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DER VÖLKERGEDANKE
IM AUFBAU EINER
WISSENSCHAFT VOM MENSCHEN

UND
SEINE BEGRÜNDUNG AUF
ETHNOLOGISCHE SAMMLUNGEN.

BERLIN:
FERD. DÜMMLERS VERLAGSBUCHHANDLUNG
HARRWITZ UND GOSSMANN
1881.

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Vorwort.


Es ist Nichts Neues unter der Sonne! Diesem Spruche
der Volksweisheit steht das Wort des Dichterfürsten gegen-
über: „Gar manche Dinge giebt es zwischen Himmel und
Erde, von denen sich die Philosophen nichts träumen lassen“.
Noch nichts, müsste es heissen. Denn eines schönen Tages
oder in einer stillen, ruhigen Nacht kommt es über sie im
Traum, — in keimschwangerer Mutternacht vielleicht (jener
modranecht, die dem Morgen vorhergeht), — und was sich
dann in dunkler Nacht traumhaft vor dem Geist erhoben,
das, unter den Arbeiten im Tageslicht, beginnt sodann Ge-
stalt zu gewinnen, dem Verständniss sich zu nahen in klareren
Anschauungen.


Sie sind ein Neues zwar; neu aber nur in dem Grade
der Entfaltung, denn jedem Traume schon liegt ein Wirk-
liches voran, das dorthin seine Schatten geworfen, und dem
Keime nach war das Neue also bereits vorhanden gewesen,
mithin nichts neues an sich, neu nur im zeugenden Gang
der Entwicklung. Und so bliebe es wahr, „nichts Neues
unter der Sonne“, weil nichts Neues sein kann, innerhalb
eines fest geregelten Abschlusses, wo Alles nach nothwendiger
Gesetzlichkeit zusammenwirkt. Wie tief das menschliche
Auge dort hineinblickt, bleibt von seiner Geübtheit und
Ausbildung abhängig, und ihm mag dennoch manch Neues
auftauchen, neu nicht deshalb, weil vorher nicht vorhanden,
sondern neu insofern, als bis dahin nicht gesehen.


a*
[IV]

Auch für den in der Nähe bereits geschärften Blick,
muss Manches unsichtbar bleiben, wenn der Standpunkt einer
weiten Umschau fehlt. Dies zeigt sich in den in überraschender
Fülle immer neu vermehrten Entdeckungen, wie sie aus
dem in der Ethnologie angesammelten Material hervortreten,
und innerhalb des früheren den Hauptlinien nach auf den alten
Orbis terrarum beschränkten Horizont, schon deshalb nicht
gesehen sein konnten, weil eben ausserhalb des Gesichtskreises
fallend, — Neues überall, und doch wieder nichts Neues, da
vielmehr die Ethnologie im Gegentheil das Gleiche durchweg
in Gleichungen bestätigt. Aus neuen Gleichungen freilich
werden neu veränderte Resultate herauszurechnen sein.


Manche der bisher als grundlegend geltenden Prinzipien
in der Religions-1) oder Rechtsgeschichte werden eine durch-
greifende Umgestaltung zu erfahren haben, seitdem in den
aus allen Theilen des Globus zusammenströmenden Betrach-
tungen Gelegenheit gegeben ist, die verschiedenen Entwick-
lungsstufen in mannigfachsten Wandlungen unter und gegen
einander nach relativen Gültigkeitswerthen abzuschätzen und
zu bestimmen.


Es stehen hier vielerlei Reformen bevor, die auch in
das practische Leben vielleicht, tief werden eingreifen müssen,
wenn die naturgemäss geschichtliche Entwicklung der gesell-
schaftlichen Zustände betreffend. Die dafür leitenden Maximen
sind auf der eigentlichen Grundlage unserer Gelehrtenbildung,
in der classischen Alterthumskunde festgestellt, und in keine
sorgsamere Hände hätte die Hut der socialen Palladien gelegt
werden können. Dass indess im Fach-Collegium selbst über
Verschiedenheiten Verschiedenheit der Meinungen herrscht,
kann auch dem Profanen nicht verborgen bleiben, und, im
Gefühl eigener Unfähigkeit zum selbstständigen Urtheil, wird
dann die Auswahl schwer, wenn gleichberechtigte Autoritäten
gegen einander abzuwiegen. Für die Allgemeinheiten funda-
mentaler Sätze ist in der Hauptsache Uebereinstimmung
herstellbar, aber nicht immer solche zugleich mit den neu
[V] hinzutretenden Resultaten aus vorgeschichtlichen und ausser-
geschichtlichen Forschungen, so dass Debatten über Dieses
und Jenes nicht mehr lange ausbleiben können und vom
philosophischen Gebiete bald auf die benachbarten überspielen
werden.


Für rechtliche Verhältnisse haben besonders Morgan’s
Arbeiten, in internationaler Wechselseitigkeit des Zusammen-
arbeitens gefördert, Zersetzungskeime liefern müssen, und
damit beginnen Fragen allerlei Art sich zuzuspitzen, die
früher eine Beachtung, soweit überhaupt, nur in den Er-
holungsstunden fanden.


In Locke’s Gesellschaftsvertrag lag noch ganz die rö-
mische Auffassung, wie aus dem Gang der Culturgeschichte
gewonnen, als natürliche Grundlage unter, wogegen Montes-
quieus, seit den neuen Entdeckungen, seinen Blick über die
Erde erweiterte, und klärlich genug, sich zunächst von
Abweichungen getroffen fühlte, von mehr weniger sonderbaren
Excentricitäten, und so folgte von selbst das Ueberwiegen des
der äusseren Umgebung (in klimatischen oder politischen
Verhältnissen 2)) zugeschriebenen Einflusses (während Bentham
subjective Verbesserungen mitreden lassen wollte).


Die Aufgabe der inductiven Ethnologie liegt nun
indess darin, unter diesen gewissermaassen oberflächlichen
Localfärbungen, die ihre spätere Erklärung geographisch oder
historisch zu finden haben, vor Allem und zunächst die
gleichartigen
3)Wachsthumsgesetze der menschlichen
Völkergedanken festzustellen, und dies am einfachsten nach
genetischer Methode, von den Naturvölkern, als niedersten, und
deshalb durchsichtigsten, Organismen ausgehend. Und wie
aus solchen Keimen dann die Entwickelung fortschreitet zu
den erhabensten Errungenschaften des Geistes, muss sich
aus Vergleichung der nebeneinander verlaufenden Reihen
nach allgemein 4) gültigen Grundlinien in der Naturlehre
selbst herausstellen.


Die Ethnologie hat vor ihren biologischen Schwestern
[VI] den Vorzug, sich frei halten zu können von den Gefahren
nebliger Umstrickung, die bei Speculationen über den ma-
terialistischen Ursprung auch den Nüchternsten bedrohen
müssen. Sie beginnt mit dem Menschen als deutlich um-
schriebenes Object im Gesellschaftszustand, für den ersten
Ansatz bereits im vollen Tageslicht, und dieses klärt sich
dann lichter und glänzender, beim Aufsteigen zu den freieren
Aether-Regionen des Denkens, von dem primitiven Anfange
der Naturstämme bis zu den höchsten Idealen der Cultur.


In der Scholastik (auch der botanischen künstlicher
Systeme) besteht die geistige Arbeit „ganz wesentlich in dem
Drehen und Wenden der Thatsachen“, um sich dem „fertigen
Gedankensystem“ zu fügen, so dass „Erfahrung im Sinn der
Naturforschung“ dadurch unmöglich gemacht wird, und statt
im scholastischen „Spiel mit abstracten Begriffen“ vorhandene
Widersprüche zu verdecken, „geht die echte Forschung gerade
darauf aus, etwa vorhandene Widersprüche schonungslos
aufzudecken und die Thatsachen so lange zu befragen5), bis
die Begriffe sich berichtigen“ (s. Sachs). So also auch, wie
oft erwähnt, in der Ethnologie als Naturwissenschaft.


Thatsachen sind zu sammeln6), nicht durch Speculation
zu schaffen (nach Baco), denn der Mensch, als „Dolmetscher“
und Diener der Natur kann nur durch Beobachtung in der
Induction die Wahrheit erlangen. „Wir haben die Seelen-
lehre vor Allem zu betrachten, als eine Wissenschaft der
Erfahrung“ (Wundt), und um inductiv vom Einzelnen zum
Allgemeinen aufbauen zu können, muss vorher das Bau-
material selbst beschafft sein. Unter Theilung der Arbeit,
und Ausverfolgung des genetischen Prinzip’s (im Aufsteigen
von Niederen und Einfachen zum höher Zusammengesetzten),
wird es der Völkerkunde aufliegen, ihr massenhaftes Material
zu bewältigen.


Nägeli (s. Sachs) knüpfte die morphologischen Unter-
suchungen möglichst an die niederen Kryptogamen an, um
sie an den höheren und an den Phanerogamen weiter zu
[VII] führen, von den einfachen klaren Thatsachen zu den schwieri-
geren übergehend, wobei die Kryptogamen nicht nur in den
Bereich methodischer Forschung hineingezogen, sondern
geradezu zum Ausgangspunkt derselben erhoben wurden
(indem die bisher an den Phanerogamen 7) abstrahirten mor-
phologischen Begriffe an den niederen Kryptogamen ent-
wickelungsgeschichtlich untersucht werden).


Und wie hier jeder neu eingeschlagene Forschungsweg
einen neuen neu eröffnet, so in der Ethnologie gleichfalls, mit
welcher das Studium der Kryptogamen, in den Naturstämmen,
für die Geschichte beginnt. Doch hatte auch für die
(phanerogamischen) Culturvölker bereits die Ansammlung und
Vorbereitung des Stoffes vorherzugehen. Auf Petrarca’s
geniale Anregung zur Wiederweckung des Humanismus
folgt Boccacio, der („mit seiner Belesenheit und seinem
Sammelfleiss“) die „Wissenschaft mit dem stofflichen Inter-
esse“ ergreifend, „rüstig in die Breite gearbeitet“ hat („aus
der Lectüre der Alten einen ungeheuren Haufen von Excerpten
gezogen und sie dann nach äusserlichen Gesichtspunkten
geordnet, zu Werken compilirt“), in seinem „wüsten und
geschmacklosen Notizenmagazin“ aber zugleich „das erste zu-
sammenfassende Handbuch einer Alterthumsdisciplin“ geliefert
(s. Voigt), bis es dann mit der von Poggio angeregten „Bücher-
jagd“ (um „von den Resten des Alterthums zu retten, was
noch zu retten war“) besser und klarer wurde, als aus den
„Ergastula“ verstäubter Klosterbibliotheken 8) (von Monte
Cassino, St. Gallen u. s. w.) einer der alten Weltweisen nach
dem andern wieder an’s Tageslicht emporstieg. So vermochte
dann die Gelehrsamkeit ihren Tempel der Classicität 9) zu er-
richten, was ohne jene Vorbedingungen unmöglich gewesen,
was unter der Gunst derselben jedoch sich ermöglicht hat,
obwohl auch hier noch manche Lücken bleiben.


Nach Ambrosch fehlt es noch immer „an solchen That-
sachen, deren Combination zu einer in den Grenzen der
Möglichkeit liegenden Darstellung der römischen Religion
[VIII] führen könnte“ und erst nach „Erkenntniss des inneren Zu-
sammenhanges“ durch Bearbeitung von einzelnen Gebieten
„werden sich grössere Darstellungen einzelner Hauptab-
theilungen derselben mit Hoffnung auf bedeutende Erfolge
unternehmen lassen“. Wenn so auf ältestem, nächstem, wich-
tigstem Culturgebiete, einem räumlich und zeitlich fest um-
grenztem, was lässt sich dann auf den kaum betretenen Weiten
erhoffen, die der Ethnologie zufallen sollen.


Sie mag indess unter einem günstigeren Stern geboren
sein, weil für ingenia cultiora, (und in deren Augen), mit
ursprünglicher Simplicität bevorzugt erscheinend, in der
Naivität des Naturzustandes, um diesem zu entsprechen. Wer
Lustanwandlung spürt, sich die Völker Amerika’s anzu-
schauen, in der durch der Zonen fünfe fast erstreckten Reihe,
stellt als selbstverständlich erste Forderung eine Revision
der Pässe, um über Herkunft und Heimathsrecht das Nöthige
regelrecht constatirt zu sehen, und der Fremdenführer hätte
sich zu schämen, wenn er auf einer Weltkarte beider He-
misphären die Etappen nicht anzutüpfeln vermöchte, längs
der durch die Windrichtungen bereits erleichterten Heer-
strassen, die aus jenem Omphalos zwiebligen 10) Tsoungling’s,
durch eine Göttin Panda gleichsam, nach allen Seiten ge-
breitet sind. Und auch auf den Wasserwegen ist kein
testimonium paupertatis zu fürchten, wenn mit geologischen
Hülfen die (in Guttland’s Mythen anmuthenderen) Taucher-
künste der Lemurien gelernt wurden, um im Einvernehmen
mit dem jedesmaligen Stand kraniologischer Sammlungen
oder den im philologischen Hader bald geschlossenen, bald
gelösten Verwandtschaften, die Inselstämme in Reihe und
Glied zu stellen, jeden derselben in marschgerechter Ord-
nung an zugehörigem Platz (wie am leichtesten im Register
zu finden, um von exotischen Ausflügen dahin baldigst wieder
zu Hause zu sein). Ein Handbuch mässigen Bandumfanges
vereinigt daher als Vademecum in der Ethnologie das Erforder-
liche, um über Alles, was auf ungeschichtlicher Erde passirt,
[IX] oder früher passirt ist, kurze und bündige Auskunft zu ertheilen,
mit der man sich zufrieden geben kann, (und dies zu thun froh ist
im Genuss der reinlich vorgesetzten Wissensspeise, die hier
geboten wird). Wer seinen Geschmackssinn mit solchen
Näschereien verwöhnte, der hat für jede Frage in der Völker-
kunde seine Antwort bereit, in allen fünf Erdtheilen, und
am wenigsten kann es bei den vier ausländischen fehlen, je
weiter, desto leichter. Man führe solchen Oedipus vor die
Thore Berlin’s, zu den Zpriawani im Spreewald, mit einer
Specialkarte oder (bei Losius) Particular-Charten, „welche
die gelehrte Welt | Immer mehr und mehr vorstellt“ (seit
(1708), und — er wird sich schon hinter den Ohren kratzen,
bei diesen Lusici des Luch 11), oder Lutizer und Weleter,
mit Weltae, Weletabi, Wilzen, Wilten, Wilken bis in sagen-
hafte Verschwimmung aus Schattenbildern nordischer Epen.
Ja, wie mit den Wenden überhaupt etwa, mit der Winidorum
natio populosa eines Wenäjänmaa’s, mit Veneter, Wanen,
Wandalen zu Anten und Sclavinen hinüber? Oder, um von
barbarisch nebligem Norden und „reliqua litora incerta“ nicht
zu reden, wie an den blühenden Gestaden des Mittelmeeres?
mit Joniern, Jaonen, Javanen, mit Dorer dreigetheilt wieder
und Τριχάϊκες, wenn hinblickend schärfer auf bestimmte
Localitäten, auf Kydoner und Eteokreter phrygischen Ida’s,
oder andere Inselpunkte im griechischen Archipel, der sich
mit zunehmender Schärfe des Mikroskop’s mehr und mehr
in Detail zerfächert, während innerhalb des indischen, ein
bieg- und dehnsamer Name, gleich dem der Malayen, den
dort bescheideneren Ansprüchen, das Nöthigste deckt, und
ähnliche Generalisationen für zugehörige Halbinsel genügen
mögen, wogegen wir in Italien’s näherer und kleinerer, bald
schon auf Verstecke der Aborigines 12) stossen, in arces (ante-
selenischer) Arcader (unter βασιλεύς Ἀβοριγίνων Λατῖνος, ὁ
Φὰυνον), auf Phrygibus junctos Latinos, auf gens universa
Veneti appellata (von Troja hier), und Rutiler (xanthischen
Scamandros’), Siculer (vorrömischen Rom’s am Anio und
[X] Tiber), Ligurer (bis iberische Doppelgänger), Opiker
(Apia’s) oder Osker, Teutanes oder Teutones (Graece lo-
quentes), Umbrer vorfluthlichen Schichtungen (die mexicani-
schen von Tolteken rückwärts auf Olmeken, und darüber
hinaus, wiederholend), im Herzen sodann (mit troischem
Kapys) auf samnitische Fragezeichen 13) frommer Sabiner
(im Cult des Semo Sancus) und zahllos andere, geschweige
der turdetanischen gar, mit baskischen Sprachbeziehungen
nach Westen hin zur Atlantis, oder vom Süden her in
Mauretanien’s dunklen Zügen zu den Siluren, und aus der
Nachbarschaft mit fenischen Finnen wieder zurück, wenn’s
beliebt, zu gleichfalls benachbarten Aestyer und Esthen
oder — im Vorübergehen (phrygischer) Frisones oder Vriezen
(mit Saxones im exercitus Alexandri) — hin nach Diwo’s
Pruzzen, den Prussi oder Prusi, und (nachbarlichen Gefühlen
und dem Drange der Schädelgräber zu entsprechen) zur „Race
prussienne“, πᾶν γένοιτο έν τῷ μακρῷ χρόνῳ.


Für Alles dies, auf dem seit grauestem Alterthum best-
erforschten Terrain des Menschengeschlecht’s ist zur Stillung
des Wissensdurstes jede Erquickung geboten, es lässt sich
hier auf stattliche Bänderreihen verweisen, auf eine Biblio-
thek, in gediegenster Gelehrsamkeit aufgenährt, aber, je ge-
diegener und besonnener der Gelehrte selbst, desto mehr
bleibt ihm ein „non liquet“.


Die Forschungen in der Ethnologie zählen noch lange
nicht so viele Jahrzehnte, wie die geschichtlichen Jahr-
hunderte (ungefähr soviel Jahrzehnte, wie jene Jahrtausende),
und was den räumlichen Unterschied betrifft, so vermag ihn
auf der Karte Jeder sich selbst auszumessen, — und brauchte
sich dabei dann betreffs der weissen Punkte in Afrika, und
sonst, keine weissen oder grauen Haare wachsen zu lassen,
da wenn sie vorläufig auch vielleicht der Behandlung noch
entfallen, doch deshalb für Sorgen über Mangel an Stoff,
ernstlicher Anlass nicht grade vorliegt.


Immerhin gestatte man also der Ethnologie noch ein
[XI] Weilchen für ihre Materialbeschaffung, denn nur beim sorg-
samen Verbleiben dabei, wird sie die in verwandten Ge-
schichtsläuften, wie die der Medicin 14), warnend vorge-
haltenen Fehler vermeiden, wird sie im allmählig langsamen
Fortschritt zur Reife herangedeihen, gleich den übrigen
Naturwissenschaften.


Erst mit Boyle, der unbefriedigt durch die drei Elemente
der Alchemisten (oder die vier der Philosophen seit Empe-
dokles) vorausfühlte, dass mehr Grundstoffe in der Natur
vorhanden, begann mit dem Suchen nach denselben eine
chemische Wissenschaft 15), begann die Zeit, „innerhalb welcher
die Chemie als besondere Naturwissenschaft betrieben wurde“
(s. Kopp). Man weiss wie wild und verworren es lange in
ihren Büchern aussah, und jetzt steht sie vor uns, das Muster
inductiver Naturwissenschaft, in praktischen Resultaten be-
währt.


Wie würden wir jetzt, wo in ihren Vorstadien eine
neue Wissenschaft zu keimen beginnt, die aus der Geschichte
anderer und älterer zu entnehmenden Lehren ignoriren dürfen?
Klar und schlagend liegen die Parallelen, in den nothwen-
digen Phasen organischer Entwicklung vor uns, mögen sie
uns also helfen, im Zusammenwirken Aller, die Allen einst
in ferner Zukunft ihren Abschluss versprechende Wissen-
schaft vom Menschen, zu seines, und somit zu eigenem,
Nutz und Frommen, richtig zu fördern.


So rasch wie der Wunsch, wie die drängende Noth in
dieser späten (und verspäteten) Arbeitsstunde es erheischen
würde, wird es freilich nicht gehen, denn noch liegen überall
ausgedehnteste Beobachtungsfelder unangebrochen und brach.
Selbstberäucherung, wenn allzu reichlich gespendet, droht zu
umnebeln, und noch bedarf es frischen Blickes und unge-
schwächter Kraft, bereit zum Tagewerk.


Wir sind mit der Welt wohl noch nicht ganz so fertig,
wie es die Lust zum Feierabend gern sich vorspiegelt, denn
trotz uralter Cultur, mit der wir uns zum Neide der Barbaren-
[XII] Völker zu schmücken lieben, trotz der in ihren Lehren ein-
gesogenen Weisheit, kommt es sonderbarerweise noch immer
einmal vor, dass die Natur entgegensträubt, sich dem, was wir
im bessern Wissen decretirten, geziemender Weise zu fügen.


Kaum hatte zum Besten gleichsam der in den Volks-
kalendern fortlebenden Astrologen, in den ersten Jahren des
Jahrhunderts, ein Grosser unter den Philosophen die Noth-
wendigkeit der (heiligen) Planetenzahl gerade für logisch
bewiesen festgestellt, als das Teleskop zu addiren begann,
und ein erster Kopf sich zeigte, mit langem Schwanz dahinter.
Dann feierte die Genauigkeit der Methode ihren glänzenden
Triumph in der Entdeckung des neuen Wandlers an der für
Deckung der Störungen gewünschten Stelle. Seitdem indess
haben sich die gerufenen Planetengeister unaufhaltsam ver-
mehrt, ob in solchen Mengen nöthig? für das System oder
vielleicht (bei befangloser Ungestörtheit durch ihre Störungen)
überflüssig? wenn vorher schon Alles bereits genügend ge-
stimmt hatte, — das bleibt Sache der Zionswächter auf ihren
Warten.


Auch sonst mehren sich die Fälle von Störungen, unter
dadurch bedingten Rectificationen der Theorien in allen Clau-
suren naturwissenschaftlicher Kopfarbeiten nicht nur, sondern
auch historischer hie und da, und wer sich allzu exclusiv in
privilegirten Deductionshäuschen abzuschliessen vorzieht,
läuft Gefahr, dieselben unversehens zusammenratteln zu
hören, wenn eine für den inductiven Aufbau der Völkerkunde
bedürftige Thatsache sich in der Quere dazwischenschöbe.
Die Weltgeschichte 16), innerhalb des von den classischen
Autoritäten bereits abgesteckten Bezirkes wohnlich einge-
richtet, baute denselben nach den glänzenden Belebungen der
Archäologie an manchen der in zweifelhafte Grenzen ver-
laufenden Vorsprüngen stattlich genug aus, sah aber, in den
weiten Fernen Asien’s, der Siner oder Chineser Land nicht
viel grösser und deutlicher, wie deren Annalen westliches
Tahtsin, und mit Indien ging es eine Zeit lang nicht besser.


[XIII]

Als dieses jedoch, unter dem Schutze glänzender Dios-
curenpaare, der Schlegel und der Humboldt, mit schwer-
wiegenden Gelehrtenschätzen seine Aufnahme unter die Bil-
dungsklassen erkaufte, fand sich die Historie bei genauerer
Beschäftigung mit der indischen Halbinsel von ihren Reizen
so angezogen, so reichlich belohnt durch Anpflanzung des
indogermanischen Sprachstammes im Schmucke vergleichender
Mythologie, dass sich keine besonderen Schwierigkeiten er-
hoben, ihr ein, wenn auch bescheidenes, doch wohlanständiges
Stübchen im Geschichtsgebäude anzuweisen.


Das war die Vorderansicht, im verlockenden Schmuck
der Brahmanen und Bayaderen. Die Pars posterior im
Hinteren Indien blieb ausser Acht, als ultragangetisch jen-
seits des heiligen Bezirks gelegen, eine pars aversa, für den
conventionellen Ton ungeziemend, sich damit abzugeben, und
wandte man sich naserümpfend ab.


So sassen die hinterindischen Völker da, in Sack und
Asche trauernd, denn eine hochachtbare Autorität hatte sie
eindringlich und scharf verwarnt, dass sie eines vollen
Blickes des Historikers sich nicht würdig bezeugt hätten
(méritent à peine les regards de l’histoire).


Dies war im Jahre 1861, und damals gerade gelangte
nach Europa die Trauerkunde von dem Hinscheiden des
Reisenden Mouhot. Er hatte sich jene gleichgültig erachteten
Länder „Hinterindiens“ zum Forschungsfelde erwählt und
dort verdanken wir ihm: die Wieder-Entdeckung des alten
Kambodia.


Als dann in seinen und seiner Nachfolger Veröffent-
lichungen die Pracht der alten Monumente ans Licht trat,
da erklärte, mit dem Gewicht massgebendster Stimme, der
Geschichtsschreiber der Architectur: 17) „Seit der Enthüllung
der in Assyrien begrabenen Städte, ist die Auffindung der
kambodischen Ruinenstätte als die wichtigste Thatsache zu
betrachten, die sich für die Kunstgeschichte des
Orientes
verwirklicht hat“. So 1867. Und mit jedem Jahre
[XIV] seitdem, wie wir mehr und besser in die Einzelnheiten blicken,
wächst das Staunen über die ungeahnte Pracht, die wir hier vor
uns sehen, — aus bis jetzt zwar dunkler Vergangenheit noch,
schwankend erst hervorschimmernd, aber im strahlenden Hoff-
nungsscheine bereits ihre Lichtesstrahlen hinaussendend,
nach China 18) auf der einen, nach Indien auf der andern
Seite, und weit über Java jenseits, in des Grossen Oceanes
Weiten.


Vielleicht wenn es ihnen unter guter Aufführung einst
gelingen sollte, das strenge Urtheil des Historiker gnädig
umzustimmen, vielleicht werden dann diese Tempel als Mittel-
punkt 19) einer Geschichtsbewegung dastehen, von räumlich
mächtigerem Umfange, wie je eine andere vor ihr oder neben
ihr, und innerhalb des dadurch mitgewölbten Riesenbaues einer
Weltgeschichte würde die europäische, auch wenn man ihr,
unter gebührenden Ehren, die ganze Suite der Staatszimmer
im besten Stock zur Verfügung stellte, doch immer nur
mässigste Räume, verhältnissmässig, beanspruchen.


So scheint für uns, die wir mit dem für uns historischen
Winkel des Erdballs ziemlich schon genug zu thun zu haben
meinten, noch manche Riesenaufgabe herantreten zu wollen,
und willkommen wäre es deshalb vor Allem, dieselbe durch
Vervollkommnung der Rechnungsmethoden 20) einigermaassen
zu erleichtern.


Mit inductiver Bearbeitung des in den Gesellschafts-
gedanken vorliegenden Materials wird die naturwissenschaft-
liche Psychologie durch die vergleichende Methode auf
statistische Grundlagen geführt, um einen ethnischen Gesammt-
überblick unseres Globus zu gewinnen.


Schon hat man die bei methodischen Massenbeobach-
tungen (s. Engel) unter Herbeiziehung des Calcül 21) zuerst
auf die „Ratio Status“ staatswissenschaftlich zur Anwendung
gekommene Statistik zur Demographie (s. Guillard) erweitern
zu sollen gemeint oder zu (Quetelet’s) Social-Statistik, und noch
gleichzeitig fast mit Achenbach’s sorgsamer Prüfung erster
[XV] und unterster Fundamente, sprach Gatterer von dem „Ideal
einer allgemeinen Weltstatistik“ oder Süssmilch von „Gött-
licher Ordnung in den Veränderungen des menschlichen
Geschlechts“. Die Statistik hat für den Staat den Zweck
„of ascertaining the quantum of happiness enjoyed by its
inhabitants and the means of its future improvement“ (s. Sin-
claïr), den Zustand der Gesundheit zu wahren, als „Physio-
logie der Staaten“ (s. Fischer) und zugleich „la connaissance
approfondie de la société (s. Moreau de Jonnés), als „Wissen-
schaft ewig neu quellenden Lebens“ (bei Fr. Meyer). Die
„Verwirklichung der das Leben der Menschheit beherr-
schenden Entwicklungsgesetze und dadurch den wirk-
lichen Fortschritt oder Rückschritt im Leben, den Stand-
punkt der menschlichen Cultur nachzuweisen“ bildet die
höchste Aufgabe der Statistik 22)“ (s. Jonák) und (nach
Wörl) „aus dem vielfach Wandelbaren das Constante zu
ermitteln, und im wieder Neuen ein bestehendes Gesetz zu
erkennen“.


In Beobachtung und Erforschung der Thatsachen sind
die „physischen und ethnischen Factoren“ (s. Wappäus) in
ihren Combinationen für die Einzelwirkungen und in ihren
Wechselwirkungen zu erforschen, die Causalverknüpfungen
der einzelnen Erscheinungen des öffentlichen Lebens, die
Regel in den scheinbar „zufälligen und willkührlichen Er-
scheinungen“.


Die Möglichkeit einer „politischen Arithmetik“ beweist
nun eben das Organische des Status als Staat, weil sie darin
liegen muss und darin allein liegen kann, denn nur indem
in dem aufgestellten Exempel ein innerlich in sich abgeschlos-
senes Ganze gegeben ist, lässt sich Gesetzliches heraus-
rechnen, durch waltende Einheit in der Vielheit.


Wie im Staat haben wir in jeder Gesellschaft, in jedem
der jenen zusammensetzenden Kreisungen, einen Organismus
vor uns, einen Organismus dann aber auch in der höchsten
und letzten Kreislinie die das Ganze umschliesst, in der
[XVI] Menschheit als Gesellschaftskreis der mit ihr abgerundeten
Erde.


„Wollte sich die Statistik die Auffindung von Gesetzen,
d. h. allgemein gültiger Regeln für das Leben der Mensch-
heit zur Aufgabe setzen, so müsste sie vorläufig zur Fest-
stellung ihrer Resultate noch so viele geschichtliche Gesichts-
punkte herbeiziehen, dass damit ihr eigenthümlicher Character
verloren ginge“ (Jonák), aber ein ethnographischer gewonnen
wäre.


Die allgemein vergleichende Statistik (neben der Special-
Statistik) trägt vielleicht noch „die Elemente oder die Keime
von neuen besonderen Disciplinen in sich, deren Begriff bis
jetzt mehr geahnt als klar erkannt worden, wenn man ge-
sprochen hat von einer exacten Gesellschaftswissenschaft oder
einer Mechanik der Gesellschaft oder einer Physique sociale,
die Quetelet erstrebt, oder was man auch wohl bezeichnet
hat, als Naturlehre des Staats oder der Gesellschaft oder
als „Gesellschaft-Psychologie“ sagt Wappäus (s. Gandil)
über die „Zukunftswissenschaft“. Zu dieser wird die jüngste
der Wissenschaften zu rechnen sein, die Ethnologie, in natur-
wissenschaftlicher Durchbildung der Psychologie zur Wissen-
schaft vom Menschen.


Seit der mit dem Weltverkehr eingeleiteten Krisis wird
in der Ethnologie der Zögernde die eigene Schuld zu zahlen
haben, wie bei den sibyllischen Büchern, den τρία ἣ ἐννέα.
Wie aus alten Weisthümern hervor, wie in den Versen Hero-
phyle’s, als marpessischer Sibylle (oder Amalthea’s, der Amme
des idäischen Zeus in ihrer Beziehung zu Adrastea, als
Nemesis), Traumerinnerungen klangen, wie dort in dunkler
Orakeldeutungen mancher aus eigenem Alterthum, so hallt es
ahnungsvoll wundersam, in vorzeitlichen Mythen, rings um
den Erdball, gleichsam auch hier heilige Palladien kündend,
worin bei jenen die „fata romana“ 23) eingeschlossen lagen.
Nicht jedoch hier im acrostichischen Spiel dürfen die Inter-
essen des Wissens aufs Spiel 24) gesetzt werden, sondern
[XVII] eine allgemein verständliche Auslegung gilt es, um in er-
gänzenden Zusammenwirken gemeinsam zu zehren vom
Gemeingut der Menschheit und dessen zu geniessen. Vor
dem Genuss freilich die Arbeit, und solche wächst, statt zu
mindern. Vacuna in Sabinis dea, quae sub incerta est specie
formata (Varro). Ungewiss! gewiss. Sobald wird es Musse
noch nicht geben. Nicht eher wenigstens, als bis in den
Sammlungen ein erstes Fundament gelegt ist, für den Ansatz-
punkt und die Stütze der inductiven Studien (um den Epi-
gonen ihre Erbschaft zu sichern).


Seitdem die verfliessenden Gradunterschiede früherer
Psychologie, (die für die Entwickelung von Aristoteles bis
zur Scholastik erklärende Parallelen im Abhidharma besitzt),
verneinend, Cartesius (im Wesen der Ausdehnung und des
Denkens) den „specifischen Unterschied 25) von Geist und
Materie“ erkannt, sinkt im Animismus (und mit dem Suchen
bis zu einem punktuellen Sitz der Seele) die Vorstellungs-
weise wieder auf das Niveau niederen Grades in den Natur-
stämmen zurück, aber doch Gewinn bringend, weil jetzt in
schärfer abgrenzenden Umrissen eine Arbeitstheilung (ohne
frühzeitige Störungen zwischen einander) eintreten kann, und
das Primat der Res cogitans („omnium prima et certissima“
im Ego, wogegen nach Lichtenberg: „cogitat ergo est“) die
Ausbildung einer empirischen Psychologie (seit Locke) er-
leichterte. Jetzt, nachdem auf jedem der beiden Gebiete,
feste Anhalte für selbstständige Forschung gewonnen sind,
wird man es wagen dürfen, sich gegenseitig wieder zu nähern,
um (ohne allzu grosse Furcht vor bedenklichen Missver-
ständnissen) Vereinbarungen für einheitliche Auffassung zu
versuchen, ehe der beständig weiter klaffende Riss civilisa-
torischer Weltanschauung eine Ueberbrückung in Frage stellt.


In den unendlich-klein dunklen Vorstellungen, aus denen
das Bewusstsein erst hervorgeht, wird (nach Leibnitz) die
„Harmonie zwischen der materiellen und moralischen Welt“
(s. Erdmann) zu erklären sein, und dass nach solchen An-
Bastian, Völkergedanke. b
[XVIII] fängen zunächst in den primitiven 26) Stadien der Natur-
stämme zu suchen, wird durch die Natur der Sache selbst
an die Hand gegeben.


Eine Wissenschaft muss einen Gegenstand haben, den
sie erkennt; sie beginnt mit der Entdeckung ihres Gegen-
standes, der ihre Voraussetzung und die Bedingung ihrer
Möglichkeit ist (Harms). „Die Entdeckung ihres Grund-
begriff’s ist der positive Anfang der Wissenschaft“ (wie
jetzt für die Ethnologie der Völkergedanke einer inductiven
Psychologie, als Naturwissenschaft). La vraie science et le
vrai étude de l’homme c’est l’homme, so schon Montaigne,
der Vorläufer jener Periode, mit der in der Geschichte
der Philosophie die „Neuzeit“ anhebt.


Berlin, im September 1881. A. Bastian.


[]

Druckfehler-Verzeichniss.


