaltene leimartige Substanz Chondrin zu sein, ob-
gleich sie aus verknöchertem Knorpel genommen wurde.
Es entsteht daher die Frage: giebt die mit Kalkerde ver-
bundene Knorpelsubstanz des Fötus wirklich statt Kno-
chenleim Chondrin, oder war in dem scheinbar verknö-
cherten Knorpel noch viel unverknöcherter enthalten und
rührt das Chondrin nur von diesem her? Es lieſs sich
nicht ausmitteln, ob in der erhaltenen Leimlösung auch
Knochenleim war oder nicht. Dieser Punkt ist jedenfalls
einer erneuten Untersuchung werth. Merkwürdig bleibt
es immer, daſs die Fötalknorpel von kochendem Wasser
so sehr schwer angegriffen werden, und dabei zwar ein
wenig leimartiger Substanz, aber keinen gelatinirenden
Leim geben.


Von groſsem Interesse ist nun die Untersuchung der
Art, wie die Verknöcherung vor sich geht. Man unter-
sucht dieſs am besten, indem man von den halbverknö-
cherten Knorpeln der Extremitäten oder Wirbel oder des
Schwanzbeins der Larve von Pelobates fuscus mit einem
Rasirmesser recht feine Durchschnitte macht. Man sieht
dann in den unverknöcherten Knorpeln bald die kleinen,
nicht ineinander geschachtelten Knorpelzellen meist mit
einem Kern in ihren Höhlen, in der eigentlichen Knorpel-
[33] substanz, von der ich nicht weiſs, ob sie hier durch die
Verdickung der Zellenwände oder durch die Intercellular-
substanz gebildet wird. Die Kalkerde lagert sich nun zu-
nächst in der eigentlichen Knorpelsubstanz ab. Sie er-
scheint zuerst als einzelne äuſsert kleine dunkle Körnchen,
wobei zuweilen eine undeutliche bogenförmige Streifung
zum Vorschein kommt. Zuweilen liegen diese Kalkpünkt-
chen zu gröſsern unregelmäſsigen Haufen in der Knor-
pelsubstanz vereinigt. Ob diese einem bloſsen Depositum
nicht unähnlichen Ablagerungen reine, nicht an Knorpel
gebundene Kalkerde, also bloſs vorläufige Ablagerungen
sind, die sich dann später in der Knorpelsubstanz gleich-
mäſsig vertheilen, (was nicht wahrscheinlich ist), oder ob
diese Kalkerde schon an Knorpel gebunden ist und das gleich-
mäſsige Aussehn des verknöcherten Knorpels dadurch ent-
steht, daſs sich nach und nach die ganze Substanz auf
dieselbe Weise mit Kalkerde verbindet, weiſs ich nicht;
genug: in den unvollständig verknöcherten Scheitelbeinen
derselben Larve sah ich keine solche haufenweise Ablage-
rungen von Kalkerde, sondern die ganze Knorpelsubstanz
enthielt dieselbe gleichmäſsig vertheilt ohne unterscheid-
bare Körnchen. Bringt man aber in beiden Fällen ver-
dünnte Salzsäure auf das Objekt, während man zugleich
unter dem Mikroskop beobachtet, so sieht man deutlich
die Grenze, bis wohin die Kalkerde aufgelöst und daher
der Knorpel durchsichtiger geworden ist, als eine scharf
begrenzte Linie von dem Rande des Präparates nach innen
fortrücken, ein Beweis, daſs auch in dem ersten Falle
auſser den Haufen und einzelnen körnigen Ablagerungen
Kalkerde gleichmäſsig an die Substanz gebunden war.
Denn diese Grenzlinie läſst sich nicht von der bloſsen
fortrückenden Imbibition mit Salzsäure ohne Auflösung
von Kalkerde herleiten; wenigstens zeigte ein unverknö-
cherter Knorpel und solcher, dem vorhin die Kalkerde
entzogen, aber dann die Salzsäure wieder ausgewaschen
war, nicht das Phänomen einer solchen gegen das Innere
fortrückenden Linie. Kommt diese Linie, welche also die
3
[34] Grenze bezeichnet, wieweit die Kalkerde ausgezogen ist,
an eine Zellenhöhle, so erhält sie in der ersten Periode
der Verknöcherung dort eine Einbuchtung von der Gröſse
dieser Höhle, weil dort keine Kalkerde ist. Die Zellen-
höhlen bleiben Anfangs von der Kalkerde frei. An den
stärker verknöcherten Stellen aber zeigt sich das Umge-
kehrte. Die Zellenhöhle bleibt als eine schwarze Aus-
buchtung dieser Linie zurück; ja die Linie rückt fort und
läſst die Höhle als einen schwarzen Fleck, von dem ein-
zelne dunkele Fasern, wie sie an den Knochenkörperchen
bekannt sind, sternförmig ausgehen, in dem schon durch-
sichtig gewordenen Theile zurück. Bald darauf aber ver-
schwinden zuerst die Fasern, dann verkleinert sich auch
das Körperchen immer mehr und verschwindet zuletzt mit
Hinterlassung eines blassen Fleckes. Ein Luftbläschen in der
Zellenhöhle konnte es nicht wohl sein; denn dann müſste man,
wie es mir scheint, den Weg, auf dem es fortging, verfolgen
können. Wahrscheinlich ist es eine kompaktere Kalkmasse
die nicht so schnell aufgelöst wird, als die in der Sub-
stanz des Knorpels enthaltene Kalkerde. Nachdem näm-
lich letztere mit Kalkerde imprägnirt ist, füllt sich auch
die Zellenhöhle, und diese mit Kalkerde gefüllten Zel-
lenhöhlen sind die Knochenkörperchen. Es fragt sich
nun aber, was die feinen Fasern sind, die von den Kno-
chenkörperchen sternförmig ausgehn. Wenn die Kalkerde
ausgezogen ist, so sieht man die Knochenkörperchen noch,
wiewohl sehr blaſs, die Fasern gar nicht, wiewohl gewiſs
eine ihnen entsprechende Bildung in der Knorpelsubstanz
da ist und diese Nichtsichtbarkeit erklärt sich hinlänglich
durch ihre auſserordentliche Feinheit. Diese Bildung konnte
also auch sehr wohl schon vor der Verknöcherung vor-
handen aber aus demselben Grunde nicht sichtbar sein.
Da diese Fasern nun gleichzeitig mit der Anfüllung der
Zellenhöhlen und später als die Knorpelsubstanz Kalkerde und
zwar eine schwerer lösliche kompaktere Masse von Kalkerde
erhalten, so ist es wahrscheinlich, daſs auch sie hohle
Röhrchen und also Kanälchen sind, welche von der Zellen-
[35] höhle ausgehend sich in die Knorpelsubstanz hinein er-
strecken. Je nachdem nun die Knorpelkörperchen die
Höhlen der Zellen sind, deren verdickte und unter ein-
ander und mit der Intercellularsubstanz verschmolzene
Wände die Knorpelsubstanz bilden, oder je nachdem die
Knorpelkörperchen die ganzen Zellen sind, und die Zwi-
schensubstanz der Zellenhöhlen nur die Intercellularsubstanz
ist, sind also diese Kanälchen entweder Kanälchen, die von
der Zellenhöhle in die verdickten Zellenwände eindringen,
oder es sind hohle Verlängerungen der Zellen in die In-
tercellularsubstanz. Im ersten Falle würden diese Kanäl-
chen mit den Porenkanälchen der Pflanzenzellen zu ver-
gleichen sein, im zweiten würden sie Verlängerungen der
Zellen entsprechen, wie wir sie im Verlaufe dieser Ab-
handlung noch oft sehen werden. Da ich bis jetzt nicht
bestimmt sagen kann, welcher der beiden Vordersätze der
richtige ist, so kann ich auch über den Schluſs nichts
Bestimmtes entscheiden. Die Knochenkörperchen mit ih-
ren Fasern haben allerdings einige Aehnlichkeit mit Poren-
kanälchen, und letztere kommen auch verästelt vor. Auch
kommen in der unmittelbar unter der Cuticula liegenden
Rindenschicht der Cacteen, welche nach Schleiden aus
Zellen besteht, deren verdickte Wände vollständig mit ein-
ander verschmolzen sind, in den Resten der Zellenhöhlen
und deren Porenkanälchen Krystalle vor. Allein gegen
diese Ansicht spricht, daſs, wie es scheint, zuweilen ein
Kanälchen ununterbrochen von Einem Knochenkörperchen
zum andern geht, und daſs oft Ein Kanälchen Eines Kno-
chenkörperchens in die Zwischenräume zwischen zwei Ka-
nälchen eines anderen Knochenkörperchens eindringt, wie
wenn man die Finger der einen Hand zwischen die der
andern steckt. Das erstere kann bei Porenkanälchen gar
nicht, das zweite nur bei einer gewissen Form der Zellen
vorkommen, die die Knorpelzellen nicht haben. Es scheint
mir daher für jetzt die Wahrscheinlichkeit gröſser, daſs
diese Kanälchen mit Kalkerde gefüllte Verlängerungen der
Zellen sind, wie wir sie später z. B. bei den Pigmentzel-
3*
[36] len (s. Tab. II. Fig. 9.) finden werden. Es muſs vor Al-
lem untersucht werden, ob solche Kanälchen auch in Zel-
len vorkommen, deren Wände entschieden verdickt sind.


Wir wollen nun die Beobachtungen über die Knorpel
in der Kürze zusammenfassen und auf die übereinstim-
menden und abweichenden Vorgänge bei den Pflanzen
aufmerksam machen. Die Knorpel entstehn aus Zellen,
von denen jede ihre besondere, Anfangs sehr dünne Wand
hat: ebenso wie die Pflanzenzellen. Diese Zellen liegen
dicht aneinander und platten sich deſshalb gegeneinander
ab, wie die Pflanzenzellen (s. Tab. I. Fig. 5. 6.), oder es
ist Intercellularsubstanz vorhanden, und zwar entweder nur
in sehr geringer Quantität, so daſs sie nur an Stellen, wo
drei oder vier Zellen zusammenstoſsen, sichtbar ist (s.
Fig. 6 c), oder in gröſserer Menge, so daſs sie die Be-
rührung der einzelnen Zellenwände verhindert (Fig. 7.).
Die Zellen enthalten meistens, in der frühesten Periode
vielleicht konstant, einen Kern, nämlich ein rundes oder
ovales Körperchen (Tab. I. Fig. 5. a), welches meistens
noch ein oder zwei Kernkörperchen enthält. Dieser Kern
wird später, oft erst bei der Verknöcherung resorbirt.
Ganz ebenso verhält es sich bei den Pflanzen. Die Wände
der Knorpelzellen verdicken sich (Vergl. Fig. 6. und 7.
mit Fig. 5.), was auch bei sehr vielen Pflanzenzellen vor-
kommt. Bei den Knorpelzellen aber läſst sich kein Un-
terschied zwischen primärer Zellenmembran und sekundä-
rer Ablagerung beobachten, und eine Schichtung, wie sie
bei verdickten Pflanzenzellen oft deutlich ist, ist hier nicht
mit hinlänglicher Sicherheit zu erkennen. Der Zellenkern
bleibt dabei, wenn er nicht resorbirt wird, an der Innen-
seite der verdickten Wand liegen. Eine wirkliche Ver-
dickung der Zellenmembran ohne schichtenweise Ablage-
rung scheint aber auch bei den Pflanzen nicht ohne Bei-
spiel, z. B. an dem Pollenschlauch von Formium tenax
(s. die Einleitung). Es scheint aber, daſs eine Verdickung
der Wände der Knorpelzellen nicht überall, namentlich
nicht bei den verknöchernden Knorpeln, vorkommt, son-
[37] dern die eigentliche Knorpelsubstanz auch bloſs oder we-
nigstens vorzugsweise von der Intercellularsubstanz gebil-
det werden kann. Die verdickten Zellenwände verschmel-
zen später unter einander oder mit der Intercellularsub-
stanz, so daſs zuletzt nur die Zellenhöhlen in einer homo-
genen Substanz übrig bleiben. Ob bei den Knorpelzellen,
welche keine Verdickung ihrer Wände erleiden, eine Ver-
schmelzung ihrer Wände mit der Intercellularsubstanz
statt findet, ist ungewiſs. Von einer Verschmelzung der
Zellenwände giebt es eine Analogie bei den Pflanzen, da
Schleiden eine solche Verschmelzung verdickter Zellen-
wände in der unmittelbar unter der Cuticula liegenden
Rindenschicht der Cacteen beobachtet hat.


Die Knorpelzellen enthalten oft entweder bloſse
Kerne oder junge Zellen mit solchen Kernen. Pag. 24
würden die Gründe angegeben, aus denen es höchst wahr-
scheinlich wird, daſs sich diese jungen Zellen aus den
Kernen entwickeln, indem zuerst der Kern da ist, und
sich um ihn die Zelle bildet, und zwar frei innerhalb der
Mutterzelle (s. Tab. I. Fig. 8. f. f.). Dieſs ist eine der
wichtigsten Uebereinstimmungen mit den Pflanzenzellen,
welche sich nach Schleiden (s. die Einleitung) ebenso
aus dem Kern und ebenso innerhalb einer Mutterzelle
entwickeln. Wir können nun mit Sicherheit den Kern
dieser jungen Zellen mit dem Cytoblasten der Pflanzen-
zellen parallelisiren. Auch die Gestalt dieser jungen Zellen
und die Lage des Kerns excentrisch an der innern Wandfläche
der Zelle stimmt mit den jungen Pflanzenzellen überein. Vgl.
Fig. 8. ff. mit Fig. 2. Auch die Form des Kerns ist ebenso
wie sie bei vielen Pflanzenzellen vorkommt. Es ist bei
diesen jungen Zellen in den Knorpeln ein wenig ovales
oder ganz kugeliges Körperchen, welches oft granulös und
etwas gelblich ist und in sich ein oder zwei Kernkörper-
chen enthält. (Vergl. über die Form des Pflanzenzellen-
kerns die Einleitung). Dieser Kern scheint aber hohl zu
sein, was bei dem Cytoblasten der Pflanzenzellen nicht
beobachtet ist, und die Kernkörperchen liegen dicht an
[38] oder in der Nähe der innern Wandfläche des Kerns, wäh-
rend sie bei dem Pflanzenzellenkern nach Schleiden
in der Tiefe des Kerns liegen. Ob diese in den Knorpeln
entstehenden jungen Zellen junge Knorpelzellen d. h. Zellen
sind, die durch Verdickung ihrer Wände Knorpelsubstanz
bilden könnten, ob also auch ihre Kerne identisch sind
mit den Kernen der fertigen Knorpelzellen (Fig. 5. a) ist
ungewiſs. Die groſse Uebereinstimmung ihrer Form aber
und das, wie es scheint, konstante Vorkommen der letz-
tern an den jüngsten Knorpelzellen, machten es wahr-
scheinlich, daſs diese Kerne der eigentlichen Knorpelzellen
auch die Bedeutung der Cytoblasten der entsprechenden
Knorpelzellen haben. Bei der Verknöcherung lagert sich
zunächst die Kalkerde in den Zellenwänden oder in der
eigentlichen Knorpelsubstanz ab, später werden auch die
Reste der Zellenhöhlen mit Kalkerde gefüllt, und es kom-
men dann zugleich die von diesen sternförmig ausgehenden
Fasern zum Vorschein. Ueber die Bedeutung der letztern
siehe oben pag. 35. Es war dort am wahrscheinlichsten,
daſs diese Fasern oder vielmehr Kanälchen Verlängerungen
der Knorpelzellen in die Intercellularsubstanz sind, ana-
log den Verlängerungen z. B. der Pigmentzellen Tab. II.
Fig. 9.


Wir haben also hier eine so vollkommene Ueberein-
stimmung der Knorpel mit dem Pflanzengewebe, wie man
es nur immer erwarten konnte. Das Hohlsein der Zellen-
kerne und die Lage der Kernkörperchen in denselben schei-
nen die einzigen Abweichungen zu sein.


Die detaillirte Untersuchung über die Chorda dorsalis
und die Knorpel hat uns also zu dem Resultate geführt,
daſs die wichtigsten Verhältnisse ihrer Structur und ihrer
Entwicklung mit entsprechenden Prozessen bei den Pflan-
zen übereinstimmen, daſs zwar noch einige Abweichungen
oder unerklärte Verschiedenheiten übrig bleiben, die aber
nicht hinreichend sind, das Hauptresultat zu stören, daſs
[39] nämlich diese Gewebe aus Zellen entstehn, welche durch-
aus den Elementarzellen der Pflanzen parallel gestellt
werden müssen. Es ist hiermit der erste der in der Ein-
leitung verlangten Beweise geliefert, der nämlich, bei
einem einzelnen Gewebe zu zeigen, daſs es nicht nur aus
Zellen entsteht, sondern daſs diese Zellen bei ihrem Ent-
wicklungsprozesse analoge Erscheinungen zeigen, wie die
Pflanzenzellen. Dadurch ist eine Hauptscheidewand zwi-
schen Thier- und Pflanzenreich, die Verschiedenheit
der Structur, gefallen. Wir kennen die Bedeutung der
einzelnen Theile der genannten thierischen Gewebe im
Vergleich mit den Pflanzenzellen, und wissen, daſs bei
diesen Geweben Zellen, Zellenmembran, Zelleninhalt, Kerne
und Kernkörperchen durchaus den gleichnamigen Theilen
bei den Pflanzenzellen analog sind. Wir haben bereits
mehrere Modifikationen des Zellenkerns und der Zellen
kennen gelernt. Der Zellenkern stellte in seinen Umrissen
entweder ein ovolas oder kreisrundes und seiner Körper-
lichkeit nach ein kugeliges oder stark abgeplattetes, zu-
weilen hohles Körperchen dar, welches oft seiner Durch-
sichtigkeit wegen kaum sichtbar, meistens aber granulös
und gelblich war, und in seinem Innern Ein bis Drei
Kernkörperchen enthielt. Dieser Kern lag innerhalb der
Zelle, an der Wand derselben fest haftend, niemals central.
Die Grundform der Zelle schien die eines runden Bläs-
chens zu sein, wir haben aber auch die Abplattung der
Zellen gegen einander und Intertercellularsubstanz zwi-
schen den Zellen in gröſserer oder geringerer Quantität, und
endlich die Verdickung der Zellenwände beobachtet. Wir
haben die Erzeugung von Zellen in Zellen gesehn und es
wurde bei den jungen Zellen in den Knorpeln wahrschein-
lich, daſs sie auf dieselbe Weise um die Kerne geschieht,
wie dieſs von Schleiden bei den Pflanzenzellen entdeckt
wurde. Es bleibt uns jetzt der zweite Beweis für die
Uebereinstimmung der thierischen und pflanzlichen Structur
zu liefern übrig, nämlich der, daſs die meisten oder alle
thierischen Gewebe sich aus Zellen entwickeln. Wenn
[40] dieser Beweis allein geliefert wäre, so würde daraus schon
die Analogie dieser Zellen mit den Elementarzellen der
Pflanzen höchst wahrscheinlich; wir können diese Analogie
jetzt um so mehr behaupten, da es für einzelne Gewebe
im Detail nachgewiesen ist, daſs ihre Zellen den Pflanzen-
zellen entsprechen.


[[41]]

II. Abschnitt.
Ueber die Zellen als Grundlage aller Gewebe
des thierischen Körpers.


Als Grundform der bisher betrachteten Gewebe können
uns die in den Knorpelzellen enthaltenen jungen Zellen
gelten (s. Tab. I. Fig. 8. f. f.), nämlich runde Zellen mit einem
excentrisch an ihrer innern Wandfläche fest anliegenden cha-
rakteristischen Kern. Da diese Zellen als den Pflanzenzellen
entsprechend nachgewiesen wurden, so kommt es nun
darauf an, auf diese Formation die Elementargebilde der
übrigen Gewebe zurückzuführen, um dadurch zugleich ihre
Analogie mit den Pflanzenzellen gezeigt zu haben. Bei
einigen Geweben ist nun diese Nachweisung sehr leicht
und ergiebt sich ganz von selbst; bei andern aber hat die
Sache weit mehr Schwierigkeit und oft würde es unmög-
lich sein, etwas für eine Zelle zu erklären, wenn man
nicht diese ganze Untersuchung im Zusammenhange nimmt.
Diese Schwierigkeit rührt von folgenden Umständen her:
1) von der Kleinheit der Zellen. Es wird dadurch nicht
nur nothwendig, starke 400 — 500fache Vergröſserungen
anzuwenden, sondern es wird auch oft, ja meistens un-
möglich den Zelleninhalt herauszudrücken. 2) Von der
Dünnheit der Zellenmembran. Wenn die Zellenmembran
eine gewisse Dicke hat, so kann man sowohl ihre äuſsere
als ihre innere Kontur erkennen, und dadurch wird ihre
Verschiedenheit von dem Zelleninhalte unzweifelhaft. Ist
die Zellenmembran sehr dünn, so fallen die beiden Kon-
turen in Eine Linie zusammen und diese Linie kann dann
leicht als die bloſse Grenzlinie einer nicht von einer be-
sondern haut umschlossenen Kugel betrachtet werden.
3) Von der gleichen lichtbrechenden Kraft der Zellen-
[42] membran und des Zelleninhaltes, wodurch die innere
Kontur der Zellenmembran nicht in die Beobachtung fal-
len kann, und von der körnigen Beschaffenheit der Zellen-
membran, die dadurch, wenn der Zelleninhalt auch körnig
ist, ebenfalls nicht von diesem zu unterscheiden ist. End-
lich 4) von der manchfaltigen Form der Zellen, indem
sie sich bis zum gänzlichen Verschwinden der Höhle ab-
platten oder in Cylinder und Fasern verlängern können.
Dieser Umstände wegen hat man viele der hier anzufüh-
renden Zellen bloſs als Kugeln oder Körner beschrieben,
wodurch die wahre Bedeutung derselben nicht ausgedrückt
wird, und wenn sie auch als Zellen oder selbst als Zellen
mit einem Kern angesprochen wurden, so beruhte dieſs
nur auf einer schwachen Analogie, indem nur bei sehr
wenigen, z. B. den Pigmentzellen, eine wirkliche hohle
Zelle nachgewiesen war. Wenn aber die Bedeutung des
Kerns nicht bekannt und es nicht erwiesen ist, daſs für
die Zellen, auf deren Analogie der Beweis der Zellen-
natur der übrigen, mit einem Kern versehenen Kugeln ge-
stützt werden soll, die Zellenmembran etwas Wesentliches
ist (was sich erst aus ihrer Analogie mit den Pflanzenzel-
len ergiebt), so liegt nichts Widersprechendes darin, daſs
ein Kern eben so gut in einer soliden Kugel, wie in einer
Zelle liegen kann.


Man sieht aus den oben berührten Schwierigkeiten
dieser Untersuchung, daſs sehr wohl etwas eine Zelle sein
kann, wenn auch die gewöhnlichen Kennzeichen einer
Zelle, die Unterscheidbarkeit der Zellenmembran und das
Ausflieſsen des Zelleninhaltes, nicht in die Beobachtung
fallen können. Indessen mit der Möglichkeit, daſs etwas
eine Zelle ist, sind wir nicht viel weiter. Es müssen
positive Kennzeichen da sein, um ein gegebenes Ob-
jekt als eine Zelle betrachten zu können. In vielen
Fällen nun treten jene Schwierigkeiten gar nicht ein,
sondern das Objekt läſst sich sogleich als Zelle er-
kennen, in anderen Fällen sind die Schwierigkeiten nicht
so groſs, daſs nicht wenigstens der Unterschied zwischen
[43] Zellenmembran und Zelleninhalt angedeutet wäre und hier
können dann andere Umstände diese Vermuthung zur Ge-
wiſsheit erheben. Der wichtigste und häufigste Umstand
zum Beweis der Existenz einer Zelle ist die Anwesenheit
oder Abwesenheit des Kerns. Seine scharfe Begrenzung
und seine dunklere Farbe machen ihn in den meisten Fäl-
len leicht erkennbar; seine charakteristische Gestalt, be-
sonders wenn er Kernkörperchen enthält, und seine auf-
fallende Lage zu der untersuchten Kugel, nämlich excen-
trisch innerhalb derselben nur um die Dicke der supponirten
Zellenwand von der Oberfläche entfernt, legitimiren ihn als
Zellenkern und machen seine Analogie mit dem Kern der
in den Knorpeln enthaltenen jungen Zellen und mit den
Pflanzenzellen, also auch die Analogie der untersuchten
Kugeln, worin er liegt, mit diesen Zellen, mithin die Exi-
stenz einer besondern Zellenmembran bei dieser Kugel
sehr wahrscheinlich. Ein solcher Kern nun kommt bei
mehr als neun Zehntel der fraglichen Kugeln vor; bei
vielen ist die besondere Zellenmembran unzweifelhaft, bei
den meisten ist sie mehr oder weniger deutlich. Unter
diesen Umständen ist wohl der Schluſs erlaubt, daſs auch
bei den Kugeln, wo keine Zellenmembran zu erkennen ist,
der in seiner Form und Lage cherakteristiche Kern aber
sich findet, eine Zellenmembran vorhanden ist, die aber
aus den oben angegebenen Ursachen nicht in die Beobach-
tung fallen kann. In manchen Fällen kommen dann noch
andere, bei den einzelnen Geweben anzugebende Umstände
zum Beweis der Existenz einer wirklichen Zellenmembran
hinzu. Namentlich gehört es daher, wenn man ein mit
einem Zellenkern versehenes Körperchen, über dessen zel-
lige Natur man zweifelhaft ist, als eine bloſse Entwick-
lungsstufe oder als eine Formmodifikation einer durch
irgend welche Umstände deutlich nachweisbaren Zelle dar-
thun kann. Die Zellenkerne und die Entfernung der in
einem Gewebe zerstreueten Kerne von einander dienen
auch als Fingerzeig, wo man den Umriſs der Zellen zu
suchen hat. Sie lassen auch da die frühere Existenz ge-
[44] trennter Zellen vermuthen, wo diese in fortschreitender
Entwicklung mit einander verschmolzen sind. Hat eine
Kugel keinen Kern, auch nicht in ihrer frühesten Entwick-
lungsstufe, so ist sie entweder gar keine Zelle oder kann
wenigstens vorläufig nicht als solche anerkannt werden,
wenn nicht andere Umstände sie als solche verrathen.
Glücklicher Weise sind solche kernlose Zellen selten.


Auſser der Zellennatur der Elementargebilde der thie-
rischen Gewebe lassen sich meistens auch noch Ueberein-
stimmungen mit den Pflanzenzellen in dem Entwicklungs-
gange dieser Elementargebilde nachweisen, Uebereinstim-
mungen, die dann auch wieder den Beweis für die Be-
trachtung dieser Elementargebilde als Zellen verstärken.
Das, wenn auch nicht ganz allgemeine, doch auſserordent-
lich häufige Vorkommen der Zellenkerne, selbst an den
jüngsten Zellen, beweist schon die hohe Wichtigkeit des
Kerns für die Existenz der Zellen. Es läſst sich zwar
für jetzt noch nicht behaupten, daſs der Kern allgemein
bei den mit einem Kern versehenen Zellen das Primäre,
und die Zelle das Sekundäre, d. h. daſs überall die Zelle
sich um den vorher existirenden Kern bildet. Wahrschein-
lich ist es aber gewöhnlich so, da man meistens in den
Geweben, auſser den mit einem Kern versehenen Zellen,
noch einzelne Kerne sieht, und da es fast konstant scheint,
daſs die Zellen um so kleiner sind im Verhältniſs zum
Kern, je jünger sie sind. Auch das endliche Schicksal des
Kerns ist wie bei den Pflanzenzellen. Bei den meisten
Zellen wird er später resorbirt, und nur bei einigen bleibt
er als permanentes Gebilde. Gerade so verhält es sich
bei den Pflanzen. Bei den Pflanzen entwickeln sich, nach
Schleiden, die jungen Zellen immer innerhalb der Mut-
terzellen, und wir haben bei der Chorda dorsalis und den
Knorpeln auch eine solche Entwicklung junger Zellen in-
nerhalb schon gebildeter Zellen gesehen. War es aber
schon zweifelhaft, ja nicht einmal wahrscheinlich, daſs die
primären Zellen dieser Gewebe nach derselben Weise in
früher vorhandenen Mutterzellen sich bildeten, so ist dieſs
[45] bei vielen der nun zu betrachtenden Gewebe entschieden
nicht der Fall. Eine Bildung junger Zellen in älteren
werden wir zwar noch oft sehen, allein die Regel ist es
nicht, und bei vielen Geweben kommt es gar nicht vor.


Das Allgemeine bei der Zellenbildung ist Folgendes:
Es ist zuerst eine strukturlose Substanz da, die bald ganz
flüssig, bald mehr oder weniger gallertartig ist. Diese be-
sitzt nach ihrer chemischen Beschaffenheit und dem Grade
ihrer Vitalität in mehr oder weniger hohem Grade die
Fähigkeit in sich, die Entstehung von Zellen zu veranlas-
sen. Gewöhnlich scheint sich dabei zuerst der Kern und
dann um ihn die Zelle zu bilden. Die Zellenbildung ist
für die organische Natur das, was für die anorganische
die Krystallisation ist. Die Zelle, einmal gebildet, wächst
durch ihre individuelle Kraft fort, wird aber dabei durch den
Einfluſs des ganzen Organismus so geleitet, wie es der
Plan des Ganzen erfordert. Dieſs ist das Grundphänomen
der ganzen thierischen und pflanzlichen Vegetation. Es
paſst sowohl auf die Fälle, wo die jungen Zellen inner-
halb der Mutterzellen, als wo sie auſser ihnen sich bil-
den. In beiden Fällen geht die Erzeugung der Zellen
in einer Flüssigkeit oder in einer strukturlosen Substanz
vor sich. Wir wollen diese Substanz, worin sich die Zel-
len bilden, Zellenkeimstoff, Cytoblastema, nennen. Sie läſst
sich bildlich, aber auch nur bildlich, mit der Mutterlauge
vergleichen, aus der sich die Krystalle absetzen.


Wir werden später ausführlicher auf diesen Punkt
zurückkommen, und muſsten hier nur mit diesem Resul-
tate der Untersuchung vorgreifen, um das Verständniſs des
Folgenden zu erleichtern.


Wir haben im vorigen Abschnitt den Entwicklungs-
gang einiger thierischer Zellen beispielsweise an der Chorda
dorsalis und den Knorpeln vorläufig im Detail erörtert.
Es kommt nun darauf an, das Entstehen oder Bestehen
aus Zellen, so weit es angeht, bei allen Geweben nachzu-
weisen. Wir theilen diese Untersuchung in zwei Abthei-
lungen. Die erste handelt von dem Ei und der Keimhaut,
[46] insofern diese die gemeinsame Grundlage aller späteren
Gewebe abgeben. Die zweite Abtheilung umfaſst die blei-
benden Gewebe des thierischen Körpers, wobei aber die
schon abgehandelten Gewebe, Chorda dorsalis und Knor-
pel, übergangen werden.


Erste Abtheilung.
Ueber das Ei und die Keimhaut
.


Bekanntlich liegt das Säugethierei innerhalb des Graaf-
schen Bläschens. Ob das Graafsche Bläschen die Bedeu-
tung einer Zelle hat, habe ich nicht untersucht. Es ist
zwar eine Zelle im allgemeinen Sinne dieses Wortes, näm-
lich eine Höhle in der Substanz des Eierstocks; es hat so-
gar eine eigenthümliche Haut; allein da wir hier das Wort
Zelle nur in der Bedeutung als das Elementargebilde der
Thiere und Pflanzen nehmen, so kommt es darauf an, zu
untersuchen, ob diese Haut nicht etwa erst sekundär durch
die Aneinanderfügung anderer Elementargebilde zusammen-
gesetzt wird. Die Entwicklungsgeschichte des Graafschen
Bläschens muſs darüber Aufschlus geben, ob dieſs der
Fall ist, oder ob es sich durch bloſses Wachsthum einer
mit einer strukturlosen Zellenmembran versehenen Zelle,
die vielleicht früher noch einen Kern haben mag, entsteht.
Innerhalb desselben liegt das Eichen oder Bärsche Bläs-
chen in einer Körnerschicht eingebettet. Untersucht man
diese Körner bei 450facher Vergröſserung, so erkennt
man bald, daſs sie Zellen sind, nämlich runde Bläschen
mit einem Kern innerhalb derselben an ihrer inneren Wand-
fläche. Der Kern ist granulös, dunkler und fällt daher
zunächst auf. Er enthält ein oder zwei Kernkörperchen.
Die ihn umgebende Zelle ist von verschiedener Gröſse, im
Mittel etwa um die Hälfte im Durchmesser gröſser, manche
sind viel gröſser. Die Zellen sind meistens äuſserst blaſs
und im isolirten Zustande rund. Im Zusammenhange plat-
ten sie sich oft gegen einander zu einer polyedrischen
[47] Form ab. Auſser diesen Zellen scheinen auch einzelne
Kerne innerhalb des Graafschen Bläschens vorzukommen,
vielleicht als Grundlage neuer Zellen. Die Entstehung
dieser Zellen geschieht, nach dem oben pag. 45 erwähn-
ten Grundgesetze, innerhalb der Flüssigkeit des Graaf-
schen Bläschens als ihrem Keimstoff. Ob dieser Zellen-
inhalt ist, die darin entstehenden Zellen also sich in einer
Mutterzelle bilden, hängt von der Entscheidung der Frage
ab, ob das Graafsche Bläschen eine Elementarzelle ist
oder nicht. Die Entscheidung dieser Frage ist nicht we-
sentlich, da sich die Entstehung aller Zellen in Zellen
ohnehin nicht durchführen läſst. Bei dem selbstständigen
Leben der Zellen ist es leicht ersichtlich, wie diese Zel-
len, wenn sie nach dem Platzen des Graafschen Bläschens
mit dem Eichen in den Uterus gelangen, sich zu anderen
Gebilden (Chorion nach Krause) weiter entwickeln können.
Innerhalb dieser Körner oder vielmehr Zellenscheibe liegt
nun das Eichen oder Bärsche Bläschen eingebettet (siehe
die von Krause entlehnte Abbildung Tab. II. Fig. 1).
Man unterscheidet zunächst die dunkle Dotterkugel, um-
geben von einem durchsichtigen Raum (zona pellucida
Baer, Corion Wagner). Krause (Müller’s Archiv 1837.
p. 27) fand, daſs die Dotterkugel von einer eigentümlichen
Haut d (Dotterhaut) umgeben ist, und daſs der durchsichtige
Raum äuſserlich von einem sehr zarten Eiweiſshäutchen b
umschlossen, die durchsichtige Substanz selbst aber (Ei-
weiſs) flüssig genug ist, um eine Verschiebung des Dot-
ters innerhalb derselben bis zur Berührung des Eiweiſs-
häutchens zuzulassen. Obgleich es mir noch nicht gelun-
gen ist, dieſs Häutchen zu sehen und die durchsichtige
Haut in meinen Versuchen beim Platzen des Dotters im-
mer wie eine feste Substanz mit glatten Rändern zerriſs,
so sind doch die Beobachtungen des hochgeehrten Ent-
deckers zu bestimmt, um Zweifel übrig zu lassen. Auch
spricht die Analogie der meisten übrigen Eier in andere
Thierklassen, wo gewöhnlich Chorion und Dotterhaut sich
unterscheiden lassen, wenn sie auch manchmal dicht auf
[48] einander liegen, durchaus dafür. Das Eiweiſshäutchen
wird wahrscheinlich die Bedeutung einer Zellenmembran
haben, das Eiweiſs der Zelleninhalt sein, und die Dotter
eine junge Zelle. Nach Wharton-Jones dehnt sich
der durchsichtige Hof des Eichens oder die Eiweiſsschichte
bei dem befruchteten Säugethierei in den Tuben sehr stark
aus, was durch die Thätigkeit des Eiweiſshäutchens als
Zelle leicht erklärlich wäre. Diese Art der Eiweiſsbildung
wäre dann aber sehr verschieden von dem entsprechenden
Prozeſs beim Vogelei, wo das Eiweis nach Purkinje
von dem Eileiter secernirt wird und nachher erst eine
Haut (Chorion) sich darum bildet, die also die Bedeutung
einer Zellenmembran nicht haben kann, und auch nicht
einfach, sondern aus Fasern zusammengesetzt ist. Es
wäre indessen zu untersuchen, ob nicht ein eben so fei-
nes Häutchen auch hier das Eiweis umgiebt und dieses
bildet, und erst darum sich eine sekundäre äuſsere Haut
bildet. Nach Purkinje ist dieſs indessen nicht der Fall,
auch konnte ich auf der inneren Fläche der Schalenhaut
des gelegten Eies kein solches Häutchen finden. Ob bei
den Fischen des Chorion eine Zellenmembran ist oder
nicht, habe ich nicht untersucht. Es ist inwendig mit
einem sehr schönen Epithelium überzogen, welches aus
mehr oder weniger platten sechseckigen Zellen besteht,
von denen jede ihren Kern hat.


Innerhalb des durchsichtigen Hofes oder der Eiweis-
schichte nach Krause, liegt nun das Bärsche Bläschen
oder der Dotter. Nach Krause’s Entdeckung ist es von
einer eigenthümlichen strukturlosen Haut umschlossen,
deren doppelte Konturen Krause erkannte (Tab. II.
Fig. 1 d). Der Dotter des Säugethiereies ist also höchst
wahrscheinlich eine Zelle. Sollte auch bei anderen Thie-
ren, wie Wagner andeutet, die Dotterhaut sich zuweilen
erst sekundär innerhalb des Chorion bilden, so würde da-
durch für unsern Zweck nicht viel geändert, indem dann
das Chorion die Zellenmembran wäre. Ueberall besitzt
das Eichen eine äuſsere strukturlose, auch nicht aus
[49] anderen Elementargebilden entstandene, in sich geschlos-
sene Haut, mag sie Chorion oder Dotterhaut sein, und im-
mer ist deſshalb das Eichen eine Zelle. Die Dotterzelle
enthält als Zelleninhalt die Dottersubstanz, und an ihrer
inneren Fläche liegt noch das Keimbläschen oder Pur-
kinje
’sche Bläschen (Fig. 1. f). Es ist bekanntlich ein
sehr durchsichtiges dünnwandiges Bläschen, welches eine
durchsichtige, nach R. Wagner durch Weingeist koagu-
lirbare Flüssigkeit enthält. In ihm und zwar an der in-
neren Fläche seiner Wand liegt fast allgemein, mit sehr
wenigen von R. Wagner angegebenen Ausnahmen, noch
ein Körperchen, von seinem Entdecker, R. Wagner, Keim-
fleck oder Keimscheibe genannt (Fig. 1. g). Bei Säuge-
thieren ist es gewöhnlich platt. Häufig sind dieser Flecke
viele vorhanden, doch sind sie um so geringer an Zahl,
je jünger das Ei ist, und hängen nach Wagner bei jün-
gern Eiern auch fester an der Wand des Keimbläschens.
Bei Knochenfischen, wo sie oft in so groſser Zahl sind,
daſs man von der Flüssigkeit des Keimbläschens gar nichts
sieht, habe ich oft beobachtet, daſs wenn ein solches Kör-
perchen nach dem Platzen des Keimbläschens durch einen
engen Raum passirte, es sich erst stark verlängerte, dann
in der Mitte zu einem dünnen Faden auszog, der bald
riſs. Die beiden Stümpfe zogen sich dann zurück, und
aus dem einen Körperchen waren zwei runde Kügelchen
entstanden, wie man ein ähnliches Phänomen an Fettaugen
auf der Suppe zu beobachten Gelegenheit hat. Sie schei-
nen also von einer mit Wasser nicht mischbaren zähen
Substanz zusammengesetzt. Nach Purkinje liegt das
Keimbläschen bei Vögeln fest an der Dotterhaut. Nach
v. Bär und Wagner liegt es Anfangs in der Mitte des
Dotters und erhebt sich erst später an die Oberfläche.


Von groſser Wichtigkeit ist nun die Entscheidung
der Frage, welche Bedeutung das Keimbläschen hat. Ist
es eine junge, innerhalb der Dotterzelle entstehende Zelle,
oder ist es der Kern der Dotterzelle? Ist das Erste der
Fall, so ist es höchst wahrscheinlich die wesentlichste
4
[50] Grundlage des Embryo; ist es aber Kern der Dotterzelle,
so ist mit der Bildung der Dotterzelle seine Bedeutung
erloschen, und nach der Analogie der meisten Zellenkerne
muſs es später entweder ganz resorbirt werden, oder nur
rudimentär noch eine Zeit lang fortbestehen, ohne irgend
etwas wesentliches Neues zu bilden. Der gewöhnliche
Verlauf des Lebens einer einfachen Zelle ist nämlich der:
Es ist Anfangs ein Kern da; um ihn bildet sich die Zelle;
der Kern wächst oft Anfangs noch etwas mit der Zelle,
doch viel schwächer, so daſs der Kern im Verhältniſs zur
Zelle um so gröſser ist, je jünger die Zelle ist; der Inhalt
der Zelle ist Anfangs durchsichtig; dann entsteht ein fe-
ster Niederschlag oder eine neue Bildung in der Zelle,
und zwar zunächst um den Kern, der zuerst davon ein-
geschlossen wird; der Kern wird dann entweder ganz re-
sorbirt oder besteht nur rudimentär fort, und nie habe ich
an anderen Zellenkernen beobachtet, daſs etwas anderes
Wesentliches daraus entsteht. Nur bei den Fettzellen in
der Schädelhöhle einer jungen Plötze schienen sich wäh-
rend der Resorption des Kerns in demselben ein oder
mehrere kleine Fetttröpfchen zu bilden. Die Wichtigkeit
der Entscheidung dieser Frage für das Keimbläschen leuch-
tet also ein. Leider aber sind weder die Beobachtungen
über das spätere Verhalten des Keimbläschens, noch die
über die Entstehung des Eichens hinreichend oder sicher
genug, um diese Frage zu entscheiden.


Analysiren wir beide Ansichten genauer und verglei-
chen sie dann mit den Beobachtungen. Ist das Keimbläs-
chen eine junge Zelle, so ist 1) durchaus nothwendig, daſs
die Dotterzelle vorher da sei, und sich darin erst das Keim-
bläschen entwickelt. 2) Das Keimbläschen darf nicht mit
der Dotterhaut verbunden sein, sondern muſs sich frei in
der Dotterhöhle an einer beliebigen Stelle derselben ent-
wickeln. 3) Das Keimbläschen läſst sich entweder als
eine kernlose Zelle betrachten, und dann gehören die Wag-
ner
schen Flecke zum Zelleninhalt, oder der Wagner-
sche Fleck, wo er einfach ist, ist Zellenkern; wenn ihrer
[51] mehrere sind, so sind die übrigen entweder wesentlich von
ihm verschieden und gehören zum Zelleninhalt, oder sie
sind Kerne junger Zellen, die sich im Keimbläschen ent-
wickeln sollen. Der als Kern des Keimbläschens zu be-
trachtende Fleck muſs wenigstens Anfangs mit der Wand
des Keimbläschens verbunden sein. Ist das Keimbläschen
aber Kern der Dotterzelle, so muſs 1) das Keimbläschen
wahrscheinlich vor der Dotterzelle vorhanden, jedenfalls
im Verhältniſs zur Zelle um so gröſser sein, je jünger
das Eichen ist. 2) Es muſs Anfangs an der Dotterhaut
anliegen und mit ihr mehr oder weniger innig verbunden
sein. 3) Das Keimbläschen als Kern betrachtet hat entwe-
der keine Kernkörperchen, oder die Wagnerschen Flecke
lassen sich als solche betrachten. Im ersten Falle bilden
die Wagnerschen Flecke den Inhalt des Kerns. Bei Auf-
zählung dieser Punkte ist auf das spätere Verhalten des
Keimbläschens nach der Befruchtung nicht Rücksicht ge-
nommen, weil es wünschenswerth ist, aus der Deutung
des Keimbläschens sein späteres Schicksal gewissermaſsen
a priori bestimmen und dadurch den viel schwierigeren
Beobachtungen des befruchteten Eies wenigstens einen
Leitfaden geben zu können. Auch reichen die angeführ-
ten Unterschiede, wenn die Beobachtungen vollständig wä-
ren, zur sichern Entscheidung der in Rede stehenden Frage
hin, ja die sichere Entscheidung des ersten Punktes würde
allein schon hinreichen.


Betrachten wir nun den für beide Ansichten zuerst
aufgestellten Punkt, so würde man sich für die letzte An-
sicht, nämlich die Betrachtung des Keimbläschens als Kern,
entscheiden müssen, wenn es nachgewiesen wäre, daſs das
Keimbläschen zuerst da ist, und um dasselbe sich die Dot-
terzelle als eine einfache Zelle bildet, Anfangs das Keim-
bläschen dicht umschlieſsend und sich nach und nach im-
mer mehr ausdehnend. Sicher ist zunächst hier, daſs das
Keimbläschen früher im Verhältniſs zur Dotterzelle viel
gröſser ist, daſs es Anfangs noch mit der Dotterzelle
wächst, später sich aber die Dotterzelle bedeutend stärker
4*
[52] ausdehnt, während das Keimbläschen zurück bleibt: ganz
so, wie es sich bei der Betrachtung des Keimbläschens
als Kern verhalten müſste. Durchaus unvereinbar sind
aber diese Thatsachen auch mit der ersten Ansicht nicht.
Man kann sich denken, daſs in der Dotterzelle, wenn sie
noch sehr jung ist, sich eine junge Zelle, das Keimbläs-
chen, bildet, daſs diese Anfangs schneller wächst als ihre
Mutterzelle, aber früher aufhört, während die Mutterzelle
in ihrem Wachsthum fortfährt. Ein solches Verhalten ist
aber wohl selten, und die angeführten Thatsachen legen
viel mehr Gewicht in die Wagschale der Ansicht, wor-
nach das Keimbläschen der Kern ist. Zur Entscheidung
ist aber die Untersuchung nothwendig, ob das Keimbläs-
chen vor der Dotterzelle da ist. Dieſs ist aber noch
nicht erwiesen, obgleich v. Bär und Purkinje dieſs
vermuthen und eine Beobachtung von R. Wagner dafür
spricht (Prodromus physiologiae generationis p. 9. Fig.
XVIII. a). Das hintere Ende des Eileiters von Acheta
campestris fand er voll von Keimbläschen. Diese dehnten
sich bei ihrem Fortrücken im Eileiter immer mehr aus.
In seinem weiteren Verlauf erweitert sich dann der Ei-
leiter; es zeigen sich Kügelchen in ihm, die Wagner für
Dotterkügelchen hält, und zwischen diesen liegen die
Keimbläschen; dann „wird jedes Keimbläschen mit seinem
Dotter und Chorion umgeben und so werden die einzel-
nen Eier getrennt.“ Die Art, wie aber hier die Dotter-
haut entsteht, ist nicht angegeben. Bildet sie sich als
eine das Keimbläschen Anfangs eng einschlieſsende, aber
sich schnell ausdehnende Zelle, oder schlieſst sie sogleich
eine gröſsere Menge der umgebenden Dotterkugeln (?)
ein? Es ist schwer, sich die letztere Bildungsweise vor-
zustellen. Ist aber die erste Entstehungsart die richtige,
so können die Kügelchen, welche im Eileiter die Keim-
bläschen umgeben, keine Dotterkügelchen sein. Es sind
daher neue Untersuchungen nothwendig, die, wenn sie die
erste Ansicht bestätigen, für die Bedeutung des Keimbläs-
chens als Zellenkern entscheidend sind.


[53]

Was nun den zweiten Punkt anbelangt, ob nämlich
das Keimbläschens Anfangs mehr oder weniger innig mit
der Membran der Dotterzelle verbunden ist oder frei in
der Dotterzelle liegt, so ist dieser Punkt weit weniger
entscheidend. Nach v. Bär und R. Wagner liegt das
Keimbläschen Anfangs in der Mitte der Dotterzelle, und
erhebt sich erst später an die Wand derselben. v. Bär
führt namentlich die Froscheier als solche an, wo das
Keimbläschen lange in der Mitte des Dotters liegt. Mei-
stens findet man das Keimbläschen an der Wand der Dotter-
zelle, und nach Purkinje ist es bei Vögeln oft so innig
damit verbunden, daſs es beim Versuche, es loszutrennen,
zerreiſst. Obgleich die Lage des Keimbläschens in der
Mitte der Dotterzelle mehr für die Betrachtung desselben
als junge Zelle spricht, so ist diese Beobachtung doch
nicht ganz unvereinbar mit der Deutung desselben als
Kern. Der Kern braucht nämlich nur in der ersten Bil-
dung der Zelle mit ihr verbunden zu sein. Später trennt
er sich oft von ihr und liegt lose in der Zelle. Wenn
aber die Dotterhaut das Keimbläschen noch dicht um-
schlieſst, so läſst es sich nicht entscheiden, ob es in der
Mitte oder an der Wand der Zelle liegt. Dieser Punkt
ist daher mehr der Idee nach als in der praktischen Aus-
führung der Untersuchung von entscheidendem Gewicht.


Der dritte Punkt bezieht sich auf die Deutung der
einzelnen Theile des Keimbläschens. Daſs es hohl ist,
verträgt sich mit beiden Ansichten. Obgleich man bei
Pflanzen bis jetzt noch keine hohle Kerne kennt, so ha-
ben wir doch schon bei den Knorpeln hohle Kerne gefun-
den, die entschieden die Bedeutung von Cytoblasten hat-
ten. Es fragt sich nun aber, was sind Wagner’s Fleck
oder Flecke? Das Keimbläschen, als junge Zelle betrach-
tet, kann Einer davon Kern desselben sein, die übrigen
können Zelleninhalt oder Kerne junger Zellen sein, die
sich noch entwickeln sollen. Das Keimbläschen als Kern
betrachtet, können sie entweder Kernkörperchen sein oder
bloſs Inhalt des Kerns. Für das erste spricht, daſs in
[54] den meisten Fällen nur Ein Fleck da ist und die übrigen
meistens später erst entstehen. In diesem Einen Kern
hat R. Wagner zuweilen noch ein oder einige kleine
Pünktchen beobachtet und von Alcedo hispida, Lepus cuni-
culus, Ovis aries u. s. w. abgebildet; ich habe deren auch
zuweilen gesehen, die diesem Fleck einigermaſsen das An-
sehen eines an der Wand der Zelle anklebenden Zellen-
kernes geben, worin jene Pünktchen die Kernkörperchen
wären. Indessen ist das Vorhandensein dieser Pünktchen
in der Regelmäſsigkeit, daſs man sie als Kernkörperchen
ansehen könnte, zu selten, und sie sind meistens zu un-
bestimmt, als daſs ich ihnen irgend ein Gewicht in der
Entscheidung der vorliegeuden Frage beilegen möchte.
Die Betrachtung der Wagnerschen Flecke als Kernkör-
perchen in dem Keimbläschen als Zellenkern hat die oft un-
gemeine Zahl derselben gegen sich, indem sie zuweilen
bei Fischen das ganze Keimbläschen ausfüllen, wenigstens
seine innere Fläche dicht gedrängt bedecken. Die gröſste
Zahl der Kernkörperchen, die ich an anderen Kernen be-
obachtet habe, ist drei, und bei Pflanzen kommen, nach
Schleiden, in sehr seltenen Fällen auch vier vor. Sind
sie aber keine Kernkörperchen, sondern Inhalt des Kerns,
so muſs man zugeben, daſs dieser von dem Inhalt fast al-
ler anderen Kerne sehr abweicht. Dieser ist nämlich bei
allen anderen Kernen höchst feinkörnig und meist gelb-
lich. Nur bei den Fettzellen in der Schädelhöhle einer
jungen Plötze habe ich zuweilen in dem in der Resorp-
tion begriffenen Kern Fetttröpfchen entstehen sehen. Die-
ser letzte Punkt würde also mehr für die Betrachtung des
Keimbläschens als junge Zelle sprechen.


Erwägt man nun alles dieses zusammen, so ist für
jetzt die Entscheidung der Frage, ob das Keimbläschen
Zelle oder Zellenkern ist, noch nicht möglich. Insofern
die Beobachtungen über den ersten und wichtigsten Punkt,
das frühere Vorhandensein des Keimbläschens vor der
Dotterzelle, mehr für die Betrachtung des Keimbläschens
als Zellenkern sprechen, scheint indessen für den Augen-
[55] blick diese Ansicht einiges Uebergewicht zu haben. Das
spätere Verhalten des Keimbläschens scheint auch mehr
dafür zu sprechen. Es bildet sich nämlich um dasselbe
die Scheibe, die vielleicht dem körnigen Niederschlage
entspricht, der sich gewöhnlich in anderen Zellen um den
Kern bildet. Dann verschwindet das Keimbläschen, wie
an den anderen Zellen auch gewöhnlich der Kern resor-
birt wird. Daſs die Flüssigkeit des Keimbläschens dann
eine befruchtende Wirkung ausübe, ist durch Nichts zu
beweisen, sondern wenn es Zellenkern ist, verschwindet
es, weil es seine Wirkung, die Bildung der Dotterzelle,
gethan hat. Die Scheibe, die sich um dasselbe gebildet
hat, entwickelt sich zur Keimhaut, und es ist ungewiſs,
ob Reste des Keimbläschens an der Bildung derselben
Theil nehmen.


Betrachten wir nun den übrigen Inhalt der Dotter-
zelle auſser dem Keimbläschen, und zwar beim Vogelei.
Man kann von den bekannten Kugeln, welche in dem Dot-
ter des gelegten Hühnereies vorkommen, mit Vernachlässi-
gung weniger wesentlicher Unterschiede zwei Hauptarten
unterscheiden: a) die Kugeln der Dotterhöhle und b) die
der eigentlichen Dottersubstanz. Die ersten kommen, au-
fser in der Dotterhöhle, auch in dem von da zur Keim-
haut gehenden Kanale und in dem von Pander Kern des
Hahnentritts genannten Hügelchen vor. Sie zeigen, wenn
viele zusammen liegen, eine weiſse Farbe, während die
eigentlichen Dotterkugeln alsdann gelb erscheinen. Auch
mikroskopisch unterscheiden sie sich von den letzteren
(s. Tab. II. Fig. 2). Es sind vollkommen runde Kugeln
mit ganz glatten Rändern, welche in sich eine kleinere,
ebenfalls ganz runde Kugel enthalten, die sich durch ihre
scharfen Konturen auszeichnet und wie ein Fetttropfen
aussieht.


Der übrige Raum der groſsen Kugel ist gewöhnlich
durchsichtig, nicht körnig. Doch kommen auch welche
vor, die einen körnigen Inhalt haben und dann ganz den
eigentlichen Dotterkugeln gleichen, nur daſs letztere mei-
[56] stens keine mit so dunkeln Konturen versehene kleinere
Kugel enthalten. In den Kugeln der Dotterhöhle kom-
men zuweilen auch zwei oder mehrere solcher kleineren
Kugeln vor. Die Kugeln der eigentlichen Dottersubstanz
oder die gewöhnlichen Dotterkugeln unterscheiden sich
dadurch von den vorigen, daſs sie im Ganzen gröſser sind,
sämmtlich einen körnigen Inhalt haben und daſs sie meistens
keine kleinere Kernkugel enthalten. Sie sind sehr em-
pfindlich gegen Wasser, wodurch sie zerfallen, so daſs die
in ihnen enthaltenen Körnchen frei werden und dem Was-
ser eine milchweiſse Farbe mittheilen. Diese Körnchen
sind von verschiedener Gröſse, den Milchkörnchen ähn-
lich und zeigen auch, wie schon vielfach beobachtet wurde,
wie sie eine lebhafte Molekularbewegung. Man muſs diese
Dotterkugeln, wegen ihrer Empfindlichkeit gegen Wasser,
mit Eiweiſs oder dünner Kochsalzlösung untersuchen,
worin sie sich besser erhalten. Diese Flüssigkeiten fär-
ben daher auch die Oberfläche eines in ihnen geöffneten
Dotters nicht weiſs, wie das Wasser. Unter dem Kom-
pressorium zerquetscht, reiſst die Kugel ziemlich plötzlich
an Einer Seite, während ihre übrigen Ränder glatt blei-
ben, und nun tritt, ohne daſs der Druck verstärkt wird,
eine groſse Menge der in ihnen enthaltenen Kügelchen
langsam aus. Dieſs deutet auf eine äuſsere Membran die-
ser Kugeln, die aber sehr weich und zart sein muſs.
v. Bär, der vier Arten von Dotterkugeln unterscheidet,
glaubt auch zuweilen an Dotterkugeln noch unreifer Eier
des Eierstocks, eine solche gesehen zu haben. Iso-
lirt sind die Dotterkugeln rund, aber in ihrer natürlichen
Lage im Dotter platten sie sich gegen einander zu ecki-
gen Formen ab, wodurch die von Purkinje beobachte-
ten krystallähnlichen Körper des gekochten Dotters ent-
stehen. Diese Körper setzen gewöhnlich die ganze eigent-
liche Dottersubstanz eines frischen Eies zusammen, so
daſs, auſser dem Inhalt der Dotterkugeln, gewöhnlich keine
feinkörnige Substanz frei im Dotter vorkommt. Die fein-
körnige Substanz, die man auſser den Dotterkugeln be-
[57] sonders nach Behandlung mit Wasser sieht, scheint ge-
wöhnlich und an den äuſseren Dotterschichten immer nur
durch Zerstörung von Dotterkugeln hervorgebracht zu
werden. Doch findet man an einem gekochten Ei auch
oft geronnene Substanz, eben solche Körnchen, wie die
Dotterkugeln enthaltend, in der Nähe der Dotterhöhle,
und dieſs scheint wirklich freie, nicht in Kugeln enthaltene
Dottersubstanz zu sein.


Um nun die Bildung dieser beiden Arten von Ku-
geln, nämlich der Dotterhöhle und der Dottersubstanz, und
die Entstehung der Dotterhöhle und ihres Kanals kennen
zu lernen, muſs man die Eier im Eierstock untersuchen.
Die jüngeren, etwa von 1 bis 2 Linien Durchmesser, sind
graulich weiſs, nicht gelblich. Schneidet man ein solches
Ei unter Wasser in der Mitte durch, so findet man darin
eine dickflüssige graulich-weiſse Masse, welche zum Theil
langsam ausflieſst. Um diese Masse liegt eine konsistentere,
zusammenhängende, membranenartige Schicht, welche die
Höhle des Eichens auskleidet. Bringt man von jener
Masse etwas unter das Mikroskop, so sieht man darin
viele runde, sehr durchsichtige Bläschen oder Zellen, von
denen jedes ein dunkles Körperchen enthält, das wie ein
Fettkügelchen aussieht. Viele solcher Kügelchen schwim-
men frei, und auſserdem ist viel feinkörnige Substanz da.
Um aber jene Masse mehr im natürlichen Zustande zu
untersuchen, muſs man die Anwendung von Wasser ver-
meiden. Man bringe ein Eichen von etwa ½ bis 1 Linie
Durchmesser auf den trocknen Objektträger, steche
das Eichen an und lasse einen Tropfen seines Inhaltes
auslaufen. Dieser besteht nun ganz aus sehr blassen Zel-
len von der verschiedensten Gröſse, und jede Zelle ent-
hält ein rundes Kügelchen, welches ungefähr mit der
Gröſse der Zelle im Verhältniſs steht. Dieses Kügelchen
oder dieser Kern sieht durch seine dunkelen Konturen
einem Fettkügelchen ähnlich (s. Tab. II. Fig. 3). Viele
dieser Zellen mit ihrem Kern sind so klein, daſs, wenn
sie dicht zusammenliegen, man sie für eine bloſs feinkör-
[58] nige Substanz ansehen könnte; bei günstigem Lichte er-
kennt man aber die Zellen darin. Einige der gröſsern
enthalten zuweilen zwei oder drei solcher dem Fett ähn-
lichen Kügelchen. Der Inhalt der Zellen ist meistens voll-
kommen durchsichtig, doch zeigen sich auch einzelne, in
denen sich ein feinkörniger Niederschlag gebildet hat.
Diese Zellen sind in dem Eichen in ein Wenig einer
durchsichtigen Flüssigkeit enthalten. Um das etwas ver-
schiedene Ansehen zu erklären, welches der Inhalt des
Eichens nach der Berührung mit Wasser annimmt, bringe
man ein kleines Eichen mit einem Tropfen Wasser auf
ein Gläschen, drücke etwas von dem Inhalt des Eichens
aus und beobachte dann schnell unter dem Mikroskop.
Man sieht dann eine Menge dieser Zellen in dem Wasser
platzen, und zwar ganz plötzlich, so wie eine Seifenblase
in der Luft. Wegen der Blässe der Zellen wird man
auf das Platzen derselben zuerst durch die plötzliche
Bewegung des Kerns aufmerksam gemacht. Der Kern
und etwas feinkörnige Substanz bleibt zurück. Wären
diese Zellen solid, wenn auch noch so weich, so wäre ein
solches plötzliches Zerspringen nicht möglich. Es sind
also wahre Zellen. Ob das in ihnen enthaltene Kügelchen
die Bedeutung des Kerns hat, weiſs ich nicht. Obgleich
es einem Fettkügelchen ähnlich sieht, so scheint es doch
kein Fett zu sein; denn bringt man auf einen Tropfen
des Inhaltes des Eichens Essigsäure, so erhalten sich darin
die Zellen ziemlich gut, und das Körperchen wird bläs-
ser und schwillt etwas auf, was beim Fett wohl nicht
der Fall sein würde. Diese Zellen nun sind die spätern
Kugeln der Dotterhöhle in ihrem weniger entwickelten
Zustande. Die gröſseren sind ihnen schon ganz ähnlich.
Diese Kugeln der Dotterhöhle sind also ebenfalls Zellen.
Ihre Kernkugeln verhalten sich gegen Essigsäure eben so,
wie im früheren Zustande. Sie liegen nicht central, son-
dern an der inneren Fläche der Zellenwand, wie man sieht,
wenn man die Zellen unter dem Mikroskop rollen läſst.
Im ruhenden Zustande liegen aber die Zellen gewöhnlich
[59] so, daſs die Kernkugel den tiefsten Punkt einnimmt, wahr-
scheinlich weil sie der schwerste Theil der Zelle ist, und
deſshalb sieht es aus, als ob die Kernkugel in der Mitte
der Zelle liege. Der Dotter enthält Anfangs nur die
Dotterhöhle mit ihren Zellen. Die eigentliche Dottersub-
stanz mit ihren Kugeln existirt noch nicht. Die Farbe
dieser jungen Eichen ist daher auch weiſs, wie der Inhalt
der Dotterhöhle.


Die membranartige Schicht, welche den beschriebenen
Inhalt des Eichens umgiebt, läſst sich leicht an einem in
der Mitte durchgeschnittenen Eichen von ihrer äuſseren
Umgebung ganz trennen. Sie hängt nicht damit zusam-
men, und ist auf ihrer äuſseren Fläche ziemlich glatt,
wenigstens für das unbewaffnete Auge; nach innen ver-
liert sie sich allmählig. Ihre Struktur ist eigenthümlich.
Purkinje, der sie entdeckte, beschreibt sie als aus Kü-
gelchen bestehend, an Gröſse und Gestalt den Blutkör-
perchen ähnlich, aber durchsichtiger als diese. Wenn
man sie auf einem Glasplättchen ausbreitet und mikro-
skopisch untersucht, so sieht man, daſs sie aus zwei Thei-
len besteht, einer inneren feinkörnigen Lage und einer
äuſsern Zellenschicht. In der inneren Lage sieht man
viele kleine Körnchen, aussehend wie die Kerne der oben
beschriebenen Zellen der Dotterhöhle im jüngsten Zustande,
und ich vermuthe, daſs gerade aus dieser Lage sich die
Zellen der Dotterhöhle hervorbilden, so daſs diese Lage
eigentlich noch zur Dotterhöhle gehört. Die äuſsere
Schicht besteht aus kleinen runden körnigen Zellen, von
denen jede einen Kern enthält, der an vielen noch ein
oder zwei Kernkörperchen zeigt. Solcher Zellenschichten
liegen zwei oder drei über einander. Um diese Zellen-
schichte liegt auſsen eine sehr durchsichtige, vollkommen
strukturlose Haut, welche eine geschlossene Zellenmem-
bran darstellt und eben so wenig mit dem Eierstock als
mit jener Zellenschicht Zusammenhang hat, und als Dot-
terhaut angesprochen wird. Sie löst sich eben so leicht
vom Eierstock, wie von jener Zellenschichte, und letztere
[60] kann daher auch nicht ein bloſses Epithelium dersel-
ben sein.


Untersucht man nun gröſsere, schon gelb gefärbte
Eier des Eierstocks von ½ Zoll Durchmesser und gröſser,
indem man sie in der Mitte unter Wasser durchschneidet,
so findet man im Inneren eine weiſse Substanz, die Dot-
terhöhle. Sie enthält die Zellen, die Anfangs allein den
Inhalt des Eichens bildeten, in mehr entwickeltem Zu-
stande. Um diese erscheint eine Lage gelber Substanz
die eigentliche Dottersubstanz, und um diese wieder
liegt die Zellenschicht. In der eigentlichen Dottersub-
stanz erkennt man unter dem Mikroskop Kugeln, wie
in der Dottersubstanz des erwachsenen Dotters. Diese
haben sich also zwischen der Dotterhöhle und der zelli-
gen Schicht gebildet. Es fragt sich nun aber, wie? Dar-
aus, daſs der innerste Theil des Dotters, die Dotterhöhle,
das Erste ist, was sich vom Dotter bildet, kann man schon
vermuthen, daſs auch die innersten Dotterkugeln die älte-
sten sind, und die Bildung der neueren Dotterkugeln au-
ſsen an der inneren Fläche der Zellenschicht vor sich geht.
Bringt man nun ein Stückchen der Zellenschichte unter
das Mikroskop, so das die innere Fläche dem Auge zuge-
kehrt ist, und sucht man eine solche Stelle aus, wo eine
dünne Lage Dottersubstanz der Zellenschichte anhängt, so
sieht man in der That, daſs die Dotterkugeln in der Nähe
der Zellenschichte kleiner werden, im übrigen ihr Anse-
hen ziemlich behalten. Die kleinsten, unmittelbar auf der
inneren Fläche der Zellenschicht, sind noch kleiner als
die Zellen der Zellenschicht selbst. Es ist daher höchst
wahrscheinlich, daſs die Bildung der neuen Dotterkugeln
an der inneren Fläche der Zellenschicht vor sich geht,
daſs sich die Kugeln aber dann ziemlich schnell zu ihrer
normalen Gröſse ausdehnen, denn die Schicht kleiner Ku-
geln ist nur dünn. Inzwischen bilden sich auſsen wieder
neue Kugeln, bis der Dotter seine normale Gröſse erreicht
hat. Auf diese Weise erklärt sich nun auch die Entste-
hung des von der Dotterhöhle nach dem Keimbläschen
[61] führenden Kanals. Da nämlich, wo das Keimbläschen und
die Grundlage der Keimhaut an der Zellenschicht sich be-
finden, kann keine Bildung von Dotterkugeln vor sich ge-
hen, sondern es bleibt hier in jeder Lage von Dotterku-
geln eine Lücke, die bei der zunehmenden Dicke der Dot-
tersubstanz zu einem Kanal wird, der von der Dotterhöhle
nach der Keimhaut führen muſs, und in diesen Kanal drän-
gen sich Zellen der Dotterhöhle hinein. Sind nun diese
Kugeln der eigentlichen Dottersubstanz Zellen? Ich kann
dieſs nicht definitiv beweisen. Aber folgende Gründe ma-
chen es wahrscheinlich: 1) weil v. Bär an einigen eine
äuſsere Membran beobachtet zu haben glaubt; 2) weil sie,
unter dem Kompressorium an Einer Stelle gesprengt, ohne
Verstärkung des Druckes einen groſsen Theil ihres Inhal-
tes auf einmal entleeren; 3) weil sie trotz dem, daſs sie
im Dotter dicht zusammenliegen und sich gegen einander
abplatten, nicht zusammenflieſsen; 4) weil sie manchen, mit
einem körnigen Inhalt versehenen Zellen der Zellenhöhle
so ähnlich sind; 5) weil sie, wie die Zellen, selbstständig
zu wachsen scheinen. Diese Gründe dürften hinreichen,
die zellige Struktur der Dotterkugeln wahrscheinlich zu
machen, aber für entscheidend lassen sie sich nicht aner-
kennen. Insofern aber alle den Inhalt einer gröſseren
Zelle bilden, ist es für unsern Zweck auch nicht gerade
nothwendig, daſs sie bestimmt als Zellen nachgewiesen
werden. Sowohl die entschiedenen Zellen der Dotterhöhle,
als diese problematischen der eigentlichen Dottersubstanz,
wachsen selbstständig innerhalb einer Flüssigkeit und in-
nerhalb einer anderen Zelle. Es sind Zellen in Zellen.
Wenn auch die Entstehung neuer Zellen nur auſsen statt
findet, so sind sie doch von der organisirten Substanz
nicht nur durch die Zellenmembran des ganzen Eies, son-
dern auch durch die unmittelbar unter dieser liegende
Zellenschichte getrennt. Wir haben also hier ein Entste-
hen und selbstständiges Wachsen von Zellen innerhalb
einer Flüssigkeit ganz wie es das oben aufgestellte Grund-
phänomen ausspricht. Es wäre zu untersuchen, ob nicht
[62] die von Bär, Rusconi u. A. beschriebene Spaltung des
Dotters bei der Entwicklung niederer Thiere, z. B. der
Froscheier, auch auf einem Zellenbildungsproceſs beruht,
indem sich innerhalb des Dotters zunächst zwei Zellen
entwickeln, in jeder derselben wieder zwei neue u. s. f.