Seite 14, Zeile 1: Geschichtsphilosophie statt Gesichtsphilosophie.
‒ 14, ‒ 25: eine statt ein.
‒ 35, ‒ 15: simulacrum statt simulaerum.
‒ 36, ‒ 6: Hingabe statt Hergabe.
‒ 36, ‒ 14 ist hinter Gottheiten zu setzen: „spiegelnd“.
‒ 36, ‒ 19: unter statt oder.
‒ 37, ‒ 17: Wie statt Die.
‒ 38, ‒ 13: den statt dem.
‒ 45, Anmerkung *** Zeile 2 another statt anotther.
‒ 47, Zeile 2: Matchi-manitou statt maniton.
‒ 48, ‒ 11: Geschichtsentwickelung statt Gesichtsentwickelung.
‒ 48, Anmerkung * Zeile 3: speech statt sprach.
‒ 52, ‒ ** ‒ 3: bedeckend statt bedenkend.
‒ 53, ‒ ** ‒ 1: ϑεός statt δεός.
‒ 59, Zeile 9: Berosus statt Bersus.
‒ 62, ‒ 16: der statt den.
‒ 62, Anmerkung *** Zeile 1: den statt dem.
‒ 63, ‒ ‒ 1: rühmen statt rühren.
‒ 63, ‒ ‒ 4: mit statt unter.
‒ 64, Zeile 5: ϑεοί statt δεοί.
‒ 65, Anmerkung, Zeile 5: keine statt eine.
‒ 70, Zeile 7: terrestrischen statt terristrischen.
‒ 72, Anmerkung ** Zeile 2: various statt varions.
‒ 74, Zeile 24: kleinsten statt kleinste.
‒ 76, ‒ 1: Zahl statt Ziel.
‒ 86, ‒ 24: des statt das.
‒ 87, Anmerkung, Zeile 16: bietet statt bereitet.
‒ 92, ‒ ** ‒ 5: within statt coithin.
‒ 99, ‒ *** ‒ 2: gelten statt gelte.
‒ 107, Zeile 12: gigantic statt gigantie.
‒ 108, ‒ 19: ferreus statt fererus.
‒ 126, Anmerkung ** Zeile 11: dasjenige statt desjenigen.
‒ 129, ‒ * ‒ 9: hunc ipsum mundum esse.
‒ 135, Anmerkung, Zeile 24: Einzelne statt Einzelse.
‒ 136, ‒ Zeile 3: Reis statt Kreis.
‒ 137, Zeile 1: . statt,
‒ 138, Anmerkung, Zeile 2 von unten: kleinen statt kleineren.

[[1]]

Der in unserer Gegenwart unter accumulirenden Pro-
gressionen gesteigerte Fortschritt der Ethnologie, diese rasche
Popularisirung einer vorher kaum beachteten, ja kaum existi-
renden Wissenschaft beweist dieselbe, als natürliche Conse-
quenz des Zeitgeistes, als eine in geschichtlicher Entwicklung
naturgemäss herangereifte Frucht. Und diese in Fülle der
Entfaltung plötzlich aufbrechend, breitet Licht nach allen
Seiten, neue Ausblicke eröffnend, — so Verheissungen kündend,
auf die in dunkeln Vorahnungen bereits gewartet war. Die
Vorzeichen, bis in das vergangene Jahrhundert zurückzu-
verfolgen, zuckten schon länger durch die Luft, allmählig
beginnen sie in schärferen Zügen hervorzutreten, ihre Um-
risse deutlicher zu umschreiben, eine neue Bildung ringt sich
zu fester Gestaltung empor, und man erkennt in ihr, was
alte Orakel bereits gefordert, die Wissenschaft vom Menschen.


Indem sich diese, in der inductiven Behandlung einer
auf die allseitigen Wandlungen des Völkergedanken, auf den
Menschen als Gesellschaftswesen begründeten, Psychologie all-
mählig vorbereitet, ergiebt sich die Ethnologie als die natur-
gemässe Completirung jener gegenwärtig massgebenden Zeit-
richtung, die sich von der philosophischen der Septem Artes
Liberales
, mehr und mehr einer realistischen zuwendet, um die
Forschungsergebnisse der Theilarbeit, in esoterisch abge-
schlossenen Kasten, fortan dem Grossen und Ganzen zu Gute
kommen zu lassen.


Bastian, Völkergedanke. 1
[2]

Die weiten geographischen Horizonte, wie sie, in heutiger
Ueberschau des Globus in seiner ganzen Weite, für die ge-
deihliche Entwicklung unseres Staats- und Volkslebens noth-
wendig verlangt werden (wie sie von weiter und klarerblicken-
den, bereits so vielfach bedauernd vermisst sind), sie werden,
weil in der Ethnologie dem allgemein menschlichen Verständniss
am Nächsten stehend, auch in ihr am leichtesten ihre volle An-
erkennung erhalten, mit all den practischen Folgen, die sich für
die Politiker und Diplomaten nicht nur, sondern für Kauf-
leute, Seefahrer, Fabrikanten und jeder Art der Gewerbe-
thätigkeit zum Nutz und Frommen Aller werden ziehen lassen.


Die Geographie, als vielbrüstige Mutter all dieser über
den Erdball gesponnenen Verzweigungen, hat auch hier
bereits vorgearbeitet, der Ethnologie den Boden zu ebnen,
und indem diese dann den in der Physiologie eingebetteten
Wurzeln der Psychologie unter den Phasen ihres organischen
Wachsthumsprocesses bis zu der geschichtlichen Bewegung
der Völkergedanken nachgeht, wird der Materialismus den
soweit formlosen Torso seiner Weltanschauung durch die in ein-
heitlicher Forschungsmethode geweihte Vermählung mit dem
Idealismus (in Zufügung des denkenden Hauptes) zu der-
jenigen Vollendung gebracht sehen, welche bisher ermangelte,
um dem in der Tiefe der Menschenbrust schlummernden
Sehnen harmonische Befriedigung zu gewähren.


Man spricht von der Wissenschaft, die ihrer selbst Willen
zu betreiben, und das war ein volltönendes Wort so lange
unfruchtbare*) Wissenschaften in dem Vordergrund standen.
[3] Jetzt indess erkennt sich, dass jede Wissenschaft, die des
Wissens werth ist, in das wirkliche Leben, auf directem oder
indirectem Wege, eingreifen muss. Manche jener anschei-
nendlich unfruchtbaren sind durch die Fortleitung natürlicher
Verknüpfungsfäden bereits in fruchtbringende Quellen über-
geführt, und nicht am schlechtesten wird solche Proben die
Ethnologie bestehen, auf Grund der von ihr für unsere recht-
lichen und socialen Verhältnisse gelieferten Controlle, be-
gründet in ihren bis zu den Praeexistenzen der religiösen
Vorgedanken vertieften Schachten, in tiefste Gründe hinab,
um die für Selbsterkenntniss angeschlagenen Schätze zu heben.


Aus den (nach der in allgemeine Natur verschlungenen
des Menschen) im Geiste liegenden Keimen wächst durch
die sinnliche Wahrnehmung genährt, der Denkorganismus
unter den Formen der Categorien in den Phasen seiner
Entwickelung zur Gestaltung empor, zur Gestaltung der
an dem ethnischen Horizont projicirten Schöpfungen.


Von dem Sinnlichen in Raum und Zeit gebannt, trägt
die Spuren ihrer Fesseln der Denkprocess, doch wenn in
allen seinen Fäden durch drängende Reize erregt, dann
schwillt er an im Gegenstrom, und im vollen Schwunge des
Wachsthums ringt er sich frei, fortschreitend hinüber, bis
zu ahnender Annäherung an das Unendliche und Ewige.


Indem uns überall mit eiserner Nothwendigkeit der
gleichartige Gedanke unter seinen localen Variationen aus
den fünf Continenten entgegentritt, lässt sich hier die Con-
trolle der Identität direct schon auf die Gesetze prüfen, die
zu Grunde liegen, und auch bei dem freieren Schwung der
an Kraft gewinnenden Entwickelung würde sich die Fort-
leitung*) festhalten lassen müssen, soweit die mit den Com-
1*
[4] plicationen wachsenden Schwierigkeiten noch ihre Bewältigung
erlauben werden.


Bei dem raschen Eroberungszug der Induction liess
sich, als die Scheidelinie der Physiologie erreicht war, vor-
aussehen*), dass bald auch die Psychologie von den Natur-
wissenschaften würde beansprucht werden. Dies geschah
dann, als die richtige Zeit gekommen war, in der Biologie,
im Widerstreit gewissermassen zum philosophischen Stand-
punkt.


Doch hatte auch von ihm aus bereits neben Fries und
Apelt, besonders Beneke diese Reform anzustreben gewünscht.
An thatsächlichem Material, das richtig als unumgängliche
Vorbedingung erkannt wurde**), dachte er nicht zu ermangeln,
da es nöthigenfalls aus der Selbstbeobachtung reichlich zu
vermehren.


[5]

Aber in Betreff dieser eben — vor welcher nicht nur
Kant gewarnt, sondern deretwegen Comte die Psychologie
überhaupt, für den von der Phrenologie zu liefernden Ersatz,
beseitigt — eben in Betreff dieser war im Voraus ein
Fragezeichen voraufzusetzen. Mit dem Denken, im eigenen
Denken sich selbst zu denken, schien man nicht weiter zu
kommen, als mit dem Herausziehen am Schopfe. „Vom
seelischen Leben selbst haben wir keine Vorstellung mehr“
(H. Wolff), indem wir es eben leben in der Seele (oder
als Seele). „Die Vorstellungen sind unbestimmte Grössen,
welche einer exacten Betrachtung erst zugänglich werden,
wenn sie in bestimmte Grössen verwandelt und gemessen
sind“ (Wundt). Wie würden also die Aufgaben der Psycho-
logie zu formuliren sein, damit der Mensch sich selbst
verstehe? in Autopsie.


Da er in dem von ihm selbst gelebten Process subjectiv
verschlungen ist, kann er ihn nicht während dieses Werdens
anschauen, sondern nur in dem daraus Gewordenen; und dann
aus diesem Seienden, (aus diesem Sein) vielleicht durch Recon-
structionen später wieder dahingelangen auch in jenem gene-
tischen Flusse*) Gesetzlichkeiten zu fixiren. Hier würde
nun in individueller Psychologie (um Differenzirungen zu
gewinnen), das Material auf pathologische Abweichungen, in
den Geistesstörungen, beschränkt sein, oder auf die abgestuften
Phasen der Kinderseele, mit manch lehrreichem Seitenblick,
unter vorsichtiger Controlle auf die Thierseele**).


[6]

Innerhalb all’ dieser Beschränkung steht aber ausserdem
noch ein anderes Fragezeichen voran, das die Beschränkung
in der Individualität selbst schon betrifft.


Der Gedanke des Einzelwesen ist ein steriler, erst der
gesellschaftliche*) produktiv, erst dieser ruft psychische
Schöpfungen hervor, welche der Geist anschauen und im
Studium zu erforschen vermag. Und mehr: Der Gedanke
des Einzelnen erhält die Möglichkeit seiner Existenz erst nach,
und innerhalb, dem Gesellschaftsgedanken. Wenn indess
dann der Mensch als Gesellschaftswesen am ethnischen
Horizonte gespiegelt ist, für seine Selbstbeobachtung, so wird
sich jedwede Individualität wieder enthüllen bei richtig ver-
wandter Methode der Zerlegung. In den Völkergedanken
lassen sich also nach Maass und Zahl geordnete Schöpfungen
der Betrachtung unterwerfen, und nachdem sie als Krystalle
in ihren Umrissen constatirt sind, mögen sie auch wieder
in die Mutterlauge elementarer Gedankengährungen, aus deren
embryonalen Vorstudien sie hervorgeschossen sind, zersetzt
und analysirt werden.


Hier wäre nun kein Mangel zu fürchten, und eher würde
(bei der Nothwendigkeit statistischer Umschau über den
Globus) Ueberfülle des Stoffes, ein embarras des richesses
drohen, bis fortschreitende Erkenntniss anordnende Gruppi-
rung, zur Verdichtung unter höheren Einheiten, erlaubt.


Wenn die Psychologie bisher von Vorstellungen, Ge-
fühlen, Abstractionen u. s. w. handelte, so wird sich Alles
das in einer vergleichenden Psychologie noch weit ausgiebiger
zur Verhandlung bringen lassen, und neben den Idealen in
Kunst und Wissenschaft würden sie der Religion practische
Aufschlüsse gewähren, und auch den socialen Institutionen
zur Beurtheilung der eigenen, wenn in einer allgemeinen
[7] Menschheitsgeschichte die, vielleicht fossil bereits verknöcher-
ten, Typen complicirter Culturen sich mit dem Einblick in
niedrige Entwicklungsstufen durchsichtigerer Einfachheit*) mit
dem Schlüsel, der von dort erlangt ist, gesetzlich klären
und so im eigenem Kreise zum Verständniss gelangen. Inner-
halb des als abgeschlossenes Ganze vor Augen stehenden
Gesellschafsgedanken lassen sich dann wieder durch Theil-
striche die componirenden Einzelgedanken**) markiren und auf
die physiologische Basis zurückführen, unter Schliessung der
Kette im Natur-Mechanismus. Und vielleicht werden dann
die organischen Wachsthumsgesetze, die in den im Gesichts-
kreis vergrösserten Reflexbildern in ihren Zeugungen erkannt
sind für mikrokosmische Schöpfungen, gelegentliche Streif-
lichte zu werfen im Stande sein auf die makrokosmischen
im Universum.


Wenn wir in einem Ueberblick des Globus die ge-
sammten Wandlungen des Menschheitsgedanken in allen seinen
[8] Phasen vor uns haben, wird damit dann das Gesammtbild
des Wachsthumsgesetzes, — wie es webt, wie es lebt, wie
in Entwicklung emporstrebend, wie es unter localer Modifi-
cation in seiner Phaemenologie buntschillernd variirt, — der
Reflex des geistigen Mikrokosmos, den Augen entgegenge-
treten sein, zur Kenntniss und, durch sie, zum Verständniss.


Während die Culturgeschichte das abgeschlossen voll-
endete Product in umrundeter Formung erzeugt, — strahlende
Kunstideale oft, denen der von Bewunderung umfangene
Geist sich mit des Forschers nüchternem Blick kaum zu
nahen wagt, — überrascht uns in der Ethnologie der Mensch-
heitsbaum in den jugendlich wild und frisch zur Geltung
drängenden Stadien der Vorentwicklung. Wir treffen ihn,
wenn eben und kaum leichte Schossen aus der Erde spriessen,
wenn das Stämmchen Blätter ansetzt, wenn es sich in Blüthen
entfaltet, in Blumen prangt, mitunter selbst wenn schon
Früchtchen gewährend — und wo wir ihn so treffen, da mögen
wir ihn packen, ihn greifen und zausen, zerblättern, zer-
pflücken zum Besten der Wissenschaft, auch viviseciren,
denn es handelt sich ja doch nur um den verachteten Wilden,
der aber in solchem Opfer geweiht, mit Fülle des Wissens
bereichert.


Diese Anknüpfung an die Naturvölker mag auf dem Ge-
biete der Culturgeschichte eine ähnliche Umwälzung hervor-
rufen, wie Hofmeister’s vergleichende Untersuchungen auf
dem der Botanik, seitdem Nägeli „die Kryptogamen nicht nur
in den Bereich methodischer Forschung hineingezogen,
sondern geradezu zum Ausgangspunkt derselben erhoben“.
(s. Sachs), indem er seine morphologischen Untersuchungen
möglichst an die niederen Kryptogamen anknüpfte, um sie
„an den höheren und an den Phanerogamen weiterzuführen“
(unter den niederen Kryptogamen lehrreiche Beispiele für
allgemein morphologische Sätze aufsuchend).


Wie wir in einem Kunstwerk die Züge des begabten
Genius zu erkennen streben, der dasselbe geschaffen hat, so
[9] mögen wir in der socialen Institution den anfänglich unbe-
wussten Regungen im Organismus des Durchschnittsmenschen,
der sich darin verwirklicht hat, nachgehen, um aus dem ob-
jectiv niedergelegten Grundriss auf die subjectiven Processe,
welche durch diese hervorgerufen, zurückzuschliessen. Auch
in der weiteren Entwicklung des Staates bleibt derselbe der
Abdruck seiner Nationalität, aber unter den geschichtlichen
Complicationen, die sich im Gang der Ereignisse mit einander
verschlingen, klären sich dann die Willensäusserungen be-
wusster Eingriffe.


Wir leben innerhalb eines Gebäudes von Anschauungen,
das von uns selbst errichtet, auf unbewusst in dunkler Vor-
zeit gelegten Fundamenten, die sich so lange der Einsicht
entziehen, bis aus dem Verständniss der deutlich im Tages-
licht emporsteigenden Constructionen, der nothwendige Zu-
sammenhang derselben mit der stützenden Grundlage begriffen
werden kann.


In der Metaphysik soll die Ontologie (derjenige Inhalt,
den wir aus den logischen Formen herüberzunehmen haben)
zur Kosmologie hinüberführen, „deren Aufgabe ist, zu zeigen,
wie aus den Verhältnissen und Beziehungen der einzelnen
Seienden nebst ihren Veränderungen das Weltall hervorgehe“
(v. Lotze), aber in unserem Existenz-Winkel vermögen wir
nicht einmal im Planetenreiche den nächst zugewiesenen
Theil in genügender Abrundung zu überblicken, so dass die
leisen Fäden, welche sich hie und da bis zu Anknüpfungen
mit dem Fixsternhimmel verfolgen lassen, kaum die unbe-
stimmtesten Ahnungen rechtfertigen.


Die Welt, welche wir uns für ersten Ansatz zum Ver-
ständniss zu schaffen vermögen, ist eine rein psychologische,
die, wo sie sich mit dem materiellen Dasein rings um uns
her berührt, die Formen dieses unter subjectiver Auffassung
reflectirt. So weit sich dann für das in diesen objectiv
Realisirte aus dem Product die Componenten der Factoren
herausrechnen lassen, erhalten wir ein Ganzes in innerlich ab-
[10] geschlossener Wechselwirkung, das damit allerdings die Keime
zu höheren Offenbarungen wird einschliessen müssen.


In den Culturvölkern haben wir die Meisterstücke der
Menschenbildung vor uns, in vollkommenster, doch deshalb
auch complicirter, Gestaltung, der Blick trifft in ihnen glän-
zende Spitzen, aber somit seltene Ausnahmsfälle, die in dem
Durchschnittsmassstab eher ab, als hinleiten. Dieser ist schwer
in unserer eigenen Gesellschaftsform zu finden, wo die vie-
lerlei fremden Einströmungen, die unter mächtiger Geschichts-
bewegung durch einander gerüttelt sind, überall verschwim-
mende oder in einander verstrickte Uebergangszustände hervor-
gerufen haben, die es oft unmöglich bleibt (für die Eliminirung,
wie sie gefordert sein würde) aus solchem Zusammengewirr
deutlich und bestimmt in ihre Componenten wieder aus-
einander und frei zu legen.


Dafür nun, um den Durchschnittsmenschen zu finden,
werden die einfachen Verhältnisse der Naturvölker zur Aus-
hülfe eintreten, indem sie in ihrer klaren Durchsichtigkeit
leicht durchschaut werden, und uns das Gesuchte, das all-
gemeine Niveau der Menschennatur um so umfassender zu
gewähren vermögen, weil zugleich unter vergleichender Zu-
sammenstellung sämmtlicher Wandlungen in den geographi-
schen Provinzen über den Globus, das Allgemeingültige, als
Gleichartiges, von selbst zusammenfällt, und somit dann,
ebenfalls von selbst, das Particuläre, also Singuläre, als
solches für sich allein stehen bleibend, dadurch mar-
kirt ist.


Die Verwicklungen unserer socialen Zustände beruhen
zum grossen Theil darauf, dass dem zu sehr durch die Cultur-
fragen gebundenen Blick, unserem durch das Gelärm der
Tagesinteressen betäubtem Ohr, der Durchschnittsmensch ver-
loren gegangen ist, und wenn sein Verständniss zunächst
aus den Naturvölkern wieder gewonnen würde, hätte damit
bereits die Ethnologie einen Dienst geleistet, der befähigen
mag, die Gesellschaftsbedürfnisse auf gesetzlicher Natur-
[11] grundlage, und (unter den daraus gezogenen Lehren) also
naturgemäss, in Behandlung zu ziehen.


Als Vorbereitung, eine gesicherte Grundlage zu breiten,
bieten sich die ethnologischen Sammlungen, wenn sie zu dem
für statistische Ueberschau erforderlichen Grad der Voll-
ständigkeit gelangt. Sie haben die Materialien vorzuführen,
um die ethnischen Typen in der psychischen Welt zu ge-
winnen, und von den schriftlosen Völkern werden sich in
ihnen allein die einzigen Documente bewahren. So ist Acht
zu haben, dass wie diese, dem Entwicklungsgange der Ge-
schichte gemäss, nacheinander in das Grab steigen, keins
derselben aus dem Leben entlassen werde, ehe nicht seine
Zeugen im Tempel der Völkerkunde niedergelegt sind, um
dem künftigen Studium bewahrt zu bleiben.


Längst schon besitzen wir, wie recht und billig, Museen
für Steine, Pflanzen und Thiere und erkennen dieselbe als
eine conditio sine qua non für das wissenschaftliche Studium.
Für das inductive Studium des Menschen ist im laufenden
Jahre erst zum ersten Museum ein erster Baustein gelegt.


„Wir mahnen daran, dass wir Menschen sind, und das
Studium des höchsten Geschöpf’s der Natur, billig dem der
Mäuse, Käfer und all des übrigen zoologischen Ungeziefers
voranstehen sollte.“ So nicht etwa ein Ethnologe, der hier
pro domo kämpfen könnte (für die eigene Behausung, die so
noththut), sondern ein Zoologe, einer der kenntnissreichsten und
geachtetsten seines Faches. Dabei der Nachsatz: „Eile thut
Noth, da mit jedem Jahre die Grenzen sich mehr verwischen.“
Das war im Jahre 1847 gesagt. Wie viel Tage sind seitdem
vergangen? und bei den uns (in Europa) räumlich nächsten
Objecten ethnologischer Beobachtung „müssen wir beschämt
gestehen, dass wir wohl die Mäuse des von den Samojeden
bewohnten europäischen Landstrichs scharf zu unterscheiden
wissen, die Menschen aber noch nicht ethnographisch be-
stimmt haben.“ Darin ist in der Zwischenzeit noch wenig
geändert.


[12]

Was der Mensch in socialen Institutionen schafft, geschieht
anfänglich unbewusst, als nothwendige Verkörperungen der in
dem gesellschaftlichen Zustande (seiner innerlichen Organi-
sation) liegenden Bedürfnisse.


So lange der Geist in halbträumerischer Naturheit da-
hinlebt, umgiebt er sich (aus unbestimmt verschwimmenden
Schöpfungen der Sinnesauffassungen und ihren sprachlichen
Deutungen im Gedankenaustausch) mit einer mythologischen
Gespensterwelt, aus der sich, bei tiefer auftauchenden
Ahnungen, zum befriedigenden Ausgleich mit dem All, die
Götter verklären in der Religion, in künstlerische Gestaltungen
eingekörpert.


Wenn klar das Bewusstsein erwacht, so zersetzt die
Wissenschaft die magischen Operationen der Mythologie in
controllirbare Experimente, sie verscheucht die Phantasien
der Todtenseelen und Dämone und definirt aus der Religion
das soweit Verständliche, sowie von dem Rest das Warum
des noch Unverständlichen, indem zugleich im Staat die ge-
setzliche Grundlage gesellschaftlicher Existenz erkannt wird.


Die Welt, soweit wir sie kennen, besteht nur aus unseren
Vorstellungen, sagt Wundt, und wenn Schopenhauer mit dem
Gehirn, worin die höchste Objectivation des Willens sich
zeigt, die Welt als Vorstellung geschaffen sein lässt, mit
Raum, Zeit, Formen, Vielheit, Causalität, so hätten auch die
(objectiven) Einkörperungen (subjectiver) Abstraction hinzu-
zutreten. Der immenente Zweck der Seele, als Entelechie,
die (neben der Vergleichung mit der Flötenkunst) dem
Leibe das ist, was das Sehen für das Auge (bei Aristoteles),
würde sich, wie individuell im Körper, gesellschaftlich dann
in dem ethnischen Horizont verwirklichen, wohin sie (wie
die Netzhaut in der Richtung bestimmter Graden) ihre Vor-
stellungen projicirt hätte, welche im Total-Abschluss aus der
Gesammtheit der Sinnesempfindungen (unter ordnendem Zu-
tritt des νοῦς von Jenseitsher oder ϑύραϑεν) als Resultat ge-
staltet, demnach, über das Sprachliche noch hinaus, ὁμοιώματα
[13] τῶν πραγμάτων darstellen würden, als Verwirklichungen des
Geisteslebens. Mit diesem im Aussen erkannten Ganzen
fänden dann wieder die Einzelnheiten ihre Erklärung, denn
(bei Aristoteles): „Wer das Allgemeine weiss, weiss auch
das Einzelne“ und zum Wissen des Allgemeinen wieder wird
erst durch allmählige (oftmals, weil noch vergleichungslose,
damit vorläufig unverständliche) Bemeisterungen der Einzeln-
heiten gelangt, während dann nach dem Abschluss des Ge-
sammtbau’s allerdings die Möglichkeit gegeben ist, rückwärts
das richtige Theilverhältniss jedes Einzelnen (aus den zu-
sammengetragenen Materialien der Bausteine) innerhalb des
Ganzen zu verstehen.


In einer für die spätere Behandlungsweise nach inductiver
Methode vorbedeutenden Eintheilung wurde die Psychologie
längere Zeit unter die Physik gestellt, während sie im eth-
nischen Gesammtresultat, bei objectiver Verwirklichung des
psychologischen Processes (in dem aus den Componenten
der Individualitäten zusammengetretenen Organismus der
Gesellschaft*) die Metaphysik beanspruchen würde. Als
Lehre von den Völkergedanken gefasst, repräsentirt die
Psychologie damit den geistigen Horizont, sowie der Mensch
(in dem ihm zugehörigen Mikrokosmos) lebt, soweit dieser
sich als reine Schöpfung ethnischer (social-psychologischer)
Thätigkeit ergiebt, — nicht jedoch (in supponirter Identität
des Denkens und Sein’s) den Makrokosmos im Grossen und
Ganzen, da die aus dem Bythos oder Hades eines Nicht-
seins hervorgetretene Materie nur in ihren Vorstellungen
darüber begriffen wird, ohne das Ding an sich zu berühren.
Rosenkranz nennt es eine „Monomanie“, (bei dem Anstreben
[14] einer „Gesichtsphilosophie“) „Alles unter dem Gesichtspunkt
des psychischen Processes zu begreifen“ („Alles auf die Psy-
chologie zurückzuführen“), denn „das Psychologische ist hier
nur noch ein Moment, nicht aber das tonangebende Element“.
So freilich bei individueller Auffassung der Psychologie, wo-
gegen die dem Zoon politikon angehörige Psyche, wenn die
im Gesellschaftsorganismus aufsteigende Spirale seines Wachs-
thumsprocesses verfolgend, sich auch in der ganzen Weite
realisirt, an den Zweigen des Menschheitsbaumes in Früchten
schwellend, und diese, nach den Verschiedenheiten ethnolo-
gischer Kreise, unter all den auf der Rundung des Globus
möglichen Formgebungen gewandelt.


Indem der Mensch in dem aus eigenem Mikrokosmos
reflectirten Horizont seiner Vorstellungen*) lebt, ergeben sich
die an demselben umherbewegten Gestaltungen als die in der
Umgebungswelt projicirten Schöpfungen innerer Denkthätig-
keiten (für die Psychologie).


Da nun als früheste Grundlage dafür die sinnlichen
Empfindungen und Wahrnehmungen*) unterliegen, so ent-
halten die nach Aussen geworfenen (und dort für objective
Auffassung verkörperten) Vorstellungen bereits ein Element
aus dem (im vorläufigen Gegensatz materiellen) Makrokosmos
in sich eingeschlossen.


Das ideell Gestaltete ist deshalb als ein Product des
psychischen Wachsthumsprocesses aufzufassen, als ein nach
dem Gesetze des menschlichen Organismus durch äusserlich
einfallenden Reiz angeregte Bildung**), und zwar der (für
[15] den Begriff der Menschheit charakteristischen) Gesellschafts-
natur gemäss, in den Völkergedanken (worin sich rück-
schliessend erst wieder Theilstriche für die Einzelngedanken*),
nach ihren Verhältnisswerthen zum Ganzen, würden ziehen
lassen). „Das Vorstellen stellen wir gar nicht wieder vor,
sondern indem wir vorstellen, ist ohne Weiteres dadurch dem
Vorstellen gewiss, dass es vorstellt“ (sagt Baumann), oder
(naturwissenschaftlich ausgedrückt), die Vorstellung**) ist das
aus dem zum Denken angeregten Geist, unter der Nothwendig-
keit organischer Gesetze, hervorspringende Erzeugniss, das
nach der Gewohnheit des, unter den Sinnen überwiegenden,
Sehorgans nach Aussen hin projicirt wird, und dort dem
geistigen Auge ebenso deutlich gegenübersteht, wie der
optische Gegenstand dem körperlichen. Das materielle Ding,
das in den Anreizen zu dieser Gestaltungsthätigkeit des
Geistes verborgen liegt, wird durch die Vorstellung als
solche, weder erklärt noch begriffen, und hat direct mit der-
selben, seiner Besonderheit nach, nicht viel mehr zu thun,
als die in den Magen eingeführte Speise mit den Ernährungs-
functionen, die sich aus den verschiedenartigsten Gerichten
überall dieselben Zellcomplexe bilden, wie sie den einzelnen
Gliedmaassen, ihrer speciellen Aufgabe nach, entsprechen,
obwohl bei Zusatz stärkerer Stoffe, narkotischer oder sonst
medicinischer, diese ausserdem ihre specifische Wirkung zu
äussern vermögen.


Aehnlich bei den Vorstellungen. Nachdem durch den
einfallenden (in der Majorität der Fälle die Netzhaut treffen-
den) Sinnesreiz der Denkapparat in dem Einzelnindividuum
[16] in Bewegung gesetzt ist und die aufgährenden Elementar-
vorgänge der Gedanken im sprachlichen Austausch unter
Hinzugesellung der Hörbilder weiter durchgearbeitet*) sind,
tritt in dieser wogenden Mutterlauge derjenige Moment ein,
wo die Affinitäten der Wahlverwandtschaft in einem rationellen
Proportionsgesetz zu einander stehen, und dann springt,
krystallartig messbar und umschreibbar, die Vorstellung, als
in sich abgeschlossen hervor, und steht jetzt dem Studium
gegenüber.


Ebenso wie hier die componirenden Molecüle bald für
die Krystallform gleichgültig, oder wenigstens nicht aus-
schliessend specifisch, sein mögen, bald wieder (in gewisser
Ausdehnung) bedingend für dieselbe, in dimorphischen, iso-
morphischen, isomerischen, polymerischen und anderen Er-
scheinungen; so (um einen Vergleich zu ziehen) hängt es
von den begleitenden Umständen ab, ob in der Vorstellung
das äusserliche Ding, das allein für sich, oder neben und
mit andern zusammen, dazu mitgewirkt hat, dominirend
daraus hervortritt, oder unter den sonstigen Herumbildungen
vorläufig verschwindet, bis es etwa durch geistige Analyse
später darin wieder aufgefunden werden mag.


Knüpft sich die Vorstellung direct an das sinnliche
Substrat, an den Baum, den Hügel, den Fluss, den Mond,
die Sonne, den Donner u. s. w., so wird das Haupt-Interesse
auch von diesem selbst absorbirt und so mag unmittelbar
bereits eine Art von Verständniss gewonnen sein, die eine
Zeitfrist hindurch genügt, bis das Bedürfniss zu schärferem
Eindringen erwacht und sich aus der mythischen Umhüllung,
die anfangs auch hier gefangen hält, bald herauswickelt.
[17] Anders dagegen, wenn es sich um solche Mythen und Vor-
stellungen handeln würde, wie die Krankheit, die Gottheit,
die Entstehung u. s. w. Auch hier finden sich überall
die sinnlich-körperliche Andeutungen zwischeneingesprenkelt,
welche, anregend und fördernd, während des gegenseitig
geistigen Verkehrs absorbirt wurden, als sich aus embryonalen
Vorbereitungsstadien jene Denkverkörperung bildete, die,
seitdem zu temporärer Lebensfähigkeit gelangt, damit dann
am ethnischen Horizonte schwebt und in ihren vergrösserten*)
Umrissen dort studirt werden kann (um auf den inneren Ge-
staltungsprocess zurückzuschliessen, Anhalt gewährend). Eine
Identificirung oder Definirung dieser aus den Agentien ma-
krokosmischer Aussenwelt in die psychischen Processe ein-
gewickelten Realien, wird erst nach statistisch angestrebter
Umschau aller ethnischen Wandlungen, (durch die ver-
gleichende Methode) einer inductiven Behandlung (der
Psychologie als Naturwissenschaft) ermöglicht werden. Der
so in Betrachtung der Naturvölker (im Studium der, weil
niedersten, einfachsten Anfänge) gewonnene Einblick in die
Wachsthumsprocesse des Menschengeistes (in dem physiolo-
gischen Gesetze der innerlich emporstrebenden Spirale so-
wohl, wie für den Contact nach Aussen) wird dann auch
für seine höheren Stadien Leitungsfäden abgeben, bis zur
vollen Entfaltung in den Culturvölkern.


Manche der primären Vorstellungen sind im Gange
civilisatorischer Entwickelung so völlig eliminirt, dass der
Zusammenhang mit den gegenwärtig geltenden fast gänzlich
abgeschnitten ist, und jene also nur die Bedeutung archäisti-
Bastian, Völkergedanke. 2
[18] scher Ueberbleibsel bewahren (aber eben auch die volle
Bedeutung derselben, als für unerwartete Aufschlüsse oft
folgenreich). So würde es unter den oben angeführten Bei-
spielen für die Vorstellungen von der Krankheit gelten (die
allerdings im Anschluss an ethnologische Analogien noch im
Volksglauben spuken, für wissenschaftliche Theorien der
Pathologie und Therapie dagegen practische Verwerthung
verloren haben), während die andern beiden, die von der
Gottheit oder die der Entstehung, mit ihren Verzweigungen
noch tief in unsere heutige Weltanschauung hineinragen, für
Religion sowohl, wie für Philosophie. Und dies liesse sich
in den Vorstellungsreihen an vielerlei Parallelen weiter ver-
folgen.


Manche derjenigen, die die wichtigsten Interessen des
Lebens berühren (oder vielmehr alle die für das irdische
Leben wichtigsten, nächst individueller Selbsterhaltung), be-
rühren den gesellschaftlichen Zustand in seinen mit dem
Staat zusammenfallenden*), und sich übereinander verschie-
benden**) Kreisungen (in Ständen, Kasten, Gilden, Gemein-
den, Genossenschaften u. s. w.).


[19]

Ehe die Ethnologie indess Aussicht haben könnte, die
hier herrschenden Vorstellungen methodisch zu durchforschen,
wird sie, εἰκότως γε, den Organismus, innerhalb welcher sie
zum Ausdruck kommen, vorher begriffen zu haben, als ihre
erste Aufgabe erkennen müssen, also den gesellschaftlichen
Organismus selbst, dessen Verständniss (wie an sich ver-
ständlich) seiner Physiologie vorherzugehen hat, wie der des
somatischen Körpers in der Anthropologie seine Anatomie.


Der Staat (die Verwirklichung des Staatsbewusstseins)
„ist ein Organismus höchster Art, eine Person, d. h. ein
selbstbewusstlos, sich selbst beherrschendes, sich selbst aus-
sprechendes, mit eigenem Willen handelndes Wesen“ (Blunt-
schli
) und es käme nun darauf an, seine Structur und Biologie
zu erforschen, denn die Fragen über seine Entstehung haben,
bei der dem Menschen immanenten Gesellschaftsnatur, vor
der Thatsache des Vorhandenseins zunächst zurückzutreten*),
in diesem Falle ebensowohl, wie bei dem Einzelmenschen, oder
anderen Producten der Naturreihe, innerhalb der Peripherie
deutlicher Relationsforschungen, nachdem die Gespenster eines
**)
2*
[20] mythischen Frühmorgens daraus vertrieben sind (und ehe
noch die Kraft genugsam gewachsen, um den in das Unend-
liche fortstreichenden Tangenten zu folgen). Vorläufig ist
das an sich Gegebene entgegenzunehmen, um die Total-
bedeutung aus den Verhältnisswerthen (die sich, mit fort-
schreitender Auflösung der Unbekannten, in Formeln fixiren
lassen) herauszurechnen. Wenn dann einst ein höherer Calcül
(für psychologische Arithmetik) erfunden, wird sich auch das
Uebrige schon finden.


Die Gesellschaft nun (die in ihrer Morphologie auf
Familie, Stamm, Staat, in ihrer Biologie auf Sippe, Volk,
Nation führen würde) steht, ob gross oder klein, überall
vor Augen, wo dieses den Menschen schaut, denn in der
Realität existirt dieser als Gesellschaftswesen, als Einzelwesen*)
nur in der Abstraction, und noch in der Paarung, der für
Arterhaltung erforderlichen Ehe, kaum sporadisch (von
der Bedeutung als Theilgrösse innerhalb höherer Ganzen
abgesehen).


Mancherlei Missverständnisse entstehen hier aus unbe-
stimmter Terminologie, wie in Verwendung von „Stamm“
(Clan, Geschlecht, Bande u. s. w.), für Tribus und Phyle
(von Curie und Phratrie abgesehen) für γενος (ganas) und
gens, dann auch aus den in der Behandlung der Cultur-
geschichte nächstvorliegenden Prototypen in der römischen
Gens (und ihrer patria potestas mit den daraus fliessenden
Folgen), da gerade diese einen auffälligen (einen für das
Uebergewicht der dadurch bedingten Geschichtsentwickelung
desto bedeutungsvolleren) Ausnahmsfall unter der ungeheuren
Masse des in der Ethnologie zusammenströmenden Beweis-
materials bildet, mit äusserst wenigen Coincidenzen (wie bei
[21] den Khond, oder sonst patriarchalisch). Auch ist die unter
den vorwaltenden Theorien als Grundstock der ganzen Entwick-
lung untergelegte Familie für solche Betrachtung in Wegfall
zu kommen, da so lange, wie in der Mehrzahl der Paradig-
men eine exogame Ehe herrscht, so lange es sich um Ge-
schwister (in den Cognaten) handelt, (während die Gebrüder
im agnatischen Mannesstamm zur Geltung kämen) die Familie
noch nicht existirt*), und wenn weiterhin Mann und Frau ver-
schiedenen Gentes angehören (und so für die Kinder das
Neffenrecht folgt, oft in gynocratischen Weiterergebnissen),
kann sich eine Familie, klärlich genug, eben noch nicht
zusammenschliessen, und eher mag sie sogar ausserdem in
Geschlechtsklassen (wie bei den Kamilaroi) auseinanderfallen,
(also eine Art Anticipation der Geschlechter, in Wortbedeutung).


Unser heutiger Begriff der Familie (seit Singuli singulas
familias incipiunt habere
) ist natürlich ein fest umschriebener
und bestimmt erfasster, weil eben (mit den heutigen Hilfs-
mitteln logischen Denkens) aus dem heute bei uns factisch
Vorliegendem abstrahirt (und so innerhalb des Gesellschafts-
ganzen an dem zukommenden Platz localisirt). Als dem-
gemäss aus den Factoren herausgerechnetes Product, muss
hier deshalb die Probe richtig zutreffen, nicht jedoch, wenn
diese anderswo angelegt wird, etwa bei der römischen Fa-
milia
(mit Zurückgehen auf oscisches famel) oder der im οἷκος
begriffenen Familie der Griechen, (neben dem in fictitiver
Adoption herausgebildeten Clan), von fremden Fernen gar
nicht zu reden.


Wir haben allerdings die schematischen Formen von
Familie und Stamm vor uns, die wir uns auseinander ent-
standen denken können, weil sie sich ineinander zerlegen
lassen, aber eine thatsächliche Einheit tritt erst in der Sippe
[22] hervor (der Phratrie, oder irokesisch, De-a-non-da-a-yoh), bei
der sich bereits die Spuren halbbewussten Eingreifens spür-
bar machen, die im „Contrat*)social“ dann zum Staat führen
sollen (der schon φύσει zu setzen).


Dieser gelangt aber nicht mehr zu seiner ideal berech-
tigten Verwirklichung, zu der Weihe eines in monumentaler
Ruhe thronenden Kunstwerkes, weil das jetzt brausend er-
wachende Leben des Volksgeistes in immer gewaltigeren
Fluthen anschwillt, um seine ethnischen Gefühlsströmungen
mit politischer Machtstellung in der Nation zu einen
und vermählen. Aristoteles Hauptformen der Regierung
im Königthum (oder Monarchie), Aristokratie und Politie
(neben Tyrannis, Oligarchie und Demokratie oder Ochlokratie)
war bereits, bei Heranziehung des semitischen Gesichtskreises
zu dem classischen, die Theokratie zuzufügen und bei dem
jetzt über den ganzen Globus erweiterten Blick drängen
sich so vielfache Modificationen der Berücksichtigung auf,
dass vergleichende Zusammenstellung der characteristischen
Typen tiefeingreifende Umgestaltungen der bisherigen Systeme
mit sich bringen würde.


Die Priesterkönige gliedern sich unter vielfachen Masken
(neben den archaistischen Formen im Basileus und Rex) von
dem in Cochin und Meroe, in Kioto, Tonga, Sogamoso
zum Muata-Yamvo oder östlichen Regenmachern, der
Herzog ex virtute, (auch ein Archonten zugegebener
Stratege) findet, wie in Lucian’s Scythenland (und Asien
vielfach) seine Analogien in Amerika des Nordens und Südens,
die Orang kaya des indischen Archipelagos treffen ihre
[23] Seitenstücke*) bei den Beluchen sowohl, wie bei den Aht
und Benachbarten, zu dem Senat (kirgisischer) Weissbärte
weisen auch die Weisen und Greise**) in den Gnekbade unter
den Altersstufen der Kru, und die Ariki, die vor den poly-
nesischen Fahrten jenseits des Gesichtskreises lagen, führen
ins Jenseits hinüber in der bei Mikronesiern schon im Leben
eintretenden Apotheose.


Bei Stämmen, die (nach Art der Celten am macedonischen
Hofe) nichts fürchten, als dass der Himmel etwa einfalle, die
den Todesgott höhnend schelten (wie die Anghami und
Sumba) und ihn zum Kampf herausfordern, ob des Mordes
ihres Freundes, die, gleich den Abor, die sonst sorgsam in
heiligen Hainen gepflegten Walddämone durch Baumumhauen
zu schrecken suchen — bei dieser Art wilden Gesellen wird
von Regierung***) nicht viel die Rede sein, und nur der priester-
lichen Festordner bedürfen sie vielleicht, um die für den
Lebensunterhalt unentbehrlichen Mächte (wie die des Pflanzen-
wachsthums, der Aussaat und Ernte) in guter Stimmung zu
halten. Abgesehen von diesen Spruchmännern für die un-
sichtbare Welt, finden sich in den Dörfern der Naga (soweit
nicht bereits aus der Zeit der Ahom-Raja Assam’s beeinflusst)
z. B. nur solche Beamte, welche die öffentlichen Arbeiten
(besonders an den Wegen) versehen und beaufsichtigen.
Ausserdem bietet das Gebot der Selbsterhaltung, um, inner-
halb der Befestigungen des auf steiler Höhe liegenden
Dorfes, sich der Existenz gegen die ringsumgebenden Feinde
[24] zu wahren, das festeste Band eines Zusammenschlusses, und
für die Vertheidigung sind dann die im Langhaus (nach
spartanischer Einrichtung) zusammenschlafenden Jünglinge,
nach ihren Rotten, streng militärisch organisirt. Da bei Ge-
meinsamkeit des Landbesitzes und Beschränktheit des Handels
(in der Isolirung) Anhäufung von Privatbesitz nicht (oder doch
nur in der, ovale Hausform gestattenden, Maassbeschränkung)
statthaben kann, werden vorkommende Zwistigkeiten beim
gemeinsamen Mahle erledigt*), auf Einladung des Klägers
und, wenn Appellation zulässig scheint, auch des Beklagten.


Im Uebrigen herrscht bei diesen (vom Fremden oder
Hostis) gefürchteten Kopfabschneidern friedliche Einigkeit
innerhalb der Gemeinde, und wenn derartige oder andere Wilden,
die bezüglich des eigenen Kreises gewissenhaft ihre Moral-
gebote beobachten, solche dem Barbaren gegenüber nicht
kennen, behandelten die Hellenen diesen nicht viel besser.
Dem Volke der Thora ist der Handelsverkehr mit den
Heiden gestattet, sofern diesen daraus nicht Vortheile, sondern
Schaden erwächst (nach Aboda Sara).


Das in den Buddhisten ihrem Decalog zugefügte Verbot
des Lügens, wird in Senegambien und andern Theilen Afrikas
sowohl, wie bei den Khond u. A. m. als Gebot die Wahr-
heit zu reden, auf das unverbrüchlichste gehalten**).


[25]

Die Mari fliehen bei dem Nahen von Fremden, und bei
den Maria geht das Princip des stummen Handels bis auf
die Tributzahlung*) über, die Gond bringen die (englischen)
Richter durch Selbstgeständnisse oft in Verlegenheit, und
gleiche Aufrichtigkeit und Treue (gegen den Herrn) wird
von den Khond gerühmt, die aber dann wieder in den
blutigen Opfern der Meriah sich an Martern ergötzen. Die
scrupulöse Gewissenhaftigkeit übertreibt bei den Gond die
Ceremonialgesetze, wo sie solche von den Hindu angenommen,
bis zum Waschen des Holzes vor Verwendung zur Feuerung,
und da sie doch auch wieder die einheimischen Götter nicht
entbehren können, bedecken sie das Kuhfleisch, wenn für
die Riten erforderlich mit Tuch, ehe sie es an den Mund
bringen**).


[26]

Bei den Samojeden, die (des Kleider-Trocknens wegen)
nackt zusammen im Zelte liegen, würde es doch gegen den
Anstand sein, wenn ein Mädchen den blossen Fuss (beim
Wechseln der Fussbekleidung) zeigte (in chinesischen Weiter-
führungen der Vorstellung), wie ähnliche Vorschriften im
malayischen Pomali. Bei den Kamtschadalen ist es Sünde,
Schnee mit einem Messer von den Schuhen zu schaben,
Feuer damit zu berühren u. s. w., bei den Awam-Samojeden
muss der Kopf des erlegten Wild-Rennthiers roh gegessen
werden, da es Sünde sein würde, ihn zu kochen (s. Midden-
dorf), und bei den Kurnai (s. Howitt) bestehen genaue Be-
stimmungen über Vertheilung der Jagdbeute, je nach dem
Thiere. Solche Vorschriften würden nie gebrochen werden.
Ein junger Kroatun gefragt, ob er das ihm verbotene Opossum-
Weibchen nicht essen würde, wenn kein Alter in der Nähe,
dies zu sehen: replied „J could not do that, it would not
be right“. Er würde daran ebensowenig gedacht haben, als,
wenn es von ihm verlangt wäre, über das Wasser zu gehen,
ohne im Stande oder veranlasst zu sein, deshalb über die
Gesetze der Schwere, die dies nicht erlaubten, eine Erklärung
zu geben*).


Aehnlich den Scheidungen der κάκοι und ἄγαϑοι in
Megara (durch Theognis), bilden die Begüterten (boni homines
oder Godos) die Guten, und entsprechend wird bei Samojeden
und Jakuten (s. Middendorf) „arm“ und „schlecht“ durch
dasselbe Wort ausgedrückt, wie im Schwedischen (das schlechte
Volk) und im Esthnischen.


[27]

In solchen durch die Natur der Sache nun gegebenen
Gesellschaftsverbindungen, wie z. B. (zur Wiederholung obiger
Darlegung) in den Nagadörfern, wo ohne eigentliche Regierung
(von den gemeinsamen Nutzen dienenden Beamten öffentlicher
Arbeiten abgesehen) nur etwa gegen die Feinde der unsicht-
baren Welt (schädigende Dämone) durch priesterliche Func-
tionen (der Festordner in besonderer Rücksicht auf Ernte-
gottheiten) vorgesehen*) ist (denn gegen die greifbaren Feinde
schützt die militärische Jünglingsschaft), in solchem bei den
vom Kläger und Beklagten veranstalteten Mahlzeiten in gegen-
seitiger Besprechung etwaige Zwistigkeiten schlichtendem
Communismus, da (neben der geschlechtlich aufliegenden
Blutrache) nur wenig Anlass zu rechtlichen Entscheidungen**)
unter gemeinsamem Eigenthum gegeben ist, wird der durch
aussergewöhnliche Gunstfälle, in glücklicher Handelsoperation
etwa, oder (wenn Vorsprecher für die Verhandlungen nach
Aussen) durch Geschenke Fremder zum Privatbesitz Gelangte,
diejenige vorwiegende Stellung (in Erlaubniss eines ovalen
Hauses, wenn durch Liberalität populär) erhalten, wie sie sich
in den erwähnten Orang kaya des Archipelagos und sonst aus-
spricht (und unter den Haidah dann wieder freigebiges Ver-
schenken bis zu eigener Verarmung verlangt).


Wenn dann etwa eine Amphictyonie, gleich der der
Irokesen, sich in solcher Einigung***) für weitere Kriegs-
[28] züge stark genug fühlt, und für Organisation derselben ein
Tapferster an die Spitze gestellt werden muss, lehrt es die
Vorsicht (wie bei dem Zweikönigthum Sparta’s oder in
den beiden Consuln Roms) die neben den (unter den durch
die Bundesbegründung festgestellten Namen fungirenden)
Sachem (den Ho-yar-ra-go-war mit ihren Gehülfen in den
Ha-sa-no-wä-na) erforderten Würde des Kriegshäuptlings
(Hos-gä-a-geh-da-go-wä) zu verdoppeln, um der Gefahr
vorzubeugen, dass der triumphirend von Siegen Heimkehrende
sich als Dictator proclamire, eine Tyrannis auszuüben, und
den Rath der Gerousia missachten sollte.


Diese in der „Civitas“, als solche, regelrechte Entwicke-
lung kann nun hie und da abgelenkt werden, durch Keime,
welche noch aus früherer „Societas“ her in derselben einge-
streut liegen mögen.


Ein umschriebener Ansatzpunkt der Betrachtung mag
sich hier in den Wanderungen der Maori ergeben, an den
verschiedenen Landungspunkten der neu zu besiedelnden
Insel in getrennten Canoe’s anlangend, die dann später in
Iwi und Hapu den Stamm repräsentiren (mit seinen in,
wenigstens fictitiver, Verwandtschaft gedachten Ngati oder
Mitglieder), in Naukrarien (s. Phot.) gleichsam.


Hier hatte die für längere Seefahrt erforderliche Orga-
nisation unter einheitlicher Leitung hervorragende Persönlich-
keiten, wie Turi, Tama-te-kapua, u. s. w. an die Spitze gestellt,
und auf diese (in den durch das Wappen des Moko im Whare-
Runanga als Eupatriden dauernden gekennzeichneten Familien)
übertrug sich dann naturgemäss der Titel eines Rangatira-nui
unter den Rangatiras (den in Tahiti bereits herabgedrückten
Ratira entsprechend).


***)


[29]

Indem nun in der Familie des Häuptlings der älteste
Sohn zur Bewahrung der (bei Herkunft aus entschwindender
Fremde desto wichtigeren) Stammestraditionen (unter Ver-
knüpfung der Genealogie mit Theogonien) ausgewählt und
meist durch den bei seiner Mündigkeit noch vollkräftigen
(und also dem Ansehen des Vaters noch voranstehenden)
Grossvater unterrichtet wurde, so gewann derselbe (gleich-
sam im Koiranos oder Basileus, dem Zeus das Scepter
ertheilt) in solcher Communication mit dem Göttlichen (und
als geeignetes Gefäss, um Tu beim Krieg oder Rongo beim
Ernten herabsteigen zu lassen), jene Heiligkeit, die sich in
Nukahiva bereits in der Bezeichnung Atua für die Taoua
(den Tiou, als Arii tabu in Tahiti) beweist, hier dann neben
(und über) den Akai-ki oder Hakaiki (als Häuptlingen),
während priesterliche Ceremonien (wie im tahitischen Tempel-
dienst der Tahua) den Tahuna (Tohunga bei den Maori)
überlassen bleiben, für kriegerische Unternehmungen aber ein
jugendkräftiger Tua berufen wird, indem auch die Priester-
fürsten der Maori (als sie mit Fütterung ihrer, als Kai be-
zeichneten, Söhne durch die Priester verweichlichten) eines
für die Gelegenheit eintretenden Major-domus, als Rangatira-
toa im Kriege, bedurften.


Bei der mystisch die Ahnenreihe einleitenden Thierform,
wie sie sich, indianischem Totem oder australischem Kobong
entsprechend, auch in Afrika (bei Beschuanen und sonst)
findet, stellte sich dann die Verbindung mit dem (zugleich als
Eponymos auftretenden Heros) her, wie ebenso bei dem in
Roms Vorgeschichte (in der Glorie heiliger Aeneaden aus
mythischem Troja) spielendem Prototyp des Rex sacrificulus
ein Wolf (mit den zu Romulus’ Ehren gefeierten Lupercalien)
und dem von Picus durch Faunus zum alten Saturnus
führenden Specht, der bei der Speisung mithalf (während
bei Koloschen dem Wolf der Rabe zugesellt ist in der Ab-
stammung, mit Bildern nördlicher Sagas).


[30]

Wie dann in geschichtlicher Bewegung weltliche und
geistliche Macht auseinanderbricht, liegt bei Ergamenes und
dem Perimaul vor Augen, und wie dasjenige geworden, was
in späterer Auffassung für das Königthum besonders zum
Paradigma diente, ist aus der Entwickelung des Feudalismus
zu ersehen, in historischer Begründung auch bei Azteken
(und mit vielfachen Analogien aus den übrigen Erdtheilen
zu dem uns bereits in Europa bekannten Verlauf).


Während in geschichtlichen Epochen ein Eponymus,
als Vorfahr, an der Spitze des Stammes steht, und als Heros
im Halbgottthum den (innerhalb der Familie meist auf 3 Gene-
rationen beschränkten) Ahnencultus*) erweitert, findet sich
in den Vorstadien des Totem das Wappenthier (wie in
Amerika bei Basuto, in Africa, bei Khasya, Jakuten, dann
in Australien u. s. w.) mit den Essverboten, wodurch von
dem (grönländischen) Verbieter die Erlaubniss sonstigen
Genusses gesucht wird, wie in den Mokissos zu Loango,
während die kühnen Maoris die, Tiki’s Nachkommen zu-
stehende, Herrschaft auf Tu’s Siege zurückführen.


Auf die Zeit, wo Menschen und Thiere friedlich noch
zusammenlebten (in Birma), gingen auch die Peruaner
zurück, und bis auf die thierischen Vorbilder in den Con-
stellationen (gleich den Abiponen).


Die Irokesen führen die Emblemen der Stämme als
Thiere**) (mit Bär und Reh als ursprünglichen bei den Seneca),
[31] wie die Odjibways, als Totem (Dodaim), und so die Azteken
auf ihren Heereszügen. Bei den Jakuten hielt jedes Geschlecht
ein Thier heilig, das nicht gegessen werden durfte (Yves).


Wie der Einzelne*) seinen Schutzgeist, besitzt bei den
Narrinyeri (am Lake Alexandrina) jeder Stamm (Clan oder
Lakalingeri) sein Wappen oder Ngaitye (nach Thieren,
auch Insecten, benannt), gegen die Brupar oder Dämone,
und sonst. Den Kili der Ho ist das Essen des (thierischen)
Namensvetter verboten, wie den Fahinga Tonga’s.


Die den dii Penates (des Haus-Inneren) entsprechenden
ϑεοί μύχιοι (als verborgen) in den sacrificia occulta (s. Cicero)
bei den Sacra gentilicia, bekundeten, als ϑεοὶ ἐγγενεῖς der am
Heerd**) Vereinigten jene Eifersucht gegen Fremde, wie sie
sich in Samoa selbst auf Mitbenutzung des Canoe ausdehnt
**)
[32] und bei den Naga die Abschliessung durch Genna verlangt,
nach dem Grundsatz: Suo quisque in ritu sacrificia faciat
(s. Varro). Die Franken waren ἐξ ἡγεμόνος genannt (s. Laur.
Lydus).


Neben dem Aitu fale (Hausgott) wurde das Kind in
Samoa auch dem Dorfgott geweiht (wie in Griechenland
unter Opfern in der von dem φρατριάρχος presidirten Phratrie
ihrem Heros Eponymus) und stand dann ohnedem unter dem
über den District wachendem Gotte, dessen Zeichen getragen
wurde, sowie, je nach eigenen Neigungen oder Prädilectionen
der Grossen, unter den Grossen Göttern, über und unter
der Erde, und in Betreff ihrer Schöpferkräfte jedenfalls für
die Ernte (also O-Le-Sa etwa, der deshalb Heilige κατ̕ ἐξοχήν
in Samoa) von practischem Interesse, oder dem Fischfang
auch in Naturbeherrschung (wofür sich Karakia lernen liessen
gegen Wind und Wellen).


Wie im Ahnen-Cult der Chinesen handelte es sich auch
am Heerde der Griechen und Römer (im πατριάζειν oder
parentare) um Vorfahren, die unter begünstigten Verhält-
nissen zu Heroen aufsteigen*) mochten (gleich siamesischen
Chao) oder weiteren Deificationen, obwohl in der Zwischen-
zeit gewöhnlich (nach Uebergang der Societas in Civitas)
der Staatscult Auswahl genug bot, für jede Art Bedürfnisse.


Wie Buseliden von Buselos (Claudier von Clausus, Cloelier
von Cloelus) von Eumolpos stammend, wandten sich die Eumol-
piden noch im Besondern der Demeter von Eleusis zu oder
die Butaden (des Butes) ihrer Athena auf der Burg (dann
Nautii ihrer Minerva, Potitii dem Hercules u. s. w.), indem
die Gestalten physischer oder politischer Götter unter den
[33] ἑστιοῦχοι oder ἑφεστιοι eingeführt wurden. Bei den Zulu hat
jede Familie und jeder Stamm einen Ahn, neben dem Ahn des
ganzen Geschlechts, des Ukulunkulu (Ururgrossvater) aus
einem Rohr entstanden (s. Callaway) neben der Frau Uth-
langa (Schössling).


Im Allgemeinen reicht das genealogische Band im Privat-
kult von der Familie etwa bis zur Phratrie, während es sich
darüber hinaus dann nicht mehr festhalten lässt, und in
Polynesien reisst es bei den Atua fanau po ab, als Atua-
faka-Bolotu in Tonga mit den mythischen Wanderungen ver-
knüpft, und so in andere Vorstellungskreise überleitend.


Der polynesische Todtencult indessen, obwohl Gebete
an den Gräbern gesprochen werden (freilich zur Abwehr
nur von Krankheiten), kann sich (von einigen abortiven Ver-
suchen in Häuptlingsgeschlechtern, und formlosen Idolen, ab-
gesehen) nie zu eigentlichen Deificirungen entwickeln, da
dem ursprünglichen System nach die Seele (wie im Reinga
der Maori) mit jeder tieferen Stufe an Kraft verliert und
sich endlich in Gestank*) (im Meto des Reinga) auflöst,
also keine Kraft für wirksame Hülfe (höchstens die Fähig-
keit zu gelegentlichem Entschlüpfen, um Unheil zu stiften)
besitzen kann (wie ja in Griechenland ebensowenig, wenn
nicht als Halbgott nach oben**) erhoben und durch Theil-
nahme am Unsterblichkeitstrank bevollmächtigt). Die Ver-
ehrung ging also zurück (auch die individuelle, wie im
Bastian, Völkergedanke. 3
[34] indianischen Totem gleichfalls) bis auf den mythischen Ahn-
herrn im Thier, und in Thierform erscheint daher der Atua-
fale sowohl, wie der Districtsgott (mit seinem Tattoo oder
Wappen), während in der classischen Zeit auch bei den
Grossen Göttern die heiligen Thiere als Symbole verblieben.


Im Volksglauben hat sich noch die wahrsagende Kraft
der Thiere*) erhalten (beim Hund, als Todtenreder, beim
Kuckuck, Storch, Hahn u. s. w.), aber der frühere Thier-
Cultus, der sich von Aegypten aus durch ganz Afrika re-
flectirt (während er in Indien zu den halbthierischen Formen
der Avataren entstellt ist), war am Mittelmeer bereits er-
blichen, als die dortigen Volksstämme in die Geschichte
eintraten, und mit letzten Resten (wie in den Sagen von
Io u. s. w.) bald von mythologisirenden Dichtungen verflüchtigt,
oder reducirte auf den Namen (s. Varro) ab utroque pecore
(Porcius, Ovilius, Caprilius oder Equitius, Taurus). Dagegen
finden wir wieder weiter im Binnenlande die Thiere in Tempel-
hainen (publice aluntur), der Pferde praesagia ac monitus (bei
Tacitus), und später noch bis an den Strand der Ostsee bei
den Preussen (bei Lutizer, Rugier, Liven) und die Pferde-
köpfe auf den Bauernhäusern mögen „mit dem heidnischen
Glauben zusammenhängen“ (Grimm). Die Celten schworen
beim Stier (s. Plutarch) und der persische Urstier (mit
Gayomert erschaffen) führt auf scandinavische Audhumbla
(und ihr Wiederschein in heiliger Kuh der Brahmanen),
während dem „Heiligbär“ mit ostasiatischen Reminiscenzen
der Fuchs als (japanischer) Reineke zur Seite steht, und (von
gegenseitiger Küste, von Koloschen, herüber) der Fenris-Wolf
[35] weit in Wehrwölfen schweift. Dazu kommen dann Vögel in
Zahl, und die Schlangen wie überall.


Im Allgemeinen stehen die hochfliegenden Vögel in
directer Beziehung zu Himmelsgöttern, und entziehen sich
menschlicher Sorge, die sich dagegen den nähern zuwendet,
und auf Samoa das Tödten der (wie in Babylon einst, bei
den Mandan unverletzlichen) Tauben, zum Besten der Häupt-
linge, verbietet. Wer eine sterzmeise fahet, der ist umb leib
und guet und unsers herrn ungnad. Wie auch: „Wer da
fehet ein bermeisen“ (in den Weisthümern) und „wer eine
kolmeise fienge“, wird mit höchster „Busse“ (s. Grimm) be-
straft. Bei den Letten heisst der Wahrsager Schlneeks
(von sihle, Meise oder Zaunkönig gleich dem Papagei Ha-
waiki’s).


Die Langobarden verehrten Viperae simulaerum, und
den Unken giebt man „Kuhmilch zu saufen“, wenn mit
Goldkronen einer Schlangenkönigin (in Immeneich). Das
Weibchen des Schröter erscheint in Böhmen als Babka
(Grossmütterchen) und der Sonnenkäfer in seinem Namen.


In Uebertragung der Kobong auf umfangreichere Ver-
hältnisse ergeben sich bei Bulgaren (s. Schafarik) der Türke
als Schlange, der Russe als Fischotter, der Litauer als Auer-
ochse (Tur), der Bulgare als Stier (Bulgarin byk), der Serbe
als Wolf. Neben Adler und Wolf führten die Römer den
Mannstier in den Feldzeichen. Wie die Könige Abyssiniens von
urweltlicher Schlange, stammen*) die Ashantie vom Schlangen-
mensch, Bore, und in Indien blicken Naga überall hervor.


Während der Atua, der, wenn böswillig gesinnt, in Thier-
gestalt in den Körper eingeht, um Krankheiten zu erregen,
auch die Seele verschlingt, liegt der Thiergestalt des Wiesels**)
3*
[36] oder der Maus, worin die Seele (bei den Longobarden) aus dem
Munde des Träumenden hervorgeht, die Beschützung schon
zur Selbsterhaltung nahe. An einen derartig (nicht nur be-
rathend) begleitenden Dämon als Haltia der Seele, sondern
als diese selbst gewissermaassen, würde dann die unbedingte
Hergabe folgen, in geweihter Uebereinkunft, als unauflöslich
verbunden.


In der mystischen Verknüpfung mit einem Natur-Object
aus nächster Umgebung (nach Art des Fetisch, subjectiv oder
objectiv, zum neuen Abgleich gewonnen) liegt vorerst das
eigentlich religiöse Element, während die grossen Natur-
erscheinungen nur die durch aufragende Geister in ihnen er-
kannten (in poetischen Schilderungen vielgestaltig ver-
schönerten) Gottheiten den kleinen Mann kalt lassen, so
lange sie nicht zu ἑστιούχοι geworden, und sich so an Ort
und Stelle nützlich beweisen, besonders mit den in ihrer
specifischen Natur liegenden Influenzen, so dass sich Local-
formen gewinnen (wie für Athene, Hera, Apollo u. s. w.)
oder Herbeiziehung der in der Pracht des olympischen Hof-
staates Aufgewachsenen für die Dienste des Feldbaues*),
wo einem Stercutius oder (bei St. Augustin) Sterces keine
Prüdereien erlaubt sein konnten, und der Λικμητής oder
Λικνίτης (s. Klausen) die Hände zu rühren hatte, wie
Pilumnus oder andere „Dreschdämone“.


Dass während bei passivem Verhalten für den Fetisch
ein Stein oder Klotz genügen mag, bei activer Thätigkeit,
wo auch selbstständig actives Eingreifen erforderlich werden
könnte (wie in den vielfachen Gefahren des Jägerlebens), eine
**)
[37] thierische Form des Schutzgeistes (gleich den lappischen
Saivathieren) wird vorgezogen werden, ist psychologisch
begreiflich genug und nebenher thatsächlich überall con-
statirt*).


Nach Plinius sterben die Frösche im Winter, um im
Frühjahr wieder aufzuleben, und konnten so (gleich häutenden
Schlangen am Orinoco) zum Bild der Unsterblichkeit dienen,
wie der Mond (bei Hottentotten, Eskimo u. s. w.). Im
Rigveda wird Indu (der Mond) durch das Gequiek der
Frösche herabgezogen, um mit Indra über den Regen zu
verhandeln (s. Gubernatis). Unter Emblemen findet sich
(1591) der Frosch unter der Umschrift: spes alterae vitae
(s. Friedreich). In Lykien und Aegypten (mit der Lebens-
mutter als Hek) diente der Frosch als Sinnbild des Früh-
lings, wogegen (in der Altmark) giftige Pilze als Poggen-
stühle.


Die bei den Amakosa als Schlangen, kommen bei den
Maori die Seelen der Vorfahren (auch um Vergehen zu
strafen) als Eidechsen zurück. Als Verwandlung des Aska-
balos durch Demeter, war die Eidechse Göttern und Menschen
verhasst (μεμίσηται).


Indem die heidnischen Priester in den Eingeweiden der
Bauchhöhle die Zeichen der Divination abgeprägt fanden,
so ergab sich daraus, in der Beziehung zur Astrologie
(s. Onosander) und als deren Ausdruck aufgefasst, der Mikro-
kosmus, den die Philosophen dann im Gehirn, dem Inhalt
des Schädels, suchten, unter späterer Zustimmung der Phy-
siologie. Nach Plato war vor Allem die Leber der Spiegel
göttlicher Betrachtung, und so sollte sie, so oft wieder-
wachsend, in Prometheus zerstört werden, ehe der ihm be-
[38] kannt gewordene Geheimbeschluss Zeus’ den Menschen ver-
rathen sei.


Der Ahnencultus*) gliedert sich in seiner Abhängigkeit
von den eschatologischen Vorstellungen und zunächst dem
Schicksal der Seele nach dem Tode. Wenn bei Maori die
Wairua mit jedem weiten Absteig in Reinga schwächer und
ohnmächtiger werden, verlieren sie damit auch mehr und
mehr die Macht, den Hinterbliebenen sich hülfreich zu be-
weisen, sie als Atua mit schützendem „Schatten“ zu überdecken,
wie auch bei den Zulu (s. Callaway) der Todte schattenlos
erscheint.


Auf Samoa folgen die durch das Tafa genannte Thor
in die Unterwelt eingetretenen Seelen, dort (gleich dem
ἀριστῆες) den Beschäftigungen des Pflanzen und Fischen
bei Tage, zerstreuen sich aber bei Nacht in Feuerfunken,
um auf der Erde durch die Luft zu sprühen, und sind
dann, weil als Krankheitsbringer gefährlich (wie die von den
Abiponern in den „Lokal“ gefürchteten Todtenseelen), in guter
Stimmung zu halten.


Unter solchen Verhältnissen reducirt sich der Cultus
der Manen (als Penaten) auf eine Sühnung derselben, um sie
unschädlich zu machen, und erst wenn der Lar (durch mytho-
logische Verknüpfung mit dem Himmel) zum Heros gewor-
den, vermag er thatkräftige Unterstützung zu gewähren, wie
dem Schamanen seine Ahnengeister, die er in Beschwörungen
anruft (oder inspirirende Seelen der Egi aus Bolotu in Tonga).


[39]

Die Gebete Elia’s (um Feuer am Himmel) wurden
erst erhört, als er der Todten*) erwähnte (heisst es in
Schemoth rabba). Bei den Brahmanen und anderen Priester-
genossenschaften wird die heilige Kraft durch die Weihe
übertragen, obwohl sie sich indess auch erblich**) fort-
pflanzen kann.


Die Buddhistischen Staaten erhalten sich im Wohlsein
durch das Speisen der Mönchsbrüderschaft in heiliger Sangha
innerhalb der Trias, und der Dahingegangene, Tathagata, er-
hält die Welt durch seine moralische Kräfte bis zur Erneue-
rung des Dharma in neuer Kalpe. Die Gerechten eines
Zeitalter’s treten für die Erhaltung ihres Geschlecht’s ein
(nach Bereschith rabba) und „Abraham erhält durch sein
Verdienst die Welt“ (s. F. Weber). Wenn die Sonne eines
[40] Gerechten untergeht, geht die Sonne*) eines andern auf“
(in Nacheinanderfolge). Von solchen Gerechten (wie R. Cha-
nina) liess es sich dann mit den Worten des Kaisers Antoninus
(in Aboda sara) sagen, dass es „ein Kleines ist, Todte zu
erwecken“ (s. F. Weber). Wie für Baal, bedurfte es in
Nukahiva einer Erweckung der Götter durch die Priester,
erst der Ru’s (Gott des Morgens), dann Tane’s, Tau’s,
Tuaratao’s u. s. w. Sie sind also weniger zuverlässig, als
die Gerechten, die (von selbst) früh aufstehen, um betend
für die Bedürfnisse der Gemeinde zu sorgen (nach Perikta).