Betrachten wir nun die Veränderungen, welche die
äuſsere Schichte der mit einem Kern versehenen Zellen
erleidet. Diese ganze Membran, wenn man sie so nennen
darf, scheint bei Eiern von 1 Linie Durchmesser bloſs aus
solchen Zellen zu bestehen. In weiter entwickelten Eiern
von mehr als ½ Zoll Durchmesser besteht sie aber aus
zwei Schichten, von denen die äuſsere körnig ist und keine
Zellen mehr zeigt, die innere aber aus Zellen besteht, die
platt, sechseckig, aber auch körnig sind und sich zu der
äuſsern Schichte wie ein Ueberzug von Epithelium verhal-
ten. Die äuſsere Schichte läuft über das Keimbläschen
und die Anlage der Keimhaut weg, so daſs diese sich von
der inneren Fläche der äuſseren Schichte ohne Verletzung
derselben leicht entfernen lassen. Die innere Zellenschicht
dagegen ist an der Stelle, wo die Keimhaut liegt, unter-
brochen. Die Art, wie diese äuſsere Körnerschichte ent-
steht, habe ich nicht in allen Punkten verfolgt; ich ver-
muthe, daſs sie sich durch Verschmelzung der äuſseren
Zellen bildet, welche die ursprünglich bloſs zellige Mem-
bran zusammensetzten. Wenn sich das Ei seinem Aus-
tritt aus dem Eierstock nähert, so verschwindet allmählig
die epitheliumartige Zellenschicht und es bleibt bloſs die
körnige Membran übrig. Sie zeigt selbst an Eiern, die
zu diesem Austritt fast reif sind, keine Neigung, sich mit
der strukturlosen äuſseren Haut des Eies zu vereinigen.
Schneidet man ein solches Ei unter Wasser auf und zieht
die vom Eierstock herrührenden Integumente ab, so bleibt
diese körnige Haut oft auf dem Dotter liegen, während
die strukturlose Haut jenen Integumenten folgt und dort
leicht nachgewiesen werden kann, wenn man sie so faltet,
daſs die innere Fläche einen scharfen Rand bildet. Man
sieht dann unter dem Kompressorium diese strukturlose
[63] Haut sich an diesem Rande hervorwölben. Auch trennt
sie sich dabei oft in gröſsern Stücken, so daſs sie mit den
dem Eierstock angehörigen Theilen auch nicht zusammen-
hängt. Wenn diese Haut die Bedeutung der Dotterhaut
hat, so muſs erst im Eileiter eine Verschmelzung dersel-
ben mit jener Körnerschichte zur späteren Dotterhaut des
gelegten Eies eintreten.


Gehen wir nun zu dem Theile des Eies über, woraus
sich zunächst der Embryo bildet, zur Keimhaut. Sie stellt
bekanntlich ein etwas über eine Linie breites rundes wei-
ſses Scheibchen dar, welches zwischen der Dotterhaut und
der Dottersubstanz liegt. Dieses Scheibchen besteht an
einem frisch gelegten Hühnerei aus Kugeln, welche an ver-
schiedenen Stellen der Keimhaut von ungleicher Gröſse
sind. Sie erscheinen unter dem Mikroskop viel dunkler
als die Dotterkugeln (s. Tab. II. Fig. 4). Sie liegen dicht
zusammen, so daſs sie sich zu einer sechseckigen Form
gegen einander abplatten. Die Grenzen der einzelnen Ku-
geln lassen sich auch im Zusammenhange deutlich unter-
scheiden. Auch können sie leicht von einander isolirt
werden und sind dann rund. Sie enthalten viele kleinere
runde Körnchen von verschiedener Gröſse, mit sehr dun-
keln Konturen, die beim Zerpressen der Kugeln einzeln
umher schwimmen. Obgleich diese Körnchen meistens die
Kugeln ganz füllen, so sieht man doch auch andere Ku-
geln, wo dieſs nicht der Fall, sondern ein Theil der Ku-
gel durchsichtig und körnerlos ist (a b der Figur). An
einer dieser Kugeln (a) glaubte ich deutlich eine doppelte
äuſsere Kontur zu bemerken, was für das Vorhandensein
einer Zellenmembran spräche. An den meisten ist dieſs
aber nicht deutlich, und daſs diese Kugeln Zellen sind,
schlieſse ich hauptsächlich daraus, weil sie sich doch
höchst wahrscheinlich zu den deutlich nachweisbaren Zel-
len der bebrüteten Keimhaut entwickeln. Ich habe diesen
Prozeſs indessen nicht vollständig verfolgt, und theile hier
nur die Beobachtungen unvollständig, wie sie sind, mit.
Faltet man die unbebrütete Keimhaut, so daſs die äuſsere
[64] Fläche derselben einen scharfen Rand bildet, so findet
man diese Fläche ziemlich eben, dunkel und unmittelbar
von den beschriebenen Kugeln der Keimhaut gebildet.
Eben so verhält sich die äuſsere Fläche der Keimhaut
eines vier Stunden der Brutwärme ausgesetzten Eies. Auch
von der Fläche aus betrachtet sieht eine solche bebrütete
Keimhaut von einer unbebrüteten nur wenig verschieden
aus. Die Kugeln, aus denen sie besteht, scheinen nur
einen mehr feinkörnigen Inhalt zu haben. Faltet man aber
die Keimhaut eines acht Stunden*) der Brutwärme aus-
gesetzten Eies, so daſs ihre äuſsere Fläche den Rand bil-
det, so ist dieser Rand jetzt schon an vielen Stellen nicht
mehr dunkel und eben, sondern wird von äuſserst blassen
durchsichtigen Zellen gebildet. Diese kommen von allen
Gröſsen vor bis zur Gröſse der ursprünglichen Keimhaut-
kugeln und noch gröſser. Sie ragen entweder als Halb-
kugeln oder auch mit dem gröſsten Theil ihrer sphärischen
Flächen hervor, und lassen sich auch durch Druck ganz
trennen. Sie enthalten eine durchsichtige Flüssigkeit und
keinen Kern. Daſs es Zellen sind, geht daraus hervor:
Einige enthalten einzelne sehr kleine schwarze Körnchen,
wie Brownsche Molekule, welche innerhalb der Zelle Mo-
lekularbewegung zeigen. Dieſs beweist, daſs der Inhalt
der Zelle flüssig sein muſs. Eine mit Wasser mischbare
[65] Flüssigkeit aber kann sich in Wasser nicht geformt er-
halten, wenn sie nicht von einer Membran eingeschlossen
ist. Eine solche muſs also auch hier existiren. Es ist
nicht ganz leicht sich zu überzeugen, daſs diese Körnchen
mit Molekularbewegung wirklich innerhalb der Zellen lie-
gen. Aber man sieht es daraus, daſs sie nicht fortflieſsen,
wenn man die umgebende Flüssigkeit flieſsen läſst, und
daſs sie nicht über die Zelle hinaus, sondern nur bis an
die Wand der Zelle und wieder zurück sich bewegen.
Unter dieser Zellenschicht liegen die Kugeln der unbebrü-
teten Keimhaut, die aber noch heller und feinkörniger ge-
worden zu sein scheinen als in der vier Stunden bebrüte-
ten Keimhaut. Auſserdem sieht man einzelne Zellenkerne,
wie sie später in den Zellen des serösen Blattes vorkom-
men und in Tab. II. Fig. 6. zu sehen sind. Nach innen
von dieser Schichte liegen ganz dunkle Kugeln. Bei einem
16 Stunden bebrüteten Ei hat sich nun das seröse und
Schleimblatt der Keimhaut ausgebildet. Faltet man eine
solche Keimhaut, um ihre äuſsere Fläche zu sehen, so er-
kennt man, daſs sie von Zellen gebildet wird, die als Halb-
kugeln hervorragen (Tab. II. Fig. 5). An einigen ist ein
Kern zu erkennen von der charakteristischen Form. Er
liegt an der inneren Fläche der Wand der Zellen an, ist
rund und enthält noch ein oder zwei Kernkörperchen.
An den meisten sieht man keinen Kern, entweder weil er
nicht vorhanden ist oder weil er an der hinteren Seite
der Zelle liegt, wo er wegen der darunter liegenden dun-
keln Substanz nicht erkannt werden kann. Die Zellen
enthalten auſserdem eine durchsichtige Flüssigkeit und ei-
nige kleine Körnchen mit Molekularbewegung, und eben
aus dieser Molekularbewegung folgt die Existenz einer
eigenthümlichen Zellenmembran. Spült man, nachdem die
Keimhaut etwas in Wasser gelegen hat, das Schleimblatt ab,
so kann man diese Zellen auch von der Fläche aus be-
trachten. Man sieht dann, daſs sie dicht an einander lie-
gen und sich zu einer sechseckigen Form gegen einander
abplatten (s. Tab. II. Fig. 6). Sie enthalten einen schö-
5
[66] nen Kern, der noch ein oder zwei Kernkörperchen
zeigt. Auſserdem kommen viele feine Körnchen in ihnen
vor, die in der Zelle Molekularbewegung zeigen. Die
Zellen lassen sich auch an der frischen Keimhaut sehen,
besonders an dem Rande derselben, wo die Keimhaut
durchsichtiger wird. Sie ragen dort mit groſsen Ku-
gelsegmenten hervor. Diese Zellen stellen nun das se-
röse Blatt der Keimhaut dar, welches also aus runden,
nur durch ihr dichtes Zusammenliegen sich zu einer po-
lyedrischen Form abplattenden, an ihrer inneren Wand-
fläche mit dem charakteristischen Zellenkern versehenen
Zellen besteht, die eine helle Flüssigkeit und nur einzelne
kleinere Körnchen enthalten. Man könnte denken, daſs
diese Zellen etwa ein bloſser Epitheliumüberzug des serö-
sen Blattes wären. Allein trennt man das seröse Blatt,
nachdem sich das Blut gebildet hat, z. B. an einem 48
Stunden bebrüteten Ei, so bleibt das Gefäſsblatt unmittel-
bar auf dieser Zellenschichte liegen. Valentin hat diese
Zellenkerne schon gekannt, indem er sagt, daſs von den
drei Blättern der Keimhaut jedes aus einer durchsichtigen
glasartigen Gallerte bestehe, daſs sie sich aber durch
die darin enthaltenen Körperchen unterscheiden. Die im
serösen Blatt seien einzeln zerstreut, durchsichtig und
weiſs, von zierlicher, bestimmt runder oder länglicher
Form (Entwicklungsgeschichte S. 287). Diese Körperchen
sind die Zellenkerne, die durchsichtige Substanz, worin sie
liegen, wird von den Zellen zusammengesetzt, und ist nur
scheinbar eine bloſse Gallerte. Die Zellen haben nur ein
Minimum von Intercellularsubstanz zwischen sich.


Betrachten wir nun das Schleimblatt der Keimhaut
eines 16 Stunden bebrüteten Eies, so findet man darin
Kugeln von sehr verschiedener Gröſse und manchfaltigem
Ansehen (s. Tab. II. Fig. 7). Die groſsen Kugeln, welche
die Hauptmasse bilden, lassen sich als Zellen nachweisen,
und von Bär nennt sie schon Bläschen. Die Molekular-
bewegung, welche zwar viel schwächer als an den Zellen
des serösen Blattes, doch oft an einzelnen Kügelchen in-
[67] nerhalb dieser Zellen des Schleimblatts sichtbar ist, be-
weist, daſs sie wirklich Zellen sein müssen. Diese Zellen
enthalten eine durchsichtige Flüssigkeit und Körnchen ver-
schiedener Art. Fast in jeder zeichnet sich Eine Kugel mit
sehr dunkeln Konturen aus, wie in den Zellen der Dotterhöhle.
Dieser Kugeln finden sich oft mehrere in einer Zelle, und
zwar in allen Abstufungen der Gröſse. Auſserdem findet
sich in vielen Zellen noch eine feinkörnige Substanz.
Diese Zellen liegen ziemlich locker zusammen in einer
strukturlosen zähen Intercellularsubstanz als ihrem Cyto-
blastem, so daſs sie sich in dieser Periode noch wenig ge-
gen einander abplatten. Diese Intercellularsubstanz ent-
hält auſserdem noch ganz dunkle Kugeln und kleinere
Körnchen, von denen ich nicht weiſs, in welchem Ver-
hältniſs sie zu den Zellen stehen. Zum Theil sind sie
vielleicht Kerne neuer Zellen. Doch konnte ich nicht ent-
scheiden, ob die eine dunkle Kugel, die sich gewöhnlich
in den Zellen des Schleimblattes besonders auszeichnet,
wirklich die Bedeutung eines Zellenkerns hat. Sie weicht
von den gewöhnlichen Zellenkernen sehr in ihrer Form
ab. Bei der weiteren Entwicklung der Keimhaut nimmt
die Menge der Intercellularsubstanz und der nicht als
Zellen nachweisbaren Kügelchen sehr ab, so daſs später die
Zellen dicht zusammenliegen und das Ansehen des Pflanzen-
zellgewebes gewähren. Die hier gegebene Beschreibung
gilt nur von dem Schleimblatt auſser der area pellucida.
In dieser aber haben die Zellen ein ganz anderes Anse-
hen. Sie sind bei weitem kleiner, von ziemlich gleicher
Gröſse, sehr durchsichtig, enthalten keinen grobkörnigen
Inhalt, sondern nur sehr kleine Kügelchen. Ein Kern
scheint ihnen zu fehlen, und dadurch unterscheiden sie sich
von den Zellen des serösen Blattes, welche auch in der
area pellucida einen Kern haben.


Die ersten Rudimente des Embryo scheinen aus den
Zellen des serösen und Schleimblattes der Keimhaut, wie
sie in der area pellucida vorkommen, gebildet zu werden,
so daſs er theils aus kleinen kernlosen Zellen, theils aus
5*
[68] Zellen, die mit dem charakteristischen Kern versehen sind,
zusammengesetzt wird. Auſserdem kommen in ihm aber
noch eine auſserordentliche Menge bloſser Zellenkerne mit
Kernkörperchen vor, um die sich noch keine Zellen gebil-
det haben.


Ueber die Struktur des Gefäſsblattes habe ich nur
wenige Untersuchungen angestellt, und konnte dabei, au-
ſser den Gefäſsen selbst und dem Blut, keine so wesent-
lichen Unterschiede von dem Schleimblatt finden, als zwi-
schen dem Schleimblatt und serösen Blatt sich zeigte.
Auf die Gefäſsbildung selbst aber, die ebenfalls auf einer
Zellenbildung zu beruhen scheint, werden wir, da es kein
der Keimhaut eigenthümlicher Proceſs ist, später zurück-
kommen.


In welchem Verhältniſs nun diese Zellen der Blätter
der Keimhaut zu den ursprünglichen Kugeln der unbebrü-
teten oder 8 Stunden bebrüteten Keimhaut stehen, habe
ich nicht ermittelt; aber insofern als es wahrscheinlich
ist, daſs wenigstens Eine dieser Zellenarten der Entwicke-
lung jener Kugeln ihren Ursprung verdankt, darf man ver-
muthen, daſs jene Kugeln ebenfalls Zellen sind. —


Um nun die Veränderungen, welche das Ei von sei-
ner Entstehung bis zur anfangenden Entwicklung des wirk-
lichen Embryo erleidet, ganz in der Kürze schematisch so
darzustellen, wie man sich nach den mehr oder weniger
vollständigen Beobachtungen vorläufig den Entwicklungs-
gang vorstellen kann, wollen wir die Ansicht zu Grunde
legen, daſs das Keimbläschen der Kern der Dotterzelle ist,
wobei wir aber über die Zuverlässigkeit sowohl dieses
Punktes, als jedes einzelnen in der folgenden Darstellung
vorkommenden Momentes ausdrücklich auf die bisher ge-
lieferte ausführlichere Auseinandersetzung verweisen. Ver-
muthlich ist zuerst das Keimbläschen vorhanden, und um
dieses als Zellenkern bildet sich die Dotterzelle. Keim-
bläschen und Dotterzelle wachsen, jedoch die Dotterzelle
viel stärker als das Keimbläschen. Um das Keimbläschen
entsteht ein Niederschlag, der Anfang der Keimhaut.
[69] Gleichzeitig bilden sich im übrigen Raum der Dotterzelle
junge Zellen, die Zellen der späteren Dotterhöhle. Dann
entsteht unter der Dotterhaut eine andere Art von Zellen,
die späteren Zellen der eigentlichen Dottersubstanz. Sie
bilden sich ringsum in der Nähe der Dotterhaut, nur nicht
da, wo das Keimbläschen und die Grundlage der Keimhaut
liegt. Diese Zellen dehnen sich sehr schnell aus, während
zugleich nach auſsen von ihnen eine neue Lage sich bil-
det u. s. w. So umgeben sie die weiſsen Zellen der Dot-
terhöhle mit einer dicker werdenden Lage gelber Zellen,
in der nur entsprechend der Stelle, wo das Keimbläschen
und die Keimhaut liegt, eine Lücke bleibt, die bei zuneh-
mender Dicke der Dottersubstanz zu einem Kanal wird.
Die Dotterhaut wächst dabei fortwährend, so wie der sich
vermehrende Inhalt es erfordert. Wenn die Dotterzelle
ihre gehörige Gröſse erreicht hat und das Ei den Eier-
stock verläſst, so schwindet das Keimbläschen wie die
meisten anderen Zellenkerne, und die nun mehr entwickelte
Keimhaut bleibt zurück. Sie besteht aus Kugeln, wahrschein-
lich Zellen, mit einem grobkörnigen Inhalt. Sie wächst
bei der Bebrütung durch beständige Entwicklung neuer
Zellen. An der 16 Stunden bebrüteten Keimhaut ist ein
Unterschied in den Zellen derselben zu bemerken. Die
äuſseren bilden eine Schichte, in denen die Zellen einen
Kern von der charakteristischen Form zeigen und viel
durchsichtige Flüssigkeit und einzelne kleine Körnchen
enthalten. Diese Zellen sind daher hell, sie hängen fest
zusammen und haben nur ein Minimum von Intercellular-
substanz zwischen sich. Sie stellen das seröse Blatt der
Keimhaut dar. Die untere Schichte der Keimhaut oder
das Schleimblatt enthält Zellen anderer Art; sie haben
keinen Kern von der charakteristischen Form, sondern
enthalten eine oder mehrere dunkle Kugeln und oft au-
ſserdem feinkörnige Substanz. Diese Zellen liegen lok-
ker zusammen in einer gröſseren Menge von Intercellu-
larsubstanz, welche auſserdem noch kleinere Körnchen
verschiedener Art enthält. Nachdem nun in der Mitte der
[70] so getheilten und ihrer Fläche nach bedeutend vergröſser-
ten Keimhaut sich eine durchsichtigere Stelle, die area
pellucida, gebildet hat, in der die Zellen des Schleimblat-
tes viel kleiner, aber unter sich von ziemlich gleicher
Gröſse sind und einen durchsichtigen Inhalt und einzelne
sehr kleine Körnchen enthalten, entsteht auf die bekannte
Weise der Embryo als ein von der ganzen Keimhaut sich
abschnürender Theil. Beide Blätter tragen zur Bildung
desselben bei, und er besteht daher aus kleinen durchsich-
tigen Zellen, von denen einige (wahrscheinlich die dem
Schleimblatt angehörigen) keinen Kern enthalten, andere
(die vom serösen Blatt herrührenden) den charakteristi-
schen Zellenkern mit seinen Kernkörperchen zeigen. Au-
ſserdem enthält er noch eine Menge Kerne, um die sich
noch keine Zellen gebildet haben. Zwischen den beiden
Blättern der Keimhaut entstehen dann noch Zellen, von
denen später die Rede sein wird, die man als ein drittes
Blatt, das Gefäſsblatt, betrachten kann, obgleich sie eigent-
lich kein zusammenhängendes, für sich bestehendes Blatt
bilden. Diese drei Blätter und vorzugsweise die beiden ersten
bilden nun die mittelbare Grundlage aller späteren Gewebe.


Der Dotter ist für den Embryo kein todtes Nah-
rungsmittel, wie etwa ein von einem Erwachsenen ge-
nossener Dotter für diesen Organismus todt ist und che-
misch aufgelöst werden muſs, sondern die Dotterzellen
nehmen an dem bei der Bebrütung erwachenden Leben
Theil. Sie bewirken eine Veränderung ihres Inhaltes, wo-
bei das in ihnen enthaltene Eiweiſs seine Gerinnbarkeit
verliert und die Körnchen aufgelöst werden, so wie sich
beim Pflanzenembryo die Stärkmehlkörnchen in den Zel-
len auflösen. Kurz der Dotter verhält sich zum Embryo
in Beziehung auf seine ernährende Eigenschaft,
wie das Eiweiſs des Pflanzenembryo zu diesem.


Alle Veränderungen des Eies, das Wachsthum der
Keimhaut und selbst die erste Bildung des Embryo gehen
ganz ohne Gefäſse nach Analogie der Pflanzenzellen
vor sich.


[71]

Zweite Abtheilung.
Bleibende Gewebe des thierischen Körpers
.


Hat uns die vorige Untersuchung gelehrt, daſs das
ganze Eichen von seiner Entstehung bis zu dem Zeitpunkt,
wo durch die Ausbildung des serösen und Schleimblattes
der Keimhaut die Grundlage aller späteren Gewebe gege-
ben ist, nur eine beständige Bildung und Weiterentwick-
lung von Zellen zeigt, haben wir diese gemeinsame
Grundlage aller Gewebe selbst aus Zellen zusammenge-
setzt gefunden: so kommt es nun darauf an, nachzuwei-
sen, daſs nicht nur in dieser Allgemeinheit die Gewebe
aus Zellen entstehen, sondern daſs die specielle Grundlage
jedes einzelnen Gewebes aus Zellen zusammengesetzt wird,
und alle Gewebe entweder bloſs aus Zellen bestehen, oder
durch manchfache Umwandlungen, welche die Zellen er-
leiden, sich aus solchen hervorbilden. Diese Modifikatio-
nen, welche die Zellen bei ihrer weitern Entwicklung zu
den späteren Geweben zum Theil erleiden, sind sehr we-
sentlich, so daſs nicht selten dadurch die Zellen als ge-
trennte selbstständige Gebilde zu existiren aufhören. Wir
haben solche Veränderungen schon in der Einleitung bei den
Pflanzen gesehen, z. B. an der von Schleiden beobachteten
Verschmelzung der Zellenwände in der Rinde der Cacteen,
an der Verschmelzung mehrerer Zellen zu einer Röhre
bei den Spiral- und Milchsaftgefäſsen. In weit höherem
Grade kommt dieſs bei den Thieren vor, und überhaupt
verliert sich die Selbstständigkeit der Zellen um so mehr,
je höher die Dignität eines Gewebes ist. Wir wollen
diese Modifikationen aber hier nicht im Voraus aufzählen,
sondern sie als Resultat der Beobachtung an den einzel-
[72] nen Geweben kennen lernen und am Schluſs zu einem
zusammenhängenden Bilde des Zellenlebens zusammenfü-
gen. Jedoch ist es Behufs einer Eintheilung der Gewebe
nothwendig, die wichtigsten hier wenigstens vorläufig nam-
haft zu machen.


Da das Grundgebilde aller organischen Struktur
die Zelle ist, so würde die am meisten wissenschaft-
liche Eintheilung der allgemeinen Anatomie offenbar die
sein, welcher der mehr oder weniger hohe Grad von
Entwicklung, welche die Zellen zur Bildung eines Gewe-
bes eingehen müssen, zur Grundlage dient. Als Maaſs-
stab für den Grad der Entwicklung von Zellen dürfte
aber das zu betrachten sein, ob die Zellen ihre Individua-
lität vollständig beibehalten oder mehr oder weniger auf-
geben. Selbstständige Zellen nennen wir solche, wo die
Wand der Zelle in ihrer ganzen Ausdehnung von den be-
nachbarten Gebilden unterscheidbar bleibt. Verschmolzene
Zellen sind solche, wo die Wand der Zellen theilweise
oder ganz mit den benachbarten Zellen oder der Intercel-
lularsubstanz zu einer homogenen Substanz zusammen-
flieſst. Die Zellenhöhlen sind dann von einander nur
durch eine einfache Wand getrennt, wie wir dieſs schon
bei den Knorpeln beobachtet haben. Dieſs ist der erste
Grad der Verschmelzung, wie er auch unter den Pflanzen
bei den Cacteen vorkommt. Der zweite Grad ist der,
wo die Wände mehrerer der Länge nach aneinander lie-
gender Zellen an ihren Berührungsstellen mit einander
verschmelzen und dann die Scheidewand der Höhlen re-
sorbirt wird. So flieſsen nicht nur die Wände, sondern
auch die Höhlen der Zellen zusammen, wie unter den
Pflanzen bei den Spiral- und Milchsaftgefäſsen.


Nach diesen mehr oder weniger wesentlichen Modi-
fikationen des Zellenlebens erhalten wir folgende Einthei-
lung der Gewebe: 1) Isolirte selbstständige Zellen, die
entweder in Flüssigkeiten sich befinden oder bloſs lose
und beweglich neben einander liegen. 2) Selbstständige
Zellen, zu einem zusammenhängenden Gewebe fest an ein-
[73] ander gelagert. 3) Gewebe, in denen die Zellenwände,
nicht aber die Zellenhöhlen mit einander oder mit der In-
tercellularsubstanz verschmolzen sind; endlich zuletzt Ge-
webe, in denen die Wände und die Höhlen vieler Zellen
zusammenflieſsen. Auſserdem giebt es aber noch eine sehr
natürliche Abtheilung von Geweben, nämlich die Faserzel-
len, wo selbstständige Zellen sich nach einer oder meh-
reren Seiten in Faserbündel verlängern. Die Natürlich-
keit dieser Gruppe wird es entschuldigen, wenn ich ihr
die logische Eintheilung zum Opfer bringe und sie als die
vierte Klasse einschiebe, wodurch die zuletzt angeführte
Klasse, nämlich Gewebe, in denen Zellenwände und Zel-
lenhöhlen verschmelzen, die fünfte wird.


Unter diese fünf Klassen lassen sich alle Gewebe des thie-
rischen Körpers subsumiren. Es kommen indessen manche
Schwierigkeiten dabei vor. So würden die Zellgewebefasern
und das Fett in ganz verschiedene Klassen gebracht werden
müssen, eben so der Zahnschmelz und die eigenthümliche Sub-
stanz des Zahns u. s. w. Eine zweite Schwierigkeit ist die, daſs
Uebergänge Statt finden, z. B. von den isolirten Zellen
zu denen mit verschmolzenen Wänden, und z. B. ein Ge-
webe, das gewöhnlich aus isolirten Zellen besteht, an ein-
zelnen Stellen auch wohl einmal verschmolzene Zellen
zeigt. Allein solche Schwierigkeiten kommen bei allen
Eintheilungen von Naturgegenständen vor. Die Natur ist
sehr ungefällig, sich in unsere Schemata zu fügen. Ihr
Streben und das unseres Verstandes haben ein entgegen-
gesetztes Ziel. Die Natur vereinigt und vermittelt alle
Gegensätze durch leise Uebergänge: der Verstand trennt
und sucht überall schroffe Gegensätze. Wenn man aber
bei jedem einzelnen Gewebe nur auf das Rücksicht nimmt,
was das wichtigste Gebilde desselben ist, z. B. bei dem
Nervensystem auf die Nervenfasern, nicht auf die Ganglien-
kugeln, bei dem Zellgewebe auf die Zellgewebefasern,
nicht auf das Fett u. s. w., wenn man ferner nur das be-
rücksichtigt, was bei diesen Gebilden die Regel ist, so las-
sen sich alle Gewebe leicht unter diese fünf Klassen brin-
[74] gen. Der Vollständigkeit wegen habe ich dieſs mit allen
Geweben gethan, so wie es nach meinen bisherigen Unter-
suchungen am wahrscheinlichsten schien. Diese Untersu-
chungen sind indessen bei weitem nicht vollständig, und
fortgesetzte Beobachtungen mögen vielleicht in der Zu-
kunft für einzelne Gewebe eine andere Stellung nöthig
machen. Hier zunächst eine vorläufige Uebersicht:


  • I. Klasse. Isolirte selbstständige Zellen. Dahin gehö-
    ren vorzugsweise die Zellen in Flüssigkeiten: Lymph-
    kügelchen, Blutkörperchen, Schleim- und Eiterkör-
    perchen u. s. w.
  • II. Klasse. Selbstständige, zu zusammenhängenden Ge-
    weben vereinigte Zellen. Hierher das ganze Horn-
    gewebe und die Krystalllinse.
  • III. Klasse. Zellen, bei denen nur die Zellenwände mit
    einander verschmolzen sind: Knorpel, Knochen und
    die Zähne wegen ihrer Substantia propria.
  • IV. Klasse. Faserzellen: Zellgewebe, Sehnengewebe,
    elastisches Gewebe.
  • V. Klasse. Zellen, bei denen die Zellenwände und Zel-
    lenhöhlen mit einander verschmolzen sind: Muskeln,
    Nerven, Capillargefäſse.

I. Klasse.
Isolirte selbstständige Zellen
.


Wir verstehen darunter Zellen, die entweder in Flüs-
sigkeiten frei schwimmen, oder wenigstens beweglich ne-
ben einander liegen. Sie besitzen dadurch den höchsten
Grad der Selbstständigkeit. Es gehören dahin die Zellen
in der Lymphe, dem Blut und in den verschiedenen Se-
kreten. In einem System der allgemeinen Anatomie
würde das Ei, als auch dahin gehörend, an die Spitze ge-
stellt werden können. Der Plan der vorliegenden Arbeit
erforderte aber, es früher abzuhandeln, daher es hier
übergangen werden kann.


[75]
1) Lymphkörperchen.

Die Lymphkörperchen scheinen nach der Beschreibung
von Vogel (physiologisch-pathologische Untersuchungen
über Eiter etc. Erlangen 1838) Zellen zu sein, obgleich
der Verfasser dieſs nicht ausspricht. Nach der Einwir-
kung von Essigsäure kommt nämlich ein Kern zum Vor-
schein, von dem ich vermuthe, daſs er nicht durch eine
Trennung in Schale und Kern entstanden ist, sondern
schon vorgebildet war und nur wegen der gröſsern Durch-
sichtigkeit, welche die Schale, d. h. die Zellenmembran
und ihr Inhalt, durch die Essigsäure erhält, sichtbar wird.
Unter den abgebildeten Lymphkörperchen (l. c. Fig. 4. b)
scheint Ein Kern in der Mitte ein Kernkörperchen zu ent-
halten. Eigene Untersuchungen habe ich hierüber nicht ange-
stellt. Die Entstehung der Lymphkörperchen ist noch nicht
untersucht. Sie bilden sich wahrscheinlich in der Lymphflüs-
sigkeit als ihrem Cytoblastem nach dem oben ausgesproche-
nen allgemeinen Gesetz. Ob die Kerne zuerst da sind,
und um sie sich erst die Zelle bildet, ist unbekannt. Viel-
leicht sind die kleinen Körnchen, die Vogel aus der Lym-
phe abbildet, junge Kerne.


2) Blutkörperchen.

Daſs die Blutkörperchen Bläschen sind, wurde zuerst
von C. H. Schultz bewiesen. Er stützt sich besonders
auf ihr Verhalten gegen Wasser, wo sie ihren Farbestoff
verlieren, aufquellen, rund werden und wo er dann oft den
Kern innerhalb des runden, sehr durchsichtigen Bläschens
herumrollen sah. Das Letzte würde für sich allein schon
entscheidend sein. Ich habe dieſs zwar noch nicht beob-
achtet, der Kern hängt vielmehr in den meisten Fällen be-
stimmt an der inneren Wandfläche des Bläschens excen-
trisch wie bei allen Zellen, doch ist es wahrscheinlich,
daſs er sich auch zuweilen lösen kann. Aber schon das
Aufquellen und Rundwerden der Blutkörperchen macht
ihre Natur als Zellen sehr wahrscheinlich. Wäre die
Hülle des Blutkörperchens nicht ein abgeplattetes Bläs-
chen, so könnte es in Wasser zwar farblos werden und
[76] aufquellen, aber es würde seine platte Form wie ein auf-
quellender Schwamm behalten. Daſs der Kern bei dem
Aufquellen der Blutkörperchen in Wasser an der Wand
bleibt, ist keine bloſs zufällige Erscheinung; denn auch
bei den runden, noch nicht abgeplatteten Blutkörperchen
eines 48 Stunden bebrüteten Hühnchens fand ich die eben-
falls runden Kerne nicht central, sondern an der innern
Wandfläche des Blutkörperchens excentrisch liegen. Im
Zusammenhange mit dieser ganzen Untersuchung scheint
die zellige Natur der Blutkörperchen und die Deutung sei-
ner einzelnen Theile kaum zweifelhaft. Es sind abgeplat-
tete Zellen mit einem Zellenkern, der an einer Stelle der
inneren Fläche der Zellenmembran befestigt ist. Die
Gröſse der Zelle, im Vergleich mit dem Kern, ist nicht
bei allen Blutkörperchen dieselbe, die Gröſse des Kerns
is viel konstanter. In Froschblutkörperchen, die in Was-
ser aufgequollen waren, wollte mir der Keim auch zuwei-
len hohl erscheinen. Er verliert auch im Wasser seine
Abplattung, bleibt aber oval. Kernkörperchen habe ich
nicht mit Bestimmtheit daran beobachtet; nur zuweilen
glaubt man z. B. an Blutkörperchen vom Salamander et-
was der Art zu sehen; doch ist es nicht deutlich genug,
um das Vorkommen von Kernkörperchen behaupten zu
können. Ein Zelleninhalt muſs jedenfalls da sein; denn
lägen die Zellenwände unmittelbar an einander, so müſste
das Blutkörperchen an den Rändern neben dem Kern um
so viel dünner sein, als die Dicke des Kerns beträgt.
Wollte man annehmen, daſs die Zellenmembran neben dem
Kern vielleicht um so dicker wäre, daſs dadurch die fast
ebenen Seitenflächen hervorgebracht würden, so müſste
hier die Zellenmembran eine Dicke haben, gleich der
Hälfte der Dicke eines Blutkörperchens. Alsdann aber
wäre sie dick genug, um im aufgequollenen Zustande in
Wasser doppelte Konturen unterscheiden zu lassen, was
aber die Beobachtung widerlegt. Den Zelleninhalt bildet
der rothe Farbestoff. Ob auch die Zellenmembran und
der Kern gefärbt sind, ist schwer zu entscheiden, ist aber
[77] einigermaſsen wahrscheinlich, weil sonst die Mitte des Blut-
körperchens, wo der Kern liegt, weiſs erscheinen müſste,
während sie in der That ein blässeres Roth zeigt. Der
Farbestoff in den Blutzellen ist nicht, wie bei den mei-
sten Pigmentarten, in Körnchen, sondern in aufgelöster
Form enthalten. Wenn die Lymphkörperchen Zellen sind,
so läſst sich ihre Umwandlung in die Blutkörperchen durch
Abplattung und Aufnahme von Farbestoff wenigstens ver-
muthen. Die Blutkörperchen, bei denen die Hülle im Ver-
hältniſs zum Kern kleiner ist, was man oft bei Frosch-
blutkörperchen sieht, sind wahrscheinlich jüngere Zellen.
Ueber die Bildung der Blutkörperchen in der Keimhaut
habe ich keine Beobachtungen. Nach C. H. Schultz
(System der Cirkulation p. 33) entstehen die Blutkörper-
chen beim Hühnchen um die Dotterkügelchen (?). Diese
sind zuerst da und bilden den Kern der Blutkörperchen.
Sie umgeben sich mit einer feinen Haut. Das Bläschen
erweitert sich nun und plattet sich zuletzt ab. Diese Be-
schreibung paſst vortrefflich zu den bisher entwickelten
Grundsätzen, und Schultz hat also schon 1836 die Prä-
existenz des Kerns des Blutkörperchens, die Bildung des
Blutbläschens um denselben und die allmählige Ausdehnung
dieser Bläschen entdeckt.


3) Schleimkörperchen.

Die Schleimkörperchen sind wegen ihrer Aehnlichkeit
mit Epitheliumzellen schon als Zellen angesprochen wor-
den. Es sind runde Kügelchen, welche in sich und zwar
excentrisch liegend einen Kern enthalten. Wir wissen
jetzt, daſs dieſs die Elementarform der meisten Thier- und
Pflanzenzellen ist, und so dürfen wir auch hier aus der
Anwesenheit und charakteristischen Lage des Kerns schlie-
ſsen, daſs das ganze Kügelchen eine Zelle ist, obgleich
sich eine besondere Zellenmembran nicht unterscheiden
läſst. Der Kern der Schleimkörperchen hat die von Gü-
terbock
entdeckte Eigenthümlichkeit, durch Essigsäure
in zwei oder drei kleinere Körperchen zu zerfallen, wäh-
[78] rend die Schale, d. h. die Zellenmembran, allmählig sich
in Essigsäure auflöst. Vogel schreibt diese Eigenschaft
zwar nur den krankhaft abgesonderten Schleimkörperchen
und den Eiterkörperchen zu. Allein nach einer mündli-
chen Mittheilung von Henle zeigen die eigentlichen Schleim-
körperchen, die nach ihm in gesundem Schleim nur in sehr
geringer Zahl vorhanden sind, dieselbe Eigenthümlichkeit,
und die nicht auf diese Weise veränderten sind wahre Epi-
theliumzellen. Die Schleim- und Eiterkörperchen unter-
scheiden sich dadurch von allen anderen Zellen, da ich
ein solches Verhalten gegen Essigsäure noch an keinen
anderen Zellenkernen beobachtet habe und nach Henle
auch die jüngsten Epitheliumzellen diese Eigenschaft nicht
haben, von denen die Schleimkörperchen also bestimmt
verschieden sind. Es scheint charakteristisch für alle
Zellenkerne, daſs sie in verdünnter Essigsäure unauf-
löslich sind und selbst nicht einmal durchsichtig wer-
den. Es sind also eigenthümliche Zellen, die in der
Schleimflüssigkeit als ihrem Cytoblastem auf dieselbe
Weise entstehen, wie z. B. die Dotterzellen in der Flüs-
sigkeit der Dotterkugel. Sie werden häufiger, wenn
in der gereizten Schleimhaut das Cytoblastem eine grö-
ſsere Plasticität erhält, während im normalen Zustande
den Sekreten nur eine äuſserst geringe und z. B. dem
Urin, der Galle gar keine plastische Kraft inwohnt, daher
sich auch nur wenige Zellen oder gar keine (auſser etwa
abgestoſsenem Epithelium) darin finden. Ob bei den Schleim-
körperchen der Kern vor der Zelle da ist, und worauf die
Theilung dieser Kerne durch Essigsäure beruht, habe ich
nicht untersucht.


4) Eiterkörperchen.

Die Eiterkörperchen als Zellen zu betrachten, sind wir
durch dieselben Gründe berechtigt, wie bei den Schleim-
körperchen. Vogel hält sie sogar für identisch mit den
nach seiner Ansicht krankhaft abgesonderten, nach Henle
aber normalen Schleimkörperchen. Sie theilen mit ihnen
[79] das eigenthümliche Verhalten gegen Essigsäure und kön-
nen deſshalb keine junge Epitheliumzellen sein, bei denen
nach Henle das Zerfallen der Kerne durch Essigsäure
nicht vorkommt. Nach Vogel sind die Kerne der Eiter-
körperchen konkav. Das Zerfallen der Kerne in Essig-
säure scheint überhaupt nur bei den Schleim- und Eiter-
körperchen vorzukommen. Die Eiterkörperchen sind also
wohl eigenthümliche Zellen, die in dem Eiterserum, d. h.
in dem bei der Entzündung in gröſserer Quantität
und anomaler Mischung ausschwitzenden Cytoblastem, eben
so wie die Schleimkörperchen im Schleime und über-
haupt nach dem oben ausgesprochenen Grundphäno-
men alle Zellen in ihrem Cytoblastem sich bilden. Ihre
Bildung scheint nach den Beobachtungen von H. Wood
zunächst an der Oberfläche der Granulationen vor sich zu
gehen, wohl deſshalb, weil hier das Eiterserum als das Cy-
toblastem dieser Zellen immer frisch ausgeschwitzt wird,
und dieses frische Cytoblastem die gröſste plastische Kraft
hat, eben so wie wir dieſs auch bei Bildung der neuen
Dotterzellen auſsen nahe an der Dotterhaut beobachtet
haben. Die Eiterzellen wachsen dann aber wahrschein-
lich noch eine Zeit lang selbstständig fort, wie wir auch
bei den Dotterzellen gesehen haben, die schon weit von
der Dotterhaut entfernt waren. Daſs sich die Kerne der
Eiterzellen zuerst bilden, ist zwar wahrscheinlich, doch
habe ich es nicht untersucht. Je gesunder der Eiter ist,
um so gröſser ist seine plastische Kraft und um so mehr
Zellen bilden sich darin, so daſs bei gesundem Eiter die
Menge des Serums im Vergleich mit den Zellen sehr ge-
ring ist.


Ob die Fettkügelchen, welche in einigen Sekreten,
namentlich der Milch und auch im Chylus vorkommen, in
Zellen enthalten sind, weiſs ich nicht. Bei der Milch habe
ich nichts finden können, was darauf hindeutet, und bei
der weiter unten mitzutheilenden Theorie der Sekretionen
scheint dieſs auch nicht nothwendig der Fall sein zu
müssen. —


[80]

Die hier abgehandelte Klasse von Zellen, in welcher
diese Elementargebilde den gröſsten Grad der Selbststän-
digkeit behalten, zeigt die niedrige Stufe der Entwicklung,
auf welcher sie stehen, schon dadurch an, daſs so wenig
Modifikationen unter ihnen vorkommen. Die Schleim-
und Eiterkörperchen und die Lymphkörperchen sind kleine
runde Zellen mit einem Kern an ihrer Wandfläche. Schleim-
und Eiterkörperchen lassen sich nach Henle gar nicht
von einander unterscheiden, und die Lymphkörperchen sind
von beiden nur dadurch verschieden, daſs ihr Kern mehr
rund und körnig ist und nicht durch Essigsäure zerfällt.
In der Form der ganzen Zelle ist zwischen ihnen kein
Unterschied. Eine höhere Entwicklung zeigt sich in die-
ser Klasse schon bei den Blutkörperchen. Hier finden
wir nicht nur schon einen sehr charakteristischen Zellenin-
halt, den rothen Farbestoff, sondern auch die Form der
Zelle erleidet eine wichtige Aenderung, indem sie sich ab-
plattet. Da diese Abplattung an Zellen vor sich geht, die
frei in einer Flüssigkeit schwimmen, so kann dieselbe nicht
aus mechanischen Gründen erklärt, sondern muſs offenbar
als eine eigenthümliche Entwicklungsstufe dieser Zellen be-
trachtet werden. In allen diesen Zellen ist der Kern per-
sistent, während er bei höher sich entwickelnden Zellen
später gewöhnlich verschwindet. Das Cytoblastem ist hier
überall eine Flüssigkeit. Es ist in gröſserer Quantität
vorhanden, als wir es in der nächsten Klasse finden wer-
den. Wird das Ei auch zu dieser Klasse gerechnet, so
kommt noch eine Eigenthümlichkeit der Zellen hinzu.
Nämlich auſserdem, daſs hier die einzelnen Dotterzellen
einen aus einzelnen Körnchen bestehenden Zelleninhalt
haben, ist die Entwicklung der Dotterzellen innerhalb des
Dotters als Einer Zelle eine Bildung von Zellen in Zel-
len, und an einzelnen dieser Zellen kommt abermals eine
Einschachtelung vor. Diese Eigenthümlichkeit ist aber eine
solche, von der man beinahe sagen kann, daſs sie mit der
Dignität des Gewebes im umgekehrten Verhältniſs steht.
Sie ist am häufigsten, ja vielleicht allgemein bei den Pflan-
[81] zen, kommt dann bei Thieren schon viel seltener bei dem
Ei, bei der Krystalllinse, bei den Knorpeln u. s. w. vor,
und scheint bei den höhern Gebilden, Zellgewebe, Mus-
keln u. s. w. ganz zu fehlen. Ueber die übrigen Eigen-
thümlichkeiten der Zellen des Eies wurde oben gespro-
chen. In der folgenden Klasse werden wir nicht nur die
Formveränderung der Zellen durch Abplattung in höherem
Grade wiederfinden, sondern auſserdem noch viel manch-
faltigere Modifikationen der Zellen kennen lernen.


II. Klasse.
Selbstständige, zu zusammenhängenden Gewe-
ben vereinigte Zellen
.


In dieser Klasse kommt die gröſste Aehnlichkeit thie-
rischer Gebilde mit dem Pflanzengewebe vor, und zwar in
so hohem Grade, daſs selbst ein geübter Phytotom manche
der hierher gehörigen Objekte nicht vom Pflanzengewebe
zu unterscheiden im Stande ist. Die meisten thierischen
Zellen unterscheiden sich wenigstens von den ausgebilde-
ten Pflanzenzellen durch ihre gröſsere Weiche und Zart-
heit. Allein dieſs fällt hier zum Theil weg, und es dürfte
sehr schwer halten, ein aus dem Innern eines Federschaf-
tes abgeschnittenes Plättchen mikroskopisch vom Pflanzen-
gewebe zu unterscheiden. Wir werden daher hier auch
und zwar bei der Feder versuchen, diese mit dem Pflan-
zengewebe auffallend übereinstimmenden Zellen rückwärts
bis zu ihrem primitiven Zustande zu verfolgen und diesen
Uebergang durch Abbildungen zu erläutern, und uns da-
durch überzeugen, daſs diese Zellen im jungen Zustande
wieder mit den Primitivzellen aller anderen Gewebe über-
einstimmen. Es gehören hierher die unter dem Namen
Horngewebe zusammengefaſsten Gewebe, und auch die
Krystalllinse läſst sich hierher rechnen. In der Regel blei-
6
[82] ben die Zellen bei diesen Geweben selbstständig, doch
kommen auch mehr oder weniger innige Verschmelzungen
der Zellenwände unter einander vor. Das Horngewebe
läſst sich in zwei nicht wesentliche Unterabtheilungen brin-
gen, nämlich 1) die membranartige Ausbreitung desselben,
wohin das Epithelium im weitern Sinne des Wortes (incl.
Epidermis) und das schwarze Pigment, welches hierher ge-
zählt werden muſs, weil es mit dem Epithelium so innig
verwandt ist, 2) in die kompakten Hornbildungen, wohin
die Nägel, Klauen, Haare, Federn u. s. w. gehören.


1) Epithelium.

Es ist jetzt sehr schwer zu bestimmen, was unter dem
Worte Epithelium begriffen werden muſs. Die aus abgeplat-
teten sechseckigen Zellen bestehende Rinde der chorda
dorsalis, z. B. bei den Larven von Rana esculenta, kann
nicht zum Epithelium gezählt werden, weil es dieselben
Zellen sind wie das Innere der chorda dorsalis nur im
abgeplatteten Zustande. Das seröse Blatt der Keimhaut
kann auch nicht wohl als Epithelium angesehen werden,
obgleich es dieselbe Struktur hat, und doch ist es schwer,
eine Definition von Epithelium zu geben, nach der diese
Gebilde nicht mit unter den Begriff fielen. Wir wollen
uns indessen auf diesen bloſsen Wortstreit nicht einlassen,
sondern die Struktur des Epitheliums betrachten.


Die einfachste Form des Epitheliums ist die runder Zellen
mit einem Kern, der an ihrer innereu Wandfläche anliegt
und ein oder zwei Kernkörperchen enthält. Im Zusammen-
hange nehmen sie eine polyedrische Form an, ragen aber
gewöhnlich an ihrer freien Fläche mit einem Kugelsegment
hervor. So kommt das Epithelium an vielen Stellen vor,
und beispielsweise führe ich nur das Epithelium auf den
Kiemenstrahlen der Fische an. Bei Säugethieren sind die
Zellen gewöhnlich kleiner und mehr körnig, bei niederen
Thieren und im Fötalzustande der Säugethiere sind sie im
Allgemeinen gröſser, glatter und manchmal so durchsich-
tig, daſs sie nur bei gedämpftem Licht gesehen werden
[83] können. Sehr schön, ganz dem parenchymatösen Pflan-
zenzellgewebe ähnlich, sah ich das Epithelium auf der
Schleimhaut eines Magens von einem Schaffötus. An den
durchsichtigen Epitheliumzellen sieht man oft im Innern
einen feinkörnigen Niederschlag, z. B. an den Kiemenstrah-
len der Fische. Er scheint sich gewöhnlich in der Nähe
des Kerns zu bilden. Nach Henle kommen bei Säuge-
thieren nie zwei Kerne in einer Epitheliumzelle vor. An
der äuſseren Haut von Froschlarven habe ich dieſs aber
mehrmals und einmal sogar eine vollkommen ausgebildete,
mit einem Kern versehene Epitheliumzelle in einer grö-
ſseren Zelle beobachtet. Von dieser kugeligen Grund-
form aus erleiden die Epitheliumzellen Formveränderun-
gen nach zwei Richtungen hin, entweder die Zellen plat-
ten sich zu Tafeln ab, oder sie verlängern sich in Cy-
linder. Die Abplattung zu Tafeln geschieht so, daſs der
Kern, wie bei den Blutkörperchen, die Mitte der einen
Fläche bildet. Die Uebergangsstufen aus der Kugelform
in die Tafelform habe ich an dem Epithelium der äuſseren
Haut der Froschlarven beobachtet. Es zeigten sich hier
zuweilen sechsseitige platte Säulen oder Tafeln, die etwa
ein Drittel so dick als breit waren. An den vollständig
abgeplatteten Epitheliumzellen ist die Dicke im Verhältniſs
zur Breite sehr gering, so daſs sich die beiden Lamellen
der Zellenmembran nicht mehr unterscheiden lassen. Bei
den tafelförmigen Epitheliumzellen kommt es oft vor, daſs
sie nicht regelmäſsig sechseckig, sondern in die Länge ge-
zogene platte Streifen sind, wie dieſs von Henle z. B. an
dem Epithelium der Gefäſse beobachtet worden ist *).


6*
[84]

Die andere Formmodifikation der Epitheliumzellen bilden
die zu Cylinderchen verlängerten Zellen. Sie wurden von
*)
[85]Henle in de[r] Darmschleimhaut entdeckt. Sie enthalten
in sich ebenfalls den charakteristischen Kern und sind mit
ihren längeren Seiten neben einander gelagert. Ihre stum-
pfen Ende sind frei nach auſsen gekehrt.. Nach innen en-
den sie entweder ebenfalls stumpf, z. B. beim Chorion,
oder laufen spitz zu. Diese Verschmälerung nach unten
fängt oft schon oben an, so daſs dann die Zellen die Form
eines spitzen Kegels haben, dessen Basis nach auſsen ge-
kehrt ist. Bei den flimmernden Häuten stehen, wie Henle
gefunden hat, die Wimpern auf der freien Fläche der
Epitheliumcylinderchen, und aus dieser Beobachtung allein
ging schon hervor, daſs man das Epithelium nicht als einen
bloſsen todten Ueberzug der organisirten Gebilde betrach-
ten dürfe.


Was nun die Entstehung der Epitheliumzellen anbe-
langt, so hat Henle schon nachgewiesen, daſs das rete Mal-
pighii aus runden, mit einem Kern versehenen Zellen,
wahrscheinlich den jungen Epidermiszellen, besteht, und
daſs der Durchmesser der Zellen nach auſsen zunimmt, so
daſs er bei einem Schweinefötus den allmähligen Ueber-
gang der Zellen des rete Malpighii in die der Epidermis
verfolgen konnte. (Symbolae ad anatomiam villor. intest.
p. 5). Ein wahres Wachsthum der Epitheliumzellen wurde
dadurch sehr wahrscheinlich. Ich habe diesen Proceſs eben-
falls bei einem Schweinefötus verfolgt. Die oberste Schichte
der Epidermis wird hier von groſsen, tafelförmigen, sechs-
*)
[86] eckigen, mit einem Kern versehenen Zellen gebildet.
Unmittelbar unter dieser liegen schon viel kleinere, fast
runde Zellen mit einem Kern, so daſs die Abplattung der
Zellen sehr schnell erfolgen muſs. Die Zellen werden
kleiner und umschlieſsen den Kern enger, je weiter man
gegen die Tiefe kommt. Die Gröſse des Kerns nimmt
auch etwas ab, jedoch bei weitem nicht in demselben Ver-
hältniſs. Ganz unten unterscheidet man keine Zellen mehr,
sondern die Kerne liegen sehr dicht, mit ein wenig fein-
körniger Zwischensubstanz, neben einander. Doch ist es
schwer, hierüber zu einer sichern Ueberzeugung zu kom-
men, da die Schichte der Kerne mit der cutis zu fest zu-
sammenhängt. Wir werden später dieſs Verhältniſs der Kerne
bei den Federn deutlicher beobachten. Der Bildungsgang ist
also wahrscheinlich der: Unmittelbar auf der Ober-
fläche der cutis bilden sich zunächst Zellenkerne. Um
diese bilden sich Zellen, die Kerne eng umschlieſsend.
Die Zellen und in viel schwächerem Verhältniſs auch die
Kerne wachsen, und zuletzt platten sie sich in den ober-
sten Schichten so ab, daſs der Kern die Mitte der Tafel
bildet. Es wiederholt sich also hier derselbe Entwicklungs-
gang, wie bei den meisten anderen Zellen. Henle
glaubte, bevor ich die allgemeine Uebereinstimmung der
thierischen und pflanzlichen Zellen nachgewiesen hatte, daſs
bei dem anfänglichen Wachsen des Volumens der Epithe-
liumzellen vielleicht eine Erklärung durch Imbibition mög-
lich sei (l. c. pag. 9). Da wir aber gesehen haben, daſs
dieſs Wachsthum ein bei allen thierischen Zellen vorkom-
mendes Phänomen ist, da wir die Bildung von Zellen um
die Kerne beobachtet haben, da sich an mehreren Zellen
bei ihrer Ausdehnung eine chemische Veränderung der
Zellenmembran nachweisen läſst, und oft bei der Ausdeh-
nung der Zellen nicht nur keine Verdünnung, sondern
eine Verdickung der Zellenmembran statt findet, alles Pro-
cesse wie bei den Pflanzenzellen, so müssen wir den thie-
rischen Zellen, wie den Pflanzenzellen, ein eigenthümliches
Leben zuschreiben, und jene Ausdehnung der Epithelium-
[87] zellen, wie die der Pflanzenzellen, für ein Wachsthum durch
Intussusceptio erklären. Die neuen Epitheliumzellen bilden
sich zwar nur unmittelbar auf der cutis, wo die gröſste Le-
bensenergie herrscht, aber die Zellen dehnen sich selbstständig
aus und wachsen durch Intussusceptio. Ich habe oben eine
Beobachtung angeführt, wonach sich bei Froschlarven eine
junge Epitheliumzelle in einer anderen bildete. Allein
dieſs ist jedenfalls ein sehr seltener Fall, und die meisten
Epitheliumzellen bilden sich bei allen Wirbelthieren ent-
schieden nicht als Zellen in Zellen, sondern auſser den
Zellen in einem Minimum von Cytoblastem, das von der
cutis ausgeschwitzt wird. Man könnte den Einwurf ma-
chen, daſs dieser Bildungsproceſs des Epitheliums deſshalb
nicht möglich sei, weil, wenn z. B. die Zellen der zwei-
ten Schichte um das Doppelte gröſser wären als die der
ersten Schichte, auch diese ganze Epidermisschichte um
das Doppelte gröſser sein müſste als die erste. Allein die-
ser Einwurf läſst sich leicht dadurch beseitigen, daſs sich
die Zellen über einander schieben und so aus Einer Schichte
von Kernen eine doppelte oder dreifache Lage von Zellen
entstehen kann.


2) Das schwarze Pigment.

Das schwarze Pigment ist, wie bekannt, gewöhnlich
in runden oder, wegen des dichten Zusammenliegens, sechs-
eckigen Zellen enthalten, und zwar in Form von zahllo-
sen sehr kleinen Körnchen, die eine lebhafte Molekular-
bewegung zeigen. Diese sieht man zuweilen schon inner-
halb der Zellen, so daſs der übrige Inhalt der Zellen flüs-
sig sein muſs. Da man nun auch, wie bekannt, zuweilen
die Pigmentkörnchen aus der Zelle herausdrücken kann,
so kann über die Natur dieser früher sogenannten Pig-
mentkugeln als Zellen kein Zweifel sein. Die Pigmentzel-
len haben an ihrer Wand einen zum Theil ebenfalls schon
bekannten Zellenkern. An den Pigmentzellen der Chorioi-
dea der Säugethieraugen sicht man diesen im Fötalzustande
z. B. bei sehr jungen Schweinefötus stellenweise ganz deutlich,
[88] und er veranlaſst den in der Mitte der Pigmentzellen bekann-
ten weiſsen Fleck. Der Kern der Pigmentzellen hat gewöhn-
lich noch ein oder zwei Kernkörperchen. Zuweilen kommt es
vor, daſs dicht um den Kern keine Pigmentkügelchen ab-
gelagert sind, sondern daſs der Kern von einem hellen,
durchsichtigen, körnerfreien Hof umgeben ist.


Manche Pigmentzellen erleiden eine höchst merkwürdige
Veränderung, die deſshalb von besonderer Wichtigkeit ist, weil
sie als Bildungstypus für andere wichtigere Zellenarten gelten
kann. Diese Veränderungen bestehen in einer Verlängerung
der Zellen nach drei oder mehreren Seiten hin in hohle Fasern.
Wir wollen diese Zellen sternförmige Zellen nennen. Wir
haben früher bei den Knochen diese Zellenform schon ante-
cipiren müssen. Wegen des charakteristischen Inhalts der
Pigmentzellen eignen sich diese am besten zu einer ge-
naueren Untersuchung dieses Bildungstypus. Die sternför-
migen Pigmentzellen, die unter dem Namen Pigmentrami-
fikationen bekannt sind, sieht man am schönsten in der
Haut der Froschlarven. Es giebt verschiedene Formen
derselben, von denen wir zur Beschreibung die auswählen,
bei denen die längsten Fasern vorkommen (siehe Tab. II.
Fig. 9). Sie zeigen sich als einzelne schwarze Flecke, von
denen nach verschiedenen Seiten hin dünne schwarze Fa-
sern auslaufen. Die schwarzen Flecke stellen den Zellen-
körper mit Pigment gefüllt dar, die Fasern sind die eben-
falls mit Pigment gefüllten Verlängerungen der Zellen.
Man unterscheidet an vielen Stellen deutlich die einzelnen
Pigmentkörnchen. In dem Zellenkörper, der nach auſsen
scharf begrenzt ist, ist zuweilen eine hellere Stelle von run-
der oder ovaler Form zu sehen, wo der Zellenkern durch-
schimmert, der in einzelnen Zellen deutlich mit seinen
Kernkörperchen zu erkennen ist. Die Zelle verschmälert
sich nach verschiedenen Seiten hin allmählig, um in eine
Faser überzugehen, so daſs keine scharfe Grenze zwischen
Zelle und Faser ist. Die Fasern verlaufen zwischen den
Epitheliumzellen und krümmen sich daher oft. Die Fasern
sind im Allgemeinen in der Nähe der Zelle am dicksten
[89] und verschmälern sich in ihrem Verlauf. Doch schwellen
sie zuweilen auch in einiger Entfernung von dem Zellen-
körper ein wenig an. Sie senden stellenweise andere Fa-
sern ab. Daſs nun diese schwarzen Flecke mit den von
ihnen ausgehenden Fasern wirklich Zellen und zwar die
Fasern hohle, mit Pigment ausgefüllte Verlängernngen der-
selben sind, geht hervor 1) aus der Anwesenheit des Zel-
lenkerns, 2) daraus daſs sich alle Uebergangsstufen aus un-
zweifelhaften Pigmentzellen in diese Körper nachweisen
lassen. Diese Uebergänge sind Tab. II. Fig. 8 so darge-
stellt, wie sie sich an einer anderen Stelle des Schwanzes
der Froschlarven nahe neben einander befinden. a ist
eine unzweifelhafte Pigmentzelle, von einer gewöhnlichen
kaum verschieden; sie hat auch ihren Kern. Die meisten
primitiven Zellen dieser sternförmigen Pigmentzellen zeich-
nen sich von gewöhnlichen Pigmentzellen nur dadurch
aus, daſs sie gewöhnlich kleiner und dichter mit Pigment
gefüllt sind. b ist eine ähnliche Zelle, die anfängt, sich
zuzuspitzen, und c verlängert sich deutlich in eine Faser.
In beiden ist nur durch eine wenig hellere Stelle der Kern
angedeutet. d und e verlängern sich nach beiden Seiten
in Fasern, wovon die eine in d nach auſsen kolbig mit
einem scharfen Rande endigt. An dem Verbindungsstück
dieses Kolbens mit dem Zellenkörper unterscheidet man
deutlich die eine Höhle andeutende Schattirung, indem das
Pigment dichter in der Nähe der Zellenwand abgelagert
ist als in der Mitte. f endlich ist eine Zelle, die sich
nach drei Seiten in Fasern verlängert. Zerrt man ein
Stückchen der Haut der Froschlarven, so sieht man oft in
dem Wasser einzelne Stückchen dieser Pigmentfasern, oder
mit Pigment gefüllte Verlängerungen der Zellen isolirt
herumschwimmen. Es kommt zuweilen vor, daſs eine
solche Pigmentfaser ununterbrochen von einem Zellenkör-
per zum andern fortgeht, z. B. Fig. 9 a. Man kann sich
dieſs so vorstellen, daſs die Verlängerungen zweier Zellen
sich an Einer Stelle begegnen. Ob an einer solchen Stelle
die Scheidewände resorbirt werden, läſst sich hier nicht
[90] sicher unterscheiden, da beim Pigment keine Bewegung
aus einer Zelle in die andere Statt findet. Man sollte es
aber vermuthen, weil man sonst an der Stelle, wo die Ver-
längerungen zusammenstoſsen, eine Unterbrechung des Pig-
ments, entsprechend der doppelten Dicke der Zellenwand,
sehen müſste. Die von den Zellen ausgehenden Fasern
werden oft zuletzt sehr fein, und man sieht daraus, daſs
die Feinheit der Fasern ihr Hohlsein nicht ausschlieſst.


3) Nägel.

Untersucht man einen Nagel eines ausgetragenen Kin-
des unmittelbar nach der Geburt, oder noch besser eines
reifen, aber noch ungebornen menschlichen Fötus, so sieht
man auf feinen Längenschnitten, daſs derselbe aus Schich-
ten besteht, die der Fläche nach über einander gelagert
sind. Diese Schichten sind aber an der untern auf der
Haut liegenden Fläche um so undeutlicher, je mehr man
sich dem in der Hautfalte an der Wurzel des Nagels lie-
genden Theile nähert, und etwa die hintere Hälfte des in
dieser Hautfalte verborgenen Theils des Nagels zeigt gar
keine Schichtung, sondern besteht aus kleinen polyedri-
schen Zellen, von denen viele ganz deutliche Zellenkerne
zeigen. Schneidet oder reiſst man ein Stückchen von
einem solchen Nagel nach der Fläche ab, so kann man
schon aus der Form der Ränder, an denen sich glatte
eckige Vorsprünge zeigen, vermuthen, daſs die Lamellen
des Nagels nicht strukturlos sind, sondern durch die Zu-
sammenfügung epitheliumartiger Plättchen hervorgebracht
werden. Behandelt man solche Lamellen mit Essigsäure
oder koncentrirter Schwefelsäure, so trennen sich die Plätt-
chen leichter, und in einzelnen seltenen Fällen erkennt
man in einem solchen Plättchen einen undeutlichen Kern. In
der Wurzel des Nagels sieht man, wenn man die anhän-
gende Lamelle der Epidermis abgeschabt hat, keine solche
Plättchen, sondern hier sind polyedrische Zellen, die viel
kleiner sind als die Plättchen. Bekanntlich wächst nun
[91] der Nagel von seiner Wurzel aus und wird beständig nach
vorn geschoben. Die polyedrischen Zellen der Wurzel
müssen sich also durch Abplattung und Ausdehnung nach
der Fläche in jene Plättchen verwandeln, was jetzt auch
bei dem selbstständigen Leben der Zellen leicht denkbar
ist. Also auch die schon gebildeten Zellen des Nagels
wachsen noch, und das Wachsthum des Nagels beruht
keineswegs auf einer bloſsen Apposition an seiner Wur-
zel, obgleich die Bildung neuer Zellen wahrscheinlich nur
an der Stelle geschieht, wo der Nagel mit der organisir-
ten Haut in Verbindung ist. Bei der Ausdehnung jener
Zellen nach der Fläche und ihrer Abplattung nach der
Dicke des Nagels würde nun zwar der Nagel nach vorn
geschoben, aber je mehr sich die Zellen abplatten, um so
dünner müſste nach vorn der Nagel werden. Dieſs wird
nun wahrscheinlich dadurch ausgeglichen, daſs auch eine
Bildung von Epitheliumplättchen an der unteren Fläche
des Nagels, besonders an seinem hinteren Theile statt fin-
det. Setzt sich nun ein Epitheliumplättchen an dem hin-
tersten Ende seiner unteren Fläche an, so rückt dieſs
durch die Abplattung der oberen Zellen und die Bildung
neuer Zellen an dem Ende des Nagels etwas nach vorn.
Hier wird nun aber ein neues Plättchen gebildet, welches
sich auf das vorige setzt und eben so bei weiterem Vor-
rücken ein drittes, viertes u. s. w., so daſs hierdurch eine
Verdickung des Nagels eintreten muſs, je weiter er nach
vorn rückt. Ich glaube nun, daſs diese Verdickung wegen
des Wachsthums von der unteren Fläche, und jene Ver-
dünnung wegen der Abplattung der Zellen einander kom-
pensiren und dadurch die nicht vollkommene, doch ziem-
lich gleichmäſsige Dicke des Nagels hervorgebracht wird.
Von dem auſser der Hautfalte liegenden Theile des Na-
gels wachsen wenigstens die oberflächlichen Schichten
nicht mehr. Ich bezeichnete auf mehreren Nägeln zwei
Punkte durch Anbohren mit einer Nadel und Färbung die-
ser Punkte mit salpetersaurem Silber an der Wurzel des
Nagels, und zwar sowohl nach der Längen- als Breiten-
[92] richtung desselben. Sie hatten eine Entfernung von 3,1‴.
Nach 2 bis 3 Monaten waren sie bis an die Spitze des
Nagels gerückt, aber ihre Entfernung von einander hatte
sich durchaus nicht geändert.


4) Klauen.

Das Horngewebe der Klauen besteht wenigstens beim
Fötus ganz aus den schönsten Pflanzenzellen. Schneidet
man bei einem groſsen Schweinefötus eine dünne Lamelle
desselben quer ab, so hat das Präparat das Ansehen von
vollkommenem Pflanzenzellgewebe. Die Zellen sind nicht
platt, wie theils daraus hervorgeht, daſs man die Seiten-
wände der Zellen, wenn sie nicht ganz senkrecht stehen,
in die Tiefe hinabgehen sieht und diese Tiefe schätzen
kann, theils daraus, daſs Längenschnitte des Horngewebes
der Klauen dasselbe Ansehen darbieten, wie Querschnitte.
Es sind also polyedrische Zellen, und wenigstens einige
derselben enthalten einen deutlichen Kern.


Im frischen Zustande läſst sich nicht unterscheiden,
ob jede Zelle ihre besondere Wand hat. Hat aber der
Fötus einige Zeit in starkem Weingeist gelegen, so läſst
sich die Hornsubstanz der Klauen leicht von dem Fuſs
trennen, indem die Verbindung der Zellen unter einander
locker geworden ist. Die untersten Zellenschichten blei-
ben aber doch an dem Fuſse hängen. Die so von dem
Fuſse getrennte Schicht von Hornsubstanz besteht in ih-
rem Innern aus einer bröcklichen Masse, ungefähr wie ein
gekochter Dotter. Doch trennen sich die einzelnen Stück-
chen nicht ganz so leicht wie beim Dotter. Unter dem
Mikroskop erkennt man, daſs diese Masse aus unregelmä-
ſsig eckigen Körpern besteht, wie die gekochte Dottersub-
stanz. Diese Körper sind die von einander isolirten Zel-
len, deren eigenthümliche Wand deutlich unterscheidbar ist
und von denen einige wenige einen Kern haben, der an
der inneren Wandfläche der Zelle anliegt. Um diese po-
lyedrischen Zellen läuft als äuſsere Bekleidung der ganzen
[93] Klaue eine zusammenhängende feste Schichte platter Epi-
theliumtafeln, die unmittelbare Fortsetzung der aus platten
Zellen bestehenden äuſseren Lamellen der Epidermis. Bei
ganz jungen Schweinefötus ist diese Lamelle schon vor-
handen, die Schichte der polyedrischen Zellen aber sehr
gering. Bei alten Schweinefötus aber wird die Haupt-
masse der Hornsubstanz der Klauen von den polyedrischen
Zellen gebildet. Diese müssen auch im frischen Zustande
einen ziemlich festen Inhalt haben, weil sonst bei der Zart-
heit der unterscheidbaren Zellenmembran die Substanz
nicht so fest sein könnte. Wegen der Elasticität dieser
Substanz gelang es mir aber nicht, unter dem Kompresso-
rium eine Zelle zu zerquetschen, um zu beobachten, wie
der Zelleninhelt sich dabei verhält, ob er ausflieſst oder
wie eine feste Substanz reiſst. Da an dieser Hornsubstanz
der Zelleninhalt einen groſsen Antheil hat, während die Nägel
gröſstentheils aus platten Zellen ohne unterscheidbaren Zel-
leninhalt, also fast ganz aus Zellenwänden bestehen, so dürfte
sich auch ein chemischer Unterschied zwischen der Horn-
substanz der Klauen und der Nägel vermuthen lassen.


5) Federn.

Die Federn bestehen bekanntlich aus dem Kiele, dem
Schaft und der Fahne. Was uns aber hier zunächst in-
teressirt, ist die Elementarstruktur dieser Theile, und um
diese zu untersuchen, wenigstens um das Verhältniſs der
einzelnen Elementargebilde der Feder zu den Zellen ken-
nen zu lernen, muſs man eine Feder nehmen, an der ein
Theil des Schaftes noch in der Bildung begriffen ist. Be-
kanntlich sind die Federn dann noch von einer dicken
Scheide umgeben. Diese besteht in ihrer ganzen Dicke
aus riesenhaften Epitheliumtafeln. In dieser Scheide liegt
die Feder so, daſs der Schaft mit der Fahne zu einem
hohlen Cylinder zusammengebogen ist, und in diesem Cy-
linder steckt die sogenannte organisirte Matrix der Feder (s.
das Nähere hierüber bei Fr. Cuvier in Froriep’s Notizen
[94] Nr. 317). Auf der inneren Fläche der Fahne aber liegt
nach Fr. Cuvier eine Membran, von der Scheidewände
zwischen die einzelnen Strahlen der Fahne dringen. Aber
diese Membran, so wie die Scheidewände, bestehen aus
Epithelium.