Im Grunde wissen die Späteren über die ἀπαλλαγή τοῦ
βίου (ἡ τοῦ βίου καταστροφή) keinen Deut mehr, als früheste
Vorfahren, und keinen Deut besser, als die rohesten Wilden.
Alles, was wir leben, fühlen und sind, im warmen Körper-
blut des Daseins, muss dahin, der Vernichtung verfallend,
in unabänderlicher Nothwendigkeit, ob auch für eine Zeitfrist
(nach Abschweben der ψυχη) in den σκιαι gedacht (als
ἰδωλα, oder Abbilder), über deren schliesslichen Verbleib es
dem Griechen nicht der Mühe gelohnt zu haben scheint im
[41] Einzelnen weiter fort zu denken), während der Maori die
mehr und mehr entkräfteten *) καμοντες, unter dem Herab-
sinken im Reinga, schliesslich wieder zu dem Wurm redu-
cirte, aus dem auch schon der Erste Mensch als entstanden
gedacht werden konnte (im Teaka Mangaia’s).


Diese Auffassungsweise wird durch die classischen Bei-
spiele allzusehr, als die durchgehende des Durschnittsmen-
schen documentirt, um für Prasat und sonstige Palläste, die
hier und da angetroffen werden, eine andere Geltung zuzu-
lassen, als sie für Zufügungen subjectiver Ausnahmsfälle ein-
geräumt werden kann.


Und über solche Auffassung ist man auch heute im
Durchschnitt nicht hinaus, von denen abgesehen, die sich in
den Himmeln der einen oder anderen Offenbarungsreligion ihre
privilegirten Plätze reservirt haben. Und über diese Auf-
fassung würde sich auch überhaupt niemals herausgelangen
lassen, da unser auf die irdische Menschen-Organisation
begründetes Denken im Denken von dem Nichtsein das
Kunststück des Selbstverschlucken’s vorher zu lernen hätte.
Vom Jenseits kein Gedanke, so wenig wie von der Negation
des Nirwana. Die Gedanken führen nur bis zum Tode, um
dort in Nacht zu erlöschen, ein βίος ἀβίωτος, wie es nicht
Chrysostomos allein erschienen.


Der Unterschied nun aber liegt in jener harmonischen
Weltanschauung, die uns die Inductionswissenschaften vor
Augen geführt haben, in jenem Kosmos, wo aus dem Ent-
standenen nichts vergeht, wo es zwar Verwandlungen, aber
keine Vernichtungen giebt, wo also jeder der schöpferisch-
zeugenden Gedanken weiter zeugen wird, jenseits jener Nacht,
die irdischen Augen dunkel erscheint, in Folge blendendster
Helle. Während so bei den Griechen die Psyche mit den
Winden verwehte, bei den Maori die letzte Zuckung mit
[42] dem Wurm*) erstirbt, lebt der denkende Geist auch hienieden
bereits in jenen transcendentalen Welten ewiger Unendlichkeit,
die er zu ahnen befähigt, und so im Sehnsuchts-Streben auch
zu erweisen vermag, als neue Heimath des eigenen Selbst.


Das εἴδωλον ist der von dem σῶμα (als Leichnam) in
die Unterwelt geworfene Schatten, jetzt dort (wie früher der
Leib) die ψυχή einschliessend (und dieser beim Herunter-
steigen angebildet), während Heracles als αὐτός (leib-
haftiger) unter den Göttern weilt, und Menelaos (neben
Rhadamanthys) die Unsterblichkeit in den elysäischen Feldern
geniesst, in Hades dagegen, wo Minos sein Richtamt unter
den Todten (bei Homer) und über sie (bei Pindar) fortsetzt,
Teiresias durch die φρένες **) ἔμπεδοι zur Erkennung des
Odysseus befähigt wird, schon vor dem Bluttrinken, dessen
auch Elpenor (weil sein Körper noch nicht verbrannt ist)
nicht bedarf, um mit ihm zu sprechen. Die aristokratischen
Egi-Seelen Tonga’s kehrten zum Hofstaat ihres Ahnengottes
in Bolotu zurück, also zur Heimath, von der sie ausgefahren.
Der Negersklave erhängt sich in solcher Hoffnung.


Indem der Indianer von seinem Lebenstraum***) ein
Geheimniss für mysteriöse Entwickelung auf die Natur ge-
wonnen hat, kann er dieses individuelle Eigenthum auch im
[43] Kauf*) oder Tausch verwerthen, wie im Handel über ihre
zauberkräftigen Reliquien (s. Kohl) die Häuptlinge Kiguasch
und Schinguakonse.


Je mehr solcher unter dem Schütteln der Schischiguas
oder Ratteln zu murmelnder Liedformeln ein Priesterarzt fähig
ist, um so höher steht er in Ansehen und Macht, so dass
sich die Grade in diesen auf das Mysteriöse selbst gegrün-
deten Mysterien spontan ergeben, und ebenso die Weiter-
führung zu solchen Orden, wie (bei den Odjibbewä) die
Midewiwin (La Grande Medicine) die Mideh genannten Mit-
glieder im Midewi-gamig (Medicinhaus oder Tempel) verbindet.


Die Grundidee liegt darin, sich durch gegenseitigen
Austausch der individuell gewonnenen Special-Mächte mit-
einander zu stärken, indem eben jeder Einzelne die Stärke
der Gesammtheit (die Totalsumme der verschiedenen Einzeln-
heiten) gewinnt, so dass sich in dieser freundschaftlichen
Hülfsunterstützung alle Mitglieder des Bundes als Verwandte
bezeichnen.


Wenn bei dem unter Trommelschlag gefeierten Fest
Aufnahme stattfindet, lässt jeder der Eingeweihten seinen aus
dem Fell des heiligen Thieres gefertigten Pindjigossan (Me-
dicinsack) in seiner vollen Influenz ausströmen, die bis zum
betäubenden Niederschlagen wirken muss, um dann beim
Wiedererwecken gewissermaassen mit neuem Geist zu durch-
strömen.


Solche Ceremonien stehen unter dem Schutze**) des
[44] dafür angerufenen Kitsche-manitu, wärend der Matchi-manitu
durch einen Schlussstein in der Erde festgehalten wird, bis
sich jeder mit dem unter Zuckungen ausgebrochenen Bösen
(in Muschelform) gereinigt hat.


Wie meist bei der Aufnahme in die Geheimorden findet
oft auch bei der Pubertätsweihe (in den Quimbe Loango’s
und im Belli-Paro, wie bei den Alfuren Ceram’s u. s. w.)
eine regenerirende Wiedergeburt statt und auch qualvolle
Prüfungen fehlen nicht, weder bei Mandan noch in Australien.
Daraus, je nach der Ertragungsfähigkeit, ergeben sich Stufen-
grade (vom Waubeno an), wie bei Mithra’s Löwen,
Raben u. s. w.


Die von den Brahmanen durch das Tragen der Janeo
bekundete Wiedergeburt (in Australien die Reinigung bis
auf die Eingeweide ausdehnend) wurde bei den Eskimo durch
das Verschlungenwerden im Seeungeheuer erreicht, das den
prophetischen Jonas dann wieder ausspie.


Wenn bei den Dacota (s. Pond) das prophetische Be-
wusstsein erwacht, fluthet, von den vier Winden getragen,
die beflügelte Seele bei den verschiedenen Naturbeseelungen
umher, ihre Geheimnisse zu lernen, und besitzt dann die
Fähigkeit, sich viermal, zur Offenbarung der erworbenen
Kräfte, einzukörpern, um dann (gleichsam nach Verbrauch
derselben) in ein Nirwana*) zu verschwinden**).


Indem der Mensch um sich herum die Schöpfung
walten sieht, in Entfaltung von Kräften, welche die seinen
[45] übersteigen oder von diesen nicht erreichbar sind, so fühlt
er sich (in subjectiver Umdunkelung seine Gleichstellung
mit dem Uebrigen vergessend) von Staunen und Bewunderung
ergriffen, so dass wenn in dem zu Exaltation (durch Fasten*))
und Kasteiung) gesteigerten Träumen das Lebensgeheimniss
(in conventionell mythologischer Umgebung) erschaut wird,
sich dasselbe für individuelle Bestimmung in einen Natur-
gegenstand manifestirt, und meistens (bei den auf Jagd hin-
gewiesenen Indianer) unter den, besonders die Aufmerksam-
keit auf sich ziehenden, Thiere (obwohl auch als Pflanzen,
Steine oder andere Objecte).


Die Abiponer über die Schöpfung befragt, konnten
Nichts darüber berichten, da keiner**) dabei gewesen, und
da sie sich im Leben fühlten, meinten sie den Tod von
rechtswegen negiren zu dürfen, so dass selbst wenn Jemand
stirbt, von Wunden bedeckt (wie Dobrizkoffer bemerkt),
dies doch immer die Folge eines feindlichbösen Zauber’s***)
ist. Dies feindlich Böse ist stets drohend, und nahe
[46] umher*), wie der Fetisch in Afrika, wogegen dort Njan-
cupong oben im Himmel zu weit entfernt ist, um Gebete
zu hören, oder sich dadurch auch nicht in seiner Gemüth-
lichkeit stören lassen würde, gleich epicuräischen Göttern.


Doch wurden trotzdem noachische und andere Gebote
geachtet, unter Zufügung des Verbotes der Lüge, am
schärfsten verpönt, wie z. B. in Senegambien (s. Mungo Pork),
bei Veddahs als „proverbially truthful“ (s. Bayley) und sonst
vielfach. Many of the natives of Tonga **) think, that the
pleasurable feeling accompanying virtuous actions is a quite
sufficient motive for their performance, apart from all thought
of future reward (Mariner).


Indem Kitschi-Manito (bei den Odjibwä) am Seestrande
wandelnd, die (nicht von ihm erzeugte, sondern) am Wege
vorgefundene Wurzel pflanzt, zum Schaffen der Bäume und
für den ihm bereits entgegentretenden Schuppenmensch nur
eine Frau auf der Insel hinzubildet, beschränkt sich seine
Thätigkeit auf weitere Organisirung, ähnlich wie bei zweiter
Schöpfung die Menaboschu’s, dem als Prototyp des land-
bewohnenden Menschen ein feindlicher Gegensatz aus dem
Wasser (in Schildkröten***) und Schlangen repräsentirt)
[47] gegenübersteht, dann in die Allgemeinheit des bösen Prin-
cipes, als Matchi-maniton, verlaufend.


Um vor seinem das gesammte All mehr und mehr
durchdringenden Gifteinfluss zu schützen, baut Menaboshu*)
(auf des Grossen Geistes Geheiss) den (einem vorweltlichen
Steinhaus der Jakuten entsprechenden) Schutzwall des Wakin
oder Wakwi genannten Paradieses für den Menschen (wie
Jemshid bei Eraniern), und ebenso wird der gnädigen Güte
Kitschi-manitu’s für Zusendung der in den Medä gewährten
Heilgeschenken gedankt.


Ueber die ursprünglichen Wasser fliegen Tauben (bei
den Muscogee), bis sie einen umherfluthenden Strohhalm er-
spähen und sich darauf niederlassen, als erster Ansatzpunkt
für die zu bildende Erde. Zur Wiederherstellung dagegen,
nachdem in der Fluth die erste Weltperiode untergegangen,
erhält für die zweite Michabo (der Algonkin) von der Wasser-
ratte das Körnchen**) Erde heraufgebracht, woraus das Land
dann gebildet wird.


***)


[48]

Die bannende Kraft*) der Zaubersprüche (als Karakia
bei den Maori) wandelt sich zum Gebet, und schon der
Indianer verbindet den in die Worte gelegten Wunsch (die
Natur zu beeinflussen oder selbst zu zwingen) mit der ihm
offenbarten Schutzgottheit zur volleren Kraft, wie sie dem in
der Gesetzeserfüllung**) Vollkommen gewährt werden muss.


Um den Menschen zum Gegenstand des Studiums zu
machen, müssen wir ihn zuvor kennen gelernt haben, und
zwar seinem besten Theile nach, dem geistigen. Bisher war
uns nur ein Bruchtheil des menschlichen Denkens bekannt,
aus derjenigen Gesichtsentwickelung, welche direct oder indirect,
im engen oder weitesten Kreise, wir selbst angehören. Jetzt
haben wir die Schöpfungen des Menschengeistes in all’ seinen
Wandlungen über den Globus vor uns, und erst nach ihrer
allseitigen Erforschung wird die erste Grundlage für ver-
gleichende Betrachtung gewonnen sein (unter gleichzeitiger
Aufhellung archaistisch verdunkelter Ueberlebsel). Welch
mannigfache Umgestaltungen hier zu erfolgen haben werden,
lässt sich bereits aus dem neuen Aufschlusse über die Ver-
hältnisse von Stamm und Familie, im Gegensatz zu bis-
herigen Systemen ersehen, und während wir früher unter
den Wilden einen rohen Aberglauben verschmäheten, finden
wir nun, dass überall über die tiefsten und geheimnissvollen
Fragen des Menschengeistes mit mehr oder weniger erfolg-
reicher Geisteskraft (und bei ungestörtem Stillleben unter
**)
[49] relativ günstigen Verhältnissen) gedacht ist, so dass die
Religionsphilosophie unerwartetes Material gewinnt (und
weiterhin die psychologische Betrachtung überhaupt).


Indem auf den Inseln der Südsee, und anderswo unter
gleichartiger Umgebung, die Gedankenbäume in vererbten
Traditionen vieler Generationen ungestört fortwuchsen, ent-
wickelten sie sich zu solchen Waldriesen, wie wir sie botanisch
in Californien oder Australien vorfinden, während sie in unserer
unruhigen Vergangenheit längst zerstört sein würden. So
gross sie sind, so kommen sie allerdings entfernt nicht an
Werth den edlen Fruchtbäumen gleich, die wir gezüchtet,
aber dennoch haben sie für Kenntniss der Naturproductionen
ein eigenartiges Interesse, das in anderer Weise nicht ge-
währt werden könnte. Und Aehnliches gilt für die Natur-
stämme im Vergleich zu den Culturvölkern.


Gestaltungen, die einer jahrhundertjährigen Entwickelung
bedürfen, können selbstverständlich nicht da erwartet werden,
wo die Entwickelung nicht bis zu solcher Dauer zu gelangen
vermag, und werden ohne dafür gegebene Bedingungen nicht
hervorgerufen werden können, (wenn auch vielleicht unter
künstlichen Mitteln etwas früher gezeitigt, doch nie nach dem
Bedürfniss des Augenblicks). Insofern schlossen die polynesi-
schen Vorstellungskreise wunderbar eigenartige Geistespro-
ductionen ein, die sich in gleicher Weise auf der Erde nie
wiederholen werden. Auch die Indianer Amerika’s sind
ihrer Naturanlage nach zu tiefsinnigen Mythen und Betrach-
tungen geneigt. Aber bei ihnen war das unruhige Wander-
leben fester Durchbildung von Schulen hinderlich, und ihre
religiösen Bedürfnisse schöpfen in der Hauptsache aus dem
individuellen Lebenstraum, obwohl dann auch hier manchmal
Geheimnisse erlangt werden, die der Eigenthümer hoch genug
im Werthe schätzt, um sie theuer zu verkaufen oder wenig-
stens für sich selbst unter hohem Preis zu valuiren.


Auf den engen Inseln Polynesiens dagegen concentrirte
sich das Denken im gegenseitigen Austausch innerhalb des
Bastian, Völkergedanke. 4
[50] um einen lebenden Atua zusammengezogenen Schülerkreis, dort
in abgeschlossener Einsamkeit wurden die gewonnenen Schluss-
resultate zu fernerer Verdichtung der nächsten Generation über-
geben, und so bei der dem Unbegrenzten entgegenstrebenden
Entwickelungsfähigkeit des Geistes zu beständig neuer Aus-
dehnung des Gefeder in der Denkspirale hinaufgedrängt
Indem Zeit und Gelegenheit gegeben war, höhere Alters-
stufen zu erreichen, konnten die diesen adäquaten Manifesta-
tionen zur Entfaltung gelangen, während sie (wie an sich
verständlich) mit jüngerer Lebensdauer abschliessenden Volks-
geistern versagt bleiben mussten.


Wenn solche in meditirender Beschaulichkeit gereifte
Früchte durch einen aus esoterischer Kaste (die sie mit dem
accumulirten Gemeingut vorangegangener Generationen er-
nährt hatte) hervortretenden Propheten dem Volke dann zum
allgemeinen Mitgenuss überlassen, wurde sein Name dankbar
mit den Schätzen der Religionslehren verknüpft, die von ihm
gespendet.


Das erste, was den Naturmenschen im Denken interessirt,
ist bei der Gebrechlichkeit des Körpers, für die daraus fol-
genden Leiden, die Ursache des Uebels auszufinden, und
deshalb entweder in den allgemein verbreiteten Reinigungs-
festen auszutreiben oder wie der (kühne) Zauber der Pampa
(statt gleich dem Fetizero durch nachgesuchte Vermittelung
Hülfe und Schonung zu erlangen) den Dämon Gualicho
im Ringkampf (combate con el demonio) zu besiegen, bis zum
Hörbarwerden der Voz chillona y dolorida como imitando
la de un espiritu, que ha sido vencido (s. Barbara), und die
(unter dem Gegensatz des bösen Sasabonsam zum Sofo oder
Priester bei den Odschi) dadurch eingeleitete Vorstellung
des Uebels findet dann weiter moralisch ihre Durchbildung.


Für die Herkunft der Dinge oder Schöpfung, wenn sie
überhaupt in die Gedanken kommt (da man eigentlich, weil
Niemand dabei gewesen, nichts davon wissen könne, nach
Ansicht der Californier), so bieten sich (von einem unbestimmten
[51] Princip, wie Souchy bei den Pampas abgesehen) am nächsten
Himmel und Erde, in Rangi und Papa (Polynesien’s) oder
Uranos und Gaea, und je nach der über die Trennung ge-
bildeten Mythen, mag dann der Himmel mit Erhellung der
Urmächte oder Po, vor den jüngeren Gottheiten (die Atua a
te ra) später zurücktreten, oder als Wohnsitz eines in ver-
schiedener Form (auch vielleicht euhemeristisch, wie Fecha
Huentu oder el hombre mas grande y poderoso) betrachteten
Wesens aufgefasst werden, das indess, gleich Njankupong
zu weit entfernt sein wird, Gebete zu hören, oder sich um
diese, die seine Gemüthlichkeit stören würden, zu kümmern,
wenn nicht etwa, wie bei Samojeden und sonst in Avataren
niedersteigend.


Die directesten und lebendigsten Fragen werden dann
in der Lebensfrage selbst gestellt, in Betreff der Fraglich-
keit dieser, indem unter den Gefahren aus der umdrängenden
Welt die abgeschiedenen Seelen und ihre (ausser bei her-
vorragend bewahrten Ahnen) meist feindlichen Dispositionen,
der Tod in steter Erinnerung bleibt, obwohl er eigentlich
nicht sein sollte, wenn nicht die Schwarzkünstler da wären,
(wie die Abiponer meinten), so dass diese überall vogelfrei
sind, sofern nicht gerade, in dieser Furcht vor ihnen, die
Stärkeren. Ein fortwirkender Gedankengang dagegen rollt
bis zum ersten Menschen zurück, der durch irgend eine
Schuld den anfangs allen Wünschen entsprechenden Zustand
in den unseligen der actuellen Existenz verbrochen, und hier
bietet sich für Variationen der Mythen ein weites Feld, von
Indianern bis Persern mit manichäischem Urmensch, oder
dann, gleich diesem mit dem feindlichen Gegensatz berührten
Gayomart, sowie mit Yima oder Yama, und in weiteren
Anreihungen.


Mit diesem Ersten und Frühesten im Menschengeschlecht
verbinden sich dann auch leicht alle diejenigen Vorstellungs-
erscheinungen in der Natur, die als teleologisch gefärbt,
gern auf bewusste Eingriffe bezogen werden, neben der
4*
[52] dafür von selbst gebotenen Kunstfertigkeit menschlicher Er-
findung, und dann spielen solche Dämone ein, wie Maui
(in Oceanien) und Nanabosho (in America), oft zugleich in
Heroengestalten, die, gleich Herakles, Nimrud u. s. w. die
Erde überhaupt für den Menschen erst bewohnbar gemacht,
worauf ihnen von Halbgöttern, nach Art des Prometheus,
weitere Wohlthaten erwiesen werden mögen.


Zuweilen mögen sich diese Eingriffe ausser den Ver-
feinerungen*) der Gestaltungen der Schöpfung ex nihilo,
nicht darauf beschränken (wie bei den Tiki), sondern, wenn
es sich um Auffischen und dergleichen handelt, bis zur
einen oder andern Art secundärer Schöpfung führen.


Die Schöpfung (wenn darauf in priesterlichen Specula-
tionen weiter zurückgegangen wird) erhält (auch in den ersten
Regungen eines Tad) eine psychologische**) Entwickelung
(wie bei den Maori aus Kore***), in abgeschlossener Form
als Brahma’s Wort (im λόγος) gesprochen.


Wichtig ist stets diejenige Kenntniss, die bei der Ernte
günstige Einflüsse zu reguliren vermag, oder Glück zu gewähren
auf Jagd und Fischfang für den Lebensunterhalt, sowie der
Priester, der die Spruchformeln besitzt, nach Wunsch die
Naturerscheinungen zu beherrschen, während diese sonst nur
dem Volkswitz Anlass zu Erzählungen aller Art gewähren,
bald läppischer, bald poetisch angehauchter.


Wenn die Erntegötter segnend nahen, (leicht heran-
schwebend, über die Spitzen der Gräser hin, im alten Mexico),
sind sie in andachtsvoller Stille (auf Fiji) zu empfangen,
[53] unter Ruhen geräuschvoller Arbeit (bei den Nagas), um das
zarte Werk des Gedeihens nicht zu stören, und stets kehren
sie wieder, am äthiopischen Festmahl erfrischt oder aus
dunkler Unterwelt neu zur Luft aufsteigend, immer jung
und immer alt. „Er war nicht Kind und war nicht alt“
(Wold) in Schaumburg-Lippe (beim Erntefest), wie Apollo
als ἀειγεννήτης geehrt wurde, quod semper exoriens gignitur
(s. Macrobius). Jeder der im Cult aufgenommenen Götter
mag auch in der (wichtigsten) Gestalt (henotheistisch gleich-
sam) des Erntespender’s erscheinen, in Polynesien nicht
Rongo*) nur, dem diese Aufgabe am nächsten lag, sondern
auch der sich im Kriege freuende Tu (wie Mars oder Mamars
im arvalischen Liede neben den Lases oder Lares angerufen
wird). So heisst Zeus**) (bei Hesychius) φυτάλμιος (das
[54] Gedeihen der Pflanzen fördernd, als ἐπικάρπιος (auf Euboea)
und ἔνδενδρος (auf Rhodus), und Demeter empfängt Dank
für den Ackerbau und die Gesetze, gleich Hiawatha, im
Mais hervorwachsend und den Irokesen-Bund begründend, wie
Habis (unter den Thieren des Waldes aufgewachsen) den
Ackerbau und die Gesetze feststellt (in Lusitanien).


Das Jahresfest Okeepa (der Mandan) wurde, ausser für
den Mee-ne-ro-ka-ha-sha (the settling down of the waters)
für den Bel-lohk-napick (bull-dance) gefeiert, und zugleich
für die Prüfungen der Pubertätsweihe, eröffnet bei der An-
kunft des Nu-mohk-muck-a-nah (the first*) or only man),
als des allein aus der Fluth der grossen Wasser**) übrig
gebliebenen, zum Eröffnen des Medicin-Tempel’s, der sonst
während des Jahres verschlossen gehalten wurde. Der im
Zickzacklauf herbeikommenden Oke-hee-de (the owl or Evil
Spirit), vor dem Frauen und Kinder flohen, wird durch die
Medicin-Pfeife des Okee-ha-ka-see-ka (conductor of the cere-
monies) festgebannt***) und dann (unter Gelächter) aus dem
Dorf ausgetrieben. Die darauf für den Eeh-ke-nah-ka-na-
pick (the last run) an Fleisch-Einschnitten aufgehängten
**)
[55] Jünglinge wurden herumgedreht, bis zur Ohnmacht (unter
Abschneiden des linken Kleinfinger’s) und dann um die
Arche des „Big Canoe“ geschleppt (wohin der heilige Vogel*)
den Zweig gebracht). Nach Beendigung der Riten folgte
das Fest unter dem Vorsitz der Rah-to-co-puk-chee (the
governing woman) mit geschlechtlichen Orgien (s. Catlin).


Aus den Vorstellungen der Unreinigkeit folgt die Aus-
treibung des Uebels in den durchgehenden Jahresfesten, die
sich dann als der geeignete Beginn heilbringender Ceremonien
erweisen, und sich somit auch nahe mit der im Aufwachsen
der Generationen herantretenden Jünglingsweihe der Knaben
verknüpfen.


Der Jezer hara oder (böse) Sinnestrieb entsteht im
Leibe bereits vor der Geburt (nach Bereschith rabba), wo-
gegen die Seele sich erst nach der Geburt vereinigt. Die
eine Niere räth dem Menschen zum Guten, die andere zum
Bösen (nach Nedarim). Ahriman hat die gesammte Welt
mit seinem Gifte durchdrungen (von dem der Buddhist sich
deshalb abwendet, seit es der Blauhalsige für die Brahmanen
nicht überzuschlucken vermochte), auch den Himmel zum Ein-
dringen durchbohrend (bei Shahristani), wie die Asuren in
den Himmel einbrachen (im Kampf mit den Deva).


Die allgemeinen Reinigungsfeste verknüpfen sich, wie
im mexicanischen Lustrum (des 52 jährigen Cyclus) mit
der Feuerlöschung, so bei Enagismata der Sintier in der,
Hephästos beim Himmesfall aufnehmenden Insel Lemnos, wo-
hin das neue Feuer aus dem auch von Todten (die in Rhenia
begraben wurden) gereinigten Delos gebracht wurden, der
durch den Schlag des Dreizack aus dem Meere aufgestiegen
und dann von Zeus (als Zufluchtsort Latona’s) befestigten
[56] Insel. Erneuert wurde periodisch auch (von der Sonne, wie
in Cuzco) das vestalische Feuer, sonst unverlöschlich erhalten,
gleich dem der Damara, die es sich auf den Wanderungen
von einer Jungfrau vortragen liessen, die Spartaner dagegen
auf dem Feldzug durch die Pyrphoros (vom Altar entnom-
men, worauf der König dem Zeus Agetor geopfert hatte).


Wie in den Upanishad Indiens aus dem Asat*) (Nicht-
sein), entwickelt sich bei den Maori die Welt aus dem Kore
(noch nicht), in erster Ableitung, gleich der auf den in Or-
mazd Geist aufsteigenden Zweifel angeregten, auf den Wegen
buddhistischer Avixa (durch die Nidana).


Aus den Kreisungen unendlicher Po oder Urnächte, tritt
in Oceanien dieser Process in lebendige Wirkung, und so
strahlt der von Tane (beim Hervorblick aus dichter Umhül-
lung der Eltern) aus dem Jenseits erschauter Glanz in die-
jenigen Religionen ein, die einen Ausblick dahin eröffnen.


Bei Damascius bildet Kronos, nachdem er aus dem Chaos
Aether und Erebos geschaffen, das Ei, aus dem Phanes her-
vortritt. Nach dem Midrach Tanchuma hat Jehova durch
Weisheit**) die Erde gegründet, mit der Thora berathend
[57] (s. Jalkut), als präexistirend gedacht, wie der Koran. Im ur-
anfänglich Gedachten*) (τὸ νοητὸν ἅπαν), als τόπος oder
χρόνος, entstand das Gute und das Böse (s. Eudemos) bei
den Magiern, von (akkadischem) „Imga“ (ehrwürdig) abgeleitet.
Bei Orpheus ist die Natur ἀυτοπάτωρ und (wie in der Ge-
heimlehre der Inca) die Sonne in der höchsten ihrer drei
Phasen (als Quelle der Götter in der Gedankenwelt) αὐϑυ-
π΅οστατος oder selbst existirend (im Neu-Platonismus), als
ὁ βασιλεύς τῶν ὄλων (bei Julian).


Im iranischen Vorstellungskreis schieben sich zwei
Schöpfungsmythen durcheinander, die eine an Gajomert an-
geknüpft, die andere an Yima, und bei der Beziehung
dieses zum Lichtreich Ormazd’s (einem höheren civilisirten
Einwanderstamm angehörig), erscheint im Gegensatz Ahri-
man (dessen Repräsentant in Zohak direct wieder von
Gajomert abgeleitet wird) im Dunkel, obwohl (wie es auch
in der ihn unter den Destur verehrenden Secte, gleich denen
der Euchiten bei Psellus, ausgedrückt lag) an eingeborene
Elemente (schon in der Namensform) angeknüpft, in dem
πᾶν τὸ ἄριον γένος (bei Eudemos) mit den Magiern (s. Da-
mascius), wie Maui, als (dunkler) Schöpfergott (Polynesiens)
den Eingeborenen bedeutet (auf den Marquesas mit Anschluss
an Maori), und auf Tonga die Colonisten aus Bolotu ihren
**)
[58] (oft zweifelhaft gefärbten) Götterhimmel neben dem des Insel-
schöpfen bewahrten (im Unterschied vom Volk, dem sich,
als Nachkommen Ham’s, die Franken in ihren Wandersagen
aus mythischem Troja gegenüberstellten). Im Emporblühen
(pua) der Schöpfung (in Hawaii) schiessen die Menschen als
Blätter am Weltenbaume an, und mit einander verwachsen
treten Meschia und Meschiane hervor, unter Rückführung
der Geschlechtsdifferenz auf androgyne Bildung Siva’s, im
doppelgeschlechtlichen Leib (nach Bereschith Rabba).


Zarouam oder Zervan (in Minokhired)*), als die Zeit
(Kala des Atharva-Veda) traf in τυχη (bei Theodoros) das
Geschick (in Avesta) als Bakht (Zuertheilter) oder Bhaga
(Bogu)**), und Ahriman wirkt in den Planeten dem Bhago-
Bhaktem entgegen, während im Felek der von der Bewegung
des Himmelsgewölbes Umschlossene im Gefühl der Ohnmacht
sein Geschick verflucht.


Aus den Cyclen vorweltlicher Nächte beginnt mit Kore,
als erster Differenzirung***), die Entwicklung (bei den Maori)
[59] zu dem aus dem Wananga (heiligen Geheimniss) hervorstrah-
lenden Glorienglanz (Te Ahua), und so bei Menu. Als die
Welt noch in Finsterniss versenkt und unentdeckbar war,
macht (beim Erwachen aus chaotischem Schlummer) Aum
das Elementare anschaulich, seine Herrlichkeit entfaltend,
und in das aus dem Gedankenbeschluss gebildete Nara (des
Geistes oder Nara) oder Wasser die Keime legend, entwickeln
sich diese zum Ei Brahma’s (oder Purucha’s), der in Hälf-
ten theilt (wie bei Bersus), als Himmel und Erde oder (bei
Maori) Rangi und Papa beim Zerfall des Weltenei’s. Der
Demiurg (nachdem Alles vorbereitet) verfertigte τὸν οὐρανὸν
καὶ τήν γῆν (bei den Tyrrheniern), während in Polynesien
den Tii oder Tiki (wie den Maui) die feinere Ausbildung des
aus dem Bythos, als Urgrundes, Hervorgeblühten auferlegt
wird. Auch dort aber werden Tane und seine Brüder von
Himmel und Erde in ehelicher Umschlingung gezeugt, Djaus-
pitar und Prithivi-matar (in den Vedas). Nachdem die Eltern
durch die rebellischen Kinder zerrissen, steigen Papa’s Seufzer
in den Nebeln empor, während Rangi’s Thränen herabfallen
im Thau. Am Orinoco ist der Thau das Gespucke der Sterne,
und nach Einiger Ansicht im Archipelagos nehmen die Stern-
schnuppen beim Hinausfahren nicht die Richtung nach der
Nase, sondern eher umgekehrt. Dagegen gelten sie auch
als die leuchtend dahinfahrenden Seelen berühmter Häupt-
linge, und neugeborene Kinder wieder als Götterdreck, eine
natürliche Folge des Seelenfressen’s bei den Atua (die man
mit dewa und deus auf glänzende Wurzel zurückzuführen
versucht).


Bis dahin waren in der Ethnologie nur ganz allgemeine
Anschauungen gegeben, aus der Ferne gesehen, gleich den
Planeten etwa, über welche man sich mit den Bewegungs-
und Schweregesetzen, wie astronomisch berechenbar, zu be-
gnügen hatte. Wie aber, nachdem auf dem Mond Berge
erkannt, selbst auf dem Mars Schnee schon schimmert, sich
damit unübersehbar neue Arbeitsfelder für weiteres Detail
[60] öffnen, so in der Ethnologie, seit wir den fernen Stämmen,
in der Phänomenologie des Menschengeschlechtes auf dem
Erdball, näher getreten sind, und in Einzelnheiten blicken.


Noch immer indess erkennen wir sie kaum erst durch
das Telescop, und so macht sich oft ein Missverhältniss
fühlbar in der Forschungsmethode, wenn wir die ethnologi-
schen Ergebnisse gleichzeitig mit denjenigen behandeln sollen,
die aus unseren geschichtlichen oder vorgeschichtlichen
Forschungen erst mit der Lupe gewonnen sind.


Seit Götter und Menschen in Sicyon mit einander ge-
rechtet*), ist stets und überall der Rechtsstreit geblieben über
das, was diesen oder was jenen gehöre.


In Oceanien scheidet sich die ganze Natur in moa und
noa, und was immer von Einem der Tabuirten (die als Atua
unmerklich in die Götter übergehen) berührt ist, wird damit
sein Eigenthum**), wenn selbst nur von seinem Schatten
getroffen.


Im gesitteten Rom dagegen bedurfte es erst der gesetz-
lichen Einwilligung, denn so „Gallus Aelius ait: sacrum
esse, quodcunque more atque instituto civitatis consecratum
sit“ (s. Festus), und das zu Homer’s Zeit den damals, als
Halbheroen über die Volksheerde hervorstehenden Fürsten,
als Krongut, zum privaten Besitz zukommenden Temenos
wurde, nach der demokratischen Reaction des späteren
Griechenland’s nur dem ναος gelassen, der Behausung eines
Gottes, also Eines der dii certi wenigstens, wie sich mit
[61] Varro sagen liesse, oder eher der dii selecti in römischer
Auswahl aus der turba minutorum deorum oder turba quasi
plebejorum deorum (s. Aug.), als „Numa deos per familias
descripsit“ (s. Lact.).


Sacra begriff die gottesdienstlichen Handlungen in einem
sacer locus und sacer dies vollzogen (s. Scheiffele). Sacer-
dos qui sacrum dat (Varro). Cicero unterscheidet die Inter-
pretes futuri und der Ministri sacrorum (unter den Priestern),
wie ähnlich bei Karen und sonst.


Profanum est, quod fani religione non tenetur (s. Festus),
Sacrum (nach Trebatius) quidquid est quod deorum habetur
(s. Macrobius). Der Fluch des „Sacer esto“ schützte, wie
das Anathem die ὰναϑήματα oder die (zur Erfreuung der
Götter) in die ϑήσαυροι der Tempel niedergelegten ἀγάλματα,
unter der Hut der ἐπιμεληταί oder ἐπιγνώμονες im Temenos.


Für solch’ mannigfache und reiche Gaben wurden indess
auch Gegendienste verlangt, und diese hatten die Götter zu
leisten, indem sie die Hut der ihnen (in den res sanctae)
anvertrauten Plätze, vor den Stadtthoren, den Mauern u. s. w.
übernahmen, zum gesicherten Schutz des Gemeinwesen’s.


Was (unter öffentlicher Autorität mit Zuziehung der
Pontifices den Göttern geweiht) sacer gemacht, war damit
dem Privatverkehr entzogen, wogegen sanctus Dinge betraf,
die unter den Schutz der Götter gestellt waren und reli-
giosus sich auf die diis Manibus bezog (s. Rein). Quod per
se religiosum est, non utique sacrum est (s. Festus).


Hier allerdings die Crux der Pontifices (s. Macrobius):
Quid sacrum, quid sanctum, quid religiosum?


Im Gegensatz zu Res profanae werden (quodammodo
divini juris) neben den sanctae unterschieden (bei Gajus):
Res sacrae (quae diis superis consecratae sunt), und reli-
giosae, quae diis Manibus relictae sunt. Als Eigenthum der
unteren Götter war das Ding religiosum, und sacrum, als das
der oberen (aut sacrum aut publicum).


[62]

Die Bindung durch die Religion verwickelt in den von
der Natur (zwischen Ascendenten und Descendenten) ge-
sponnenen Faden*), der in dem (bei Indianern und Indiern)
zuerst Gestorbenen die Nachgeborenen nach sich zieht (am
Leichentuche saugend, wie das Ueberlebsel im Vampyr),
hinunter in jene Unterwelt, aus der, wenn der Mundus patet,
die Miasma der Manen emporsteigen, und so die zur Stillung
des Hunger’s (ceylonischer) Preta**) verpflichteten Hinter-
bliebenen mit all’ jenen Befleckungen treffen, welche (fünf-
jährig, oder einjährig) die Lustrationen (piacula, piamenta,
cerimoniae) oder καϑαρμοι (ἀγνισμοι, ίλασμοι, τελεταί) nöthig
machen, und jene durch alle Continente verbreiteten Reinigungs-
feste, die mit Verjagung***) der Dämone, zur elementaren
Sühne, die Erlöschung des Feuers zu verbinden pflegen, um
καϑαίρειν τὴν πόλιν, wie durch Epimenides nach dem Blutbad
(dem Amanut entstiegen, wie in den, schreckbare Erinnerungen
von Siam bis Ceylon bewahrenden, Epidemie Vesali’s).


[63]

Den Pflichten des Todtencult konnte man sich nicht ent-
ziehen, nicht nur persönlicher Gefahren wegen (weil der in
seinen Rechten geschädigte Abgeschiedene mit Krankheit schla-
gen würde), sondern auch im Hinblick auf allgemeines Bestes.
Einen gentilicischen Cult untergehen zu lassen, war als
nefas gebrandmarkt, denn solcher Verlust traf das Ganze,
durch Ausfall von Verbündeten*), die sonst mit in den Kampf
gezogen wären, wie die streitbaren Vorfahren der Amakosa
(oder Ajax bei den Locrern). Je mehr unsichtbare Mächte
durch lege artis und rite vollzogene Culte in den Dienst
der Stadt gebannt waren, desto klarer war der Gewinn, und
deshalb wurden auch die evocirten Götter heimgebracht, oder
die besiegten, wenn es sein musste, in Ketten. Lag doch
selbst Ares in Ketten zu Sparta, um dort zu bleiben, und
die Athener waren verständig genug der Nike ihre Flügel
zu beschneiden, damit sie nicht fortfliege. Religionem eam,
quae in metu et caerimonia deorum est, appellant pietatem.


Religiosi dies dicuntur tristi omine impeditique (Cicero),
wie die Trauerfesttage. Religiosi dies dicuntur tristi omine,
infames, impeditique, in quibus et res divinas facere et rem
quampiam novam exordiri temperandum est, quos multitudo
imperitorum prave et perperam nefastos appellant (s. Gellius).


So hatte der Mensch diese trübe bedrückende Last
religiöser Verpflichtungen zu übernehmen, und blieb auch
nach der Klärung reinerer Götterverehrung, von ihnen be-
schwert, in den Ueberbleibseln des Aberglaubens. Super-
stitiosi vocantur (von supersto), aut ii qui superstitem me-
moriam defunctorum colunt, aut qui parentibus suis super-
stites colebant imagines eorum domi, tanquam deos Penates
(s. Lact.), in orthodox gerügter Rivalität.


[64]

Im Allgemeinen mochten, gleich den Oromatua in Tahiti,
die aus eigener Verwandtschaft vertrauten Hausgötter im
Hause selbst besorgt werden, Zeus auch als κτησιος, der
Mehrer der Habe, oder als Herkeios (und ἐφέστιος), als
τἔλειος dann, unter den δεοί τἔλειοι (als Ehegötter), da-
neben selbstverständlich der anspruchslose Hermes Strophaios
hinter der Thürangel*), aber in wichtigeren Fällen mochte
es der Hausvater gerathen finden, Einen der ϑυοσκόοι herbei-
zuziehen, wenn er sich nicht mit demjenigen der μάντεις
begnügen wollte, der der Eingeweideschau wegen für die
Opfer doch erforderlich war. Für den Tempelcult bedurfte
es dann des ίερευς, wofür unter den ἀρητῆρες (Beter) Sach-
kenner zu finden waren, um dem jedesmaligen Insassen des
Naos genehm zu sein (und im Adyton oder Megaron der
Cella zugelassen zu werden).


Hier konnte neben den gewöhnlichen Reinigungen (vivo
flumine**), um (beim Gebet) puras ad caelum tollere manus,
dann auch die mit den Vorrechten der Asyle (wie der Athene
Alea in Tegea, in Phlius, Kalauria u. s. w.) verknüpften
geübt werden, soweit sie in der Blutschuld***) gefordert
wurden, oder, da diese manchmal erst den schwarzen Künsten
der ψυχαγωγοί (s. Pausanias) weichen wollte, jedenfalls die
[65] der Seelenleiden, wie Libri patris sacra ad purgationem
animae pertinebant, und häufig auch die Körperkrankheiten
in Verbindung der ἱατρική und μαντική*) mit den Func-
tionen des καταρτής in Heilmittelkenntniss. Eine Kenntniss
freilich, die wie zum heilen und helfen, dann auch zum Schaden

Bastian, Völkergedanke. 5
[66] befähigte, und gross ist deshalb überall der Schrecken vor
den Zauberern*), welche die Patagonier in periodischen
Hetzjagden abzuschlachten suchten (wie anderswo in den
Hexenprocessen verbrannt), ohne Aufhör das Geblase des
Muschelhorn’s in Melanesien, wenn der Nahak brennt.


Dann wird der Obi-Mann gegen seinen schwarzen Bruder
ins Leben gerufen, der weisse Theurge zu Hülfe, obwohl
meistens in der Minderzahl gelassen. Als Wesayo um die
Prinzessinnen freien ging, konnte ihm jede der neun das Uebel
nennen, mit dem sie zu schlagen vermochte, aber eine nur
erwies sich als heilkundig, und obwohl diese dann zur Ge-
mahlin gewählt, folgte die ganze Verwandtschaft nach der
Insel, die seitdem darunter zu seufzen hat. Flüche zu
schleudern auf Alkibiades, schüttelten alle Priester und
Priesterinnen Athen’s ihre blutrothen Gewänder, nur die
eine Priesterin Theano hielt zurück, da sie zum Beten, nicht
zum Fluchen berufen sei.


Die Segnungen machen sich dann fühlbar in den zum
Gedeihen der Ernte erforderlichen Cultushandlungen, obwohl
[67] auch dort nicht immer Alles friedlich*) ohne jeglichen Kampf
verlaufen kann. Und hier lässt sich dann im Mysteriencult
der Saamen für Hoffnungen ausstreuen, die ausser diesen
allegorischen, keinen Boden zum Spriessen gefunden, wenn
nicht in den Mond geflüchtet (bei Eskimo oder Hottentotten
sowohl, wie beim Fijier und vielfach Verwandten).


Die Alles verschlingende Zeit zieht jedes zeitlich Ent-
standene wieder in das Zeitliche hinab, aus dieser monoton
starren Raddrehung eines eisernen Geschickes**) ist kein
Entkommen möglich, das fühlt der Malagasse in seiner
Vintana (s. Ellis), der Perser im Felek, und einst in Bhaga
Zuertheilten. Die Gottheit, die die Welt ausgeathmet, muss
sie beim Einathmen wieder an sich ziehen, und dadurch
war Maui bedroht, als er sich Hinetepe näherte im dunklen
Urgrund Mahakala’s, der (fressenden) Schlange des rauchigen
Hauses (bei Pinto), als Lupanto (a serpe tragadoura do
concavo fundo da casa do fumo, von Tinagogo bekämpft).


5*
[68]

Innerhalb der in der Unterwelt Abgrund öffnenden Höhle,
und selbst in Riesenschlangengeröllen hinabragend, liegt der
greisgraue Ndengei*), halbblind, halbstumm, halbtaub um-
täubt, laut- und bewegungslos, nur die Kinnbacken regend,
um zu essen, zu essen, zu fressen, ohn’ Unterlass, ohne
Ende; und Alles zieht er an sich, hinabtaumelnd in den
Schlund, Alles und Jedes auf der Erde, nicht die Seelen der
Menschen nur, sondern auch die der Thiere und Pflanzen,
ja jedes Werkzeug’s und Hausgeräth’s, wie sie die Fijier
auf den Wellen haben dahinfluthen sehen, zur Nimmer-
wiederkehr. Viconti erklärt Erikapäos (bei Orpheus) von
κάπτειν (auffressen) in Bezug auf Zeus (τῶν πάντων δἔμας
εἷχεν ἑῆ ἐνί γαστέρι κοίλη), als Phanes-Erikapäos**) (bei
Suidas), καί ὁ Ἡρικαπαιο̃ς ἔτερος καταπιών πάντας τοὺς
ϑεούς, ὡς τόν κρόνον (Gesner). Nach Eudemos (bei Damas-
cius) erkannte die orphische Theologie nichts Aelteres an,
als die Nacht (dem Po polynesischer Kosmogonie ent-
sprechend) und das unergründliche Dunkel, τό ἄγνωστον
σκότος, wurde in ägyptischer Kosmogonie (von Asklepiades
und Heraiskos in den alten Büchern der Priester aufgefunden)
als erstes oder Endprincip gesetzt (s. Zoega). In Tartarus,
aus Luft und Nacht gezeugt, bildete sich (wie Te Ao e
teretere noa ana bei den Maori) das Ei***), ein Ei, älter als
[69] die Henne (s. Plutarch), und aus ihm der ωὀγενης, als Phanes
(πρῶτος γαρ ἐφάνϑη) oder Protogonos. Wenn so für be-
ginnende Scheidungen die Schaale „geheim die ungeheure
Zeit umfangend“, zerbricht (wie beim Abwerfen durch Taaroa),
beginnt die Welt in Harmonien zu ordnen.


Aus der Zerstörung das Leben, das deshalb auch (im
Namen schon ausgedrückt) in Siva waltet, dem Vernichter
in der Trimurti, mit dem Lingam als Symbol, und so wird
„Erikapäos, der Vermehrer genannt, mit Priapos und Dio-
nysos“ (chthonischer Wandlungen).


In solcher Schöpferkraft durchdringt*) die Gottheit das
All, aber irdischer Existenz nur ihre Spanne Zeit gewährend,
aus Missverständniss**) freilich wie in Grönland und am
Orinoko gemeint wird, aber ob miss oder nicht, unmissbar
gewiss. Die Seele mag in Wiedergeburten rollen, zu Medita-
tionshimmeln, den Rupehimmeln auf den Megga emporsteigen,
die Essenz der Dinge zu erfassen***), sie mag in der Gottheit
absorbirt werden, in brahmanischer, oder von ihr gefressen†)
[70] werden, in polynesischer Auffassung, stets bleiben die deman-
tenen Kreise ungebrochen, bis etwa ein zum Bodhi Erwachter
sich zum Päan der Befreiung gestimmt fühlt.


In der Meditation, in andauernd fortgesetzter Steigerung
der Denkthätigkeit, unter Abhaltung äusserer Störungen, wird
das Heil angestrebt, bei den Naturvölkern*) zum Halt im
terristrischen Dasein, bei höherer Cultur den höher angeregten
Ahnungen gemäss.


In der innerhalb unserer Geschichtsbewegung durch
vielartig und verworren zusammenströmende Ringe ausein-
andergerissenen Weltanschauung, kann es nur freudig begrüsst
werden, in der Ethnologie Fingerzeige zu gewinnen, um den
Weg zur ursprünglich einfachen Einheit zurückzufinden, damit
dann in den von der Natur begründeten Anfängen aus, die
organische Entwicklung verfolgt werde. Es handelt sich
hier nicht um Reformen, die aus phantasie- und vielleicht
auch ideenreicher Gedankenwelt eines einzelnen Genius ent-
sprungen, in Vorschlag gebracht werden, sondern um Wie-
dergewinnung der elementaren Grundlagen des Denkens,
auf der weiten Basis thatsächlicher Beweisstücke. Um indess
in dieser eigenen Lebensfrage des Geistes, der im „geheimen
Bautrieb“ liegenden Neigung zu Ueberstürzungen vorzubeugen,
um nicht noch diese letzte Hoffnung, die allein nur noch,
könnte man sagen, für Selbsterkenntniss übrig bleibt, muth-
willig zu zerstören, dürfen die langen und mühsamen Um-
[71] wege andauernder Arbeit nicht gescheut werden, und unter
Anerkennung der Unmöglichkeit, der Richtigkeit der Rechnun-
gen, wenn sie allzu sehr beschleunigt werden sollten, sicher
sein zu können, muss die Methode zugegeben werden, der
Grundsatz: dass es vorher des Sammelns von Materialien be-
darf, ehe der Architekt erfolgreich sein Werk beginnen kann,
wenn dies ein dauerndes bleiben soll. Mirum minime id
quidem.


Seinen ursprünglichen Gedanken nach fühlt sich der
Mensch nicht in jener Freiheit, die man ihm hat zuschreiben
wollen, sondern in völliger Abhängigkeit von der umgebenden
Natur, und diese Unterthänigkeit anerkennend, sieht er über-
all um sich den Innerterrirsok oder Verbieter (der Eskimo),
um durch Gelübde in den Mokisso erst das Recht zur Nutz-
niessung für eigene Selbsterhaltung zu erwerben, indem er da-
bei dem Schutzgeist*), dem er sich in Opferungen geweiht,
als seiner Individualität offenbarten Naturform, sich hingiebt,
unter Ansätzen für mehrere der Ausführungen, welche später
astrologische Verwendung zu finden pflegen.


Wer für die Wichtigkeit ethnologischer Forschung auf
die Ausdehnung Brasiliens hinwiese, das fast einem halben
Continent gleichkommt, wie von Martius sagt, könnte auf den
Einwand stossen, dass ihm Varnhagen nur etwa eine Million
Einwohner zuertheilt. Im ethnischen Gesichtskreis indessen,
zählen nicht die Componenten der Gesellschaftsorganismen,
sondern diese, als solche, und so würde Brasilien mit einigen
seinen eigenartig umschriebenen Stämmen, in so vielen Ein-
[72] heiten zählen, neben anderen Einheiten, die obwohl ursprüng-
lich aus vielleicht noch mehrzähligeren Theilen erbaut, doch
dann einen einheitlichen Neudruck erlangten, eine hochgradige
Einheit, mit höherem Stellenwerth der Ziffer. Würden die
Geschichtsvölker etwa den majestätischen Repräsentanten
aus den Vertebrata in der Zoologie verglichen, so verkürzen
sich die Naturstämme zu Käfern oder sonstigen Insecten, die
zwar unscheinbar und klein, aber, in ihrer Art, für Entomologen
von specifisch gleicher Bedeutung sind, je nach den Ver-
hältnisswerthen.


Der in Brasiliens Urwäldern wandernde Jäger herrscht,
als Stärkerer seines Geschlecht’s, über die als Dienerin
begleitende Frau bei dem einsamen Umherziehen durch ein
verschlungenes Dickicht, wo nur der Einzelne*) seine Beute
erhaschen kann. Bei den weitaussehenden und zugleich
für Treibgehege gemeinsames Zusammenschliessen erfordern-
den Jagden der Algonkin verweilt die Frau in der Zelthütte
und tritt von dort aus dem rückkehrenden Mann mit ge-
wisser Selbstständigkeit der Rechte gegenüber, und ebenso
der Pflichten, die ihr zur Beschaffung der vegetabilischen, ihm
dagegen der animalischen, Nahrung aufliegen, für deren Ver-
theilung bei den Australiern**) wieder die Ansprüche der
verschiedenen Familienkreise in minutiösen Vorschriften ge-
regelt sind.


Um den geistigen Horizont der Naturvölker zu ver-
stehen, haben wir uns hineinzudenken, indem eine Beur-
theilung unter den uns geläufigen Combinations-Methoden
[73] (mit Zuschneidung nach denselben) nicht anders, als zu
Missverständnissen führen kann. Schon in den Sinnes-
auffassungen, als combinirten, bedarf es einer physiologischen
Analyse, um nicht unrichtig zu subsummiren. Die Ansichten
sog. Farbenblindheit sind bereits darnach zu modificiren,
indem z. B. die Farbenklassen nach Merkmalen des Stumpfen,
Schillernden oder anderen Eindruck’s auf das Auge zusammen-
gefasst sein können, und deshalb nicht mit derjenigen Farben-
scala zusammenfallen mögen, die nach der scharfen Scheidung
des Spectrum aufgestellt ist. Aehnlicherweise entstehen
Incongruenzen bei Uebertragung der aus Grammaticalisch
festgelegten Sprachen entnommenen Principien auf die im
gewöhnlichen Leben flüssigen. Indem wir mit dem Gesicht
vorzugsweise lernen, und deshalb aus Erinnerung des Buch-
stabirens die einzelnen Buchstaben scharf und bestimmt im
Gedächtniss tragen, sprechen wir sie mit festerer Präcision
im überdachten Reden aus, als der oft nach den augenblick-
lichen Eindrücken des Rythmus oder anderen Rücksichten
geleitete Naturmensch seine für ihn selbst (bei mangelnder
Schrift) nicht stereotyp festgelegten Worte.


Vor Allem ist dann, um den Ideenkreis eines Volkes
zu begreifen, zu unterscheiden zwischen den augenblicklichen
Eindrücken des gewöhnlichen Tagesleben (in kurz abge-
schlossener Frage und Antwort) und den Combinations-
ergebnissen andauernder Meditation, wie sie mit verschieden-
artigen Lebensverhältnissen dauernd verwachsen sind. Die
uns ferner stehenden Vorstellungen des Naturmenschen
machen zunächst häufig einfach den Eindruck des fremd-
artig Sonderbaren und mögen dann damit beseitigt werden,
wogegen sich beim weiteren Ueberdenken eine Menge auf-
klärender Analogien in vergleichender Methode ergeben würden.
Werden die Gedanken nicht (wie es in der Praxis häufig
verlangt wird) kurz und rasch abgeschnitten, überlässt man
sich vielmehr dem Fluss der Gedanken, so dass sie nach
ihrer ganzen Breite und Weite, so zu sagen, auswachsen
[74] können, so tauchen dann allerlei unerwartet neue Vorstel-
lungen auf, allmählig in natürlicher Weiterfolge oder auch
scheinbar so plötzlich, dass sie (wie in der Geschichte der
Religionen durch genugsame Beispiele zu Tage liegt) dem
darauf im eigenen Selbst Unvorbereiteten den Eindruck
übernatürlicher Offenbarungen zu machen im Stande sind.
Als in dem Wachsthum seines Geisteslebens mit dem Ge-
sammtgang der Naturentwickelung unauflöslich verwachsen
und verknüpft, vermag der Mensch, wenn er will, aus, inner-
lichst tiefstem Urgrund entsprudelten, Quellen in seinem
Denken zu schöpfen, und auf ihren Fluthen bis zu dem
jenseitigen Ocean des Ewig-Unendlichen zu folgen, worin die
Persönlichkeit, so lange in irdischen Banden gefesselt, sich ver-
lieren muss, verwehend unter den Ahnungen einstiger Freiheit.


In einem gesellschaftlichen Organismus, wie in jedem
Organismus überhaupt, müssen alle diejenigen Componenten
vereinigt sein, welche als Vorbedingungen organischer Existenz
(ohne welche diese eben überhaupt nicht zu existiren ver-
möchte) zu betrachten sind, so dass also alle diejenigen
Fragen, welche das Leben der vollendetsten Culturvölker
bewegen, in dem des niedrigsten Naturstamms bereits, irgend-
wie, wenn etwa auch erst in embryonalen Voranlagen, ihre
Andeutungen werden zeigen müssen, und indem es also in
solch kleinste Organismen, bei einfachster Durchsichtigkeit,
desto leichter ist, alle die characteristischen und kritischen
Wendungs- und Kreuzungspunkte an richtiger Stelle mit
einem kurzen Ueberblick zu markiren, mögen sie uns für
complicirtere Schöpfungswunder (wo auf den nach allen
Seiten geöffneten Abwegen der reinen Speculation beständige
Verirrung droht) einen Leitungsfaden*) abgeben, um die
gesetzlichen Daten zu normiren.


[75]

So gewährt ein Ueberblick der ethnischen Horizonte
die erforderlichen Materialien für das Studium der Vorstadien
in Familie und Stamm, die Vorstadien der Themistes für
den Codex, der religiösen Regungen mit mythologischen
Ausmalungen, der ethischen Bedürfnisse, und sonst socialer*)
Probleme, so viele ihrer überhaupt im Volksleben zur Frage-
stellung kommen können.


Während die Geschichtsvölker, sauber und glatt, und
oft in glänzender Schönheit strahlend, gleich einem Krystall
vor Augen stehen, der Maass und Zahl unterworfen werden
kann, haben wir es in der Ethnologie der Naturstämme mit
wüst und verworren gährender Mutterlauge zu thun, welche
indess, in einer Völkerchemie der Gedanken, uns auf geistige
Primär-Elemente führen wird (im Anschluss an die Physio-
logie, bei Fixirung des leiblichen Typus in der Anthropo-
logie).


Aus abgerundeten Schöpfungen lässt sich bei Erfassung
des Gesetzes zurückschliessen auf den Ausgangspunkt, als
den relativen Anfang, und so haben sich in der Geschichte
manche ihrer Principien feststellen lassen. Weiter mag dann
mikroskopische Zersetzung in der Ethnologie bis zur Grund-
lage der Zellen gelangen, und damit stehen Anhaltspunkte
in Aussicht über die Möglichkeiten, als Vorbedingungen der
Existenz über das Räthsel des Seins aus dem Werden, das
philosophisch bisher gesucht, das fortan in psychologischer
Induction auszuverfolgen.


Durch Versenkung in den Fluss des Denkens werden
aus den dunklen Tiefen nur die Mysterien der Mystik empor-
steigen, wogegen wenn wir, am objectiven Horizont, die
Verkörperungen in den Völkergedanken vor uns haben, wir
[76] solche packen und nach Maass und Ziel studiren können, um
dann, bei genügenden Analogien, auf das Entwickelungs-
gesetz, im Denken selbst, zurückzuschliessen.


So lange wir den Baum als unbekanntes Etwas vor uns
haben, bleibt damit schon ausgedrückt, dass der Weg man-
gelt, um in seine Wachsthumsprocesse einzudringen, sobald
dieselben indessen unter sämmtlichen Erscheinungsweisen der
Componenten in beschreibender Botanik begriffen sind, können
wir, nachdem uns die Bedeutung der Milchgefässe, der
Blätter, der Pollen u. s. w. deutlich geworden, auf das Studium
der Entwickelung selbst zurückgehen, und hierbei hat dann
die durchsichtige Einfachheit der Kryptogamen für die Zellen-
theorie diejenigen Dienste geleistet, die für das Studium der
primären Gedanken-Elemente aus den Naturvölkern in der
Ethnologie zu erhoffen sind.


Dazu bedarf es allerdings langer und umständlicher
Detailarbeit, für deren Ersparung man sich bei „dem Hang
des Menschen zum Grossen und seine Abneigung gegen das
Kleine“, gern auf Schleichwegen forthilft. Aber vor der
Formulirung (s. Baumann) hat man sich „über den allgemeinen
Begriff des Wissens an Beispielen erst gründlich zu belehren“,
wir haben das Material zu suchen und zu sammeln, in jeder
Inductionswissenschaft, und so auch, wenn sie zu solcher mit
Hülfe der Ethnologie gemacht werden soll, in der Psychologie.


In der Welt als Vorstellung kennen wir allerdings nur
Erscheinungen, aber diese (als äussere Projectionen innerer
Thätigkeit) sind nach den (mit den allgemeinen übereinstim-
menden) Gesetzen psychologischer Wachsthumsprocesse ge-
bildet, und also, als an sich nothwendig, damit in die Harmonie
des Kosmos eingefügt. Um hier ungescheuter, als es die für die
Ideale eigener Cultur geschuldete Ehrerbietung in manchen
Fällen erlauben würde, ein- und durchzudringen, bieten sich
der analytischen Zersetzung die Naturvölker, „quos utique perdi-
disse lucrum et vinci vincere fuit“ in mancher Ansicht, nach
der von Orosius über die Barbaren seiner Zeit gehegten.


[77]

„Ueber die Natur philosophiren, heisst die Natur schaffen“
(sagt Schelling), d. h. indem wir über das Geschaffen philo-
sophiren, lernen wir es kennen*). Und zunächst zwar berührt
uns das von menschlicher Natur Geschaffene in dem Reflex
des Makrokosmus aus seinem Mikrokosmus, wogegen der
Makrokosmus der grossen Natur, unter der Zerstückelung
der aus ihm im eigenen Mikrokosmus reflectirten Strahlen,
nicht abgeschlossen verstanden werden kann (bei den Be-
ziehungen mit von noch unübersehbarem Universum), sondern
nur in vorläufigen Feststellungen von Einzelnheiten, soweit
sie zu beherrschen.


„Begriff, Urtheil und Schluss sind die Elementarformen,
in welchen sich das Denken weiss und das Wissen beweist“
(nach Biedermann), aber das Wissen geht auf das Verständ-
niss des Geschaffenen selbst, wofür der logische Weg nur
den Eintritt öffnet, wie in der Botanik das practisch Be-
deutungsvolle die verwerthbaren Früchte oder Blumen selbst
sind, obwohl uns zur richtigen Pflege derselben die Kennt-
niss der Vorgänge im Wachsthum helfen werden (wenigstens
zur Verbesserung), während die Keimanlagen an sich schon
aus dem Urgrund der Natur hervortreiben.


Nach Aristoteles würde es sich der Mühe nicht lohnen,
mit denjenigen sich zu beschäftigen, die in mythischer Form
philosophiren (gleichsam in Comté’s, „état théologique ou
fictif“), und in den lege artis zusammengefügten Structuren
speculativ verfeinerter Schulwissenschaft dürfen sich so rohe
Gebilde anfangs nicht zwischenfügen. Dem mythischen Ur-
grund stehen sie aber trotz dessen (oder vielleicht gerade
wegen dessen) um so näher, und da sich in jedem als existi-
rend, damit dann auch seine Existenzfähigkeit**) beweisenden
[78] Gedankenkreis eines Naturvolks nothwendig alle die für or-
ganische Existenz in ethnischer Schöpfung*) erforderlichen
Componenten (also alle die den Gesellschaftskörper bedingenden
Grundideen) unumgänglich werden zusammenfinden müssen
(wenn auch etwa erst mikroskopisch), so erleichtert gerade die
Einfachheit den Durchblick, um jedes Einzelne an richtiger
Stelle, und so das Ganze im Zusammenhang, mit einem Blick
aufzufassen, und dann diese richtigen Stellen und den daraus
gesetzmässig folgenden Zusammenhang auch unter den com-
plicirten Labyrinthenwindungen gigantischer Culturschöpfun-
gen wieder aufzufinden (nachdem der Schlüssel einmal zu
Händen ist).


Nachdem in Cartesius’ Dualismus die Seele das Primat
erhalten, führte die Identität des Denkens und Seins zu dem
Idealismus, worin Hegel die Psychologie in die Philosophie
des Geistes (sowie unter dessen Phänomenologie, bis zum Ein-
schluss der Philosophie der Geschichte), Schelling dagegen
in der Naturphilosophie (mit mystischer Gespensterwelt) ein-
begriff. Locke’s empirische Psychologie (um — in der Ueber-
zeugung, dass der aristotelische Syllogismus nichts neues zu
lehren vermöge — Bacon’s Methode auf einer tabula rasa zur
Anwendung zu bringen) konnte, gleich dem, die Vorstellungen
an die Empfindungen anschliessenden, Sensualismus Hume’s
der scharfen Kritik Kant’s nicht genügen, so dass die Psy-
chologie fast aus der Philosophie ganz und gar verwiesen
wäre, ehe sie (im Weiterverfolg des damals eingeschlagenen
Weges) den mit den Siegen der inductiven Naturwissenschaften
geöffneten Rettungshafen der physiologischen Psychologie**)
[79] hätte erreichen können. Doch blieb sie dort noch mehr be-
schreibende Naturgeschichte, als erklärende Naturlehre, da
soweit kein natürlicher Anschluss gefunden ist für das ge-
netische Princip, dem Condillac*) in der Fingirung seiner
Statue zu genügen suchte, Beneke dagegen in seiner, mit Waitz
übereinstimmenden, Auffassung der Psychologie als Natur-
wissenschaft, während von Fichte (und Hegel, mit seiner in der
dialectischen Methode durch die Begriffe hindurchgeführten
Evolutionslehre) her, der Idealismus mit Herbart (unter An-
sätzen zu mathematischer Behandlung) in die Völker-Psycho-
logie verlief.


Im gäocentrischen Weltsystem hätte die anthropologische
Auffassung des Mikrokosmos die metaphysischen Reconstruc-
tionen des All’s (in der Naturphilosophie) entschuldigt, aber
auch excentrisch gestellt, konnte (bei Beneke) gesagt werden,
dass die (nicht meta-physisch, sondern physisch zu begrün-
dende) Psychologie „die tiefste Grundlage für alle übrigen
philosophischen Wissenschaften“ bildet**) (weil allein erst das
Verständniss ermittelnd). All the sciences have a relation
(s. Hume) to human nature (in the science of man).


Nach jonischer Allbeseelung schied Anaxagoras νοῦς
und ὕλη, und Pythagoras φρένες, νοῦς und ϑυμός. Nach
Plato hat die in der Sinnenwelt lebende Seele mittelst der Ver-
nunft zugleich Theil an der Ideenwelt und bei Aristoteles
(unter Einführung der Psychologie in die Philosophie)***) er-
[80] hielt die Seele (Entelechie*) ihres Leibes) Vermögen (δυνα-
μις) als Materie.


Nach Kant muss man vor Allem, ehe man Metaphysik
als Wissenschaft der letzten Principien mache, untersuchen,
was Wissen selbst sei (s. Baumann). Die Psychologie**)
(welche die Naturgesetze des Denkens kennen lehrt) ist „als
die naturgemässe und nothwendige Basis der Erkenntniss-
theorie zu betrachten“ (s. Göring).


Wenn Herbart die Metaphysik als Grundlage der Psy-
chologie ansieht (oder Lehren der rationalen Psychologie
aufzustellen, nur auf Grundlage der Metaphysik gestatten will),
so folgt dies aus dem Bestreben, die individuelle Psychologie
durch sich selbst zu verstehen, wogegen nach der Natur des
Menschen als Gesellschaftswesen das natürliche Gebiet der
Psychologie in dem Gesellschaftsgedanken (und dem Er-
kennen des Denkens darin) liegen muss, wodurch zugleich,
statt metaphysischer Abstractionen der normale Durchschnitts-
gedanken gewährt wird.


Im Uebrigen hat der gegen Kant’s kritische Philosophie
(welche vorher das Erkenntnissvermögen selbst zu unter-
suchen fordert) von Hegel erhobene Einwurf (dass die Unter-
suchung des Erkennens nicht anders als „erkennend“ ge-
schehen könne) seine Berechtigung in der dogmatischen
***)
[81] Philosophie, da das Werden erst rückläufig wieder aus dem
Sein, in dem Gewordenen verstanden werden kann, aber die
Dogmen selbst dürfen nicht aus den Abstractionen indivi-
dueller Psychologie gesucht werden, sondern sind als die ob-
jectiv vorliegenden Producte der Völkergedanken (in so-
cialer Psychologie) entgegenzunehmen.


„Die Moral muss sich gründen auf thatsächliche, einfach
im menschlichen Geiste gegebene Vorstellungen“ (bemerkt
Biedermann), und ehe also nicht dies Thatsächliche in der
ethnologischen Umschau über den Globus überall in abge-
schlossener Rundung specifischer Originalitäten für Einzeln-
heiten festgestellt ist, bleibt der Streit nutzlos über durch-
gehende Moralprincipien, da eine Erklärung, die ihren Gegen-
stand noch nicht klar sieht, nicht viel klären kann.


Ueberrascht von ihren eigenen Erfolgen, die nicht aus-
bleiben konnten, nachdem der richtige Weg der Forschung
einmal betreten war, überrascht davon und einigermassen be-
rauscht, hat die Induction, noch ehe auch die Psychologie
unter die Naturwissenschaften einführbar war, die enthu-
siastisch angelegten unter ihren Jüngern zu dem Versuche
fortgerissen, die klare Begrifflichkeit, die über die relativen
Verhältnisse gewonnen war, auch auf das Absolute zur An-
wendung zu bringen, und damit, in vermeintlich radicaler
Elimination des Wunders, die den Tiefen der Menschenseele
einwohnenden Ahnungen und Sehnungen allzu eilfertig über-
sehen. Das Wunder ist immer da, dicht um uns, in jedem
Athemzug, in jeder Fingerbewegung, wie an jenem frühsten
Schöpfungsmorgen des ersten Menschen, wenn wir solchen
setzen wollen, ja je weiter und überwältigender sich das All
für uns gestaltet, desto unbegreiflicher und wunderbarer ge-
staltet sich der Anblick. Schon die Dakota schlossen ihre
Weltanschauung ab, mit dem Wakan oder Unbegreiflichen*),
Bastian, Völkergedanke 6
[82] und dieses umdämmert auch in weitesten Dimensionen, bis
zum Unendlichen und Ewigen hin, die Unsrige. Das Un-
begreifliche widerspricht an sich dem Begriff des Begriff-
lichen*). Indem wir nun aber den gesetzlichen Wachsthums-
gesetzen nachgehen, wie sich in dem engen Horizont der
Naturstämme jene Vorstellung gestaltete, werden wir den
Leitungsfaden für unsere eigene, nachdem aus durchsich-
tiger Einfachheit gewonnen, auch unter complicirten Orna-
mentirungen festhalten können. Das Unbegreifliche an sich
kann nicht begrifflich werden (beim Umschlagen in den
Gegensatz damit negirt), indem wir es aber genetisch aus
dem Gewordenen begreifen, das Sein im Werden (in orga-
nischen Uebergangszuständen), verstehen wir damit, was
menschlichem Verständniss verstandbar, mit dem Anhalt für
Weiterverfolgungen.


Als Hauptaufgabe müssen in der Ethnologie, um diese
bisher unbekannte (und der Natur der Sache nach, früher
selbst unmögliche) Wissenschaft zu begründen, um sie über-
haupt nur ins Leben zu rufen, zunächst voranstehen die Ma-
terialbeschaffungen, die nothwendige Vorbedingung für jede
inductive Naturwissenschaft, und deshalb auch für die Psy-
chologie, wenn sie eine solche werden soll.