Der Schaft der Feder besteht aus einer lockern Mark-
substanz, umgeben von einer festen Rinde. Macht man
dünne Quer- oder Längendurchschnitte der Marksubstanz,
so sieht man, daſs sie aus schönen polyedrischen Zellen
besteht, durchaus dem parenchymatösen Pflanzenzellgewebe,
namentlich der Korksubstanz ähnlich (s. Tab. II. Fig. 10).
Die Zellenhöhlen haben mäſsig dicke, dunkle Zwischen-
wände, sind anfangs mit einer durchsichtigen Flüssigkeit
gefüllt, trocknen aber später aus und enthalten dann Luft.
Obgleich nun diese Marksubstanz dem Pflanzengewebe in
ihrem Totalanblick durchaus ähnlich ist, so fragt es sich
doch: sind diese Zellen wirklich Zellen in dem Sinne des
Wortes, wie es hier genommen wird, nämlich Elementar-
zellen der organischen Gebilde? oder: entsprechen diese
Zellen den Pflanzenzellen? Daher ist es nothwendig zu
untersuchen, ob jede Zelle ihre eigenthümliche Wand hat,
und ob der Entwicklungsgang jeder einzelnen Zelle der-
selbe ist wie bei den Pflanzen. Der Entwicklungsgang der
Zellen ist aber nirgends leichter zu verfolgen als gerade
hier, vorzugsweise deſshalb, weil selbst die ersten Anfänge
der Zellen mit der organisirten sogenannten Matrix in kei-
ner Verbindung stehen, sondern auf den schon fertigen
Zellen des Federschaftes liegen bleiben, wenn man die Ma-
trix wegnimmt, die nach auſsen mit einer glatten Flächse
aufhört. Die folgende Beschreibung ist von den Schwung-
federn eines Raben hergenommen. Die Sache verhält sich
aber bei den Federn eines jungen Hühnchens eben so.


Der in der Bildung begriffene Theil des Markes des
Federschaftes ist weich und bröcklich. Untersucht man
ein Stückchen desselben, nachdem es aus einander gezerrt
worden, so sieht man, daſs es aus Zellen besteht, in ver-
schiedenem Grade der Entwicklung. Die am vollständig-
[95] sten entwickelten sehen den Zellen, wie wir sie an den
ausgebildeten Federn gesehen haben, vollkommen ähnlich
(s. Tab. II. Fig. 11 a); sie liegen nur weniger fest mit einan-
der verbunden, so daſs sie sich leicht isolirt erhalten las-
sen, und man sieht dann deutlich, daſs jede Zelle ihre ei-
genthümliche Wand hat. Die Wände sind dick genug, um
selbst im isolirten Zustande ihre eckige Gestalt nicht ganz
einzubüſsen. Zwischen einigen befinden sich Intercellular-
räume, die auch in den ausgebildeten Zellen der erwach-
senen Feder noch vorkommen. Die Zellenmembran ist
dunkel, glatt, und der Zelleninhalt eine durchsichtige Flüs-
sigkeit. Auſserdem sieht man in jeder Zelle einen sehr
deutlichen Kern, der an der Wand der Zelle liegt. Er
ist oval und enthält ein oder zwei verhältniſsmäſsig groſse
Kernkörperchen (s. die Figur). An den ausgebildeten Zel-
len ist kein Kern zu sehen, höchstens findet sich an ein-
zelnen ein Ueberrest; dieser muſs also später resorbirt
werden. Dieser Proceſs läſst sich sogar verfolgen. Die
Zellen nämlich, welche die Uebergangsstufe bilden von den
Fig. 11 a abgebildeten zu den Zellen in Fig. 10, hängen inni-
ger zusammen, der Kern wird in seinem Umfange kleiner
und unregelmäſsiger, während das Kernkörperchen bleibt;
endlich verschwinden beide. Im Allgemeinen sind die
Zellen um so weiter entwickelt, je weiter sie von der Ma-
trix entfernt sind, und da die Matrix an der inneren Seite
der Feder liegt, nämlich da, wo der Schaft eine Rinne
zeigt, so sind die am Rücken des Schaftes unmittelbar un-
ter der Rinde liegenden Zellen die am meisten entwickel-
ten. Verfolgt man nun die Zellen von da nach der Ma-
trix hin, so werden sie allmählig immer kleiner; die dun-
keln Konturen der Zellenmembran verlieren sich, und diese
erhält ein körniges Ansehen. Der Kern hat an den grö-
ſseren körnigen Zellen noch dieselbe Form wie an den
vorher beschriebenen Zellen mit glatter Zellenmembran;
an den kleinen aber wird er ebenfalls kleiner. In diesem
körnigen Zustande sehen nun die Zellen aus wie die mei-
sten Elementarzellen aller anderen Gewebe. Die Ueber-
[96] gangsstufen sind in Tab. II. Fig. 11 b c abgebildet. Noch
mehr gegen die Matrix hin sind nun gar keine Zellen
mehr zu erkennen, sondern man sieht nur zahlreiche Kerne,
die nahe an einander in einer feinkörnigen Substanz lie-
gen (Tab. II.. Fig. 12).


Die Bildung der Zellen der Marksubstanz des Feder-
schaftes geht also in folgender Weise vor sich: Es ist
zuerst eine feinkörnige Masse da, in welcher zahlreiche
kleine Zellenkerne liegen, von denen einige ein Kernkör-
perchen zeigen, andere ein solches nicht erkennen lassen.
Um diese bilden sich die Zellen, welche Anfangs nicht
viel gröſser als der Kern sind und körnig aussehen. Die
Zellen dehnen sich allmählig aus, der Kern wächst eben-
falls und erreicht bald seine volle Ausbildung. Er bleibt
an der Wand der Zelle excentrisch liegen. Die Zellen-
membran behält dabei eine Zeit lang ihr körniges Ansehn;
allmählig aber, bei zunehmender Ausdehnung der Zellen,
verliert sich dieſs, die Konturen der Zellenmembran wer-
den dunkler und die Zellenwand keineswegs dünner. Nun
legen sich die Wände der Zellen fester an einander, so
daſs sie sich schwerer von einander trennen lassen, und
zugleich verschwindet allmählig der Kern. Endlich trock-
net der Inhalt der Zellen aus und die Zelle füllt sich mit
Luft. Die Entwicklung dieser Zellen stimmt also durch-
aus mit den Pflanzenzellen überein, der Kern ist der wirk-
liche Cytoblast dieser Zellen; er ist vor der Zelle da,
und wird, wie gewöhnlich an den Pflanzenzellen, später
resorbirt. Die Zelle dehnt sich aus, indem sie durch In-
tussusception wächst, und man dürfte sich wohl nicht der
Gefahr eines Irrthums aussetzen, wenn man die Zellen-
membran der ausgebildeten Zelle um mehr als das Zehn-
fache schwerer annimmt als bei den jüngsten Zellen. Auch
die physikalische und wahrscheinlich auch die chemische
Beschaffenheit der Zellenmembran ändert sich. Das Cy-
toblastem, worin sich zunächst die Zellenkerne bilden, be-
steht aus Körnchen, analog den Schleimkörnchen, in wel-
chen sich nach Schleiden (Müller’s Archiv 1838
[97] Tab. III. Fig. 2) die Cytoblasten der Pflanzenzellen bilden.
Nach Schleiden schlagen sich jene Schleimkörnchen in-
nerhalb einer Mutterzelle aus einer Gummilösung nieder.
Bei den Federn bilden sich die Zellen nicht in Mutterzel-
len, sondern in der Nähe der organisirten Matrix. Ohne
Zweifel wird aber von dieser auch nur eine Flüssigkeit
ausgeschwitzt und diese dann erst in eine körnige Sub-
stanz umgewandelt. Wie sich die Kerne in dem Cytobla-
stem bilden, ob durch Aneinanderfügung der kleineren Kü-
gelchen, ob das Kernkörperchen zuerst da ist u. s. w., habe
ich nicht untersucht. Der Kern wächst noch eine Zeit
lang mit der Zelle, und diese bildet sich schon um ihn,
ehe er seine volle Gröſse erreicht hat. Das Cytoblastem
der Zellen des Federmarkes wird von der zunächst lie-
genden, mit Gefäſsen versehenen Substanz, nämlich von
der sogenannten Matrix geliefert. Zwischen diesem aber
und jenem körnigen Cytoblastem fand ich bei jungen Hüh-
nerfedern noch eine Schichte sehr kleiner, äuſserst blas-
ser, runder, kernloser Zellen, eine Art unvollkommenen
Epitheliums, so daſs nicht einmal eine unmittelbare Berüh-
rung jenes Cytoblastems und der organisirten Substanz
Statt findet.


Die Rinde des Schaftes der Feder ist von faseriger
Struktur. Hier scheint auf den ersten Blick die Zellen-
theorie Schiffbruch zu leiden; man wird aber bald eines
Anderen belehrt, wenn man die Entstehung dieser Fasern
an dem noch unvollständig gebildeten Theile der Rinde
einer in der Bildung begriffenen Feder innerhalb der
Scheide untersucht. Man sieht alsdann, daſs die Rinde
aus groſsen platten Epitheliumzellen besteht, von denen
jede einen schönen Kern mit einem oder zuweilen auch
zwei Kernkörperchen zeigt. Diese Epitheliumtafeln sind
theils lange platte Streifen, theils von einer unregelmäſsi-
gen rhombischen Form. Sie hängen sehr fest zusammen.
Aus jeder Zelle entstehen nun mehrere Fasern, und diese
Uebergänge sind an verschiedenen Stellen desselben Prä-
parates leicht zu erkennen und Tab. II. Fig. 13 darge-
7
[98] stellt. Die Zellen sind Anfangs platte Tafeln, welche einen
glatten Rand haben, ein wenig körnig aussehen und einen
sehr deutlichen Kern enthalten (Fig. 13. a). Allmählig kom-
men an ihren Rändern und auf ihrer Fläche undeutliche
Fasern zum Vorschein, die an den Rändern isolirt hervor-
stehen, in der Fläche der Tafeln aber durch die Substanz
der Tafel mit einander verbunden sind (Fig. 13. b). Die Fa-
sern sind noch blaſs, der Kern der Tafel noch vollständig
sichtbar. Später werden die Fasern schärfer und dunkler
begrenzt, ragen an den Rändern mit gröſseren isolirten
Stücken hervor, der sie unter einander verbindende Theil
der Tafel wird undeutlicher, und der Kern fängt an zu
verschwinden, ist aber noch bestimmt erkennbar, besonders
das Kernkörperchen (Fig. 13. c). Endlich verschwindet alle
Spur der ursprünglichen Zelle. Von einem Kern ist
nichts mehr zu sehen, sondern nur dunkle, straffe, dünne
Fasern, die zwar innig zusammenhängen, aber sich doch
auf einer Strecke so lang wie die ursprüngliche Tafel iso-
lirt erkennen lassen (Fig. 13. d). So weit die Beobachtung.
Also auch diese Fasern entstehen aus Zellen, und zwar
weniger durch Verlängerung der Zellen als durch Theilung
des Körpers der Zellen in mehrere Fasern. Da die neben
einander liegenden Fasern, wie es scheint, später nicht
mehr kontinuirlich zusammenhängen, so muſs ein Theil
der ursprünglichen Tafel resorbirt sein, und deſshalb kann
man sich die Entstehung dieser Fasern so vorstellen, daſs,
nachdem die beiden Blätter der Tafel mit einander zum
Theil oder ganz verwachsen sind, stellenweise eine Re-
sorption eintritt, und zwar so, daſs die nicht resorbirten
Stellen in Längslinien liegen und deſshalb als Fasern übrig
bleiben. Die Wirklichkeit einer Resorption geht ohnehin
aus dem Verschwinden des Zellenkerns deutlich hervor.
Wir haben keinen Anhaltspunkt, zu beurtheilen, ob die
Fasern hohl sind oder nicht. Für uns reicht es hin zu
wissen, daſs die Fasern durch eine Umwandlung von Zel-
len entstehen.


[99]

Der Kiel der Feder hat eine ähnliche Struktur, wie
die Rinde des Schafts.


Die Fahne besteht aus einzelnen Strahlen, und jeder
Strahl ist wieder eine Feder im Kleinen. Die folgende
Beschreibung ist von einer unentwickelten Schwungfeder
eines Sperlings genommen. Jeder Strahl enthält einen se-
kundären Schaft, auf der eine sekundäre Fahne seitlich
aufsitzt. Der sekundäre Schaft hat die Struktur des Haupt-
schaftes und besteht aus einer zelligen Marksubstanz und
einer festen Rinde. Die sekundäre Fahne besteht aus vie-
len, mit ihrer Fläche neben einander liegenden Dreiecken,
welche eine sehr schmale Basis haben, mit der sie auf dem
sekundären Schaft aufsitzen. Jedes Dreieck wird aus plat-
ten, mit ihren Kanten aneinander gelagerten Epithelium-
zellen zusammengesetzt, von denen jede ihren Kern hat.
Die einzelnen Epitheliumtafeln sind unten am breitesten,
verschmälern sich gegen die Spitze immer mehr und deh-
nen sich dafür in der Länge aus. Die Zellenkerne liegen
in einer Reihe ungefähr in der Mittellinie des Dreiecks.
An der Spitze des Dreiecks verschmälert sich die letzte
Zelle zu einer langen Faser. Die vorletzte, drittletzte
Zelle u. s. w. verlängern sich da, wo die nächstfolgende
Zelle sich an sie ansetzt, nach beiden Seiten in der Fläche
des Dreiecks in mehr oder weniger lange spitze Fortsätze.


6) Krystalllinse.

Die Ernährung der Krystalllinse ist von jeher ein
Räthsel gewesen. Gefäſslos, wie sie ist, betrachtete man
sie entweder als eine Sekretion der Linsenkapsel, oder
man schrieb ihr im Allgemeinen ein pflanzenähnliches Le-
ben zu. Wir werden sehen, daſs die letztere Ansicht die
richtige ist, und das Auffallende dieser Ernährungsweise
verschwindet ganz, wenn man weiſs, daſs die organisirten
Gewebe ebenfalls wachsen wie die Pflanzen. Mit dem all-
gemeinen Ausdruck, die Linse führe ein pflanzliches Leben,
ist aber nicht viel ausgedrückt, wenn man nicht das Ver-
hältniſs der Elementargebilde der Linse zu den Pflanzen-
7*
[100] zellen nachweist. Die Linse besteht aber bekanntlich aus
concentrischen Schichten, die von charakteristischen Fa-
sern gebildet werden, welche, um in das Detail nicht ein-
zugehen, im Allgemeinen von der vordern Seite der Linse
nach der hintern laufen.


Um das Verhältniſs dieser Fasern zu den Elementar-
zellen der organischen Gewebe kennen zu lernen, muſs
man auf die Entwicklung derselben beim Embryo zurück-
gehen. Untersucht man die Linse eines 8 Tage bebrüteten
Hühnchens, so findet man noch keine Fasern, sondern
sie besteht aus runden, äuſserst blassen und durchsich-
tigen glatten Zellen. Einige enthalten den charakteristi-
schen Zellenkern, andere lassen keinen Kern entdecken; au-
ſserdem sind noch viele Kerne ohne Zellen da. Bei älte-
ren Hühnchen enthalten einige gröſsere Zellen noch ein
oder zwei kleinere in ihrem Innern (s. Tab. I. Fig. 10. d von
einem Schweineembryo), und aus der Art, wie diese Zel-
len sich gegen die Wand der Mutterzelle abplatten, so wie
aus der Anwesenheit des Zellenkerns in anderen Zellen,
kann man schlieſsen, daſs diese blassen Kugeln wirklich
Zellen sind, obgleich eine Zellenmembran nicht bestimmt
zu unterscheiden ist. Werneck, der sie zuerst beob-
achtete, nennt sie ebenfalls Zellen.


Die folgenden Zustände der Krystalllinse lassen sich
nun an Säugethieren beobachten. Bei Schweineembryonen
von 3½ Zoll Länge ist der gröſste Theil der Fasern der
Krystalllinse schon fertig gebildet; ein Theil aber ist noch
unvollendet; auſserdem sind noch viele runde Zellen da,
die ihrer Umwandlung entgegensehen. Die vollendeten
Fasern bilden eine Kugel im Centrum der Linse. Eine
Schichtung ist in dieser Kugel noch nicht zu bemerken.
Die Fasern lassen sich leicht von einander trennen und
laufen bogenförmig von der vorderen Seite der Linse nach
der hinteren. Diese von den vollständigen Fasern gebil-
dete Kugel wird in der Peripherie der Linse von einer
dicken und breiten Zone noch unvollendeter Fasern um-
geben. Diese haben ziemlich denselben Verlauf, nämlich
[101] bogenförmig von der vorderen Fläche der Linse zur hin-
teren. Sie erreichen aber weder vorn, noch hinten die
Achse, sondern diese Faserzone ist in der Mitte am dick-
sten, verschmälert sich gegen die vordere und hintere
Fläche der Linse hin allmählig und hört, ohne daſs die
Fasern vorn irgendwo zusammenstoſsen oder die Achse
erreichen, ganz auf. Eine Schichtung ist in dieser Zone
ebenfalls nicht zu bemerken; die Fasern lassen sich leicht
in der ganzen Breite der Zone isoliren. Untersucht man
nun die Enden dieser Fasern, so sieht man, daſs sie ent-
weder bloſs einfach abgerundet sind, oder daſs sie in eine
kleine runde Anschwellung enden, oder endlich, daſs sie
in gröſsere Kugeln (Zellen) übergehen, oder man kann
umgekehrt richtiger sagen, daſs gröſsere Kugeln oder Zel-
len sich in diese Fasern verlängern (s. Tab. I. Fig. 12).
Der Uebergang der Zellen in die Fasern ist entweder ganz
allmählig oder ziemlich plötzlich, aber selbst im letzteren
Falle geht die Kontur der Zelle unmittelbar in die der
Faser über, so daſs die letztere nicht bloſs an die Kugel
angeheftet, sondern eine wahre Fortsetzung derselben ist.
Diese in Fasern sich verlängernden Zellen stimmen nun
ganz überein mit anderen benachbarten, noch ganz runden
Zellen, die wieder mit den Zellen übereinstimmen, die
beim Hühnerembryo die gröſste Masse der Krystalllinse
bilden. Es sind runde, äuſserst blasse, glatte, durchsich-
tige Zellen von sehr verschiedener Gröſse (s. Tab. I.
Fig. 10). Einige haben einen sehr schönen, scharf begrenz-
ten, ovalen, gewöhnlich nicht abgeplatteten Kern, der noch
ein oder zwei Kernkörperchen enthält und an ihrer Wand
anliegt. Einige Zellen sind kaum gröſser als der in ihnen
liegende Kern, z. B. Fig. 10 b. Einige dieser Zellen ent-
halten junge Zellen in sich, z. B. Fig. 10. d, und da man hier
die Abplattung derselben gegen die Wand der Mutter-
zelle sieht, so scheint die Existenz einer besonderen Zel-
lenmembran an der Mutterzelle, also die wahre Natur je-
ner Kugeln als Zellen unzweifelhaft. Diese wurde ohne-
hin schon durch die Anwesenheit des Kerns und durch die
[102] für bloſse Schatten doch zu scharfen Konturen der Zellen
wahrscheinlich. Die sehr deutlichen Kernkörperchen in
den nicht abgeplatteten Kernen liegen innerhalb derselben
an ihrer Wand, nicht in der Mitte, wie Fig. 11 zeigt.


Da nun, wie wir beim Hühnchen gesehen haben, die
runden Zellen das Primäre bei der Krystalllinse sind, und
Anfangs sich keine Fasern finden, da sich in der weiter ent-
wickelten Krystalllinse der erwähnten Schweineembryonen
viele Fasern und weniger runde Zellen und zugleich Zel-
len zeigten, welche sich in die Fasern verlängerten, so
muſs man die Fasern überhaupt als verlängerte Zellen be-
trachten. Eine Zellenmembran ist an den Fasern zwar
nicht zu unterscheiden und auch an den runden Zellen
nicht mit Sicherheit zu erkennen. So sicher sie sich aber
aus den oben angeführten Gründen an den runden Zel-
len erschlieſsen lieſs, so sicher muſs sie auch an den
Fasern vorhanden sein. Bei den Schweineembryonen fin-
det man auch oft noch Kerne an den Fasern. Die Fa-
sern sind zum Theil platt. Mehrmals habe ich auch eine
Aneinanderreihung von Zellenkernen beobachtet, weiſs
aber nicht, was sie zu bedeuten haben. Es mag auch
wohl eine Verschmelzung mehrerer Zellen zu einer Faser
vorkommen, doch habe ich darüber keine entscheidenden
Beobachtungen. Bei Fischen, z. B. einem jungen Hecht,
sieht man auch oft die Verlängerung der Zellen in Fasern
sehr deutlich.


Viele Fasern der Krystalllinse besonders bei Fischen
zeigen, wie Brewster gefunden hat, eine auffallende Ei-
genthümlichkeit, indem ihre Ränder gezähnelt sind. Tab. I.
Fig. 13 stellt eine solche Faser aus der innersten Schichte
der Krystalllinse eines Hechtes dar. Die Fasern sind
platt und ihre scharfen Ränder mit langen Zähnen verse-
hen, welche so liegen, daſs zwei benachbarte Fasern mit
diesen Zähnen in einander greifen. Hier zeigt sich nun
eine vollständige Uebereinstimmung mit einer Form von
Pflanzenzellen, die Fig. 14 abgebildet ist. Es ist eine Epi-
dermiszelle einer Grasart. Sie ist lang gestreckt, ganz
[103] platt und seitlich mit ganz ähnlichen Zähnen wie die Fasern
der Krystalllinse versehen, und greift auch mit diesen Zäh-
nen zwischen die Zähnelung der benachbarten Zellen ein.
Beide Figuren sind bei derselben Vergröſserung gezeich-
net. Die abgebildeten Faserzellen der Krystalllinse haben
etwas längere Zähne im Vergleich mit der Breite der Zelle.
Doch gehören diese auch zu den am stärksten gezähnelten
Zellen. Es kommen an derselben Krystalllinse von den
äuſseren Schichten nach den inneren alle möglichen Ueber-
gangsstufen dieser Zähnelung vor, von den glatten oder
nur fein eingekerbten Zellen bis zu den stark gezähnelten,
wie sie die Abbildung zeigt. Diese auffallende Ueberein-
stimmung einer so sonderbaren Form eines thierischen
Gebildes mit einer ähnlichen Modifikation der Pflanzenzel-
len ist eine eklatante Bestätigung für die Richtigkeit der
Deutung, daſs die Fasern der Krystalllinse wirkliche Zel-
len sind, so sehr sie auch von dem Grundtypus der Zel-
lenform abweichen.


Die Ernährung der Krystalllinse hat nun in ihrer Er-
klärung nicht mehr Schwierigkeit als die Ernährung der
Pflanzen. Die Zellen wachsen durch ihre selbstständige
Kraft, und Blutgefäſse sind nicht nothwendig, da die er-
nährende Flüssigkeit aus einer Zelle in die andere fortge-
leitet werden kann. Auch ist eine krankhafte Veränderung
des Zellenlebens möglich, wodurch der Zelleninhalt un-
durchsichtig wird. —


So ähnlich die zu dieser Klasse gehörigen Gebilde im
Allgemeinen unter einander sind, so finden wir hier doch
schon weit mannichfaltigere Modifikationen der Zellenform
als in der vorigen Klasse, ja der Typus aller Veränderun-
gen, wodurch sich die später zu betrachtenden organisirten
Gewebe aus den einfachen Zellen entwickeln, ist bei die-
sen sogenannten unorganisirten Geweben schon vorgebil-
det. Die Grundform der Zellen ist auch hier die Kugel-
form, die bei dem dichten Zusammenliegen der Zellen
durch mechanische Ursachen in eine polyedrische Form
[104] übergeht. Von dieser Grundform kommen Modifikationen,
die sich nicht mechanisch erklären lassen, nach zwei ent-
gegengesetzten Richtungen vor, indem sich die Zellen ent-
weder von zwei entgegengesetzten Seiten zu Tafeln ab-
platten, oder nach zwei Richtungen hin in Cylinder oder
Fasern verlängern. Eine Abplattung der Zellen sahen
wir in der vorigen Klasse schen bei den Blutkörperchen.
Sie zeigt sich hier z. B. bei dem tafelförmigen Epithelium
nicht nur stärker und bis zum Verschwinden der Zellen-
höhle, sondern es kommt selbst von dieser Form noch
eine Modifikation vor, nämlich die Verlängerung dieser
Tafeln nach zwei Seiten zu einem platten Streifen, z. B.
an dem Epithelium der inneren Venenhaut, und noch viel
stärker in der Rinde des Schaftes einer Rabenfeder. Die
Verlängerung der Zellen zu Cylindern oder Fasern zeigt
sich in geringerem Grade schon beim Epithelium vieler
Schleimhäute, z. B. des Darms, welches nach Henle aus
palisadenartig neben einander gestellten Cylinderchen be-
steht. An dem unteren Ende dieser Cylinderchen kommt
schon eine Zuspitzung derselben vor, oder die Cylinder-
chen verschmälern sich nach unten in ihrer ganzen Länge
und werden dadurch zu kleinen Kegeln. Viel auffallender
ist diese Verlängerung der Zellen in lange Cylinder (Fa-
sern genannt) bei der Krystalllinse. Allein selbst diese Fa-
sern oder cylindrischen Zellen der Krystalllinse erleiden
noch bedeutende Modifikationen, indem sie sich 1) oft von
zwei Seiten zu platten Bändern abplatten, 2) indem sich
die Ränder dieser Bänder oft zähneln. Diese Zähne-
lung entsteht wahrscheinlich dadurch, daſs sich die Wände
dieser Bänder an einzelnen ziemlich regelmäſsig auf einan-
der folgenden Stellen stärker ausdehnen und daher aus-
stülpen, während die daneben liegenden Stellen zurück-
bleiben. Man kann bei der Krystalllinse der Fische alle
verschiedenen Stufen dieser Zähnelung beobachten, wenn
man die Fasern der Krystalllinse von auſsen nach der
Mitte der Linse hin untersucht. In diesem platten und
gezähnelten Zustande gleichen nun die Zellen der Kry-
[105] stalllinse ganz den Epidermiszellen mancher Gräser, und
diese Uebereinstimmung mit unzweifelhaften Pflanzenzellen
ist ein Beweis, daſs diese Zellen trotz der Modifikationen,
welche sie erleiden, ihren Charakter als Zellen nicht ver-
lieren. Ist die angegebene Erklärung der Entstehung die-
ser Zähnelung die richtige, so ist sie im Grunde nicht
wesentlich verschieden von der Verlängerung der Zellen
in Cylinder oder Fasern. Letztere setzt ebenfalls eine
stellenweise stärkere Ausdehnung der Zellen voraus. Sie
findet hier nur an einer oder an zwei entgegengesetzten
Stellen einer Zelle statt, während sie bei der Zähnelung
an vielen einzelnen Stellen eintritt. Daran reiht sich aber
wieder die Form vieler Pigmentzellen, wo diese stellen-
weise Ausdehnung der Zelle nach mehreren Seiten hin in
weit höherem Grade eintritt und eine unregelmäſsig stern-
förmige Figur der Zellen entsteht. Die Verlängerungen
dieser Zellen behalten aber ihren Charakter als hohle Fort-
setzungen der Zellen selbst dann noch, wenn sie sich bei-
nahe zur Feinheit der Zellgewebefasern verschmälert ha-
ben. So viel über die allgemeine Form der Zellen dieser
Klasse.


Der Unterschied zwischen Zellenmembran und Zellen-
inhalt tritt nirgends deutlicher hervor als in den vollkom-
men entwickelten Zellen dieser Klasse. Dieser Unter-
schied ist bei den ausgebildeten Zellen des Federmarkes
so scharf, wie er nur immer bei den Pflanzen vorkommen
kann. Verfolgt man aber diese Zellen rückwärts zu ihrer
frühesten Entwicklungsstufe, so kann es wohl kaum zwei-
felhaft sein, daſs die Bildung hier zwar dieselbe, aber die
Zellenmembran aus den oben S. 41 angegebenen Gründen
nicht so deutlich unterschieden werden kann. Die Elemen-
tarzellen der Gewebe der folgenden Klassen erheben sich
meistens nicht über diese frühere Entwicklungsstufe der
Federzellen, sondern gehen von dieser Stufe aus die Ver-
änderungen ein, welche zur Bildung der späteren Gewebe
nothwendig sind; sie sind deſshalb aber eben so sicher
Zellen, als diese jüngeren Federzellen Zellen sind, obgleich
[106] die Zellenwand nicht so deutlich unterschieden werden
kann, als es in ihrem vollkommen ausgebildeten Zustande
möglich ist.


Der Zelleninhalt ist entweder eine durchsichtige Flüs-
sigkeit, z. B. an den nicht eingetrockneten Zellen des Fe-
dermarks oder bei der Krystalllinse, wo er Eiweiſs ent-
hält, oder eine feinkörnige Masse, wie bei vielen Epithe-
liumzellen, oder Pigmentkörnchen, oder der Zelleninhalt
fehlt ganz, weil die Zellenwände durch die Abplattung sich
unmittelbar berühren. Die Luft in den Zellen des Marks
erwachsener Federn ist wohl nur beim Eintrocknen von
auſsen eingedrungen. Ein Kern von der charakteristischen
Form fand sich, mit Ausnahme einiger Zellen der Krystall-
linse, konstant in allen Zellen dieser Klasse. Er ist aber
nicht, wie in der vorigen Klasse, ein persistentes Gebilde,
sondern wird bei den ausgebildeten Zellen in sehr vielen
Fällen resorbirt. So im Federmark, in den obersten Epi-
dermisschichten, bei den Nägeln, bei der Krystalllinse
u. s. w.


Bei allen diesen Veränderungen bleiben die Zellen
der Regel nach selbstständig, d. h. jede Zelle behält ihre
besondere Wand und ihre geschlossene eigenthümliche
Höhle. Indessen kommen auch schon hier ausnahmsweise
mehr oder weniger innige Verschmelzungen der Zellen-
wände und selbst der Zellenhöhlen vor. Die Epithelium-
plättchen des Nagels hängen so innig zusammen, daſs man
nur selten die Kontur eines Plättchens ringsum sieht. Eben
so scheint es bei dem Epithelium der Gefäſse des Erwach-
senen. Die Verschmelzung scheint indeſs nicht vollkom-
men zu sein, denn durch die Anwendung konzentrirter
Säuren lassen sich die Plättchen des Nagels etwas leichter
von einander trennen. Eine Verbindung der Höhlen meh-
rerer Zellen scheint bei den Pigmentzellen vorzukommen.
Man sieht dort eine mit Pigment gefüllte Fortsetzung einer
Zelle ununterbrochen zu einer anderen Zellenhöhle fort-
gehen (Tab. II. Fig. 9 a). Wahrscheinlich flieſsen die Ver-
längerungen zweier Zellenhöhlen hier an einer Stelle zu-
[107] sammen, die Zellenwände verwachsen dort mit einander
und die Scheidewand wird resorbirt, so daſs ein ununter-
brochener Gang aus Einer Zellenhöhle in die andere ent-
steht. Ich bin nicht sicher, ob nicht auch ein ähnlicher
Proceſs bei einigen Fasern der Krystalllinse vorkommt.


Allein die Veränderungen der Zellen beschränken sich
auch hierauf noch nicht. In der Rinde des Federschaftes
tritt ein ganz entgegengesetzter Proceſs, eine Theilung der
Zellen in Fasern ein. Es entstehen auf diese Weise aus
Einer Zelle mehrere Fasern, die Anfangs noch durch die
übrige Substanz der Zelle mit einander verbunden sind,
später aber sich auf gröſsern Strecken isoliren lassen. Eine
Verlängerung der Zellen in diese Fasern findet zwar auch
hiebei Statt, allein der Haupttheil der Fasern wird aus
dem Körper der Zellen durch Theilung desselben ge-
bildet.


Anlangend die Entstehung der Zellen, so ist es kon-
stant, daſs die Zellen um so kleiner sind, je jünger sie
sind, wie Henle vom Epithelium schon nachgewiesen hatte.
Wir haben nun bei einzelnen Geweben gesehen, daſs der
Kern zuerst da ist, und um ihn erst sich die Zelle bildet,
so daſs der Kern der wahre Cytoblast ist, und daſs er in
derselben Lage zur Zelle liegt, wie bei den Pflanzen, näm-
lich excentrisch an der inneren Wandfläche. Zelle und
Kern wachsen noch eine Zeit lang, jedoch die Zelle stär-
ker als der Kern. Gewöhnlich wird nach vollendeter Aus-
bildung der Zelle der Kern resorbirt. Die Entstehung
und das Wachsthum der Zellen und das ganze Schicksal
des Kerns ist demnach wie bei den Pflanzenzellen, und wir
dürfen unbedenklich diese Zellen den Pflanzenzellen paral-
lelisiren. Die Menge des Cytoblastems ist in keiner Klasse
geringer als in dieser. Die Wände der Zellen liegen im
unausgebildeten Zustande dicht an einander, höchstens mit
einem Minimum von Intercellularsubstanz an Stellen, wo
drei Zellen zusammenstoſsen, und nur zwischen den Zel-
lenkernen, um die sich noch keine Zellen gebildet haben,
ist eine etwas gröſsere Quantität Cytoblastem vorhanden.


[108]

Die hier abgehandelte Klasse der Gewebe und die in
der folgenden Klasse zu untersuchenden Zähne werden
als unorganisirte Gewebe zusammengefaſst, und ihr Wachs-
thum durch eine Sekretion von der sogenannten Matrix
hergeleitet. Denkt man sich darunter, daſs die Hornsub-
stanz von der Matrix abgesondert wird und an der Luft
erhärtet, so ist die Ansicht offenbar irrig. Was man Horn-
substanz nennt, sind entweder bloſs die Zellenwände, näm-
lich wenn die Zellen platt sind, und kein Zelleninhalt da
ist, oder Zellenwände und Zelleninhalt zusammen, wenn
die Zellen polyedrisch sind, z. B. bei den Klauen. Alle
diese Zellen sind selbstständige Gebilde, die organisch
wachsen. Denkt man sich aber darunter, daſs die organi-
sirte Matrix nur das Cytoblastem liefert (secernirt, wenn man
will), so ist nichts Erhebliches dagegen einzuwenden. Die
Zellen des Horngewebes bedürfen zu ihrem Wachsthum
einer ernährenden Flüssigkeit. Diese wird, wie bei allen
Geweben, durch das Blut zugeführt. Da die Blutgefäſse
aber hier nicht zwischen den Zellen des Horngewebes
selbst verlaufen, so muſs die ernährende Flüssigkeit von
der zunächst liegenden Substanz, in der Blutgefäſse sich
befinden, geliefert werden, und in diesem Sinne läſst sich
diese nächste organisirte Substanz Matrix nennen. Ob
nun aber dieses von der Matrix ausschwitzende Cytoblas-
tem einen specifischen Charakter hat, und deſshalb Horn-
zellen sich darin bilden, oder ob sich in dem Cytoblastem
Hornzellen bilden aus demselben Grunde, weſshalb an einer
anderen Stelle des Körpers Muskelzellen, Zellgewebezellen
u. s. w. entstehen, nämlich bedingt durch den Plan des
ganzen Organismus, dieſs läſst sich für jetzt nicht entschei-
den. Charakteristisch bleibt es für die ganze Klasse von
Zellen, mit Ausnahme der Krystalllinse, die ich in dieser
Beziehung nicht untersucht habe, daſs die neuen Zellen,
so viel es bis jetzt wenigstens scheint, nicht zwi-
schen den schon gebildeten, sondern nur in dem Cy-
toblastem zunächst der organisirten Substanz, wenn gleich
nicht immer in unmittelbarer Berührung mit dersel-
[109] ben, entstehen. Die Zähne müssen schon deſshalb von
dieser Klasse getrennt werden, weil hier, wie wir weiter
unten sehen werden, ein ganz anderes Verhältniſs der Zel-
len eintritt. Bei den Knorpeln, selbst so lange sie noch
keine Gefäſse enthalten, entstehen die neuen Zellen nicht
nur an der Oberfläche des Knorpels, sondern auch zwi-
schen den jüngst gebildeten Zellen.


Die Chorda dorsalis bildet den Uebergang von dieser
Klasse zu der folgenden. Auf der höchsten Stufe ihrer
Entwicklung bleiben die Zellenwände getrennt, und erst im
Stadium ihrer Dekrepidität an den Rudimenten derselben,
bei den Knochenfischen verschmelzen sie, und es zeigen
sich Fasern zwischen den Zellenhöhlen. Gefäſse scheint
sie nicht zu besitzen. Die Bildung der neuen Zellen ge-
schieht an ihren Enden, z. B. in der Schwanzspitze der
Froschlarven; aber sie ist nicht auf die Oberfläche beschränkt,
sondern scheint auch zwischen den jüngst gebildeten Zellen
vor sich zu gehen, indem man hier auch Cytoblasten in der
Intercellularsubstanz zwischen den schon fertigen Zellen
sieht. Die Chorda dorsalis nähert sich dadurch den Knor-
peln, unterscheidet sich aber von ihnen dadurch, daſs sie,
wie J. Müller gefunden hat, in kochendem Wasser nicht
verändert wird, und dadurch, daſs die Zellenkerne platt
sind, während die Kerne der Knorpelzellen rund oder
elipsoidisch sind.


Rechnet man die Chorda dorsalis hierher, so liefert
sie, wie wir gesehen haben, ein Beispiel von Erzeugung
von Zellen in Zellen. Diese jungen Zellen innerhalb der
eigentlichen Zellen der Chorda dürften aber eine verschie-
dene Bedeutung haben, da sie nicht wie die letzteren aus
Cytoblasten zu entstehen scheinen. Auch bei der Krystall-
linse erzeugen sich Zellen in Zellen. Bei allen übrigen
Geweben dieser Klasse findet, mit wenigen Ausnahmen,
die Entstehung der neuen Zellen nur auſser den vorhan-
denen Statt.


[110]

III. Klasse.
Gewebe, in denen die Zellenwände unter ein-
ander oder mit der Intercellularsubstanz ver-
schmolzen sind
.


Diese Klasse ist schon dadurch charakterisirt, daſs sie
die festesten Gebilde des thierischen Körpers umfaſst, näm-
lich die Knorpel, Knochen und die substantia propria und
ossea der Zähne. Der Typus dieser Gewebe im erwach-
senen Zustande ist der: Man sieht in einer festen durch-
scheinenden Substanz eine Menge kleiner rundlicher Höh-
len, oder Höhlen, von denen Kanälchen sternförmig aus-
gehen, oder endlich bloſse Kanälchen ziemlich gleichmä-
ſsig zerstreut. Die Höhlen comuniciren nicht unmittel-
bar mit einander, die Kanälchen aber vereinigen sich oft.
An beiden ist im erwachsenen Zustande keine besondere
Zellenmembran zu unterscheiden, wohl aber lassen sich
im früheren Zustande die Höhlen als Zellen, d. h. als
hohle, mit einer eigenthümlichen Haut umschlossene Räume,
und die Kanälchen als hohle Fortsetzungen von Zellen
nachweisen. Die Zwischensubstanz der Höhlen wird ent-
weder dadurch hervorgebracht, daſs die Wände der Zel-
len sich verdicken und dann zu einer gleichartigen Sub-
stanz verschmelzen, oder, was viel häufiger ist, dadurch, daſs
sich die Intercellularsubstanz in gröſserer Quantität ent-
wickelt, und eine Verschmelzung der unverdickten oder
wenig verdickten Zellenwände mit dieser Intercellularsub-
stanz eintritt. Für jetzt kann ich zwar noch nicht mit
Sicherheit behaupten, daſs wirklich überall, z. B. bei den
Knorpeln der höheren Thiere, eine Verschmelzung der
unverdickten Zellenwände mit der Intercellularsubstanz
stattfindet, und in sofern ist die Charakteristik dieser Klasse
durch die bloſse Verschmelzung der Zellenwände noch
nicht ganz sicher. Sollte dieſs nicht überall statt finden,
[111] so muſs die starke Entwicklung einer festen Intercellular-
substanz in diesen Fällen mit zu Hülfe genommen werden,
eine Eigenthümlichkeit, die sonst nirgendwo vorkommt.


Von den hierher gehörigen Geweben haben wir die
Knorpel und Knochen schon oben betrachtet. Allein theils
um Behufs einer Zurückführung der Zähne auf die Kno-
chen die Struktur der letzteren wieder ins Gedächtniſs
zurückzurufen, theils um einige seitdem gemachte Beob-
achtungen daran zu knüpfen, sei es mir erlaubt, in der
Kürze die Hauptsache über die Knorpel und Knochen zu
wiederholen. Die früheren Beobachtungen wurden schon
im Februar niedergeschrieben, wo ich nur wenige und nur
erwachsene Froschlarven hatte, und auch Säugethierfötus
selten waren. Es ist daher Manches nachzutragen, was
früher zweifelhaft bleiben muſste.


1) Knorpel und Knochen.

Die Struktur der Knorpel ist überall wesentlich dieselbe.
Sie bestehen aus Elementarzellen mit dazwischen liegender
Intercellularsubstanz. Letztere ist entweder in so gerin-
ger Quantität vorhanden, daſs sich die Zellenwände an
den meisten Stellen unmittelbar berühren und deſshalb zu
einer polyedrischen Form gegen einander abplatten, z. B.
bei den Kiemenknorpeln der Fische, oder sie ist in grö-
ſserer Quantität vorhanden, so daſs die Zellen darin zer-
streut erscheinen, wie in dem Fucusgewebe. Das Wachs-
thum der Knorpel geschieht theils durch Entwicklung der
vorhandenen Zellen, theils durch Bildung neuer Zellen.
Die Entwicklung der vorhandenen Zellen besteht in einer
Ausdehnung derselben, einer Verdickung ihrer Wände, Um-
wandlung ihres Inhaltes, und oft ist damit auch Vermeh-
rung der Intercellularsubstanz verbunden. Diese Processe
scheinen in der ganzen Dicke des Knorpels vor sich ge-
hen zu können. Anders verhält es sich mit der Entste-
hung neuer Zellen. Diese geschieht nur an gewissen Stel-
len, nämlich an der Oberfläche des Knorpels oder zwi-
[112] schen den jüngst gebildeten Zellen. Wir haben schon
oben bei den Kiemenstrahlen der Fische gesehen, daſs die
wenigst entwickelten Zellen an der freien Spitze und an
den Seitenrändern lagen. Das Stäbchen, welches ein sol-
cher Kiemenstrahl darstellt, wächst nicht dadurch, daſs sich
in seiner ganzen Länge neue Zellen zwischen den alten
bilden, sondern seine Ausdehnung in die Länge wird da-
durch hervorgebracht, daſs in der Nähe der freien Spitze
sich neue Zellen entwickeln, und in der Breite wächst es
durch Bildung neuer Zellen in der Nähe der Seitenwände.
Bekannt ist es schon, daſs die Röhrenknochen vorzugsweise
auf der Oberfläche und am Ende der Diaphysen wachsen.
Dadurch nähern sich die Knorpel der vorigen Klasse; al-
lein es findet doch eine bedeutende Verschiedenheit Statt.
Die neuen Zellen bilden sich nämlich nicht bloſs an der
Stelle, wo der Knorpel mit der organisirten Substanz zu-
nächst in Berührung ist (es ist hier überhaupt nur von
der Periode die Rede, wo der Knorpel noch keine eige-
nen Gefäſse hat), sondern auch in der Intercellularsub-
stanz zwischen schon weiter entwickelten Zellen, nicht
bloſs an der Oberfläche, sondern auch zwischen den jüngst
gebildeten Zellen.


Die Art, wie sich nun die Knorpelzellen bilden, läſst
sich an den Kiemenknorpeln junger Larven von Pelobates
fuscus beobachten. Man muſs nur die Knorpel ganz frisch
aus dem lebenden Thiere nehmen; denn alles wird viel un-
deutlicher, wenn auch nur das ganze Thier eine Zeit lang
nach dem Tode im Wasser liegen bleibt. Untersucht man
nach Abstreifung der Schleimhaut die Ränder des Knor-
pels, so sieht man, daſs die Intercellularsubstanz zwischen
den Knorpelzellen sich über die äuſsersten Zellen fort-
setzt, und selbst über die am meisten nach auſsen gelege-
nen Zellen noch einen dünnen Ueberzug bildet, so daſs
der Rand des Knorpels nicht unmittelbar von den Knor-
pelzellen selbst gebildet wird. Die Knorpelzellen liegen
also vollständig eingebettet in dieser Intercellularsubstanz,
welche ihr Cytoblastem ist. In diesem Cytoblastem, nicht
[113] in den schon vorhandenen Zellen, entstehen nun auch die
neuen Zellen, und zwar sowohl in dem Theile des Cyto-
blastems, welcher die fertigen Knorpelzellen auſsen über-
zieht (aber immer eingeschlossen von diesem Cytoblastem,
nicht an der äuſsern Fläche desselben), als auch in der
Intercellularsubstanz zwischen den jüngst gebildeten Zel-
len (s. Tab. III. Fig. 1). Man sieht nämlich theils bloſse
Zellenkerne, die etwas kleiner sind als die Kerne der er-
wachsenen Zellen a b, theils Kerne, die dicht von einer Zelle
umgeben sind c c, kurz alle Uebergangsstufen von bloſsen
Zellenkernen und mit kleinen Zellen umgebenen Kernen
bis zu den erwachsenen Zellen, so daſs also hier die Ent-
wicklung wie bei den meisten Zellen geschieht und der
Kern der wirkliche Cytoblast derselben ist. Die Zellen
sehen Anfangs feinkörnig aus, nicht so durchsichtig, wie
im erwachsenen Zustande. Der Kern wächst noch eine
Zeit lang mit der Zelle; auch wird die Zellenmembran
erst im erwachsenen Zustande deutlich, indem sie immer
dicker wird. Sie wird aber so evident, daſs man ganz
deutlich ihre doppelten Konturen, namentlich auch die äu-
ſsere, der Intercellularsubstanz zugewendete erkennt und die
Dicke der Wand messen kann (s. die Figur). Die Form
der jungen Zellen hängt von dem Raume ab, der zu ihrer
Ausdehnung disponibel ist. Sie sind daher entweder rund
oder eckig, je nachdem die benachbarten Zellen eine re-
gelmäſsige Ausdehnung erlauben oder diese beschränken.
Indem sich nun zwei oder mehrere Zellen nahe zusammen
in einem Intercellularraum entwickeln, und dabei die schon
gebildeten Zellen und die Intercellularsubstanz nach au-
ſsen von dieser Zellengruppe gedrängt werden, kommt es,
daſs meistens zwei bis vier Zellen zu einer Gruppe zu-
sammenliegen, von einander durch dünnere Wände ge-
trennt, während zwischen dieser Gruppe und der umge-
benden Zelle dickere Wände sind. Diese Gruppen entste-
hen also wenigstens gewöhnlich nicht durch Entwicklung
mehrerer Zellen in einer Mutterzelle, sondern in einem
Intercellularraum, was früher unentschieden bleiben muſste.
8
[114] In einzelnen Knorpelzellen entstehen später junge Zellen,
und zwar, wie oben gezeigt wurde, ebenfalls um Cyto-
blasten, die sich vorher in den Knorpelzellen erzeugen.
Allein diese jungen Zellen haben wahrscheinlich nicht die
Bedeutung der eigentlichen Knorpelzellen. Die Kiemenknor-
pel der Batrachierlarven weichen also in ihrer Struktur
nicht wesentlich von den Knorpeln der höheren Thiere
ab, und die Hauptverschiedenheit der Knorpel überhaupt
beruht nur auf der gröſseren oder geringeren Menge des
vorhandenen Cytoblastems, und darauf, ob die Zellenwände
mehr oder weniger zur Bildung der Zwischensubstanz zwi-
schen den Zellenhöhlen beitragen.


Bei einigen Säugethierknorpeln ist die Intercellular-
substanz Anfangs weich, so daſs bei leisem Druck die
Zellen aus einander fallen und frei in der Flüssigkeit
herumschwimmen. Schneidet man z. B. bei einem 3½ Zoll
langen Schweinefötus von dem verknöcherungsfähigen, aber
noch nicht verknöcherten Knorpel am Winkel des Unter-
kiefers eine dünne Lamelle ab und bringt sie unter das
Compressorium, so sieht man darin die Zellen so dicht lie-
gen, daſs man den von den Zellen eingenommenen Raum
etwa auf drei Viertel, die Intercellularsubstanz etwa auf
ein Viertel des ganzen Volumens schätzen kann. Viele
Zellen, die sich durch den Schnitt losgetrennt haben,
schwimmen schon in der Flüssigkeit. Komprimirt man
nun ein wenig, so lösen sich noch bei weitem mehr Zellen
und flieſsen in Strömen aus der Intercellularsubstanz in
die daneben befindliche Flüssigkeit. Die Intercellularsub-
stanz ist zu weich, um die Trennung zu verhüten; später
geschieht dies nicht mehr. Nach Meckauer lassen sich
auch durch Kochen die Knorpelkörperchen isolirt erhalten.
Es gelang mir auch einmal, an jenen jungen Knorpeln eine
Zelle, die noch im Zusammenhange geblieben war, zu zer-
quetschen. Die Zelle dehnte sich nämlich bei der Kom-
pression Anfangs in der Breite aus; plötzlich sank sie
zusammen, während eine klare Flüssigkeit ausströmte.
Der Inhalt der Zelle war also flüssig und durchsichtig.
[115] Da nun dennoch diese Zellen, einige mehr, andere weni-
ger körnig aussehen, so müssen auch die Zellen der ver-
knöchernden Knorpel eine eigenthümliche Hülle haben, die
körnig ist, also wirkliche Elementarzellen in unserem
Sinne des Wortes, nicht bloſse Aushöhlungen in der Sub-
stanz, noch ganz solide Körperchen sein. Damit stimmt
auch ganz das Ansehen der frei umherschwimmenden Zel-
len. Sie sehen ebenfalls körnig aus, während der Inhalt
klar zu sein scheint. Alle enthalten einen sehr schönen
ovalen oder auch runden, nicht platten Zellenkern an ih-
rer inneren Wandfläche, der noch ein oder zwei sehr dis-
tinkte Kernkörperchen enthält; kurz sie stimmen ganz
mit den Elementarzellen der meisten übrigen Gewebe über-
ein. Manchmal gelingt es auch, durch Essigsäure an einem
dünnen Knorpelplättchen die Zellenwände sichtbar zu ma-
chen, und die Essigsäure gewährt zugleich den Vortheil,
die zuweilen, wenn nämlich der Zelleninhalt körnig ist,
undeutlichen Zellenkerne zum Vorschein zu bringen, in-
dem sie den Zelleninhalt auflöst. Tab. III. Fig. 2 stellt ein
solches mit Essigsäure untersuchtes Knorpelstückchen aus
dem noch unverknöcherten Theile des Darmbeines eines
fünf Zoll langen Schweineembryo dar. Man sieht die Zel-
lenwände mit ihren doppelten Konturen und unterscheidet
die beleuchtete und die Schattenseite in der Dicke der Wände.


Durch Miescher’s Untersuchungen steht nun die
Identität der Knochen und Knorpelkörperchen fest. Wir
haben aber gesehen, daſs die Knorpelkörperchen Zellen
sind, und von den Knochenkörperchen ist es bekannt, daſs
sie Höhlen sind, von denen sternförmig sehr feine Kanäl-
chen ausgehen. Die Knopelzellen müssen sich also bei
der Verknöcherung in diese Form umwandeln. Dies kann
aber entweder geschehen durch Verdickung der Zellen-
wände und Uebrigbleiben von Porenkanälchen in denselben
oder durch Umwandlung der rundlichen Knorpelzellen in
sternförmige Zellen. Oben S. 34 wurden einige Gründe
und Gegengründe für die eine oder die andere Ansicht
aufgestellt. Ich bin aber auch jetzt noch nicht im Stande,
8*
[116] mich für eine dieser Ansichten bestimmt zu entscheiden,
da ich zu wenig Untersuchungen über den Akt der Ver-
knöcherung angestellt habe. Ich gebe der letztern An-
sicht, nämlich der Betrachtung der Knochenkörperchen als
sternförmige Zellen, nur deſshalb den Vorzug, weil ich
von der Bildung der Porenkanälchen sonst keine Analo-
gie bei Thieren kenne, während wir die Bildung sternför-
miger Zellen oben beim Pigment genauer verfolgt haben.
Die Aehnlichkeit sternförmiger Pigmentzellen mit Kno-
chenkörperchen ist manchmal sehr auffallend, wie z. B.
die in Tab. II. Fig. 9 am meisten nach rechts liegende
Zelle zeigt. Nach dieser Ansicht sind also die Knochen-
körperchen die Knorpelzellen, die sich nach mehreren
Seiten hin in hohle Fortsetzungen verlängert haben. Die
kompakte Knochensubstanz ist Intercellularsubstanz, jedoch
ist es wahrscheinlich, daſs die Wände der sternförmigen
Knochenzellen einen, wenn auch nur sehr kleinen Theil
dieser kompakten Substanz bilden.


Bei der Verknöcherung wird die Kalkerde zuerst
in dieser Intercellularsubstanz abgelagert, und wahr-
scheinlich später auch in der Zellenhöhle. Die Sub-
stanz erscheint dabei oft zuerst dunkelkörnig, später wird
sie erst gleichmäſsig dunkel und das Körnige verliert
sich. Wenn wir, wie es doch höchst wahrschein-
lich ist, annehmen, daſs die Kalkerde in dem Knochen
nicht als fein zertheilte Körnchen, sondern in einer den
chemischen Verbindungen analogen Verbindung mit der
Knorpelsubstanz enthalten ist, so kann man sich die Art,
wie die Verbindung mit Kalkerde vor sich geht, auf dop-
pelte Weise vorstellen; entweder die Kalkerde verbindet
sich mit einem Stückchen Knorpelsubstanz, so daſs jedes
kleinste Theilchen zuerst ein Minimum von Kalkerde er-
hält und allmählig immer mehr, bis das ganze Knorpel-
stückchen seine gehörige Menge Kalkerde erhält; oder die
Kalkerde verbindet sich zuerst nur mit einzelnen der klein-
sten Theilchen des Knorpels, mit diesen aber vollständig
in dem Verhältniſs, wie es ihre Sättigungskapacität erfor-
[117] dert; allmählig erhalten dann auch die übrigen Theilchen
nach einander ihren gehörigen Antheil von Kalkerde, so
daſs jedes kleinste Theilchen nicht eher Kalkerde che-
misch bindet, bis es sich vollständig damit sättigen kann.
Die letztere Ansicht scheint mir bei weitem wahrscheinli-
cher, wegen der Analogie mit den anorganischen Verbin-
dungen und wegen des oben erwähnten körnigen Anse-
hens, welches der in der Verknöcherung begriffene Knor-
pel hat. Denn nach der ersten Ansicht müſste sich um
den Markkanälchen, in deren Nähe die Ablagerung der
Kalkerde zuerst beginnt, eine nach auſsen immer blasser
werdende dunkle Schattirung zeigen, nicht aber ein kör-
niges Ansehen.


Bei der Aehnlichkeit, welche die jungen Knorpelzel-
len, besonders wenn sie sich in Fasern verlängern, mit
den eigentlichen Faserzellen haben, z. B. mit den primi-
tiven Zellgewebezellen, die ebenfalls Anfangs in einer
Menge von strukturlosem Cytoblastem liegen, ist der Ueber-
gang des Knorpelgewebes in das Fasergewebe durch die
Faserknorpel leicht einzusehen. Jede primitive Zellgewe-
bezelle, also auch jedes aus ihr entstandene Faserbündel,
entspricht Einem einzelnen Knorpelkörperchen.


2) Zähne.

Die Zähne wurden früher zu den Knochen gerech-
net, später aber als gefäſslose Gebilde bei dem Hornge-
webe abgehandelt. Seit der Entdeckung von Miescher
aber, daſs bei den Knochen die Gefäſse auch nur in den
Markkanälchen verlaufen, seit der Beobachtung von J.
Müller, daſs die Zähne ebenfalls beim Kochen Leim ge-
ben, wie die Knochen, und seit der Auffindung von Kno-
chenkörperchen in der eigenthümlichen Zahnsubstanz durch
Retzius scheint es passender, die Zähne wieder mit den
Knochen in eine Klasse zu stellen, um so mehr, da wir
jetzt wissen, daſs das Vorhandensein oder die Abwesen-
heit von Gefäſsen keinen wesentlichen Unterschied in
dem Wachsthum begründet. Die Stellung der Zähne ne-
[118] ben die Knochen wird für uns auſserdem deſshalb noth-
wendig, weil in der eigentlichen Zahnsubstanz eine Ver-
schmelzung der Zellenwände vor sich zu gehen scheint.
Die Zähne bestehen bekanntlich aus der eigenthümlichen
Substanz, aus der Knochensubstanz und aus dem Schmelz.


a. Zahnschmelz.

Der Zahnschmelz besteht nach Purkinje aus dicht
zusammengedrängten viereckigen, oder nach Retzius
sechseckigen Prismen, die ungefähr senkrecht auf der
Oberfläche der substantia propria stehen und in kleinen
Biegungen nach auſsen verlaufen. Der Schmelz ist An-
fangs weich, und kratzt man in diesem Zustande etwas
von dem Schmelz ab, so erhält man nach J. Müller an
beiden Enden zugespitzte Nadeln. Nach Behandlung des
jungen Schmelzes mit Salzsäure bleibt nach Purkinje,
Raschkow
und nach Retzius etwas organische Sub-
stanz zurück, während nach Berzelius der Schmelz an
erwachsenen Zähnen nicht zwei Procent davon enthält.
Ueber das Nähere verweise ich auf die vortrefflichen
Arbeiten von Purkinje, Raschkow und Fränkel, und
von Retzius, J. Müller und von Linderer.


Legt man einen ganzen, aus dem Zahnsäckchen ge-
nommenen, unreifen Zahn vom Menschen oder von einem
Säugethier, z. B. dem Schwein, in verdünnte Salzsäure,
so läſst sich nach Auflösung der Kalkerde die vom Schmelz
zurückbleibende organische Substanz von der eigenthüm-
lichen Zahnsubstanz im Zusammenhange trennen. Sie hat
ganz die Form und Gröſse des Schmelzes vor der Behand-
lung mit Salzsäure. Sie ist sehr weich und bricht nament-
lich leicht nach der Richtung der Schmelzfasern. Bei
starker Vergröſserung und gedämpftem Licht untersucht,
zeigt sie sich aus dicht zusammenliegenden Prismen zu-
sammengesetzt, wie der Schmelz selbst, und diese Prismen
lassen sich auch einzeln isoliren, bilden also jedes für sich
etwas Selbstständiges (s. Tab. III. Fig. 3). Diese organi-
sche Substanz kann also nicht, wie Raschkow und Re-
[119] tzius
sie betrachteten, ein bloſses Depositum aus der
Feuchtigkeit sein, wovon die Schmelzfasern Anfangs um-
geben sind, gewissermaſsen ein Abguſs der Schmelzfasern,
sondern die Schmelzfasern müssen entweder eine Verknö-
cherung dieser Prismen sein, oder diese Prismen müssen
hohl und in ihnen die anorganische Substanz abgelagert sein.
Beim Schmelz von Schweinezähnen sind die Konturen
dieser organischen Prismen bei gedämpftem Licht, im Ver-
gleich mit ihrem Innern, so dunkel, daſs man sie kaum
für bloſse Schatten eines soliden Prismas halten kann
und eine mit einer dünnen Membran umgebene Höhle ver-
muthen muſs. Beim Menschen aber ist der Unterschied
weit weniger auffallend, so daſs es unentschieden bleiben
muſs, welche von beiden Ansichten die richtige ist.


Wie entstehen nun diese Schmelzprismen? Nach Pur-
kinje
und Raschkow ist die Zahnkrone auſsen von
einer eigenthümlichen Membran, der Schmelzmembran,
umgeben, deren innere Fläche von kurzen sechseckigen
Fasern gebildet wird, die senkrecht auf der Membran ste-
hen und gegen den Schmelz hin gerichtet sind, so daſs
jede Faser der Schmelzmembran einer Schmelzfaser ent-
spricht. Untersucht man den Theil der Schmelzmembran,
woraus jene Fasern hervorkommen, so erkennt man darin
besonders an dem Theile der Schmelzmembran, welcher
der Wurzel des Zahns zunächst liegt, bald die charakte-
ristischen Zellenkerne zum Theil mit Kernkörperchen. Sie
liegen in einer feinkörnigen Substanz. An vielen Stellen
aber sieht man, daſs dieses feinkörnige Ansehen durch
körnige Zellen hervorgebracht wird, in denen jene Kerne
liegen. Jeder Kern ist nämlich mit einem runden Hof von
feinen Körnchen umgeben und scheint in einer Kugel zu
liegen, die feinkörnig ist, und wir wissen, daſs dieſs die
Grundform der meisten Elementarzellen ist. Einige dieser
Zellen verlängern sich nach verschiedenen Seiten in sehr
feine Fasern; dieſs scheinen junge Zellgewebezellen. Die
meisten aber sind rund. Die Fasern oder Prismen, welche
von der innern Fläche der Membran gegen die Schmelz-
[120] fasern hin gerichtet sind, haben nach Raschkow wegen
ihres dichten Zusammenliegens eine sechseckige Form an-
genommen. Sie sehen den Epitheliumcylinderchen auf
Schleimhäuten sehr ähnlich, nur daſs sie in ihrer ganzen
Länge, so weit sie aus der unterliegenden Membran her-
vorragen, prismatisch sind. Ich möchte sie daher auch
nur für verlängerte Zellen halten. Sie enthalten auch im
frischen Zustande einen sehr deutlichen Zellenkern, der
wieder sein Kernkörperchen zeigt (s. Tab. III. Fig. 4).
Sie liegen oben ganz dicht an einander; an dem Theile
der Schmelzmembran aber, der gegen die Wurzel des
Zahns hin sich erstreckt, werden sie viel seltener und ste-
hen einzeln, so daſs man hier auch die oben beschriebene
Struktur der unterliegenden Membran erkennt, und ich
vermuthe, daſs die oben erwähnten runden Zellen der frü-
here Zustand dieser prismatischen Zellen sind. In wel-
chem Verhältniſs stehen nun diese prismatischen Zellen
der Schmelzmembran zu den Prismen des Schmelzes?
Purkinje und Raschkow glaubten, daſs jede Faser der
Schmelzmembran ein Excretionsorgan, ein Drüschen, sei
und die ihm entsprechende Schmelzfaser absondere. Bei
unseren veränderten Ansichten vom Wachsthum der nicht
organisirten Gewebe verliert aber diese früher sehr an-
sprechende Erklärung sehr von ihrer Wahrscheinlichkeit.
Es lassen sich aber verschiedene andere Erklärungen an
die Stelle setzen; doch reichen meine Beobachtungen nicht
hin zu entscheiden, welches die richtige ist. Man kann
sich 1) vorstellen, daſs die organische Grundlage der
Schmelzprismen Zellen sind, die sich selbsständig auf der
Zahnsubstanz bilden und fortwachsen, ohne mit den Pris-
men der Schmelzmembran in einer anderen Verbindung
zu stehen als der, daſs letztere das Cytoblastem liefert.
Bei dieser Erklärung würde man aber die auffallende
Uebereinstimmung, daſs die Schmelzmembran ähnliche Pris-
men zeigt, wie der Schmelz, als etwas Zufälliges betrach-
ten müssen. Sie würde aber nothwendig werden, wenn
sich nachweisen lieſse, daſs zwischen Schmelzmembran und
[121] Schmelz noch eine eigenthümliche Substanz liegt, die ich
mehrmals an Backenzähnen vom Schwein beobachtet habe.
Sie ist sehr weich und voll von Blasen, so daſs sie wie
eine Schlacke aussieht. Wenn ich mich recht erinnere,
so erwähnt Purkinje ihrer auch, obgleich ich augenblick-
lich die Stelle nicht wiederfinden kann. Sie lag zwischen
der Schmelzmembran und dem Zahn, doch habe ich mich
nicht überzeugt, ob sie auch an solchen Stellen lag, wo
die Schmelzbildung schon begonnen hatte, ob sie also
wirklich die Kontinuität der Schmelzmembran und des ge-
bildeten Schmelzes unterbrach. Die zweite Erklärung
wäre die, daſs die Schmelzprismen die kontinuirliche Fort-
setzung der Prismen der Schmelzmembran bildeten, welche
an ihrer einen Seite mit Kalkerde gefüllt sein könnten. Diese
Erklärung ist sehr unwahrscheinlich, und es spricht auch
der allzu lockere Zusammenhang zwischen beiden Gebil-
den dagegen. Die dritte Erklärung, die mir für jetzt am
wahrscheinlichsten vorkommt, ist die, daſs die prismati-
schen Zellen der Schmelzmembran sich von dieser tren-
nen und mit dem schon gebildeten Schmelz verwachsen,
während sich zugleich entweder ihre Höhle mit den Kalk-
salzen füllt, oder während sie in ihrer ganzen Dicke ver-
knöchern, nachdem vorher ihre Höhle mit einer organi-
schen Substanz gefüllt ist. Durch diese Erklärung wird
die Bildung des Schmelzes mit dem Wachsthum der übri-
gen in der vorigen Klasse abgehandelten unorganisirten
Gewebe in Uebereinstimmung gebracht. Denkt man sich
z. B. daſs die Schleimhautcylinderchen, die sich nach
Henle ohnehin immer abstoſsen, während sie sich von der
Oberfläche der Schleimhaut lösen, zugleich verknöchern,
so erhielten wir einen Ueberzug über die Schleimhaut, der
aus Kalkcylinderchen bestände, von denen aber jedes noch
seine gleichgeformte organische Grundlage hat, wie die
Schmelzfasern. Unter diesem Ueberzug lägen noch un-
verknöcherte Cylinderchen, die, wenn sie ebenfalls verknö-
chern, jenen Ueberzug verdickten, während auf der Schleim-
haut neue Cylinderchen hervorwüchsen. Bei Zähnen von
[122] Erwachsenen, die also lange Zeit der Mundflüssigkeit aus-
gesetzt waren, ist die organische Grundlage äuſserst gering
an Quantität, wie ich vermuthe in Folge einer chemischen
Auflösung der organischen Substanz durch die Mund-
flüssigkeit.


b. Eigenthümliche Substanz des Zahns.

Die eigenthümliche Substanz des Zahns besteht be-
kanntlich aus einer strukturlosen Substanz, welche von
vielen Kanälchen durchzogen wird. Diese Kanälchen lau-
fen im Allgemeinen strahlenförmig von der Zahnhöhle
nach der äuſsern Fläche des Zahns, und geben nach
Retzius auf diesem Wege oft Aeste ab. Die peripherischen
Endigungen sind äuſserst fein; gegen die Zahnhöhle hin
werden die Kanälchen dicker und münden, wenn die Pulpa
entfernt ist, frei in die Zahnhöhle. J. Müller hat sowohl
an dünnen geschliffenen Zahnplättchen, als an Lamellen,
die mit Salzsäure ausgezogen wurden, auf dem Bruche
beobachtet, daſs die Kanälchen als etwas Selbstständiges
hervorragten, also mit einer besondern Membran umgeben
waren, die Retzius auch auf dem Durchschnitt erkannte.
Purkinje und Müller beobachteten, daſs wenn man
Zähne in Dinte legt, diese in die Kanälchen eindringt, so
daſs also die Kanälchen hohl sein müssen. Kalkerde
scheint entweder gar nicht in ihnen, oder nur in den fein-
sten Kanälchen enthalten zu sein. Nach Retzius kom-
men in vielen Zähnen Körperchen vor, die wie Knochen-
körperchen aussehen und, wie sie, strahlenförmig feine Ka-
nälchen ausschicken.


In welchem Verhältniſs steht nun die eigenthümliche
Substanz des Zahns zu den Zellen? Ich muſs hier mit
dem Geständniſs beginnen, daſs ich nicht im Stande bin,
diese Frage mit Sicherheit zu beantworten, und nur, weil
der Zusammenhang es erfordert, theile ich die folgende
Untersuchung, unreif wie sie ist, mit. Purkinje und
Raschkow beschreiben die Bildung der Zahnsubstanz
auf folgende Weise: Primordio substantia dentalis e fibris
[123] multifariam curvatis convexis lateribus sese contingenti-
bus ibique inter se concrescentibus composita appa-
ret. .... In ipso apice istae fibrae aequaliter quam-
cunque regionem versus se diffundunt, attamen parietes
laterales versus directio longitudinalis praevalet, dum
fibrae sinuosis flexibus aequalique modo se invicem contin-
gentes ibique ubi concavae apparent lacunas inter se re-
linquentes, ab apice coronali radicem versus ubicunque
procedunt. Nonnisi extremi earum fines tunc molles sunt
ceterae autem partes brevissimo tempore indurescunt ....
Substantiae dentalis formationis secundum crassitudinem
processus pari modo ac primo ejus ortu cogitandus est.
Postquam ..... fibrarum dentalium stratum depositum
est, idem processus continuo ab externa regione internam
versus progreditur, germinis dentalis parenchymate mate-
riam suppeditante .... Convexae fibrarum dentalium fle-
xurae, quae juxta latitudinis dimensionem crescunt, dum ab
externa regione internam versus procedunt, sibi invicem
appositae continuos canaliculos effingunt, qui ad substan-
tiae dentalis peripheriam exorsi multis parvis anfractibus
ad pulpam dentalem cavumque ipsius tendunt, ibique aperti
finiuntur, novis ibi, quamdiu substantiae dentalis formatio
durat, fibris dentalibus aggregandis inservientes (Rasch-
kow
Meletemata circa mammalium dentium evolutionem
Vratislav. 1835. p. 6).


Ich kann nicht leugnen, daſs mir in dieser Beschrei-
bung Manches unklar ist. Wenn ich sie aber recht ver-
stehe, so entsteht die Zahnsubstanz aus Fasern, die schich-
tenweise sich um die Pulpa, welche den Stoff dazu her-
giebt, bilden, dann mit einander verwachsen, aber Lücken
zwischen sich lassen, welche die Zahnkanälchen sind. Die
Kanälchen der Zahnsubstanz können wir jetzt nicht mehr
als bloſse Lücken zwischen den Fasern betrachten, da sie
nach Müller mit eigenen Wänden versehen sind. Allein
in der Erklärung der festen Substanz wird dadurch nichts
geändert.


Läſst man einen aus dem Zahnsäckchen genommenen
[124] Zahn einige Tage in nicht zu sehr verdünnter Salzsäure
liegen, so wird die nach Ausziehung der Kalkerde Anfangs
noch knorpelharte Zahnsubstanz ganz weich, so daſs man
sie nur in kleinen Stückchen mit der Pinzette herausneh-
men kann. Untersucht man diese breiige Masse, so sieht
man, daſs sie aus Fasern besteht, die stellenweise sich isoliren
lassen (s. Tab. III. Fig. 5). Diese Fasern sind zu dick,
um etwa die Wände der Kanälchen zu sein: sie bilden die
ganze Substanz. Auch können sie nicht wohl Kunstpro-
dukt sein, etwa indem die in die Kanälchen eindringende
Säure die ihnen zunächst liegende Substanz zuerst auf-
löste und dadurch die Zwischensubstanz als eine Faser
zurückbliebe; dafür sind sie zu regelmäſsig und glatt. Es
scheint vielmehr, daſs die Zahnsubstanz aus diesen Fasern
zusammengesetzt ist, die mit einander verwachsen sind,
daſs sie also identisch mit den Fasern sind, durch deren
Verschmelzung, nach Purkinje und Raschkow, der
Zahnknorpel sich bildet, und daſs diese Verschmelzung der
Fasern nicht so vollständig ist, daſs sie nicht künstlich
wieder aufgelöst werden könnte. Die Fasern laufen an
Menschenzähnen in derselben Richtung wie die Kanälchen.
Zwischen ihnen konnte ich die Kanälchen nicht mehr se-
hen. Nur in der äuſsersten, unmittelbar unter dem Schmelz
liegenden Schichte der Zahnsubstanz sah ich die Fasern
nicht, sondern hier war die Masse durch die Salzsäure
mehr zerfallen, und es liefen darin feinere Fasern anderer
Art in den verschiedensten Richtungen durch einander,
welche, wie ich vermuthe, Reste der Zahnröhrchen waren.


Wir müssen also die Zahnsubstanz betrachten als zu-
sammengesetzt aus mit einander verschmolzenen Fasern,
zwischen denen Kanälchen mit eigenthümlichen Wänden
verlaufen. Fasern und Kanälchen stehen beim Menschen
ungefähr senkrecht auf der Zahnhöhle. Was haben nun
die Fasern und was die Kanälchen mit den Zellen zu
schaffen? Ich möchte mich zu der älteren Ansicht hinnei-
gen, daſs die Zahnsubstanz die verknöcherte Pulpa ist.
Nach Purkinje und Raschkow besteht die Pulpa An-
[125] fangs aus beinahe gleichen Kügelchen ohne Gefäſse und
Nerven. Später entstehen Gefäſse und zuletzt auch Ner-
ven darin. An der Oberfläche sind die Kügelchen mehr
geordnet und mehr in die Länge ausgedehnt, und unter
senkrechten oder wenig spitzen Winkeln nach auſsen ge-
kehrt. Diese in die Länge gezogenen Kügelchen sind nun
offenbar cylindrische Zellen. Sie enthalten sehr deutlich
an frischen Zähnen den charakteristischen Zellenkern mit
seinen Kernkörperchen, und sind sehr ähnlich den Prismen
der Schmelzmembran (Tab. III. Fig. 4). Das Innere der
Pulpa besteht aus runden Zellen, ebenfalls mit einem Kern
versehen, und zwischen diesen Zellen laufen Gefäſse und
Nerven. Zieht man die Pulpa eines jungen Zahns aus
dessen Höhle los, und untersucht man dann die Zahnsub-
stanz entweder frisch oder nachdem man vorher die Kalk-
erde mit Salzsäure ausgezogen hat, so bleibt auf der in-
neren Fläche derselben, wenigstens unten, wo die schon
gebildete Zahnsubstanz noch dünn und weich ist, eine
Schichte der cylindrischen Zellen der Pulpa sitzen. Diese
haben ungefähr die Dicke wie die soliden Fasern der Zahn-
substanz und auch denselben Verlauf, und da sie auf der
einen Seite offenbar der Pulpa angehören, wegen ihrer
Uebereinstimmung mit den cylindrischen Zellen, die auf
der übrigen Oberfläche der Pulpa sitzen geblieben sind,
und da sie auf der anderen Seite doch mit der Zahnsub-
stanz fester zusammenhängen als mit der Pulpa, und an
der ersteren hängen bleiben, so vermuthe ich, daſs hier
ein Uebergang statt findet und die cylindrischen Zellen
der Pulpa nur der frühere Zustand der Zahnfasern sind,
indem diese Zellen sich mit organischer Substanz füllen,
solid werden und verknöchern. Zuweilen finden sich
diese Cylinderchen an der Zahnsubstanz nicht, aber dann
sieht man an ihrer Stelle eine Menge von Zellenkernen.
Diese sind sehr blaſs und innig mit der Zahnsubstanz ver-
bunden, so daſs man sie leicht übersieht; aber wenn man
einmal auf sie aufmerksam geworden ist, sind sie durch-
aus unverkennbar und liegen mit äuſserst kleinen Zwi-
[126] schenräumen neben einander. Gegen die Ansicht, daſs die
Zahnsubstanz der verknöcherte Theil der Pulpa ist, hat man
die leichte Trennbarkeit beider von einander eingeworfen,
und ich erkenne das Gewicht dieses Einwurfs wohl an.
Allein er wird dadurch wenigstens geschwächt, daſs wirk-
lich ein Theil der Pulpa an der Zahnsubstanz hängen
bleibt, und dadurch, daſs z. B. bei halb verknöcherten Rip-
pen der Knorpel sich auch leicht vom verknöcherten Theil
trennen läſst, und daſs beim Zahn die Trennung um so
leichter sein muſs, je gröſser der Unterschied in der Kon-
sistenz der Zahnsubstanz und der Pulpa ist. Es sind da-
her wenigstens Gründe genug, um ein näheres Eingehen
in das Detail dieser Ansicht zu erlauben. Die Pulpa
stimmt mit allen anderen Geweben des Fötus, also auch
mit den Knorpeln dadurch überein, daſs sie aus Zellen be-
steht; sie unterscheidet sich in der Konsistenz von Säu-
gethierknorpeln deſshalb, weil die Menge des Cytoblastems,
dem der Säugethierknorpel seine Härte verdankt, sehr
gering ist, indem wenigstens die cylindrischen Zellen der
Oberfläche der Pulpa ganz dicht an einander liegen. In
dieser Hinsicht steht die Pulpa gewissen Knorpeln niede-
rer Thiere näher, wo das Cytoblastem auch in geringer
Menge vorhanden und die Konsistenz der Knorpel vorzugs-
weise durch Verdickung der Zellenwände hervorgebracht
wird. Ob bei dem vermutheten Uebergange der Zellen
der Pulpa in die Zahnfasern die Ausfüllung der Höhle auch
durch Verdickung der Zellenwände geschieht, weiſs ich
nicht, da ich diesen Uebergang nicht wirklich beobachtet
habe. Wenn er wirklich geschieht, so verschwindet dabei
die Höhle der Zellen in der Regel vollständig, so daſs
also keine Knorpelkörperchen übrig bleiben. Aus den Be-
obachtungen von Retzius aber darf man vermuthen, daſs
doch auch einige Zellen ihre Höhlen behalten und selbst
in sternförmige Zellen sich umwandeln, da Retzius wahre
Knochenkörperchen in der Zahnsubstanz sah. Wenn nun
so die oberste, aus cylindrischen Zellen bestehende Schichte
der Pulpa durch Verknöcherung in Zahnsubstanz verwan-
[127] delt ist, so müssen die zunächst im Parenchym der Pulpa
darunter liegenden runden Zellen sich auch zuerst in cy-
lindrische verwandeln, die Gefäſse dieser Schichte obliteri-
ren und dann auch diese Schicte verknöchern u. s. f.


Was sind nun aber die Zahnkanälchen? Retzius
vergleicht sie mit den von den Knochenkörperchen ausge-
henden Kalkkanälchen des Knochens, und ich war An-
fangs auch dieser Meinung, indem ich sie als Verlängerun-
gen von Zellen betrachtete, deren Körper in der Pulpa
liegt. Zieht man nämlich bei Schweinezähnen die Pulpa
aus der Zahnhöhle hervor und untersucht den Rand der
Pulpa, so sieht man, daſs jede der cylindrischen Zellen
der Oberfläche der Pulpa sich gegen die Zahnsubstanz hin
in eine kurze feine Faser verlängert, und daſs diese Fa-
sern ungefähr so dicht wie die Zahnkanälchen an der
Oberfläche der Pulpa hervorstehen. Ich glaubte nun frü-
her, daſs sie sich in die Zahnröhrchen fortsetzten und die
Zwischensubstanz zwischen den Zahnröhrchen bloſse In-
tercellularsubstanz zwischen diesen Verlängerungen der
Zellen sei. Allein ich muſste diese Idee aufgeben, weil
sich bei Menschenzähnen nichts Aehnliches fand und weil
diese Erklärung bei Hechtzähnen auf Schwierigkeiten führte.
Nach Retzius findet bei den Zähnen des Hechtes ein
unmittelbarer Uebergang der Zahnsubstanz in die Knochen-
substanz statt. Sägt man beim Hecht einen der gröſsten
Zähne im Unterkiefer ab, zieht mit Salzsäure die Kalkerde
aus und macht dann feine Längendurchschnitte, so sieht
man, daſs die Zahnsubstanz einen hohlen Kegel bildet, der
mit Knochensubstanz angefüllt ist. Die Zahnsubstanz ist
durchsichtig und besteht aus Fasern, die von der Spitze
gegen die Basis des Kegels laufen. In der Knochen-
substanz laufen Kanälchen, die den Markkanälchen in
den gewöhnlichen Knochen ähnlich, nur weniger re-
gelmäſsig sind. Mit diesen Markkanälchen der eigentli-
chen Knochensubstanz hängen nun die Zahnröhrchen zu-
sammen, und man sieht deutlich, daſs diese trichterförmig
von den Markkanälchen ausgehen. Die Kanälchen ver-
[128] ästeln sich dann bald in der Zahnsubstanz, und da sie
quer durch die Dicke des Zahnkegels laufen, so kreuzen
sie sich mit den Zahnfasern. Hiernach würden die Zahn-
kanälchen den Markkanälchen des Knochens, nicht den
von den Knochenkörperchen ausgehenden Kalkkanälchen
entsprechen. Eine sichere Deutung der ganzen Struktur-
verhältnisse der Zahnsubstanz scheint aber erst möglich,
wenn man ihre Entwickelung bei sehr verschieden gebil-
deten Zähnen untersucht.


c. Knochensubstanz der Zähne.

Sie bedarf keiner besonderen Erklärung, da sie ganz
mit der gewöhnlichen Knochensubstanz übereinstimmt.


Nachdem wir nun die zu dieser Klasse gehörigen Ge-
webe im Einzelnen untersucht und mit einander vergli-
chen haben, haben wir noch diese ganze Klasse in ihrem
Verhältniſs zu den vorigen zu betrachten und unsere Auf-
merksamkeit darauf zu richten, inwiefern durch diese Klasse
unsere Kenntnisse über die Veränderungen, welche an den
Zellen möglich sind, erweitert werden.


Welche Theile in den Geweben dieser Klasse denen
der vorigen entsprechen, liegt am Tage. In der vorigen
Klasse bestand das ganze Gewebe aus dicht zusammenge-
drängten Zellen, und die Intercellularsubstanz war fast
Null. Hier finden wir dieses nur auf der niedrigsten
Stufe bei den einfachsten Knorpeln. Bei den höher ent-
wickelten Knorpeln, namentlich allen Säugethierknorpeln,
liegen die Zellen von einer gröſseren Menge Intercellular-
substanz ringsum eingeschlossen, und diese Intercellular-
substanz bildet die eigentliche Knorpelsubstanz, wozu die
Zellenwände dann meistens wenig oder gar nichts beitra-
gen. Die eigentliche feste Substanz dieser höheren Knor-
pel hat daher ihre Analogie in der vorigen Klasse nur in
dem Minimum von Cytoblastem, wodurch die Zellen ver-
bunden sind, entspricht dagegen dem, was in der ersten
[129] Klasse die Flüssigkeit war, in der sich die isolirten Zel-
len bildeten. Die Knorpelzellen aber sind für diese
Klasse dasselbe, was in der vorigen Klasse die Epithe-
liumzellen, Federzellen u. s. w., und in der ersten Klasse
die Blutkörperchen, Schleimkörperchen u. s. w. waren.


Neue Veränderungen in der Form der Zellen haben
wir in dieser Klasse nicht gefunden. Die meisten Zellen
hatten eine eckige, der runden sich nähernde Form, und
auſserdem waren die sternförmigen Zellen sehr hänfig, in-
sofern man nämlich die Knochenkörperchen als solche
betrachten darf (s. oben S. 34 u. 115). Einzelne Zellen,
die sich besonders in der Länge ausdehnten, fanden sich
in der Nähe der Oberfläche vieler Knorpel, wo sie als
langgestreckte Knorpelkörperchen bekannt sind, doch
kommt dies hier nie in dem Grade vor, wie in der vori-
gen Klasse z. B. bei der Krystalllinse. Die Faserknorpel
dagegen bilden den unmittelbaren Uebergang dieser Klasse
zur folgenden, indem hier, wie es scheint, aus jedem
Knorpelkörperchen sich eine Parthie Fasern bildet, ein
Proceſs, den wir in der folgenden Klasse am Zellgewebe
näher betrachten werden.


Die Bildung der Zellen um den vorher existirenden
Kern und ihr allmähliches Wachsthum wurde hier wie
in mehreren Gebilden der vorigen Klasse gefunden, und
zwar bildeten sich die eigentlichen Knorpelzellen um einen
Cytoblasten, der auſser den schon vorhandenen Zellen
liegt. Dagegen findet auch innerhalb der eigentlichen
Knorpelzellen eine Bildung von Zellen Statt, die aber
wahrscheinlich eine von den eigentlichen Knorpelzellen
verschiedene Bedeutung haben. In Bezug auf den Ort,
wo die jungen Zellen sich bilden, relativ zu dem ganzen
Gewebe, schien eine Verschiedenheit von der vorigen
Klasse Statt zu finden. Dort bildeten sich nämlich, so
viel erkennbar, die jungen Zellen nur da, wo das Gewebe
unmittelbar mit der organisirten Substanz in Berührung
ist. Bei den Knorpeln fand auch die Bildung der neuen
Zellen zwar nicht in der ganzen Dicke des Gewebes, son-
9
[130] dern, wenigstens so lange der Knorpel selbst noch
nicht mit Gefäſsen versehen ist, nur in der Nähe der
Oberfläche, also ebenfalls da, wo er in Berührung mit der
organisirten Substanz ist, aber doch nicht bloſs an der
Stelle der unmittelbaren Berührung, sondern auch zwi-
schen den jüngst gebildeten Zellen Statt, gerade so, als
ob der Knorpel eine gröſsere Imbibitionsfähigkeit hätte, so
daſs das aus den Blutgefäſsen ins Parenchym dringende
Cytoblastem schneller in die Tiefe des Gewebes gelangt,
und daher selbst hier noch seine frische plastische Kraft
hat, oder als ob der Knorpel selbst eine höhere Vitalität
hätte, und daher auch das aus den Blutgefäſsen eben so
langsam, wie in der vorigen Klasse, eindringende Cyto-
blastem doch hier seine produktive Kraft länger behielte.


So wenig mannichfaltig die Formmodifikationen der
Zellen im Vergleich mit der vorigen Klasse sind, so kom-
men doch hier zwei auffallende Veränderungen an den
Zellen und ihrem Cytoblastem vor, nämlich die Verschmel-
zung der Zellenwände und die Verknöcherung. Die Ver-
dickung und Umwandlung der Zellenwände waren in der
vorigen Klasse, z. B. an den Federn, schon sehr deutlich.
Hier findet an mehreren Knorpelzellen noch eine stärkere
Verdickung der Zellenwände Statt. Allmählig verschwin-
den dann aber die äuſseren Konturen dieser Wände, und
es tritt eine solche Verschmelzung ein, daſs man nur die
Zellenhöhlen in einer gleichartigen Substanz liegend er-
kennt. Die Verschmelzung der Zellenwände findet ent-
weder mit den benachbarten Zellenwänden, wenn sich
die Zellenwände unmittelbar berührten, oder mit der In-
tercellularsubstanz Statt, wenn die Zellen von dieser
rings umgeben waren. Ob diese Verschmelzung wirk-
lich vollständig ist, so daſs sie gar nicht aufgehoben wer-
den kann, bedarf einer weiteren Untersuchung, und That-
sache ist bloſs, daſs die Zellenwände mikroskopisch nicht
mehr unterscheidbar bleiben. Ich will die Trennung der
Zahnfasern hier nicht als Beispiel anführen, und in diesem
Resumée überhaupt auf die Zähne nicht Rücksicht neh-
[131] men, da ihre Deutung noch zu problematisch ist. Es
wurde aber schon erwähnt, daſs es noch zweifelhaft ist,
ob wirklich bei allen Knorpelzellen, namentlich der höhe-
ren Thiere, eine Verschmelzung der Wände Statt findet.


Die Verknöcherung scheint vorzugsweise, vielleicht
ausschlieſslich, an den Knorpeln vorzukommen, bei denen
eine gröſsere Menge Intercellularsubstanz vorhanden ist.
Sie besteht wahrscheinlich in einer chemischen Verbindung
der Kalkerde mit dem festen Theile der Knorpelsub-
stanz. Der Knorpel erhält dabei Anfangs oft ein körniges
Ansehen, welches später verschwindet, indem allmählig
die ganze Substanz dunkel wird. Dabei findet gleich-
zeitig eine Umwandlung der Knorpelzellen in die Kno-
chenkörperchen Statt, ein Proceſs, der aber in seinen ein-
zelnen Momenten nicht verfolgt wurde, und entweder nach
Analogie der Bildung von Porenkanälchen bei den Pflan-
zen, oder nach Analogie der sternförmigen Pigmentzellen
bei den Thieren erklärt werden kann. Wahrscheinlich
werden bei der Verknöcherung zuletzt auch die Knochen-
körperchen und die davon ausgehenden Kanälchen mit
Kalkerde gefüllt.


Die jetzt abgehandelte Klasse hat für uns noch be-
sonderes Interesse, weil sie die erste ist, worin organi-
sirte, d. h. mit Gefäſsen versehene Gebilde vorkommen.
Man könnte die Uebereinstimmung der Elementarzellen in
nicht organisirten thierischen Geweben mit den Pflan-
zenzellen zugeben, ohne einen Zusammenhang der organi-
sirten Gewebe, welche gerade das für die Thiere Charak-
teristische sind, mit der Pflanzenstruktur einzuräumen.
Man machte von jeher einen Unterschied in dem Wachs-
thum der organisirten und nicht organisirten Gebilde, und
es wurde schon vielfach im Allgemeinen von einem pflanz-
lichen Wachsthum der gefäſslosen Gebilde gesprochen, na-
mentlich in Bezug auf die Krystalllinse, wenn auch die
Analogie der Elementartheile beider nicht nachgewiesen
war. Die Knorpel lehren uns nun zuerst, daſs auch ein
Gewebe, welches wenigstens in späterer Periode Gefäſse
9*
[132] enthält, aus Zellen besteht, die in ihrer Entwickelung voll-
kommen mit den Pflanzenzellen übereinstimmen, daſs also
diesen organisirten Geweben ein gleiches Bildungsprincip,
wie den nicht organisirten, zu Grunde liegt. Wir werden
dasselbe bei den folgenden Klassen sehen, welche die übri-
gen und zwar die am vollständigsten organisirten und für
den thierischen Organismus wichtigsten Gewebe enthalten.
Auch hier werden wir die Zellenbildung als Entwicklungs-
princip, und die Elementartheile dieser Gewebe als Her-
vorbildungen aus Zellen erkennen, obgleich man auf den
ersten Blick kaum eine Gemeinschaft derselben mit Zel-
len ahnen kann.


IV. Klasse.
Faserzellen oder Gewebe, die aus Zellen ent-
stehen, welche sich in Faserbündel fortsetzen
.


In erwachsenen Thieren unterscheidet man in den Ge-
weben dieser Klasse bloſs Fasern als die Elementarge-
bilde. Untersucht man aber die Entstehung dieser Gewebe,
so sieht man, daſs die Fasern nur als Fortsetzungen von
Zellen sich bilden, und zwar setzt sich eine Zelle gewöhn-
lich nach zwei entgegengesetzten Seiten hin fort, entweder
unmittelbar in ein Büschel von Fasern, oder in eine Fa-
ser, die später erst in viele sehr feine Fasern zerfällt.
Hierin liegt das Charakteristische dieser Klasse. Den Ty-
pus der Verlängerung der Zellen in Fasern haben wir
bisher schon mehrmals beobachtet, z. B. bei den Pigment-
ramifikationen, Knochenkörperchen u. s. w. Die hier zu
betrachtenden Zellen unterscheiden sich von jenen da-
durch, daſs die aus Einer Zelle entstehenden Fasern ge-
wöhnlich in Bündeln zusammenliegen, und daſs es an die-
sen Verlängerungen der Zellen hauptsächlich die Wand
[133] ist, welche sich stärker entwickelt, während die frühern in
Fasern sich fortsetzenden Zellen hauptsächlich durch die
Höhlen sich kennbar machten. Hierher gehören das Zell-
gewebe, Sehnengewebe und elastische Gewebe.


1) Zellgewebe.

Bekanntlich besteht das Zellgewebe aus äuſserst fei-
nen, zähen, glatten Fasern von blasser Kontur, die sowohl
nach der Praeparation, als auch, wie man am Mesenterium
ohne Praeparation sieht, im natürlichen Zustande gewöhn-
lich geschlängelt verlaufen. Der gröſste Theil des Zell-
gewebes läſst sich durch gewaltsames Lufteinpressen auf-
blasen, und man sieht dann zahllose, mit einander kom-
munizirende Zellenräume darin, von denen man nicht
weiſs, ob sie Kunstprodukt sind oder schon vorgebildet
waren. Auſserdem enthält auch das Zellgewebe oft Fett-
bläschen, die, nach Gurlt, von einem dünnen durchsich-
tigen, nicht faserigen Häutchen umgeben sind, oft eine
sechseckige Form haben und hierin dem Pflanzengewebe
ähnlich sind (Gurlt’s Physiologie der Haussäugethiere
S. 19). Um nun das Verhältniſs dieser Bestandtheile des
Zellgewebes zu den Elementarzellen kennen zu lernen,
muſs man auf die Entstehung des Zellgewebes beim Fö-
tus zurückgehen.


Untersucht man das Zellgewebe z. B. am Halse oder
aus der Tiefe der Augenhöhle eines 3½ Zoll langen
Schweinefötus, so erkennt man dasselbe als eine gallert-
artige Substanz, etwas konsistenter als der Glaskörper
des Auges, im frühesten Zustande eben so durchsichtig,
mit der fortschreitenden Entwicklung aber immer mehr
weiſslich werdend und von seiner gallertartigen Beschaf-
fenheit verlierend. Bei der mikroskopischen Untersuchung
sieht man darin mehr oder weniger zahlreiche kleine Kör-
perchen verschiedener Art, die jedoch bei einem Fötus
des angegebenen Alters nicht zahlreich genug sind, um die
ganze gallertartige Substanz zu bilden, sondern sich noth-
[134] wendig in einer durchsichtigen strukturlosen Ursubstanz
von gallertartiger Beschaffenheit, die wir vorläufig schon
Cytoblastem nennen wollen, befinden müssen. Je weiſser
die Zellgewebegallerte dem bloſsen Auge erscheint, um so
gröſser ist die Zahl der darin enthaltenen Körperchen, die
daher bei der Entwicklung immer mehr zunimmt, während
sich das Cytoblastem immer mehr vermindert. Da das
Cytoblastem an und für sich seiner Durchsichtigkeit hal-
ber nicht erkennbar ist, sondern nur daraus geschlossen
wird, daſs die mikroskopisch sichtbaren Körperchen, so
lange sie noch selten sind, nicht die ganze Gallerte bilden
können, und daſs sie, wenn man sie bewegt, sich durch ein
unsichtbares Band zusammenhängend zeigen, so kann man
sich nicht mehr von der Existenz dieses Cytoblastems
überzeugen, wenn die Körperchen sehr zahlreich sind.
Wahrscheinlich bleibt es aber zwischen den Zellgewebe-
fasern durch das ganze Leben. Am meisten vorwaltend,
daher auch am deutlichsten nachweisbar, ist dies Cyto-
blastem in der zwischen Chorion und Amnion gelegenen
Gallerte bei etwas älteren Schweinefötus, wo man es
durch Färbung mit Jodine am Rande des Präparats deut-
lich sichtbar machen kann. Eben so evident ist es in
dem Zellgewebe junger Froschlarven. Durch das Ausein-
anderziehen erhält es zuweilen ein undeutlich faseriges
Ansehen; aber man darf daraus nicht auf eine faserige
Struktur schlieſsen, da jeder zähe Stoff auf diese Weise
ein faseriges Ansehen erhält. Da in dem Cytoblastem die
Zahl der Körperchen bei der Entwicklung immer mehr
zuuimmt, so scheint das Cytoblastem als das Primäre be-
trachtet werden zu müssen, so zwar, daſs zuerst etwas
Cytoblastem da ist, in dem dann jene Körperchen entste-
hen, zugleich aber wieder neues Cytoblastem gebildet wird,
in dem sich dann ebenfalls neue Körperchen erzeugen,
während zugleich in dem früher vorhandenen die Bildung
von Körperchen fortschreitet.


Von diesen Körperchen kann man bei Säugethier-
embryonen drei Arten unterscheiden, von denen sich die
[135] erste Art am frühesten beim Fötus und auch in jedem
Zellgewebe entwickelt, die anderen aber später und, wie
es scheint, nicht in allem Zellgewebe entstehen. Wir wol-
len daher die erste, allein wesentliche Art: eigentliche
Zellgewebekörperchen, oder nach ihrer bald zu erörtern-
den Bedeutung: Faserzellen des Zellgewebes nennen; die
zweite Art sind die Fettzellen; die dritte Art bilden runde
Zellgewebezellen, deren Bedeutung ich noch nicht be-
stimmt habe ermitteln können.


a. Eigentliche Zellgewebekörperchen oder Faserzellen
des Zellgewebes. Das Zellgewebe befindet sich nicht in allen
Theilen desselben Fötus auf derselben Entwicklungsstufe.
Bringt man etwas Zellgewebe von einer mittlern Entwicklungs-
stufe etwa vom Halse eines 4—7 Zoll langen Schweine-
fötus unter das Mikroskop, so sieht man darin eine Menge
Körperchen von verschiedener Form. Die gröſste Mehr-
zahl aber sieht aus wie in Tab. III. Fig. 6 a, nämlich es sind
spindelförmige oder längliche Körperchen, die in der Mitte
am dicksten sind und nach ihren beiden Enden sich in
feine Fasern allmählig verlängern. Man kann also daran
den dickern Theil oder den Körper und die davon aus-
gehenden Fasern unterscheiden.


Der Körper ist entweder rund oder seitlich ein we-
nig zusammengedrückt. Seine Oberfläche ist sehr fein-
körnig. In seinem Innern und zwar an der dicksten Stelle
liegt ein anderes kleines Körperchen von runder oder ge-
wöhnlich ovaler Form, welches in sich noch ein oder
zwei kleine dunkle Punkte enthält und durchaus mit den
gewöhnlichen Zellenkernen übereinstimmt. Es wird schon
dadurch wahrscheinlich, daſs das ganze Körperchen eine
Zelle ist mit einem darin enthaltenen Zellenkern. Die
Kerne sind nicht in allen Zellen von gleicher Gröſse,
noch gröſser aber ist der Unterschied in der relativen
Gröſse der Zelle zum Kern. Bei den gröſsten, wie die
Zelle a, ist der Körper in der Zelle fast noch einmal so
dick als der Kern, und dann kann man unterscheiden, daſs
[136] der Kern nicht in der Mitte, sondern an der Wand der
Zelle liegt, wie die Figur zeigt. Gewöhnlich sind aber
die Zellen relativ kleiner und kaum etwas gröſser als der
Kern, und dies geht so weit, daſs oft die Fasern fast un-
mittelbar vom Kern zu kommen scheinen, z. B. b der
Figur; die Zelle umschlieſst hier den Kern ganz dicht.
Oft trennen sich Zellen beim Präpariren und schwimmen
mit einem Stück der davon ausgehenden Fasern frei im
Wasser herum. Man kann dann, indem man sie rollen
läſst, sich überzeugen, daſs viele seitlich etwas abgeplattet
sind, und daſs der Kern an der Wand innerhalb der Zelle
liegt. Bei den gröſsern hat es dann das Ansehen, als ob
das Körnige nur durch die äuſsere Wand, also durch die
Zellenmembran hervorgebracht würde, das Innere aber
eine klare Flüssigkeit sei.


Die Zellen gehen trichterförmig durch allmählige Zu-
spitzung in die Fasern über, und es ist durchaus keine
scharfe Grenze zu bemerken. Die Fasern sind blaſs, eben-
falls feinkörnig und geben oft Aeste ab. Ihr Verlauf ist
im Allgemeinen gerade. Ihr Ende ist schwer zu erkennen;
gewöhnlich verlieren sie sich zuletzt in ein Büschel äu-
ſserst feiner Fasern.


Die hier beschriebenen Körperchen sind nun die Fa-
serzellen des Zellgewebes auf einer mittlern Entwicklungs-
stufe, welche zunächst bei der Untersuchung von Fötal-
zellgewebe auffallen. Wir wollen nun die frühern und
dann auch die spätern Entwicklungsstufen betrachten.
Auſser diesen Körperchen sieht man nämlich in sehr jun-
gem Zellgewebe noch andere, die sich nicht in Fasern
verlängern, sondern mehr oder weniger rund sind. Sie
sind körnig und enthalten in sich einen Zellenkern mit
Kernkörperchen, und da alle Uebergangsstufen zu jenen
in Fasern sich verlängernden Zellen vorkommen, so muſs
man sie als die unentwickelten Faserzellen betrachten. In
Tab. III. Fig. 6 sind verschiedene Formen derselben dar-
gestellt. Ich will nicht behaupten, daſs alle runden Zel-
len im Fötalzellgewebe junge Faserzellen sind; wir wer-
[137] den vielmehr weiter unten andere runde Zellen des Zell-
gewebes kennen lernen, die keine Faserzellen sind. Von
diesen lassen sich die jungen Faserzellen nur dann un-
terscheiden, wenn bei ihnen die Zuspitzung schon begon-
nen hat; im frühesten Zustande, wo die Zellen noch ganz
rund sind, sind fast alle Zellen indifferent. Ob diese Zellen
sich um den vorher existirenden Kern bilden, ist schwer mit
Bestimmtheit zu ermitteln; es ist aber wahrscheinlich, da
man keine Zellen ohne Kern, wohl aber viele Kerne ohne
Zellen sieht.


Wir haben also bis jetzt folgende Resultate über den
Entwicklungsgang des Zellgewebes gewonnen. In dem
strukturlosen gallertartigen Cytoblastem des Zellgewebes
bilden sich zuerst kleine runde Zellen wahrscheinlich um
den vorher existirenden Kern. Diese mit dem charakte-
ristischen Kern versehenen Zellen spitzen sich nach zwei
entgegengesetzten Richtungen hin zu, und diese Spitzen
verlängern sich in Fasern, die zuweilen Aeste abgeben
und zuletzt in Bündel äuſserst feiner Fasern zerfallen,
die Anfangs nicht deutlich einzeln unterschieden werden
können. Die weitere Entwicklung besteht nun darin, daſs
das Zerfallen der beiden vom Zellenkörper ausgehenden
Hauptfasern in ein Bündel feinerer Fasern immer mehr
gegen den Zellenkörper fortrückt, so daſs später vom
Zellenkörper unmittelbar ein Faserbündel ausgeht (s. Tab. III.
Fig. 7), daſs die Zerfaserung noch später unmittelbar am
Zellenkern beginnt, endlich der Zellenkörper ganz in Fa-
sern zerfällt und der Kern nun bloſs auf einem Faserbün-
del liegt. Zugleich entwickeln sich die Fasern dabei so,
daſs sie glatt, einzeln deutlich unterscheidbar werden und
ihren geschlängelten Verlauf annehmen, kurz daſs sie das
Ansehen gewöhnlicher Zellgewebefasern erhalten (s. die
Figur). Indem die Zerfaserung von beiden Seiten gegen
den Zellenkern hin fortrückt, bleiben in der Nähe dieses
die Fasern am längsten mit einander verbunden, bis zu-
letzt auch dieser Theil faserig wird. Der Kern bleibt
dann noch eine Zeit lang auf dem Faserbündel liegen und
[138] wird endlich resorbirt, so daſs wir nun statt der ursprüngli-
chen Einen Zelle ein Faserbündel haben. Die Figur stellt
eine Zelle mit einem Kern dar, welche sich nach oben
in die charakteristischen, einzeln unterscheidbaren Zellge-
webefasern verlängert, und wo der Zellenkörper nach
oben anfängt, in Fasern zu zerfallen; in der Verlängerung
nach unten läſst sich nicht unterscheiden, ob schon ein-
zelne Fasern da sind, zu einem Strange vereinigt, oder
ob es noch eine einfache Verlängerung der Zelle ist.


Es fragt sich nun: wie hat man sich diese Processe
zu denken, die Verlängerung der Zellen in Fasern und
das Zerfallen der Fasern und später auch des Zellenkör-
pers in feinere Fasern? Eine Verlängerung von Zellen
in Fasern haben wir schon früher mehrmals beobachtet
und bei den sternförmigen Pigmentzellen genauer verfolgt.
Hier bei den Faserzellen des Zellgewebes ist der Unter-
schied bloſs der, daſs die Verlängerung gewöhnlich nur
nach zwei entgegengesetzten Richtungen vor sich geht,
was auch sehr häufig bei Pigmentzellen vorkommt, wäh-
rend umgekehrt auch beim Zellgewebe oft Zellen sich nach
mehreren Seiten in Fasern verlängern, z. B. Tab. III. Fig. 8.
Die Form mancher Zellgewebe- und Pigmentzellen ist oft
auffallend ähnlich, z. B. Tab. III. Fig. 6 a und Tab. II. Fig.
8 e. Der Analogie nach sollte man nun diese Fasern
auch für hohl halten, allein da der Zelleninhalt hier nicht
so charakteristisch ist, wie bei den Pigmentzellen, so kann
bei der Feinheit der Faser die etwa existirende Höhle der
Faser nicht in die Beobachtung fallen; man kann daher
aus dem Ansehen der Fasern weder etwas für, noch ge-
gen das Hohlsein der Fasern beweisen. Da wir aber
schon viele, äuſserst feine, hohle Fortsetzungen von Zel-
len kennen, und auch bei dem Zellgewebe der Uebergang
der Zellen in die Fasern durch allmählige Zuspitzung ge-
schieht, so scheint mir für jetzt das Hohlsein der Fasern
wahrscheinlicher als ihre Solidität. Wenn man sich nun
das Hervorwachsen der Hauptfasern aus Einer Zelle nach
der Weise vorstellen kann, daſs an zwei entgegengesetz-
[139] ten beschränkten Stellen die Zellenwand stärker wächst,
als an den übrigen Stellen, so kann man sich auf dieselbe
Weise die Entstehung der Aeste dieser Hauptfaser und
ihre Verlängerung in feinere Fasern denken. Ob auch diese
hohl oder solid sind, kann noch weniger Gegenstand der
Beobachtung sein. Die Analogie spricht für ihr Hohlsein,
und die Kleinheit der Gegenstände setzt dem Wirken der
Natur keine Grenze.


Die von den Aesten gegen die Hauptfaser und gegen
den Zellenkörper rückwärts schreitende Zerfaserung kann
man sich etwa so vorstellen: Man denke sich an einem
Handschuh den der Hand entsprechenden Theil als Zellen-
körper, die Finger des Handschuhs als ein Faserbündel.
Wächst nun in der Spitze des Winkels zwischen zwei
Fingern die Membran gegen die Hand hin fort, so wird
zuletzt der Handschuh in fünf Fasern zerfallen. Bei den
Faserzellen des Zellgewebes kommt aber noch die Schwie-
rigkeit hinzu, daſs die Zerfaserung von zwei entgegenge-
setzten Seiten hin gegen den Zellenkörper fortrückt und
zuletzt eine Faser auf der einen Seite einer andern auf
der entgegengesetzten Seite entsprechen muſs. Dies läſst
sich aber eben so wenig weiter erklären, als bei der Re-
production der Nerven das Zusammenheilen der entspre-
chenden Primitivfasern. Dies sind indessen alles nur Ver-
suche, sich die Resultate der Beobachtung deutlich vorzu-
stellen, Vorstellungsweisen, die mannichfache Aenderungen
erleiden können, wenn sie nur nicht in Widerspruch mit
den Beobachtungen fallen, und diese sind, um es kurz zu
wiederholen, folgende: Es sind zuerst mit dem charakte-
ristischen Kern versehene Zellen da, welche sich nach
zwei entgegengesetzten Seiten, seltener nach mehreren Sei-
ten hin in Fasern verlängern, die sich in feinere Fasern
fortsetzen. Später zeigen sich die Hauptfasern und end-
lich auch die Zellenkörper in feinere Fasern zerfallen, so
daſs statt der ursprünglichen Einen Zelle ein kleines Fa-
serbündel mit einem darauf sitzenden Kern übrig bleibt.
Zuletzt verschwindet auch der Kern und die Fasern sind
[140] allein übrig. Alle diese Veränderungen gehen vor sich
innerhalb eines structurlosen Cytoblastems, welches wahr-
scheinlich auch im Erwachsenen zwischen den Zellgewebe-
fasern noch vorhanden ist.


b. Fettzellen. Auſser den erwähnten Faserzellen kom-
men an vielen Stellen in den späteren Perioden des Fötallebens
Fettzellen vor. Sie erscheinen gewöhnlich erst in kleinen
Gruppen zwischen den Faserzellen. Es sind runde Zellen von
sehr verschiedener Gröſse, welche gewöhnlich von Einem
Fetttropfen ganz ausgefüllt werden. Die Zellenmembran,
die diesem dicht anliegt, ist äuſserst feinkörnig oder,
nach Gurlt, structurlos. Gewöhnlich ist sie sehr dünn,
etwa halb so dick als ein Blutkörperchen, manchmal ist
sie viel dicker, und am Unterhautzellgewebe des Schen-
kels eines einjährigen rhachitischen Kindes mochte sie
(vielleicht im Zusammenhange mit der Krankheit?) bei-
nahe so dick sein wie die Breite eines menschlichen Blut-
körperchens. Im früheren Zustande liegt nun innerhalb
dieser Zellenmembran ein sehr deutlicher Zellenkern
von runder oder ovaler Form, bald abgeplattet, bald nicht.
Ist die Zellenmembran dünn, so erhebt er sie in ein Hü-
gelchen über den runden, von der Zellenmembran dicht
umschlossenen Fetttropfen nach auſsen hervor; ist die
Zellenmembran dick, so liegt er ganz in ihrer Dicke. Er
enthält ein oder zwei Kernkörperchen. Nicht selten ent-
hält eine Fettzelle statt Eines Fettropfens eine Menge
kleiner Fetttröpfchen, unter denen sich aber gewöhnlich
Eines durch seine Gröſse besonders auszeichnet. Am
schönsten sieht man die Fettzellen in dem in der Schä-
delhöhle einer jungen, noch nicht 6 Zoll langen, Plötze
liegenden Fette (s. Tab. III. Fig. 10). Hier liegen die Fett-
zellen in einer so weichen Substanz, daſs sie sich ohne
Schwierigkeit isoliren lassen und frei im Wasser herum-
schwimmen. Sie sind zum Theil so groſs, daſs sie schon
mit bloſsem Auge sichtbar sind. Man glaubt dann aber
[141] nur ein rundes Fetttröpfchen zu sehen. Unter dem Mi-
kroskop, bei 450facher Vergröſserung, erkennt man aber
bald die Zellenmembran, welche sehr dünn ist und den
Fetttropfen dicht umschlieſst. An der einen Seite erhebt
sie sich in ein kleines Hügelchen, und in diesem liegt ein
verhältniſsmäſsig groſser, sehr schöner Zellenkern, der
oval, nicht abgeplattet ist und ein oder zwei sehr distincte
Kernkörperchen enthält. Einige dieser Fettzellen haben
zwei solcher Kerne, die sich ganz gleich verhalten und
beide die Zellenmembran in ein Hügelchen emporheben.
Preſst man eine solche Zelle unter dem Kompressorium,
so dehnt sich die Zellenmembran Anfangs bedeutend aus,
reiſst dann an einer sehr beschränkten Stelle und läſst
das Fett ausflieſsen. Hört der Druck auf, so zieht sie
sich wieder stark zusammen. Sie hat ein feinkörniges
Ansehen, ist nicht faserig, weich und sehr elastisch.


Liegen die Fettzellen dicht zusammen, so platten sie
sich gegen einander zu polyedrischen Formen ab und
gleichen dann auch, wie Gurlt bemerkt, in ihrem Ansehen
den Pflanzenzellen. Wir dürfen sie aber auch jetzt in ih-
rer Bedeutung diesen parallel stellen. Das Fett ist hier
der Zelleninhalt, wie es bei den Pigmentzellen das Pigment,
bei den Pflanzenzellen ätherisches Oel u. s. w. ist. In
seiner physiologischen Bedeutung als Nahrungsdepositum
entspricht es dem Stärkemehl am meisten. Ob bei den
Fettzellen der Kern das Primäre ist, weiſs ich nicht. In
der Schädelhöhle einer Plötze liegen, auſser den Fettzel-
len, in dem umliegenden Cytoblastem noch bloſse Zellen-
kerne; sie können aber auch Kerne zu den Faserzellen
des Zellgewebes sein. Später werden die Kerne resor-
birt und zwar bald früher, bald später. An dem oben er-
wähnten rhachitischen Kinde, welches etwa ein Jahr alt
war, waren die Kerne der Fettzellen im Unterhautzellge-
webe des Schenkels noch sehr deutlich, während ich am
Halse eines siebenmonatlichen Fötus keine Kerne mehr
an den Fettzellen finde. Bei der Resorption der Kerne
werden entweder seine äuſseren Konturen allmählig un-
[142] deutlich und es bleibt nur etwas körnige Substanz an sei-
ner Stelle zurück, die auch zuletzt verschwindet, oder es
bilden sich sowohl innerhalb des Kerns selbst als in sei-
ner nächsten Umgebung kleine Fetttropfen, die immer
mehr zunehmen, während der Kern allmählig verschwin-
det. Die Zellenmembran bleibt wahrscheinlich auch noch
im erwachsenen Zustande, und sehr interessant ist die
Beobachtung von Gurlt, daſs bei abgemagerten Personen
die gewöhnlichen Fettzellen mit Serum gefüllt sind.


c. Die dritte Art der im Fötalzellgewebe vorkom-
menden Zellen bilden runde, meistens äuſserst blasse,
durchsichtige Zellen (Tab. III. Fig. 9). Sie sind von sehr
verschiedener Gröſse, die meisten viel gröſser als die Fa-
serzellen, bis zu der Gröſse der gröſsten Fettzellen. Man
sieht sie oft nur bei dem günstigsten Licht, dann aber,
wenn man einmal eine gefunden hat und den Grad ihrer
Durchsichtigkeit kennt, in sehr groſser Zahl. Sie haben
einen deutlichen, an ihrer inneren Wandfläche liegenden
Kern, der ein oder zwei Kernkörperchen enthält. Dieser
fällt immer zuerst auf, die ihn umgebende Zelle ist ent-
weder ganz durchsichtig, körnerlos oder hat einen körni-
gen Inhalt, und zwar tritt dieser körnige Niederschlag
zuerst in der Nähe des Kerns ein, während der übrige
Inhalt noch durchsichtig ist (s. die Figur). Allmählig
scheint der ganze Inhalt körnig zu werden. Sie unter-
scheiden sich von den Faserzellen des Zellgewebes da-
durch, daſs sie bei weitem gröſser werden und sich nicht
in Fasern verlängern, von den Fettzellen dadurch, daſs sie
kein Fett enthalten. Ich habe sie im Zellgewebe aus der
Tiefe der Augenhöhle und vom Halse bei Schweinefötus
gefunden, und weiſs nicht, ob sie allgemein im Zellge-
webe vorkommen. Ihre Bedeutung ist mir unbekannt.
Man könnte sie für die durch Aufblasen im Zellgewebe
zu erhaltenden Zellen halten. Sie müſsten dann bei ihrer
weiteren Entwicklung mit einander in Kommunikation tre-
ten. Allein dies scheint mir etwas unwahrscheinlich; jene
[143] Räume können sehr wohl bloſses Kunstprodukt sein. Eher
möchte ich sie für eine Modifikation der Fettzellen hal-
ten. So wie nämlich nach Gurlt beim Erwachsenen die
gewöhnlichen Fettzellen bloſs wässerige Flüssigkeit enthal-
ten können, so kann man sich auch vorstellen, daſs die
zur Fettbildung bestimmten Zellen sich vollständig ent-
wickeln, ohne daſs es zur wirklichen Fettbildung in ihnen
kommt. Es giebt zwar Fettzellen, die schon im jüngsten
Zustande Fett enthalten, allein dies hindert nicht, daſs
nicht in anderen Zellen die Fettbildung viel später er-
folgt. Man könnte den körnigen Niederschlag in vielen
dieser Zellen als Uebergangsstufe zur Fettbildung be-
trachten.


Das Zellgewebe des Fötus ist chemisch verschieden
vom Zellgewebe des Erwachsenen, indem es beim Kochen
keinen Leim, wenigstens keinen gelatinirenden Leim giebt.
Von einem 4 Zoll langen Schweinefötus wurde die Haut
abgezogen, etwas zerhackt und einen Tag lang mit destil-
lirtem Wasser ausgewaschen. Darauf wurde sie 24 Stun-
den gekocht. Sie zerfiel dabei in kleine Stückchen, welche
die Flüssigkeit trübten, und auſserdem schwammen groſse
Epidermislamellen darin. Mikroskopisch untersucht zeigte
die Epidermis dieselbe Struktur, wie vor dem Kochen;
auch die Kerne in den einzelnen Zellen waren deutlich.
In der Flüssigkeit schwammen eine Menge Faserzellen,
wie sie im frischen Zustande die ganze Cutis zusammen-
setzen, nämlich längliche Körperchen, die sich an ihren
beiden Enden in ziemlich lange Fasern fortsetzen. In ein-
zelnen konnte sogar der Zellenkern noch deutlich unter-
schieden werden. Diese Faserzellen mit den davon aus-
gehenden Fasern waren also durch das Kochen nicht auf-
gelöst, wohl aber das bindende Cytoblastem, wodurch sie
im frischen Zustande zusammengehalten werden. Die
Flüssigkeit wurde filtrirt. In dem Filtrat brachte Essig-
säure einen Niederschlag hervor, der durch überschüssige
Säure nicht wieder verschwand. Alaunauflösung erzeugte
in dem Filtrat einen viel stärkeren Niederschlag, der eben-
[144] falls in überschüssigem Alaun sich nicht, wenigstens nicht
vollständig wieder auflöste. Galläpfeltinktur erzeugte eine
starke Trübung, Weingeist nur eine schwache. Salzsäure
trübte die Flüssigkeit, und sie wurde auch durch über-
schüssige Salzsäure nicht wieder klar. Diese Reaktionen
stimmen überein mit dem, was Güterbock Pyine genannt
hat, nur daſs bei der letzteren die Trübung durch Salzsäure
durch überschüssige Salzsäure wieder aufgehoben wurde. Ein
Theil des Filtrats wurde nicht ganz zum Trocknen ab-
gedampft, aber selbst nach 24 Stunden war keine Spur
des Gelatinirens zu bemerken. Um die wahrscheinlich noch
sehr verschiedenen Bestandtheile dieses Filtrats einiger-
maſsen zu isoliren, wurde die stark abgedampfte Flüssig-
keit durch Zusatz von absolutem Alkohol gefällt, wodurch
ein starker Niederschlag entstand. Dieser wurde durch Fil-
triren und Auswaschen zuerst mit absolutem Alkohol, dann
mit 80 procentigem Weingeist gesondert, getrocknet und
in kochendem Wasser wieder aufgelöst. In dieser Auflö-
sung brachten Essigsäure und Alaun Niederschläge hervor,
die sich in dem überschüssig zugesetzten Fällungsmittel
nicht wieder auflösten. Auch gegen Salzsäure verhielt sich
die Auflösung wie oben.


Daſs das Zellgewebe des Fötus verschieden ist vom
Zellgewebe des Erwachsenen, kann gar nicht befremden,
wenn man weiſs, daſs viele Zellenmembranen auf ihren
verschiedenen Entwicklungsstufen sich chemisch verändern
und das Wachsthum der Zellen keine bloſse mechanische
Ausdehnung ist.


Bevor wir das Zellgewebe verlassen, müssen wir noch
einige Processe betrachten, bei denen auch im Erwachse-
nen eine neue Bildung von Zellgewebe vorkommt. Wenn
die Zellenbildung, wie ich schon in meinen ersten Auf-
sätzen (Froriep’s Notizen 1838 Nr. 91, 103 u. 112)
den Grundsatz aufstellte, wirklich das Entwicklungsprincip
aller organischen Gebilde ist, so muſste dasselbe auf pa-
thologische Processe nicht weniger als auf physiologische
seine Anwendung finden. In der That zeigte sich dies
[145] auch in den Untersuchungen, die Dr. Henle darüber in
Bezug auf die neuen Productionen bei der Entzündung,
nämlich Exsudation, Eiterung und Granulation anstellte.
Er hat die Resultate bereits in Hufeland’s Journal Bd.
LXXXVI. Nr. 5 mitgetheilt.


Vogel hatte die Eiterkörperchen wegen ihrer Aehn-
lichkeit mit Epitheliumzellen für Epithelium erklärt, und
dies hatte viel Wahrscheinliches, so lange es schien, daſs
jeder Verschiedenheit der physiologischen Bedeutung eines
Elementargebildes eine erkennbare Verschiedenheit der
Bildung zu Grunde liege. Dieser Schluſs verlor aber seine
Kraft, als ich die Zellenbildung als gemeinsames Entwick-
lungsprincip physiologisch ganz verschiedener Elementarge-
bilde aufstellte und zeigte, daſs die verschiedensten Gewebe
aus Anfangs ganz ähnlichen, ihrem Ansehen nach indiffe-
renten
und der Bedeutung ihrer einzelnen Theile nach glei-
chen Zellen sich entwickeln. Henle wies aber auch einen po-
sitiven Unterschied zwischen den Epitheliumzellen und Ei-
terkörperchen nach, indem er fand, daſs die Kerne der
jüngsten Epitheliumzellen durch Essigsäure nicht zerfallen,
wie die Kerne der Eiterkörperchen. Die Eiterkörperchen
muſsten also als eigenthümliche Zellen betrachtet werden,
die sich in dem Eiterserum auf dieselbe Weise entwickeln,
wie alle anderen Zellen in ihrem Cytoblastem entstehen.
Das Cytoblastem ist hier nur flüssig. Unter dem Eiter
liegen nun bei heilenden Wunden die Granulationen,
welche aus einem festen Cytoblastem bestehen, in dem
eine Menge von Zellen liegen. Henle beschreibt ihre
mikroskopische Beschaffenheit auf folgende Weise: „In der
obersten Schichte kommen Zellen vor, die den Eiterkörn-
chen gleichen, deren Kerne aber nicht durch Essigsäure
zerfallen. In einer etwas tiefern Lage ist der Kern sehr
deutlich, ihre Schaale durch gegenseitigen Druck polygo-
nal. Wood hat bereits auf ihre Aehnlichkeit mit den Epi-
pitheliumzellen aufmerksam gemacht. Weiter in der Tiefe
finden sich die Schalen der Zellen eben so verändert und
10
[146] im allmähligen Uebergange zu Zellgewebefasern, wie in
dem unreifen Zellgewebe des Embryo. Erste Rudimente
der Zellgewebefasern sind die länglichen gekernten Kör-
perchen, die Güterbock gesehen und mit den Epithe-
liumcylinderchen verglichen hat. Hieraus ergiebt sich,
daſs die Bildung neuer Zellen an der Oberfläche der Gra-
nulationen vor sich geht und die Verwandlung der Gra-
nulationen in Zellgewebe (Narbensubstanz) von der Tiefe
der Wunde aus successive gegen die Oberfläche fortschrei-
tet.“ Güterbock glaubte die zellgewebeartigen Fasern
in den Granulationen und den Exsudaten nicht für wirk-
liche Zellgewebefasern, sondern nur für Faserstofffasern
halten zu dürfen, weil die Granulationen beim Kochen
keinen Leim geben. Allein wie wir oben gesehen haben,
giebt das ganze Fötalzellgewebe ebenfalls keinen gelatiniren-
den Leim, und da Henle an diesen Fasern denselben Ent-
wicklungsgang wieder fand, wie ich ihn von dem Fötal-
zellgewebe nachgewiesen hatte, so müssen wir sie für die
jungen, aber noch chemisch von dem vollkommenen Zell-
gewebe verschiedenen Fasern, und die Granulationen für
nichts als eine primitive Zellgewebebildung halten.


Aber nicht nur bei der Eiterung und der Bildung von
Granulationen, sondern auch in den bei der Entzündung
entstehenden Exsudaten zeigt sich eine Zellgewebebildung
wie beim Fötus. R. Froriep (klin. Kupfertafeln, 11te
Lief., Weimar 1837 Th. LXI.) beobachtete schon früher,
daſs in dem Exsudat bei Pericarditis, auſser zellgewebearti-
gen Fasern, unregelmäſsige Körner sich fanden, welche
zum Theil nach einer oder nach beiden Seiten hin in dünne
Fasern ausgezogen zu sein schienen. „Diese verlängerten
Faserstoffkörnchen, setzt er hinzu, scheinen die An-
fänge der Bildung der neuen Gewebsmasse, oder also die
Anfänge der sich neu bildenden cylindrischen Zellgewebe-
fasern der wahren Pseudomembranen oder der Narbensub-
stanz zu sein.“ Froriep hatte hier also schon die Ent-
stehung zellgewebeartiger Fasern durch Verlängerung von
Körperchen beobachtet; was er hier Faserstoffkügelchen
[147] nennt, sind ohne Zweifel die in Fasern sich verlängern-
den, mit ihrem Kern versehenen Faserzellen. Henle un-
tersuchte das Exsudat, wodurch Wunden, die per primam
intentionem heilen, verklebt werden, und fand, daſs auch
hier Zellen entstehen, die sich auf dieselbe Weise
durch Verlängerung ihrer Schale in Zellgewebefasern ver-
wandeln, wie beim Fötus. Henle schlieſst daraus, daſs
die Bildung von Exsudationen und Granulationen wesentlich
dieselben Prozesse sind. Die von Valentin entdeckten
und auch von Gluge beschriebenen Exsudatkugeln, die
nach Valentin in jedem Exsudat vorkommen, sind nach
ihm den Eiterkörperchen verwandt, und Henle fand
auch, daſs ihre Kerne eben so durch Essigsäure zerfallen.


Die Eiterung unterscheidet sich daher von der Exu-
dation und der Granulation nur dadurch, daſs ein mehr
flüssiges Cytoblastem gebildet wird, in welchem sich we-
niger vollkommne Zellen entwickeln. Sie stellt eine Mit-
telform dar zwischen der Bildung der festen Gewebe und
dem eigentlichen Secretionsprozesse, welches auch keine
wesentlich von einander verschiedene Prozesse sind.


2) Sehnengewebe.

Wie die Sehnenfasern im erwachsenen Zustande sich
von den Zellgewebefasern wenig unterscheiden und sich
keine Grenze angeben läſst, wo man sagen könnte, das
Eine ist Zellgewebe, das Andere muſs zum Sehnengewebe
gerechnet werden, so ist auch die Entstehung beider Ge-
webe dieselbe. Man sieht bei sehr jungen Fötus in den
Sehnen dieselben Zellen, wie die Faserzellen des Zellge-
webes. Sie liegen mit ihrem Längendurchmesser nach der
Länge der Sehne und verlängern sich nach zwei entgegen-
gesetzten Richtungen in Fasern, die sich in feinere Fa-
sern zertheilen (s. Tab. III. Fig. 11). Die Zellen haben einen
eben so gestalteten Zellenkern, zerfallen eben so wie die
Faserzellen des Zellgewebes in viele Fasern, während An-
fangs der Zellenkern noch fortbesteht, zuletzt aber resor-
birt wird, so daſs bloſs das Faserbündel übrig bleibt. Alle
diese Prozesse gehen aber im Sehnengewebe viel früher
10*
[148] vor als beim Zellgewebe, so daſs, wenn man nicht sehr
junge Fötus nimmt, man nur Fasern mit untermischten
Zellenkernen sieht, oder Zellenkerne, in deren unmittel-
barer Nähe ein kleines Faserbüschel auf beiden Seiten ent-
springt. Die Sehnen sehen früher grau aus, nicht weiſs,
wie im Erwachsenen. Dieſs hängt wohl mit der chemi-
schen Verschiedenheit der jungen und der ausgebildeten
Sehnenfasern zusammen, die, wie sich wenigstens vermu-
then läſst, hier wohl eben so wie beim Zellgewebe statt
findet. Die Menge des Cytoblastems, worin sich die Fa-
serzellen der Sehnen bilden und wodurch wahrscheinlich
auch die ausgebildeten Sehnenfasern zusammengehalten
werden, muſs äuſserst gering sein und lässt sich gar nicht
durch die Beobachtung nachweisen. Sein Vorhandensein
kann nur aus der Analogie des Zellgewebes, wo es beim
Fötus nachgewiesen wurde, erschlossen werden. Im Er-
wachsenen scheint mir die Menge des Cytoblastems im
Vergleich mit den vorhandenen Fasern der Hauptunter-
schied zwischen Zellgewebe und Sehnengewebe. In dem-
selben Raume enthält das Sehnengewebe bei weitem mehr
Fasern, als das Zellgewebe, ohne daſs deſshalb die Seh-
nenfasern feiner wären. Die Unterschiede zwischen den
Zellgewebefasern, von verschiedenen Stellen genommen,
sind aber eben so groſs, wie die Verschiedenheit der ge-
wöhnlichen Sehnenfasern von der häufigsten Art der Zell-
gewebefasern, so daſs ein ganz allmähliger Uebergang statt-
findet.


3) Elastisches Gewebe.

Die Verschiedenheit des elastischen Gewebes vom
Sehnengewebe zeigt sich schon in sehr früher Periode.
Ich habe indessen die Entwickelungsgeschichte des elasti-
schen Gewebes nur unvollständig untersucht, bloſs so weit
als nothwendig war, um wahrscheinlieh za machen, daſs in
dem Princip der Entwicklung aus Zellen hier keine Ausnahme
Statt findet. Die Untersuchungen wurden an der Aorta
[149] von Schweinefötus und am lig. nuchae eines Schaffötus
angestellt. Das Verhalten des elastischen Gewebes war
an diesen beiden Stellen ziemlich verschieden. Die Aorta
besaſs schon bei 6 Zoll langen Schweineembryonen ihre
gelblich weiſse Farbe und ihre vollständige Elasticität.
Die äuſsere oder Zellgewebehaut lieſs sich leicht in lan-
gen Stücken fast als eine besondere Röhre abziehen.
Zog man nun ein Stückchen von der mittlern Haut der
Aorta ab, und zwar, um dem Verdachte von untergemisch-
tem Epithelium zu entgehen, so daſs die innere Fläche
des Gefäſses unverletzt blieb, zerrte dieses Stückchen und
untersuchte es mikroskopisch, so sah man zunächst in
dem umgebenden Wasser eine groſse Menge isolirter Zel-
len herumschwimmen, von denen jede ihren eigenthümli-
chen Kern hat (s. Tab. III. Fig. 12). Diese leichte Tren-
nung der Zellen sieht man beim Zell- und Sehnengewebe
nie in dem Grade, da die Zellen dort durch das Cyto-
blastem und durch die von den Zellen ausgehenden zähen
Fasern zusammengehalten werden. Diese Zellen der Aor-
tenwand sind von sehr verschiedener Form, wie die Figur
zeigt. Einige sind rund, die meisten länglich, einige en-
digen stumpf, andere spitzen sich nach zwei oder mehre-
ren Seiten hin zu, andere verlängern sich in kleine Fort-
sätze, die sich wiederum theilen, jedoch immer nur kurz
sind. Viele sind seitlich etwas zusammengedrückt. Alle
sehen körnig aus, doch scheint das Körnige, so viel man
wenigstens durch das Rollen der Zellen zu einem Urtheil
kommen kann, nur in der Zellenmembran zu liegen und
der Inhalt durchsichtig zu sein. Im Innern der Zellen an
ihrer Wand liegt der gewöhnliche Zellenkern mit ein oder
zwei Kernkörperchen. Er ist bald rund, bald mehr oder
weniger in die Länge gezogen. Diese Zellen nun haben
sich losgelöst von dem Stückchen der Aortenwand. Un-
tersucht man dieses selbst, so findet man noch mehrere
Zellen darin, auſserdem aber deutliches elastisches Ge-
webe, bestehend in einem Netzwerk feiner, elastischer,
rauher Fasern, wie man es beim Erwachsenen zunächst an
[150] dem Lumen der Aorta sieht (s. Eulenburg de tela elas-
tica Fig. 9). So dicke Fasern, wie in den äuſseren
Schichten der Aorta des Erwachsenen, zeigen sich nicht.
Stellenweise erkennt man in einem solchen Netzwerk ei-
nen verkrüppelten Zellenkern. In welchem Verhältnisse
stehen nun jene Zellen zu diesen zwar noch zarten, aber
seinem Charakter nach ausgebildeten elastischen Gewebe?
Der Analogie nach kann man wohl vermuthen, daſs jene
Zellen das Primitive sind; auch glaubte ich zuweilen, je-
doch selten, einen unmittelbaren Uebergang zu beobach-
ten, indem die mit einem Kern versehene, an der einen
Seite vollständige Zelle an der anderen Seite, wenigstens
so viel erkennbar, kontinuirlich in ein kleines Stückchen
eines dem unzweifelhaften elastischen Gewebe ähnlichen,
netzartigen Gewebes überging. Doch war es zu selten,
als daſs ich behaupten möchte, daſs der Uebergang jener
Zellen in das elastische Gewebe durch die Beobachtung
nachgewiesen wäre. Ist dies aber der wirkliche Hergang,
wie man wohl der Analogie nach vermuthen darf, so ha-
ben hier die Zellenkörper an der Bildung der Fasern weit
mehr Antheil als beim Zellgewebe, und die Bildung der
elastischen Fasern der Aorta hält die Mittelstufe zwischen
der Entstehung der Hornfaser in der Rinde der Federn
(siehe oben p. 98 und Tab. II. Fig. 13) und dem Zell- und
Sehnengewebe. Denkt man sich die Entstehung des ela-
stischen Gewebes theils durch Verlängerung von Zellen,
theils durch Zerfallen der Zellenkörper nach Art der Bil-
dung jener Hornfasern, so hat das Netzartige des elasti-
schen Gewebes gar nichts Auffallendes. Auch die Thei-
lungen der elastischen Fasern stehen nicht mehr als eine
isolirte Erscheinung da, indem solche Theilungen als vor-
übergehende Entwicklungsstufen beim ganzen Zell- und
Sehnengewebe des Fötus unzweifelhaft vorkommen. Das
elastische Gewebe scheint in dieser Hinsicht auf einer tie-
fern Entwicklungsstufe stehen zu bleiben. Purkinje und
Räuschel beobachteten auf dem Querdurchschnitt elasti-
scher Fasern der Aorta einen schwärzlichen Punkt in der
[151] Mitte, und im Verlaufe der Fasern eine punktirte Linie,
und vermutheten daraus das Vorhandensein eines rudimen-
tären Kanals innerhalb der Fasern. Diese Vermuthung,
die, wie ich gestehen muſs, mir früher sehr kühn vorkam,
erhält jetzt bei weitem mehr Konsistenz, insofern es nicht
unwahrscheinlich ist, daſs alle durch Verlängerungen von
Zellen entstehenden Fasern, z. B. auch die Zellgewebefasern,
hohl sind, wenigstens nicht durchaus aus einer gleichför-
migen soliden Masse bestehen. Sollten sich in den ge-
wöhnlichen elastischen Fasern noch feinere Fasern sicht-
bar machen lassen, etwa nach einer Beobachtung von Va-
lentin
durch Aetzkali, so wäre ich geneigt, diese den
primitiven Muskelfasern analog zu stellen, deren Bedeu-
tung, wie wir weiter unten sehen werden, in morphologi-
scher Hinsicht von den primitiven Zellgewebefasern durch-
aus verschieden ist.


Während an der Aorta sehr junger Schweineembryo-
nen, von denen die bisherige Beschreibung genommen
wurde, das elastische Gewebe zum Theil schon seine Haupt-
charaktere, namentlich seine gelbliche Farbe und seine
Elasticität deutlich zeigte, war das Lig. nuchae an einem
bei weitem älteren Schaffötus noch sehr wenig entwickelt.
Es sah grau und durchscheinend aus, zeigte keine Elasti-
cität und mikroskopisch keine Spur seiner späteren Struk-
tur. Man sah einen grauen, undeutlich längs gefaserten
Strang, in dem man sehr viele Zellenkerne erkannte.
Auf eine weitere Untersuchung bin ich nicht eingegan-
gen, da die Anwesenheit der Zellenkerne schon den
nicht wesentlich abweichenden Bildungstypus verräth.


Werfen wir einen Rückblick auf die eben betrachtete
Klasse der Faserzellen, so finden wir, daſs sie eine sehr
natürliche, ziemlich scharf gesonderte Gruppe unter den
Geweben bildet. Die hierher gehörigen Gewebe entstehen
aus kernhaltigen Zellen, die sich durch Verlängerung
in Faserbündel und durch spätere Zerfaserung des Zellen-
[152] körpers selbst in Bündel einzelner Fasern umwandeln.
Bei der Bildung dieser Zellen zeigt sich deutlich das oben
S. 45 aufgestellte Grundphänomen: Es ist zuerst eine
strukturlose gallertartige Masse da, das Cytoblastem, wel-
ches auſser den schon vorhandenen Zellen liegt. In die-
sem bilden sich die Zellen, und zwar wahrscheinlich so,
daſs zuerst der Zellenkern entsteht. Die Zellen wachsen
dann weiter und verwandeln sich auf die angegebene
Weise in Fasern. Die Menge des Cytoblastems nimmt
relativ zu den sich bildenden Zellen oder Fasern immer
mehr ab, bleibt aber wahrscheinlich beim Zellgewebe in
gröſserer, beim Sehnen- und elastischen Gewebe in sehr
geringer Quantität durch das ganze Leben zwischen den
Fasern übrig.


Es ergiebt sich aus dieser Entstehungsweise, welche
Theile dieser Gewebe den Bestandtheilen der bisher abge-
handelten Gewebe entsprechen. Die indifferenten Elemen-
tarzellen des Zellgewebes entsprechen morphologisch den
Knorpelzellen, den Epitheliumzellen, den Schleimkörper-
chen etc., um nur Ein Beispiel aus jeder Klasse anzufüh-
ren, und da aus jeder indifferenten Zellgewebezelle ein
Faserbündel entsteht, so entspricht ein ganzes Bündel von
Zellgewebefasern dem, was in den vorigen Klassen eine
einzelne Knorpelzelle, Epitheliumzelle u. s. w. war. Das
strukturlose Cytoblastem zwischen den Zellgewebefasern
aber entspricht der festen Intercellularsubstanz, welche
meistens die Hauptmasse der Knorpel bildet, oder dem
Minimum von Cytoblastem zwischen den Epitheliumzellen,
oder endlich der Flüssigkeit, worin sich die Zellen der
ersten Klasse bildeten. Man sieht auf diese Weise auch
leicht ein, wie von den eigentlichen Knorpeln durch die
Faserknorpel ein allmähliger Uebergang zum Fasergewebe
gebildet werden kann. Es brauchen nur die Knorpelzel-
len dieselben Veränderungen einzugehen, wie die Elemen-
tarzellen des Zellgewebes.


Da diese Klasse nach der Formveränderung der Zel-
len aufgestellt wurde, so können sich hier keine mannig-
[153] faltigen Modifikationen der Zellenform finden, sondern
überall zeigt sich nur eine Verlängerung der kernhaltigen
Zellen im Faserbündel und spätere Zerfaserung des Zel-
lenkörpers. Die Typen dieser Veränderungen haben wir
schon in der zweiten Klasse gefunden; denn auch dort
fand eine Verlängerung der Pigmentzellen, der Zellen der
Krystalllinse u. s. w. in Fasern durch stellenweise stärke-
res Wachsthum der Zellenmembran statt, und in der vor-
liegenden Klasse ist dies nur in weit stärkerem Grade
der Fall, und es gehen an den weiter entwickelten Faser-
zellen auf derselben Seite von Einer Zelle viele Fasern,
ein Faserbündel, aus. Die Zerfaserung des Zellenkörpers
sahen wir in der zweiten Klasse schon bei den Zellen der
Rinde der Federn. In so fern bei den Pigmentzellen die
Verlängerungen, wenn auch noch so fein, doch hohl blei-
ben, kann man vermuthen, daſs auch die Verlängerungen
der Faserzellen, also die Fasern der hier abgehandelten
Gewebe hohl sind. So wichtig, wie wir nachher sehen
werden, diese Entscheidung für die Theorie der Ernährung
wäre, so ist es doch unmöglich, durch die Beobachtung
darüber zu entscheiden, da hier kein so charakteristischer
Inhalt in den Verlängerungen der Zellen vorkommt, wie
beim Pigment. Eine Beobachtung von Purkinje und
Räuschel sprach indessen für das Hohlsein der elasti-
schen Fasern. Wäre das Hohlsein der Zellgewebefasern
u. s. w. erwiesen, so würde bei der Umwandlung der in-
differenten Faserzellen ein Zerfallen einer einzelnen Zelle
in viele Zellen Statt finden, also der zellige Charaker
der Fasergewebe nicht verloren gehen.