Indem wir selbst, innerhalb unserer Generation, in dies
Erwachen der Ethnologie erst hineingewachsen sind, ergiebt
sich als Consequenz, dass solche Materialbeschaffung**) nicht
*)
[83] nach einem vorherbedachten Plane angelegt und unternom-
men werden konnte, sondern nur eine successive und allmälig
zu vervollständigen sein konnte, unter entschiedener (oft genug
in der Entsagung schwerer) Rückweisung aller der in dem
Aufspringen überraschendster Parallelen lockenden Verfüh-
rungen zu schillernd blendenden Schlussfolgerungen, die indess
als unreife, oder jedenfalls allzu frühreife, in die gesunde
Entfaltung der Keime, später vielleicht unheilbare, Verirrun-
gen gelegt haben würden.


Besser deshalb vorläufige Verwirrung in dem objectiven
Material, das sich jeder Zeit, wenn die rechte Zeit gekom-
men, methodisch zurecht schieben lässt, als eine Verwirrung*)
in subjectiven Ansichten, die sich oft genug um so mehr
verwirren, je mehr (wenn ein Gefühl davon auftaucht) man
sie zu entwirren bemüht ist. Auch konnte ohnedem am Be-
ginn der Forschungen um so weniger an Ordnung und
Feilung gedacht werden, weil bei dem raschen Verschwinden
**)
6*
[84] der Sammelobjecte jede Minute kostbar war, wogegen, wenn
es nach solchem Verschwinden nichts mehr zu sammeln
giebt, in der dann herangebildeten Schule von Fachmännern,
nicht nur die Musse geboten sein wird, das aus dem frühern
Untergange Gerettete (und dadurch wenigstens Vorhan-
dene) systematisch durchzuarbeiten, sondern zugleich auch
das überlieferte Material (unter der mit der allgemeinen Um-
schau gewonnenen Berechtigung zur Kritik der Einzelheiten)
ferner zu sichten oder (wo erforderlich) zu purificiren.


Die Hauptgesichtspunkte der jetzigen Studien liegen also
in zweierlei: Einmal in derjenigen vollständigen Beschaffung
des Materiales, wie für eine Gedankenstatistik erforderlich
und deren Ansprüche genügend, in allseitiger Vergleichung*)
(nach den Bedürfnissen der comparativen Wissenschaften).
Erst wenn solcher Grenze angenähert, können die geistigen
Rechnungsoperationen mit einiger Aussicht auf verhältniss-
mässig richtige Resultate gewagt werden, während so lange
es sich um Pionirung kaum eines für seine letzte Ausdehnung
und seine allseitige Gestaltung, noch unbekannten Gebiets
handelt, nur hie und da an charakteristischen Kreuzungs-
punkten, erste Landmarken zur Orientirung aufgesteckt werden
können, um kritische Phasen der Entwicklung zu markiren.
Und dieses führt auf’s Zweite, auf solche Entwicklung, auf
das Organische im Menschheitsgedanken, der einheitlich
auf unserm Globus emporwächst, und damit: auf das gene-
tische Prinzip.


Indem wir in den Schöpfungen der Völkergedanken, im
Einzelnen sowohl, wie in der Totalität, einen Organismus**)
[85] erkennen, ergiebt sich daraus der Anreiz auch auf sie, den
mächtigsten Talisman in den Händen der inductiven Natur-
wissenschaft, ihre Genesis, zur Anwendung zu bringen.


In den einfach durchsichtigen Gebilden der Naturstämme*)
werden wir dadurch einen Schlüssel gewinnen, um auch die
complicirtesten Errungenschaften der Culturvölker aufzu-
schliessen —, und damit unser eigenes Selbst.


Dieser Punkt ist so vielfach in meinen Büchern berührt
worden, dass weiteres Eingehen diesmal erspart werden kann.


Bisher lebten wir in classischer Literatur, in elegant
ausgelegtem Garten, mit genau zugestutzten Baum-Alleen,
mit geometrisch regulirten Beeten, wo wir im Voraus wuss-
ten, hier und da einen Seitenweg anzutreffen, einen Pavillon,
ein Tempelchen im Gebüschlein. Diese traulichen Prome-
naden sind gestört. Die wirren und wüsten Materialmassen,
die jetzt plötzlich aus den Urwäldern der Ethnologie heran-
gewälzt werden, erregen Schrecken und Entsetzen. Die
wohlgeschulten Gärtner verwirren sich in einem Jungle mit
verschlungenen Zweigverwachsungen, mit modrigen Schling-
gewächsen, mit Unkraut aller Art für sie, aber freilich nicht
für den wissenschaftlichen Botaniker. Und so unverständlich
abschreckend das ungeordnete Ganze hier jetzt erscheint,
ebenso leicht wird es sich später anordnen, weil im allge-
meinen weit einfachere und durchsichtigere Verhältnisse be-
**)
[86] greifend, als die complicirten Ornamente der Cultur. Wäh-
rend jetzt die Lecture eine fast unmögliche scheint (und eben
auch nur für den speciellen Fachmann bestimmt sein kann,
der seine ganze Zeit darauf zu wenden beabsichtigt), wird
sie sich schliesslich zu einer der anziehendsten und mühe-
losesten gestalten, dann (wenn es sich um Ableitung oder
Erklärung socialer oder religiöser Institutionen handelt) wer-
den wir nicht länger dem Verfasser durch Folioseiten seiner
dicken Bände hindurch, in den Labyrinthen schwankender Ge-
dankenwanderungen zu folgen haben, wo wir jeden Augenblick
in Gefahr gerathen, durch absichtliche oder unabsichtliche Zu-
fügung subjectiver Färbung aus der Individualität irre ge-
führt zu werden, sondern dann werden die Facta realistischer
Bilder in ihrer Zusammenreihung selbst sprechen und alles
dem darlegen, der einige Worte zwischen den Zeilen zu lesen
gelernt hat. Freilich aber wird das bisher innerhalb eines eng
umschriebenen Horizonte’s an ästhetischen Gestaltungen er-
zogene Auge, sich erst adoptiren müssen an solch neue Per-
spectiven, durch optische Reformen sich an ihre Auffassung
gewöhnen.


Vorläufig bei dem Drängenden der Zeit, — ehe das letzte
verschwunden ist, aufzuraffen, was noch übrig, — kann nicht
an Politur der Einzelnheiten gedacht werden, am Wenigsten
jetzt bereits, wo selbst nicht einmal die Oberfläche das Terrain,
auch nur in einfachster Pionier-Arbeit, überschaut ist, wo also
noch jeden Augenblick Thatsachen durchgreifendster Art her-
vortreten mögen, die uns zwingen, dass auch sie Beachtung
verlangen, auch sie ihre Werthaufnahme in die Rechnungen,
weil diese sonst im Voraus für ihre Consequenz-Ziehung in
den Resultaten als falsch erklärt werden müssten.


Zunächst kann es sich nur um die Materialsammlungen
selbst handeln, ähnlich denen bei Beginn der Seefahrten*) in
[87] Brunfels Herbarium oder sonst zusammengeworfenen, aber auf
Grund darauf erst war es später Tournefort und dann Linné
ermöglicht, Licht in die Systeme zu bringen. In den Büchern
früherer Chemiker herrscht für uns ungeordnete Verwirrung,
aber ohne dieses Durchgangsstudium wären wir nicht zu der
jetzigen Klärung in Theorien gekommen.


Als Bacon es aussprach, dass der Syllogismus, der Vor-
*)
[88] handenes verbinde, nichts Neues lehren könne, dass es in
der auf Aristoteles Wegen folgenden Philosophie der Induction
bedürfe, da erkannte er zugleich, dass die Empirie (als an
sich nutzlos) nicht genüge, dass den Erfahrungen ein lei-
tender Gedanke vorherzugehen habe, um den gegebenen
Stoff kraft der Vermittlungen des Denkens durchzuarbeiten,
und so aus dem Besonderen das Allgemeine, aus den That-
sachen die Gesetze zu erfassen.


So bedarf es im Forschen klärender Anordnung unter
vorläufigen Hypothesen, die, wenn vor frühzeitiger Verknöche-
rung bewahrt, sich in weiterem Fortgang der Studien, mit
denselben erweitert, umgestaltet werden.


Daher wird in der Literatur die berechtigte Anforderung
an ein Buch gestellt, als in sich abgeschlossenes Kunstwerk
(wenn auch nur im Kleinen) hervorzutreten, durch die Kritik
gereinigt und äusserlich formgerecht.


Diese Grundsätze werden, wie in jeder Wissenschaft,
auch in der Ethnologie zu gelten haben, sobald sie nämlich
in dieser auch zur Anwendung zu bringen sind, sobald sie
zunächst also als Wissenschaft abgerundet ist.


Wie aber jetzt? in dieser plötzlich und unvermit-
telt, innerhalb weniger Decennien, hereinbrechenden Fluth
neuer Thatsachen und Beobachtungen, die blitzesschnell
dem überraschten Staunen vorüberfliegend, für immer
(ohne jemalige Wiederkehr) verloren sein werden, wenn
nicht jetzt auch, im Moment des Auftauchens, erhascht
und (so gut oder so schlecht es geht) einigermassen
fixirt.


Hier, wo sich jetzt, ein völlig unbekanntes Gebiet nach
dem andern
den ersten Pionieren öffnet, kann keinem Führer
vertraut werden, und leitende Gedanken, die sich anböten,
möchten nur irre leiten. Hier muss auch Manches, ohne
sich selbst über die Absicht dabei [bestimmte] Rechenschaft
geben zu können, unterschiedslos aufgenommen werden, im
vielleicht nur dunklen Vorgefühl, dass sich spätere Anknüpfungs-
[89] punkte*) ergeben werden, und wenn diese, wie oft genug
geschehen, dann wirklich hervortreten, war der Instinct
glücklich zu preisen, der rettete, was nachher nicht mehr
nachzuholen gewesen wäre.


So rollen sich im Laufe der Jahre dieser Uebergangszeit
(die der Natur der Sache nach nur eine kurze sein kann)
Aufzeichnungen in oft formlosen Massen zusammen, um die
Materialien zu liefern für die Reihenanordnungen, wie sie
verlangt wurden in den tabulae essentiae et praesentiae,
tabulae declinationis et absentiae, tabulae graduum sive
comparativae, und wenn diese gefüllt sind, dann — (denn
dann wird es voraussichtlich auch wenig Neues mehr zu
sammeln geben, und Alles dann noch nicht Gesammelte wird
fortan leider verloren sein) — dann wird es ans Ordnen
gehen können, und dann wird sich hoffentlich auch eine
Schule von Ethnologen gebildet haben, die, indem sie diese
damit recipirte Wissenschaft zum Lebensstudium gewählt
haben, auch vor formlosen Büchern nicht zurückschrecken
werden, wenn sie ihnen thatsächliche Materialien zu liefern
vermögen.


Die Ethnologie hat so natürliche Anziehungen durch
ihre Beziehungen zum Menschen, dass sie in den mas-
kirten Vorformen, welche sie bisher in der Literatur ver-
hüllten, stets eine Lieblingslectüre für das grosse Publikum**)
[90] gebildet hat. Für dieses zu schreiben, bleibt allerdings der
Endzweck, aber jetzt, wo die Möglichkeit herantritt, die
Ethnologie zu einer Wissenschaft heranzubilden, stellt sich
damit die Frage, wann sie wird popularisirt werden dürfen.
Gewiss nicht, ehe sie sich selbst ihrer Principien klar be-
wusst geworden ist, gewiss noch nicht in diesem unklar
gährenden Uebergangsstadium, wo die Ansichten noch von
allen Winden umhergeworfen werden. Wollten wir jetzt
bereits einen βασιλικὸς ὁδος öffnen, würden darauf in langen
Reihen jene phantasiereichen Gefühlsmenschen herangezogen
werden, deren Phantasien allzuleicht in Phantastereien über-
gehen. Damit hätte sich dann die junge Wissenschaft, selbst
und von Vornherein, den Weg abgeschnitten, auf dem
sie einst ein entscheidendes Wort in der Geschichte der
Menschheit reden zu können hofft. Nichts wäre leichter
als ethnologische Bücher anziehend zu schreiben. Ver-
führerische Sirenengesänge auf allen Seiten. Man braucht
nur hineinzugreifen, Hypothesen billig, wie Brombeeren, aber
auch nur ebensoviel werth, wenn etwas werth. Darum jetzt
vor Allem Vorsicht, die Ohren verstopft, um unbeschadet
hindurchzuschiffen bis zum sichern Hafen. Dass also die
Bücher über Ethnologie vorläufig trocken und abstossend er-
scheinen sollten, dürfte vielleicht nicht das grosse Unglück
sein, um das so oft in den Kritiken gejammert wird. Wenn
darob mit Vorwürfen beworfen, so wird sich dies eher er-
tragen*) lassen, eher und lieber, als selbst, auch indirect nur,
**)
[91] mitzuhelfen, dass das zum Anpflanzen eines Wissenzweiges
umgebrochene Terrain ein bequemes Tummelfeld werde für
Etymologienwüther und Völkerflicker. Wir bekämen damit
einen Bettelmantel aus buntscheckigem Stückwerk zusammen-
geschneidert, wogegen, wenn ruhig wartend, bis die Thatsachen
zum abschliessenden Ueberblick angesammelt sind, sich ein
prächtiger Peplos weben wird, wie von Zeus über heilige
Eiche gebreitet, ein strahlend gespiegeltes Abbild wirk-
licher Welt. Darum, wie gesagt, mag der Zugang vorläufig
mühsam erscheinen, nur dem zugänglich, der bereit ist, einen
Theil seiner Kraft und ehrliche Arbeit darauf zu verwenden.
Wenn im Schweisse jener Anstrengungen, wie sie jede ernste
Wissenschaft von ihren Jüngern verlangt, einigermaassen
eingedrungen, wird er sich durch die Ergebnisse schon be-
lohnt fühlen. Vor Allem heisst es deshalb in der Ethnologie,
einen kühlen und klaren Kopf zu bewahren, um nicht von
der bald hier und da, bald auf allen Seiten in glänzenden
Versprechungen auftauchenden Ausblicken berauscht, wieder
von dem Strom der Speculation fortgerissen zu werden, auf
dem sich entzündbare Gemüther allzu gerne mühelos fort-
schwemmen lassen.


Indem es sich in der Ethnologie um den Menschen als
Zoon politikon handelt, nimmt sie ihren Ausgang vom Ge-
sellschaftszustande, dessen Einzel-Mitglieder zur Besorgung
der Anthropologie überlassen bleiben. Die Verhältnisse der
Geschlechter zu einander, die man bis auf einen Zustand
wilder Ehe*) (schon bei Anknüpfung an classische Notizen)
hat zurückführen wollen, werden zunächst durch die ethni-
schen Umstände bedingt werden, unter welchen sie sich
bilden.


*)


[92]

Der brasilische Jäger, der lautlos im Urwalde wandert,
seine Beute zu beschleichen, wird sich, dem Stärkeren, die
Frau als Dienerin folgen sehen, und innerhalb der in den
offenen Lichtungen Australiens, auch für Treibjagden zu-
sammengehaltenen Horde wird gleichfalls das Recht des
Stärkeren den Vollerwachsenen das erste Anrecht auf die
Mädchen*) des Stammes geben, so dass Jüngere sich nur durch
(sabinischen) Raptus**) (oder Entführung) einer oder anderer
Art (aus der Fremdheit), einen Privatbesitz verschaffen können,
gewissermaassen ein peculium castrense (wie von Augustus
dem Sohne zugesprochen).


In den mühelos idyllischen Lebensverhältnissen Polysiens
hat sich aus freiem Verkehr***) der Geschlechter die Ver-
stellung gruppenweiser Verheirathungen in Morgan’s „punuluan
family“ gebildet, und dann wird unter der Herrschaft der
Sinnlichkeit, die Frau, als Hauptgewährerin, bald auf jenen
*)
[93] hohen Rang gestellt sein, den sie in Tonga einnimmt, sowie
in Hawaii, wo der Mann, dem sie sich als ihren Schützer
angeschlossen hat, ihren Kochofen besorgt, und den Poey-
Teig, während in Neuseeland bereits, wo kriegerische
Aspecten dem Manne ernstere Pflichten auferlegen, als mit
der Frau zu tändeln, diese eine, verhältnissmässig wenigstens,
herabgedrückte Stellung zeigt.


Der Fischfang, wenn nicht auf stürmischer See hinaus
führend, wird die Frau in Gleichstellung mit dem Mann
beschäftigen, und ihr jenes unabhängige Auftreten gewähren,
wie es die Fischermädchen in brahmanischen Legenden
zeigen.


Für den Ackerbau kommt die Arbeit der Frau zu
Hülfe und unter den amerikanischen Wanderstämmen, soweit
er dort zulässig ist, gehört er ihr allein, da in der Ver-
theilung der Nahrungsbeschaffung, ihr die vegetabilische
zufällt, wie die animalische dem Manne.


Der Neger kauft sich zum Anbau seines Ackerfeldes
eine Frau, statt einen Sklaven (oder Sklavin), und der Kru
vermehrt*) so, mit dem auf jeder Reise erworbenen Gewinn,
bei der Rückkehr sein Harem, hier nicht ein dolce farniente
mit sich bringend, wie beim Orientalen, der, wenn reich
genug, unter seinen übrigen Luxus-Artikeln auch seine Frauen
vermehrt in der Polygamie, (mit sanitären**) Gesichtspunkten
in beiden Fällen in Betreff der Säugezeit, des Beischlafs u. s. w.).


[94]

Polyandrische Verhältnisse entstehen, wie unter leicht-
lebigen Nairs im Anschluss italienischer Cicisbeat, dann auch
wieder unter Kargheit der Lebensbedürfnisse, bei Einschrän-
kung auf eine gemeinsame Haushälterin gewissermaassen,
unter gleichzeitiger Stumpfheit der Sensualität, wie sich in
der tibetischen*) Hinneigung zum Cölibat zeigt.


Ein durchgreifendes Gepräge wird der Stellung der Frau
in der Gesellschaft dann durch die, die Gestaltung derselben
begleitenden, Geschicke aufgedrückt werden, ob sie, als Beute
der Eroberer, wodurch die einheimischen Männer des Landes
erschlagen, durch das Thatsächliche selbst in Knechtschaft
herabgedrückt ist (vielleicht, wie bei Cariben, die eigene
Sprache bewahrend), oder ob, wenn die an die früher von
ihnen verwüsteten Küsten als Flüchtlinge anlangenden Wi-
kinger, es als Gunst, als Gnade so zu sagen, betrachten
müssen, wenn die Honoratioren des Landes diesen früher ge-
fürchtet und gehassten, — aber früher, wie später berühmten —
Helden ihre Töchter zur Ehe anbieten, sie beim Festmahl
wählen lassen (wie bei Phocäer in Massilia) oder im Bogen-
wettkampf erschiessen (wie von Chutia-Prinzen in Sudya**).
**)
[95] So bildeten sich die gynaikokratischen Verhältnisse unter
den nach Menangkabau verschlagenen Nachkommen Iskan-
der’s, und ähnlich finden manche der archäistischen*) Ueber-
lebsel ihre Deutung (aus Lykien u. s. w.).


In politischer Geschichte fixiren sich auch endogamische**)
Vorschriften, wenn aristokratisch stolze Ueberwinder das
blaue Blut der Kaste rein zu erhalten streben, bis zum
engsten „breeding in and in“ (wie in den Schwesterehen Peru’s
und Persien’s), wogegen exogamische Kreuzungen, in ihrer
weiten Verbreitung, von der Natur bereits den Naturvölkern
gelehrt zu sein scheinen.


So lange innerhalb der Horde Privatehen nicht durch
Sponsalia geweiht und umschrieben sind, werden als selbst-
verständliche Consequenz, die Kinder zur Mutter halten, da
der Vater vielleicht selbst dieser nicht mit Sicherheit bekannt
ist, und die Verwandtschaft kann nicht in verticaler Richtung
**)
[96] (in Ascendenz und Descendenz), sondern nur in der Breite*)
zum Ausdruck kommen, zwischen Geschwistern in Schwestern
und Brüdern. Für genaue Gliederung liegt kein Bedürfniss
vor, da die Horde auch gesellschaftlich, so lange durch den
Rath (oder vielmehr nur durch das Ansehen) der Alten
regiert, ohne bestimmtes Haupt ist.


Tritt nun etwa hier durch Katastrophen eine Zer-
streuung ein, so bleibt, als nächstliegend, die Geschwister-
schaft zusammen, und wenn sie sich dann als solche vielleicht
isolirt in Sicherheit wiederfindet, wird zwar dann in, Heroi-
den**) feiernder, Legende das Bild der Mutter bewahrt bleiben,
um welche sich an jenem Morgen des Schreckens die zittern-
den Kinder schaarten, aus diesen wird aber, der gleichen
Gefahr eben wegen, bald der muthigste und kräftigste, am
ehesten also der Aelteste***), an die Spitze gerufen werden,
und der Schutzgeist, dem er (als selbsterträumter bei den
Indianern) vertraut, wird in Australien dann gleichfalls (meist
in Thierform†) des Kobong (als Totem, wie auch bei Beschua-
nen, Kasya u. s. w.) als Wappen des jetzt unter ihm als
[97] Führer constituirten Stammes gelten (unter Fortführung
seiner Legenden durch die Scalden*).


Wenn dann im Laufe der Wanderungen solche Einzeln-
horden wieder zusammentreffend, sich zu gemeinsamen Horden
neu verschmelzen, werden die bereits der Geltung einer Häupt-
lingswürde angenäherten Autoritäten in jedem Specialfall aufs
Neue, in gegenseitiger Compensation, sich miteinander ab-
gleichen zu jenem früheren Altenrath, der, falls drohender
Krieg keinen Herzog ex virtute verlangt, genügen mag, aber
der bereits mit der Macht des Geheimnissvollen eingreifende
Privatcult des particularen Schutzgeistes wird, seit einmal
adoptirt, nun auch verbleiben, und, sofern noch nicht durch-
gehend vorhanden, Nachahmungen anregen, in allen (durch
irgend ein Band zusammengehaltenen) Kreisungen der Horde,
so dass deren primär gegebene Gleichartigkeit sich jetzt erst
wieder aus Theilstücken herzustellen hat.


Nachdem bei den Kurnai durch den Botenherold als
Lewinda-Jerra-alla die betheiligten Stämme zur Jerrail (Ein-
weihung) zusammengerufen sind, und jeder Knabe, dem ein
Mädchen (als Krau-un) zur Schwester gegeben war, durch
die aus dem Walde herbeigekommenen Männer (unter Weg-
nehmung von der Mutter) in die Reihen jener (und das
Geheimniss des Turndun oder Schwirrholzes) aufgenommen
ist, bleiben die in dieser Ceremonie gemeinsam**) reci-
pirten Jünglinge dann auch später im Lager in besonderer
Abtheilung zusammen wohnen, sie bilden also mit einander
eine Genossenschaft, die sich zugleich im Besondern auch (bei
Bastian Völkergedanke. 7
[98] der männlichen Abstammung vom Yeerung-Vogel*) und der
weiblichen vom Djeetgun-Vogel) den Frauen gegenüber mar-
kirt, und bei gegebener Veranlassung des Fortzug’s weiter als
selbstständiger Stamm auftreten könnte, nur aus männlichen**)
Mitgliedern bestehend, so dass dadurch von selbst auf Erwer-
bung von Frauen durch Raub hingewiesen, aus andern
(fremden) Stämmen, und also deshalb mit verschiedenen
Stammes-Emblemen. Daraus ergiebt sich in Weiterfolge die
Geschlechtsklassentheilung, indem (nach Schliessung der Ehe)
der Vater sein eigenes Symbol (in schwesterlicher Beziehung
zu dem des früher beigegebenen Mädchens) bewahrt, zugleich
im Anschluss an die (als ältere den jüngeren gegenüber-
stehenden) Symbole seines Vaters und seiner Mutter (in
deren Zeichen die eigenen Kinder dann wieder zurücktreten
könnten), und daneben die Frau gleichfalls ein eigenes, so
dass sich allerlei complicirte Vorschriften über Heiraths-
kreuzungen bilden können, wie bei den australischen Ver-
hältnissen weiter auseinanderzulegen.


Indem sich zwischen verschiedenen Stämmen, als inner-
halb derselben Horde, freundschaftliche Beziehungen ein-
geleitet haben, mögen mancherlei Anlässe vorliegen, weshalb
die (als werthvoller Besitz geltende, und deshalb gern zurück-
gehaltene) Frau bei einem andern Stamm gesucht wird, sei
es um durch knüpfende Bande Verstärkung zu erlangen, sei
es um durch gefälliges Entgegenkommen mit oder ohne
Schuld Gefürchtetes abzuwenden, und oft ist (nicht in
[99] australischen Klassen allein) dann gegenseitiger*) Austausch
bedingend, fast immer aber wird das Mädchen, auch als
Frau, ihrem eigenen Stamm verbleiben, der weder sie, noch
sonstiges Eigenthum, abzugeben denkt, und sogar noch die
Kinder für sich beansprucht, so dass diese der Mutter
folgend, in dem Avunculus**) ihren natürlichen Beschützer
finden (und damit Neffenrechte zur Geltung kommen).


Sollte wechselsweiser Austausch, wenn stattgefunden, dann
zur Gewohnheit werden, so würden sich permanent fixirte
Heirathsrichtungen, wie bei den Kamilaroi***) von selbst
erklären, und ebenso, dass einmal auf der Bahn der Zer-
splitterung eingelenkt, diese dann auch zu derartigen Extremen
führen mag, wodurch die Kinder†) wieder nach Knaben oder
Mädchen, in besondere Klassen eingereiht werden (in Ge-
schlechter-Trennungen).


Bis hierher wird also von Familie keine Rede sein
können, indem die Glieder überhaupt nicht zusammen-
7*
[100] halten*) oder schon dadurch auseinandergerissen werden, weil
die Eltern selbst zwei verschiedenen Stämmen angehören.


Die erste Einheit bildet also die ohne durchgreifendes
Oberhaupt wogende Horde, die sich von den Wanderungen
umhergeworfen, elastisch dehnen und engen muss. Sie mag
zerfallen, mag indess auch in fester Organisation einen Halt
bekommen.


Denn wie die Stämme sich zu kräftigendem Bündniss
zusammenschlossen, und ohne Prämeditirung die Horde ins
Dasein riefen, so mögen die politischen Aspecten fernerhin
wieder günstig sein, dass sich zwei oder mehrere Horden im
Trutz- und Schutzbündniss einigen, wenn schwere Masse,
der sie gegenüberstehen, für Erhaltung des Gleichgewichts,
eine in der Mehrheit vergrösserte Compensation verlangt.


Hierbei würde allerdings, um die Aufrichtung des Ge-
bäudes, trotz der bereits hervortretenden Complicationen, vor
Zusammensturz zu bewahren, ein bewusstes Abkommen vor-
auszusetzen sein, und in solchem Fálle bliebe nicht aus-
geschlossen, dass auch ein im socialen Leben wichtigster
Punkt, über die Vergebung der Mädchen, und die Ver-
pflichtungen der verschiedenen Stämme hierüber zu einander,
stipulirt würde.


Somit stellt sich dann ein Gerüst her, wie es bei den
Irokesen und Verwandten dasteht, in dem Hinüberkreuzen
der Heirathen aus einer Horde oder Phratie in die andere,
unter den correspondirenden Stämmen.


[101]

Nachdem eine derartige Sitte zur Gewohnheit geworden,
formulirte sie sich, mit der Verknöcherung zum Dogma, als
unverbrüchliches Princip, das nicht weit genug getrieben
werden konnte.


Weil es sich praktisch erwiesen hatte, in eine andere
Horde oder Phratrie zu heirathen, so durften jetzt die Mit-
glieder der eigenen nicht mehr untereinander heirathen, an-
fangs nur, weil es gegen den Brauch verstossen haben würde,
dann weil ein Verbot entgegenstand, und indem so das Heirathen
in der Verwandtschaft, unter Simulirung dieser, abgewiesen,
und immer weitere Grade absorbirt wurden, traf dies Veto
schliesslich alle, die denselben Namen führten, bei den Maya,
oder (als hsing der chia) bei den Chinesen.


Der Uebergang von der mütterlichen zur väterlichen
Geschlechtsfolge wird sich in historischer Entwicklung voll-
ziehen, indem eine aristokratische Kaste, die ohne Frauen
(oder mit ungenügender Zahl derselben) eingewandert, durch
das Schwert oder (gleich den Brahmanen) durch geistige
Ueberlegenheit zur Herrschaft gekommen ist, und nun, wenn
die Noth zu Frauen aus den verachteten Schichten der Ein-
geborenen zwingt, nicht zu deren Niveau, wie leicht begreif-
lich, die Kinder degradiren will, sondern sie in das Ge-
schlecht des Vaters*) erhebt. Dies, zur Gewohnheit gewor-
den, galt denn auch zwischen ebenbürtigen Geschlechtern.


Und mit solchem Vater an der Spitze der Familie, wird
dann in dieser die patria postestas**) geübt, in Rom sowohl
(wie anderswo), oder in freieren Gestaltungen.


[102]

Familiam ducere hiess es bei Verzweigung der Gens
(Singulis singulas familias). In Indien*) steht der Viçpati
(Hausherr) an der Spitze der Familie oder an der Spitze des
Dorfes (in Afrika) der Ahn, als Ifoumou (Quell). Der So-
mol, als ältester Mann des Stammes, nennt die Mitglieder
pui (Schwester oder Brüder) auf den Mortlock-Inseln.


Dann folgten jene Fictionen**), in Adoption und Auf-
nahme der Hausgenossen, Diener, Clienten u. s. w. zum
(schottischen) Clan, zu Sept der Iren, den Phis oder Phara
(der Albanier) u. s. w., das Ganze in Mehrzahl der Fälle im
religiösen Cult***) der Gens, und oft allein dadurch gehalten.


**)


[103]

Daneben gestaltet sich dann der öffentliche Cultus, zu-
nächst, ehe die Special-Götter einzelner Priester zu allgemei-
nen (auch unter officieller Anerkennung oder Stützen) erhoben
sind, durch die Festordner, welche die für massgebende
Lebensbedingungen, wie Ernteertrag oder Krankheitsschutz
mächtigen Influenzen der unsichtbaren Welt in guter Stimmung
und Einvernehmen zu halten haben (pacem deorum quaerere)
und deshalb auch dort nicht, (so wenig wie mit den Todten-
geistern*) und deren Schicksale Vertraute), entbehrt werden
können, wo sonst der naturgemässe Zusammenschluss des
Gemeindewesens keiner anderen Regierung bedarf, ausser
etwa den für allgemeinnützige**) Arbeiten eingesetzten Beam-
ten (oder des Spruchmanns, für Verhandlungen nach Aussen)
und dann der Regulatoren des Jahresumlaufes***) mit den
[104] officiellen Opfern*) (wie in China durch den Kaiser im
Hofcult).


Unter Persönlichkeiten verschafft zuerst, wenn das Stu-
dium lucri erwacht ist, Reichthum Ansehen, so lange er
durch Freigebigkeit und (Ruhm verbreitende) Gastlichkeit
erhalten**) werden kann, bei Aht, sowohl wie bei Beluchen,
in der Orang Kaya der Malayen. Dann wird, bei dem in
den Altersstufen***) bereits zustehendem Vorrang, überlegenes
[105] Verständniss*) anerkannt, besonders bei den durch Erfah-
rungsschätze bereicherten Greisen**), als Weise (für Richter-
sprüche***) gesucht), und bei Kriegsgefahr bietet sich im
Tapfersten der Führer, (oft auch bereits als ständiger†) Stra-
tege neben dem Archonten) und dieser, wenn er nach sieg-
reichem Feldzug nicht zurückzutreten beliebt, mag dann den
Weg der Usurpatoren einschlagen, der besonders unter den für
Lehnverleihungen günstigen Umständen zum Fürsten führt,
während ein solcher in den auf die Götteranfänge zurückführen-
den Stammbaum der Ariki mit der Geburt bereits gegeben
ist, und (oft im Anschluss an die Leiter der Einwanderung
oder den Gründer††) des Dorfes) als Eponymos fortdauern
mag, bis zum Auseinanderfallen geistlicher und weltlicher
Macht. Seit Pseudo-Isidor, von Papst Nicolaus I. für echt
[106] erklärt, stand das corpus juris canonici über dem corpus
juris romani*) (und dann der weitere Streit**)).


In den einfachsten Zuständen ist für eine Regierung
weder Nachfrage noch Angebot und, wie von wilden Naga,
lässt von friedlichen Pescheräh sich sagen (bei Weddell):
Their behaviour, one to another, was most affectionate (and
all property possessed in common). Zwar gelten die νὸμοι
πολιτικοί (im jus civile) nur „entre membres d’une même cité
(s. Coulange), so dass jeder Fremde***) vogelfrei ist, aber
[107] die bei seinem Ansichtigwerden gelegentlich angeregten Leiden-
schaften glätten sich wieder im heimischen Kreise.


Sind freilich die Umgebungsverhältnisse drohender Art,
so bedarf es selbstverständlich eines festeren Zusammen-
schlusses (wie in militärischer Organisirung der Jüngling-
schaft in Assam) oder einer kräftigen*) Hand, die das Ganze
leitet. Dann mag wohl, wenn beunruhigt nach einem Hort
gesucht wird, der Vorlauteste an die Spitze sich drängen,
am liebsten aber wird man den dort sehen, der, gleich
jenem zur Salbung Ausersehenen, eine Kopfeslänge über
Alle hervorragt, wie in den Kriegen der Tasmanier**), „the
leader or chief was of gigantie size“ (Bonwick). Da bei dem
beständig herantretenden Hic Rhodus, hic saltus Jeder nur
das gilt, was er werth ist, so schliessen sich in natürlicher
Folge Prüfungen***) daran, um zu sehen, wer unter den
Guten sich als Bester erprobt, sei es im Tragen eines Baum-
***)
[108] stammes (wie in Chile), sei es im indischen Wettschiessen,
im Laufen u. s. w.


Mit Localisirung gentilischer Genossenschaft*) in den
Demen schloss sich an den φῦλον τοπικόν der Uebergang
der Societas in Civitas.


Während anfangs nur Patricier und Plebejer (oder no-
biles und ignobiles) sich unterschieden, wurden mit dem Ordo
equester (als der vorher temporäre Reiterdienst ein dauern-
der wurde) die Stände eingeführt, worin der uterque ordo,
als Senat (Senatus populusque Romanus) und Ritter, der
Plebs (und weiter dem ordo Libertinorum) gegenüberstand,
während dann noch ordo scribarum, aratorum u. s. w. hinzu-
traten. Auf die equites equo publico (unter dem Tribunus
Celerum der Celeres) folgten (mit den Equites illustres) die
suis equis dienenden Ritter und dann (seit den Gracchen)
ein dauernder Ritterstand (unter den Kaisern als Titel). Mit
dem Senat und den Magistraten trugen die Ritter (anfangs
nur die Primores) die Auszeichnung des Anulus aureus
(statt fererus anulus).


Als mit Gleichstellung der Patricier und Plebejer der
Geburtsadel fortgefallen, trat an die Stelle desselben ein Amts-
adel, der forterbend in den Familien wieder zu einem Ge-
burtsadel wurde, durch die curulischen Aemter verliehen,
***)
[109] und so unter der curulischen Aedilität erlangt (s. Becker),
bei Vereinigung der tituli (bei jus imaginum) im Stemma des
Hauses, in prima aedium parte (Val. Max.), wo bei Festen die
expressi cera vultus (s. Plin.) bekränzt wurden (mit Lorbeer).