Die Faserzellen erleiden bei ihrer Ausbildung und all-
mähligen Umwandlung in Zellgewebefasern chemische Ver-
änderungen, indem das Zellgewebe selbst lange, nachdem die
Faserbildung schon begonnen hat, beim Kochen keinen ge-
latinirenden Leim giebt.


Da der Typus der Bildung der Zellgewebefasern aus
Zellen schon in der zweiten Klasse vorkam, so ergiebt
sich, daſs die Organisation oder das Vorhandensein der
[154] Blutgefäſse keinen wesentlichen Unterschied in dem Wachs-
thume der Elementartheile begründet. Denn diese Klasse
gehört schon zu den vollständig organisirten Geweben,
und das Zellgewebe ist sogar sehr reich an Gefäſsen. Man
sagte früher, die nicht organisirten Gewebe wachsen durch
Appositio, die organisirten durch Intussusceptio. Es wurde
schon oben S. 108 über diesen Unterschied gesprochen. Er
ist in so fern richtig, als die jungen Zellen sich bei den nicht
organisirten Geweben nicht in der ganzen Dicke der Ge-
webe, sondern nur in der Nähe derjenigen Oberfläche bil-
den, wo sie mit der gefäſshaltigen Substanz in Berührung
stehen und wo sie deshalb das frischeste Cytoblastem er-
halten. Fällt nun aber dieser Unterschied zwischen der
Oberfläche und dem Parenchym des Gewebes weg, indem
die Blutgefäſse durch die ganze Dicke desselben verbreitet
sind, so entstehen auch die jungen Zellen in der ganzen
Dicke des Gewebes, und so ist es beim Zellgewebe. Der
primäre Unterschied liegt also bloſs in der Abwesenheit
oder Anwesenheit der Gefäſse, und die Verschiedenheit
des Ortes der Bildung der neuen Zellen ist nur eine se-
kundäre. Die Elementartheile wachsen in beiden Fällen
und durch dieselben Kräfte. Inwiefern die Anwesenheit
der Gefäſse gewisse, beim Wachsthum vorkommende Pro-
zesse erleichtert, werden wir weiter unten sehen. Die
wesentlichen Erscheinungen des Wachsthums und also auch
die dabei thätigen Grundkräfte sind gleich. Weshalb es
nun aber im Zellgewebe zu einer Gefäſsbildung kommt,
während diese im Epithelium nicht Statt findet, dies ist eine
Frage, die ebenfalls weiter unten zur Sprache kom-
men muſs.


[155]

V. Klasse.
Gewebe, die aus Zellen entstehen, deren Wände
und deren Höhlen mit einander verschmelzen
.


Der Bildungstypus bei dieser Klasse ist der: Es sind
Anfangs selbstständige, d. h. mit einer eigenthümlichen Wand
und Höhle versehene Zellen da, die wir primäre Zellen nen-
nen wollen. Sie sind entweder a) rund oder cylindrisch,
oder b) es sind sternförmige Zellen. Im ersten Falle le-
gen sich die primären Zellen reihenweise an einander,
dann verwachsen die zusammenstoſsenden Stellen der Zel-
lenwände, so daſs zwischen je zwei der Reihe nach auf
einander folgenden Zellenhöhlen nur einfache Scheidewände
bleiben. Nun werden aber diese Scheidewände resorbirt,
so daſs die Höhlen der einzelnen Zellen in einander überge-
hen. Alsdann haben wir, statt einer Menge primärer Zellen,
eine einzelne lange Zelle, die wir eine sekundäre Zelle
nennen wollen. Die Höhle derselben besteht also aus
den Höhlen der einzelnen Zellen, und die Zellenmembran
der sekundären Zelle aus den verwachsenen Zellenmem-
branen der einzelnen primären Zellen, an denen aber die
einander berührenden Stellen resorbirt sind. Die sekun-
däre Zelle wächst nun fort, wie eine selbstständige ein-
fache Zelle. So scheint, so weit die weiter unten mitzu-
theilenden Beobachtungen reichen, der Bildungsprozeſs bei
den Muskeln und Nerven zu sein. Im zweiten Fall, näm-
lich wenn die primären Zellen sternförmige Zellen sind,
legen sich nicht, wie bei den Nerven und Muskeln, die
Zellenkörper reihenweise an einander, sondern die stern-
förmigen Zellen entstehen in gröſseren, von Cytoblastem
oder Zellen anderer Art ausgefüllten Zwischenräumen.
Die Fortsetzungen dieser Zellen aber stoſsen auf einander,
ihre Wände verwachsen an den Berührungsstellen und
diese verwachsenen Zwischenwände werden dann resor-
birt, so daſs die Anfangs getrennten Zellenhöhlen kommu-
[156] niciren. Da auf diese Weise mehrere Verlängerungen
einer Zelle mit mehreren Verlängerungen einer oder meh-
rerer anderer Zellen zusammenstoſsen, so erhalten wir
statt einzelner, hohler, sternförmiger Zellen ein Netz
von Kanälen, welche Anfangs zwar noch an den den Zel-
lenkörpern entsprechenden Stellen dicker sind, das aber
durch stärkere Ausdehnung der mit einander kommunici-
renden Verlängerungen der Zellen zu einem Netz von
ungefähr gleich dicken Kanälchen wird. Dies scheint
der Bildungsgang bei den Kapillargefäſsen zu sein. Die
folgende detaillirte Darstellung der Beobachtungen über
das Verhältniſs der Muskeln, Nerven und Kapillargefäſse
zu den Elementarzellen wird zeigen, in welchen Punkten
durch die noch sehr unvollständigen Beobachtungen die
eben als der wahrscheinliche Hergang des Bildungsproces-
ses gegebene Beschreibung als bewiesen zu betrachten ist,
und welche Lücken noch auszufüllen sind. Wir beginnen
die Untersuchung mit den Muskeln.


1) Muskeln.

Um das Verhältniſs der Muskeln zu den Elementar-
zellen kennen zu lernen, ist es nothwendig, auf ihre Ent-
wicklungsgeschichte zurückzugehen. Die erste Entstehung
der Muskelfasern habe ich leider wegen Mangels sehr jun-
ger Embryonen nicht untersuchen können; sie läſst sich
aber aus der Beschreibung von Valentin (Entwicklungs-
geschichte S. 268) ergänzen, welche ich hier im Auszuge
vorausschicke. „Lange vorher als gesonderte Muskelfa-
sern wahrgenommen werden, sieht man die Kügelchen der
Urmasse nach Längslinien geordnet, vorzüglich wenn diese
zwischen zwei Glasplättchen leise gepreſst wird. Die Körn-
chen scheinen nun etwas näher an einander zu rücken
und an einzelnen Stellen gänzlich, an anderen dagegen an
der einen oder der anderen Seite zu verschmelzen und
zu einer durchsichtigen Masse sich zu verbinden. Hier-
durch entstehen Fäden, welche an manchen Stellen ein
[157] perlschnurartiges Ansehen haben, an anderen dagegen
minder scharf eingekerbt, oft auch an der einen Seite noch
eingefurcht, an der anderen dagegen schon mehr geradli-
nigt begrenzt sind. Später verschwindet in dem Faden
jede Spur von Körnchen oder Abtheilung, und er wird
gleichmäſsig durchsichtig begrenzt und cylindrisch. So
verharrt die Muskelfaser im Normale bis um die Zeit des
sechsten Monats, nur daſs ihre Substanz etwas dunkler
und ihre Kohäsion dichter wird. Im sechsten Monate zei-
gen sich die ersten Spuren der Querstreifen. Diese Fa-
sern sind die primitiven Muskelbündel, nicht die Primi-
tivfasern, welche erst durch Zerfallen des Bündels in klei-
nere Fasern entstehen. Schon von der Zeit an, in wel-
cher die Muskelfäden durchsichtig und gleichförmig wer-
den, häufen sich zwischen ihnen Massen von Kügelchen
rundlicher oder bestimmt runder Form, welche etwas grö-
ſser als die Blutkörperchen sind. Sie vermindern sich
später wieder und werden mit der gallertartigen Masse,
welche sie zusammenhält, zu dem verbindenden Schleim-
gewebe.“


Die jüngsten Embryonen, an denen ich die Entstehung
der Muskeln untersucht habe, waren Schweineembryonen
von 3½ Zoll Länge. Untersucht man ein Stückchen eines
Muskels, z. B. eines oberflächlichen Rückenmuskels, bei
diesen Embryonen unter dem Mikroskop auf schwarzem
Grunde, so sieht man eine durchscheinende gallertartige
Masse, in der Fasern (Primitivbündel der Muskeln) paral-
lel neben einander verlaufen, die weiſser als die umge-
bende gallertartige Substanz erscheinen. Bei älteren Mus-
öeln nimmt die durchscheinende Substanz ab, die Muskel-
fasern liegen dichter an einander und erscheinen auf dem
schwarzen Grunde intensiver weiſs. Untersucht man nun bei
Fötus von dem angegebenen Alter die durchscheinende Sub-
stanz bei 450 facher Vergröſserung, indem man, um das den gan-
zen Muskel umgebende Embryonal-Zellgewebe möglichst aus-
zuschlieſsen, ein Stückchen aus der Mitte eines Muskels aus-
schneidet, so erkennt man in der durchscheinenden Substanz
[158] verschiedene Arten gröſserer und kleinerer Körnchen, welche
in einer sehr feinkörnigen Masse liegen. Betrachtet man
die Körnchen genauer, so findet man sie von verschiede-
ner Gröſse, rund oder oval dunkler oder heller. Sehr
viele erkennt man an ihrer Form als Zellenkerne. An
vielen sieht man mehr oder weniger deutlich schon im
Zusammenhange, daſs die körnige Substanz um sie zu
einem Kügelchen abgegrenzt ist, in welchem der Kern
liegt. Ganz deutlich zeigt sich dies aber an den Körn-
chen, die sich von der durchscheinenden Substanz abge-
sondert haben und in der Flüssigkeit auf dem Objektträ-
ger herumschwimmen. Hier sieht man eine Menge Kügel-
chen isolirt herumschwimmen, und jedes Kügelchen ent-
hält in sich und zwar excentrisch den charakteristischen
bald gröſseren, bald kleineren, oft mit Kernkörperchen
versehenen Zellenkern (s. Tab. III. Fig. 13). Dies ist aber,
wie wir gesehen haben, die Grundform der meisten Zel-
len. Der feinkörnige Theil der durchscheinenden Masse
wird zum Theil von den Zellenkörpern gebildet, welche,
wenn sie dicht zusammenliegen, schwer zu unterscheiden
sind, zum Theil ist er das Cytoblastem, worin sich die
Zellen bildeten. Einzelne dieser herumschwimmenden
Zellen verlängern sich in Fasern und sind offenbar Zell-
gewebefasern. Allein dies ist nur selten und diese Zel-
len scheinen etwas Eigenthümliches. Man könnte sie für
die Primitivzellen neuer Muskelfasern halten. Allein aus
der Art, wie Valentin sich ausdrückt, sollte man schlie-
ſsen, daſs sie sich später bilden, indem er sagt: „Schon
von der Zeit an, in welcher die Muskelbündel durchsich-
tig werden, häufen sich zwischen ihnen Massen von Kü-
gelchen.“ Hier sind offenbar die Kerne dieser Zellen ge-
meint. Diese Frage muſs also unentschieden bleiben.


Betrachten wir nun die Muskelfasern (Primitivbündel)
in den Rückenmuskeln derselben Schweinefötus. Sie ver-
halten sich nicht alle gleich, einige sind unregelmäſsiger,
mehr körnig, andere sind relativ glatt. Die letzteren stel-
len Cylinder dar, die aber meistens mehr oder weniger
[159] abgeblattet sind (s. Tab. IV. Fig. 3), wo sie aus den Ober-
armmuskeln eines 7 Zoll langen Schweinefötus abgebildet
sind, und zwar in a von der Fläche betrachtet in b auf
der Kante stehend. Man unterscheidet in a an den Cy-
lindern einen dunklen Rand und einen inneren hellen
Theil, ein Unterschied, der in c noch deutlicher ist, wo
der dunkle Rand breiter und nach innen scharf begrenzt
ist, so daſs es ganz so aussieht, als ob der Cylinder hohl
sei. Ich muſs aber bemerken, daſs nur an den wenigsten
Fasern dieses Ansehen bis zur Ueberzeugung deutlich ist.
In vielen Fällen aber war es so deutlich, daſs mir keine
andere Erklärung dieses Ansehns als durch ein Hohlsein
des Cylinders übrig zu bleiben schien. In dem hellen
Theil des Cylinders, welcher der Höhle entspricht, sieht
man, auſser einigen kleinen Körnchen, gröſsere ovale Kör-
perchen, die oft sehr in die Länge gezogen sind. Sie
geben sich durch ihre Form sofort als Zellenkerne zu er-
kennen und enthalten oft ein oder zwei Kernkörperchen.
Sie liegen in bald regelmäſsiger, bald unregelmäſsiger Ent-
fernung von einander. Sie liegen in der Dicke der Faser
und zwar excentrisch nicht in der Achse, sondern an der
Wand, wie man sieht wenn die Faser auf der Kante steht
(siehe die Faser b). In dieser Abbildung ist dabei eine
Regelmäſsigkeit zu erkennen, indem der eine Kern auf
der einen Seite der Wand, der zweite auf der entgegenge-
setzten, der dritte wieder auf der ersten Seite liegt u. s. f.
Allein dies scheint nicht konstant zu sein. Die Kerne sind
platt, da sie auf der Kante als bloſse Streifen erscheinen.
Die Dicke der Wand des Cylinders scheint verschieden,
wie ein Vergleich von a und c zeigt. In der letzten Faser c,
wo die Wand dicker ist, zeigt sich schon eine Querstrei-
fung. Kerne sind aber auch hier noch sichtbar, so wie
einzelne kleine in der Höhle enthaltene Kügelchen. In
älteren Muskeln sieht man keine Andeutung einer Höhle
mehr, aber die Kerne bleiben noch lange sichtbar und
liegen in der Dicke der Faser, obgleich sie oft als kleine
Hügelchen nach auſsen vorspringen.


[160]

Die andere Form der Muskelfasern ist Tab. IV. Fig. 1.
aus den Rückenmuskeln eines 3½ Zoll langen Schweine-
fötus abgebildet. Sie sind im Allgemeinen etwas dicker,
als die vorigen, unregelmäſsiger, nicht so glatt, sondern
körniger. An vielen unterscheidet man eben so deutlich,
oder noch deutlicher das Vorhandensein einer besonderen
Wand der Faser und einer Höhlung in ihrem Innern (s.
die Faser c der Figur). Die Wand ist nicht so glatt wie
in der vorigen Form der Muskelfasern. Der Inhalt ist
immer sehr körnig. Schon im natürlichen Zustande er-
kennt man oft darin deutliche Zellenkerne, nicht selten
mit ihren Kernkörperchen. Gewöhnlich aber sind nur die
runden oder ovalen Umrisse der Kerne deutlich zu er-
kennen, während die darüber liegenden anderen Körnchen
die auſserdem in der Höhle der Faser enthalten sind,
und die körnige Beschaffenheit der Faser überhaupt die
genaue Unterscheidung der Kerne erschwert. Bringt man
aber einen Tropfen Essigsäure hinzu, so wird die Faser ganz
durchsichtig und schwillt auf; die Kerne dagegen bleiben
dunkel, schrumpfen ein wenig zusammen und lassen sich
jetzt vollkommen deutlich unterscheiden. So sieht z. B. die
Faser c nach Behandlung mit Essigsäure aus, wie Fig. 2.
zeigt. Man sieht darin die evidenten Zellenkerne zum
Theil mit Kernkörperchen versehen, und neben ihnen nur
einzelne kleine dunkle Körnchen. Die Zellenkerne haben
zwar durch die Essigsäure eine kleine Veränderung erlit-
ten, sie erscheinen aber auch im frischen Zustande nicht
alle regelmäſsig. Sie sind meistens platt. Manche schei-
nen im frischen Zustande auf der Kante zu stehen, so
daſs es aussieht, als ob die Höhle der Fasern durch kleine
dicke Querstreifen in Fächer getheilt wäre. Die Kerne
liegen viel näher zusammen als bei der vorigen Form der
Muskelfasern, so daſs die Entfernung der Mittelpunkte
zweier Kerne von einander gewöhnlich gleich ist der Dicke
der Faser, oder noch kleiner.


Diese zweite Form scheint ein früherer Zustand
der ersteren zu sein. Sie ist um so häufiger, je jünger
[161] der Embryo ist und wird allmählig seltener. Man kann
sich diesen Uebergang leicht denken. Die Faser dehnt
sich in ihrer ganzen Länge aus, wird dabei dünner, die
Zellenkerne rücken weiter aus einander und verlängern
sich zuweilen ebenfalls in der Richtung der Faser. Ein-
zelne Kerne, namentlich die, welche auf der Kante zu
stehen scheinen, mögen dabei resorbirt werden, da man
dies später nicht mehr sieht. Zugleich bildet sich der
ganze Cylinder mehr aus, indem sein körniges Ansehen
verschwindet und auch die kleinen Körnchen der Höhle
seltener werden. Man sieht auch alle Uebergangsstufen
aus der zweiten Form in die zuerst beschriebene. Die
Ausdehnung scheint nicht ganz regelmäſsig zu erfolgen,
sondern stellenweise sehr stark sein zu können, so daſs
eine Faser in einer langen Strecke ziemlich dünn wird
und hier keinen Kern zeigt, bis dann wieder eine An-
schwellung kommt, in der ein Kern liegt.


Es fragt sich nun aber, wie entsteht die zuletzt be-
schriebene Form der Muskelfasern, also die Grundform
derselben. Sie stellten einen Cylinder dar, der höchst
wahrscheinlich hohl und vermuthlich auch an seinen En-
den geschlossen ist, indem die Muskelfasern plötzlich mit
einem scharfen, stumpf abgerundeten Ende an den Sehnen
endigen. In diesem Cylinder liegen Zellenkerne in klei-
nen Entfernungen neben einander. Ist der Cylinder eine
verlängerte Zelle, in der sich Kerne als Grundlage neuer,
aber nicht zur Entwicklung kommender Zellen bilden, oder
sind die Kerne Ueberreste von Zellen, die durch Ver-
schmelzung mit einander und Resorption der Scheide-
wände die ganze Faser oder den Cylinder bilden? Oder
mit anderen Worten: Ist die Faser durch Verschmelzung
von Zellen entstanden?


Die Uebergangsstufe, wo sich einzelne Zellen reihen-
weise zu einer Faser an einander legen, habe ich nicht
beobachtet, weil die mir zu Gebote stehenden frischen
Embryonen nicht jung genug waren. Zwar habe ich an
der zweiten der beschriebenen Formen von Muskelfasern
11
[162] etwas gesehen, was man für eine Andeutung der Zusam-
mensetzung dieser Fasern aus kleinen Stücken halten
könnte. Die Ränder der Fasern bogen sich stellenweise
etwas ein und es lief eine Linie als Andeutung einer Thei-
lung quer über die ganze Dicke der Faser. Ich habe
dies in Tab. IV. Fig. 1 b abzubilden gesucht, aber es ist
mir nicht gelungen, den Charakter gehörig wiederzugeben
und überzeugend war das Präparat nicht. Einige andere
Gründe sprechen noch für eine Zusammensetzung der
Muskelfasern aus einzelnen Stücken. So zerfallen viele
Muskeln von Fischen oder Froschlarven beim bloſsen Zer-
ren oft in ungefähr gleich lange mikroskopische Stück-
chen. Dasselbe geschieht nach C. H. Schultz bei der
Verdauung von Muskelfleisch im Magen, und nach Pur-
kinje
bei Muskeln, welche der Einwirkung von künstli-
cher Verdauungsflüssigkeit ausgesetzt werden. Aber die
oben erwähnten Beobachtungen von Valentin lassen
keine andere Erklärung zu, und es läſst sich daraus die
von mir nicht beobachtete Bildungsperiode ergänzen. Nach
demselben „sind vor den Muskelfasern Kügelchen der
Urmasse da, nach Längslinien geordnet. Die Körnchen
scheinen dann etwas näher an einander zu rücken und an
einzelnen Stellen gänzlich, an anderen dagegen an der
einen oder anderen Seite zu verschmelzen. Hierdurch
entstehen Fäden, welche an manchen Stellen ein perl-
schnurartiges Ansehen haben, an anderen dagegen minder
scharf eingekerbt, oft auch an der einen Seite noch ein-
gefurcht, an der anderen schon mehr geradlinig begrenzt
sind.“ Durch den Ausdruck „Körnchen der Urmasse“
oder andere ähnliche Namen wurden bisher, ohne Unter-
terschied, entweder die Elementarzellen selbst oder ihre
Kerne bezeichnet, indem die Verschiedenheit beider und
ihr Verhältniſs zu einander unbekannt war. Valentin
kann in der angeführten Stelle die Zellenkerne nicht ge-
meint haben, da diese, wie wir sahen, nicht verschmelzen.
Was er daher Kügelchen der Urmasse nennt, muſsten die
indifferenten, mit einem Kern versehenen Elementarzellen
[163] sein. Für die Richtigkeit der Deutung dieser „Kügelchen
der Urmasse“ als Zellen spricht auch: erstens, daſs das
aus ihrer Verschmelzung entstandene Gebilde, das Muskel-
primitivbündel, hohl ist, und zweitens daſs die Zellenkerne
in der früheren Form der Muskelbündel so dicht an ein-
ander liegen, als es sein muſs, wenn jeder Kern einer frü-
heren runden Zelle angehört hätte. Wären diese Kerne
spätere Gebilde, die sich in dem Muskelprimitivbündel als
in Einer Zelle erzeugen, so müſsten sie in älteren Muskeln
zahlreicher sein als in jüngeren.


Es scheint demnach kaum zu bezweifeln, daſs jedes
primitive Muskelbündel eine sekundäre Zelle ist, entstan-
den durch Verschmelzung von primären runden mit einem
Kern versehenen Zellen, die in einer Reihe an einander
gelagert waren. Da später keine Scheidewände in der
sekundären Zelle mehr zu erkennen sind, so muſs, nach-
dem die Verschmelzung der Zellenwände an den einander
berührenden Stellen eingetreten ist, eine Resorption der
dabei übrigbleibenden Scheidewände zwischen den Höhlen
von je zwei benachbarten primären Zellen eintreten. Wenn
die kleinen queren Streifchen, wodurch die Höhle der Fa-
sern zuweilen an einzelnen Stellen getheilt ist, wirklich
auf der Kante querstehende Kerne sind, so sind es wahr-
scheinlich Kerne, die an der Stelle der Wand der Zellen
lagen, welche resorbirt wurde. Die Verschmelzung der
Zellen scheint indessen nicht so vollständig zu sein, daſs
sich nicht die entsprechenden Stellen leichter von einan-
der trennten, als die anderen, und darauf beruhen wahr-
scheinlich die oben berührten Phänomene von künstlicher
Theilung der Muskeln *).


11*
[164]

Bei meiner ersten Mittheilung über die Bildung der
Muskelprimitivbündel durch Verschmelzung von Zellen
(Froriep’s Notizen Nr. 103) waren unter den Pflanzen-
zellen nur bei den Spiral- und Milchsaftgefäſsen ähnliche
Vorgänge bekannt. Um so interessanter ist es, daſs
Meyen jetzt bei den Bastzellen eine viel schlagendere
Analogie entdeckt hat (Wiegmann’s Archiv 1838 p. 297).
Er fand, daſs diese langgestreckten Zellen durch Kochen
in Salzsäure in sehr kleine, ungefähr gleich lange Stück-
chen zerfielen, und die Untersuchung über die Entwick-
lung der Bastzellen in Knospen zeigte, daſs früher eben
so viele einzelne, etwas langgezogene prismatische Paren-
chymzellen da sind, welche mit ihren Enden genau über
einander stehen, dort mit einander verwachsen und deren
Scheidewände dann resorbirt werden.


Die sekundäre Muskelzelle funktionirt nun weiter,
wie eine einfache Zelle. Ihre Wand ist Anfangs dünn,
in ihrer Höhle befinden sich, auſser dem Zellenkerne, viele
kleine Körnchen. Es tritt nun eine Umwandlung des Zel-
leninhaltes ein, indem diese Körnchen allmählig verschwin-
den; gleichzeitig wird die Wand der Zelle auf Kosten der
Zellenhöhle dicker, so daſs die Zellenhöhle endlich ganz
verschwindet und die ganze sekundäre Zelle ein soli-
der Strang wird. Bei dieser Verdickung der Zellen-
wand bleiben die Zellenkerne Anfangs noch fortbestehen
und werden, von der Verdickung eingeschlossen, nicht in
die Zellenhöhle geschoben. Endlich werden die Kerne
ganz resorbirt. Es ist nun die Frage: Ist die Verdickung
der Wand der sekundären Muskelzelle eine Verdickung
der Zellenmembran selbst, wie es bei den Knorpeln zu
sein schien, oder ist es eine sekundäre Ablagerung auf
der innern Fläche der Zellenmembran, so daſs diese che-
misch und mikroskopisch verschieden ist von der Sub-
stanz, wodurch die sekundäre Zelle zu einem soliden
Strange wird? Das Letztere ist bei den Pflanzen das
Gewöhnliche. Zunächst kommt bei der Beantwortung die-
ser Frage die Lage der Zellenkerne in Betracht; da diese
[165] wenigstens gewöhnlich an der inneren Fläche der Zellen-
membran fest anliegen, so werden sie bei einer Verdickung
der Zellenmembran selbst nach innen geschoben, während
eine sekundäre Ablagerung auf die innere Fläche der Zel-
lenmembran sie einschlieſsen muſs, es sei denn, daſs sie
sich ganz von der Zellenwand trennen. Bei den Muskeln
bleiben sie nun wirklich in der Peripherie des Muskel-
bündels liegen, wie Tab. IV. Fig. 3 b zeigt. Es wird dar-
aus schon wahrscheinlich, daſs die Verdickung der Wand
der sekundären Muskelzellen nur eine sekundäre Ablage-
rung ist. Aber auch ohne diesen Grund hätte man dies
vermuthen müssen, da die Muskelbündel, wie es scheint,
auſsen von einer strukturlosen Membran umschlossen sind.
Man schrieb längst den Muskelbündeln eine Scheide zu,
aber betrachtete sie als aus Zellgewebe gebildet und als
bei den Primitivbündeln dem entsprechend, was bei den
gröſsern Bündeln das Zellgewebe ist, wodurch sie von
einander getrennt werden. Allein diese Membran scheint
eine ganz andere Bedeutung zu haben und die Zellen-
membran der sekundären Muskelzelle zu sein. Sie ist
strukturlos, sehr durchsichtig und erscheint als ein sehr
schmaler, nach auſsen scharf begrenzter Saum um jedes
Primitivbündel. Ich weiſs wohl, wie leicht ein solcher
Saum durch eine bloſse optische Täuschung entsteht, und
man ist vor einer solchen, wenn der Saum sehr schmal
und nicht granulös ist, gar nicht sicher, es sei denn, daſs
man beobachtet, daſs dieser Saum nicht genau allen Bie-
gungen des Muskelbündels selbst folgt. Es ist daher
schwer, bei Säugethieren darüber zu einer Ueberzeugung
zu kommen; allein bei allen denjenigen Insektenlarven, bei
denen die von J. Müller entdeckte breite Querstreifung
der Muskelbündel vorkommt, kann man sehr deutlich be-
obachten, daſs die Membran, wenn die Kontinuität der
eigentlichen Muskelsubstanz eines Primitivbündels an einer
Stelle gestört war, doch oft ununterbrochen von einem
Stück zum andern hinüberläuft. Tab. IV. Fig. 4 stellt
ein solches Muskelbündel dar. Die Membran umschlieſst
[166] dasselbe so locker (die Larve war in Weingeist aufbe-
wahrt worden), daſs sich sogar ein Stückchen der Mus-
kelsubstanz in der Höhle drehen konnte. Die Membran
zeigt sich auch da, wo man sie ganz isolirt sieht, durch-
aus strukturlos, und schon die äuſsere scharfe Begrenzung
macht es unwahrscheinlich, daſs sie aus Zellgewebe be-
steht. Es scheint mir daher äuſserst wahrscheinlich, daſs
sie die Bedeutung der Zellenmembran der sekundären
Muskelzelle hat. Sie dient also nicht bloſs zum Isoliren
des Muskelbündels, sondern ist ein wesentlicher Bestand-
theil desselben. Tab. IV. Fig. 5 zeigt dieselbe struktur-
lose Zellenmembran an einem Muskelbündel eines Hechtes;
doch war dieses Präparat nicht ganz überzeugend, weil der
untere Rand dieses Muskelbündels von darüber liegenden
Muskeln verdeckt wurde. Durch sie bleibt das Muskelbündel
durch’s ganze Leben eine Zelle mit einer geschlossenen Mem-
bran und einer Zellenhöhle, die freilich von fester Substanz,
der eigenthümlichen Muskelsubstanz ausgefüllt ist. Es
folgt zugleich daraus, daſs nicht etwa ein Eindringen von
Nervenfasern zwischen die primitiven Muskelfasern Statt
haben kann, und daſs eben so wenig die primitiven Mus-
kelfasern von ihrem Bündel sich lösen und frei weiter
verlaufen können, wie es beim Zellgewebe doch gewöhn-
lich ist. In beiden Fällen müſste nämlich die Zellenmem-
bran durchbrochen werden.


Die eigentliche Muskelsubstanz, welche also zuerst
als sekundäre Ablagerung auf der inneren Fläche der se-
kundären Muskelzelle sich bildet, bis sie die ganze Höhle
der Zelle füllt, besteht nämlich im ausgebildeten Zustande
aus sehr feinen Längsfasern, den sogenannten Primitivfa-
sern der Muskeln. Es scheint nicht, daſs diese Längsfa-
sern der primitive Zustand der sekundären Ablagerung
ist, sondern daſs diese Ablagerung in der frühesten Zeit
strukturlos ist und dann erst ihre Umwandlung in Fasern
erfolgt. Doch scheint diese Umwandlung schon sehr frühe
zu geschehen, und zwar noch bevor die Höhle der sekun-
dären Zelle ganz ausgefüllt ist. Die Querstreifung der
[167] Muskelbündel, welche wenigstens nach meiner Erklärungs-
weise durch die eigenthümliche Form der Primitivfasern
bedingt ist, erscheint ebenfalls vor der gänzlichen Ausfül-
lung der Zellenhöhle, wie Tab. IV. Fig. 3 c zeigt.


Nach den oben erwähnten Beobachtungen von Meyen
über die Bildung der Bastzellen findet auch nach der Ver-
schmelzung der einzelnen Zellen und der Resorption ihrer
Scheidewände eine sekundäre Ablagerung auf der nun ge-
meinsamen Zellenmembran Statt, wie wir es bei den Muskeln
beobachtet haben; jedoch ist mir bei den Pflanzen keine Ana-
logie bekannt, wo eine sekundäre Ablagerung aus Längsfasern
besteht. Die sekundären Ablagerungen geschehen vielmehr,
nach Valentin, bei den Pflanzen überall in Spirallinien. Man
könnte es vielleicht als Folge dieser Tendenz zur Spi-
ralbildung betrachten, daſs die Primitivfasern der Muskeln
stellenweise perlschnurartig angeschwollen sind, indem
diese Anschwellungen so liegen, daſs sie die Querstreifung
erzeugen, und diese Querstreifung vielleicht keine kreis-
förmige, sondern eine spiralige ist. Doch ist dies nur
eine entfernte Vermuthung, die einer weiteren Untersu-
chung bedarf.


Die unwillkürlichen, nicht quergestreiften Muskeln
scheinen auf ähnliche Weise zu entstehen, wie die quer-
gestreiften. Sie unterscheiden sich aber dadurch, daſs sie
gewöhnlich nicht aus so langen Fasern bestehen, wie die
willkürlichen Muskeln, daſs also wahrscheinlich weniger
primäre Zellen sich zur Bildung einer sekundäre Zelle an
einander legen, und daſs diese Fasern gewöhnlich dünner
und platt sind. In einem menschlichen Uterus, der eine
reife Frucht enthielt, fand ich lange Muskelfasern von der
Breite der gewöhnlichen Primitivbündel der willkührlichen
Muskeln, die so platt waren, daſs ihre Dicke kaum
0,0010—0,0015 Lin. betragen mochte. Zellenkerne ha-
ben die unwillkürlichen Muskeln ebenfalls, und diese be-
weisen, daſs die Fasern, welche die unwillkührlichen Mus-
keln zusammensetzen, nicht etwa den Primitivfasern der
willkürlichen Muskeln, sondern den Primitivbündeln ent-
[168] sprechen. Zu der entgegengesetzten Ansicht könnte man
dadurch kommen, daſs sie oft keine Spur von Längsstreifung
zeigen und vielleicht meistens gar keine feinern Primitiv-
fasern oder nur unvollkommen ausgebildete enthalten. Sie
bleiben in diesem Punkte auf einer tiefern Entwicklungs-
stufe stehen, als die willkürlichen Muskelfasern. Für die
Kontraktion der Muskeln ist vielleicht nur die eigenthüm-
liche sekundäre Ablagerung auf der Zellenmembran der
sekundären Muskelzelle wesentlich, nicht der Umstand,
daſs diese Substanz noch aus feinen Längsfasern besteht.


Um die Untersuchung über die Entstehung der Mus-
keln kurz zu wiederholen, so läſst sich der Proceſs in
Folgendem zusammenfassen: Es sind zuerst runde, mit
einem platten Kern versehene Zellen da, die primären
Muskelzellen. Diese legen sich in Längslinien neben ein-
ander; die in einer Linie zusammengereihten Zellen ver-
schmelzen an den Berührungsstellen mit einander, dann
werden die Scheidewände, wodurch die verschiedenen Zel-
lenhöhlen der verschmolzenen Zellen getrennt wurden, re-
sorbirt, und so entsteht ein hohler, an seinen Enden ge-
schlossener Cylinder, die sekundäre Muskelzelle, in wel-
chem noch die Kerne der einzelnen Zellen, aus denen die
sekundäre Zelle entstanden ist, enthalten sind und nahe
zusammen meistens an der Wand der Zelle liegen. Diese
sekundäre Zelle verhält sich nun wie eine einfache Zelle.
Sie dehnt sich in ihrer ganzen Länge aus, wodurch die
Kerne weiter aus einander rücken und zuweilen selbst
ebenfalls in derselben Richtung sich verlängern. Zugleich
tritt an der innern Fläche des Cylinders eine Ablagerung
einer eigenthümlichen Substanz, der eigenthümlichen Mus-
kelsubstanz, ein, wodurch die Höhle des Cylinders verengt
wird. Allmählig wird sie dadurch ganz ausgefüllt. Die
Zellenkerne liegen nach auſsen von dieser Substanz zwi-
schen ihr und der Zellenmembran der sekundären Mus-
kelzelle. Die abgelagerte Substanz erscheint bei willkühr-
lichen Muskeln um so deutlicher aus Längsfasern zusam-
mengesetzt, je älter der Fötus ist, und in demselben Ver-
[169] hältniss werden die Querstreifen deutlicher. Die Zellen-
kerne werden allmählig resorbirt. Die Zellenmembran der
sekundären Muskelzelle bleibt durchs ganze Leben, so daſs
jedes Muskelprimitivbündel fortwährend als Zelle zu be-
trachten ist.


2) Nerven.

Die Elementargebilde des Nervensystems stellen sich
unter einer doppelten Form dar: 1) als Fasern, Nerven-
fasern im weitern Sinne incl. die Fasern des Gehirns und
Rückenmarks; 2) als Kugeln, Ganglienkugeln, ausser den
Ganglien auch im Gehirn und Rückenmark vorkommend.
Unsere Aufgabe ist, das Verhältniſs dieser beiden Arten
von Elementargebilden zu den Elementarzellen nachzu-
weisen.


1) Nervenfasern.

Von diesen giebt es wieder zweierlei Formen: a) ge-
wöhnliche weiſse Nervenfasern; b) graue, sogenannte or-
ganische Fasern.


a) Weiſse Nervenfasern. Sie erscheinen als Fa-
sern, welche unter dem Mikroskop sehr dunkle Ränder
zeigen, und dasjenige, was bei der mikroskopischen Be-
trachtung diese dunklen Ränder veranlaſst, scheint auch
gerade das zu sein, was diesen Nervenfasern, mit bloſsem
Auge betrachtet, ihre weiſse Farbe giebt. Da der Grund
dieser Farbe nicht in der ganzen Faser, sondern nur in
dem äuſsern Theile derselben zu liegen scheint, so kann
man diesen Theil der Faser die weiſse Substanz der Ner-
venfasern nennen. Gewöhnlich zeigt der Rand einer Ner-
venfaser beiderseits eine doppelte Kontur, so daſs die Fa-
ser dann das Ansehen einer hohlen Röhre hat, und die
Distanz der beiden Konturen bezeichnet dann die Dicke
der weissen Substanz. Nach den Untersuchungen von
Remak lässt sich die weiſse Substanz jeder Nervenfaser
durch Quetschen entfernen, und es bleibt dann, entspre-
chend dem, was früher als Inhalt der Röhre erschien, ein
[170] äuſserst durchsichtiges, blasses Band zurück, welches früher
von der weiſsen Substanz umgeben war. (S. R. Remak
Obss. anat. et microsc. de syst. nerv. struct. Berol. 1838).


Auf diese Ergebnisse der Beobachtung läſst sich eine
zweifache Ansicht über die Nervenfasern gründen: entwe-
der dieses blasse Band ist die eigentliche Nervenfaser und
die weiſse Substanz nur eine Rinde um dieselbe (dies ist
die Ansicht von Remak), oder die Nervenfaser ist wirk-
lich eine hohle Faser, deren Wand von der weiſsen Sub-
stanz gebildet wird, deren Inhalt aber nicht flüssig ist, son-
dern von einer ziemlich festen Substanz, nämlich eben je-
nem Bande gebildet wird.


Ueber das Verhältniſs der Nervenfasern zu den Zellen
muſs uns die Entwickelungsgeschichte Aufschluſs geben.
Remak*) beschreibt den frühern Zustand der Nerven auf
folgende Weise: „In der dritten Woche des Embryolebens
besteht beim Kaninchen die Substanz der Cerebrospinal-
nerven theils aus unregelmäſsig runden, theils aus läng-
lichen, mit einem viel feinern anhängenden Fädchen verse-
henen, meist durchsichtigen Körperchen, die reihenweise
gelagert sind, ohne daſs jedoch eine bestimmte faserige
Struktur zu erkennen ist.“ Und l. c. pag. 153: „Eine
strukturlose, im Allgemeinen kugelige Masse ist die ur-
sprüngliche Form, aus welcher die Primitivfasern der Ce-
rebrospinalnerven sich entwickeln. Diese Primitivfasern
sind zuerst varikös und marklos; die meisten von ihnen
gehen durch die Mittelstufe der Uebergangsfasern in die
Form der cylindrischen über.“


Ich habe die Entstehung der Nervenfasern bei Schwei-
nefötus untersucht. Die Nerven des Fötus haben nicht
die glänzend weiſse Farbe, wie die des Erwachsenen, son-
dern sie sind grau und durchscheinend, und zwar um so
mehr, je jünger der Embryo ist. Man darf hieraus schon
[171] erwarten, auch bei der mikroskopischen Untersuchung die
weiſse Substanz der Nervenfasern weniger vollständig oder
gar nicht entwickelt zu finden. Breitet man einen Nerven
von einem etwa 6 Zoll langen Schweinefötus nach der
gewöhnlichen Präparationsmethode durch Zerren und un-
ter Anwendung von Wasser aus, so sieht man einzelne
Nervenfasern, denen des Erwachsenen sehr ähnlich und mit
fast eben so dunkeln Konturen versehen. Der gröſste Theil
der Substanz aber bildet keine zusammenhängende Fasern,
sondern besteht aus einzelnen runden Kugeln, oder mehr oder
weniger langen, unregelmäſsigen Cylinderchen, die nach
der Länge des Nerven liegen, übrigens aber so dunkle
Konturen, wie die Nervenfasern haben. Diese scheinen
das zu sein, worauf sich Remak in der oben erwähnten
Beschreibung bezieht. Auſserdem aber sieht man eine
Substanz von ganz anderem Ansehn, ohne die dunkeln
Konturen nicht durchsichtig, sondern granulirt aussehend,
und in dieser erkennt man deutlich Zellenkerne. Man
übersieht sie leicht oder hält sie für etwas Fremdartiges,
wenn die übrigen Bestandtheile vorwalten. Sie ist aber in
der That das Primitive der Nerven, denn ihre relative
Menge ist um so grösser, je jünger der Fötus ist, und bei
einem Schweinefötus von 3 Zoll Länge fand ich sie als
alleiniges Konstituens der Nerven, so daſs noch gar keine
mit so dunkeln Konturen versehene Fasern, Cylinder oder
Kugeln zu sehen waren. Doch scheint die Entwickelung
der Nerven nicht bei allen Individuen gleichmäſsig zu er-
folgen; denn bei anderen, kaum gröſseren Schweinefötus
waren schon solche dunkle Kugeln und Cylinder da. Tab. IV.
Fig. 6 stellt ein Stückchen von N. ischiadicus, und Fig. 7 vom
N. brachialis jenes Schweinefötus dar. Man sieht einen ziemlich
blassen, sehr fein granulirten Strang, der durch gewisse Schat-
tirungen nach seiner Länge, wie sie die Abbildung dar-
stellt, den Ausdruck einer groben Faserung zeigt. Ge-
wöhnlich im Laufe der schattirten Stellen, und zwar in
der ganzen Dicke des Stranges, sieht man runde oder
meistens ovale Körperchen, die man sogleich als Zellen-
[172] kerne erkennt und die zuweilen auch noch ein oder zwei
Kernkörperchen zeigen. Zuweilen trennt sich von einem
solchen Strange eine Faser und steht isolirt hervor, wie
bei a in beiden Figuren, und man sieht dann, dass die Kerne
im Verlaufe der Fasern liegen. Eine Faser zeigt in ihrem
Verlaufe mehrere Kerne, so wie es bei den sekundären
Muskelzellen der Fall war (siehe Figur 8b). Bei der
vierten Klasse oder den Faserzellen habe ich dies nie
beobachtet. Obgleich man in diesem frühern Zustande
diese (Nerven-) Fasern nicht deutlich als hohl erkennt,
indem die Wand vom Inhalt sich nicht mikroskopisch un-
terscheiden läſst, so wird dies doch, wie wir sehen wer-
den, im Verfolg der Entwickelung sehr wahrscheinlich.
Wenn nun diese (Nerven-) Fasern darin mit den sekun-
dären Muskelzellen in ihrem frühern Zustande überein-
stimmen, daſs sie hohl sind und in ihrem Verlaufe an meh-
rern Stellen Kerne enthalten, die man in ihrer Form als
die gewöhnlichen Zellenkerne erkennt, so wird daraus auch
eine ähnliche Entstehungsweise, wie bei den Muskeln wahr-
scheinlich, daſs sie nämlich durch Verschmelzung primärer
Zellen sich bilden, deren Kerne eben jene an den Fasern
vorkommenden Kerne sind, so daſs also die Nervenfasern
sekundäre Zellen wären und den sekundären Muskelzellen
oder den Muskelprimitivbündeln entsprechen würden. Die
wirkliche Beobachtung der primären Nervenzellen, so lange
sie noch selbstständig sind, ist deſshalb schwer, weil man
dann die Nerven noch nicht als solche erkennt. Ein gan-
zes Organ besteht in dieser Zeit noch bloſs aus selbststän-
digen, indifferenten Zellen. Zwar sah ich eine mit einem
Kern versehene, selbstständige Zelle, die sich in dem obi-
gen Präparat von dem Strange getrennt zu haben schien
(siehe Figur 6 b); aber ich kann nicht mit Bestimmtheit
behaupten, daſs sie sich wirklich von diesem getrennt
hatte und daſs sie eine primäre Nervenzelle war, da die
primären Zellen noch indifferent sind. Wir müssen uns
also hier wenigstens vorläufig mit der Analogie der Mus-
keln begnügen.


[173]

Diese Fasern oder sekundären Muskelzellen sind in
ihrem Ansehn von den spätern Nervenfasern sehr ver-
schieden, mit bestimmten aber nicht dunkeln Konturen ver-
sehen; sie haben ein blasses, granulirtes Ansehn. Bei fort-
schreitender Entwickelung aber bilden sie sich zu den
spätern weiſsen Nervenfasern aus. Tab. IV. Fig. 8d stellt
den Uebergang dar. Nach rechts ist die abgebildete Faser
noch ganz wie im jüngern Zustande, blaſs, granulirt und
mit einem Zellenkern versehen; nach links hat sie schon
ganz die spätere Form. Sie hat eine dunkle Kontur, ist
nicht granulirt, und beide Theile gehen unmittelbar inein-
ander über. Die Identität dieser blassen Fasern und der
spätern weiſsen Nervenfasern steht also fest.


Worin besteht nun aber diese Umwandlung jener blas-
sen, granulirten Fasern in die weiſsen Nervenfasern? Of-
fenbar in der Entwickelung der weiſsen Substanz; aber die
Art dieser Entwickelung kann man sich auf eine dreifache
Weise vorstellen. Sie kann geschehen 1) indem sich um
jede Faser die weiſse Substanz als eine Rinde bildet, die
jede Faser umschlieſst. Bei dieser Erklärung würde die
Faser identisch sein mit dem von Remak entdeckten blas-
sen Bande, so daſs also dieses Band die Zellenmembran
selbst wäre. 2) Man könnte die weiſse Substanz für eine
Umwandlung und Verdickung der Zellenmembran jener
Fasern oder sekundären Nervenzellen halten. Bei dieser
Erklärung wäre die weiſse Substanz die Zellenmembran,
und das Band von Remak der feste Inhalt der secundä-
ren Zelle. 3) Die dritte Erklärungsweise wäre die, daſs
sich die weiſse Substanz als sekundäre, chemisch von der
Zellenmembran verschiedene Ablagerung auf der innern
Fläche der Zellenmembran bildet, und dann erst der Rest
der Zellenhöhle durch das Remak’sche Band ausge-
füllt wird.


Man sieht, daſs diese Frage analog ist der bei den
Muskeln aufgeworfenen: ob die eigentliche Muskelsub-
stanz eine Verdickung der ursprünglichen Zellenmembran
selbst, oder eine sekundäre Ablagerung auf derselben ist.
[174] Ihre Beantwortung ist in beiden Fällen für den Beweis der
Entstehung der Nerven und Muskeln aus Zellen nicht wesent-
lich, aber um so wichtiger für die Deutung der Struktur eines
ausgebildeten Nerven. So viel die wenigen Beobachtun-
gen, die ich darüber angestellt habe, einen Schluſs erlau-
ben, scheint mir die letzte Ansicht, nämlich daſs die weiſse
Substanz eine sekundäre Ablagerung auf der innern Fläche
der Zellenmembran ist, die wahrscheinlichste. Die weiſse
Substanz jedes Nerven ist nämlich auſsen mit einer struk-
turlosen, fein granulirt aussehenden, eigenthümlichen Haut
umgeben. Diese erscheint als ein schmaler, heller Saum,
welcher sich deutlich von den dunkeln Konturen der wei-
ſsen Substanz unterscheidet. Es scheint, daſs man diese
Membran mit zum Neurilem oder zu dem Zellgewebe ge-
rechnet hat, womit die Nervenfaser umgeben ist, und, ob-
gleich diese Membran bei Froschnerven meist sehr scharf nach
auſsen begrenzt ist, so würde man bei Säugethieren an
ganzen Nervenfasern schwerlich zu einer andern Ueber-
zeugung kommen, wenn man nicht Gelegenheit hätte, die
Membran isolirt zu sehen. Tab. IV. Fig. 9 a stellt ein sol-
ches Präparat dar vom N. vagus in der Schädelhöhle ei-
nes Kalbes. Hier ist durch die Präparation die Kontinui-
tät der weiſsen Substanz des Nerven an einer Stelle ge-
trennt. Man unterscheidet aber da, wo sie noch vorhan-
den ist, deutlich die doppelten Konturen, also die Dicke
der weiſsen Substanz. Der Nerv ist aber auch da, wo die
weiſse Substanz entfernt ist, scharf nach auſsen begrenzt,
obgleich nur mit blassen Konturen, und diese blasse Kon-
tur geht nicht in die äuſsere dunkle Kontur der weiſsen
Substanz über, sondern setzt sich als ein schmaler Saum
auſsen, parallel den beiden Konturen der weiſsen Substanz
fort. Also ist die weiſse Substanz der Nerven auſsen mit
einer dünnen, blassen Membran umgeben, die nach auſsen
scharf begrenzt ist. Wenn die Membran sehr dünn
ist, so läſst sie sich nicht als blasser Saum um die
Nervenfaser erkennen; man sieht sie aber doch deut-
lich an Stellen, wo die weiſse Substanz zerstört ist: siehe
[175] Figur 9 b. Schon die scharfe äuſsere Begrenzung
spricht gegen eine Zusammensetzung dieser Membran aus
Zellgewebe; man sieht aber auch in dem freiliegenden
Stück der Membran gar keine faserige Struktur; sie sieht
nur etwas fein granulirt aus. Ist dies richtig, so kann sie
nichts Anderes als die Zellenmembran der Nervenfaser
oder sekundären Nervenzelle sein. Die weiſse Substanz
ist dann eine sekundäre Ablagerung auf der innern Fläche
derselben. Dafür spricht nun auch die Lage der Zellen-
kerne. Die meisten Zellenkerne, wie sie an den jüngsten
noch blassen Nervenfasern vorkommen, verschwinden bei
der Ausbildung der weiſsen Substanz, wie dieſs ja bei den
meisten andern Zellen ebenfalls der Fall ist. Einzelne
scheinen aber doch längere Zeit zu bleiben; man sieht we-
nigstens zuweilen, obwohl nicht oft, an Nerven, deren
weiſse Substanz vollständig entwickelt ist, seitwärts noch
hier und da einen Zellenkern, der in dem blassen Saume
liegt, welcher auſsen die weiſse Substanz umgiebt. Fig. 9 cd
stellt solche Fasern vom Nerv. vagus desselben Kalbes
dar. In der Faser c bildet sogar die weiſse Substanz,
entsprechend dem Kern, einen kleinen Vorsprung in die
Höhle der Faser. Dieser Zellenkern scheint also wirklich
der Faser anzugehören und an der innern Fläche der Zel-
lenmembran zu liegen, während die weiſse Substanz so
abgelagert ist, daſs der Kern nach auſsen von ihr liegen
bleibt. Das von Remak entdeckte Band würde dann der
eigentliche Zelleninhalt sein. Ich bitte indessen, dieſs nur
als einen Versuch einer Deutung zu betrachten, über des-
sen Richtigkeit weitere Untersuchungen entscheiden müs-
sen, da zur Sicherheit in einem so wichtigen Gegenstande
viel ausführlichere Untersuchungen und eine monographi-
sche Behandlung durchaus nothwendig ist.


Nach dieser Deutung ist also jede Nervenfaser in ih-
rem ganzen Verlaufe eine sekundäre Zelle, entstanden
durch Verschmelzung primärer, mit einem Kern versehe-
ner Zellen. Man muſs an diesen Zellen unterscheiden:
1) eine äuſsere blasse, granulirt aussehende, nicht faserige,
[176] dünne Zellenmembran, an deren innerer Fläche bei ganz
jungen Nerven konstant, bei etwas älteren, wo die weiſse
Substanz entwickelt ist, in einzelnen Fällen noch Zellen-
kerne anliegen. 2) Auf der innern Fläche dieser Zellen-
membran ist die weiſse, fettartige Substanz der Nerven
abgelagert, welche vorzugsweise das eigenthümliche An-
sehn und die scharfen Konturen der Nerven veranlaſst.
Wenn diese Lage dick ist, so unterscheidet man ihre dop-
pelten Konturen, wodurch der Nerv sein röhrenartiges An-
sehn erhält; wenn sie aber dünn ist, so lassen sich die
doppelten Konturen nicht erkennen. Morphologisch ent-
spricht [...]ie also der eigenthümlichen Muskelsubstanz, weil
diese sich ebenfalls als sekundäre Ablagerung auf der Mem-
bran der sekundären Muskelzellen bildet. 3) Der übrige
Zelleninhalt scheint von einer festen Substanz, nämlich dem
von Remak entdeckten Bande ausgefüllt zu sein. Hier-
für findet sich bei den ausgebildeten Muskeln kein Ana-
logon, da die sekundäre Ablagerung bei den Muskeln, näm-
lich die Bildung der eigentlichen Muskelsubstanz, so lange
fortdauert, bis die Höhle der sekundären Muskelzelle ganz
gefüllt ist.


Wir haben bisher die Entstehung der Nerven bis zu
ihrer völligen Ausbildung verfolgt, ohne daſs dabei jene
unregelmäſsigen Kugeln und Cylinderchen von dunkeln
Konturen, die, wie oben p. 171 angegeben wurde, auſser
den blassen Fasern und den vollständigen Nervenfasern
auf einer mittlern Entwickelungsstufe der Nerven vorkom-
men, als eine Uebergangsstufe sich zeigten. Ich möchte
sie für Kunstprodukt halten, entstanden durch die Einwir-
kung des Wassers und des Druckes auf die noch zarten
Nerven. Wenn nämlich Wasser durch die Zellenmembran
durch Imbibition durchdringt, so zieht sich die ölartige
weiſse Substanz zu einzelnen abgerundeten Formen um so
leichter zurück, je weniger Konsistenz sie hat. Man sieht
dieſs selbst noch an erwachsenen Nerven oft: ein ganzer
Nerv zerfällt dadurch oft in einzelne Kugeln oder Cy-
linderchen, die scharf abgegrenzt sind, so daſs nur die Zel-
[177] lenmembran ununterbrochen als ein blasser Streifen von
der äuſsern Wand des einen dunkeln Stückchens zu der
des andern fortläuft. Valentin hat eine Abbildung von
solchen zerfallenen Nerven gegeben (Acta Acad. Leopold.
Nat. Curios. Vol. XVIII. Tab. III. Fig. 7). Wenn nun
beim Fötus die weiſse Substanz weniger consistent ist,
so zerfällt sie noch leichter, und man kann die künstliche
Entstehung solcher Kugeln leicht bei Fötalnerven beob-
achten.


Die Nerven wachsen weder von der Peripherie nach
den Centralorganen, noch von den Centralorganen nach
der Peripherie hin, sondern ihre primären Zellen sind un-
ter den Zellen enthalten, aus denen sich jedes Organ bildet,
und die wenigstens ihrem Ansehen nach indifferent sind.
Als Nerven charakterisiren sie sich erst, wenn sie reihen-
weise zu einer sekundären Zelle verschmelzen. Nach die-
ser Verschmelzung bildet jede Nervenfaser eine einzige
Zelle, welche ununterbrochen von dem Organ, in dem sie
sich peripherisch endigt, zu den Centralorganen des Ner-
vensystems läuft. Die Bildung der weiſsen Substanz der
Nerven scheint an den peripherischen Enden der Nerven
später zu erfolgen, als in den Stämmen. In der medizi-
nischen Zeitung 1837, August, beschrieb ich Nerven aus
dem Schwanze der Froschlarven, die in ihrem Ansehen
ganz verschieden seien von den gewöhnlichen Nerven, eine
blasse Kontur und keine erkennbare Höhle zeigen. Dieſs
waren Nerven im jungen Zustande vor Entwickelung der
weiſsen Substanz. An sehr jungen Larven sieht man nur
solche im Schwanze jener Larven. Allmählig zeigen sich ein-
zelne und später mehrere Nerven von dem gewöhnlichen
Ansehn mit dunkeln Konturen, und zwar findet man sie
zuerst in der Nähe des in der Mitte des Schwanzes ver-
laufenden Muskelbündels. Es scheint also, daſs die Ent-
wickelung der weiſsen Substanz von den Stämmen gegen
die Peripherie fortschreitet. Diese weiſsen Fasern werden
nach der Peripherie hin feiner und blasser. Zuweilen
scheint eine solche Faser ziemlich plötzlich selbst mit einer
12
[178] unvollständigen Zuspitzung aufzuhören. Aber dann sieht
man gewöhnlich bei genauerer Betrachtung einige äuſserst
zarte, sehr dünne Fädchen davon abgehen. Auch jene blas-
sen jungen Nervenfasern im Schwanze jener Larven thei-
len sich, wie ich schon a. a. O. erwähnte. Es ist nun die
Frage: Sind jene feinern Fasern, welche eine wenigstens
scheinbare Theilung veranlassen, schon in einer gewöhn-
lichen weiſsen primitiven Nervenfaser vorbereitet, oder
sind es wahre Theilungen? Da jede Nervenfaser eine se-
kundäre Zelle ist und ihren Charakter als einfache Zelle
beibehält, indem die einfache Zellenmembran von ihren se-
kundären Ablagerungen und vom Inhalt der Zelle unter-
schieden fort existirt, so ist es zwar denkbar, daſs in die-
sen sekundären Ablagerungen oder im Zelleninhalte sich
Fasern bilden, wie bei den Muskeln, obgleich bis jetzt nichts
dafür spricht; aber diese Fasern könnten aus der weiſsen
Nervenfaser eben so wenig frei hervortreten, als die Pri-
mitivfasern bei den Muskeln aus der sekundären Muskel-
zelle, weil dadurch die Zellenmembran der sekundären Zelle
durchbrochen werden müſste. Jene Theilungen können also,
insofern dasjenige, woraus sie hervorgehen, einer gewöhn-
lichen Nervenfaser entspricht und nicht bloſs ein Bündel
sehr feiner sekundärer Nervenzellen ist, keine bloſs schein-
bare, sondern nur wahre Theilungen sein, indem sich eine
einfache sekundäre Nervenzelle in mehrere feine Fasern
verlängert, ganz auf analoge Weise, wie wir es oben p. 138
bei den Faserzellen gesehen haben. Die Endigung der
Nervenfasern würde also an dieser Stelle, nämlich im
Schwanze der Froschlarven, darin bestehen, daſs die Ner-
venfasern, d. h. die sekundären Zellen, zuletzt mehr in-
different werden, und nach Art der Faserzellen oder der
sternförmigen Zellen nach verschiedenen Seiten hin sich
zertheilen. Ich habe a. a. O. noch Anschwellungen an den
blassen Nervenfasern im Schwanze der Froschlarven er-
wähnt. Diese haben eine doppelte Bedeutung: Einzelne,
die nämlich gegen die Faser ringsum scharf abgegrenzt sind,
sind die Kerne der Zellen, aus denen die Faser entstand;
[179] die meisten aber, die ohne scharfe Grenze in die Faser
übergehen, und zwar gewöhnlich an solchen Stellen, wo eine
Theilung und ein Abgehen von Fasern nach verschiedenen
Seiten hin Statt findet, sind die Körper der ursprünglichen
Zellen, welche, besonders wenn sie sich nach verschiede-
nen Seiten hin in Fasern verlängern, etwas dicker bleiben
als ihre Verlängerungen selbst, wie man dieſs auch an den
Pigmentzellen Tab. II. Fig. 9 a sieht.


b) Graue oder organische Nervenfasern.
Die grauen Stränge, welche nach den Untersuchungen
von Retzius und von J. Müller vom sympathischen Ner-
vensystem den Cerebrospinalnerven beigemischt werden und
weite Strecken isolirt in diesen fortlaufen, verdanken nach
den Untersuchungen von Remak ihr graues Ansehen „der
eigenthümlichen Struktur der Primitivfasern, welche aus
den Ganglien entstehen. Diese sind nämlich nicht röhrig,
d. h. mit einer Scheide umgeben, sondern nackt, sehr durch-
sichtig, gleichsam gallertartig, viel feiner als die meisten
primitiven Röhren. Sie zeigen auf ihrer Oberfläche fast
immer Längslinien, und lösen sich leicht in sehr feine Fa-
sern auf. In ihrem Verlaufe sind sie sehr häufig mit ova-
len Knötchen versehen, und mit gewissen kleinen, ovalen
oder runden, selten unregelmäſsigen Körperchen bedeckt,
die einen einfachen oder mehrfachen Kern zeigen und in
ihrer Gröſse den Kernen der Ganglienkugeln beinahe gleich-
kommen.“ (Observationes anat. et microsc. de system. ner-
vos. structura. Berol. 1838. p. 5.)*)


Diese Körperchen erkennt man sowohl in den von
Remak gegebenen Abbildungen, als in der Natur sofort
als Zellenkerne, welche rund oder oval und oft mit ein
12*
[180] oder zwei Kernkörperchen versehen sind. Sie sitzen an
den feinsten Fasern, und da sie dicker als diese sind, so
scheint es oft, als ob sie nur auſsen auf den Fasern säſsen.
Allein daſs dieſs wirklich der Fall ist, kann man aus den
Beobachtungen nicht schlieſsen. Bei den sekundären Mus-
kelzellen, bei denen die Kerne entschieden innerhalb der
Zelle liegen, hat es auch oft besonders in späteren Entwicke-
lungsperioden vor dem Verschwinden der Kerne das An-
sehen, als ob die Kerne auſserhalb der Zelle lägen, indem
sie nach auſsen gedrängt werden. Aber die Zellenmem-
bran wird dabei ohne Zweifel eben so hügelförmig in die
Höhe gehoben, wie dieſs an den Fettzellen Tab. III. Fi-
gur 10 sehr deutlich war. Diese feinsten, mit Zellenker-
nen versehenen organischen Fasern gleichen nun ganz dem
frühern Zustande der weiſsen Nervenfasern, wie sie Tab. IV.
Fig. 8 a b abgebildet wurden. Beide haben dasselbe blasse,
fein granulirte Aussehen, und Zellenkerne in ihrem Ver-
laufe. Die organischen Fasern sind nur viel feiner und
die Zellenkerne kleiner. Jede einzelne mit einem Kern
versehene organische Faser (nicht ein ganzes Bündel der-
selben) entspricht einer einzelnen weiſsen Primitivfaser und
ist wahrscheinlich ebenso, wie diese, eine sekundäre Zelle,
entstanden durch Verschmelzung primärer Zellen, deren
Kerne die von Remak beschriebenen Knötchen an diesen
Fasern sind. Aus der Aehnlichkeit der organischen Fa-
sern mit dem, was ich als früheren Zustand der weiſsen
Nervenfasern beschrieben habe, könnte man einen Einwurf
gegen meine Darstellung über die Entstehung der Nerven
erheben, und sagen, daſs jene Form nur scheinbar die frü-
here Form der weiſsen Nervenfasern sei, weil sich die orga-
nischen Nerven früher entwickelten als die weiſsen Ner-
ven, und deſshalb Anfangs nur organische Fasern da seien.
Allein dieſs wird widerlegt durch die Beobachtung des wirk-
lichen Ueberganges, wie ihn Tab. IV. Fig. 8 cd darstellt.
Aus jeder blassen, mit Zellenkernen versehenen Faser ent-
steht unmittelbar durch Bildung der weiſsen Substanz, wahr-
scheinlich als einer sekundären Ablagerung auf der innern
[181] Fläche der hohlen Faser eine weiſse Nervenfaser. Bei den
organischen Fasern kommt es entweder erst viel später
oder gar nicht zur Bildung dieser weiſsen Substanz, wel-
che der Analogie nach an jeder feinsten Faser Statt ha-
ben müſste, und ihre Eigenthümlichkeit besteht also darin,
daſs sie auf einer frühern Entwickelungsstufe stehen blei-
ben, und entweder gar nicht oder viel später die höhere
Entwickelung der gewöhnlichen Nerven erreichen (was durch
eine Vergleichung ihrer Zahl bei alten und jungen Indivi-
duen auszumachen wäre). Man kann sich vorstellen, daſs
die Funktion der organischen Nerven, mag sie nun wirk-
lich eine chemisch vitale sein oder bloſs in der Vermitt-
lung unwillkührlicher Bewegung bestehen, auf dieselbe
Weise weniger entwickelte Nerven fordert, wie die un-
willkürlichen Muskeln auch nicht den Grad der Ausbil-
dung erreichen, als die willkürlichen.


2) Ganglienkugeln.

Sie kommen bekanntlich in der grauen Substanz des
Gehirns, des Rückenmarks und in den Ganglien vor, und
erscheinen gewöhnlich als verhältniſsmäſsig groſse körnige
Kugeln, welche in sich excentrisch ein rundes Bläschen
enthalten, in dem sich noch ein oder zwei kleine dunkle
Punkte zeigen. Nach Remak kommen dieser Bläschen
zuweilen zwei in Einer Kugel vor. Valentin (Nov. act.
Acad. Leopold. XVIII. p. 196) macht auf die Aehnlichkeit
ihrer Zusammensetzung mit dem Ei aufmerksam, indem er
das Bläschen der Ganglienkugeln mit dem Keimbläschen,
das Parenchym derselben mit der Dottersubstanz vergleicht,
und beiden Gebilden eine schützende Hülle aus zellgewe-
beartigen Fasern beilegt. Dieser Vergleich ist gewiſs sehr
treffend, nur darf man die äuſsere Hülle beider nicht als
etwas Unwesentliches, aus andern Elementartheilen Zusam-
mengesetztes betrachten, sondern die Ganglienkugeln sind,
wie der Dotter, wahre Zellen, und die äuſsere Haut ist ein
wesentlicher Bestandtheil derselben, nämlich die Zellen-
membran. Die Dotterhaut ist bei den Eiern im Eierstock
[182] der Vögel vollkommen strukturlos, nicht aus feinern Ele-
mentartheilen zusammengesetzt; ebenso die Hülle der Gan-
glienkugeln. Beides sind wahre einfache Zellen Das Pa-
renchym der Ganglienkugeln ist der Zelleninhalt, und das
Bläschen in denselben der Zellenkern; die kleinen Kör-
perchen in diesem Bläschen sind die Kernkörperchen. Das
Bläschen der Ganglienkugeln liegt, wie bei allen Zellen,
excentrisch an der innern Fläche der Zellenmembran. Am
deutlichsten läſst sich diese Zellenmembran an den Gan-
glienkugeln in den sympathischen Nerven des Frosches vor
ihrer Verbindung mit dem plexus ischiadicus erkennen. S.
Tab. IV, Fig. 10 a. Sie erscheint hier verhältniſsmäſsig
dunkel, und sowohl nach innen als nach auſsen scharf be-
grenzt, so daſs sich ihre Dicke leicht messen läſst. Va-
lentin
hat schon darauf aufmerksam gemacht, daſs bei
niedern Thieren die Scheide der Ganglienkugeln dicker ist.
Bei Fröschen scheint sich an der angegebenen Stelle zu-
weilen eine Ganglienkugel innerhalb einer andern Zelle
zu erzeugen. Siehe Fig. 10 b. Der Inhalt dieser Gan-
glienkugeln ist eine feinkörnige, gelbliche Substanz, und dieſs
scheint überhaupt das Gewöhnliche zu sein. Doch sah ich
auch einmal bei einer Ganglienkugel vom Kopfe eines Och-
sen (ich weiſs nicht genau, von welcher Stelle), daſs das
Körnige bloſs in der Oberfläche der Ganglienkugel lag, und
das Innere hell war, was sich beim Rollen der Kugeln
deutlich unterscheiden lieſs. Daſs zuweilen zwei Kerne
in einer Ganglienkugel vorkommen, ist nicht auffallend;
wir haben dieſs schon an mehrern Zellen, namentlich bei
den Knorpeln gefunden. Hier war dann aber nur der eine
der wahre Zellenkern, der Cytoblast der Knorpelzelle, der
andere eine spätere Bildung innerhalb der Zelle.


3) Kapillargefäſse.

Auf Tab. II. Fig. 9 sind zwei sternförmige Pigment-
zellen dargestellt, die sich bei a miteinander verbinden.
Es entstanden hier in einiger Entfernung von einander zwei
[183] Zellen, deren Körper man als zwei etwas dickere Stellen
noch unterscheidet. Diese Zellen wuchsen nach verschie-
denen Seiten hin in hohle Fortsetzungen aus, die wie die
Höhle des Zellenkörpers selbst mit Pigment gefüllt sind.
Zwei Fortsetzungen der beiden Zellen stieſsen bei a zu-
sammen und verwuchsen dort, und dabei scheint zugleich
an der verwachsenen Stelle die Scheidewand resorbirt wor-
den zu sein, so daſs die Höhlen der beiden Zellen unmit-
telbar mit einander communiciren; wenigstens ist keine Un-
terbrechung in dem Pigment, welches den Inhalt der Zel-
len und ihrer Fortsätze bildet, zu erkennen (s. oben p. 88).
Denkt man sich nun, daſs mehrere solche sternförmige Zel-
len auf einer groſsen Fläche in eben solchen Entfernun-
gen von einander entstehen, daſs mehrere Verlängerungen
der einzelnen Zellen sich mit mehrern Verlängerungen an-
derer Zellen nach derselben Weise verbinden, wie es in
der angegebenen Figur bei a dargestellt ist, so entsteht ein
Netz von Kanälen über die ganze Fläche, die alle mit ein-
ander communiciren. Die Gröſse der Maschen des Netzes
hängt von der Entfernung der Zellen von einander und
von der Zahl der Fortsetzungen an jeder einzelnen Zelle
ab. Dieſs scheint nun der Bildungsprozeſs der Kapillarge-
fäſse zu sein.


Die Beobachtungen, welche für diese Art der Bildung
der Kapillargefäſse sprechen, wurden theils am Schwanze
sehr junger Froschlarven, theils an der Keimhaut des Hüh-
nereies angestellt. Es sind folgende:


1) Am Schwanze sowohl erwachsener als junger Frosch-
larven sieht man, daſs die Kapillargefäſse von einer zwar
dünnen, aber deutlich unterscheidbaren Haut umgeben sind,
in der sich keine Fasern unterscheiden lassen. S. Tab. IV,
Fig. 11. Daſs man diese Haut nicht an allen Kapillargefäſsen
unterscheiden kann, läſst sich durch eine verschiedene Dicke
derselben erklären, so wie man ja auch an den Blutkörperchen
die Zellenmembran nicht unterscheidet, obgleich sie unzwei-
felhaft vorhanden ist. Wo die Kapillargefäſswände noch Fa-
sern zeigen, haben sie schon eine komplizirtere Bildung,
[184] und diese Fasern sind dann, wie ich glaube, von der Zel-
lenmembran der Kapillargefäſse verschieden.


2) An den Wänden der Kapillargefäſse junger sowohl
als erwachsener Froschlarven kommen von Stelle zu Stelle
sehr evidente Zellenkerne vor. Sie liegen, so viel sich
unterscheiden läſst, in der Dicke der Wand oder an der
innern Fläche der Kapillargefäſse, so daſs sie oft an dieser
einen Vorsprung bilden. Siehe Fig. 11. Sie lassen eine
verschiedene Erklärung zu. Es sind entweder die Kerne
der primären Kapillargefäſszellen, oder es sind Kerne von
Epitheliumzellen, welche die Kapillargefäſse auskleiden.
Epitheliumzellen kommen allerdings an Gefäſsen, die den
Kapillargefäſsen sehr nahe stehen oder auch wirklich wel-
che sind, vor, wie man sehr deutlich an den Gefäſsen in
der Membrana capsulopupillaris 4—6 Zoll langer Schweine-
embryonen sieht, wo sie zum Theil sogar halbkugelig in
die Höhle des Gefäſses hineinragen; allein an den Kapil-
largefäſsen im Schwanze der Froschlarven sind keine Epi-
theliumzellen, die diese Kerne umgäben, zu erkennen. Diese
scheinen vielmehr oft frei an der innern Wandfläche des
Gefäſses zu liegen, und sie müſsten auch viel häufiger sein,
wenn es Kerne von Epitheliumzellen wären. Die Erklärung
dieser Kerne als Kerne der primären Kapillargefäſszellen
bleibt daher, obgleich durch diese exklusive Beweisführung
keineswegs entschieden, doch die wahrscheinlichste.


3) An sehr jungen Froschlarven sieht man, während
die meisten Kapillargefäſse die gewöhnliche cylindrische
Gestalt haben, gleichmäſsig dick sind, und während in die-
sen das Blut ungestört flieſst, eine andere unregelmäſsige
Form von Kapillargefäſsen. Leider habe ich versäumt, im
Frühjahr eine Abbildung davon zu nehmen; in der Haupt-
sache aber stimmen sie mit den Kapillargefäſsen überein,
wie sie von der Keimhaut des Hühnereies auf Tab. IV.
Fig. 12 schematisch dargestellt sind, nur daſs die Maschen
des Gefäſsnetzes im Schwanze der Froschlarven weit gröſser
sind. Diese Kapillargefäſse sind nicht regelmäſsig cylin-
drisch, sondern von sehr verschiedener Dicke. Gewöhn-
[185] lich sind sie an den Stellen, wo Aeste abgehen, am brei-
testen, zuweilen selbst breiter als die gewöhnlichen Ka-
pillargefäſse (S. a, b der Figur). Die Aeste verschmälern
sich von solchen breiten Stellen aus sehr bald, und erwei-
tern sich wieder, so wie sie sich einer andern breiten
Stelle nähern. In dem Grade dieser Verschmälerung kom-
men alle Uebergangsstufen vor, von solchen Gefäſsen, wo
die Verschmälerung kaum merkbar ist, bis zu solchen,
wo die verschmälerte Stelle kaum dicker ist als eine Zell-
gewebefaser, z. B. bei c der Figur. Auſserdem gehen zu-
weilen von solchen dickern Stellen Aeste aus, die sich
ebenfalls schnell bis zur Feinheit von Zellgewebefasern ver-
schmälern, und dann sich verlieren, ohne eine andere dik-
kere Stelle zu erreichen, z. B. d, e der Figur, also blinde
Aeste. Nach der obigen Ansicht über die Entstehung der
Kapillargefäſse ist die Deutung dieser Beobachtungen fol-
gende: die dicken Stellen a, b u. s. w. sind die Körper
der primären Kapillargefäſszellen. Durch stellenweise stär-
keres Wachsthum bilden sich, wie bei allen sternförmi-
gen Zellen, hohle Fortsetzungen dieser Zellenkörper, wie
bei d. Diese Fortsetzungen stoſsen auf ähnliche von an-
dern, und dadurch entsteht die Form c. Da aber diese
Fortsetzungen hohl sind, so können sie sich durch Wachs-
thum ausdehnen, und so verwandelt sich das Kanälchen c
in f und zuletzt in g, welches die Dicke eines gewöhnli-
chen Kapillargefäſses hat. Zur Beurtheilung, inwiefern diese
Deutung richtig ist, ist aber eine genauere Kritik der Beob-
achtung nöthig. Zunächst kann man in Zweifel ziehen,
ob man es überhaupt hier mit Kapillargefäſsen zu thun
hat. Während in den gewöhnlichen Kapillargefäſsen das
Blut ungestört flieſst, finden sich in diesen Kanälchen, we-
nigstens in den feinern, keine Blutkörperchen; sie sind
deſshalb auch schwerer aufzufinden, und man kann daher
sogar bezweifeln, ob es auch nur Kanälchen sind. Allein
der unmittelbare Uebergang in gewöhnliche Kapillargefäſse
läſst sich doch deutlich nachweisen, und in die gröbern
dringen auch wirklich Blutkörperchen ein. Wenn es also
[186] wirkliche Kapillargefäſse sind, so können sie entweder ge-
wöhnliche Kapillargefäſse im kontrahirten Zustande, oder
sie müssen eine Entwickelungsstufe derselben sein. Ist es
nun aber schon schwer denkbar, daſs sich ein Kapillarge-
fäſs bis beinahe zur Feinheit eines Zellgewebefadens soll
zusammenziehen können, so läſst sich diese Annahme gar
nicht durchführen bei den blinden Aesten, welche kein
anderes Kapillargefäſs erreichen, wie bei d. Man könnte
nun aber zugeben, daſs diese Form der Kapillargefäſse
zwar eine Entwickelungsstufe ist, aber nicht in der oben
geschilderten Weise, sondern so, daſs aus den vorhandenen
Kapillargefäſsen Aeste hervorwachsen, die sich wieder wei-
ter verästeln. Dem Einwurfe, daſs dadurch die verschie-
dene Dicke dieser Kapillargefäſse an verschiedenen Stel-
len nicht erklärt wird, lieſse sich durch die Annahme be-
gegnen, daſs dieſs durch die umgebende Substanz bedingt
sein könnte. Deſshalb ist es nothwendig, die primären Ka-
pillargefäſszellen vor ihrer Verbindung mit wirklichen Ka-
pillargefäſsen zu beobachten. Es kommen nun allerdings
im Schwanze der Froschlarven eine Menge sternförmiger
Zellen vor. Sie liegen unter dem Epithelium und unter
den Pigmentzellen im Niveau der Kapillargefäſse, sind
kleiner als die Pigmentzellen, enthalten kein Pigment, son-
dern eine farblose oder blaſsgelbliche Substanz; sie schik-
ken bald mehr, bald weniger Fortsetzungen nach verschie-
denen Seiten ab, die aber gewöhnlich nur kurz sind und
gewöhnlich nicht mit den Fortsetzungen anderer in Verbin-
dung treten. Ihre Form steht in keinem Zusammenhange mit
der Form der höher liegenden Pigmentzellen, so daſs, wenn
diese auch alle nur nach zwei Seiten hin Fortsetzungen
ausschicken, wie dieſs bei vielen Larven der Fall ist, diese
Zellen doch mehrere Fortsetzungen nach verschiedenen Sei-
ten hin zeigen. Aus diesen Gründen können es keine jün-
gere Pigmentzellen sein. Solche Aeste der Kapillarge-
fäſse, wie bei d, scheinen nun zuweilen mit einer solchen
sternförmigen Zelle sich zu verbinden, und deſshalb könnte
man die übrigen für junge Kapillargefäſszellen halten, bei
[187] denen aber eine solche Vereinigung noch nicht eingetreten
ist. Allein diese Verbindungen sind nicht evident genug,
als daſs ich sie sicher behaupten möchte. Auch kommen
diese sternförmigen Zellen in allzugroſser Menge und in
jedem Alter der Larven vor. Man könnte zwar sagen,
daſs diese Zellen, als auf einer tiefern Stufe stehend, mehr
indifferent sind, daſs aus einigen sich Kapillargefäſse ent-
wickeln, andere ohne diese Entwickelung fortexistiren und
die Stelle der Zellgewebezellen vertreten. Allein dieſs
wäre etwas sehr Hypothetisches, und ich will deſshalb diese
Zellen nicht als Beweis für die Existenz primärer Kapil-
largefäſszellen anführen. Die über diesen Punkt im Schwanze
der Froschlarven unsichere Beobachtung scheint sich aber
an bebrüteten Hühnereiern ergänzen zu lassen.


4) Bringt man die Keimhaut eines etwa 36 Stunden
bebrüteten Hühnereies, in dem die begonnene Bildung von
rothem Blut schon deutlich zu erkennen ist, unter das Mi-
kroskop und untersucht die area pellucida bei 450facher
Vergröſserung, so sieht man darin Kapillargefäſse, die sich
durch ihre gelblich-röthliche Farbe deutlich unterscheiden
lassen. Es hat mir in der gegenwärtigen Jahreszeit wäh-
rend der Mauserzeit der Hühner trotz wiederholter Ver-
suche nicht gelingen wollen, Eier soweit zu bebrüten, so
daſs ich nur aus der Erinnerung eine schematische Dar-
stellung dieser Kapillargefäſse geben kann, wie ich sie im
Anfange dieses Jahres beobachtet habe (siehe Tab. IV,
Fig. 12). An einigen Stellen sind die Kapillargefäſse voll-
ständig und hängen mit den gröſsern Gefäſsen zusammen;
an andern verhalten sie sich ungefähr wie die Figur zeigt,
und wie es oben nach Beobachtungen an dem Schwanze
junger Froschlarven erläutert wurde. Auſser diesen ein
Netz ungleichmäſsig dicker Kanälchen bildenden Kapillar-
gefäſsen, von denen auch blinde Aeste abgehen, kommen
noch einzelne unregelmäſsige Körperchen, wie h und i vor,
die mit dem Netz nicht zusammen zu hängen scheinen.
Diese schicken nach verschiedenen Seiten hin blinde Fort-
sätze von verschiedener Form aus, so daſs sie wie stern-
[188] förmige Zellen aussehen. Sie sind gelb-röthlich gefärbt,
wie die wirklichen Kapillargefäſse, und dieſs erweckt schon
die Vermuthung, daſs sie im Entstehen begriffene Kapillar-
gefäſszellen sind. Dieſs wird um so wahrscheinlicher, da
man einzelne solcher Körperchen sieht, z. B. k, die schon
mit den wirklichen Kapillargefäſsen zusammenhängen. Man
kann also wenigstens mit hoher Wahrscheinlichkeit diese
Körperchen als die primären Kapillargefäſszellen betrach-
ten, und dann würde die obige Darstellung über die Bil-
dung der Kapillargefäſse die richtige sein. Die Bildung
der Kapillargefäſse und des Blutes würde also in der Keim-
haut auf folgende Weise vor sich gehen: Unter den Zel-
len, woraus die Keimhaut besteht, bilden sich einige in
gewissen Entfernungen von einander gelegene, durch Ver-
längerung nach verschiedenen Seiten hin zu sternförmigen
Zellen, den primären Kapillargefäſszellen, aus. Die Verlän-
gerungen verschiedener Zellen stoſsen auf einander, ver-
wachsen, die Scheidewände werden resorbirt, und so ent-
steht ein Netz sehr ungleichmäſsig dicker Kanälchen, indem
die Verlängerungen der primären Zellen viel dünner sind,
als die Zellenkörper. Diese Verlängerungen oder Verbin-
dungsgänge der Zellenkörper dehnen sich aber aus, bis sie
unter einander und mit den durch das Wachsthum sich ver-
engenden Zellenkörpern gleiche Dicke haben, bis sie also
ein Netz gleich dicker Kanälchen bilden. Die Blutflüs-
sigkeit ist der Inhalt sowohl der primären, als der ver-
schmolzenen oder sekundären Kapillargefäſszellen, und die
Blutkörperchen sind junge Zellen, die sich in der Höhle
der Kapillargefäſszellen bilden.


So hätten wir also auch in dieser letzten Klasse, wel-
che die für das Thierreich in ihren Funktionen am mei-
sten charakteristischen Gewebe umfaſst, dasselbe Entwicke-
lungsprinzip wie in den übrigen Klassen wiedergefunden:
auch diese Gewebe bilden sich dadurch, daſs zunächst Zel-
len entstehen, wie in allen andern Geweben, und daſs diese
Zellen sich in die Elementartheile dieser Gewebe umwan-
[189] deln. Die Elementarzellen erleiden aber in dieser Klasse
bei ihrer Umwandlung wesentlichere Veränderungen, als bei
einer der vorigen Klassen. Sie bleiben nicht nur, wie in
den beiden ersten Klassen, nicht selbstständig, d. h. mit ei-
ner besondern Höhle und besonderer Wand versehen, es
tritt nicht nur, wie in der dritten Klasse, eine Verschmel-
zung der Wände benachbarter Zellen ein, sondern durch
Resorption der verschmolzenen Zwischenwände mehrerer
Zellen flieſsen auch die Höhlen verschiedener Zellen zu-
sammen, so daſs die primären Zellen als etwas Besonderes
zu existiren vollständig aufhören. Es ist gewissermaſsen
der entgegengesetzte Prozeſs von dem, was in der vierten
Klasse eintrat, wo auſser der Verlängerung der Zellen ein
Zerfallen in viele, wahrscheinlich hohle Fasern, eine Art
Theilung der Zellen Statt fand. Der Typus der Umwand-
lung der primären Zellen, wie er bei den Nerven, Mus-
keln und Kapillargefäſsen vorkommt, ist aber nicht durch-
aus auf diese Klasse beschränkt, sondern zeigte sich auch
schon in frühern Klassen, und selbst bei den Pflanzen.
Als Beispiele wurden schon oben einige Pigmentzellen,
und als vollkommene Analogie unter den Pflanzen die
von Meyen beobachtete Entstehung der Bastzellen an-
geführt.


Durch eine solche vollständige Verschmelzung meh-
rerer Zellen geht allerdings die Selbstständigkeit jeder ein-
zelnen primären Zelle verloren, nicht aber der Charakter
als Zelle überhaupt. Es bildet sich vielmehr aus mehrern
einzelnen primären Zellen Eine sekundäre Zelle, welche
die volle Bedeutung Einer Zelle und zwar einer selbst-
ständigen hat. Bei den Muskeln und Nerven bildet jede
einzelne sekundäre Zelle ein geschlossenes Ganze, und
der Unterschied zwischen Zellenmembran und Zelleninhalt
oder sekundärer Ablagerung scheint durch das ganze Le-
ben zu bleiben. Durch die Nerven wird es auf diese
Weise bewirkt, daſs jeder Theil des Körpers mit den Cen-
traltheilen des Nervensystems durch eine einzige ununter-
brochene Zelle in Verbindung steht. Die einzelnen Theile
[190] des Körpers stehen aber noch durch eine andere Art un-
unterbrochener sekundärer Zellen unter einander in Ver-
bindung, nämlich durch die Kapillargefäſse. Das Kapillar-
gefäſssystem, entstanden aus vielen primären Zellen, bildet
eine einzige sekundäre Zelle. Die Höhle dieser sekundä-
ren Zelle öffnet sich in die Höhle der groſsen Gefäſse.
Es bedarf noch einer Untersuchung, ob diese als bloſse
Erweiterungen von Kapillargefäſsen, oder ob sie bloſs
durch die Aneinanderfügung anderer Elementartheile ent-
stehen. Im letzteren Falle würden sich die Kapillargefäſse
in eine Höhle öffnen, die für sie etwas Aeuſseres wäre,
wie wenn sich eine Pflanzenzelle in einen Intercellular-
raum öffnete. Obgleich solche Fälle selten sind, so kommt
es doch vor, daſs die Höhle einzelner Pflanzenzellen sich
geradezu nach auſsen öffnet.


Wie nun in dieser Klasse ein primitives Muskelbündel,
eine Nervenfaser und ein Kapillargefäſs einander entspre-
chende Bildungen sind, so kann man auch diese Gebilde
mit den Elementartheilen der übrigen Gewebe vergleichen.
Die Elementarzellen entsprechen einander in allen Ge-
weben, da sie überall nach denselben Gesetzen sich
bilden. Ein Blutkörperchen, eine Epitheliumzelle, eine
Knorpelzelle, eine Elementarzelle des Zellgewebes, also
auch ein sich daraus bildendes Bündel von Zellgewebe-
fasern entsprechen einer Elementarzelle der Muskeln u. s. w.
Ein ganzes Muskelprimitivbündel oder eine sekundäre Mus-
kelzelle oder eine Nervenfaser hat kein Analogon unter
den Hauptbestandtheilen der früheren Gewebe, da hier die
Bildung sekundärer Zellen nur ausnahmsweise vorkommt.
Ein Muskelbündel ist daher verschieden von einem Zell-
gewebebündel, und eine Primitivfaser des Zellgewebes hat
gar keine Analogie mit einer primitiven Muskelfaser.


[[191]]

III. Abschnitt.
Rückblick auf die vorige Untersuchung. Der
Zellenbildungsprozeſs. Theorie der Zellen.


Wir haben uns bisher mit der detaillirten Untersuchung
über die Bildungsweise der einzelnen Gewebe aus Zellen,
mit der Entwickelungsart der einzelnen Zellen und der
Vergleichung der verschiedenen Zellen untereinander be-
schäftigt. Wir müssen uns nun über all’ dieses Detail er-
heben, um die Untersuchung in ihren gröſsern Umrissen zu
überblicken und den Gegenstand in seinen tieferen Bezie-
hungen auffassen zu können. Als nächster Zweck der Un-
tersuchung wurde oben die Nachweisung der Uebereinstim-
mung der Elementartheile der Thiere mit den Pflanzenzel-
len aufgestellt. Der Ausdruck „pflanzenähnliches Leben“
ist aber so vieldeutig, daſs er fast mit gefäſslosem Wachs-
thum gleichbedeutend genommen wird, und es wurde deſs-
halb oben pag. 8 diese nachzuweisende Uebereinstimmung
dahin erklärt, daſs gezeigt werden müsse, daſs die Elemen-
tartheile der Thiere und Pflanzen Produkte derselben bil-
denden Kraft seien, weil sie sich unter gleichen Erschei-
nungen entwickeln; daſs ein gemeinsames Bildungsprinzip
allen Elementartheilen der Thiere und Pflanzen zu Grunde
liege. Nachdem wir jetzt die Entstehung der einzelnen
Gewebe verfolgt haben, wird es leichter sein, den Sinn
dieser Art von Parallelisirung verschiedener Elementar-
theile klar aufzufassen, und wir müssen uns dabei etwas
länger verweilen, nicht nur weil es die Grundidee der
Untersuchung ist, sondern weil alle physiologischen Fol-
[192] gerungen von der richtigen Auffassung dieses Prinzips
abhängen.


Faſst man die organische Natur, Thiere und Pflanzen,
als ein Ganzes im Gegensatz zur anorganischen auf, so
finden wir alle Organismen und alle einzelnen Organe der-
selben nicht als kompakte Massen, sondern zusammenge-
setzt aus zahllosen kleinen Theilchen von bestimmter Form.
Die Form dieser Elementartheile ist aber auſserordentlich
mannichfaltig, besonders bei den Thieren; bei den Pflan-
zen sind es meistens oder ausschlieſslich Zellen. Dieſs
schien im Zusammenhange zu stehen mit der bei den
Thieren weit mannichfaltigern physiologischen Funktion der
Elementartheile, so daſs man den Grundsatz aufstellen
konnte, daſs jede Verschiedenheit der physiologischen Be-
deutung eines Organs eine Verschiedenheit der Elementar-
theile erfordere, und man auch umgekehrt aus der Gleich-
heit zweier Elementartheile auf die gleiche physiologische
Bedeutung zu schlieſsen berechtigt schien. Unter den sehr
verschiedenen Formen der Elementartheile war es sehr
natürlich, daſs manche mehr oder weniger einander ähn-
lich waren, und nach dieser gröſsern oder geringern Form-
ähnlichkeit konnte man sie etwa eintheilen in Fasern, wel-
che bei Thieren die gröſste Masse des Körpers bilden, in
Zellen, Röhren, Kugeln u. s. w. Natürlich war dieſs nur
eine naturhistorische Eintheilung, keine physiologische Be-
griffsbestimmung, und so verschieden z. B. eine primitive
Muskelfeser von einer Zellgewebefaser, so verschieden alle
Fasern von den Zellen erschienen, ebenso muſste zwischen
den einzelnen Zellenarten ein nur gradweise verschiedener
Unterschied statt finden. Es hatte das Ansehn, als ob der
Organismus die Moleküle zu den bestimmten Formen, wel-
che seine verschiedenen Elementartheile zeigen, so zusam-
menfüge, wie es die physiologische Funktion erfordert.
Daſs sich jede einzelne Art der Elementargebilde auf eine
bestimmte und bei physiologisch demselben Gebilde überall
gleiche Weise entwickele, durfte man voraussetzen, und
diese Entwicklungsweise war auch schon bei den Muskel-
[193] fasern, den Blutkörperchen, dem Ei (siehe den Nachtrag),
den Epitheliumzellen mehr oder weniger vollständig bekannt.
Allein die Ausdehnung der einmal ihrer Form nach gebilde-
ten Elementartheile schien hier das einzige allen Gemeinsame
zu sein. Die Art, wie sich die verschiedenen Elementar-
theile zuerst bilden, schien dabei sehr verschieden. Bei
den Muskelfasern waren es Kügelchen, die sich reihenweise
aneinanderlegen und zu einer Faser verschmelzen, die dann
in der Richtung der Länge weiter wächst. Bei den Blut-
körperchen war es ein Kügelchen, um das sich ein Bläs-
chen bildet, welches weiter wächst; bei dem Ei war es
ein Kügelchen, um welches sich ein Bläschen entwickelt,
welches wächst, und um welches sich ein zweites weiter-
wachsendes Bläschen bildet.


Die Untersuchungen von Schleiden klärten den Bil-
dungsprozeſs der Pflanzenzellen auf’s Herrlichste auf, und
zwar schien dieser Bildungsprozeſs bei allen Pflanzenzellen
derselbe. Betrachtete man also das Pflanzenreich als etwas
Besonderes, ganz getrennt vom Thierreich, so hatte man
hier ein gemeinsames Entwicklungsprincip für alle Ele-
mentartheile des pflanzlichen Organismus, und es lieſsen
sich daraus die physiologischen Folgerungen über das selbst-
ständige Leben der einzelnen Pflanzenzellen u. s. w. ziehen.
Betrachtete man aber die Elementartheile der Thiere und
Pflanzen unter einem gemeinsamen Gesichtspunkte, so er-
schienen die Pflanzenzellen nur als eine einzelne Spezies,
koordinirt den verschiedenen Spezies thierischer Zellen,
so wie die ganze Gattung Zellen den Fasern u. s. w. koor-
dinirt war, und das gleiche Entwicklungsprinzip der Pflan-
zenzellen lieſs sich durch die geringe physiologische Ver-
schiedenheit der Elementartheile der Pflanzen erklären.


Das Thema der vorliegenden Untersuchung war nun, zu
zeigen, daſs bei der Bildung der Elementartheile der Organis-
men die Moleküle nicht auf eine Weise zusammengefügt wer-
den, welche nach der physiologischen Bedeutung der Ele-
mentartheile verschieden ist, sondern daſs sie überall nach
denselben Gesetzen sich aneinanderlegen, so daſs, mag sich
13
[194] eine Muskelfaser, eine Nervenröhre oder ein Ei oder ein
Blutkörperchen bilden sollen, überall zuerst ein Körper-
chen von bestimmter, nur einigen Modifikationen unter-
worfener Form, ein Zellenkern, entsteht, um dieses Kör-
perchen sich eine Zelle bildet und erst durch die Verän-
derungen, welche eine oder mehrere dieser Zellen erleiden,
die spätern Formen der Elementartheile entstehen, kurz
ausgedrückt, daſs es ein gemeinsames Entwicklungsprinzip
für alle Elementartheile der Organismen gibt.


Zum Beweise dieses Satzes war es nothwendig den
Entwicklungsgang zweier beliebiger, aber unzweifelhaft
physiologisch verschiedener Elementartheile zu verfolgen
und miteinander zu vergleichen. Stimmten diese nicht
etwa bloſs im Wachsthum, wenn sie ihren Bestandtheilen
nach schon gebildet sind, sondern auch in ihrer Entstehung
vollkommen überein, so war dadurch das Prinzip festgestellt,
daſs physiologisch ganz verschiedene Elementartheile sich
nach denselben Gesetzen entwickeln können. Dieſs war
die Aufgabe des ersten Abschnittes. Es wurde dort der
Entwicklungsgang der Knorpelzellen und der Zellen der
Chorda dorsalis mit dem Entwicklungsgang der Pflanzen-
zellen verglichen. Entwickelten sich die Pflanzenzellen
bloſs als unendlich kleine Bläschen, die sich immer mehr
ausdehnen, zeigten sie in ihrer Entwicklung nicht so cha-
rakteristische Momente, wie die von Schleiden nachge-
wiesenen, so wäre ein Vergleich in dem Sinne, wie es
hier verlangt wird, kaum möglich gewesen. Im ersten
Abschnitt wurde nun zu beweisen gesucht, daſs der kom-
plicirte Entwicklungsgang der Pflanzenzellen sich eben so
bei den Knorpelzellen und den Zellen der Chorda dor-
salis wiederfindet. Es zeigte sich dabei die ähnliche Bil-
dung des Zellenkernes und seiner Kernkörperchen in all
seinen Modifikationen mit dem Kern der Pflanzenzellen, die
Präexistenz des Zellenkerns und die Bildung der Zelle
um denselben, die gleiche Lage des Kerns in Beziehung
zur Zelle, das Wachsthum der Zellen und die Verdickung
der Zellenwand bei dem Wachsthum, die Bildung von Zel-
[195] len in Zellen und die Umwandlung des Zelleninhaltes, ähn-
lich wie bei den Pflanzenzellen. Hier fand also eine voll-
ständige Uebereinstimmung in allen bekannten Vorgängen
bei der Entwicklung zweier physiologisch ganz verschiede-
ner Elementartheile statt, und es stellte sich somit der
Satz fest, daſs das Entwicklungsprincip physiologisch ganz
verschiedener Elementartheile dasselbe sein könne und bei
diesen zunächst verglichenen Elementartheilen, so viel er-
kennbar, wirklich dasselbe ist.


Faſst man aber die Sache von diesem Gesichtspunkte
auf, so ist man gezwungen, die Allgemeinheit dieses Ent-
wicklungsprinzips nachzuweisen, und dieſs war die Aufgabe
des zweiten Abschnittes. So lange man nämlich Elemen-
tartheile annimmt, die nach ganz anderen Gesetzen entste-
hen, und deren Entwicklung mit den, zunächst in Bezug
auf ihr Entwicklungsprinzip miteinander verglichenen Zel-
len in keinem Zusammenhange steht, muſs man auch im-
mer noch eine unbekannte Verschiedenheit in den Bildungs-
gesetzen der zunächst verglichenen Elementartheile vermu-
then, wenn sie auch in vielen Punkten übereinstimmen.
Je gröſser dagegen die Zahl der, soviel erkennbar, auf
gleiche Weise entstehenden, physiologisch verschiedenen
Elementartheile ist, je gröſser die Verschiedenheit dieser
Elementartheile ihrer Form und physiologischen Bedeutung
nach ist, während sie doch in den erkennbaren Vorgängen
ihrer Bildungsweise übereinstimmen, um so sicherer kann
man annehmen, daſs ein vollständig gleiches Entwicklungs-
prinzip allen Elementartheilen zu Grunde liegt. Es zeigte
sich nun in der That, daſs die Elementartheile der meisten
Gewebe, wenn man sie von ihrem ausgebildeten Zustande
zu ihrer ersten Entstehung rückwärts verfolgt, nur weitere
Entwickelungen von Zellen sind, die, so weit die noch
unvollständigen Beobachtungen reichen, selbst auf ähnliche
Weise sich zu bilden scheinen, wie die im ersten Abschnitt
verglichenen Zellen. Fast überall fanden sich, wie man
es nach jenem Prinzip erwarten muſste, ursprünglich die
Zellen mit den sehr charakteristischen Zellenkernen ver-
13*
[196] sehen, und zum Theil wurde auch die Praeexistenz die-
ses Zellenkerns und die Bildung der Zellen um denselben
nachgewiesen, und diese Zellen erlitten dann erst die ver-
schiedenen Modifikationen, wodurch sie zuletzt in die ver-
schiedenartigen Formen der Elementartheile der Thiere
umgewandelt werden. So löste sich z. B. die scheinbare
Verschiedenheit der Entwicklungsweise der Muskelfasern
und der Blutkügelchen, wovon erstere durch Aneinander-
reihung von Kügelchen, letztere durch Bildung eines Bläs-
chens um ein Kügelchen entstehen, dadurch zu einer Ein-
heit auf, daſs nicht die Muskelfasern den Blutkügelchen
koordinirte Elementartheile sind, sondern daſs erst die
Kügelchen, woraus die Muskelfasern entstehn, den Blut-
körperchen entsprechen, und, wie diese, Bläschen oder Zel-
len sind, welche den charakteristischen Zellenkern enthal-
ten, der wahrscheinlich auch hier, wie der Kern der Blut-
körperchen sich vor der Zelle bildet. Auf analoge, jedoch
sehr mannigfaltige Weise bilden sich die Elementartheile
aller Gewebe aus Zellen, so daſs man den Grundsatz auf-
stellen kann: daſs es ein gemeinsames Entwick-
lungsprinzip für die verschiedensten Elementar-
theile der Organismen gibt, und daſs die Zellen-
bildung dieses Entwicklungsprinzip ist
. Dieſs
ist das Hauptresultat der bisher mitgetheilten Beobachtungen.


Derselbe Prozeſs der Bildung und Umwandlung von
Zellen innerhalh einer strukturlosen Substanz wiederholt
sich bei der Bildung aller Organe eines Organismus, so
wie bei der Bildung neuer Organismen, und das Grund-
phänomen, durch welches sich überall die produktive Kraft
in der organischen Natur äuſsert, ist demnach folgendes:
Es ist zuerst eine strukturlose Substanz da,
welche entweder innerhalb oder zwischen schon
vorhandenen Zellen liegt. In dieser Substanz
bilden sich nach bestimmten Gesetzen Zellen,
und diese Zellen entwickeln sich auf mannich-
faltige Weise zu den Elementartheilen der Or-
ganismen
.


[197]

Die Entwicklung des Satzes, daſs es ein allgemeines
Bildungsprinzip für alle organischen Produktionen gibt,
und daſs die Zellenbildung dieses Bildungsprinzip ist, und
die aus diesem Satze hervorgehenden Folgerungen kann
man mit dem Namen der Zellentheorie im weitern
Sinne belegen, während wir im engern Sinne unter Theo-
rie der Zellen dasjenige verstehen, was sich aus diesem
Satze über die, diesen Erscheinungen zu Grunde liegenden
Kräfte schlieſsen läſst.


Wenn nun aber auch dieses Prinzip als unmittelbares
Resultat der mehr oder weniger vollständigen Beobachtun-
gen als im Allgemeinen richtig hingestellt werden kann,
so darf man sich doch einzelne Ausnahmen, oder wenig-
stens bis jetzt unerklärte Verschiedenheiten nicht verheh-
len. Dahin gehört z. B. die Zerfaserung der Zellenwände
im Innern der Chorda dorsalis der Knochenfische, von der
oben pag. 16 die Rede war. Ferner haben mehrere Be-
obachter schon auf die faserige Struktur der festen Sub-
stanz einiger Knorpel aufmerksam gemacht. Man sieht
z. B. in den Rippenknorpeln alter Leute diese Fasern sehr
deutlich; jedoch scheinen sie nicht gleichmäſsig durch den
Knorpel vertheilt, sondern nur stellenweise vorhanden zu
sein; bei neugebornen Kindern sah ich sie gar nicht. Es
sieht so aus, als ob hier eine Zerfaserung des vorher struk-
turlosen Cytoblastems statt fände; doch habe ich keine nä-
heren Untersuchungen darüber angestellt. Auch die Bil-
dung der Markkanälchen in den Knochen ist durch die
Beobachtung noch nicht anfgeklärt, und es wurde nur hy-
pothetisch ihre analoge Entstehungsweise mit den Kapillar-
gefässen vermuthet. Die Bildung der Knochenlamellen
um diese Kanälchen ist auch eine Erscheinung, wo das Cy-
toblastem eine bestimmte Form annimmt. Wir werden in-
dessen unten auf eine nicht unwahrscheinliche Erklärung
dieses Phänomens zurückkommen. Bei mehreren Drüsen,
z. B. bei den Nieren eines jungen Säugethierfötus, ist die
das Lumen des Drüsenkanälchens zunächst umgebende Zel-
lenschicht von einer äuſserst zarten Membran umgeben
[198] die ein Elementargebilde und nicht aus Zellgewebe zusam-
mengesetzt zu sein scheint. Die Entstehung dieser Mem-
bran ist noch nicht klar, obgleich sich verschiedene Wege
denken lassen, wie sie mit dem Zellenbildungsprozeſs in
Uebereinstimmung gesetzt werden kann. (Diese Drüsen-
cylinder scheinen Anfangs ganz mit Zellen ausgefüllt und
noch keine freie Höhle zu enthalten. In den Nieren von
Schweinembryonen fand ich in den Cylinderchen manche
Zellen, die so groſs waren, daſs sie fast die ganze Dicke
des Kanälchens ausfüllten. In anderen Cylinderchen war
zwar die ihre Wände später bedeckende Zellenschicht ge-
bildet, aber das Lumen von sehr blassen durchsichtigen
Zellen gefüllt, die sich durch Kompression am freien Ende
des Cylinderchens herauspressen lieſsen.)


Diese und ähnliche Erscheinungen mögen einstweilen
als Probleme hingestellt bleiben. Obgleich sie die höchste
Beachtung verdienen und weitere Untersuchungen erfor-
dern, so wird es doch für den Augenblick erlaubt sein,
davon zu abstrahiren, da bei der Aufstellung jedes allge-
meinen Prinzips, wie die Geschichte lehrt, im Anfange fast
immer Unregelmäſsigkeiten übrig bleiben, deren Entwick-
lung sich erst später ergibt.


Die Elementartheile der Organismen stehen nun nicht
mehr lose nebeneinander als Bildungen, die sich nur ihrer
Formähnlichkeit nach naturhistorisch klassifiziren lassen;
sie sind durch ein gemeinsames Band, die Gleichheit ihres
Bildungsprinzips verbunden, und nach den verschiedenen
Modifikationen, in welchen sich dieses äuſsert, ist ein Ver-
gleich und eine physiologische Eintheilung derselben mög-
lich. Wir haben im Vorigen bereits die Gewebe nach
dieser physiologischen Eintheilung abgehandelt und die ver-
schiedenen Gewebe untereinander verglichen, wobei sich
herausstellte, daſs die naturhistorische Zusammenfassung
verschiedener, ähnlich geformter Elementartheile nicht so-
fort einen Schluſs auf ihre physiologische, auf die Gesetze
ihrer Entwicklung gegründete Stellung erlaube. So wurde
z. B. der naturhistorische Begriff „Zellen“ im Allgemeinen
[199] auch zu einem physiologischen, indem die meisten darun-
ter zusammengefaſsten Elementartheile auch ihrem Entwick-
lungsprinzip nach dasselbe sind; allein es muſsten doch
einzelne, z. B. das Keimbläschen, alle hohlen Zellenkerne,
so wie die Zellen, deren Wände aus andern Elementarthei-
len zusammengesetzt werden, davon getrennt werden, ob-
gleich z. B. das Keimbläschen im naturhistorischen Sinne
eine Zelle ist. Es entspricht nicht einer Epitheliumzelle,
sondern dem Kern einer Epitheliumzelle. Noch auffallen-
der zeigte sich die Verschiedenheit beider Eintheilungswei-
sen bei den Fasern. Diese entstehen auf die mannichfal-
tigste Weise, und wie wir sahen, ist eine Zellgewebefaser
wesentlich verschieden von einer Muskelfaser, während
dagegen ein ganzes primitives Muskelbündel seiner Ent-
stehung nach dasselbe ist, wie eine Nervenfaser u. s. w.
Durch das Vorhandensein eines gemeinsamen Entwicklungs-
prinzips für alle Elementartheile der Organismen wird ein
neuer Theil der allgemeinen Anatomie begründet, den man
den philosophischen Theil derselben nennen könnte, dessen
Aufgabe ist: 1) die allgemeinen Entwicklungsgesetze der
Elementartheile der Organismen nachzuweisen. 2) die ver-
schiedenen Elementartheile nach dem allgemeinen Entwick-
lungsprinzip zu deuten und miteinanweder zu vergleichen.


Ueberblick des Zellenlebens.


Die bisherige Untersuchung hat uns zu dem Entwick-
lungsprinzip der Elementartheile der Organismen geleitet,
indem wir diese Elementartheile aus ihrem vollendeten
Zustande zu ihren früheren Entwicklungstufen zurück ver-
folgten. Wir wollen jetzt von dem Entwicklungsprinzip
ausgehend die Elementartheile im erwachsenen Zustande
rekonstruiren, um so übersichtlich die Gesetze zusammen-
fassen zu können, nach welcher die Bildung der Elemen-
tartheile vor sich geht. Wir haben daher hier zu be-
trachten: 1) das Cytoblastem. 2) die Gesetze, nach wel-
chem sich neue Zellen in dem Cytoblastem erzeugen.
3) den Bildungsprozeſs der Zellen selbst. 4) die man-
[200] nigfaltige Entwicklungsweise der Zellen zu den Elemen-
tartheilen der Organismen.


Cytoblastem. Das Cytoblastem oder die struktur-
lose Substanz, in der sich neue Zellen bilden sollen, findet
sich entweder in schon vorhandenen Zellen als Zellenin-
halt, oder zwischen den Zellen als Intercellularsubstanz.
Hier soll nur von dem Cytoblastem die Rede sein, welches
auſser den vorhandenen Zellen liegt, da wir den Zellenin-
halt später zu betrachten haben. Dieses ist in sehr ver-
schiedener Quantität vorhanden, bald in so geringer Menge,
daſs es zwischen den erwachsenen Zellen nicht mit Sicher-
heit erkannt werden kann, und nur zwischen den jüngsten
Zellen beobachtet werden kann, z. B. in der zweiten Klasse
der Gewebe, bald ist es in so groſser Menge vorhanden,
daſs die darin entstehenden Zellen sich gar nicht berüh-
ren, z. B. in den meisten Knorpeln. Das Cytoblastem ist
nicht überall in seinen chemischen und physikalischen Ei-
genschaften dasselbe. Bei den Knorpeln ist es sehr kon-
sistent und gehört zu den festesten Theilen des Körpers,
beim Zellgewebe ist es gallertartig, beim Blut ist es
ganz flüssig. Diese physikalischen Unterschiede setzen
auch eine chemische Verschiedenheit voraus. Das Cyto-
blastem des Knorpels verwandelt sich durch Kochen in
Leim, was das Blut nicht thut, und auch der Schleim, in
dem sich die Schleimzellen bilden, ist von dem Cytobla-
stem der Blut- und der Knorpelzellen verschieden. Das
Cytoblastem auſser den vorhandenen Zellen scheint ähn-
lichen Veränderungen unterworfen, wie der Zelleninhalt;
es ist in der Regel eine homogene Substanz; doch kann
es auch durch eine chemische Umwandlung feinkörnig wer-
den, z. B. beim Zellgewebe und bei den Zellen des Feder-
schaftes u. s. w. In der Regel nimmt seine Quantität mit
der Entwicklung der Zellen relativ ab; doch scheint bei
den Knorpeln mit dem Wachsthume des Gewebes auch
eine relative Vermehrung des Cytoblastems statt haben zu
können. Was das physiologische Verhältniſs des Cytobla-
stems zu den Zellen anbelangt, so kann dasselbe ein doppeltes
[201] sein: erstens muſs es den Nahrungsstoff für die Zellen enthal-
ten, zweitens muſs es auch wenigstens theilweise dasjenige
enthalten, was von diesem Nahrungsstoff übrig bleibt, wenn
die Zellen das zu ihrem Wachsthume Nothwendige aus diesem
Nahrungsstoffe ausgezogen haben. Das Cytoblastem erhält den
neuen Nahrungsstoff bei den Thieren aus den Blutgefäſsen,
bei den Pflanzen vorzugsweise durch die langgestreckten
Zellen und die Gefäſsbündel; doch gibt es auch viele Pflan-
zen, welche aus einfachen Zellen bestehen, so daſs auch
eine Fortleitung der Nahrungsflüssigkeit durch die einfachen
Zellen statt haben muſs, und überhaupt sind ja auch Blut-
gefäſse und Gefäſsbündel nur Modifikationen von Zellen.


Gesetze für die Entstehung neuer Zellen in
dem Cytoblastem
. In jedem Gewebe, welches aus
einer bestimmten Art von Zellen besteht, bilden sich die
neuen Zellen derselben Art nur da, wo zunächst der fri-
sche Nahrungsstoff in das Gewebe eindringt. Hierauf be-
ruht der Unterschied zwischen organisirten, d. h. gefäſshal-
tigen und nicht organisirten, d. h. gefäſslosen Geweben.
Bei den organisirten Geweben ist die Nahrungsflüssigkeit,
der Liquor sanguinis, vermittelst der Gefässe durch das
ganze Gewebe verbreitet, daher entstehen hier die neuen
Zellen in der ganzen Dicke des Gewebes. Bei den ge-
fäſslosen Geweben dagegen, z. B. der Epidermis wird die
Nahrungsflüssigkeit nur von unten dem Gewebe zugeführt,
und deſshalb entstehn die neuen Zellen nur unten, da
nämlich, wo das Gewebe mit der organisirten Substanz in
Verbindung ist. Ebenso entstehen beim Knorpel in der
frühern Periode, wo er noch gefäſslos ist, die neuen Knor-
pelzellen nur ringsum an seiner Oberfläche oder wenig-
stens in deren Nähe, weil hier der Knorpel mit der orga-
nisirten Substanz in Verbindung ist, also von auſsen das
Cytoblastem eindringt. Man kann sich dieſs leicht vor-
stellen, wenn man annimmt, daſs zur Bildung neuer Zellen
ein konzentrirteres Cytoblastem erforderlich ist, als zum
Wachsthum der schon gebildeten. Bei der Epidermis z. B.
muſs das Cytoblastem unten konzentrirtern Nahrungsstoff
[202] enthalten. Wenn sich nun hier junge Zellen bilden, so
ist das Cytoblastem, welches in die obern Schichten ein-
dringt, weniger konzentrirt und kann deſshalb wohl noch
zum Wachsthum der gebildeten Zellen, aber nicht zur Er-
zeugung neuer Zellen hinreichen. Hierin liegt der Un-
terschied, den man früher zwischen einem Wachsthum durch
Appositio und durch Intussusceptio machte: der Ausdruck
„Wachsthum durch Appositio“ ist richtig, wenn man ihn
auf die Entstehung neuer Zellen, nicht auf das Wachsthum
der vorhandenen bezieht: die neuen Zellen z. B. bei der
Epidermis bilden sich allerdings nur an der untern Fläche
der Epidermis und werden nach oben geschoben, wenn
sich unter ihnen wieder neue bilden; bei den organisirten
Geweben aber entstehen die neuen Zellen in der ganzen
Dicke des Gewebes. In beiden Fällen aber wachsen die
einzelnen Zellen durch Intussusception. Die Knochen be-
finden sich gewissermaſsen auf einem Mittelzustande zwi-
schen organisirten und nicht organisirten Geweben. Der
Knorpel ist Anfangs gefäſslos und die neuen Zellen bilden
sich daher nur in der Nähe der äuſsern Oberfläche; spä-
ter erhält er Gefäſse, die in den Markkanälchen verlaufen,
die aber nicht zahlreich genug sind, daſs dadurch das ganze
Gewebe gleichmäſsig mit Blutflüssigkeit durchdrungen
werden kann, was auſserdem auch durch die gröſsere
Festigkeit des Knorpels und Knochens erschwert werden
muſs. Nach dem obigen Gesetze kann nun die Bildung
von neuem Cytoblastem und neuen Zellen theils auf der
Oberfläche des Knochens, theils rings um diese Markka-
nälchen statt finden. Nimmt man nun an, daſs dieſs we-
gen der Festigkeit der Knochensubstanz in Schichten ge-
schicht, die nicht vollständig untereinander verschmelzen,
so erklärt sich die Struktur des Knochens sehr einfach.
Er muſs aus einem doppelten Schichtensystem bestehen,
von denen das eine konzentrisch um jedes Markkanälchen,
das andere konzentrisch mit der äuſsern Oberfläche des
Knochens ist. Ist der Knochen hohl, so müssen die Schich-
ten auch konzentrisch um diese Höhle sein; und sind
[203] statt der Markkanälchen kleine Markhöhlen vorhanden, wie
in den spongiösen Knochen, so müssen die Schichten auch
konzentrisch um diese Höhlen sein. Auf demselben Ge-
setze beruht auch der Unterschied im Wachsthum der
Thiere und Pflanzen. Bei den Pflanzen wird die Nah-
rungsflüssigkeit nicht so gleichmäſsig im ganzen Gewebe
vertheilt, wie in den organisirten thierischen Geweben,
sondern mehr nach Art der Knochen durch einzelne, weit
von einander entfernt liegende Gefäſsbündel. Man sieht daher
auch diese Gefäſsbündel ringsum mit kleinen, wahrschein-
lich jüngern Zellen umgeben, so daſs auch hier die Bildung
der neuen Zellen wahrscheinlich um diese Gefäſsbündel
stattfindet, wie bei den Knochen um die gefäſshaltigen
Markkanälchen. In dem Stamm der Dikotyledonen findet
die Leitung des Saftes zwischen Rinde und Holz statt,
und deſshalb bilden sich die neuen Zellen nur schichten-
weise konzentrisch um die Schichten des vorigen Jahres.
Die verschiedene Art des Wachsthums, ob die neuen Zel-
len sich bloſs an einzelnen Stellen des Gewebes oder in
dessen ganzer Dicke gleichmäſsig entwickeln, ist also über-
all kein primärer Unterschied, sondern Folge der verschie-
denen Art der Zuleitung der ernährenden Flüssigkeit.


Eine Ausnahme von dem hier aufgestellten Gesetz
scheint auf den ersten Blick statt zu finden, wenn sich in
der Dicke eines gefäſslosen Gewebes, z. B. eines noch ge-
fäſslosen Knorpels, Zellen anderer Art bilden, z. B. Fett-
zellen. Allein dieſs ist nur scheinbar eine Ausnahme; man
kann es sich auf doppelte Weise erklären, entweder dadurch,
daſs das Cytoblastem für diese Art Zellen erst auf einer
gewissen Entwicklungsstufe der Hauptzellen des Gewebes
von diesen gebildet wird, oder dadurch, daſs das in die Tiefe
des Gewebes eindringende Cytoblastem den Nahrungsstoff
für die Hauptzellen des Gewebes in weniger konzentrir-
tem Zustande enthält, während der Nahrungsstoff für die
andere Art Zellen noch konzentrirt darin bleibt.


Nach Schleiden kommt es bei den Pflanzenzellen
niemals vor, daſs sich neue Zellen in der Intercellularsub-
[204] stanz bilden; bei den Thieren dagegen ist die Bildung von
Zellen in Zellen der seltenere Fall, kommt aber selbst in
der Art vor, daſs sich eine drei bis vierfache Generation
nacheinander in einer Zelle bilden kann. So scheint nach
den Beobachtungen von R. Wagner (S. den Nachtrag)
das Graaf’sche Bläschen eine Elementarzelle; in ihm ent-
wickelt sich das Ei ebenfalls als eine Elementarzelle; in
diesem entstehen wenigstens nach Beobachtungen am Vo-
gelei wieder Zellen, von denen einige wieder junge Zellen
enthalten. Auch bei den Knorpelzellen scheint zuweilen
eine Bildung wahrer Knorpelzellen in den schon vorhan-
denen erfolgen zu können, und in diesen können wieder
junge Zellen (Fettzellen?) entstehen. Aehnliche Beispiele
lieſsen sich noch mehrere anführen; allein schon bei den
Knorpeln entstehen bei weitem die meisten Zellen in dem
Cytoblastem auſser den vorhandenen Zellen, und eine Bil-
dung von Zellen in Zellen kommt bei den Faserzellen,
den Muskeln und Nerven gar nicht vor.


Allgemeine Erscheinungen der Bildung der
Zellen
. In dem Anfangs strukturlosen oder feinkörnigen
Cytoblastem zeigen sich nach einiger Zeit runde Körper-
chen. Diese sind entweder in ihrem frühesten Zustande.
wo sie sich erkennen lassen, schon Zellen, d. h. hohle
mit einer eigenthümlichen strukturlosen Wand versehene
Bläschen, kernlose Zellen, oder es sind nicht sofort Zel-
len, sondern Zellenkerne oder Anfänge der Zellenkerne
um die sich erst später Zellen bilden.


Die kernlosen Zellen oder, richtiger ausgedrückt, die
Zellen, in denen bis jetzt noch keine Kerne beobachtet
worden sind, kommen nur bei niederen Pflanzen vor und
sind auch bei Thieren selten. Gegenwärtig müssen indes-
sen die jungen Zellen innerhalb der alten Zellen der Chorda
dorsalis (S. pag. 15), die Zellen der Dottersubstanz des
Vogeleies (S. pag. 56), die Zellen im Schleimblatt der
Keimhaut des Vogeleies (S. pag. 66), einige Zellen der
Krystalllinse (S. pag. 100) als solche dahin gestellt blei-
ben. Tab. I. Fig. 10. c stellt eine solche kernlose Zelle
[205] dar. Hier findet also nur ein Wachsthum statt, wie es bei
den kernhaltigen Zellen geschieht, nachdem die Zellenmem-
bran gebildet ist.


Der bei weitem gröſste Theil des thierischen Körpers,
wenigstens neun und neunzig Hundertel aller Elementar-
theile des Säugethierkörpers wird aus kernhaltigen Zellen
gebildet.


Der Zellenkern ist ein Körperchen von sehr cha-
rakteristischer Form, durch welche er in der Regel leicht
erkennbar ist. Er stellt entweder ein rundes oder ovales,
sphärisches oder plattes Körperchen dar. Seine mittlere
Gröſse bei der Mehrzahl der thierischen Zellen im ausge-
bildeten Zustande mag etwa 0,0020—0,0030‴ betragen;
doch kommen auch weit gröſsere und weit kleinere Kerne
vor. Der gröſste Zellenkern möchte wohl das Keimbläs-
chen des Vogeleies sein; Beispiele sehr kleiner Zellenkerne
liefern die Kerne der Blutkörperchen warmblütiger Thiere.
Diese letzteren brauchten nur wenig kleiner zu sein, um
der Beobachtung ganz zu entgehen, so daſs diese Blutkör-
perchen dann als kernlose Zellen erscheinen würden. An
diesen sehr kleinen Zellenkernen läſst sich weiter nichts
mehr unterscheiden und die charakteristische Form der
Kerne nicht mehr nachweisen. Der Kern gröſserer Blut-
körperchen dagegen ist deutlich als Zellenkern zu erkennen.


Der Zellenkern ist in der Regel dunkel, granulös, oft
etwas gelblich; doch kommen auch ganz wasserhelle, glatte
Zellenkerne vor. Der Kern ist entweder solid und aus
einer mehr oder weniger feinkörnigen Masse zusammenge-
setzt, oder er ist hohl. Die meisten Kerne thierischer Zellen
zeigen eine mehr oder weniger deutliche Spur einer Höh-
lung, wenigstens in der Art, daſs gewöhnlich die äuſsere
Kontur des Kerns etwas dunkler ist, und die Substanz des
Kerns hier etwas dichter scheint. Oft z. B. an den Ker-
nen in den Knorpelzellen der Kiemenknorpel der Frosch-
larven erkennt man die Ausbildung des Kerns zu einem
evidenten Bläschen deutlich, als eine weitere Entwicklungs-
stufe in der Art, daſs der Kern Anfangs solide erscheint
[206] und später bei seinem Wachsthum deutlich hohl wird.
An den hohlen Zellenkernen unterscheidet man die Mem-
bran des Zellenkerns und seinen Inhalt. Die Membran
ist glatt, strukturlos, nie von bedeutender Dicke, in-
dem sie z. B. beim Keimbläschen am dicksten sein dürfte.
Der Inhalt des Zellenkerns ist entweder sehr feinkörnig,
besonders bei den kleinen hohlen Zellenkernen oder was-
serhell, z. B. beim Keimbläschen oder bei den gröſsern
Kernen in den Zellen der Kiemenknorpel von Froschlar-
ven, oder es können sich auch gröſsere Körperchen im
Inneren hohler Zellenkerne später bilden, z. B. die zahllosen
Körperchen im Keimbläschen der Fische, oder Fetttröpfchen
in dem Kern der Fettzellen in der Schädelhöhle der Fische.


Innerhalb des Kerns liegen meistens noch ein oder
zwei, viel seltener drei oder vier kleine dunkle Körper-
chen, die Kernkörperchen. Ihre Gröſse schwankt von
der eines kaum unterscheidbaren Punktes bis zu der eines
Wagner’schen Fleckes im Keimbläschen. In einigen Zel-
lenkernen sind gar keine Kernkörperchen mit Bestimmtheit
zu unterscheiden. Sie unterscheiden sich dadurch von den
gröſsern Körperchen, die sich in einzelnen hohlen Zellen-
kernen später bilden können, daſs sie am frühesten selbst
vor dem Zellenkern gebildet werden. Sie liegen an den
runden Zellenkernen excentrisch und bei den hohlen Zel-
lenkernen deutlich an der innern Wandfläche des Kerns.
Ihre Natur ist schwer zu ermitteln; sie mag auch sehr
verschieden sein in verschiedenen Zellen. In dem Kern
der Fettzellen der Schädelhöhle der Fische scheinen sie
zuweilen sich stark vergröſsern zu können, und haben dann
oft das Ansehen von Fett. Nach Schleiden kommt es
bei Pflanzen auch vor, daſs die Kernkörperchen selbst noch
hohl sind.


Die meisten Zellenkerne haben das miteinander ge-
mein, daſs sie durch Essigsäure nicht, wenigstens nicht
schnell aufgelöst und nicht durchsichtig werden, während
die meisten Zellenmembranen thierischer Zellen sehr em-
pfindlich gegen Essigsäure sind. In einigen Zellen, z. B.
[207] in den Zellen der Dotterhöhle des Vogeleies, S. Tab. II.
Fig. 3., in denen ein Kern von der gewöhnlichen Form
nicht zu erkennen ist, kommt ein Kügelchen vor, welches
wie ein Fettkügelchen aussieht, mit der Zelle, jedoch nur
in schwächern Verhältnisse, wächst, vielleicht auch vor der
Zelle sich bildet. Es muſs noch dahin gestellt bleiben, ob
dieſs die Bedeutung eines Kerns hat oder nicht.


Was nun die Entstehung des Zellenkerns an-
belangt, so bildet sich nach Schleiden bei den Pflanzen
das Kernkörperchen zuerst und um dieses der Kern. Bei
den Thieren scheint dasselbe der Fall zu sein. Nach den
Beobachtungen von R. Wagner über die Entwicklung der
Eier im Eierstock von Agrion virgo (Siehe Wagner Bei-
träge zur Geschichte der Zeugung und Entwicklung. Er-
ster Beitrag. Tab. II. Fig. 1.), bildet sich der Keimfleck
zuerst, und um diesen das Keimbläschen, welches der Kern
der Eizelle ist (S. den Nachtrag). Das a. a. O. von R.
Wagner abgebildete jüngste Keimbläschen scheint schon
hohl. Dieſs ist aber nicht der gewöhnliche Fall bei der
Entstehung der Zellenkerne. Tab. III. Fig. 1. e scheint
ein in der Entstehung begriffener Zellenkern einer Knor-
pelzelle zu sein. Man sieht dort ein kleines rundes Kör-
perchen und um dasselbe liegt etwas feinkörnige Substanz,
während das übrige Cytoblastem des Knorpels homogen
ist. Diese feinkörnige Substanz verliert sich allmälig nach
auſsen; erst später wird sie scharf abgegrenzt und zeigt
dann die Form eines Zellenkerns, der nun noch eine Zeit
lang wächst. S. Tab. III. Fig. 1. a, b. Ein solcher Zellen-
kern sieht Anfangs gewöhnlich solid aus, und viele Kerne
bleiben auf dieser Stufe; bei andern dagegen wird der am
meisten nach auſsen gelegene Theil der Substanz des Zel-
lenkerns immer dunkler, und nicht selten zuletzt zu einer
bestimmt unterscheidbaren Membran, so daſs dann der
Zellenkern hohl ist. Darnach kann man sich also den
Bildungsprozeſs des Zellenkerns so vorstellen. Es wird zu-
erst ein Kernkörperchen gebildet; um dieses schlägt sich
eine Schichte gewöhnlich feinkörniger Substanz nieder, die
[208] aber nach auſsen noch nicht scharf begrenzt ist. Indem
nun zwischen die vorhandenen Moleküle dieser Schichte
immer neue Moleküle abgelagert werden, und zwar nur
in bestimmter Entfernung von dem Kernkörperchen grenzt
sich die Schichte nach auſsen ab, und es entsteht ein mehr
oder weniger scharf begrenzter Zellenkern. Der Kern
wächst durch fortgesetzte Ablagerung neuer Moleküle zwi-
schen die vorhandenen, durch Intussusceptio. Geschieht
diese gleichmäſsig in der ganzen Dicke der Schichte, so
kann der Kern solid bleiben; geschieht sie stärker im äu-
ſsern Theil der Schichte, so wird dieser stärker verdich-
tet, und kann zu einer Membran erhärten, und daſs sind
die hohlen Zellenkerne. Daſs die Schichte in ihrem äuſsern
Theil sich gewöhnlich stärker verdichtet, kann man sich dar-
aus erklären, weil der Nahrungsstoff von auſsen zugeführt
wird, derselbe also im äuſsern Theil der Schichte konzentrir-
ter ist. Ist nun der Absatz der neuen Moleküle zwischen die
Moleküle dieser Membran so, daſs er stärker erfolgt zwi-
schen die nach der Fläche der Membran nebeneinander-
liegenden, als zwischen die nach der Dicke derselben
hintereinanderliegenden Moleküle, so muſs diese Membran
an Ausdehnung stärker als an Dicke wachsen, daher zwi-
schen ihr und den Kernkörperchen ein immer gröſserer
Zwischenraum entstehn, wobei denn die Kernkörperchen
an einer Seite an der Innenfläche der Membran ankleben
bleiben.


Ueber die Entstehung der Kerne mit zwei oder meh-
reren Kernkörperchen fehlt es noch an Beobachtungen.
Man kann sich aber leicht eine vorläufige Vorstellung da-
von machen, wenn man bedenkt, daſs zwei Kernkörperchen
so nahe aneinander liegen können, daſs die um sie sich
bildenden Schichten, bevor sie nach auſsen scharf abgegrenzt
sind, ineinanderflieſsen, so daſs nun bei fortdauernder Ab-
lagerung neuer Moleküle die äuſsere Begrenzung so ein-
tritt, daſs zwei Kernkörperchen zugleich davon umschlos-
sen werden, und nun die Weiterentwicklung erfolgt, als
ob nur ein Kernkörperchen da wäre.


[209]

Wenn der Kern eine gewisse Entwicklungsstufe er-
reicht hat, so bildet sich um ihn die Zelle. Der
Prozeſs, wodurch dieses geschieht, scheint folgender zu sein.
Auf der äuſsern Oberfläche des Zellenkerns schlägt sich
eine Schichte einer Substanz nieder, die von dem umge-
benden Cytoblastem verschieden ist. S. Tab. III. Fig. 1. d.
Diese Schichte ist Anfangs noch nicht scharf nach auſsen
begrenzt, sondern erst durch die fortdauernde Ablagerung
neuer Moleküle erfolgt diese äuſsere Begrenzung. Die
Schichte ist mehr oder weniger dick, bald homogen
bald granulös; letzteres besonders bei den dicken Schich-
ten, wie sie bei der Bildung der Mehrzahl der thierischen
Zellen vorkommen. Eine Zellenhöhle und eine Zellen-
wand läſst sich in dieser Periode noch nicht unterscheiden.
Die Ablagerung neuer Moleküle zwischen die vorhandenen
dauert aber fort und zwar, wenn die Schichte dünn ist, so,
daſs die ganze Schichte, wenn sie dick ist, so, daſs nur
der äuſsere Theil der Schichte sich allmählig zu einer
Membran konsolidirt. Der Anfang zu dieser Konsolidation
des äuſsern Theils der Schichte zu einer Membran mag
wohl schon bald nach der scharfen Abgrenzung der Schichte
nach auſsen gemacht werden; gewöhnlich aber wird die
Membran erst später deutlich unterscheidbar, indem sie
dicker und nach innen schärfer begrenzt wird; bei vielen
Zellen aber kommt es gar nicht zur Entwicklung einer
evidenten Zellenmembran, sondern sie sehen solid aus, und
es läſst sich nur erkennen, daſs der äuſsere Theil der
Schichte etwas kompakter ist.


Hat sich die Zellenmembran einmal konsolidirt, so
dehnt sie sich durch fortdauernde Aufnahme neuer Mole-
küle zwischen die vorhandenen, also vermöge eines Wachs-
thums durch Intussusception aus und entfernt sich dadurch
von dem Zellenkern. Man kann daraus schlieſsen, daſs
die Ablagerung der neuen Moleküle stärker stattfindet
zwischen die nach der Fläche der Membran nebeneinander
als zwischen die nach der Dicke der Membran übereinan-
derliegenden Moleküle. Der Zwischenraum zwischen Zel-
14
[210] lenmembran und Zellenkern wird zugleich mit Flüssigkeit
gefüllt, und dies ist denn der Zelleninhalt. Der Zellenkern
bleibt bei dieser Ausdehnung an einer Stelle der innern
Fläche der Zellenmembran liegen. Hat sich die ganze
Schichte, womit die Zellenbildung begann, zur Zellenmem-
bran konsolidirt, so muſs der Kern frei an der Zellenwand
anliegen; hat sich nur der äuſsere Theil der Schichte zur
Zellenmembran konsolidirt, so muſs der Kern, umgeben
von dem innern Theil der Schichte an einer Stelle der
innern Fläche der Zellenmembran ankleben bleiben. Die-
ser Rest der Schichte scheint nun ein doppeltes Schicksal
erleiden zu können: entweder er löst sich auf und bildet
einen Theil des Zelleninhaltes; alsdann muſs der Kern
ebenfalls frei an der Zellenwand anliegen, oder er kondensirt
sich allmählig ebenso, wie der äuſsere Theil der Schichte
zu derselben Substanz wie die Zellenmembran, und dann
scheint der Kern in der Dicke der Zellenwand zu liegen.
Hieraus erklärt sich das verschiedene Verhalten des Zel-
lenkerns zur Zellenmembran. Nach Schleiden liegt er
bei Pflanzen zuweilen in der Dicke der Zellenmembran,
so daſs er auch auf seiner innern, gegen die Zellenhöhle
gerichteten Fläche von einer Lamelle der Zellenwand be-
deckt ist. Bei Thieren scheint es auch zuweilen vorzu-
kommen, daſs er ein wenig in die Dicke der Zellenmem-
bran eingesenkt ist; doch habe ich noch nicht beobachtet,
daſs eine Lamelle derselben über seine innere Fläche
weglief, vielmehr liegt der Kern in den bei weitem mei-
sten Fällen ganz frei an der innern Fläche der Zellen-
membran angeklebt.


Was die Entwicklungsstufe des Kerns anbelangt, auf
welcher die Bildung der Zelle um ihn beginnt, so ist diese
sehr verschieden. Bald ist der Kern schon vorher ein
deutliches Bläschen, z. B. beim Keimbläschen, bald, und dieſs
ist das Gewöhnliche, erscheint der Kern noch solid, und
die Entwicklung zu einem Bläschen erfolgt entweder gar
nicht oder erst später. Nach Entwicklung der Zelle näm-
lich bleibt der Kern entweder auf seiner frühern Entwick-
[211] lungsstufe stehen, oder er wächst fort, jedoch immer in
schwächerm Verhältniſs als die Zelle, so daſs der Zwischen-
raum zwischen Zellenmembran und Kern, die Zellenhöhle,
auch relativ immer gröſser wird. Wird eine Zelle in ihrem
Wachsthum durch die benachbarten Zellen verhindert, oder
wird der Ansatz der neuen Moleküle zwischen die vor-
handenen Partikeln der Zellenmembran nicht zur Ausdeh-
nung der Zellenmembran, sondern zur Verdickung der Zel-
lenwand benutzt, so kann es vorkommen, daſs der Kern
sich später stärker ausdehnt als die Zelle, die ihm früher
in ihrem Wachsthum vorangeeilt war, so daſs der Kern
später allmählig einen immer gröſsern Theil der Zellen-
höhle ausfüllt. Pag. 27 wurde ein Beispiel darüber von den
Kiemenknorpeln der Froschlarven angeführt; im Ganzen
sind aber solche Fälle sehr selten. Da die Kerne bei ih-
rer Entwicklung zu Bläschen, und besonders bei diesem
stärkern Wachsthum ihren granulösen Inhalt immer mehr
verlieren, wasserhell werden, da sich sogar in diesem In-
halt des Kerns in einzelnen Fällen, z. B. beim Keimbläs-
chen andere Körperchen, Fetttröpfchen u. s. w. entwickeln
können, wie es sonst nur in den Zellenhöhlen vorkommt,
so wird es oft schwer, solche vergröſserte Zellenkerne von
jungen Zellen zu unterscheiden. Sind zwei Kernkörper-
chen in dem Kern vorhanden, so kann man daran oft einen
solchen vergröſserten hohlen Zellenkern unterscheiden. Au-
ſserdem muſs die Beobachtung der Uebergangsstufen von
der charakteristischen Form der Zellenkerne zu diesen
zellenähnlichen Kernen den gewünschten Aufschluſs geben.
Die sichere Entscheidung aber kann, wie beim Keimbläs-
chen, nur durch die Nachweisung erhalten werden, daſs
das ganze Verhältniſs eines solchen zellenartigen Kerns
zur Zelle dasselbe ist, wie bei den gewöhnlichen Zellenker-
nen, daſs namentlich ein solcher Kern vor der Zelle entsteht,
diese als eine Schichte um denselben sich bildet, und der
Kern endlich in der Zelle resorbirt wird. Mag nämlich
der Zellenkern bei der weitern Entwicklung der Zelle selbst
eine weitere Entwicklung erleiden oder nicht, so ist ge-
14*
[212] wöhnlich sein letztes Schicksal, daſs er resorbirt wird.
Doch geschieht dieſs nicht in allen Fällen, und nach
Schleiden bleibt er z. B. in den meisten Zellen der
Euphorbiaceen, und bei Thieren ist er, z. B. bei den Blut-
körperchen persistent.


Die Entwicklung vieler Kerne zu hohlen Bläschen,
die Schwierigkeit manche solcher hohlen Zellenkerne von
Zellen zu unterscheiden, muſs schon auf die Vermuthung
führen, daſs der Kern von einer Zelle nicht wesentlich
verschieden ist, daſs eine gewöhnliche kernhaltige Zelle
nichts als eine Zelle ist, die sich auſsen um eine andere
Zelle, den Kern, bildet, und daſs zwischen beiden nur der
Unterschied statt findet, daſs die innere Zelle, nachdem
die äuſsere Zelle sich darum gebildet hat, sich nur lang-
samer und unvollkommner entwickelt. Wäre dieſs richtig,
so würde man sich bestimmter ausdrücken können, wenn
man die Kerne mit Zellen erster Ordnung, die gewöhnli-
chen kernhaltigen Zellen mit Zellen zweiter Ordnung be-
zeichnete. Wir haben bisher den Unterschied zwischen
Zelle nnd Kern durchaus festgehalten, und dieſs ist auch
passend, so lange es sich um eine bloſse Beschreibung der
Beobachtungen handelt. Die Kerne entsprechen unzweifel-
haft einander in allen Zellen; jene Bezeichnung aber als
Zellen erster Ordnung schlieſst schon eine noch zu be-
weisende theoretische Ansicht, nämlich die Identität des
Prozesses der Zellenbildung und Kernbildung in sich. Diese
Identität ist aber für die Theorie von der gröſsten Wich-
tigkeit, und wir müssen deſshalb beide Prozesse etwas
näher vergleichen. Die Zellenbildung begann damit, daſs
sich um den Kern ein Niederschlag bildet; dasselbe ge-
schieht bei der Kernbildung um das Kernkörperchen. Die-
ser Niederschlag grenzt sich bei der Zellenbildung nach
auſsen zu einer soliden Schichte ab: dasselbe geschieht bei
der Kernbildung. Bei vielen Kernen geht nun die Ent-
wicklung gar nicht weiter, so wie es auch Zellen gibt, die
auf dieser Stufe stehen bleiben. Die Weiterentwicklung
der Zellen geschieht nun auf die Weise, daſs entweder die
[213] ganze Schichte oder nur der äuſsere Theil derselben sich
zu einer Membran konsolidirt; ganz ebenso geschieht es
bei den Kernen, die sich weiter entwickeln. Die Zellen-
membran wächst ihrer Fläche nach, oft auch in der Dicke,
und entfernt sich dadurch vom Kern, der an einer Stelle
der Wand liegen bleibt, ganz ebenso wächst die Membran
der hohlen Zellenkerne und das Kernkörperchen bleibt an
einer Stelle der Wand kleben. Es erfolgt nun oft eine
Umwandlung des Zelleninhaltes, wodurch sich neue Pro-
dukte in der Zellenhöhle bilden. Bei den meisten hohlen
Zellenkernen wird der Inhalt des Kerns blasser, weniger
granulös, und in einzelnen bilden sich auch Fettkügel-
chen u. s. w. S. oben pag. 206. Man kann daher sagen:
die Zellenbildung ist nur eine Wiederhohlung desselben
Prozesses um den Kern, durch den sich der Kern um das
Kernkörperchen bildete, und es findet nur der Unterschied
statt, daſs dieser Prozeſs intensiver und vollkommner bei
der Zellenbildung, als bei der Kernbildung vor sich geht.