Als aus dem römischen, dem letzten der sog. Weltreiche
die Germanischen Monarchieen hervortraten, als die Societas
eines Königs der Franken sich zur Civitas des Königs von Frank-
reich umbildete, da gliederte sich die persönliche (und als
solche mit Nutzniessung des Grundes verbundene) Abhän-
gigkeit aufwärts bis zu der mehr und mehr abgeschwächten
Fiction des römisch-germanischen Kaisers (unter entsprechen-
der Verstärkung der am alten Sitz verbliebenen Kirchen-
herrschaft, die seit Gratian’s Niederlegung des Pontificat
abgetrennt war) und erst nach dem Bruch durch die Re-
formation erhielten die immer deutlicher empfundenen Sou-
veränitätsrechte auf den Boden*) ihre Begründung in Grotius’
Werk, während seit Filmer das göttliche Recht der Könige
zur Durchbildung kam.


Gleich römischen Miterben (der älteste Sohn ebenfalls
nur als cohaeres, wenn auch für gesetzliche Beziehungen an
der Spitze der agnatischen Gruppe gedacht), gleich den in
Indien bereits mit Eigenthumsrechten an gemeinsames Familien-
gut geborenen Kindern**), erbten diese auch im Allodium zu-
sammen, und erst bei den für die Zwecke entfernter Kriegs-
[110] dienste durch die (wie früher an römische Soldaten) ver-
liehenen Beneficien (im Landbesitz) bildete sich der (militärische)
Hofadel*) durch Karl M., der unter dessen schwachen Nach-
folgern in Hausgesetzen oder „Pactes de famille“ das Recht
der Primogenitur im Feudalismus**) feststellte, da unter den
anfangs verschiedenen Vereinbarungen ausserdem die Sicherung
der Dienstverpflichtungen am geeignetsten erschien, wenn sie
in einer Hand verblieb und zugleich auf den ältesten Sohn,
als den am raschesten zu militärischer Tüchtigkeit heran-
gewachsenen, haftete. Auch in indischen Dorfcommunen
knüpfen sich (trotz Gemein-Erbschaft) die Aemter, wenn
erblich (wherever public office or political power devolves)
gern an den ältesten Sohn, und unter Hinweis auf die für
schottischen Clan geltenden Erstgeburtsrechte erkennt Morgan
darin, unter dem Sinken der fränkischen Monarchie eine
Retrogression (gleichsam eine Art Atavismus, liesse sich
sagen) auf archaistische Ueberlebsel aus patriarchalischen
Zuständen, wie sie sich am reinsten in polynesischen Ariki
zeigen würden. Bei geographisch-klimatisch gegebener Lang-
lebigkeit mag sich dann mitunter (besonders unter Ueber-
lieferung von Traditionen) die Kette***) zwischen Grossvater
[111] und Enkel (mit theilweisem Ueberspringen des Vaters)
schliessen.


In communalen Stammesverhältnissen fällt der Besitz,
der während des Lebens zur Nutzniessung stand, beim Tode
des Einzelnen*) wieder an das Gemeinwesen (oder im Allodium
an die Kinder, schon im Leben als Miteigenthümer) und nur
bei persönlich erworbenen und persönlich gebrauchten Gegen-
ständen, soweit sie nicht als an der Persönlichkeit haftend
besser mit in das Grab gegeben werden, (zur Ruhe der Seele),
könnten Geschenke fortgegeben werden. Erst wenn sich
die Universitas juris complicirt, durch allerlei legale Be-
ziehungen zu den Nebenmenschen, die durch plötzlich un-
vorhergesehene Unterbrechung nicht in Verwirrung gebracht
werden dürfen, tritt die Nothwendigkeit der Erbschafts-
bestimmungen (wie unter Solon in Athen) heran, und dann:
„Haereditas est successio in universum jus quod defunctus
habuit“, im Uebergang der Rechte und der Verpflichtungen.
Wenn dagegen die Persönlichkeit des Vaters im Sohne (wie
nach dem Traducianismus) für die Vorstellung fortdauert,
führen patriarchalische Ariki später zu der Thronfolge kraft
göttlichen Rechts. Anderswo konnte dann „bonorum possessio“
vom Erben verlangt werden, als „familiae emptor“.


Unter gemeinsamem Landbesitz haben die Miteigenthümer
eines indischen**) Dorfes besonders getrennte Rechte (the de
***)
[112] facto partition of the stock being checked by inveterate usage).
Im russischen Dorfe findet periodische Vertheilung des Landes
statt, das dann in der Zwischenzeit zur freien Verfügung
der einzelnen Familien in weiterer Vertheilung bleibt, bis
wiederum für neue Vertheilung zusammenfallend. Im kroati-
schen Dorfe wird das Land gemeinsam bebaut, um dann die
Producte nach den Ansprüchen der verschiedenen Familien
zu vertheilen. Die Speisenvertheilung „to the Sclavonian vil-
lagers of the Austrian and Turkish provinces by the elders
of their body“ (s. Maine) geschieht einmal jährlich, durch die
Häuptlinge schottischer Clans früher täglich.


**)


[113]

Die auf dem römischen Recht basirenden Theorien nehmen
für das Eigenthum*) ihren Ausgang von Res nullius und der
Occupatio, mit weiterem Anschluss der Souveränitätsrechte
durch den ersten Entdecker**) neuer Länder in der Adprehensio,
und daraus folgenden Schwierigkeiten für die Bestimmung
des Umfangs. Zur Milderung der in damaligen Anschauungen
involvirten Unmenschlichkeit der Plünderungskriege kam das
Menschlichkeits-Gefühl auf Naturrechte zurück, die das Privat-
Eigenthum wahren, nachdem dieses in fortgeschrittenen Zu-
ständen seine Anerkennung gefunden. Die charakteristische
Physiognomie des Einzeltypus bestimmt sich in jedem Fall
nach klimatisch-geographischen und weiter historisch-poli-
Bastian, Völkergedanke. 8
[114] tischen Wandlungsverhältnissen der Umgebung, aber unter
solchem Localabdruck wirkt ebenmässig überall ein gleich-
artiges Gesetz, das zu kennen, da mit Ausdehnung der
internationalen Beziehungen sich Conflicte*) mehren müssen,
wenn nicht die leitenden Gesichtspunkte als Gemeingut unseres
Verständnisses Jedem zur Hand sind.


Wie in Betreff der Stammeskreise stehen die aus römi-
schem Recht in unserer Culturgeschichte als geltend ge-
schöpften Ansichten auch bei dem Eigenthum im diametralen
Gegensatz zu dem bei der Majorität der Naturvölker gelten-
den, die weit entfernt, eine ursprüngliche Schenkung der
Erde (in Blackstone’s Sinne) anzunehmen, vielmehr im Gegen-
theil jedes der Dinge um sich herum in der Hand eines
Besitzers glauben, von dem erst durch Sühnungen oder Ge-
lübde die Erlaubniss eines Niessbrauches erworben werden
möchte.


Und doch, weil aus den Ursachen des Warum erklär-
bar, liegt hierin kein Widerspruch zu allgemein gleichartiger
Gemeinsamkeit menschlicher Gesellschaftsgesetze.


Unsere Cultur nimmt ihren Ausgangspunkt in den
classischen Unterlagen, als abgeschlossen fertig gegebenen, —
[115] als in einiger Hinsicht sub beneficio inventarii (s. Röder)
angetretene Erbschaft, — auch in den Rechtsbestimmungen,
„modern jurisprudence accepting all their dogmas without
reservation“ (bis zu der durch den Zwang der Dinge selbst
erzwungenen Reaction), während wie weit sie für die römi-
schen Juristen selbst als solche galten „their language leaves
in much incertainty“, indem diese noch für das Verwachsen-
sein*) mit ältern Wurzeln ein dunkles Gefühl bewahrten, das
aber vor der aufsteigenden Geschichtssonne mehr und mehr
verblich, und bei dem neuen Aufbau einer fremden Civilisation
in gänzliche Vergessenheit sinken musste. Auf diese ursprüng-
lichen Vorstadien wird uns das Studium der Naturvölker
zurückführen, nicht etwa (wie keiner Bemerkung bedarf)
um bestehende Einrichtungen zu reformiren, sondern um von
der Entstehung des Bestehenden einen richtigen Einblick zu
gewinnen, von seiner organischen Entwicklung, und damit
in die Erfordernisse naturgemäss gesunder Fortentwick-
lung, um pathologischen Abweichungen zu rechter Zeit bereits
vorzubeugen, ehe sie in Revolutionen Zerstörung anzurichten
vermögen.


Griechische ὶσότης, soweit staatlich (wie rechtlich in
Aequitas) zulässig, wurde in Rom (bei dem Zusammenfluss
der Fremden in künftiger Weltstadt) als „Naturalis Aequitas“
über das zunächst auf italische Stämme bezügliche Jus gentium
erweitert, im Hinblick auf die ausserhalb der Gerichtsbarkeit
des Corpus juris civilis Stehenden, indem die im jus feciale
(als Vorläufer des Völkerrechtes) bereits fühlbaren Bedürf-
8*
[116] nisse*), dann auch für Privatpersonen (besonders für Be-
günstigung des im freien Verkehr der Civilisation Bahn
brechenden Handels) zur Rücksicht gelangen mussten (wie
im engeren Kreise für die „pays de droit coutumier“, neben
dem „pays du droit écrit“ anerkannt), bis weiter mit stoischem
τὸ ὁμολογουμένως (ἀκολόυϑως) τῇ φύσει ζῇν das Naturrecht
(über Dumoulin’s juristische Theorieen hinaus) zum Durch-
bruch kam.


Im natürlichen System fand Fries (in der Botanik)
„quoddam supranaturale“ (in der Verwandtschaft der Or-
ganismen) und dass „singula sphaera (sectio) ideam quandam
exponit“ im Schöpfungsplan, wogegen nach Darwin die im
natürlichen System ausgedrückten Verwandtschaftsgrade „die
verschiedenen Grade der Anstammung variirender Nach-
kommen gemeinsamer Ureltern“ bezeichneten (s. Sachs), wobei
dann aber für die „Ureltern“ selbst oder Ur-Ureltern das
„supernaturale“ noch völlig dasselbe bleibt und für die Varia-
tionen ihre Weite erst durch die Aussagen objectiver That-
sachen, wenn im erschöpfenden Ueberblick bekannt, bestimmt
werden kann. Wenn es sich einerseits für die inductive
Forschung von klarem Nutzen erweist, solch’ Uebernatürliches**)
[117] das sich anfangs immer gleich im Anfang vordrängt, so weit
wie möglich aus dem Gesichtskreis hinauszuschieben, so
würde sie andererseits mit ihren eigenen Grundprinzipien
brechen durch hypothetische Erweiterung der Variationen
über den jedesmaligen Horizont gesicherter Thatsachen.


Wie unbewusst die Vorstellungen aufsteigen, so schaffen
sich die gesellschaftlichen Bedürfnisse, zunächst unbewusst,
ihre entsprechende Befriedigung, und an gegebenen Wende-
punkten krystallisirt dann ein System heraus, für die religiösen
Anschauungen ebensowohl, wie für rechtliche Institutionen.
Solch’ stabile Anhaltpunkte*) werden periodisch für Stetigung
des Entwicklungsflusses verlangt, sie müssen indess im Fort-
gang desselben, wenn allmählig anachronistisch verknöchernd,
hemmende Schranken zwischenschieben, und manchmal steigert
sich dann der Widerspruch zwischen veraltenden Bestim-
mungen und dem thatsächlich in der Gegenwart Gegebenen
**)
[118] zu solch’ schreienden Widersprüchen, dass sich nur im
Bruch gewaltsamer Revolutionen ein neues Gleichgewicht
herstellen lässt. Es ergiebt sich deshalb die Aufgabe, hier
eine feine Fühlung zu erhalten, besonders in der Jurispru-
denz, welche dies zunächst in den „fictiones legis“ zu erreichen
sucht, wodurch die Gesellschaft „escaped from their swadd-
ling clothes“ (s. Maine), während sich später dann im Rück-
greifen auf das Naturrecht der Grundsatz der Billigkeit bot
(the very conception of a set of principles invested with a
higher sacredness, than those of the original law), und
schliesslich tritt, bei volksthümlicher Staatsverfassung, die
bewusste Gesetzgebung in ihre Rechte.


So, wenn im religiösen System die Orthodoxie stark
genug bleibt, die steten Erschütterungen aus heterodox
ketzerischen Secte machtlos niederzuschlagen, wenn sie die
ununterbrochen mit Erweiterung und Veränderung des Hori-
zonte’s, im Rollen der Tageswandlungen neu aufsprudelnden
Fragen mit den Entscheidungen aus unfehlbarer Alterthums-
weisheit erdrücken zu müssen meint, so hat sie selbst damit
den Zwiespalt der Weltanschauung herbeigeführt, wie wir
ihn so oft zwischen Religion und Philosophie klaffen sehen, —
gesehen haben und sehen werden, bis eine auch die Psychologie
umschliessende Naturwissenschaft sich zu dem Versuche fähig
fühlen dürfte, eine einigende Brücke zu schlagen.


Im Gegensatz zu dem früheren, aus einer fest abge-
grenzten Geschichtsbetrachtung natürlichem Bestreben, Ana-
logien, wenn in socialen Gebräuchen oder religiösen Vor-
stellungen entgegentretend, auf historische Beziehungen zurück-
zuführen, und daraus zu erklären, hat es unter der mit
Erweiterung des geographischen Gesichtskreises anwachsenden
Masse des Materiales, als die Aufgabe der Ethnologie er-
scheinen müssen, zunächst auf elementare Grundgesetze*)
[119] völkerpsychologischer Entwicklung zurückzugehen, und erst,
nach stattgehabter Eliminirung, in zweiter Reihe, historische
Ursächlichkeiten zuzulassen (und sie stets soweit nur, wie
auf topographisch gesicherter Basis nachweisbar).


Sobald die Kritik diese principielle Differenz ausser
Acht lässt, so lange sie fortfährt, von einem zur Gewohnheit
gewordenen Standpunkt her Bücher zu betrachten, die mit
diesem in bewusster Absicht gebrochen haben, so
lange wird ihr, von solchem Standpunkt aus, weil einem
diametral entgegengesetzten, Alles auf dem Kopfe stehend
erscheinen, das Unterste zu Oberst, und bleibt, bei Vergegen-
wärtigung solch’ verkehrter oder umgekehrter Welt, ein
allzu liebenswürdiger fast, der Langmuth solcher Zuschauer,
die trotz des in ihrer Beobachtungslinse nothwendig gespie-
gelten Wirrwarr’s, die darin zusammengeknäuelten Bücher
dennoch einer Beachtung werth zu halten scheinen, statt sie,
im kurzen Process, mit dem gerechten Verdammungsurtheil
zu beseitigen, das über die Symbolik mit ihren Völker-
flickereien, ihren Wanderungslabyrinthen und etymologischen*)
*)
[120] Monstruositäten längst gefällt ist (und das nur noch ver-
schärft zu wünschen wäre, um alle Wiederbelebungsversuche
im Keime abzuschneiden).


Unsere Forschungsmethode in der Ethnologie ist, nach
den Anforderungen der inductiv naturwissenschaftlichen, eine
voraussetzungslos vergleichende, aus den nach einander heran-
tretenden Erfahrungen, die für ihren Umfang noch unbegrenzt,
für die schliessliche Tragweite jedes einzelnen Falles noch
nicht zu übersehen sind, und sich mit zunehmender Detail-
kenntniss sogar beständig vor unseren Augen über noch un-
betretene Felder weiter ausdehnen.


Wie nun ein Pionier-Reisender bei dem Betreten eines
bis dahin unbekannten Landes, jede Eigenthümlichkeit am
Wege zu registriren hat (wenn auch für den Augenblick
vielleicht nur als Curiosum), so sind aufstossende Analogien
vorläufig als solche zu constatiren, Aehnlichkeiten also,
weil einmal vorhanden, damit anzudeuten. Einige verwerthen*)
sich sogleich durch naturgemäss geschichtliche Beziehungen,
andere mögen später ihre Bedeutung zeigen oder — mögen es
*)
[121] nicht, das braucht zunächst nicht zu kümmern. Denn jetzt
muss hier
, als unverbrüchlicher, der Grundsatz gelten,
dass nie ein Schritt über das sicher Constatirte
hinaus geschehen
darf, keine frühzeitige Einmischung will-
kührlicher Verstandes-Abstractionen und deren Gebilde statt-
haft ist. Für verführerisch ableitende Hypothesen ist kein
Boden gefährlicher und schlüpfriger, als der der Ethnologie, und
deshalb bedarf es hier vor Allem der Ascese, der Selbstentsagung
und Geduld, um bei den trocknen Thatsachen stehen zu bleiben,
so schwer das manchmal auch ankommen mag. Wenn während
dieser Vorbereitungsstadien*) die unter Ungunst der Verhält-
[122] nisse hervortretenden Bücher eine für Fernerstehende etwas
abschreckende*) Form bewahren, so mag es darum sein,
da diejenigen, denen es ernstlich um die Sache zu thun ist,
den Eingang schon finden werden, wie in jeder Fachwissen-
schaft die damit Vertrauten. Und emsige Arbeiter**) nur sind
*)
[123] für die nächste Zeit hinaus zunächst erforderlich, nur ihrer
bedürfen
wir vor Allem, nicht jener speculationsgewandten
Hitzköpfe, die gern neue Literaturfelder für Curiositäten ab-
suchen, um sie für gangbare Lieblingstheorieen oder wissen-
schaftliche Romane zuzustutzen, in Kant’s „dogmatischem
Geschwätz“ (das seinem klaren Kopf zum Ueberdruss ge-
worden).


Ob jeder Zweck sein Mittel heiligt, mag die beliebte
Controverse bleiben, dass aber, bei beruhigtem Gewissen über
die Heiligung, die Mittel zum Zweck, für Erreichung dessel-
ben, nothwendige Vorbedingung bleiben, dürfte auf keine
Controverse stossen. Wer nun in dem mühsam herbei-
geschleppten Baumaterial nicht die Mittel, sondern den Zweck,
zu sehen sich caprizirt, der mag darin eine Entschuldigung
finden, sich solcher Arbeit zu entziehen, vielleicht auch im
eigenen Kopf Baumaterial genug zu finden meinen, zierlicher
und bequemer, als das von der Natur gewährte. Mit ästhetischer
Geschmacksrichtung soll nicht gestritten werden, doch mögen
dann ihrerseits auch störende Zwischenreden erspart bleiben,
da sie die Erreichung des Zieles nur noch länger hinaus-
schieben, und damit jene Theorieen, auf welche als bessere
und zuverlässigere, im Vergleich zu manchen früheren, ge-
hofft wird (in naturgemässer Rückwirkung wissenschaftlicher
Fortschritte auf practische*) Erfolge).


Während nach Darwin’s Lehre neben der fortgehenden
Variation nur noch die durch den Kampf ums Dasein be-
wirkte Auswahl die fortschreitende Vervollkommnung der
**)
[124] organischen Form bedinge, wies Nägeli darauf hin, dass
schon in der Natur der Pflanze selbst Gesetze der Variation
vorgezeichnet seien, welche unabhängig vom Kampf um’s
Dasein und der natürlichen Auswahl zu einer Vervollkomm-
nung und fortschreitenden Differenzirung der organischen
Formen hinführen (s. Sachs), nachdem Schleiden die „Botanik
als inductive Wissenschaft“ unter die Naturwissenschaften
(neben Chemie und Physik) eingeführt hatte. In der Embryo-
logie traten die Ergebnisse von Hofmeister’s: „vergleichenden
Untersuchungen“, (grossartigere, als auf dem Gebiete der
descriptiven Botanik je vorgekommen), „ohne weitläufige Dis-
cussionen, welche die Genauigkeit der Methode überflüssig
machte, sofort klar hervor“, (die Materialien liefernd, aus
denen Haeckel eine „phylogenetische Methode“ aufzustellen
suchte, als mit Ausbildung der Descendenzlehre die Constanz
der Arten aufgegeben wurde).


So lange eine neu aufsteigende Theorie*) die gesammte
Aufmerksamkeit concentrirt, vermag, ausser ihr, das von dem
unerwarteten Glanze geblendete Auge nichts Anderes**) zu
sehen, und man glaubt dann leicht, in ihr bereits das letzte
Wort gefunden zu haben. Als ob dies je gesprochen werden
könnte! und nicht die den Beobachtungskreis einengende Zeit-
spanne schon ihr Veto einlegte. Selbst unserer auf allen
[125] Seiten durch mathematische Formeln gesicherten Astronomie
könnte Missgunst vorhalten, dass eine ihre bisherige Lebens-
dauer weit übersteigende Zahl von Jahrhunderten hindurch
die frühere Theorie der Epicykeln ebenso sicher und fest
gegolten, und dennoch vom Abend auf den Morgen plötzlich
gefallen.


Ein Dutzend Jahre hindurch schien jeder Zweifel an
der Descendenztheorie Ketzerei, und dennoch hatte man so-
manche Theorien in nächster Nähe, die gleiche oder längere
Zeit hindurch mit Enthusiasmus begrüsst und betrieben
waren, ohne deshalb vor dem Sturze, als ihre Zeit gekom-
men, bewahrt zu werden.


„Die Vorstellung vom schraubenförmigen oder spiraligen
Gang der Entwicklung sämmtlicher Sprossungen der Pflanze
ist nicht nur eine unzweckmässige Hypothese, sie ist ein
Irrthum“ (s. Hofmeister), aber nichtsdestoweniger bleibt
Schimper’s Theorie (von der Blattstellung nach Zahlenverhält-
nissen und geometrischer Construction) „eine der beachtens-
werthen Erscheinungen in der Geschichte der Morphologie“,
weil sie überhaupt eine consequent durchgeführte Theorie
ist (s. Sachs), wie Brown’s in der Medicin (seit 1780).


So liegen auch die Einwürfe gegen die Descendenzlehre
nicht darin, dass sie auf Grund der von Darwin mit be-
wundernswerthem Scharfsinn und ausdauerndem Sammelfleiss
angeordneten Thatsachen eine Theorie*) entworfen, dass sie,
was, wie in vergleichender Anatomie der Zoologen, De Can-
dolle botanisch im Symmetrieenplan des Typus auszudrücken
[126] suchte, in unabhängigere Beleuchtung gestellt, dass Entwick-
lungsvorgängen (wie bei Nägeli’s Gewebezellen aus der Scheitel-
zelle) allgemeinere Anwendung gegeben, sondern in dem
vornehmlich, worin über das soweit sicher Constatirte weiter
hinausgegangen wurde, als die Bewahrung des Schwerpunkts
erlaubte (bis zu eigener Negirung*) in Einführung philosophi-
scher Zersetzungskerne aus dem Absoluten**) in die natur-
[127] wissenschaftlich gefestigten Relativitäten), in der Täuschung
zunächst, dass das Gebiet der Naturwissenschaften bereits
**)
[128] zu überblicken sei, so lange die Psychologie*) darin noch
fehlte. „Die Behauptung, dass die sinnliche Erfahrung alle Er-
fahrung erschöpfe, ist so ungerechtfertigt, wie etwa die Be-
hauptung, dass alle Materie Schwere besitze“ (Wundt).


Mit dem Anschluss an die Physiologie ermöglicht sich
für die Methode die naturwissenschaftliche Durchbildung
der Psychologie, und in den Gesellschaftsgedanken**) wird
**)
[129] ihr die Ethnologie jetzt das bisher mangelnde Material be-
schaffen. Σὺν Αϑηνᾷ καὶ χεῖρας κίνει!


Nur innerhalb von Raum und Zeit, und den relativ
dort gegebenen Verhältnissen, kann eigene Thätigkeit Klar-
heit des Gedankens erlangen, Einblick in Ursache und
Wirkung, Zweck, Entwicklungsphasen u. s. w. Wenn über
das Räumlich-Zeitliche hinaus, wir in das Ewig-Unendliche
des Entstehens eintreten, verschwinden, mit Anfang und
Ende, alle daran geknüpfte Folgerungen, und bleibt uns nur
ein Unbekanntes*), das in deutliche Rechnungen eingeführt,
**)
Bastian, Völkergedanke. 9
[130] diese verundeutlichen, ja als Null völlig negativiren würde,
da mit den soweit bekannten Rechnungsmethoden die für
Auflösung erforderliche Formelfassung eben noch unfassbar
ist. Zum Verständniss eines Dinges müssen die für sein
Bestehen zusammenwirkenden Bedingungen bekannt sein,
wogegen für das Entstehen des Tellurisch-Solarischen die
Wurzeln in einem kosmischen Jenseits liegen, über dessen
Abschluss es auf dem heutigen Standpunkt der Kenntnisse
noch gänzlich unmöglich bleibt, eine irgend entsprechend
angenäherte Vorstellung hervorzurufen. Wir verstehen natur-
wissenschaftlich die Kräftewirkungen im Stoff, die Materie
selbst aber ist vorläufig als gegeben anzunehmen, und wenn
wir auch in soweit zulässiger Theorie bis auf einen nebularen
Ursprung zurückgehen mögen, sind wir damit doch von
*)
[131] erster Entstehung noch ebenso weit entfernt, wie vorher.
Wenn aus den Folgereihen der Bildungsprocesse der Planet
Erde hervorgeht, so sind die Elemente als solche anzunehmen,
ohne dass wir uns jedesmal Rechenschaft geben könnten,
weshalb aus ihren Combinationen etwa diese Felsarten hier
oder jene dort vorwiegen möchten. In gleicher Weise muss
in einer bestimmten Phase aus der Wechselwirkung des
Tellurischen und Solarischen das jedesmal organische Leben
(in specieller Modification des, allem Bestehen überhaupt
bereits, in Urprinzipien vorauszusetzenden Lebens) aufsprin-
gend gedacht werden, das sich in seiner geographischen
Vertheilung für characteristische Repräsentationen an be-
stimmte Localitäten geknüpft zeigt. Beim Studium geolo-
gischer Vor-Epochen (soweit bereits genügende Daten für
deren Gleichartigkeit über die Gesammt-Oberfläche des Globus
vorliegen) mögen wir aus Vergleichung früherer Revolutionen
suggestive Aufklärungen erhalten, auch für das vegetabi-
lische und animalische Leben, das im beschränkten Maass-
stabe, als beständig noch schöpferisch fortwirkend setzbar,
während betreffs des Erscheinen’s seiner dominirenden Vertreter
die Bedingungen an eine dafür günstige Entwicklungsstadiums-
Phase geknüpft, zu supponiren sind. Die daraus hervorge-
gangenen Typen werden jedoch (innerhalb der Spielweite ihrer
Veränderungsmöglichkeiten im Wachsthum, unter mikrokos-
mischer Wechselwirkung mit der Aussenwelt) ebenso stabil
zu setzen sein, wie die chemischen Elemente, so lange die
physikalischen und physiologischen Gesetze der inductiven
Naturwissenschaften unter die für sie adoptirten Grundlagen
fortgelten.


Statt in bequem hypothetischer Weise den (von ersten
Atomen zurückconstruirten) Ursprung des Lebens von einem,
nach momentan vorwiegenden Liebhabereien gewählten, Mittel-
punkt über die Erde zu vertheilen, bleibt uns die schwierigere
Aufgabe, in der Mannigfaltigkeit des Organischen vorerst
überall das geographisch an die Oertlichkeit der Umgebungs-
9*
[132] wandlungen Gebundene abzuscheiden, und dann die späteren
Zugaben auf den Mannigfaltigkeiten einzuschlagender Wege
(und unter der Vielfachheit der auf denselben eintreffbaren
Schicksale) zu verfolgen. Das Endziel*) läuft aus in die
gesetzliche Harmonie der Kräfte, die den Menschen auf
geistig-körperliche Gesundheit**) im nationalen Gesellschafts-
bande hinweist, um im ungestört organischen Fortschritt
geistige Schöpfungen im All zu zeitigen.


De non existentibus et non apparentibus eadem est ratio,
wie gleiches auch für das Gegentheil gilt, und indem das
Seiende (oder einmal Gewesene) wieder in Nichtseiendes
nicht verschwinden kann, stellt sich die Fortdauer***) fest,
[133] nicht als solche in dem elementar zersetzenden Kreislauf stoff-
lichen Lebens, dagegen aber in den Elementartypen selbst, für
jeden Gedanken, der harmonisch im Selbstbewusstsein aufsteigt,
und so auch dieses einschliesst. Würde das Denken als ein
***)
[134] Produkt der Hirnwindungen betrachtet, wie Wärme vom Feuer,
Duft von Blumen ausgehend, so liesse sich in Parabeln weiter
festhalten, dass wie die Wärme auf materielle Körper der
Umgebung, der Duft auf nahe Sinnesorgane einwirke, so auch
der Gedanke das verwandte Medium seiner Manifestation
finden werde (und gefunden habe in den das Zeitlich-Räum-
liche besiegenden Errungenschaften). Was freilich hat das
Feuer daran zu erwärmen, was der Duft zu ergötzen? wenn
überhaupt eine Nase treffend, möchte Naseweisheit fragen*),
und solchem Zweifler wird die Antwort nicht fehlen, sobald
er sich in die Daseinsbedingungen des Feuers oder des
Duftes genügend hineinzudenken vermöchte, um die Voraus-
[135] setzungen ihrer Zufriedenheit zu erstehen. Die unsrigen
dagegen kennen wir im Selbstbewusstsein genugsam, um zu
wissen, dass in Wechselwirkung des Geistigen mit heller Strah-
lendem (im potenzirten Gedankenaustausch der Verdichtung,
wie nach den Eigenthümlichkeiten der Menschenexistenz im
Gesellschaftsleben*) anstrebbar), höherer und höchster Genuss
[136] gewinnen, als Grundbedingung weiterer Umgestaltungen.
Manch armer Tropf durchwälzt den ärmsten Kopf mit Fragen
und Vermuthungen, die besten Falle’s doch nur wieder in
ein Glaubensbekenntniss verlaufen könnten. So mancher,
als malade imaginaire, liebt es, sich zu zermartern in der
Lebenskomödie, mit Selbstqualen. Besser, als stumpfes Hin-
brüten, ein freies Umherblicken, ringsum, je weiter und tiefer
in die Natur, desto besser. Und wenn sich dann Alles in
bester und schönster Ordnung fände? beste und schönste
Hoffnung auch auf ferneren Verlauf. Aus dunklem Ursprung
entsprossen treibt das Leben blendendem Glanze entgegen,
dem das in Aetherschwingungszahlen eingeschlossene Auge
ebensowenig adäquat ist. Doch auch hier bereits klingen in
ahnungsvoll verheissenden Tröstungen Harmonien eines Kos-
*)
[137] mos, denen harmonisch Gebildetes adäquat sein muss, Eine
Bedingung, also nur für den, der an der Alles durchströmenden
Glückseligkeit theilnehmen will, und dies die Bedingung,
naturgemäss geistiger Gesundheit: klar und wahr zu sein
mit sich selbst (in harmonischer Sympathie mit der Um-
gebung), — denn der Kranke und Elende verfällt dem Pessi-
mismus, und an ihm, wenn es zu gruseln beginnt, haben
sodann die Priesterärzte zu heilen*). Dafür nun die Illustra-
tionen aus der Ethnologie, wie, wann und wo beliebt und
in jeder Auswahl obendrein.


Ohne durch die Existenz-Möglichkeiten in einem Jen-
seits**), worüber sich nach der planetarischen Stellung des
[138] Menschen ein klarer Durchblick nicht erlangen lässt, abgezogen
zu werden, ist die gesammte Energie und Thätigkeit auf die
(in directer oder indirecter Weise auf das Engste mit dem
Fortschritt der Wissenschaft verknüpften) Verbesserungen des
gegenwärtigen Lebens in seinem staatlichen Gesellschafts-
organismus zu richten, und im Festhalten an der von der
Natur überall und deutlichst verkündeten Lehre, dass für
Wohlfahrt und Wohlergehen die erste unerlässlichste Grund-
und Vorbedingung in der Gesundheit gegeben ist, wird
ein Anstreben, auch geistiger, Gesundheit die idealen Interessen
**)
[139] der Menschheit besser hüten, als tröstende Vorspiegelungen,
die, wenn sie nichtig verwehen, mit um so härterem Fall den
bedrohen, der auf sie sich stützen zu können wähnte. Auch
hier wird an die Stelle des Meinen und Scheinen, der trüge-
rischen Glaubensschwankungen*), dann der deutlich klare Aus-
spruch des Wissens treten, dem jedesmal erreichten Stufen-
grade gemäss. Für solch naturwissenschaftliche Durchbildung
der Psychologie in der Wissenschaft vom Menschen hat die
Ethnologie das Material zu beschaffen, — und rasch**) mög-
lich, ehe zu spät dafür auf immer (wie es droht).


[140]

Il est bon de se choisir dans le passé des amis, qui
ne changent ni avec les années ni avec les revolutions, ni
avec le malheur (s. Laboulaye), in den Büchern der Biblio-
philen oder (s. Wins) der Bibliomanen, und so lebt der Ge-
lehrte in seinem Studio mit den Edelsten der Geister, die
vor ihm auf der Erde erschienen, im trauten) Verkehr. Doch
wie viele ihrer auch zählen mögen in den Bänden an den
Wänden, wie verschwimmen diese Individuen in der Fluth
der Geschichte, die des Menschengeschlecht’s Entwickelung
trägt! In den Wogen seiner Gedanken, wenn ringsum in
der Völkerkunde entfaltet, wird ein neues Leben schwellend
emportreiben, schwellend und erstarkend, je mehr die aus allen
Zonengürteln des Erdballs herbeiströmende Geistesnahrung
jeden Einzelnen mit durchwallt, in dem das Gesammte um-
schlingendem Bande.


**)


In Nachstehendem noch einige Ergänzungen betreffs der Eheverhält-
nisse (und Anschliessendes) zu den früheren Behandlungen dieses Thema’s
z. B. Zeitschrift für Ethnologie Bd. VI, S. 380; Bd. X, S. 43. Rechts-
verhältnisse (Berlin 1881) u. A. m.


[[141]]

Bis zur Feststellung, durch staatliche Gebräuche, der mono-
ganischen*) Ehe, „the creature of the social system“ (s. Morgan), treten
aus den in wilder Ehe bei ursprünglicher Paarung — the agree-
ment of the parties and consummation, bei Bushman (s. Sparmann) —
in den hie und da zusammengeschlossenen Gruppen (nach den
Kreuzungslinien in den Heirathen modificirt), neben polygamischen
auch polyandrische Formen in die Erscheinung.


In Lancerota (zur Zeit der Entdeckung) und, von Caesar in
Britanien erwähnt, findet sich Polyandrie**) bei den Pandu (des
Mahabharata) und in Ceylon (nach Tennent) „amongst the wealthier
classes“, während sie in Tibet von Horatius della Penna auf die
Aermeren beschränkt wird, dann bei Toda***), Saporoger, May-
pures u. s. w. genannt.


In Tibet wurden nur solche Mädchen geheirathet, die einem
Reisenden zugeführt, von ihm einen Ring empfangen hatten (nach
Marco Polo†), wie bei den Sifan (nach Garnier) oder in Yunan (nach
Martini), sowie in Lydien (bei Aelian) u. s. w. Cooper sollte am
Kinsha Kiang verheirathet werden, als Reisender. In Lybien trugen
[142] die Frauen die von den Liebhabern erhaltenen Ringe an den
Knöcheln (nach Herodot). Am Congo beweist sich die Gastlich-
keit in Ueberlassung der Frau und so (nach Muir) früher in Europa.
In Arracan wurden die Matrosen für Zwecke der Entjungferung
gesucht, was anderswo den Priestern (den Butios u. s. w.) auflag.