Der ganze Prozeſs der Bildung einer Zelle beruht dem-
nach darauf, daſs sich um ein zuerst entstehendes kleines
Körperchen (Kernkörperchen), zuerst eine Schichte (Kern),
dann später um diese eine zweite Schicht (Zellensubstanz)
niederschlägt. Die einzelnen Schichten wachsen durch Auf-
nahme neuer Moleküle zwischen die vorhandenen, durch
Intussusceptio, und zwar findet dabei das Gesetz statt, daſs
die Ablagerung stärker im äuſsern Theil jeder Schichte,
als im innern, und stärker in der ganzen äuſsern Schichte,
als in der innern erfolgt. Vermöge dieses Gesetzes kon-
densirt sich von jeder Schichte oft nur der äuſsere Theil
zu einer Membran (Membran des Kerns und Membran der
Zelle), und die äuſsere Schichte entwickelt sich vollkomm-
ner zu einer Zelle als der Kern. Wenn die Kernkörper-
chen hohl sind, wie dieſs nach Schleiden in einzelnen
Fällen bei Pflanzen stattfindet, so findet vielleicht ein drei-
facher Schichtenbildungsprozeſs statt, so daſs die Zellen-
membran die dritte, der Kern die zweite, das Kernkörper-
chen die erste Schichte ist. Bei den kernlosen Zellen
[214] findet vielleicht nur eine einfache Schichtenbildung um ein
unendlich kleines Körperchen statt.


Verschiedene Ausbildung der Zellen in ver-
schiedenen Geweben
. Wenn, wie wir eben gesehen
haben, der Prozeſs der Zellenbildung überall wesentlich
derselbe ist, und auf einer Bildung einfacher oder mehr-
facher Schichten umeinander, und auf einem Wachsthum
dieser Schichten durch Intussusceptio beruht, so sind da-
gegen die Veränderungen, welche an den einmal gebildeten
Zellen in den einzelnen Geweben vorkommen, in den Er-
scheinungen wenigstens viel mannigfaltiger. Man kann sie
in zwei Klassen bringen, je nachdem nämlich die Indivi-
dualität der ursprünglichen Zelle bleibt (selbstständige Zel-
len), oder je nachdem diese mehr oder weniger verloren
geht (verschmelzende und sich theilende Zellen).


Die Verschiedenheiten, welche zwischen den selbst-
ständigen Zellen
Statt finden, sind theils chemischer
Natur, theils beziehen sie sich auf eine Verschiedenheit
des Wachsthums der Zellenmembran, wodurch eine Form-
veränderung der Zelle hervorgebracht werden kann.


Die Zellenmembran ist bei verschiedenen Zellenarten
chemisch verschieden. So wird die Zellenmembran der Blut-
körperchen durch Essigsäure aufgelöst, die der Knorpel-
zellen nicht. Selbst an derselben Zelle ist die chemische
Zusammensetzung der Zellenmembran nach dem Alter der
Zelle verschieden, so daſs eine Umwandlung der Substanz
der Zellenmembran selbst bei den Pflanzen statt findet;
denn nach Schleiden löst sich die Zellenmembran der
jüngsten Pflanzenzellen in Wasser, was an den erwachse-
nen Zellen nicht mehr geschieht. Noch mehr unterschei-
den sich die einfachen Zellen durch ihren Zelleninhalt.
Die eine Zelle bildet Fett, die andere Pigment, die dritte
ätherisches Oel; und auch hier geht eine Umwandlung des
Zelleninhaltes in derselben Zelle vor sich. Man sieht in
einer Anfangs wasserhellen Zelle allmählig einen körnigen
Niederschlag sich bilden, gewöhnlich zuerst um den Zel-
lenkern, oder auch umgekehrt bei der Bebrütung des
[215] Vogeleies löst sich der körnige (fettartige) Inhalt der Zel-
len der Dottersubstanz allmählig theilweise auf. Bei Pflan-
zen findet nach Schleiden diese Umwandlung der Sub-
stanzen des Zelleninhaltes in einer gewissen Ordnung statt;
bei Thieren habe ich darüber noch keine Untersuchungen
angestellt.


Hierher dürfte auch die Bildung der sekundären Ab-
lagerungen auf der innern Fläche der Zellenmembran zu
rechnen sein, welche besonders häufig bei Pflanzen stattfindet.
Wird nämlich aus dem Zelleninhalt eine feste zusammen-
hängende Substanz gebildet, so kann sich diese auf der
innern Fläche der Zellenmembran ablagern. Diese Abla-
gerung geschieht bei den Pflanzen gewöhnlich in Schichten,
so daſs zuerst auf der innern Fläche der Zellenmembran
sich eine Schichte bildet, dann auf der innern Fläche die-
ser Schichte eine neue u. s. f., so daſs zuletzt fast die
ganze Zellenhöhle dadurch ausgefüllt werden kann. Diese
sekundären Ablagerungen geschehen nach Valentin im-
mer in Spirallinien, und zwar entweder in einfachen Spi-
rallinien oder in mehrfachen, und zwar entweder so, daſs
die ganze innere Fläche der Zellenmembran damit bedeckt
wird oder so, daſs die Spiralen einander nicht berühren.
Bei den Thieren habe ich noch keine schichtenweise se-
kundäre Ablagerung beobachtet.


Die Verschiedenheiten, welche an einfachen Zellen
im Wachsthum der Zellenmembran vorkommen können,
beziehen sich darauf, ob der Ansatz der neuen Moleküle
an allen Stellen der Zellenmembran gleichmäſsig erfolgt
oder nicht. Im ersten Falle bleibt die Form der Zelle
unverändert, und es ist nur noch der Unterschied möglich,
ob sich die neuen Moleküle vorzugsweise zwischen die
nach der Fläche der Zellenmembran nebeneinanderliegen-
den Moleküle ablagern, oder ob sie sich zwischen die nach
der Dicke der Zellenmembran hintereinanderliegenden Mo-
leküle absetzen. Die erste Art des Wachsthums bewirkt
eine Ausdehnung der Zellenmembran, die zweite vorzugs-
weise eine Verdickung der Zellenmembran selbst. Ge-
[216] wöhnlich sind beide Arten des Wachsthums vereinigt, je-
doch meistens so, daſs die Ausdehnung der Zellenmembran
das vorwaltende ist.


Durch den ungleichmäſsigen Ansatz der neuen Mole-
küle können sehr mannichfaltige Formmodifikationen der
Zellen hervorgebracht werden. Die Kugelform, welche
die Grundform der Zellen ist, kann sich in eine polyedri-
sche verwandeln, oder die Zellen platten sich zu einer
runden oder ovalen oder zu einer eckigen Tafel ab, oder
die Ausdehnung der Zellen findet nur nach einer oder
nach zwei entgegengesetzten Seiten zu einer Faser statt,
und diese Fasern können selbst wieder platt und dabei
zuweilen noch seitwärts gezähnelt sein, oder endlich die
Ausdehnung der Zellen zu Fasern findet nach verschiede-
nen Seiten sternförmig statt. Ein Theil dieser Formver-
änderungen ist ohne Zweifel eine bloſs mechanische Folge.
So entsteht z B. die polyedrische Form durch das dichte
Zusammenliegen der kugeligen Zellen, und diese nehmen
getrennt von einander zuweilen sogar ihre runde Form
wieder an, z. B. die Dotterzellen. Bei anderen Verände-
rungen ist eine Erklärung durch Exosmose denkbar. Wan-
delt z. B. eine runde Zelle ihren Inhalt so um, daſs eine
Flüssigkeit in ihr entsteht, die weniger dicht ist als die
umgebende Flüssigkeit, so verliert die Zelle durch Exos-
mose von ihrem Inhalt und muſs deſshalb zusammensinken
und kann sich dabei zu einer Tafel abplatten, wie etwa
bei den Blutkörperchen. In den bei weitem meisten Fäl-
len aber reicht man mit solchen Erklärungen nicht aus,
sondern man ist anzunehmen gezwungen, daſs das Wachs-
thum nicht nothwendig gleichmäſsig nach allen Seiten hin
erfolgt, sondern daſs die neuen Moleküle sich vorzugsweise
an einzelnen Stellen zwischen die vorhandenen ablagern
können. Denken wir uns z. B. eine runde Zelle, deren
Zellenmembran schon ausgebildet ist, und nun erfolgt an
einer beschränkten Stelle der Zellenmembran die Ablage-
rung neuer Moleküle, so wird diese Stelle der Zellenmem-
bran sich ausdehnen, und dadurch eine hohle Faser aus
[217] der Zelle hervorwachsen, deren Höhle mit der Zellenhöhle
kommunizirt. Dasselbe wird noch leichter der Erfolg sein,
wenn die neuen Moleküle sich schon ungleichmäſsig an-
setzen, bevor in dem um den Kern entstehenden, die Zel-
lenbildung vorbereitenden Niederschlag die Verdichtung der
äuſsern Schichte zu einer deutlich unterscheidbaren Zellen-
membran stattgefunden hat. Hier wird dann auch in der
Faser die Höhlung weniger ausgebildet, und nur in der
Art vorhanden sein, daſs erst bei dem weitern Wachsthum
der Faser in der Dicke der deutliche Unterschied zwischen
Wand und Höhle hervortreten würde.


Der Grund dieses ungleichmäſsigen Ansatzes der neuen
Moleküle kann in einzelnen Fällen wohl in Umständen
liegen, die für die Zelle etwas Aeuſseres sind. Läge z. B.
eine Zelle so, daſs sie an einer Seite mit einem konzen-
trirtern Nahrungsstoff in Berührung wäre, so könnte man
sich vorstellen, daſs diese Seite der Zellenmembran stärker
wächst, wenn auch die Kraft, die das Wachsthum der Zelle
bewirkt, gleichmässig in der ganzen Zelle wirkt. Allein
eine solche Erklärung läſst sich in den meisten Fällen
keineswegs annehmen, sondern man muſs Modifikationen
im Entwicklungsprinzip der Zellen zugeben, in der Art,
daſs die Kraft, welche überhaupt das Wachsthum der Zel-
len bewirkt, in der einen Zelle einen gleichmäſsigen, in
der andern einen ungleichmäſsigen Ansatz der neuen Mo-
leküle zu veranlassen im Stande ist.


Was nun die Veränderungen der Zellen anbelangt,
durch welche die Individualität der ursprünglichen Zellen
mehr oder weniger vollständig verloren geht, so gehören
dahin erstens die Verschmelzung der Zellenwände unter
einander oder mit der Intercellularsubstanz, zweitens die
Theilung einer Zelle in mehrere, drittens die Verschmel-
zung mehrerer primärer Zellen zu einer sekundären.


Eine Verschmelzung der Zellenmembran mit der
Intercellularsubstanz oder mit einer benachbarten Zellen-
wand scheint, z. B. bei einigen Knorpeln statt zu finden.
Anfangs ist die Zellenmembran nach auſsen scharf be-
[218] grenzt; allmählig wird die Grenze immer blasser und ist
zuletzt mit dem Mikroskop nicht mehr zu unterscheiden.
Unter welchen Umständen eine solche Verschmelzung ein-
tritt, darüber läſst sich jetzt noch kein allgemeines Gesetz
aufstellen. Eine solche Verschmelzung setzt eine Homo-
genität der Zellenmembran mit der Intercellularsubstanz
voraus, und vielleicht geschieht die Verschmelzung immer,
wenn eine solche Homogenität vorhanden ist.


Anlangend die Theilung der Zellen, so haben
wir oben gesehen, wie durch stärkeres Wachsthum der
Zellenmembran an einzelnen Stellen eine Ausstülpung der
Zellenmembran stattfinden kann. Durch denselben Prozeſs
kann aber ebenso gut eine Einstülpung der Zellenmembran
in die Höhle der Zelle erfolgen. Denkt man sich nun,
daſs diese Einstülpung durch stellenweise stärkeres Wachs-
thum ringförmig um eine Zelle stattfinde, so kann dieſs
soweit gehn, bis die eine Zelle in zwei Zellen getrennt ist,
die nur durch einen kurzen Stiel zusammenhangen, der
resorbirt werden kann. Dieſs würde das einfachste Phä-
nomen der Theilung einer Zelle sein. An den Zellen
aber, welche bei Thieren sich theilen, nämlich den Faser-
zellen, ist erstens der Prozeſs komplizirter, indem die
Theilung einer in Fasern verlängerten Zelle in viele Fa-
sern stattfindet, zweitens die Zellen sehr klein sind. Daher
läſst sich der Prozeſs nicht so genau in der Beobachtung
verfolgen, und was man sieht, ist nur Folgendes: Eine
Zelle verlängert sich nach zwei entgegengesetzten Seiten
in mehrere Fasern. Von dem Winkel, den die Fasern
auf jeder Seite miteinander bilden, geht allmählig eine
Streifung aus über den Zellenkörper; diese Streifung wird
immer deutlicher, bis der Zellenkörper ganz in Fasern
zerfällt.


Die Verschmelzung mehrerer primärer Zellen zu einer
sekundären Zelle ist gewissermaſsen der entgegengesetzte
Prozeſs von dem vorigen. Es legen sich dabei, z. B. bei
den Muskeln, mehrere primäre Zellen reihenweise neben-
einander, und verschmelzen zu einem Cylinder, in dessen
[219] Dicke die Kerne der primären Zellen liegen. Dieser Cy-
linder zeigt sich als hohl und durch Scheidewände nicht
unterbrochen, und an der Innenfläche seiner Wand liegen
die Kerne an. Dieſs ist das bis jetzt beobachtete Faktische
des Prozesses. Man kann sich denselben in der Vorstel-
lung ergänzen. Sollen zwei ausgebildete Zellen miteinan-
der verschmelzen, so müssen an der Berührungsstelle ihre
Wände zunächst verwachsen, und dann diese Scheidewand
zwischen den Zellenhöhlen resorbirt werden. Allein in
der Natur brauchen diese Akte keineswegs so scharf ge-
trennt aufzutreten. Die Verschmelzung kann stattfinden,
bevor die Zellenwand und Zellenhöhle als verschiedene
Gebilde existiren, etwa in folgender Weise: Die Kerne
bilden sich zuerst; um diese schlägt sich eine neue Schichte
von Substanz nieder, von der nach dem Bildungsgang einer
gewöhnlichen einfachen Zelle der äuſsere Theil sich zu
einer Zellenmembran kondensiren würde. Allein hier lie-
gen die Kerne so nahe aneinander, daſs die um sie sich
bildenden, den Zellen entsprechenden Schichten zu einem
Cylinder zusammenflieſsen, und von diesem kondensirt sich
der äuſsere Theil zu einer Membran, gerade so, wie sonst
an einfachen Zellen von der um den Kern gebildeten
Schichte gewohnlich nur der äuſsere Theil durch Aufnahme
neuer Moleküle von auſsen zu einer Membran erhärtet.
So handelt es sich also hier keineswegs um etwas von
dem Entwicklungsgang einfacher Zellen so sehr Verschie-
denes; ein ähnlicher Peozeſs schien vielmehr schon bei
der Bildung von Kernen mit zwei oder mehreren Kern-
körperchen angenommen werden zu müssen (S. oben pag.
208). Vielleicht finden sogar Uebergangsstufen von den
gewöhnlichen einfachen Zellen zu diesen sekundären Zel-
len statt. Es wurde oben pag. 141 schon erwähnt, daſs in der
Schädelhöhle der Fische Fettzellen vorkommen, von denen
viele zwei Kerne enthalten. Es ist möglich, daſs davon
nur der eine der Cytoblast der Zelle, der zweite ein spä-
ter gebildeter Kern ist, allein sie sind beide einander so
ähnlich in ihrer charakteristischen Lage zur Zellenmembran
[220] (S. Tab. III. Fig. 10.), daſs vielleicht beides Cytoblasten
einer Zelle sind, indem der um beide Kerne sich bildende,
die Zellenbildung vorbereitende Niederschlag sich so in
seiner äuſsern Schichte kondensirte, daſs beide Kerne von
der Membran eingeschlossen wurden. Indessen fehlt dar-
über die Nachweisung durch die Beobachtung, und es ist
noch eine andere Erklärung der gleichen Lage dieser beiden
Zellenkerne möglich. Das Fett drängt nämlich jeden mit
Wasser imbibirten Körper nach auſsen, um seine Kugel-
gestalt anzunehmen. Entsteht also auch in einer solchen
Fettzelle später ein zweiter Kern, so wird er durch das
Fett nach auſsen gedrückt, und muſs die Zellenmembran
allmählich hügelförmig in die Höhe heben. Es ist übrigens
noch zu bemerken, daſs es auch wirklich nachweisbar vor-
kommt, daſs die ausgebildete Scheidewand zwischen zwei
Zellen resorbirt werden kann, z. B. bei den Spiralgefäſsen
der Pflanzen.


Theorie der Zellen.


Die ganze bisherige Untersuchung hatte den Zweck,
die Bildungsweise der Elementartheile der Organismen rein
nach Beobachtungen darzustellen. Theoretische Ansichten
wurden entweder ganz ausgeschlossen, oder wo sie, wie
in dem letzten Resumé über das Zellenleben, entweder
zur Deutlichmachung der Thatsachen oder zur Vermeidung
späterer Wiederhohlungen nöthig waren, so dargestellt, daſs
man leicht erkennt, was Beobachtung und was Raisonnement
ist. Es drängt sich aber unabweisbar die Frage nach dem
Grunde all dieser Erscheinungen auf, und ein Versuch,
die Lösung dieser Frage vorzubereiten, wird daher um so
eher erlaubt sein, als durch die scharfe Trennung der
Theorie von den Beobachtungen das Hypothetische von
dem Sicheren deutlich unterschieden werden kann. Eine
Hypothese ist nie nachtheilig, so lange man sich des Gra-
des ihrer Zuverlässigkeit und der Gründe bewuſst bleibt,
auf der sie beruht. Es ist selbst für die Wissenschaft vor-
theilhaft, ja nothwendig, wenn ein gewisser Cyklus von Er-
[221] scheinungen durch die Beobachtung nachgewiesen ist, eine
vorläufige Erklärung hinzu zu denken, die möglichst genau
auf diese Erscheinungen paſst, selbst auf die Gefahr hin, daſs
die Erklärung durch spätere Beobachtungen umgestoſsen
wird; denn nur dadurch wird man rationell zu neuen Ent-
deckungen geführt, welche die Erklärung entweder bestä-
tigen oder zurückweisen. Von diesem Gesichtspunkte aus
bitte ich den folgenden Versuch einer Theorie des Orga-
nismus zu betrachten; denn die Frage nach dem Grunde
der Entwicklung der Elementartheile der Organismen fällt
zuletzt mit der Theorie der Organismen zusammen.


Die verschiedenen Ansichten über die Grundkräfte des
Organismus lassen sich auf zwei wesentlich von einander
verschiedene zurückführen. Die erste Ansicht ist die, daſs
jedem Organismus eine Kraft zu Grunde liegt, welche den
Organismus nach einer ihr vorschwebenden Idee formt,
welche die Moleküle so zusammenfügt, wie sie zur Errei-
chung gewisser, durch diese Idee gesetzter Zwecke noth-
wendig sind. Was also hier die Moleküle zusammenfügt,
ist eine Kraft, welche sich einen bestimmten Zweck setzt.
Eine solche Kraft würde wesentlich von allen Kräften der
anorganischen Natur verschieden sein, weil in dieser nur
ein blindes Wirken stattfindet. Auf eine gewisse Einwir-
kung erfolgt in der anorganischen Natur mit Nothwendig-
keit eine gewisse qualitativ und quantitativ bestimmte Ver-
änderung ohne Rücksicht auf einen Zweck. Die Grundkraft
des Organismus aber nach jener Ansicht, oder die Seele
im Stahl’schen Sinne würde dadurch, daſs sie nach einem
bestimmten individuellen Zwecke wirkt, dem immateriellen
mit Selbstbewuſstsein begabten Prinzip, das wir im Men-
schen annehmen müssen, viel näher stehen.


Die andere Ansicht ist die, daſs die Grundkräfte der
Organismen dadurch wesentlich mit den Kräften der anor-
ganischen Natur übereinstimmen, daſs sie durchaus nach
Gesetzen der Nothwendigkeit ohne Rücksicht auf einen
Zweck blind wirken, daſs es Kräfte sind, die ebenso mit
der Existenz der Materie gesetzt sind, wie die physikali-
[222] schen Kräfte. Man könnte annehmen, daſs die bildenden
Kräfte der Organismen in der anorganischen Natur gar
nicht vorkommen, weil diese oder jene bestimmte Kombi-
nation der Moleküle, wodurch die Kräfte zur Aeuſserung
kommen, in der anorganischen Natur sich nicht findet, und
doch würden diese Kräfte von den physikalischen und
chemischen Kräften sich wesentlich gar nicht unterscheiden.
Die Zweckmäſsigkeit, selbst ein hoher Grad individueller
Zweckmäſsigkeit jedes Organismus läſst sich gar nicht läug-
nen; allein nach dieser Ansicht liegt der Grund dieser
Zweckmäſsigkeit nicht darin, daſs jeder Organismus durch
eine individuelle, nach einem Zweck wirkende Kraft her-
vorgebracht wird, sondern er liegt darin, worin auch der
Grund der Zweckmäſsigkeit in der anorganischen Natur
liegt, in der Schöpfung der Materie mit ihren blinden
Kräften durch ein vernünftiges Wesen. Wir kennen z. B.
die Kräfte, welche in unserm Planetensystem wirken. Es
sind Kräfte, die nach blinden Gesetzen der Nothwen-
digkeit wirken, wie alle physikalischen Kräfte, und den-
noch ist das Planetensystem äuſserst zweckmäſsig. Der
Grund dieser Zweckmäſsigkeit liegt nicht in diesen Kräf-
ten, sondern in Dem, der die Materie mit ihren Kräften
so geschaffen hat, daſs sie ihren blinden Gesetzen folgend
dennoch ein zweckmäſsiges Ganze hervorbringen. Man
kann selbst eine individuelle Zweckmäſsigkeit des Plane-
tensystems behaupten. Eine äuſsere Einwirkung, etwa ein
Komet, kann Veränderungen der Bewegung veranlassen,
ohne daſs deſshalb das Ganze zusammenstürzt; auf den
einzelnen Planeten können Störungen, etwa eine hohe
Meeresfluth u. s. w. entstehen, die sich aber rein nach phy-
sikalischen Gesetzen wieder ausgleichen. Die Organismen
sind in Bezug auf ihre Zweckmäſsigkeit nur gradweise
hievon verschieden, und nach dieser zweiten Ansicht über
die organischen Grundkräfte ist man bei ihnen ebenso
wenig gezwungen auf eine nach den Gesetzen der Zweck-
mäſsigkeit wirkende Grundkraft zu schlieſsen, als dieſs
überhaupt in der anorganischen Natur nothwendig ist.


[223]

Man kann die erste Ansicht über die Grundkräfte der
Organismen die teleologische, die zweite die physi-
kalische
Ansicht nennen. Es ist für die Physiologie
von der gröſsten Bedeutung, welcher von beiden Ansichten
man folgt, wie sich leicht aus einem Beispiel ergibt. De-
finirt man z. B. die Entzündung und Eiterung als das Be-
streben des Organismus einen etwa von auſsen eingedrun-
genen fremden Körper hinaus zu schaffen, oder das Fieber
als das Bestreben des Organismus einen Krankheitsstoff zu
eliminiren, beides als Folge der „Autokratie des Organismus,“
so sind dieſs nach der teleologischen Ansicht Erklärungen.
Denn da durch diese Prozesse der schädliche Stoff wirk-
lich entfernt wird, so ist der Prozeſs, wodurch dieſs ge-
schieht, ein zweckmäſsiger, und da die Grundkraft des
Organismus nach bestimmten Zwecken wirkt, so kann sie
entweder unmittelbar diese Prozesse veranlassen, oder auch
andere Kräfte der Materie zu Hülfe nehmen, doch so, daſs
sie immer das primum movens bleibt. Nach der physi-
kalischen Ansicht dagegen ist dieſs eben so wenig eine
Erklärung, als wenn man sagte, die Bewegung der Erde
um die Sonne ist das Bestreben der dem Planetensystem
zu Grunde liegenden Kraft auf den Planeten einen Wechsel
der Jahreszeiten hervorzubringen, oder wenn man sagte:
Ebbe und Fluth ist die Reaktion des Erdorganismus gegen
den Mond.


In der Physik sind alle ähnliche, aus einer teleologi-
schen Ansicht der Natur hervorgehenden Erklärungen, z. B.
der horror vacui u. dgl. längst verbannt. In der lebenden
Natur dagegen tritt die Zweckmäſsigkeit und zwar die in-
dividuelle Zweckmäſsigkeit so stark hervor, daſs es schwer
wird, sich aller teleologischen Erklärungen zu entschlagen.
Man muſs indessen bedenken, daſs solche Erklärungen,
wodurch zugleich Alles und Nichts erklärt wird, nur die
letzten Auskunftsmittel sein dürfen, wenn gar keine andere
Ansicht möglich ist, und eine solche Nothwendigkeit zur
Annahme der teleologischen Ansicht liegt bei den Orga-
nismen nicht vor. Die Zweckmäſsigkeit in den Organismen
[224] ist nur gradweise verschieden von der, wie sie sich in der
ganzen, auch in der anorganischen Natur zeigt, und die
Erklärung, daſs die Organismen, wie alle Erscheinungen
in der anorganischen Natur, durch das Wirken blinder,
mit der Materie gesetzter Kräfte entstehn, kann als un-
möglich nicht zurückgewiesen werden. Die Vernunft for-
dert allerdings einen Grund dieser Zweckmäſsigkeit; allein
für sie ist die Annahme hinreichend, daſs die Materie mit
den ihr inwohnenden Kräften ihre Existenz einem vernünf-
Wesen verdankt. Einmal geschaffen und in ihrer Integri-
tät erhalten, können diese Kräfte dann sehr wohl nach
ihren unveränderlichen Gesetzen der blinden Nothwendig-
keit Kombinationen hervorbringen, die selbst einen hohen
Grad individueller Zweckmäſsigkeit zeigen. Tritt aber die
vernünftige Kraft nach der Schöpfung nur als erhaltend,
nicht als unmittelbar thätig auf, so kann auf naturwissen-
schaftlichem Gebiete vollkommen von ihr abstrahirt werden.


Die teleologische Ansicht führt aber auſserdem auf
Schwierigkeiten in der Erklärung und zwar zunächst bei
der Zeugung. Nimmt man an, daſs jedem Organismus eine
Kraft zu Grunde liegt, welche denselben nach einer ihr
vorschwebenden Idee bildet, so kann allerdings bei der
Zeugung auch ein Theil dieser Kraft in dem Ei enthalten
sein; allein man muſs dann diesem Theile der ursprüngli-
chen Kraft bei der Trennung des Eies vom mütterlichen
Körper die Fähigkeit zuschreiben, einen ähnlichen Orga-
nismus hervorbringen zu können wie die Kraft, von der
sie nur ein Theil ist, d. h. man muſs annehmen, daſs diese
Kraft ins Unendliche theilbar ist, und daſs dennoch jeder
Theil dieselben Wirkungen hervorbringen kann, wie die
ganze Kraft. Ist dagegen die Kraft der Organismen ebenso
wie die physikalischen Kräfte in der Materie als solcher
enthalten, und wird sie nur durch eine gewisse Kombination
der Moleküle frei, wie etwa z. B. durch Kombination einer
Zink- und Kupferplatte Elektricität frei wird, so kann du [...]
die Zusammenfügung der Moleküle zu einem Ei auch [...]
Kraft frei werden, wodurch das Ei neue Moleküle anzu-
[225] ziehen im Stande ist, und diese neu zusammengefügten
Moleküle erhalten eben durch diese Zusammenfügungsweise
wieder dieselbe Kraft neue Moleküle anzuziehen. Auch
die erste Entstehung der mannigfaltigen Organismen, die
durch die Geologie nachgewiesene allmählige Ausbildung
der organischen Natur hat nach der teleologischen Ansicht
viel mehr Schwierigkeit, als nach der physikalischen.


Ein anderer Einwurf gegen die teleologische Ansicht
läſst sich aus der vorigen Untersuchung entnehmen. Die
Moleküle werden, wie wir gesehen haben, nicht unmittelbar
auf mannigfaltige Weise so zusammengefügt, wie es der
Zweck des Organismus erfordert, sondern bei der Bildung
der Elementartheile der Organismen liegen Gesetze zu
Grunde, die bei allen Elementartheilen wesentlich dieselben
sind. Man sieht nun keinen Grund ein, weſshalb es so
sein muſs, wenn jedem Organismus eine Kraft zu Grunde
liegt, welche die Theile des Organismus nach dem Zweck,
den sie erfüllen sollen, bildet: man sollte viel wahrschein-
licher erwarten, daſs das Bildungsprincip, obgleich für
physiologisch dieselben Gebilde ein bestimmtes, doch in
verschiedenen Geweben ebenso verschieden wäre. Diese
Gleichheit der Elementartheile führte bei Pflanzen schon
auf die Vermuthung, daſs die Zellen eigentlich die Orga-
nismen seien, und die ganze Pflanze ein nach bestimmten
Gesetzen geordnetes Aggregat dieser Organismen. Da nun
aber die Elementartheile der Thiere sich ganz ebenso ver-
halten, so würde dadurch auch die Individualität eines gan-
zen Thieres verloren gehn, und doch stützt sich gerade auf
das Individuelle eines ganzen Thiers die Annahme, daſs
ihm eine einzige, nach einer bestimmten Idee wirkende
Kraft zu Grunde liegt.


Indessen eine vollständige Widerlegung teleologischer
Ansichten ist überhaupt nicht möglich, wenn man nicht
alle Erscheinungen nach der physikalischen Ansicht wirk-
lichverklärt. Eine Widerlegung ist aber auch nicht noth-
wendig, weil die teleologische Erklärungsweise nur dann
zulässig ist, wenn man die Unmöglichkeit der physikalischen
15
[226] nachweisen kann. Jedenfalls ist es für den Zweck der
Wissenschaft viel ersprieſslicher, nach einer physikalischen
Erklärung wenigstens zu streben. Ich wiederhole übrigens,
daſs, wenn hier von einer physikalischen Erklärung der
organischen Erscheinungen die Rede ist, darunter nicht
nothwendig eine Erklärung durch die bekannten physika-
lischen Kräfte, z. B. durch den allgemeinen Lückenbüſser
Elektricität u. dergl., zu verstehen ist, sondern überhaupt
eine Erklärung durch Kräfte, die nach strengen Gesetzen
der blinden Nothwendigkeit, wie die physikalischen Kräfte
wirken, mögen diese Kräfte auch in der anorganischen
Natur auftreten oder nicht.


Wir gehen also von der Voraussetzung aus: Einem
Organismus liegt keine, nach einer bestimmten Idee wir-
kende Kraft zu Grunde, sondern er entsteht nach blinden
Gesetzen der Nothwendigkeit durch Kräfte, die ebenso
durch die Existenz der Materie gesetzt sind, wie die Kräfte
in der anorganischen Natur. Da die Elementarstoffe in
der organischen Natur von denen der anorganischen nicht
verschieden sind, so kann der Grund der organischen Er-
scheinungen nur in einer andern Kombination der Stoffe
liegen, sei es in einer eigenthümlichen Verbindungsweise
der Elementaratome zu Atomen zweiter Ordnung, sei es
in der Zusammenfügung dieser zusammengesetzten Moleküle
zu den einzelnen morphologischen Elementartheilen der
Organismen oder zu einem ganzen Organismus. Wir ha-
ben uns hier zunächst nur mit dieser letztern Frage zu
beschäftigen, ob nämlich der Grund der organischen Er-
scheinungen in dem ganzen Organismus, oder in seinen
einzelnen Elementartheilen liegt. Wenn diese Frage sich
beantworten läſst, bleibt immer noch die weitere Untersu-
chung übrig, ob der Organismus oder seine Elementartheile
diese Kraft besitzen durch die eigenthümliche Zusammen-
fügungsweise der zusammengesetzten Moleküle oder durch
die eigenthümliche Art, wie die Elementaratome zu den
zusammengesetzten Molekülen verbunden sind.


Man kann sich also folgende zwei Vorstellungen von
[227] der Ursache der organischen Erscheinungen, des Wachs-
thums u. s. w. machen: Erstens die Ursache liegt in der
Totalität des Organismus. Durch die Zusammenfügung
der Moleküle zu einem systematischen Ganzen, wie der
Organismus auf jeder Entwicklungsstufe ist, wird eine Kraft
erzeugt, vermöge welcher ein solcher Organismus im Stande
ist, neue Stoffe von auſsen aufzunehmen, und zur Bildung
neuer oder zum Wachsthum seiner vorhandenen Elemen-
tartheile zu verwenden. Die Ursache des Wachsthums
der Elementartheile liegt also hier in der Totalität des
Organismus. Die andere Erklärungsweise ist die: Das
Wachsthum geschieht nicht durch eine, im ganzen Orga-
nismus begründete Kraft, sondern jeder einzelne Elemen-
tartheil besitzt eine selbstständige Kraft, ein selbstständiges
Leben, wenn man es so nennen will, d. h. in jedem ein-
zelnen Elementartheile sind die Moleküle so zusammenge-
fügt, daſs dadurch eine Kraft frei wird, wodurch er im
Stande ist neue Moleküle anzuziehn und so zu wachsen,
und der ganze Organismus besteht nur durch die Wech-
selwirkung der einzelnen Elementartheile (das Wort Wech-
selwirkung im weitesten Sinne genommen, so daſs auch
das darunter begriffen wäre, wenn der eine Elementartheil
den Stoff bereitet, den der andere zu seiner Ernährung
braucht). Hier sind also nur die einzelnen Elementartheile
das Aktive bei der Ernährung, und die Totalität des Or-
ganismus kann zwar Bedingung sein, aber Ursache ist sie
nach dieser Ansicht nicht.


Zur Entscheidung, welche von diesen beiden Ansichten
die richtige ist, müssen wir die Resultate der vorigen Un-
tersuchung zu Hülfe nehmen. Wir haben gesehn, daſs alle
Organismen aus wesentlich gleichen Theilen, nämlich aus
Zellen zusammengesetzt sind, daſs diese Zellen nach
wesentlich denselben Gesetzen sich bilden und wachsen,
daſs also diese Prozesse überall auch durch dieselben
Kräfte hervorgebracht werden müssen. Finden wir nun,
daſs einzelne dieser Elementartheile, die sich von den
übrigen nicht unterscheiden, sich vom Organismus los-
15*
[228] trennen und selbstständig weiter wachsen können, so
können wir daraus schlieſsen, daſs auch jeder der übri-
gen Elementartheile, jede Zelle für sich schon die Kraft
besitzt, neue Moleküle anzuziehn und zu wachsen, daſs
also jeder Elementartheil eine eigenthümliche Kraft, ein
selbstständiges Leben besitzt, vermöge dessen er selbststän-
dig sich zu entwickeln im Stande wäre, wenn ihm bloſs
die äuſsern Bedingungen dargeboten würden, unter welchen
er im Organismus steht. Solche selbstständig, getrennt
vom Organismus wachsende Zellen sind z. B. die Eier der
Thiere. Bei den Eiern höherer Thiere kann man zwar
sagen, nach der Befruchtung sei das Ei wesentlich ver-
schieden von den übrigen Zellen des Organismus; durch
die Befruchtung werde dem Ei etwas zugeführt, was mehr
als eine äuſsere Lebensbedingung, mehr als ein Nahrungs-
stoff für dasselbe sei, und vielleicht erhielten die Eier
erst dadurch ihr eigenthümliches Leben, so daſs man dar-
aus nicht auf die übrigen Zellen schlieſsen könne. Allein
bei den Gattungen, welche bloſs weibliche Individuen zäh-
len, fällt dieſs weg und ebenso bei den Sporen niederer
Pflanzen. Auſserdem kann sich bei niederen Pflanzen jede
beliebige Zelle von der Pflanze lostrennen und dann selbst-
ständig weiter wachsen. Hier bestehn also ganze Pflanzen
aus Zellen, deren selbstständiges Leben sich unmittelbar
nachweisen läſst. Da nun alle Zellen nach denselben Ge-
setzen wachsen, also nicht in einem Falle der Grund des
Wachsthums in der Zelle selbst, im andern Falle im gan-
zen Organismus liegen kann, da sich ferner nachweisen
läſst, daſs einzelne von den übrigen in der Art des Wachs-
thums nicht verschiedene Zellen selbstständig sich entwik-
keln, so müssen wir überhaupt den Zellen ein selbststän-
diges Leben zuschreiben, d. h. die Kombinationen der
Moleküle, wie sie in einer einzelnen Zelle vorhanden sind,
reichen hin, die Kraft frei zu machen, durch welche die
Zelle im Stande ist, neue Moleküle anzuziehen. Der Grund
der Ernährung und des Wachsthums liegt nicht in dem
Organismus als Ganzem, sondern in den einzelnen Elemen-
[229] tartheilen, den Zellen. Daſs nicht wirklich jede einzelne
Zelle, wenn sie von einem Organismus getrennt wird, wei-
ter wächst, ist gegen diese Theorie so wenig ein Einwurf,
als es ein Einwurf gegen das selbstständige Leben einer
Biene ist, wenn sie getrennt von ihrem Schwarm auf die
Dauer nicht fortbestehen kann. Die Aeuſserung der, der
Zelle inwohnenden Kraft hängt von Bedingungen ab, die
ihr nur im Zusammenhang mit dem Ganzen geliefert werden.


Die Frage über die Grundkraft der Organismen redu-
cirt sich also auf die Frage über die Grundkräfte der ein-
zelnen Zellen. Wir müssen nun die allgemeinen Erschei-
nungen der Zellenbildung betrachten, um zu finden, welche
Kräfte man zur Erklärung derselben in den Zellen vor-
aussetzen muſs. Diese Erscheinungen lassen sich unter
zwei natürliche Gruppen bringen: Erstens Erscheinungen,
die sich auf die Zusammenfügung der Moleküle zu einer
Zelle beziehn; man kann sie die plastischen Erschei-
nungen der Zellen nennen; zweitens Erscheinungen, die
sich auf chemische Veränderungen, sowohl der Bestand-
theile der Zelle selbst, als des umgebenden Cytoblastems
beziehn; diese kann man metabolische Erscheinungen
nennen (τὸ μεταβολικὸν was Umwandlung hervorzubringen
oder zu erleiden geneigt ist).


Die allgemeinen plastischen Erscheinungen der Zel-
len bestehn, wie wir gesehn haben, in Folgendem: Es bil-
det sich zuerst ein kleines Körperchen (Kernkörperchen);
um dieses schlägt sich auſsen eine Schichte Substanz nie-
der (Kern), welche sich durch Ablagerung immer neuer
Moleküle zwischen die schon vorhandenen verdichtet und
ausdehnt. Die Ablagerung geschieht stärker im äuſsern
Theil dieser Schichte, als im innern. Oft verdichtet sich
entweder bloſs dieser äuſsere Theil oder die ganze Schichte
zu einer Membran, die in der Art neue Moleküle aufzu-
nehmen fortfahren kann, daſs die Ausdehnung derselben
ihrer Fläche nach stärker, als der Dicke nach geschieht,
wodurch ein hohler Zwischenraum zwischen ihr und dem
Kernkörperchen entstehen muſs. Um diese Schichte schlägt
[230] sich eine zweite Schichte (Zelle) nieder, in der sich ganz
dieselben Prozesse wiederhohlen, nur mit dem Unterschiede
daſs diese Prozesse, namentlich das Wachsthum dieser
Schichte und die Bildung des Zwischenraumes zwischen
ihr und der vorigen Schichte (Zellenhöhle), hier schneller
und vollkommner vor sich geht. Dieſs waren die Erschei-
nungen bei der Bildung der meisten Zellen; bei einigen
Zellen schien aber nur eine einfache Schichtenbildung, bei
anderen dagegen (wo nämlich das Kernkörperchen noch
hohl ist) eine dreifache Schichtenbildung statt zu haben.
Die übrigen Verschiedenheiten in der Entstehung der Ele-
mentartheile reduzirten sich, wie wir sahen, darauf, daſs,
wenn die Anfänge zweier benachbarten Zellen so nahe
zusammenliegen, daſs die Grenzen der, um jede von bei-
den sich bildenden Schichten an einer Stelle zusammen-
fallen, eine gemeinsame Schichte entstehen kann, welche
die Anfänge zweier Zellen einschlieſst. So schien sich
wenigstens die Entstehung der Kerne mit zwei oder meh-
reren Kernkörperchen durch ein solches Zusammenfallen
der ersten (dem Kern entsprechenden) Schichten, die Ver-
schmelzung mehrerer primärer Zellen zu einer sekundären
durch ein solches Zusammenfallen der zweiten (der Zelle
entsprechenden) Schichten erklären zu lassen. Die weitere
Entwicklung dieser gemeinsamen Schichten geschieht aber
so, als ob es nur eine gewöhnliche einfache Schichte wäre.
Endlich kamen noch Verschiedenheiten in der Weiterent-
wicklung der Zellen vor, welche sich auf eine ungleich-
mäſsige Ablagerung der neuen Moleküle zwischen die schon
vorhandenen der einzelnen Schichten zurückführen lieſsen.
Auf diese Weise wurden nämlich die Formveränderungen und
die Theilung der Zellen erklärt. Zu den plastischen Erschei-
nungen an den Zellen gehört endlich noch die Bildung sekun-
därer Ablagerungen, indem sich nämlich auf der innern Fläche
einer einfachen oder einer sekundären Zelle eine einfache
Schichte oder eine Menge neuer Schichte immer eine auf
der innern Fläche der vorhergehenden ablagert.


Dieſs sind die wichtigsten Erscheinungen, welche bei
[231] der Bildung und Entwicklung der Zellen vorkommen. Die
zur Erklärung dieser Erscheinungen in den Zellen voraus-
zusetzende unbekannte Ursache kann man die plastische
Kraft der Zellen nennen. Wir wollen nun sehen, welche
nähere Bestimmungen dieser Kraft sich aus den angeführten
Erscheinungen deduciren lassen.


Es ist erstens eine Anziehungskraft, welche im ersten
Anfange der Zelle, im Kernkörperchen, schon wirkt und
den Ansatz neuer Moleküle an die vorhandenen veranlaſst.
Die erste Bildung des Kernkörperchens selbst kann man
sich als eine Art Herauskrystallisiren aus einer konzen-
trirten Flüssigkeit denken. Ist nämlich eine Flüssigkeit
so konzentrirt, daſs die Moleküle der aufgelösten Substanz
stärker einander anziehn, als die Moleküle der letztern
und des Lösungsmittels, so muſs sich ein Theil der festen
Substanz niederschlagen. Man begreift leicht, daſs die
Flüssigkeit konzentrirter sein muſs, wenn sich neue Zellen
darin bilden, als wenn die vorhandenen bloſs wachsen sol-
len. Denn ist schon etwas von der Zelle gebildet, so übt
dieſs eine Anziehung auf die noch aufgelöste Substanz
aus. Es ist also hier eine Ursache zum Absatz dieser
Substanz da, welche nicht mitwirkt, wenn noch nichts von
der Zelle gebildet ist. Je gröſser daher diese Anziehung
der Zelle ist, um so geringer braucht die Konzentration
der Flüssigkeit zu sein, während zum Anfange der Bildung
einer Zelle die Flüssigkeit mehr als konzentrirt sein muſs.
Dieser aus der Anziehungskraft der Zelle unmittelbar zu
ziehende Schluſs läſst sich aber auch durch die Beobach-
tung rechtfertigen. Ueberall, wo die ernährende Flüssig-
keit nicht gleichmäſsig in einem Gewebe vertheilt ist, ent-
stehen die neuen Zellen da, wo die Flüssigkeit zunächst
in das Gewebe dringt, wo sie also am konzentrirtesten
ist. Hierauf beruhte, wie wir sahen, der Unterschied zwi-
schen dem Wachsthum der organisirten und der nicht orga-
nisirten Gewebe. S. oben pag. 201. Die Bestätigung des
obigen Schlusses durch die Erfahrung spricht also auch
für die Richtigkeit der Schluſsfolge selbst.


[232]

Die Anziehungskraft in den Zellen wirkt so, daſs sie
den Ansatz der neuen Moleküle in doppelter Weise be-
wirkt, erstens in Schichten, zweitens in den einzelnen
Schichten so, daſs die neuen Moleküle zwischen die schon
vorhandenen abgelagert werden. Es ist dieſs nur ein Aus-
spruch des Faktums; das einfachere Gesetz, weſshalh sich
mehrere Schichten bilden, und die neuen Moleküle sich
nicht alle zwischen die vorhandenen ablagern, läſst sich
noch nicht nachweisen. Die Schichtenbildung kann sich
ein, zwei oder dreimal wiederholen. Beim Wachsthum
der einzelnen Schichten findet das Gesetz statt, daſs der
Absatz der neuen Moleküle da am stärksten geschieht,
wo die Nahrungsflüssigkeit am konzentrirtesten vorhanden
ist. Daher kondensirt sich, sowohl von der dem Kern,
als von der der Zelle entsprechenden Schichte, vorzugs-
weise der äuſsere Theil zu einer Membran, weil die er-
nährende Flüssigkeit von auſsen eindringt, sie also im äu-
ſsern Theil jeder Schichte konzentrirter ist, als im innern
Theil derselben Schichte. Aus demselben Grunde wächst
der Kern, so lange die Zellenschichte sich noch nicht um ihn
gebildet hat, schnell, hört aber ganz auf zu wachsen oder
wächst wenigstens viel langsamer, sobald sich die Zellen-
schichte niedergeschlagen hat; denn dann ist die Zellen-
schichte diejenige, welche zuerst den Nahrungsstoff, welche
ihn also in konzentrirterer Form empfängt. Daher bil-
det sich überhaupt die Zelle viel vollständiger aus, wäh-
rend die Kernschichte gewöhnlich auf einer Entwicklungs-
stufe stehn bleibt, wie die Zellenschichte in ihrer frühern
Periode. Was die Art des Ansatzes der neuen Moleküle
anbelangt, so geschieht er in der Art, daſs ein stärkeres
Wachsthum der Schichten nach der Fläche, als nach der
Dicke stattfindet, so daſs ein Zwischenraum zwischen jeder
Schichte und der vorhergehenden entsteht, wodurch erst
Zellen und Kern zu wirklichen hohlen Bläschen werden.
Dieſs setzt also voraus, daſs die Anlage der neuen Mo-
leküle zwischen die nach der Fläche der Membran neben-
einanderliegenden stärker ist, als zwischen die nach der
[233] Dicke der Membran übereinanderliegenden. Wäre es um-
gekehrt, so würde jede Schichte zwar in der Dicke wach-
sen, aber keine hohlen Zwischenräume zwischen ihr und
der vorigen, also keine Bläschen, sondern ein solider aus
Schichten zusammengesetzter Körper entstehn.


Die Anziehungskraft der Zellen wirkt in allen festen
Theilen der Zelle. Dieſs geht nicht nur daraus hervor, daſs
sich die neuen Moleküle überall zwischen die vorhandenen
absetzen können, sondern auch aus der Bildung der sekun-
dären Ablagerungen. Ist einmal eine Zellenhöhle gebildet,
so kann auch aus dem Inhalt derselbe Stoff so angezogen
werden, daſs er sich in Schichten ablagert, und zwar ge-
schieht dieſs auf der innern Fläche der Zellenmembran,
die also wahrscheinlich das Anziehende ist. Diese Schich-
tenbildung auf der innern Fläche der Zellenmembran ist
vielleicht nur eine Wiederholung desselben Prozesses, durch
welche sich früher Kern und Zelle als Schichten um das
Kernkörperchen niederschlugen. Doch muſs bemerkt wer-
den, daſs sich die Identität dieser beiden Prozesse noch
nicht so nachweisen läſst, wie die Identität der Prozesse
der Kern- und Zellenbildung, daſs vielmehr insofern ein
Unterschied in den Erscheinungen stattfindet, indem die
sekundären Ablagerungen bei Pflanzen in Spiralen geschehn,
während bei der Bildung der Zellenmembran und des Kerns
dieſs wenigstens noch nicht erwiesen ist, obgleich nach
einigen Phytotomen auch die Zellenmembran selbst aus
Spiralen bestehn soll.


Die Anziehungskraft in den Zellen kann gleichmäſsig
in der ganzen Zelle vorkommen, sie kann sich aber auch
auf einzelne Stellen beschränken, so daſs der Absatz der
neuen Moleküle an einzelnen Stellen stärker erfolgt, da-
her ein stärkeres Wachsthum einzelner Stellen der Zellen-
membran, also eine Formveränderung der Zelle hervorge-
bracht wird.


Die Anziehungskraft der Zellen wirkt mit einer ge-
wissen Auswahl. Nicht alle Substanzen, die in dem um-
gebenden Cytoblastem enthalten sind, werden angezogen,
[234] sondern nur gewisse und zwar theils solche, die analog
mit der vorhandenen Substanz der Zelle sind (Assimilation),
theils solche, die chemisch davon verschieden sind. Durch
Assimilation wachsen die einzelnen Schichten, dagegen wird
bei der Bildung einer neuen Schichte Substanz angezogen,
die von der Substanz der vorigen Schichte verschieden
ist; denn Kernkörperchen, Kern und Zellenmembran be-
stehen aus chemisch verschiedenen Substanzen.


Dieſs sind die Eigenthümlichkeiten der plastischen Kraft
der Zellen, so weit sie sich bis jetzt aus den Beobachtun-
gen herleiten lassen. Die Aeuſserungen dieser Kraft setzen
aber in den Zellen noch eine andere Fähigkeit voraus.
Das Cytoblastem, in dem sich Zellen bilden, enthält zwar
die Elemente der Stoffe, aus denen die Zelle zusammen-
gesetzt wird, aber in anderen Kombinationen; es ist keine
bloſse Auflösung von Zellensubstanz, sondern enthält nur
bestimmte organische Substanz aufgelöst. Die Zellen zie-
hen daher nicht bloſs Stoff aus dem Cytoblastem an, son-
dern sie müssen die Fähigkeit haben, die Bestandtheile
des Cytoblastems chemisch umzuwandeln. Auſserdem kön-
nen alle Theile der Zelle selbst während ihres Vegetations-
prozesses chemisch verändert werden. Die unbekannte
Ursache all dieser Erscheinungen, die wir unter dem Na-
men metabolische Erscheinungen der Zellen zusammenfas-
sen, wollen wir die metabolische Kraft nennen.


Zunächst läſst sich über diese Kraft nachweisen, daſs
sie ein Attribut der Zellen selbst ist, und daſs das Cyto-
blastem dabei passiv ist. Als Beispiel kann man hier die
Weingährung *) anführen. Ein Dekokt von Malz bleibt
[235] für sich lange Zeit unverändert. Sobald man aber etwas
Hefe hinzusetzt, welche theils aus ganzen Pilzen, theils
*)
[236] aus einer Menge einzelner Zellen besteht, so tritt gleich
die chemische Umwandlung ein. Das Malzdekokt ist hier
das Cytoblastem; das Aktive bei dieser Umwandlung sind
offenbar die Zellen und das Cytoblastem ist ganz passiv,
und hier sogar eine gekochte Flüssigkeit. Dasselbe findet
statt, wenn man überhaupt einfache Zellen, z. B. Sporen
niederer Pflanzen in gekochte Substanzen säet.


An den Zellen selbst scheinen aber wieder die festen
Theile, Zellenmembran und Zellenkern dasjenige zu sein,
was die Umwandlung hervorbringt. Der Zelleninhalt er-
leidet ähnliche und noch mannigfaltigere Veränderungen,
als das äuſsere Cytoblastem, und daſs diese Veränderungen
von den festen Bestandtheilen der Zellen, namentlich der
Zellenmembran ausgehn, wird daraus wenigstens wahrschein-
lich, weil sich die sekundären Ablagerungen auf der innern
Fläche der Zellenmembran, und andre Niederschläge ge-
wöhnlich zuerst um den Zellenkern bilden. Man kann
also überhaupt sagen: die festen Bestandtheile der Zellen
haben die Fähigkeit, die mit ihnen in Berührung befindli-
chen Substanzen chemisch zu verändern.


Die Substanzen, welche durch die Umwandlung des
Zelleninhaltes entstehn, sind andere, wie die, welche durch
die Umwandlung des äuſsern Cytoblastems entstehn. Wo-
her rührt dieser Unterschied, wenn die Zellenmembran
bloſs umwandelnd auf ihre Umgebung wirkt? Sollte man
nicht vielmehr erwarten, daſs die umgewandelten Substan-
zen ohne Unterschied auf der innern, wie auf der äuſsern
Fläche der Zellenmembran auftreten? Man könnte sagen:
die Zellenmembran verändert zwar ohne Unterschied die
mit ihr in Berührung befindliche Substanz, und daſs die
Produkte dieser Veränderung verschieden sind, rührt bloſs
*)
[237] daher, weil die zu verändernde Substanz des Zelleninhaltes
eine andere ist, wie das äuſsere Cytoblastem. Allein dann
entsteht die Frage, wie es kommt, daſs der Zelleninhalt
von dem äuſsern Cytoblastem verschieden ist. Entsteht
der Zelleninhalt so, daſs die Zellenmembran, die Anfangs
den Kern dicht umschlieſst, sich durch Wachsthum aus-
dehnt, daher ein Zwischenraum zwischen ihr und der Zelle
entstehn muſs, der durch blosse Imbibition mit Flüssigkeit
gefüllt wird, so kann dieser Zelleninhalt nicht wesentlich
verschieden sein von dem äuſsern Cytoblastem. Ich glaube
daher, daſs man zur Erklärung der Verschiedenheit des
Zelleninhaltes von dem äuſsern Cytoblastem der Zellen-
membran nicht nur im Allgemeinen die Fähigkeit zuschrei-
ben muſs, die Substanzen, womit sie in Berührung oder
womit sie imbibirt ist, chemisch zu verändern, sondern sie
auch so zu trennen, daſs bestimmte Substanzen auf der
innern, andere auf der äuſsern Fläche der Zellenmembran
auftreten. Bei der Erklärung der Sekretion schon im Blute
vorhandener Stoffe, z. B. des Harnstoffs durch die Zellen,
womit die Harnkanälchen ausgekleidet sind, kommt man
ohnehin ohne eine solche Fähigkeit der Zellen nicht aus.
Es liegt aber darin auch nichts so sehr Gewagtes, da ja
das getrennte Auftreten verschiedener Substanzen bei den
Zersetzungen durch die galvanische Säule Faktum ist.
Vielleicht darf man aus dieser Eigenthümlichkeit der me-
tabolischen Erscheinungen an den Zellen die Vermuthung
entnehmen, daſs eine bestimmte Lage der Axen der die
Zellenmembran zusammensetzenden Atome eine wesentliche
Rolle bei Hervorbringung dieser Erscheinungen spielt.


Allein nicht nur das Cytoblastem und der Zelleninhalt,
sondern auch die festen Bestandtheile der Zellen, nament-
lich die Zellenmembran erleiden chemische Veränderungen.
Ohne einen nähern Zusammenhang der metabolischen Kraft
der Zellen mit dem Galvanismus behaupten zu wollen,
darf ich doch, bloſs um sich eine bestimmtere Vorstellung
des Prozesses machen zu können, daran erinnern, daſs die
durch eine galvanische Säule hervorgebrachten chemischen
[238] Veränderungen von entsprechenden Veränderungen in der
Säule selbst begleitet sind.


Je dunkler die Ursache der metabolischen Erscheinun-
gen in den Zellen ist, um so genauer müssen wir die
Umstände und Erscheinungen beachten, unter denen sie
vor sich gehn. Bedingung derselben ist eine gewisse Tem-
peratur, welche ein Maximum und ein Minimum hat. Un-
ter 0° und über 80° R. gehen diese Erscheinungen nicht
vor sich; Siedhitze hebt sogar diese Fähigkeit der Zellen
für immer auf; am günstigsten ist eine Temperatur zwi-
schen 10—32° R. Durch den Prozeſs selbst wird Wärme
entwickelt.


Gasförmiger oder locker gebundener Sauerstoff oder
Kohlensäure sind wesentlich nothwendig zu den metaboli-
schen Erscheinungen der Zellen. Der Sauerstoff verschwin-
det dabei und Kohlensäure wird entwickelt, oder auch
umgekehrt, Kohlensäure verschwindet und Sauerstoff wird
entwickelt. Die Allgemeinheit der Respiration gründet sich
grade auf diese Grundbedingung der metabolischen Erschei-
nungen der Zellen. Sie ist um so wichtiger, da, wie wir
später sehen werden, sogar die Hauptformunterschiede der
Organismen durch diese Eigenthümlichkeit des metaboli-
schen Prozesses der Zellen bedingt sind.


Nicht jede Zelle ist im Stande jede aufgelöste orga-
nische Substanz chemisch umzuwandeln, sondern nur be-
stimmte. Fermentpilze z. B., in andere Auflösungen als
Zucker gebracht, lassen dieselben unverändert, und über-
haupt entwickeln sich die Sporen bestimmter Pflanzen nicht
in allen Stoffen. Ebenso ist es wahrscheinlich, daſs im
thierischen Körper jede Zelle nur bestimmte Bestandtheile
des Blutes umwandelt.


Nicht nur starke chemische Einwirkungen, welche die
organische Substanz überhaupt zerstören, sondern auch
chemisch weniger differente Stoffe, z. B. konzentrirte Auf-
lösungen von Neutralsalzen heben die metabolische Kraft
der Zellen auf. Andere Stoffe, z. B. Arsenik, thun dieſs
schon in geringerer Quantität. Durch andere, sowohl or-
[239] ganische als anorganische Substanzen können die metabo-
lischen Erscheinungen qualitativ verändert werden, und
selbst mechanische Einwirkungen auf die Zellen können
eine solche Veränderung hervorbringen.


Dieſs sind die wesentlichsten Eigenschaften der Grund-
kräfte der Zellen, so viel sie sich bis jetzt aus den Er-
scheinungen abstrahiren lassen. Um nun scharf aufzufassen,
worin die Eigenthümlichkeit des Zellenbildungsprozesses,
also des Grundphänomens der Bildung der Organismen
liegt, wollen wir diesen Prozeſs mit einem möglichst ähn-
lichen Phänomen der anorganischen Natur vergleichen.
Abstrahiren wir von Allem, was der Zellenbildung speziell
eigenthümlich ist, um den nächst höhern Begriff zu finden,
unter den sie mit einem in der anorganischen Natur vor-
kommenden Prozeſs subsumirt werden kann, so kann man
die Zellenbildung von dem Gesichtspunkte betrachten, daſs
dabei auf Kosten einer, in einer Flüssigkeit aufgelösten
Substanz in dieser Flüssigkeit ein fester Körper von be-
stimmter regelmäſsiger Form sich bildet. Unter diesen
höhern Begriff fällt in der anorganischen Natur auch der
Prozeſs der Krystallbildung, und dieser ist daher das nächste
Analogon der Zellenbildung.


Vergleichen wir nun beide Prozesse, um die Verschie-
denheit des organischen Prozesses lebhaft hervorzuheben.
Was zunächst die plastischen Erscheinungen betrifft, so
ist die Form der Zellen und Krystalle eine sehr verschie-
dene. Die Grundformen der Krystalle sind gewisse einfache
immer eckige, von ebenen Flächen begrenzte, regelmäſsige
oder wenigstens symmetrische Formen, und auch die sehr
mannigfaltigen secundären Krystallformeu sind fast ohne Aus-
nahme durch ebene Flächen begrenzt. So mannigfaltig die
Form der Zellen ist, so haben sie doch mit Krystallen am
wenigsten Aehnlichkeit; die runden Flächen walten vor, und
wo Ecken vorkommen, sind sie nie ganz scharf, und die
krystallähnlichen polyedrischen Formen mancher Zellen
entstehen nur aus mechanischen Ursachen. Auch die Struktur
der Zellen und Krystalle ist verschieden. Die Krystalle
[240] sind solide, aus lauter übereinander gelagerten Schichten
zusammengesetzte Körper: die Zellen sind einfach, oder
mehrfach ineinander geschachtelte hohle Bläschen. Betrach-
tet man auch die Membranen dieser Bläschen als Schichten,
so bleibt doch noch immer der Unterschied von Krystallen,
daſs diese Schichten einander nicht berühren, sondern Flüs-
sigkeit zwischen sich enthalten, was bei den Krystallen
nicht der Fall ist, daſs dieser Schichten nur wenige, nur
1 bis 3 sind, und daſs die Schichten der Zellen chemisch
von einander verschieden sind, während die Schichten der
Krystalle aus derselben chemischen Substanz bestehn. End-
lich ist auch ein groſser Unterschied in der Art des Wachs-
thums der Krystalle und Zellen. Die Krystalle wachsen
durch Appositio, die neuen Moleküle setzen sich nur auf
die Oberfläche der abgelagerten ab; die Zellen wachsen
auch durch Intussusception, d. h. die neuen Moleküle setzen
sich auch zwischen die schon abgelagerten ab.


Sind diese plastischen Erscheinungen der Zellen und
Krystalle schon sehr verschieden, so sind es noch mehr
die metabolischen, oder solche sind vielmehr den Zellen
ganz eigenthümlich. Wenn ein Krystall wachsen soll, so
muſs er als solcher vorher in der Auflösung vorhanden
sein, und es muſs eine äuſsere Ursache hinzukommen,
welche seine Auflöslichkeit vermindert. Die Zellen dage-
gen sind im Stande, in der umgebenden Flüssigkeit eine
chemischc Veränderung hervorzubringen, Stoffe zu erzeu-
gen, die vorher als solche nicht da waren, sondern von
denen nur die Elemente in einer andern Kombination da
waren. Eine äuſsere Ursache zur Veränderung der Auf-
löslichkeit ist daher bei den Zellen nicht nothwendig; denn
wenn die Zelle chemische Veränderungen in der umgeben-
den Flüssigkeit hervorbringen kann, so kann sie auch solche
Stoffe hervorbringen, die schon unter den vorhandenen
Umständen sich nicht aufgelöst erhalten können, und deſs-
halb fällt die Nothwendigkeit einer äuſsern Ursache des
Wachsthums weg. Legt man einen Krystall in eine nicht
konzentrirte Auflösung sogar desselben Stoffes, so erfolgt
[241] ohne unser Zuthun nichts, oder der Krystall löst sich gar
auf; die Flüssigkeit muſs abgedampft werden, wenn der
Krystall wachsen soll. Legt man eine Zelle in eine nicht
konzentrirte Auflösung selbst einer von ihr verschiedenen
Substanz, so wächst sie und verändert diese Substanz ohne
unser Zuthun. Gerade dadurch erhält der an den Zellen
vor sich gehende Prozeſs, so lange man ihn nicht in seine
einzelnen Akte zerlegt, das Magische, was dem Begriff
Leben anklebt.


Man sieht hieraus, wie sehr verschieden die Erschei-
nungen der Zellenbildung und der Krystallbildung sind.
Indessen darf man doch auch die Momente nicht überse-
hen, worin beide Prozesse ähnlich sind. Sie stimmen in
dem Hauptpunkte überein, daſs sich auf Kosten einer, in
einer Flüssigkeit aufgelösten Substanz nach bestimmten
Gesetzen feste Körper von einer bestimmten regelmäſsigen
Form bilden, und zwar ist auch bei den Krystallen, wie
bei den Zellen der Krystall in sofern thätig und positiv
wirksam, als er veranlaſst, daſs die sich niederschlagenden
Substanzen an ihn und nicht irgendwo anders ansetzen.
Eine Kraft, wodurch die Krystalle die in der umgebenden
Flüssigkeit, aufgelöste Substanz anzuziehn im Stande sind,
muſs man also bei ihnen ebenso annehmen, wie bei den
Zellen. Daraus folgt freilich nicht, daſs diese beiden an-
ziehenden Kräfte, die Krystallisationskraft, um sie kurz zu
bezeichnen, und die plastische Kraft der Zellen wesentlich
dasselbe sind. Dieſs würde nur dann anzunehmen sein,
wenn sich nachweisen lieſse, daſs beide Kräfte nach den-
selben Gesetzen wirken. Dieſs scheint aber auf den ersten
Blick keineswegs der Fall zu sein: die Erscheinungen der
Krystall- und Zellenbildung sind, wie wir gesehn haben,
sehr verschieden, selbst wenn wir die metabolische Kraft
der Zellen, die möglicher Weise irgend einer andern Ei-
genthümlichkeit der organischen Substanz ihren Ursprung
verdankt, einstweilen ganz aus dem Spiele lassen, und bloſs
die plastischen Erscheinungen betrachten.


Indessen wäre es möglich, daſs diese Unterschiede nur
16
[242] sekundär sind, daſs Krystallisationskraft und plastische
Kraft der Zellen identisch sind, daſs aber eine ursprüng-
liche Verschiedenheit der Substanz der Zellen von der
Substanz der Krystalle sich nachweisen lieſse, durch die
man einsehen könnte, daſs die Substanz der Zellen nach
den Gesetzen der Krystallbildung, statt in der Form der
gewöhnlichen Krystalle als Zelle krystallisiren müsse. Es
lohnt wenigstens der Mühe, einen solchen Versuch zu
machen.


Suchen wir einen solchen Unterschied der Substanz der
Zellen von der Substanz der Krystalle, so kann man zu-
nächst sagen, daſs er nicht in etwas liegen kann, was die
Substanz der Zellen mit den in der gewöhnlichen Form
krystallisirenden organischen Substanzen gemein hat. Dem-
nach kann z. B. die komplizirtere Zusammensetzung der
Atome zweiter Ordnung in den organischen Körpern nicht
die Ursache dieser Verschiedenheit sein; denn wir sehen
z. B. am Zucker, daſs durch diese chemische Zusammen-
setzung die Krystallisationsweise nicht geändert wird.


Ein anderer Unterschied, wodurch sich wenigstens ein
Theil der organischen Körper von den anorganischen un-
terscheidet, ist die Imbibitionsfähigkeit. Die meisten orga-
nischen Körper besitzen die Fähigkeit, mit Wasser durch-
drungen zu werden und zwar in der Art, daſs dieſs nicht
etwa in die Zwischenräume zwischen die Elementargebilde
des Körpers, sondern in die einfachen strukturlosen Ge-
bilde, z. B. in die Zellenmembranen u. s. w. eindringt, und
zwar so, daſs sie eine gleichartige Mischung bilden, und
keine Theilchen des organischen Stoffes und keine mit
Wasser gefüllte Zwischenräume zu sehen sind. Das Was-
ser findet sich in den imbibirten organischen Stoffen, wie
es in einer Auflösung vorhanden ist, und so verschieden
eine Auflösung von den Erscheinungen der Kapillarität ist,
so verschieden ist auch die Imbibitionsfähigkeit von der
Kapillarität. Wenn Wasser durch eine Schichte gelatinir-
ten Leims durchdringt, so ist an Poren im gröbern Sinne
gar nicht zu denken, und ebenso verhalten sich alle imbi-
[243] bitionsfähigen Stoffe. Sie besitzen dadurch eine Doppel-
natur; sie haben eine bestimmte Form wie die festen Kör-
per, auf der andern Seite sind sie aber auch für alles
Aufgelöste durchdringlich, wie die Flüssigkeiten. So wie
eine specifisch leichtere Flüssigkeit, die sorgfältig über eine
specifisch schwerere gegossen wird, so daſs beide sich nicht
mischen, allmählig doch die letztere durchdringt, so ver-
hält sich auch jede Auflösung, wenn sie mit einer schon
mit Wasser imbibirten Membran in Berührung kommt, in
dieser Membran gerade so, als ob die Membran eine Auf-
lösung wäre. Da die Krystallisation der Uebergang aus
dem Flüssigen in den festen Zustand ist, so kann man
wohl die Möglichkeit, ja die Wahrscheinlichkeit einsehen,
daſs, wenn solche eines Mittelzustandes zwischen Fest und
Flüssig fähige Körper zum Krystallisiren gebracht werden
könnten, sich eine bedeutende Verschiedenheit von der
gewöhnlichen Krystallisationsweise herausstellen würde. In
der That findet sich nichts, was man Krystall nennt, aus
imbibitionsfähiger Substanz zusammengesetzt, und selbst von
den organischen Körpern krystallisiren nur diejenigen, wel-
che nicht imbibitionsfähig sind, z. B. Fett, Zucker, Wein-
steinsäure u. s. w. Die imbibitionsfähigen Körper krystalli-
siren daher entweder gar nicht, oder unter einer Form,
die von den Krystallen so verschieden ist, daſs man sie
als Krystalle nicht erkennt.


Untersuchen wir, was wohl entstehen müſste, wenn
ein imbibitionsfähiger Stoff nach den gewöhnlichen Gesetzen
krystallisirte, welche Unterschiede von den gewöhnlichen
Krystallen sich wahrscheinlich zeigen würden, wenn wir
bloss annehmen, daſs die Auflösung auch die schon gebilde-
ten Theile des Krystalls noch durchdringt, und daher zwi-
schen die schon gebildeten Theile noch neue Moleküle
sich ablagern können. Die gewöhnlichen Krystalle wachsen
zwar nur durch Apposition; allein in der Art dieser Ap-
position findet noch ein wichtiger Unterschied statt. Setz-
ten sich die Moleküle alle gleichmäſsig aneinander, so könn-
ten wir zwar einen Körper von bestimmter äuſserer Form
16*
[244] erhalten, wie ein Krystall, aber er würde die Struktur
eines Krystalls nicht haben; er würde nicht aus Schichten
bestehen. Die Existenz dieser Schichtung in den Krystal-
len setzt eine doppelte Art der Apposition der Moleküle
in den Krystallen voraus: in jeder Schichte nämlich ver-
schmelzen die neu sich ansetzenden Moleküle mit den
schon vorhandenen dieser Schichte zu einem Kontinuum;
diejenigen Moleküle aber, welche die einander berührenden
Flächen zweier Schichten bilden, verschmelzen nicht mit-
einander. Es ist diess eine auffallende Eigenthümlichkeit
der Krystallbildung, deren Grund wir nicht kennen. Es
läſst sich für jetzt nicht einsehen, weſshalb die neuen Mo-
leküle, die sich auf die Oberfläche eines bis auf einen ge-
wissen Punkt gebildeten Krystalls absetzen, nicht mit den
schon abgelagerten Molekülen zu einem Kontinuum ver-
schmelzen, wie es doch die Moleküle in jeder einzelnen
Schichte thun, sondern eine neue Schichte bilden, und
weſshalb diese neue Schichte nicht an Dicke immer weiter
wächst, sondern statt dessen sich eine zweite Schichte um
den Krystall bildet u. s. w. Wir können einstweilen nichts
weiter thun, als das Faktum in Form eines Gesetzes aus-
sprechen, daſs nämlich die miteinander verschmelzenden
Moleküle sich mehr der Fläche nach nebeneinander, als
der Dicke nach über einander ablagern, so daſs, da die
Ausdehnung der Schichte durch die Gröſse des Krystalls
gegeben ist, die Schichte auch nur eine bestimmte Dicke
erreichen kann, über welche hinaus die neu sich absetzenden
Moleküle nicht mehr mit ihr verschmelzen können, sondern
eine neue Schichte bilden müssen.


Nehmen wir nun an, daſs auch imbibitionsfähige Kör-
per krystallisiren könnten, so wird sich dabei die doppelte
Art der Verbindung der Moleküle auch zeigen müssen.
Eine Schichtenbildung wird auch bei ihnen statt haben
müssen; wenigstens ist nicht einzusehen, weſshalb sich hier
ein Unterschied zeigen sollte, da ja gerade die Schichten-
bildung bei den gewöhnlichen Krystallen zeigt, daſs die
Moleküle nicht alle so genau miteinander verbunden wer-
[245] den sollen, als es überhaupt möglich ist- Nur in den ein-
zelnen Schichten findet eine möglichst innige Verbindung
der Moleküle statt. Diese geschieht bei den gewöhnlichen
Krystallen durch Apposition der neuen Moleküle auf die
Oberfläche der vorhandenen und Verschmelzung mit den-
selben. Bei den imbibitionsfähigen Körpern ist eine vie
innigere Vereinigung möglich, indem hier die neuen Mo-
leküle sich durch Intussusceptio zwischen die vorhandenen
ablagern können. Es ist daher wohl keine zu kühne Hy-
pothese, wenn man annimmt, daſs bei imbibitionsfähigen
Körpern, wenn sie krystallisiren, die einzelnen Schichten
durch Intussusceptio wachsen würden, und daſs dieſs bei
gewöhnlichen Krystallen nur deſshalb nicht geschieht, weil
es nicht möglich ist.


Denken wir uns also einen Theil des Krystalls gebil-
det; die Ablagerung neuer Moleküle dauert fort, aber diese
verschmelzen nicht mit dem schon fertigen Theil des Kry-
stalls, sondern sie verschmelzen nur untereinander und
bilden eine neue Schichte, welche nach Analogie der ge-
wöhnlichen Krystalle, entweder den ganzen Krystall oder
nur einen Theil desselben überziehen kann. Wir wollen
annehmen, sie überziehe den ganzen Krystall. Bildet sich
nun auch diese Schichte, statt durch Apposition, durch
Ablagerung der neuen Moleküle zwischen die vorhandenen,
so darf doch dabei das Gesetz nicht geändert werden, daſs
die Ablagerung der miteinander verschmelzenden Moleküle
nach zwei Richtungen also in einer Fläche stärker geschieht,
als in der dritten Richtung in der Dicke der Schichte, d. h.
die Moleküle, welche sich durch Intussusceptio zwischen
die schon vorhandenen ablagern, müssen sich zwischen die
nach der Fläche der Schichte nebeneinanderliegenden Mole-
küle stärker ablagern, als zwischen die nach der Dicke
der Schichte übereinanderliegenden. Diesem Nebeneinan-
derlagern der Moleküle ist bei gewöhnlichen Krystallen
durch die Gröſse des Krystalls, oder durch die Gröſse der
einzelnen Fläche, auf der sich die Schichte bildet, eine
Grenze gesetzt; daher hört auch die Verschmelzung der
[246] Moleküle mit dieser Schichte auf und es beginnt eine neue
Schichte. Findet aber bei den imbibitionsfähigen Krystal-
len ein Wachsthum der Schichten durch Intussusceptio
statt, so hindert, selbst wenn die Schichte schon den gan-
zen Krystall überzogen hat, Nichts, daſs sich noch weiter
Moleküle zwischen die der Fläche nach nebeneinanderlie-
genden Moleküle ablagern, das Wachsthum der Schichte
kann fortdauern, ohne daſs das Gesetz, wonach die neuen
Moleküle miteinander verschmelzen, geändert zu werden
braucht. Die Folge davon aber ist, daſs sich zunächst die
Schichte mehr kondensirt, d. h. in denselben Raum mehr
feste Substanz aufnimmt; dann aber wird sie sich ausdeh-
nen und von dem fertigen Theil des Krystalls trennen, so
daſs zwischen ihr und dem Krystall ein hohler Zwischen-
raum entsteht, der sich durch Imbibition mit Flüssigkeit
füllt, und an einer Stelle ihrer innern Fläche liegt der
früher gebildete Theil des Krystalls an. So erhalten wir
also bei imbibitionsfähigen Körpern, statt einer neuen
Schichte, die sich an die früher gebildeten Theile des
Krystalls ansetzt, ein hohles Bläschen. Dieses muſs Anfangs
die Form haben von dem Krystallkörper, um den es sich
bildet, also eckig sein, wenn dieser eckig ist. Denken
wir uns aber diese Schichte aus weicher imbibitionsfähiger
Substanz zusammengesetzt, so ist leicht einzusehen, daſs ein
solches Bläschen durch Imbibition sehr bald rund oder oval
werden muſs. Allein der früher gebildete Theil des Kry-
stalls besteht ebenfalls aus imbibitionsfähiger Substanz, und
es ist deſshalb noch sehr zweifelhaft, ob er überhaupt eine
eckige Form haben muſs. Bei gewöhnlichen Krystallen
lagern sich Atome Einer Substanz zusammen, und man
begreift, wie eine bestimmte eckige Form des Krystalls
entstehen kann, wenn diese Atome eine bestimmte Form
haben, oder in bestimmten Axen eine verschiedene An-
ziehung aufeinander ausüben. Allein bei imbibitionsfä-
higen Körpern lagert sich nicht ein Atom einer Substanz
an ein Atom derselben Substanz, sondern Atome von
Wasser treten dazwischen und zwar Atome von Wasser,
[247] die nicht mit einem Atomen der festen Substanz zu einem
zusammengesetzten Atom verbunden sind, wie beim Kry-
stallwasser, sondern die auf irgend eine andere unbekannte
Weise zwischen den Atomen der festen Substanz sich be-
finden. Es läſst sich daher nicht vorhersehen, ob das, was
sich vom Krystall zuerst bildet, eine eckige Form haben
muſs oder nicht.


Ein gewöhnlicher Krystall besteht aus einer Menge
von Schichten; er hat schon so klein, als er erkennbar
ist, die Form, die später der ganze Krystall zeigt, wenig-
stens, was die Winkel anbelangt; wir müssen also vermu-
then, daſs die erste Schichte sich um ein sehr kleines
Körperchen bildet, welches dieselbe Form hat, wie der
spätere Krystall. Wir wollen dieſs das primitive Körper-
chen nennen. Bei den imbibitionsfähigen Krystallen ist es
also zweifelhaft, welche Form dieses Körperchen hat. Um
dieses bildet sich also auf die angegebene Weise die erste
Schichte; diese wächst durch Intussusceptio und bildet so
ein hohles rundes oder ovales Bläschen, an dessen innerer
Fläche das primitive Körperchen anliegt. Da alle neu ab-
zulagernden Moleküle sich in dieser Schichte absetzen kön-
nen, ohne daſs das Gesetz, wonach die Moleküle bei der
Krystallisation verschmelzen, geändert zu werden braucht,
so muſs man consequent schlieſsen, daſs diese Schichte die
einzige bleibe und sich bedeutend ausdehne, so daſs sie
alle Schichten eines gewöhnlichen Krystalls repräsentirt.
Es ist aber die Frage, ob nicht doch Gründe vorhanden
sein können, weſshalb sich mehrere Schichten bilden kön-
nen. Ein solcher Grund ist allerdings denkbar. Es hängt
von der Konzentration der Flüssigkeit ab, wieviel feste
Substanz in einer bestimmten Zeit heraus krystallisiren muſs;
die Menge der Moleküle, die sich nach dem erwähnten
Gesetz in einer gewissen Zeit in der Schichte absetzen
können, hängt davon ab, wieviel von der Auflösung in
dieser Zeit durch Imbibition in die Membran eindringen
kann. Muſs aber vermöge der Konzentration der Auflö-
sung in derselben Zeit mehr niedergeschlagen werden, so
[248] kann dieſs sich nur als eine neue Schichte auf der äuſsern
Oberfläche des Bläschens absetzen. Ist diese zweite Schichte
gebildet, so setzen sich die neuen Moleküle in diese ab,
sie dehnt sich schnell zu einem Bläschen aus, an dessen
innerer Fläche das erste Bläschen mit seinem primitiven
Körperchen anliegt. Das erste Bläschen wächst nun ent-
weder gar nicht mehr oder wenigstens viel langsamer;
letzteres dann, wenn die Endosmose in die Höhle des zweiten
Bläschens so schnell erfolgen kann, daſs beim Durchdringen
durch dies Bläschen nicht alles Fällbare wirklich sich ab-
setzt. Das zweite Bläschen, wenn es sich überhaupt bil-
det, muſs sich nothwendig auch relativ stärker entwickeln,
als das erste; denn im Anfange ist die Auflösung am
konzentrirtesten, daher tritt hier schneller die Nothwendig-
keit der Bildung einer zweiten Schichte ein; hat sich diese
aber gebildet, so ist die Konzentration der Flüssigkeit schon
geringer, und es tritt diese Nothwendigkeit entweder gar
nicht oder später ein. Möglicher Weise kann sich aber
auch noch eine dritte, vierte u. s. w. bilden; immer muſs
die äuſserste Schichte sich auch relativ am stärksten
entwickeln; denn wenn die Konzentration der Auflösung
nur so stark ist, daſs alles, was in einer bestimmten Zeit
abgelagert werden muſs, sich in der äuſsersten Schichte
ablagern kann, so wird auch alles zum Wachsthum die-
ser Schichte verwandt.


Dieſs würden also die Erscheinungen sein, unter de-
nen imbibitionsfähige Stoffe wahrscheinlich krystallisiren
würden, wenn sie überhaupt krystallisirten. Ich sage wahr-
scheinlich; denn bei unseren noch unvollständigen Kennt-
nissen über Krystallbildung und Imbibitionsfähigkeit läſst
sich so etwas nicht mit Sicherheit a priori bestimmen. Es
ist aber einleuchtend, daſs dieſs gerade die Haupt-Erschei-
nungen sind, unter denen sich die Zellen bilden. Die Zel-
len bestehen überall aus imbibitionsfähiger Substanz; es
bildet sich bei ihnen zuerst ein kleines nicht eckiges Kör-
perchen (Kernkörperchen), um dieses schlägt sich eine
Schichte (Kern) nieder, die so lange schnell wächst, bis
[249] sich auſsen eine zweite Schichte (Zelle) darum nieder-
schlägt. Jetzt wächst diese zweite schneller und dehnt
sich zu einem Bläschen aus, was oft auch mit der ersten
Schichte geschieht. In anderen seltenern Fällen bildet sich
nur eine, in noch anderen Fällen drei Schichten. Es bleibt
hier für die Zellenbildung nur der Unterschied, daſs die
einzelnen Schichten nicht aus derselben chemischen Sub-
stanz bestehn, während ein gewöhnlicher Krystall immer
nur aus Einem Stoff besteht. Handelt es sich also um
einen Vergleich zwischen Zellenbildung und Krystallbil-
dung, so fallen die oben erwähnten Unterschiede in Form,
Struktur und Art des Wachsthums weg. Wenn sich Kry-
stalle aus der Substanz bildeten, woraus die Zellen be-
stehn, so würden sie wahrscheinlich in diesen Beziehun-
gen sich wie die Zellen verhalten. Indessen bleiben die
metabolischen Erscheinungen, die bei den Krystallen ganz
fehlen, als wesentliche Unterschiede übrig.


Wenn man nun auch gerade wegen dieses wichtigen
Unterschiedes zwischen Zellen- und Krystallbildung allen
inneren Zusammenhang beider Prozesse läugnet, so kann
der Vergleich beider doch dazu dienen, sich wenigstens
eine deutliche Vorstellung von dem Zellenleben zu machen.
Man kann sich etwa die Sache so vorstellen: Die Substanz,
woraus die Zellen bestehn, besitzt die Fähigkeit, die Sub-
stanz, womit sie in Berührung ist, chemisch umzuwandeln,
etwa so, wie das bekannte Platinpräparat Alkohol in Es-
sigsäure umwandelt. Diese Fähigkeit kommt jedem Theile
der Zelle zu. Wird nun das Cytoblastem durch eine schon
gebildete Zelle so umgewandelt, daſs ein Stoff entsteht,
der sich nicht an diese Zelle ansetzen kann, so krystalli-
sirt er zunächst als das Kernkörperchen einer neuen Zelle
heraus. Dieses wandelt nun das Cytoblastem ebenfalls um.
Ein Theil des Umgewandelten kann sich in dem Cytoblastem
aufgelöst erhalten, oder krystallisirt als Anfang neuer Zellen
heraus; ein anderer Theil, die Zellensubstanz, krystallisirt
um das Kernkörperchen. Die Zellensubstanz ist entweder
in dem Cytoblastem löslich und krystallisirt erst heraus, wenn
[250] dieses damit gesättigt ist, oder sie ist unlöslich und krystal-
lisirt in demselben Moment, wo sie gebildet wird, nach den
oben erwähnten Gesetzen über die Krystallisation imbibi-
tionsfähiger Körper heraus, bildet daher eine oder mehrere
Schichten um das Kernkörperchen u. s. w. Stellt man sich
die Zellenbildung in dieser Weise vor, so würde man
sich die plastische Kraft der Zellen als identisch mit der
Kraft denken, wodurch die Krystalle wachsen. Nach der
obigen Darstellung über die Krystallisation imbibitionsfähi-
ger Körper reicht man auch wirklich mit dieser Vorstel-
lnngsweise bei den wichtigsten plastischen Erscheinungen
der Zellen aus. Sehen wir aber zu, ob dieser Vergleich
zu der ganzen Charakteristik der plastischen Kraft der Zel-
len (S. oben pag. 231) paſst.


Die Anziehungskraft in den Zellen wirkt nicht immer
gleichmäſsig, sondern der Ansatz der neuen Moleküle kann
stellenweise stärker erfolgen, so daſs eine Formverände-
rung der Zellen entsteht. Dies hat seine vollkommene Ana-
logie bei den Krystallen. Wenn hier auch die Winkel nie-
mals verändert werden, so kann doch an einzelnen Flächen
ein stärkerer Ansatz erfolgen, so daſs z. B. aus einem Wür-
fel eine vierseitige Säule entsteht. Hier werden auf einer
oder auf zwei entgegengesetzten Flächen des Würfels neue
Schichten abgelagert. Repräsentirt nun bei den Zellen eine
Schichte eine Menge der Schichten eines gewöhnlichen Kry-
stalls, so ist leicht einzusehen, daſs statt der neuen Schich-
tenbildung an zwei entgegengesetzten Seiten einer Zelle
ein stärkeres Wachsthum der einen Schichte an diesen Stel-
len, also eine Verlängerung einer runden Zelle in eine Fa-
ser statt finden muſs. Ebenso mit den übrigen Formver-
änderungen. Die Theilung der Zellen kann bei gewöhn-
lichen Krystallen keine Analogie haben, weil das einmal
abgelagerte keiner Veränderung mehr fähig ist. Mit der
Vorstellung von imbibitionsfähigen Krystallen läſst sich die-
ses Phänomen aber ebenso gut vereinigen, wie die Ver-
schmelzung mehrerer Zellen auf die oben pag. 218 beschrie-
bene Weise. Auch die Entstehung sekundärer Ablagerun-
[251] gen auf der inneren Fläche einer Schichte eines imbibi-
tionsfähigen Krystalls, wie sie sich bei den Zellen bilden,
kann man sich sehr gut vorstellen, wenn man dieser Schichte
die Fähigkeit zuschreibt, organische Substanz chemisch um-
zuwandeln. Hat sich nämlich diese Schichte nach den Ge-
setzen der Krystallisation zu einem Bläschen ausgedehnt,
und dieses sich durch Imbibition mit einer Auflösung or-
ganischer Substanz gefüllt, wird diese dann durch die Ein-
wirkung der Schichte selbst umgewandelt, so können dabei
sehr wohl Stoffe entstehen, die sich nicht mehr in der
Auflösung erhalten können. Diese können dann entweder
innerhalb des Bläschens als neue imbibitionsfähige Krystalle
unter der Form von Zellen heraus krystallisiren, oder,
wenn sie der Substanz des Bläschens verwandt sind, kön-
nen sie so heraus krystallisiren, daſs sie zum System des
Bläschens selbst gehören, und zwar letzteres wieder in
zweifacher Weise, entweder so, daſs sie zum Wachsthum
desselben verwandt werden, oder so, daſs sie neue Schich-
ten auf der inneren Fläche des Bläschens bilden, aus dem-
selben Grunde, weſshalb sich das Bläschen früher selbst
als eine Schichte bildete. Bei Pflanzenzellen geschehen
diese sekundären Ablagerungen in Spiralen. Dieſs ist ein
sehr wichtiges Faktum, dessen Nothwendigkeit man zwar
aus den Gesetzen der Krystallisation jetzt nicht einsieht.
Sollte sich aber aus den Gesstzen der Krystallisation an-
organischer Körper mathematisch nachweisen lassen, daſs
unter den veränderten Umständen bei imbibitionsfähigen
Körpern solche Ablagerungen in Spiralen erfolgen müſs-
ten, so würde man unzweifelhaft die Identität der plasti-
schen Kraft der Zellen und der Grundkräfte der Kry-
stalle behaupten können.


Wir kommen nun aber auf einige Eigenthümlichkeiten
in der plastischen Kraft der Zellen, von denen man auf
den ersten Blick weniger eine Analogie bei den Krystallen
erwarten sollte. Die Anziehungskraft der Zellen wirkt
nämlich mit einer gewissen Auswahl; nicht alle in dem
Cytoblastem vorhandene Substanz wird angezogen, sondern
[252] nur bestimmte und aus derselben Flüssigkeit, dem Blut,
ernährt sich hier eine Muskelzelle, dort eine Fettzelle
u. s. w. Nichts desto weniger kennen wir ein ganz ähnli-
ches und auch häufig schon als Analogon der Assimilation
angeführtes Phänomen von den Krystallen. Legt man in
eine Auflösung von Salpeter und Glaubersalz einen Salpe-
terkrystall, so krystallisirt nur der Salpeter; legt man einen
Glaubersalzkrystall hinein, so krystallisirt nur das Glau-
bersalz heraus: es findet also hier eine ganz ähnliche Aus-
wahl der anzuziehenden Substanz statt.


Bei Entwicklung der plastischen Erscheinungen an den
Zellen stellte sich noch das Gesetz heraus, daſs zur ersten
Bildung einer Zelle eine konzentrirtere Auflösung erfor-
derlich ist, als zum Wachsthum einer schon gebildeten
Zelle, ein Gesetz, worauf der Unterschied zwischen orga-
nisirten und nicht organisirten Geweben beruht. Bei der
gewöhnlichen Krystallisation muſs die Auflösung mehr als
gesättigt sein, wenn die Krystallisation beginnen soll. Ist
aber die Krystallisation vor sich gegangen, so bleibt nach
Thenard eine Mutterlauge übrig, die nicht mehr bei die-
ser Temperatur gesättigt ist. Dieſs ist ganz dasselbe Phä-
nomen, wie bei den Zellen; es zeigt, daſs zum Anfang der
Krystallisation eine konzentrirtere Auflösung erforderlich
ist, als zum Wachsthum der schon gebildeten Krystalle.
Dieses Faktum ist zwar von Thomson bestritten worden;
allein wenn in dem oben angeführten unbestrittenen Ver-
such ein Glaubersalzkrystall das aufgelöste Glaubersalz
mehr anzieht, als den aufgelösten Salpeter, und umgekehrt
der Salpeterkrystall den aufgelösten Salpeter mehr anzieht,
als das aufgelöste Glaubersalz, so geht doch daraus hervor,
daſs ein Krystall überhaupt ein aufgelöstes Salz anzieht,
eben weil der Versuch beweist, daſs es Grade dieser An-
ziehung gibt. Gibt es aber eine solche Anziehung, die von
einem Krystall ausgeübt wird, so ist, wenn man einen
Krystall in eine Auflösung eines Salzes legt, eine Ursache
da, welche den Absatz dieses Salzes bewirken kann, die
fehlt, wenn man keinen Krystall hineinlegt. Die Auflösung
[253] muſs also im letztern Falle konzentrirter sein, als im er-
stern, wenn auch der Unterschied so unbedeutend sein
kann, daſs er durch einen Versuch sich gar nicht nach-
weisen läſst. Es dürfte indessen eine Wiederholung der
Versuche nicht überflüssig sein. Bei imbibitionsfähigen
Krystallen kann dieser Unterschied noch bedeutend gestei-
gert werden, indem durch das Eindringen der Auflösung
zwischen die abgelagerten Moleküle die Anziehung der
letzteren sich vielleicht bedeutend steigern kann.


Wir sehen demnach, wie sich alle plastischen Erschei-
nungen an den Zellen mit Phänomenen vergleichen lassen,
welche sich nach den gewöhnlichen Gesetzen der Krystal-
lisation wahrscheinlich zeigen würden, wenn imbibitionsfä-
hige Körper zum Krystallisiren gebracht werden könnten.
So lange ein solcher Vergleich bloſs den Zweck hat, sich
eine deutlichere Vorstellung des Zellenbildungsprozesses
zu machen, dürfte dagegen nicht viel einzuwenden sein;
es liegt gar nichts Hypothetisches darin, eben weil keine
Erklärung darin liegt; es wird nicht behauptet, daſs die
Grundkraft der Zellen wirklich etwas gemeinsam habe mit
der Kraft, wodurch sich die Krystalle bilden. Hat man
doch immer das Wachsthum der Organismen, weil dabei
feste Substanzen aus einer Flüssigkeit sich absetzen, mit
einer Krystallisation verglichen, ohne deſshalb die Identität
der Grundkräfte zu behaupten. Bisher sind wir auch über
diesen Boden des Gegebenen, über diese bloſse Vorstel-
lungsweise der Thatsachen nicht hinausgegangen.


Es ist aber die Frage, ob die genaue Uebereinstim-
mung der Erscheinungen uns nicht berechtigte, weiter zu
gehen. Wenn die Bildung und das Wachsthum der Ele-
mentartheile der Organismen weiter nichts mit der Kry-
stallisation gemein hat, als daſs sich feste Substanzen aus
einer Flüssigkeit absetzen, so ist dieſs allerdings kein
Grund, einen innern Zusammenhang beider Prozesse an-
zunehmen. Allein wir haben erstens gesehn, daſs bei dem
Absatz der Moleküle zur Bildung der Elementartheile der
Organismen Gesetze zu Grunde liegen, die für alle Ele-
[254] mentartheile dieselben sind, daſs es für alle Elementartheile
ein gemeinsames Entwicklungsprinzip, nämlich das der Zel-
lenbildung gibt; es wurde dann gezeigt, daſs der Grund
des Ansatzes der neuen Moleküle nicht in dem ganzen
Organismus, sondern in den einzelnen Elementartheilen
liege (was wir die plastische Kraft der Zellen nannten);
endlich wurde nachgewiesen, daſs die Gesetze, nach wel-
cher sich die neuen Moleküle zu Zellen zusammenfügen,
so viel sich nach den unvollständig bekannten Gesetzen
der Krystallisation im Voraus darüber wahrscheinlich ma-
chen läſst, dieselben sind, wie die, wonach imbibitionsfähige
Substanzen krystallisiren würden: Nun bestehn in der That
die Zellen nur aus imbibitionsfähiger Substanz; sollte man
deſshalb nicht zur Aufstellung des Satzes berechtigt sein,
daſs die Bildung der Elementartheile der Organismen nichts
als eine Krystallisation imbibitionsfähiger Substanz, der
Organismus nichts als ein Aggregat solcher imbibitionsfä-
higer Krystalle ist?


Ein so wichtiger Satz würde gewiſs des strengsten
Beweises bedürfen, wenn er als entschiedene Wahrheit
hingestellt werden sollte, aber selbst von den hier voraus
geschickten Prämissen kann man nicht behaupten, daſs sie
in allen Punkten die hierzu erforderliche Strenge haben.
Wir kennen namentlich noch zu wenig die Ursache der
Krystallbildung, als daſs man, wie es oben versucht wurde,
mit Sicherheit vorher bestimmen könnte, was erfolgen würde,
wenn ein imbibitionsfähiger Stoff krystallisirte. Gibt man
aber auch diese Prämissen zu, so wären zur Richtigkeit
des fraglichen Satzes noch folgende zwei Punkte nachzu-
weisen: 1) daſs die metabolischen Erscheinungen der Zel-
len, die in der obigen Deduktion nicht berücksichtigt wur-
den, ebenfalls wie die plastischen Erscheinungen nothwen-
dige Folge der Imbibitionsfähigkeit, oder irgend einer an-
dern Eigenthümlichkeit der Zellensubstanz sind. 2) Daſs,
wenn sich eine Menge imbibitionsfähiger Krystalle bilden,
diese sich nach gewissen Gesetzen zusammenfügen müssen,
so daſs sie ein, einem Organismus ähnliches, systematisches
[255] Ganze bilden. Diese beiden Punkte müſsten mit aller
Strenge erwiesen werden, wenn man die obige Ansicht als
entschiedene Wahrheit aufstellen wollte. Anders ist es
dagegen, wenn man diese Ansicht bloſs als eine Hypothese
hinstellt, welche zum Zweck hat, als Leitfaden für neue
Untersuchungen zu dienen. In diesem Falle enthält die
obige Deduktion Wahrscheinlichkeitsgründe genug, um zu
einer solchen Hypothese zu berechtigen, wenn nur die bei-
den eben erwähnten Punkte sich mit dieser Hypothese ver-
einigen lassen.


Was den ersten dieser Punkte anbelangt, so würde
es allerdings bei unserer Unkenntniſs über die Ursache der
chemischen Erscheinungen überhaupt unmöglich sein zu
beweisen, daſs ein imbibitionsfähiger Krystall chemisch um-
wandelnd auf seine Umgebung wirken müsse; läſst sich
doch auch aus der Art, wie der Platinschwamm gebildet
wird, nicht seine eigenthümliche Wirkung auf Sauerstoffgas
und Wasserstoffgas im Voraus deduziren. Für die Halt-
barkeit jener Ansicht, als einer möglichen Hypothese, ist
aber auch nur nöthig einzusehen, daſs es eine Folge sein
kann, und dieſs läſst sich gar nicht leugnen; es sprechen
sogar einige, freilich nur schwache Gründe dafür. Da
nämlich alle Zellen diese metabolische Kraft besitzen, so
ist es wahrscheinlicher, daſs diese mehr ihren Grund in
einer bestimmten Lage der Moleküle, die wahrscheinlich
bei allen Zellen wesentlich dieselbe ist, als in der chemi-
schen Zusammensetzung der Moleküle hat, die bei den
verschiedenen Zellen sehr verschieden ist. Auch das Auftre-
ten verschiedener Substanzen auf der innern und äuſsern Flä-
che der Zellenmembran (S. oben pag. 237) spricht einigerma-
ſsen dafür, daſs eine bestimmte Richtung der Achsen der
Atome bei den metabolischen Erscheinungen der Zellen
wesentlich sein mag. Ich denke mir daher die Sache so,
daſs gerade die bestimmte Zusammenfügungsweise der Mo-
leküle, wie sie in Krystallen stattfindet, verbunden mit der
Fähigkeit der Auflösung zwischen diese regelmäſsig abge-
lagerten Moleküle einzudringen, die Ursache der metaboli-
[256] schen Erscheinungen ist, so daſs ein gewöhnlicher Krystall,
wenn er imbibitionsfähig gemacht werden könnte, dieselben
Erscheinungen zeigen würde. Die qualitativen Unterschiede
in den metabolischen Erscheinungen hangen dann vielleicht
von ihrer chemischen Zusammensetzung ab.


In Bezug auf den zweiten Punkt, so ist zur Haltbar-
keit jener Hypothese bloſs nachzuweisen, daſs imbibitions-
fähige Krystalle sich nach gewissen Gesetzen miteinander
vereinigen können. Entständen nämlich alle Krystalle iso-
lirt, ohne daſs mehrere in irgend einer Beziehung zu ein-
anderstehen, so würde die Ansicht noch immer unerklärt
lassen, wodurch die Elementartheile der Organismen, also
die fraglichen imbibitionsfähigen Krystalle zu einem Gan-
zen verbunden werden. Es ist daher nothwendig zu zei-
gen, daſs Krystalle nach bestimmten Gesetzen sich miteinan-
der vereinigen, um wenigstens die Möglichkeit einzusehen,
daſs sie sich auch zu einem Organismus vereinigen können,
und darin keine andere bindende Kraft angenommen zu
werden braucht. Eine solche Vereinigung vieler Krystalle
nach bestimmten Gesetzen läſst sich aber nicht bestreiten;
ja sie vereinigen sich oft zu einem Ganzen, welches seiner
Gesammtform nach einem Organismus so ähnlich ist, daſs
solche Krystallgruppen schon im gewöhnlichen Leben Blu-
men, Bäume u. s. w. genannt werden, wobei ich nur an die
Eisblumen auf den Fenstern oder an den Bleibaum u. s. w.
zu erinnern brauche. Es gruppen sich dabei eine Menge
Krystalle nach bestimmten Gesetzen um andre, die eine
Achse bilden. Bedenkt man, daſs eine unumgängliche Be-
dingung des Wachsthums nicht imbibitionsfähiger Krystalle
die Berührung jedes Krystalls mit der umgebenden Flüs-
sigkeit ist, daſs aber diese Bedingung bei imbibitionsfähigen
Krystallen, wo die Auflösung ganze Krystallschichten durch-
dringen kann, wegfällt, so sieht man ein, daſs die Aehn-
lichkeit dieser Krystallaggregate mit Organismen so groſs
ist, als man sie nur nach dieser Verschiedenheit der Sub-
stanzen erwarten durfte. Da die meisten Zellen zu ihren
metabolischen Erscheinungen, auſser der eigentlichen er-
[257] nährenden Flüssigkeit, des Zutritts von Sauerstoff bedürfen,
und Kohlensäure muſs ausgehaucht werden können oder um-
gekehrt, so müssen die Organismen, in denen sich keine
Cirkulation der respirirenden Flüssigkeit, oder wenigstens
keine hinlängliche Cirkulation ausbildet, sich so entwickeln,
daſs sie der atmosphärischen Luft eine möglichst groſse
Oberfläche darbieten. In dieser Lage befinden sich die
Pflanzen, zu deren Wachsthum die Berührung der einzelnen
Zellen mit dem umgebenden Medium auf ähnliche Weise
wenn auch nicht in demselben Maſse, nothwendig ist, wie
bei einem Krystallbaume, und hier fügen sich auch wirk-
lich die Zellen zu einem Ganzen zusammen, welches mit
einem Krystallbaume, in seiner Gesammtform viele Aehn-
lichkeit hat. Bei den Thieren aber, wo die Berührung der
einzelnen Zellen mit dem umgebenden Medium durch die
Cirkulation überflüssig gemacht wird, können mehr kom-
pakte Formen entstehen, selbst wenn die Gesetze, wonach
sich die Zellen aneinanderlegen, wesentlich dieselben sind.


Nach alle dem scheint die Ansicht, daſs die Organis-
men nichts sind als die Formen, unter denen imbibitions-
fähige Substanzen krystallisiren mit den wichtigsten Er-
scheinungen des organischen Lebens vereinbar, und in so
fern als eine mögliche Hypothese, als ein Versuch zur
Erklärung dieser Erscheinungen zuläſsig. Sie enthält sehr
viel Ungewisses und Paradoxes, aber ich habe sie deſshalb
ausführlich entwickelt, weil sie als Leitfaden für neue Un-
tersuchungen dienen kann. Denn selbst wenn man im
Prinzip keinen Zusammenhang zwischen Krystallisation
und Wachsthum der Organismen annimmt, hat diese An-
sicht den Vortheil, daſs man sich eine bestimmte Vor-
stellung von den organischen Prozessen machen kann,
was immer nothwendig ist, wenn man planmäſsig neue
Versuche anstellen, d. h. eine mit den bekannten Erschei-
nungen harmonirende Vorstellungsweise durch Hervorru-
fung neuer Erscheinungen prüfen will.



[[258]]

Nachtrag
über die Deutung des Keimbläschens.


Bei der oben pag. 49. gegebenen Deutung der Eitheile
konnte es nicht mit voller Sicherheit entschieden werden,
ob das Keimbläschen eine junge Zelle oder der Kern der
Eizelle sey. Die meisten der vorliegenden Facta sprachen
zwar für die letztere Ansicht; allein wenn sie richtig seyn
sollte, so muſste die Eizelle sich um das vorher sich
bildende Bläschen so entwickeln, daſs sie dasselbe An-
fangs dicht umschlieſst und sich dann allmählig ausdehnt.
Diese entscheidende Beobachtung fehlte, und die von R.
Wagner in seinem Prodromus mitgetheilten Beobach-
tungen deuteten vielmehr darauf hin, daſs bei der Bildung des
Eies um das Keimbläschen die Membran sich nicht unmittel-
bar um das Keimbläschen bilde, sondern gleich eine Menge
der körnigen Masse, worin das Keimbläschen liegt, mit
einschlieſst. Es muſste deſshalb das Urtheil über die Be-
deutung des Keimbläſschens bis auf weitere Untersuchungen
suspendirt werden. Es war mir aber damals eine spätere
Arbeit von R. Wagner (Beiträge zur Geschichte der
Zeugung und Entwickelung. Erster Beitrag. Aus der ma-
themathisch-physikalischen Klasse der Königl. Baierschen
Academie der Wissenschaften in München) unbekannt
geblieben, welche die nöthigen Data zur Entscheidung
dieser Frage schon enthielt. Pag. 45. sagt Wagner
indem von den Eierstöcken der Insecten die Rede ist:
[259] „Da wo sich der Eileiter erweitert, wird die körnige
Masse, welche der Dottermasse ähnlich ist, reichlicher;
in diese scheinen die einzelnen Keimbläschen eingebettet.
So habe ich es auch im Prodromus Fig. XVIII. dar-
gestellt. Indeſs hat es mir in der letzten Zeit geschienen,
als seyen die Keimbläschen mit ihren Keimflecken aller-
dings schon von einem Chorion und einem ganz wasser-
hellen Dotter umgeben.“ Die beigefügte Abbildung von Agrion
virgo zeigt evident, wie das, was Wagner Chorion nennt, oder
die Zellenmembran der Eizelle das Keimbläschen Anfangs
dicht umschlieſst und sich allmählig ausdehnt, während sich
zwischen ihr und dem Keimbläschen eine wasserhelle Flüssig-
keit sammelt, in der später eine Trübung und zwar zuerst um
das Keimbläschen entsteht. So hatte also R. Wagner durch
die Beobachtung den Hergang des Prozesses schon so ge-
funden, wie man ihn nach der Theorie über die Einheit
des Entwickelungsprincips aller Elementartheile des Orga-
nismus vermuthen muſste. Die Deutung des Keimbläs-
chens als Kern der Eizelle scheint mir daher kaum zwei-
felhaft. Auch zeigt die Abbildung von R. Wagner, daſs
sich der Keimfleck zuerst, und um diesen das Keimbläschen
und um dieses dann die Eizelle entwickelt. Daſs sich im
Keimbläschen später ein körniger Inhalt bilden kann, ist
nicht auffallend, da dasselbe in dem unzweifelhaften Kern
von Fettzellen der Fische vorkommt, und die Bildung der
Zelle wahrscheinlich nichts anders ist, als eine Wieder-
holung desselben Prozesses um den Kern, durch den
sich der Kern ursprünglich um das Kernkörperchen bildet.



[[260]]

Bemerkungen
über eine von Herrn Prof. Valentin gegebene
Darstellung der früheren Untersuchungen über
den abgehandelten Gegenstand.


Nach dem Schlusse meiner Abhandlung erhielt ich die
eben erschienene erste Abtheilung des Lehrbuches der Phy-
siologie von R. Wagner, Leipzig 1839, in welchem pag.
132 u. ff. Grundzüge der Entwickelung der thierischen
Gewebe von Herrn Prof. Valentin mitgetheilt sind. Der
Verfasser leitet den Gegenstand mit geschichtlichen Bemer-
kungen ein, worin er meine Untersuchungen als eine we-
sentliche Vervollständigung der früher besonders von ihm
nachgewiesenen Analogien thierischer Gewebe mit Pflanzen-
zellen darstellt. Ein Vergleich zwischen zwei Gegenständen
kann sehr mannichfacher Art sein, denn es lassen sich ja Aehn-
lichkeiten auffinden zwischen Dingen, denen man sogar
allen innern Zusammenhang abspricht. Es kommt daher
alles auf die Art des Vergleichs an. Soll die historische Dar-
stellung von Valentin gerechtfertigt sein, so muſs die Idee
eines Vergleichs in der Art, wie er meinen Untersuchungen zu
Grunde liegt, in Valentins früheren Untersuchungen schon
vorhanden sein. Ich habe die Grundidee meiner Untersuchung
im Anfange des dritten Abschnittes dieser Abhandlung ausein-
anderzusetzen mich bemüht; es war die, daſs ein gemeinsa-
mes Entwickelungsprinzip allen Elementartheilen der Organis-
men zu Grunde liegt. Es wurde von einem Vergleich einer
Knorpelzelle mit einer Pflanzenzelle ausgegangen, und
zwar in dem Sinne, daſs die Moleküle sich nach denselben
[261] Gesetzen zur Bildung beider zusammenfügen, indem in
beiden Fällen sich zuerst ein Kernkörperchen, um dieses
ein Kern, um diesen eine Zelle bildet. Aus dieser über-
einstimmenden Entstehungsweise zwei so verschiedener Ele-
mentartheile wurde dann das Prinzip der gleichen Bil-
dungsweise aller Elementartheile zuerst erschlossen und
dann durch die Beobachtung nachgewiesen. Was also
hier zu entscheiden ist, ist die Frage, ob die Idee, ein
thierisches Elementargebilde mit einer Pflanzenzelle in Bezug
auf eine gleiche Entstehungsweise zu vergleichen, schon in
den früheren Beobachtungen von Valentin hervortritt, und
zweitens, ob Valentin das Prinzip erkannt hat, welches
in der gleichen Entstehungsweise zweier physiologisch sehr
verschiedener Elementartheile liegt. Ich habe in der Vor-
rede von meinem Gesichtspunkt aus eine kurze geschicht-
liche Uebersicht gegeben und kann mich durch die Be-
merkungen von Valentin von der Nothwendigkeit einer
Aenderung darin nicht überzeugen. Die Unpartheilich-
keit erfordert indessen auch die Darstellung von Va-
lentin
hier folgen zu lassen, wobei ich die von ihm aus
seinen Arbeiten citirten Stellen wörtlich und vollständig
hinzufüge:


Bei meinen ersten histogenetischen Unter-
„suchungen hatte ich als die Urmasse aller Ge-
„webe eigenthümliche Körnchen, welche in ei-
„ner durchsichtigen Gallerte liegen, beobachtet.
„Ich hatte die Verschiedenheit dieser Körner in
„dem serösen und dem Schleimblatte zur Zeit der
„ersten Trennung von beiden angegeben. In dem
„Gefäſsblatte fand ich groſse Kugeln oder Zel-
„len, welche ich schon 1835 in ihrer Form
„und Aneinanderlage mit dem Pflanzenzellgewe-
„be verglich.
(Entwickelungsgeschichte 287. Das Ge-
„fäſsblatt erscheint wie aus groſsen Kugeln von 0,001013 P. Z.
„im mittlern Durchmesser zusammengesetzt, die in ihrem In-
„nern vollkommen durchsichtig und so eng zusammengedrängt
„sind, daſs sie an vielen Berührungspunkten sich abplatten und
[262] „oft wie Pflanzenzellgewebe eine sechseckige Form annehmen).
Ebenso machte ich zuerst auf die Gestaltähn-
„lichkeit des in Ossifikation übergehenden Knor-
„pels und vorzüglich nach den Beobachtungen
„von Purkinje und mir) des Kiemenknorpels der
„Froschlarven mit dem Pflanzenzellgewebe auf-
„merksam
(ebendas. 209, 210. Die Labyrinthknorpel zei-
„gen bei ihrem Ossificationsprozesse eine Gestaltveränderung,
„welche von der unten ausführlicher zu beschreibenden der
„meisten übrigen Knorpel des Körpers wesentlich abweicht.
„Statt der gewöhnlichen Knorpelkörperchen enthalten sie gros-
„se Körper von wenig bestimmter meist mit linearen Begrän-
„zungen versehener, rundlicher, halbmondförmiger, tetraedrischer
„oder polyedrischer Form von 0,000405 bis 0,000650 P. Z. im
„mittlern Durchmesser. Sobald sie dagegen ossificiren, besteht
„der verknöchernde oder so eben verknöcherte Theil aus einem
„Gewebe schöner, fast wie Pflanzenzellgewebe aussehender sechs-
„seitiger Balken, an und in welchem kleine Körnchen von
„runder Form und ungefähr 0,000152 P. Z. im Durchmesser sich
„befinden. Die letzte Form haben Purkinje und ich auſserdem
„noch in den Knorpeln der Froschlarven besonders deren Kie-
„menbogen schon vor längerer Zeit wahrgenommen). Aus der
„Chorda dorsalis junger Embryonen beschrieb ich
„die runden Zellen der Kugeln mit ihrer dazwi-
„schen liegenden Interzellularsubstanz
(ebendas.
„157. Wenn auch das äuſsere Ansehn der Rückensaite offenbar
„eine gewisse Aehnlichkeit mit einem Knorpel darbietet, so spricht
„doch die mikroskopische Untersuchung ihrer Structur entschie-
„den dagegen. Ueberall, wo sie vorkommt, besteht sie aus einer
„äuſseren gleichmäſsigen, völlig durchsichtigen Hülle und mehr
„oder minder groſsen Kugeln, die immer sehr zahlreich und dicht
„unter einander liegen. In den von ihnen gelassenen Zwischen-
„räumen befindet sich eine gallertartige, vollkommen durchsich-
„tige Masse. Am grösten sind diese Kugeln bei Fischen und Am-
„phibien, noch kleiner bei Vögeln und kleiner bei Säugethieren.
In der zweiten Stelle, welche Valentin hierbei citirt, Repertor. I.
„187. wird über die pag. 8. meiner Abhandlung erwähnten
„und auch im Folgenden von Valentin angezogenen Untersu-
„chungen von J. Müller referirt und hinzugefügt:
welche
„(Chorda dorsalis) Referent auch bei 8‴ langen Schweineem-
„bryonen als einen dicken innerhalb der knorplichen Wirbel be-
[263] „findlichen Strang beobachtet hat und deren innerer Bau nach sei-
„nen Erfahrungen in den Embryonen der Säugethiere, Vögel und
„Amphibien wesentlich derselbe ist, als in den permanenten ana-
„logen Gebilden der Knorpelfische.) Bald darauf erläu-
„terte J. Müller nach unabhängigen Erfahrungen
„die Zellen bei der Rückensaite der Fische aus-
„führlich
(Myxinoiden 74. u. ff.). Bei den Epithe-
„lien, welche sowohl Purkinje und Raschkow
(Me-
„letem. c. mammal. dent. evol. 12) als ich (Nov. act.
„N. C. Vol. XVIII. P. 1. 96. Diese (die zottenartigen Fort-
„sätze der Plexus choroidei) liegen nicht frei, sondern sie
„selbst sowohl, als die sie vereinende körnige Membran
„werden von einem sehr feinen und durchsichtigen Epithelium
„bekleidet, dessen einzelne Kugeln die regelmäſsigste sechssei-
„tige Zellenbegränzung haben und selbst durchaus farblos und
„durchsichtig sind. Jede von ihnen enthält aber in ihrer Masse
„im Innern einen dunklen runden Kern, eine Formation, wel-
„che an den im Pflanzenreiche vorkommenden nucleus in den
„Zellen der Epidermis, des Pistilles u. dgl. erinnert. In dem
„Menschen, dessen Plexus choroidei schon dem bloſsen Auge
„eine mehr schwärzliche oder dunklere Färbung zeigen, hat
„das Epithelium selbst zwar dieselbe Formation, wie wir
„eben beschrieben haben, allein die Mitte einer jeden Zelle ent-
„hält, dem Centralpunkt der Stelle des Nucleus im Innern entspre-
„chend, von auſsen ein rundes Pigmentkügelchen. Gleiche Pig-
„mentkügelchen, nur nicht so regelmäſsig gelagert, finden sich
„auch bei den meisten Vögeln, weshalb die hier eben so bestimmt
„existirenden zellenförmigen mehr zugerundeten Kugeln schwieri-
„ger wahrgenommen werden. Im ganz unverletzten Zustande des
„Objektes zeigen sowohl die Zellen als auch insbesondere die
„auſsen haftenden Pigmentkügelchen eine Anordnung, wie die
„Pflanzenzellen im Allgemeinen und besonders in den ersten For-
„mationsstadien des Blattes, d. h. eine den strengsten Gesetzen
„in der Fläche projicirt er Spirallinien entsprechende Stellung)
mit dem Pflanzenzellgewebe verglichen, wählte
„ich ausdrücklich
(l. c. 77. Jede dieser Kugeln (Ganglien-
„kugeln) hat überall eine äuſsere mehr oder minder deutliche
„zellgewebige Hülle und enthält eine eigene Parenchymmasse,
„einen selbsständigen nucleus oder Kern und einen in diesem
„enthaltenen rundlichen durchsichtigen zweiten nucleus) wegen
„dieser Formgleichheit die gleichförmige Benen-

[264]nung des Kernes, nucleus, sowie ich später den
„von mir beobachteten nucleolus beschrieb
(Repert.
„I. 143. In jeder Zelle ohne Ausnahme befindet sich ein etwas
„dunklerer und compakter Nucleus von runder oder länglich run-
„der Form. Er nimmt gröſstentheils die Mitte einer jeden
„Zelle ein, besteht aus einem feinkörnigen Wesen, enthält aber
„in seinem Innern ein genau rundes Körperchen, welches auf diese
„Weise in ihm selbst wiederum eine Art von zweitem Nucleus bil-
„det). Das fortgesetzte Studium der Epithelien,
„vorzüglich durch Henle und mich, lieſs es an
„Analogien mit dem Pflanzenzellgewebe nicht
„fehlen, sowie die Selbsständigkeit der Zellen-
„wandungen deutlich nachgewiesen wurde
. (eben-
„das. I. 284. Rundlich sechseckige platte und ziemlich dünne
„Zellen liegen (in der äuſsern Haut des Proteus) dicht und nach
„regelmäſsiger Anordnung über einander und werden stets mit
„ihren Seitenkanten und Ecken gegenseitig entsprechend, an
„einander gefügt. Das Innere dieser zierlichen Gebilde wird von
„einer körnigen etwas gelblichen Masse erfüllt, welche eine
„Art Nucleus darstellt. Die einzelnen Körnchen dieses Nucleus
„lassen sich aber, so dicht sie auch bei einander liegen, streng
„von einander unterscheiden. Bei sehr starker Vergröſserung
„sieht man, daſs jedes dieser Körnchen in seinem Centrum durch-
„sichtiger ist, als in seiner Peripherie. Man überzeugt sich
„dann auch auf das Bestimmteste, daſs die ziemlich feinen
„Wandungen jeder Zelle von der centralen Höhlung genau iso-
„lirt sind. An den Wänden selbst vermag man keine Spur von
„Körnchen oder Fasern sondern nur eine helle durchsichtige,
„glasartige und homogene Masse wahrzunehmen). Ebenso hatte
„ich in dem Pigment der Choroidea wahrgenom-
„men, daſs die nuclei (Pigmentbläschen) zuerst ent-
„ständen
(Entwickelungsgeschichte 194. Die Pigmentschicht
„entsteht nach meinen Beobachtungen am Menschen, Säugethie-
„ren und Vögeln auf folgende Weise: Es setzen sich zuerst auf
„der innern Oberfläche der Substanzanlage einzelne runde farb-
„lose und durchsichtige Körperchen ab, welche in frühester Zeit
„(bis zur zehnten Woche) bei dem Menschen 0,000355 P. Z. bis
„0,000405 P. Z im Durchmesser haben. Sie sind die zukünftigen
„Pigmentkörperchen oder Pigmentbläschen. Bald jedoch entstehen
„an ihrer Peripherie Pigmentkügelchen von schwarzer Farbe, so
[265] „daſs die ersteren in ihrer Mitte noch durchscheinend, an ihrem
„Umkreise aber dunkel und undurchsichtig sind. Diesen Zustand
„hat auſser mir offenbar schon v. Ammon und R. Wagner ge-
„sehen. Die Kügelchen sind von Anfang an so klein, daſs sie ......
„Später belegen sich die Pigmentkörperchen immer mehr mit
„schwarzen Farbekügelchen, und zwar so stark, daſs sie von allen
„Seiten von den letzteren eingehüllt und verdeckt und erst dann wie-
„der sichtbar werden, wenn man die Pigmentkügelchen durch Druck
„oder Abwaschen entfernt hat.); sowie ich die Pigment-
„zellen mit dem Pflanzenzellgewebe verglich
(Re-
„pert. II. 245. Das Pigment hat hier (in der Choroidea) den-
„selben Character wie in den meisten andern Theilen des Kör-
„pers, d. h. einen runden hellen durchsichtigen und farblo-
„sen Nucleus oder um ein Pigmentbläschen liegen die Pigment-
„moleküle dicht an einander gedrängt. Diese aus dem Pigment-
„bläschen und den umlagernden Pigmentmolekülen bestehenden
„Pigmenthaufen sind flächenartig ausgebreitet und bilden bei
„dem Menschen, dem Hunde, dem Kaninchen, dem Pferde,
„dem Ochsen u. dgl. ungleiche Fünf- oder Sechsecke, die
„auf ähnliche Weise wie die Zellen des parenchymatischen Zell-
„gewebes der Pflanzen neben einander sich befinden. Langen-
„beck de retina 38,) Schwann hat diese Analogien
„wesentlich dadurch vervollständigt, daſs er nach-
„wies, daſs jene gallertartige Urmasse der Ge-
„webe aus Zellen besteht, daſs die in ihr liegen-
„den Körper nuclei sind, und daſs diese, wie die
„Zellen, analoge Entwickelungsgesetze oft dar-
„bieten (Frorieps Notizen 1838. Mikroskopische
„Untersuchungen über die Struktur der Thiere
„und Pflanzen Heft I. 1838. 8.) Ich hatte schon
„1837 die Zellen der Keimhaut in dem Ei von Sepia
„mit ihrem nucleus, den nucleolis und dem diese
„umgebenden Hofe beobachtet, und diese Erfah-
„rung damals Breschet schriftlich mitgetheilt.
„Bald nachdem ich die erste Schwannsche Mit-
„theilung kennen gelernt, ging ich an die Unter-
„suchung des Gegenstandes. In dem Folgenden
„sind die Grundresultate dieser meiner Forschun-
„gen niedergelegt. Zugleich habe ich auf das

[266]erste Heft der Schwann’schen Schrift, welche ich
„diese Tage erhalten, an den passenden Stellen
„hingewiesen.“


Ich füge nur noch hinzu, daſs auch das zweite Heft
(Bogen 8 bis 13 und Taf. III. und IV.) also der ganze
die Beobachtungen enthaltende Theil meiner Abhandlung
vor den Untersuchungen von Valentin erschienen ist,
und der Pariser Akademie noch im Jahre 1838 mitgetheilt
wurde, eine Bemerkung, die desshalb nicht ganz überflüssig
scheint, weil Herr Prof. Wagner in seiner Physiologie
einen Auszug meiner Beobachtungen, den ich ihm zu-
schickte, vier Wochen, nachdem er mich darum ersucht
hatte mit der Bemerkung mittheilte, daſs er später als
die Beobachtungen von Valentin eingegangen sey. Meine
ersten Mittheilungen in Frorieps Notizen enthielten übrigens
auch schon die Grundsätze für die Bildung aller Gewebe
und für die bei weitem meisten Gewebe auch das Detail.

[[267]]

Appendix A Erklärung der Kupfertafeln.


Anm. Wo keine andere Vergröſserung angegeben ist, ist
die Zeichnung bei einer ungefähr 450fachen Linearvergröſserung
oder mit Ocular II. und Objectivlinsen 4, 5, 6 des Schiek’schen
Mikroskops gemacht.


Appendix A.1 Taf. I.


  • Fig. 1. Parenchymatisches Zellgewebe mit Zellenkernen
    aus einer Zwiebel bei 290facher Vergröſserung.
  • Fig. 2. Matrix des Pollen von Rhipsalis salicornoides.
  • Fig. 3. Matrix des Pollen von Rhipsalis salicornoides.
    Anm. Die Abbild. Fig. 2. und 3. verdanke ich der Güte des Hrn.
    Dr. Schleiden.
  • Fig. 4. Zellen der Chorda dorsalis einer Plötze.
  • Fig. 5. Knorpel aus der Spitze eines Kiemenstrahls ei-
    ner Plötze.
  • Fig. 6. Knorpel aus der Mitte eines Kiemenstrahls ei-
    ner Plötze.
  • Fig. 7. Knorpel aus der Wurzel eines Kiemenstrahls
    einer Plötze.
  • Fig. 8. Kiemenknorpel einer Larve von Rana esculenta.
  • Fig. 9. Schädelknorpel (os ethmoideum) der Larve von
    Pelobates fuscus.
  • Fig. 10. Zellen der Krystalllinse eines 4″ langen Schweine-
    fötus.
  • Fig. 11. Ein isolirter Kern der Zellen der Krystalllinse.
  • Fig. 12. Zellen der Krystalllinse desselben Fötus, wie
    sie sich in die Fasern der Krystallinse verlängern.
[268]
  • Fig. 13, Fasern aus den innersten Schichten der Krystall-
    linse vom Hecht.
  • Fig. 14. Eine Epidermiszelle einer Grasart.

Appendix A.2 Taf. II.


  • Fig. 1. Ei einer Ziege nach Krause (Müller’s Archiv
    1837. Tab. I. Fig. 5.)
  • Fig. 2. Zellen der Dotterhöhle eines reifen Hühnereies.
  • Fig. 3. Zellen aus dem Innern eines 1½ Linie groſsen
    Eies aus dem Eierstock eines Huhnes.
  • Fig. 4. Stückchen der Keimhaut eines reifen unbebrü-
    teten Hühnereies, von oben betrachtet.
  • Fig. 5. Stückchen der Keimhaut aus einem 16 Stunden
    bebrüteten Hühnerei. Sie ist so gefaltet, daſs die äuſsere
    Fläche oder die seröse Schicht den Rand bildet.
  • Fig. 6. Zellen des serösen Blattes derselben Keimhaut
    in der Nähe der area pellucida nach Entfernung des Schleim-
    blattes.
  • Fig. 7. Zellen des Schleimblattes derselben Keimhaut
    auſser der area pellucida.
  • Fig. 8. Fig. 9. Verschiedene Arten und Entwickelungs-
    stufen der Pigmentzellen aus dem Schwanze von Frosch-
    larven.
  • Fig. 10. Zellen aus dem Innern des Schaftes einer aus-
    gebildeten Schwungfeder des Raben.
  • Fig. 11. Frühere Entwickelungsstufen derselben aus dem
    noch weichen Theile des Schaftes einer unausgebildeten
    Feder.
  • Fig. 12. Ebendaher. Zellenkerne, um welche sich noch
    keine Zellen gebildet haben.
  • Fig. 13. Platte, in Fasern zerfallende Zellen aus der
    Rinde an der Seite des Schaftes einer in der Bildung be-
    griffenen Rabenfeder

[269]

Appendix A.3 Taf. III.


  • Fig. 1. Aus einer Spitze eines Kiemenknorpels von Rana
    esculenta. Der untere Rand der Abbildung zeigt den na-
    türlichen Rand des Knorpels.
  • Fig. 2. Knorpel aus dem Darmbein eines 5″ langen
    Schweinefötus nach Behandlung mit Essigsäure.
  • Fig. 3. Schmelzfasern von unreifen Zähnen eines Schwei-
    nefötus.
  • Fig. 4. Zellen von der Oberfläche der Schmelzmembran.
  • Fig. 5. Fasern, welche die substantia propria des mensch-
    lichen Zahns zusammensetzen, durch zweitägige Macera-
    tion mit verdünnter Salzsäure isolirt.
  • Fig. 6. Faserzellen aus dem unter den Hautmuskeln
    des Halses liegenden Zellgewebe eines 7″ langen Schweine-
    fötus.
  • Fig. 7. Eine weiter ausgebildete Zellgewebezelle.
  • Fig. 8. Zellen aus der gallertartigen Substanz zwischen
    Chorion und Amnion eines 7″ langen Schweinefötus.
  • Fig. 9. Gröſsere sehr blasse Zellen aus dem Zellgewebe
    der Augenhöhle desselben Fötus.
  • Fig. 10. Fettzellen aus der Schädelhöhle einer jungen
    Plötze.
  • Fig. 11. Faserzellen aus der Achillessehne eines 3½
    Zoll langen Schweinefötus.
  • Fig. 12. Aus der mittlern Haut der Aorta eines 7″ langen
    Schweinefötus.
  • Fig. 13 Zellen aus dem Innern des Musculus quadra-
    tus lumborum eines 3½ Zoll langen Schweinefötus.

Appendix A.4 Taf. IV.


  • Fig. 1. Rückenmuskeln eines 3½ Zoll langen Schweine-
    fötus.
  • Fig. 2. Die Faser c. der vorigen Figur nach Behand-
    lung mit Essigsäure.
[270]
  • Fig. 3. Muskeln des Oberarmes eines 7″ langen
    Schweinefötus.
  • Fig. 4. Primitives Muskelbündel einer Maikäferlarve.
  • Fig. 5. Muskelbündel eines Hechtes.
  • Fig. 6. Ein Stückchen vom Nerv. ischiadicus eines 4″
    langen Schweineembryo.
  • Fig. 7. Bündel von Nervenfasern aus dem Plex. brachia-
    lis eines 4 Zoll langen Schweineembryo.
  • Fig. 8. Einzelne Nervenfasern: a. aus dem N. trigemi-
    nus eines 6½ Zoll langen Schweineembryo, b. c. d. aus dem
    N. ischiadicus desselben.
  • Fig. 9. Nervenfaser aus dem N. vagus eines Kalbes.
  • Fig. 10. Ganglienkugeln aus den untersten Ganglien
    des Sympathicus eines Frosches.
  • Fig. 11. Kapillargefäſse in dem Schwanze von Frosch-
    larven.
  • Fig. 12. Schematische Darstellung der Bildung der Ka-
    pillargefäſse in der area pellucida eines Hühnereies.

[]

Appendix B

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Notes
*)
Die Beobachtungen von Henle sind pag. 85 dieser Ab-
handlung ausführlicher entwickelt. Die Untersuchungen von
Turpin und Dumortier konnten nicht angeführt wer-
den, da sie mir erst beim Schlusse meiner Arbeit bekannt
wurden.
*)
Diese Bemerkung gilt für den ganzen Aufsatz. Ueberall,
wo von jungen Zellen gesprochen wird, ist darin der Begriff
nicht eingeschlossen, daſs diese Zellen dieselbe Bedeutung wie
die Mutterzellen haben, d. h. bei weiterem Wachsthum Knorpel-
substanz u. s. w. bilden würden. Es soll dadurch nur das Ver-
*)
hältniſs zu den Mutterzellen ausgedrückt werden, worauf es hier
allein ankommt. In diesem Sinne bleiben sie junge Zellen, wenn
sich auch Fett oder sonst etwas darin bildet.
*)
So wenig die Bildung der area pellucida, des Embryo
und seiner einzelnen Theile genau an eine bestimmte Stunde
der Bebrütung gebunden ist, so wenig läſst sich auch für eine
bestimmte Entwicklungsstufe der Elementarzellen der Keimhaut
eine bestimmte Zeit angeben. Die angegebenen Zeiten sollen
daher auch nur als ungefähre Zeitbestimmungen gelten. Ja selbst
in der unbebrüteten Keimhaut scheinen sich die Zellen nicht im-
mer auf derselben Entwicklungsstufe zu befinden. So stellt
Tab. II. Fig. 4 c. eine Zelle aus einer anderen Keimhaut dar als
Fig. 4. a b. Ein groſser Theil dieser Keimhaut bestand aus sol-
chen
Zellen, und in einigen glaubte ich an den darin enthalte-
nen Körnchen Molekularbewegung zu bemerken, wodurch sie
sich offenbar als Zellen legitimiren würden.
*)
Vor mehreren Jahren habe ich schon zuweilen bei den
Gefäſsen stellenweise eine innerste scheinbar strukturlose Schichte
beobachtet, und da die elastischen Fasern der mittlern Arterien-
haut nach dem Lumen des Gefäſses hin immer feiner und zuletzt
kaum unterscheidbar werden, so hielt ich diese innerste, schein-
bar structurlose Schichte für übereinstimmend mit der mittleren
Arterienhaut, worin aber die Unterscheidbarkeit der Fasern auf-
*)
hört. Einzelne darin vorkommende zerstreute Flecken erklärte
ich mir nach Analogie der mittlern und äuſsern Gefäſshaut. In
dieser kommen nämlich zuweilen Lamellen vor, wo die elastischen
Fasern mehr oder weniger innig mit einander verschmolzen sind
und nur eine Spur von Faserung übrig bleibt. Man sieht dann eine
von elastischem Gewebe gebildete Tafel, die stellenweise durch-
löchert ist. Für solche, etwa mit einer fremden Substanz ausge-
füllte Oeffnungen hielt ich jene Flecke. Purkinje und Räu-
schel
(de arter. et venar. structura) erkannten die Ueberein-
stimmung dieser Haut mit der mittlern Arterienhaut an, unter-
schieden sie aber als eine getrennte Schichte. Valentin leug-
nete jene Uebereinstimmung und beschrieb sie als eine eigen-
thümliche strukturlose Haut. Henle klärte aber erst das wahre
Verhältniſs auf. Nach seiner Methode durch Abkratzen von der
inneren Fläche der Gefäſse erhielt er Plättchen, die man bei der
jetzigen genaueren Kenntniſs des Epitheliums als solches erken-
nen kann. Sie hingen zuweilen noch in Lamellen zusammen.
Ueber die Richtigkeit dieser Deutung kann in der That kein
Zweifel sein, wenn man die Gefäſse des Fötus untersucht. Bei
einem Schweinefötus erhielt ich sowohl aus den gröſseren Ve-
nen als aus dem Herzen durch Abkratzen groſse Lamellen des
schönsten Epitheliums, aus platten, mit einem sehr deutlichen
Kern versehenen Streifen bestehend, die beinahe noch einmal so
lang als breit waren und einen, im Verhältniſs zu den Plättchen,
groſsen Kern enthielten, mit ein oder zwei Kernkörperchen. Bei
den Arterien wollte es mir in ein Paar Versuchen nicht so ge-
lingen, wahrscheinlich gehen die Plättchen hier leichter aus ein-
ander und können dann nicht mehr von den Primitivzellen der
elastischen Arterienhaut unterschieden werden. Die Zellen ver-
schmelzen wahrscheinlich später mehr oder weniger innig zu
einer alsdann theilweise strukturlosen Schichte, und auch die
Kerne verschwinden zum Theil. Die oben beschriebenen Flecke
in der innersten Haut sind, wie ich jetzt, jedoch ohne neuere
Untersuchungen angestellt zu haben, vermuthe, wahrscheinlich
übrig gebliebene Kerne. Ueber die Stellen, wo das Epithelium
in dieser oder jener Form vorkommt, verweise ich auf die sehr
vollständige Abhandlung von Henle (Müller’s Archiv 1838. I.
Heft). Auſser den von Henle angegebenen Stellen habe ich
noch Epithelium gefunden: auf der inneren Fläche des Amnion
von Säugethierfötus [und] vom Menschen. Die sechseckigen Plättchen
*)
waren hier sehr schön und groſs, mit einem sehr deutlichen Kern
und Kernkörperchen. Bei den Schweinefötus waren darunter
einige gröſsere runde Zellen mit einem gröſseren Kern ohne Kern-
körperchen. Auch die innere Fläche des aus dem Chorion her-
vorragenden Stückes der Alantois von Schweinefötus war innen
mit pflasterförmigem, aus kleinen Plättchen bestehendem Epithe-
lium überzogen. Die äuſsere Fläche des Chorion derselben
Schweinefötus wurde aus dicht an einander gelagerten cylindri-
schen, mit einem Kern versehenen Zellen gebildet, ähnlich den
von Henle entdeckten Epithelium-Cylinderchen der Darm-
schleimhaut.
*)
Es wäre wichtig, zu untersuchen, ob die Kräuselungen
der Muskeln bei ihrer Kontraktion vielleicht im Zusammenhange
stehen mit der Länge, zu der sich das aus Einer Zelle entstan-
dene Stück einer Muskelfaser ausgedehnt hat, so daſs vielleicht
der Winkel jeder Biegung mit der Verbindungsstelle zweier Zel-
len zusammentrifft.
*)
Müller’s Archiv, 1836. p. 148. Ueber die mikroskopische
Beschaffenheit des Gehirns und Rückenmarks beim Fötus siehe
Valentin, Entwickelungsgeschichte p. 183.
*)
Die von Remak gemachte Entdeckung der eigenthümlichen
Struktur der organischen Nervenfasern erklärt eine früher von
mir mitgetheilte Beobachtung über äuſserst feine, blasse, nicht
röhrig aussehende und stellenweise mit Knötchen versehene Ner-
venfasern, welche ich im Mesenterium von Fröschen fand. Es
waren ohne Zweifel solche organische Fasern.
*)
Anmerkung: Ich habe es nicht vermeiden mögen, die
Gährung als Beispiel anzuführen, da sie die am genauesten be-
kannte Wirkung der Zellen ist, und am einfachsten den Prozeſs
darstellt, wie er sich im lebenden Körper an jeder Zelle wieder-
holt. Für diejenigen übrigens, welche die von Cagniard-La-
tour
und von mir aufgestellte Theorie der Gährung noch nicht
anerkennen, kann die Entwicklung aller einfachen Zellen, nament-
lich der Sporen, als Beispiel dienen, und es soll im Text aus
der Gährung kein Schluſs gezogen werden, der sich nicht auch
*)
aus der Entwicklung anderer einfacher und auſser Zusammenhang
mit einem andern Organismus sich entwickelnder Zellen, nament-
lich der Sporen niederer Pflanzen ziehen läſst. Daſs übrigens
die Fermentkügelchen Pilze sind, dafür sind auch alle denkbaren
Beweise geliefert. Ihre Form ist die der Pilze, ihre Struktur
ist, wie die der Pilze, da sie aus Zellen bestehn, von denen viele
wieder junge Zellen enthalten, sie wachsen wie Pilze durch Her-
vortreibung neuer Zellen an ihren Enden, sie pflanzen sich fort
wie Pilze, theils durch Lostrennung der einzelnen Zellen, theils
durch Erzeugung neuer Zellen in den vorhandenen Zellen und
Zerplatzen dieser Mutterzellen. Daſs nun diese Pilze die Ursache
der Gährung sind, geht erstens daraus hervor, weil sie konstant
bei der Gährung vorkommen, zweitens, weil die Gährung aufhört
durch alle Einwirkungen, wodurch nachweisbar die Pilze getödtet
werden, namentlich Siedhitze, arsenichtsaures Kali u. s. w., drit-
tens weil das, den Prozeſs der Gahrung erregende Prinzip ein
Stoff sein muſs, der durch diesen Prozeſs selbst wieder erzeugt
und vermehrt wird, eine Erscheinung, die nur bei lebenden Or-
ganismen Statt hat. Auſser der chemischen Analyse sehe ich
auch hier die Möglichkeit eines weitern Beweises nicht ein, es
sei denn, daſs man nachweisen könnte, daſs Kohlensäure und
Alkohol sich nur an der Oberfläche der Pilze bilden. Ich habe
eine Reihe von Versuchen angestellt, um dieſs nachzuweisen, die
aber bis jetzt ihrem Zweck noch nicht vollständig entsprochen
haben. Ein langes Reagenziengläschen wurde mit einer schwa-
chen, durch Lackmus schwach blau gefärbten Zuckerauflösung
gefüllt, und sehr wenig Hefe zugesetzt, so daſs die Gährung erst
nach mehreren Stunden beginnen, und die Pilze vorher sich auf
den Boden absetzen konnten, so daſs die Flüssigkeit klar wurde.
Hier begann nun die Röthung der blauen Flüssigkeit (durch die
sich bildende, aber aufgelöst bleibende Kohlensäure) wirklich
vom Boden des Gläschens. Wurde Anfangs ein Steg in der Mitte
des Gläschens angebracht, so daſs auch darauf Pilze sich abla-
gern konnten, so begann sie vom Boden und von diesem Steg.
Hieraus folgt wenigstens, daſs ein unaufgelöster Stoff, der schwe-
rer ist als Wasser, die Gährung veranlaſst; es wurde nun der
Versuch im Kleinen unter dem Mikroskop wiederholt, um zu
sehen, ob grade von den Pilzen die Röthung ausgeht; allein hier
war die Farbe wegen ihrer Blässe nicht mehr zu unterscheiden,
und wurde die Flüssigkeit intensiver gefärbt, so trat keine Gäh-
rung ein. Es ist indessen wahrscheinlich, daſs sich ein Reagenz
*)
auf Kohlensäure finden lassen wird, welches sich zur mikrosko-
pischen Beobachtung eignet und die Gährung nicht stört. Uebri-
gens dürfte die vorliegende Untersuchung über den Bildungspro-
zess der Organismen vielleicht Einiges dazu beitragen, auch der
fraglichen Theorie der Gährung bei den Chemikern mehr Eingang
zu verschaffen.

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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2025). Schwann, Theodor. Mikroskopische Untersuchungen über die Uebereinstimmung in der Struktur und dem Wachsthum der Thiere und Pflanzen. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). https://hdl.handle.net/21.11113/4bq6d.0