In Caindu wurde Frau Tochter und Schwester dem Fremden
überlassen, damit dieser mit ihnen im Hause wohne, weil dies
Glück seitens der Götter bringe und Reichthum (wie ähnlich in
Kamul) und (nach Bernier) im Himalaya, dann bei den Massageten
(nach Strabo), Bactrier (nach Eusebius), Hazaras (nach Elphin-
stone), auf den Ladronen (nach Mendoza), auf den Canarien
(s. Major), bei den Nairs u. s. w. (s. Yule). Nach Scheinehe durch
Tali mit einem gemietheten Mann, kann das Mädchen (bei den
Nour) als Amato männliche Besuche empfangen (besonders von
den Namburi-Brahmanen, die sich dann reinigen). Bei den Vellala
in Coimbatore lebt der Vater mit dem erwachsenen Mädchen,
das seinem Sohne im Knabenalter angetraut ist (s. Jagor). Bei
den Tottgar in Madura lebt die Frau mit den Verwandten*) des
Mannes, besonders den Oheimen (nach Cornish). Bei den Thlin-
kithen hat die Wittwe ein Jahr den Verwandten des Verstorbenen
zu dienen. Bei Wiederverheirathung einer Wittwe wurde der Reipus
gezahlt (im germanischen Recht).


Wenn die Wittwe bei Damara, Haidah, Samoa u. s. w. auf
den Bruder übergeht, oder bei Egba, Mishmis u. s. w. dem Sohne
zufällt, ergiebt sich das aus dem Eigenthumsrechte des Erben auf
ein gekauftes Gut, so lange nicht Exemptionen durch Verträge
gesichert sind (wie in Padang).


Die Samojeden heirathen ausserhalb der Geschlechter, und so
die Jakuten in andere Geschlechter hinein. Die Horden der Kal-
mücken heirathen kreuzend nach Aussen (s. Hell). Die Ostjaken
dürfen eine Frau gleichen Namen’s nicht heirathen, und dies war
auch bei amerikanischen Stämmen verboten. Unter den Pihsing
(Hundertfamilien) trugen Mann und Frau verschiedene Namen (in
China). Verwandtschaft verbietet Heirathen (s. Du Chaillu), doch
heirathet (unter Bakalai) der Sohn die Wittwen des Vaters (ausser
der eigenen Mutter). Cimon heirathete seine Halbschwester Elpinice
(von verschiedener Mutter). Der Brahmane darf eine Frau, deren
Ghotra (Kuhstall) oder Geschlechtsname gleichartig ist, nicht
[143] heirathen. Die Danaiden, Töchter des Danaus, Bruder des Aegyptus,
flohen vor der Heirath mit den Söhnen dieses (nach Argos). Weil
aus dem Thum heirathend, gehören (bei den Magar in Nepaul)
Mann und Frau verschiedenen Stammesgeschlechtern an. Bei den
Yurak und Kasovo darf nicht innerhalb der Verwandtschaft ge-
heirathet werden. Die Guarani durften keine Verwandten heirathen
(nach Dobrizhoffer).


Bei den Telush der Circassier müssen nicht nur die Mitglieder
des Stammes, sondern auch ihre Leibeigenen nach Aussen hin
heirathen. Die Rajputen betrachten sich in den weitesten Ver-
zweigungen des Stammes als Verwandte, die, als Bruder und
Schwester, nicht miteinander heirathen können. Da für das Mädchen
ein Ehemann von hoher Kaste zu suchen, nahm, wegen der wach-
senden Schwierigkeiten, (und zugleich der hohen Unkosten bei Ver-
mählungen) die Tödtung der Mädchen mit dem hohen Rang der
Kaste zu.


Den Arowaken war verboten in das Geschlecht der Mutter
zu heirathen (s. Berau). In Yucatan (s. Landa) durfte nicht in
die Verwandtschaft des Vater’s geheirathet werden. Nach Herrera
vermieden die Maya Heirathen vom gleichen Stamm mit dem
Vater. Bei den Mantschu ist die Ehe verboten zwischen Personen
verschiedener Familiennamen. Unter Arabern hat der Vetter
nächstes Anrecht auf die Base. Ehelosigkeit*) wird bei den Erular
(s. Harkness), Teehur u. s. w. erwähnt (und weiterer Communismus).


[144]

Bei den Locrern (in Italien) wurde der Adel von den Stammes-
müttern gerechnet (nach Polybius). Die Colonisten von Lyktos
betrachteten sich mit den Spartanern verwandt, weil von sparta-
nischen Müttern, sowie die Athener, wegen der durch die Pelasger
von Brauron nach Creta gebrachten Frauen. Die Geschlechter
folgen in weiblicher Linie bei den Ashango. In Guyana pflanzen
sich die Familien (der Siwidi, Kamafadi, Onisidi u. s. w.) weiblich
fort. Bei den Banyai zieht der Mann zum Dorfe der Frau, dort
zu wohnen (der Schwiegermutter dienend). Bei Trennung unter
den Irokesen folgten die Kinder der Mutter. Fand bei den Azteken
eine Trennung statt, blieben die Töchter der Mutter, die Söhne
dem Vater*).


In römischer Ehe ging die Frau in manum viri über, als
Tochter. Liberorum quaerendorum causa wurde die Ehe geschlossen
[145] (s. Quinctilian) und παιδοποιεῖσϑαι γνησίως (bei den Griechen).
Die Genossenschaft der Familie stand (bei den Germanen) unter
dem Mund der väterlichen Gewalt, aber „puyssance de père
en France n’a pas bien“ (unter den Franken). Die männlichen
Kinder sind (bei Germanen) Miteigenthümer, neben dem Vater des
Allodialgutes, das nicht veräussert werden darf (weder inter vivos
noch testamentarisch). In Rom wurden testamente in den Comitia
curiata vollstreckt (als Comitia calata). In der Erbschaft stand der
Gentilis vor dem Cognaten (und waren Schwesterkinder, als anderer
Gens angehörig, ausgeschlossen). Agnaten sind alle Cognaten in der
männlichen Linie abstammend, neben den durch Fiction in die
Familie aufgenommenen Personen. Waren in Athen bei Mangel
von Söhnen nur Töchter als Erbinnen (ἐπικλήρες) mussten sie den
Nächsten in der Verwandtschaft heirathen, obwohl sonst Heirathen
im gleichen Stamme verboten waren. Nach den zwölf Tafeln erbten
erst die Kinder (mit der Mutter), dann die Agnaten oder sonst die
Stammesangehörigen. Eine einzige Tochter hiess nach der Gens
(wie Tullia, Cicero’s Tochter), dann, nach der zweiten (Minor) oder
Major, wurde gezählt: Tertia (Tertulla), Quarta (Quartilla) u. s. w.
In den jüdischen Geschlechtsregistern wurden nur die männlichen*)
Descendenten aufgeführt (neben den Erbtöchtern oder den für die
Geschichte des Stammes bedeutungsvollen Frauen). Heirathen**)
konnten in allen Graden der ἀρχιστεια oder συγγένεια stattfinden,
aber nicht innerhalb des γένος (s. Becker). Durch Heirath gingen
(in der Deminutio capitis) die agnatischen Rechte der Frau verloren
(in Rom).


Bastian, Völkergedanke. 10
[146]

An der Spitze des γένος stand der ἄρχος, als Häuptlig, an der
Spitze der Gens der Princeps (in Rom), und jeder Gens sandte
ihren Decurio in den Senat. Die Mitglieder der Gens (bei den
Griechen) gelten als ὁμογαλάκτες. Mit 100 Gentes einigte sich der
lateinische Stamm der Ramner in Rom, dann der sabinische der
Tities und weiter der (besonders mit Etruskern) gemischte*) der
**)
[147] Lucerer unter Senat, comitia curiata und rex. In der claudischen
Gens (unter Appius Claudius aus Regili nach Rom gekommen)
war die Familie der Claudier patricisch, nicht jedoch die Familie
der Marcelli. Die Gens Cornelia begriff die Scipionen, die Lentulus,
die Cossus und die Sylla. Die Claudier, von den Sabinern zuziehend,
erhielten ihr Familiengrab auf dem Capitol. Der von Maroboduus
nach Rom gesandte Kopf des Varus wurde vom Kaiser in das Grab
der Gens beigesetzt. Zu Cicero’s Zeit trat an Stelle des gemein-
samen Grabes der Gens das Familiengrab.


Die dem γενος aufliegende Blutrache wurde (zu Orestes Zeit)
über die Phratrie erweitert (bei Aeschylus). Das durch Draco
auf die gens des Getödteten beschränkte Recht der Strafe wurde
von Solon auf die Bürger übertragen, um das allgemeine Interesse
zur Geltung zu bringen, und ebenso wurde die Freiheit des Indi-
viduum gefördert, indem Solon das Recht des Testaments verlieh,
während bis dahin Eigenthum in der Gens gemeinsam vererbt war.
In Rom hatte der pater*) familias das jus vitae necisque mit
dem Recht auf alles Eigenthum (und als libripens oder emptor
familiae übernahm der Erbe alle Rechte und Pflichten des Testator),
aber das Castrense peculium wurde später von der patria potestas
abgeschieden, und ähnlich gewährte das Recht des Krieges den
Plebejern Güter von den Eroberungen, obwohl ihnen der ager
romanus versagt war, ausserhalb welches Grenzen die Secession
*)
10*
[148] nach dem Mons sacer stattfand. Aus Vereinigung der Stämme
bildete sich der populus romanus, aber die Plebs war von den
Comitia curiata ausgeschlossen, also (ausser den mit Patriciern
verbundenen Plebejer) ohne Rechte. Connubia promiscua habent
more ferarum (die Plebejer). Plebs*) gentem non habet. Im
Widersinn gegen die Aristocratie war die Plebs daher der Ein-
setzung der Könige geneigt (als Tyrannen im Sinne der Griechen).


Nach Lycurg’s Rhetra sollten die Stämme und Obes unver-
ändert erhalten werden. Die drei Stämme (Hylleis, Pamphyli und
Dymanes) zerfielen in ὠβαι (in Sparta). Die Jonier Attika’s waren
in vier Stämme getheilt, als Geleontes, Hopletes, Aegicores und
Argades. Neben den Pedier wohnten die Diacrier in den Bergen,
die Paralier am Meere. Die τριττυς bildeten sich aus den ναυκραρίαι
(zwölf Haushalte aus jedem Stamm), in Eintheilung der Maori nach
Canoe (der Einwanderung von der Seeseite gemäss) wiederholt.
Mit Trittyen wurden Verbindungen von vier Naukrarien begriffen.
In Verschmelzung der Gaue der Ramnes, Titier und Luceres
ging (als Synökismus) Rom**) hervor, wobei Drittel zu Tribus
[149] wurde (s. Mommsen), wie Trifo (umbrisch) oder τριττυς (attisch).
In den Nachkommen der Senatoren*), als principes, qui appellati
sunt propter caritatem, principes (s. Cicero), wurden die Patricier
geschaffen (von Romulus), patres certe ab honore patriciique pro-
genies eorum appellati (Livius), auch Erhebung unter die Patricii
wegen Verdienste stattfand. Gegenüber den Senatoren der Ramnes
und Tities, als patres majorum gentium, wurden die der jüngern
Luceres als patres minorum gentium bezeichnet. Unter Bezeichnung
der Optimaten im Senat als Patres**), folgten ihre Söhne „als Patricier,
und nach Vellejus Pat. sind „nomen Patriciorum von den (100) Patres
abgeleitet. Wie Numa (gleich Theseus in Athen) das Volk nach Klassen
oder Beschäftigungen***) (s. Plutarch) theilte (als Erzarbeiter, Töpfer,
Steinschneider, Goldgiesser u. s. w.), so Servius Tullius nach dem
Vermögen (neben den ausgewählten equites) in fünf Classen, in
den comitia centuriata (als exercitus) zusammenberufen, und solch
militärische Einrichtung (wie Solon, neben den Beamten, die Reiter,
Schwerbewaffneten und Plänkler stellte) bedingte dann zugleich die
Scheidung in Seniores und Juniores†). Jede Centurie zerfiel
**)
[150] (nach Vertheidigungs- und Angriffswaffen) in die Aelteren über
55 Jahr, und die Jüngere über 17 Jahr (unter Verbindung der
Patricier und Plebejer in den Legionen). Man schied nicht mehr
dreifach die (τὰς τρεῖς φυλὰς τάς συγγενικάς) φυλὰς τὰς γενικάς,
sondern vierfach (von Servius eingerichtet) die φυλὰς τὰς τοπικάς
(nach Dionysius), in Verbindung der Metoiki mit den Bürgern
(unter den tribus rusticae).


Die öffentlichen Opfer gehörten nicht dem Priester, sondern
dem Könige, als Prytanen oder Archonten (s. Aristoteles), gleich
βασιλεῖς ιεροὶ (bei Pindar). Der Kriwe Kriweito (in Romowe)
stand höher in Ansehen, als der König (nach Helmold). Die Lu-
cumonen, als etruskische Magistrate, die Tages’ Lehren entnommen,
bedeuteten (nach Festus) Besessene.


Die Butaden stellten die Priester der Athene Polias, wie die
Priester des Poseidon Erechtheus in der Acropolis. Die ἱερόποιοι
legten die Orakel aus (in Athen). On pouvait hair ou mepriser
les dieux de la cité voisine, quant aux divinités d’un caractère
général et universel, comme Jupiter Céleste ou Cybèle ou Junone,
on était libre d’y croire ou de n’y pas croire. Mais il ne fallait
pas, qu’on s’avisât de douter d’Athéné Poliade ou d’Erechthée ou de
Cecrops (s. Coulange*).


Die γένη, welche die ἀνδρας (oder Familienväter) der Familie
(oder οἶκοι) vereinigte, wurde durch das religiöse Band der πατρῷα
ἱερὰ vereinigt, und wie bei der geheiligten Speise der ϑεοι ἐγγενεις
waren Fremde ausgeschlossen. In Argos durfte kein Fremder den
Tempel der Hera (als Nationalgottheit) betreten. Die Ὀργεῶνες
(von ὀργιάζειν) traten als Mitglieder von Genossenschaften zur Aus-
übung eines gemeinsamen Cultus zusammen (s. Harpokrates). In
den Familien**) wurden die Manen-Opfer den Vorfahren gebracht
und von den Nachkommen erwartet. In Athen wurden die Skla-
ven am Heerde dem Familiengott durch Wasserbegiessen geweiht,
unter Zusammenessen von Früchten und Kuchen, gemeinsam mit
den Mitgliedern der Familie. Unter den Maori blieben Kriegs-
sklaven ohne Atua, da sie die eigenen verloren, und denen ihrer
Herren nicht zugetheilt wurden. Die Lidi werden vom Lehn ab-
sorbirt.


[151]

Beim vierjährigen Reinigungsfest*) (unter dem Censor) wurde
(in Rom) das Sühnopfer**) des Suovetaurile (Schaf, Schwein und
Rind) gebracht unter Zählung des Volkes (wie jährlich in Athen).
Zu den Sacra paganorum (unter den Sacra popularia) gehörten
die Lustratio paganorum, von den magistris paganorum vollzogen,
und beim Aufgehen der Saat (ulutatio carmine diaboli) wiederholt,
in der Lustratio agrorum (am Fest der Ambarvalien)***).


[152]

Die Erntegötter bleiben die wichtigsten, und die Angst des
Verhungerns macht fromm*), selbst wildeste Völker, die sonst ihre
Götter, wie die Naga u. a. m., bedrohen**) mögen, zu demüthigem
Betteln treibend oder Büssungen in allen Continenten. Wenn unter
den Preussen die Priester bei Missernten die Vermittlung Ausch-
weit’s anriefen, bekannte und beklagte das Volk reuig seine Sün-
den. Hier haben die meteorologischen Wechsel in den Jahreszeiten
die Möglichkeit eines Wechsels, also auch zum Guten, genugsam
bewiesen, während der Hinblick auf den unerbittlichen Tod, trotz
seiner Schrecken des Unbekannten, gleichgültiger lässt, da die
Deiwes Walditoyes genannten Göttinnen dem Menschen sein Todten-
hemd weben, im Gang des mechanischen Naturganzens fortwebend
zum Ende, und hier nur mit übernatürlicher***) Offenbarungskraft
eingegriffen werden könnte, wie um die Hand der Parzen abzu-
halten, den Lebensfaden zu durchschneiden.


In bestimmten Adelsfamilien erbt die Pflicht zur Opferstellung
beim Tode königlicher Familienglieder auf den Carolinen (wie bei
den Chibcha). Die Nachkommen der sieben Rishi zerfallen in ver-
schiedene Gotra (bei den Brahmanen) und das Heirathen geschieht
zwischen verschiedenen Gotra desselben Stammes†), weil sonst das
Pinda oder Ahnenopfer nicht gebracht werden kann. Nach Be-
seitigung des Königthums††), blieb dem Basileus die Priesterliche
[153] Function. Dem (römischen) Könige wurde neben seiner religiösen
Function das imperium durch besonderen Beschluss übertragen.
Sacerdotes (in Pancheia) sunt duces. Der durch das Loos be-
stimmte König in Rügen stand über dem König (nach Helmold).
Der Familienpriester gehörte früher derselben Gotra oder Klasse
an, wie der Kschatrya, in dessen Hause er lebte (und so bei den
Khatri).


In Athen wurden Eupatriden und Theten oder Pelaten unter-
schieden. Theseus theilte die Eupatridae in Geomorie und De-
miurgi. Die Vornehmen weilten (in Attica) auf ihren Demen, nur im
Kriege sich nach der Stadt zurückziehend. Quorum aliqua ratio
est (ὧς τις ἐστὶ καὶ λόγος), als Angesehenen der Stadt (bei Justi-
nian). Theognis unterschied in Megara die ἄγαδοι (als boni homines
und Goden) und κακοι. Die Armen (Dschadang) heissen, als
Schlechte, Kusagattar (schlechtgekleidete) bei den Jakuten (s. Mid-
dendorf). Die Begüterten waren gut (als boni homines).


Der Vassus (ähnlich dem Gasindus) übernahm die eidliche
Verpflichtung, dem Senior für dessen, wie beziehungsweise für sie
eigne Lebenszeit, ingenuili ordine zu dienen, mit Anspruch auf
defensio (s. Roth). Der Primus Alamannus fiel unter die Wehr-
mannen (oder Arimann) als höchster Adel der Freien. Die kriege-
rischen Begleiter der Bojaren hiessen deren Kinder oder Deti
Boyarskie (Bojarenkinder).


In Sparta befehligte*) der Basileus**) das Heer und brachte
††)
[154] Opfer (neben der Gerousia und den Ephoren). Unter Charilaos
(zur Zeit Lycurg’s) wurde das Königthum in Sparta als Aristo-
kratie begründet (nach Aristoteles). Zu Homer’s Zeiten wurden die
Könige als ανάκτες bezeichnet. Unter den Arten des Königthums
bezeichnet Aristoteles als aesymnetische die τυράννις. Neben der
βούλη (als Versammlung der Häuptlinge) und der ἄγορα (als Ver-
sammlung des Volks) stand der Basileus (als Kriegsherr). Auch
nach Abschaffung des Königthums wurde die priesterliche Function
des Basileus im Rex sarificulus bewahrt. Die Sodalitates, mit dem
Zweck einem Heiligthum angeknüpfter Opferfeuer und Festmahl-
zeiten, hiessen Collegia templorum.


Die von Numa gestifteten Handwerkercollegien (collegia opi-
ficum et artificum) versammelten sich meist ad aedem Minervae.
Den Tubicines war unter besonderer Gunst auch der Tempel
Jupiter zugestanden. Der dem Mercur geweihte Tempel wurde im
collegium mercatorum gestiftet (s. Livius), wie die Kaufleute Mexico’s
ihren Cult besassen (mit staatlichen Aufträgen). Als Inhaber der
sabinischen Sacra (retinendis Sabinorum sacris) waren die Sodales
Titii dem Cult ihres Eponym (König Tatius) gewidmet (nach
Tacitus), dicti ab avibus, quas in auguriis certis observare solent
(Sarro). Die Sodales standen unter sich in gesetzlich anerkannter
necessitudo, wie die cognati oder affines (s. Marquardt). Die
Gens einigt sich im religiösen Band.


Das von dem Sohne im Kriegsdienst erworbene peculium cas-
trense bildete sein Eigenthum (zur Zeit Augutus’). Res Nullius
wurde Eigenthum durch occupatio. „Absolutes Zueignungsrecht*)
**)
[155] des Menschen auf alle Sachen“ folgt nach Hegel, denn „jede Person
hat das Recht, in jede Sache ihren Willen zu legen“.


Das Eigenthum blieb in den Gens (in Athen), bis durch Solon
diese Bestimmung auf den Fall eines Testaments beschränkt wurde.
Weil im Jubeljahr ohne Kaufschilling an den ursprünglichen Be-
sitzer zurückfallend, konnte Grundeigenthum nicht verkauft, son-
dern nur cedirt werden (bei den Indern). Den Vereinigungen von
Geschlechtern und Verwandten (gentibus cognationibusque homi-
num, qui una coerint) ward jährlich (bei den Germanen*) Land
angewiesen (nach Caesar).


Im Gefolge des Kriegsherzoges entwickelte sich der Feuda-
lismus, mit weiteren Formen des Hofadels. Jeder (unter den In-
dianern) konnte einen Kriegszug**) organisiren, „by giving a war-
dance and inviting volunteers“ (s. Morgan). Und so der Scythe,
auf der Ochsenhaut sitzend (s. Lucian), oder der Germane (bei
Tacitus). Devoti, quos illi soldurios appellant (in Gallien),
des Häuptlings (s. Caesar), wie bei Jolof. Der Teuchli
(Krieger), als höchster unter den Häuptlingen der Azteken,
wurde geehrt durch einen Gehülfen mit Sitz hinter ihm (s. Cla-
vigero).


*)


[156]

Samoa*), wo in den Fono oder Versammlungen die Malo oder
Siegesparthei die Tulu-fono genannten Gesetze erliess, wurde durch
Factionen regiert, wie (zur Zeit Caesar’s) Gallien. An der Spitze
der einen Faction (unter den Celten) standen die Aeduer (unter
einem jährlichen Vergobret**), der seinen Nachfolger ernannte), an
der Spitze der anderen erst die Arverner, dann die Sequaner
und später die Remi.


Die (den Phylen untergeordneten) Phratrien (φρατρα oder
φρατρια), denen die einzelnen Geschlechter (γενη) zugetheilt waren,
versammelten sich am Fest der Apaturien (unter dem φρατρίαρχος)
zur Aufnahme der im Jahreslauf in der Phratrie Geborenen (wie
bei den Odjibwä die Kinder zur Aufnahme in den Midé-Orden
präsentirt werden). Nach Isaeus wurde jedes Kind in die Phratrie
eingetragen, und dem γένος des Vaters. Romulus benannte die
Curien nach den sabinischen Frauen (s. Plutarch). Die römischen
Curien unter sich oder (bei Dionysius) Phratrien standen mit ihren
Gentes unter den Tribus. Allen Phratrien der Phyle stand (in Athen)
[157] der Phylo-Basileus vor (aus den Eupatriden). Die πατρα (nach
Dikaearchus) erweiterten sich zu Phratria durch Einheirathungen
(nach Steph. Byz). Nestor rieth Agamennon, die ἀνδρας zu ordnen
κατὰ φῦλα, κατὰ φρήτρας (bei Homer), wie die Germanen*) (bei
Tacitus). Theseus begründete die Synoikia, indem er die Beamten-
schaft (Prytaeia mit Archonten) aus den Kome in der Polis zu-
sammenführte.


Die Phratrien feierten das gemeinsame Fest der Apaturien. Bei
den Festen von Theoenia, Apaturia u. s. w. wurde an den Festen**)
der gemeinsamen Stammväter ein Gott verehrt. Nach Dionysius
hielten die Curien (in Rom) ein Mahl vor dem Gotte (auf Holz-
tischen speisend, aus irdenen Gefässen). Die Sacra pro curiis be-
standen in Opfern und gemeinsamem Göttermahl. In Athen be-
gleitete die παρασίτοι den Archoten zum Fest. Die Häupter der
Tribus***) nennt Dionysius τριβῶν ἡγεμονίας (in Rom). Der Tri-
bunus stand an der Spitze der Tribus (als φυλοβάσιλευς). Nach
Stephanus von Byzanz ging die Patria (πατρᾶ) in Phatria oder
Phratria über, als Aussen-Heirathen Platz griffen.


Nachdem Hä-go-went-hä (Hiowatha) durch den weisen Da-gä-
no-we-dä (der Onondaga) die Gesetze des Bundes für die Irokesen
hatte verkünden lassen (bei der Sitzung am See Onondoga), ver-
schwand er in einem weissen Canoe.


Neben den Sachems†) (des Friedens) oder Ho-gar-na-go-war
und dann für Verhandlungen, als Ha-sa-no-wä-na stand der Kriegs-
[158] häuptling oder Hos-gä-ä-geh-da-go-wä, als zweifacher, aus dem
Wolf und der Schildkröte der Seneca (weil von Westen besonders
Angriffe drohten) im Nun-da-wä-o-no (grosses Hügelvolk). Der
Sachem des Stammes fungirte im Bunde unter Annahme des für
das Amt festgestellten Namen.


Die Sachem (durch Aufsetzen von Hörnern geweiht) oder
Hogar-na-go-war wurden gewählt als Berather des Volkes oder (bei
Aeschylos, δήμου προβούλοι, neben dem Ha-sa-no-wä-na (erhabener
Mann) oder Häuptling. Die Doppelheit der Kriegsführer entsprach
der spartanischer Könige oder der Consul in Rom. Während die
Sachem, als Sä-ke-mä, bei den Delawaren erblich, waren sie bei
Irokesen*) vom Bunde gewählt. Nachdem bei Eröffnung des Rathes
der Ceremonien-Meister das (von den Sachem umwandelte) Feuer
gerieben, rauchte er gegen Zenith, Boden und Sonnenstand (Grosser
Geist, Erde und Sonne) zur Dankbringung**) (bei den Irokesen).
Die bei der Bundesversammlung vortretenden Sachem jedes
Stammes theilten sich in Classen nach den Geschlechtern, denen
sie angehörten, und hatte zuerst Einigkeit unter sich herzustellen
(dann im Ganzen).


Die in der Anordnung der Wampum hingesprochenen Ueber-
lieferungen wurden bei Trauer im Rath oder Hen-nun-do-nuh-seh
†)
[159] (wenn der Name einen Nachfolger verlangte) vor der Versammlung
durch Auslegen (von den Onondaga-Sachem) gelesen.


Die Stämme*) der Irokesen zerfielen in De-a-non-da-a-yoh
(Brüdershaften oder Phratrien, als Horden) mit Bär, Wolf, Biber,
Schildkröte und mit Reh, Schnepfe, Reiher, Habicht (unter den
Seneca), indem die Heirathen von einer Abtheilung in die andere
kreuzten. Beim Ballspiel stehen sich die Phratrien gegenüber. Bei
drohendem Aussterben des Habicht traten Mitglieder des Wolfs
dahin über (unter den Seneca-Irokesen).


Zehn Familien der Afghanen stehen unter einem Spir (Weiss-
bart), zehn dieser unter einen Kandi-daser (Häuptling), dieser unter
dem Malik oder Muschir, um im Chail vom Chan beherrscht zu
werden. Der Haftleng (Stamm) zerfällt (bei den Bachtiaris) in
Familien. Unter dem Geschlecht (Rod) in näherer Familienbezie-
hung steht der Stamm (Orda oder Horde).


Die Thlinkithen zerfielen in die Phratrien des Wolfes und des
Raben (mit ihren Geschlechtern in Kreuzheirathen).


Jede der zwei Phratrien (des getheilten Volkes und geliebten
Volkes) enthielt zwei Geschlechter (bei den Choctaw).


Die Chickasa theilte sich in die Phratrien des Panthers und
der Fremden (mit ihren Geschlechtern), die Mohegan waren in drei
Phratrien (des Wolf, der Schildkröte und Aal) getheilt (mit den
Geschlechtern).


Bei den Wyandot (mit 8 Geschlechtern) waren die Sachem
(jedes Geschlecht’s) erblich (vom Onkel zum Neffen), die Kriegs-
führer wählbar.


Bei den Dacota sind die Banden (worin die Geschlechter im
Nomadenleben übergegangen) durch Symbole (von Thieren) be-
zeichnet.


Bei den Punkas sind die Sachem (männlicher Erbfolge) aus
den Familiengliedern wählbar.


Die vier Phratrien der Tlascalaner standen jede unter ihrem
Kriegshaupt (Teuctli), und so finden sich vier Phratrien bei den
Azteken.


[160]

Die Manipurer und ihre Nachbarstämme (Koupowes, Mows,
Muram, Murring) sind alle in vier Familien (Koomul, Losang,
Argom und Ningthaja) getheilt (s. Mc. Lennan).


Die Stämme (Aimak) der Mongolen zerfallen in Kokhum
(Banner).


Die Häuser (Beth) oder Geschlechter der Hebräer waren in
Genossenschaften oder Bünde (Mispacah) vereinigt, und diese in
Stämmen (Matleh), wie die Leviten von den Söhnen Gersons (Libni
und Shimei), die Söhne Kohath’s (Amran, Izhar, Hebron und
Uzziel) und die Söhne Merari’s (Mahli und Mushi) zerfielen.


Bei den Arabern zerfällt der Kabyle in die Hamula und diese
in die Ashira, welche sich aus den Piyut (Pet oder Haus) zusammen-
setzt (mit Heirathen in engsten Verwandtschaftsgraden).


Unter dem Sirdor oder Häuptling zerfallen die Tomun oder
Stämme (unter einem Tomundar) bei den Beluchen (von Aleppo
durch Araber hergeleitet) in Para (unter dem Muqaddam) und diese
in Palli mit Familien.


Die Stämme der Rewas (in Fiji) sind weiter getheilt. Die
Hapu oder Stämme gliedern sich (bei den Maori) als Iwi (Knochen)
nach den Canoes, welche die Einwanderer gebracht.


Neben Neo, dem Geist des Lebens, Atahocan (dem Himmels-
herrn), Tarenyawagon (dem Thürhüter des Himmels), Agreskoe
(dem Kriegsgott) fand sich in der Höhe Atahentsic, die Himmels-
frau, die (weil in Einen der sechs Urmenschen des Himmels ver-
liebt) von Atahocan kopfüber aus dem Himmel geschleudert, auf
den Rücken einer Schildkröte (im Wasser) niederfallend, die
Zwillinge des (guten) Inigorio und des bösen Gegensatzes ge-
bar, und dann (nach Ausdehnung der Schildkröte zur Erde) eine
Tochter, von der die Söhne Yoskeka und Tho-it-sa-ron geboren
wurden (bei den Irokesen).


Auf die Erde herabkommend, zeugte der Gross-Manitu mit
der (bei der Geburt sterbenden) Erdenfrau die Kinder Manabozho
(Schutzherr der Menschen), Chibiabos (Beherrscher der Todten-
seelen), Wabasso (vor dem Licht nach Norden in der Gestalt eines
weissen Kaninchens fliehend) und Chokonipok (der Feuerstein-
Mann). Als den Tod der Mutter verursacht habend, wurde Cho-
konipok von Manabozho angegriffen, und nach langem Kampf ge-
tödtet, wobei in seinem Zerrissenwerden die Feuersteine überall
umhergestreut wurden, den Menschen Feuer zu gewähren, und
dann wurden für sie von Manabozho die Aexte, Lanzen, Pfeilspitzen,
Knochen- und Stein-Instrumente erfunden, sowie die Kunst Fallen
und Schlingen zu stellen, Netze zu verfertigen u. s. w. Als Chi-
biabos durch den Neid der Manitu auf dem Eis des See’s durch-
gebrochen war, kamen die durch den Zorn des klagenden (und sie
in die Tiefe stürzenden) Manabozho Erschreckten mit den Medicin-
[161] säcken der begünstigten Thiere und Pflanzen, um in der aufge
richteten Priesterhütte, unter Gesängen, den Grossen Medicin-Tanz
zu lehren, während Chibiabos als Herr der Todten eingesetzt
wurde. Nachdem Manabozho bei Rückkehr vom grossen Geist,
zu dem er aufgestiegen war, die Mysterien des Medicin-Tanzes be-
stätigt, verlieh er der Erdenmutter Minckumigawa die Keime, um
Gift- und Heilpflanzen (gegen Krankheiten) hervorwachsen zu
lassen, und tödtete die den Menschen feindlichen Ungeheuer (fossi-
ler Knochen), vier Geister in die Cardinalpunkte setzend. Sollte
der auf eine Eisscholle des arctischen Oceans zurückgezogene Mana-
bozho getödtet werden, wird ein Weltbrand Alles verzehren
(s. Schoolcraft). Nachdem Kichenmonedo (neben Matchemonedo) die
erste Menschenrasse wegen Undankbarkeit in einem See ertränkt,
schuf er einen Jüngling, dessen Schwester von den fünf Besuchern nur
den letzten, Tamin oder Montanun (Mais), zulächelnd empfing, wäh-
rend die übrigen bei ihrem Abwenden, todt niederfallend und be-
graben, den Tabak (Usama), Pumpkin (Wapako), Melone (Esh-
kossimin) und Bohne (Kokees) wachsen liessen (nach den Pottawa-
tomie). Der aus der Muschel hervorgekommene und vom Grossen
Geist mit Bogen und Pfeil (sowie Feuer) versehene Mann ver-
mählte sich mit der Tochter des Biber (nach den Osagen). Im
Dorf Leipe (bei Burg) zeugt der Stammherr mit Hirschkuh. Varro
enumerare deos coepit a conceptione hominum, quorum numerum
exorsus est a Jano (Aug.), una navi exul venit (in die Tiber).
Mit Janus, als Matutinus pater, beginnt der Tag. Nach Heraklit
bildete sich die Sonne jeden Tag neu, νέος ἐφ ἡμέρῃ (bei Arist.),
und so der (auf Ulea u. s. w.) gegessene Mond in vielerlei Versionen.


In der neuen Religion von Gäneodiyo bei seinem Besuche des
Himmel’s und der Hölle offenbart (1800), bezogen sich die von
Sosehawä gepredigten Lehren*) auf die Pflichten der Eltern und
Kinder zu einander, die Sorge für die Waisen, die Pflege der Alten
und Kranken u. s. w., dabei besonders die Verbote des Feuerwassers
und den Landverkauf an die Weissgesichter einschliessend.


Bastian, Völkergedanke. 11
[162]

Vorher jedoch schon durchwaltete ihre, auf Reinheit*) (des
Herzens**)) begründete, Religion der grosse Geist Hä-wen-ne-yu,
den sie im Federtanz (O-sto-weh-go-wä) feiernd ehrten.


The beliefs (der Irokesen), when brought together in a con-
nected form naturally call forth an expresson of surprise. A faith
so purely spiritual, so free from the tincture of human passion, and
from the grossness of superstition, can scarcely be credited, when
examined under the ordinary estimate of the Indian character
(s. Morgan).


Die (nach dem Naturell der Neger in den Sybaritismus epi-
curäischer***) Götter übergehende) Auffassung des grossen Geistes
deckt mit dem Monotheismus arabischer Wüsten auch die Prairien
der Indianer. Die Götzenfiguren†), wie sie bei sesshafter Handwerks-
geschicklichkeit vielarmig attributenreich, für die verschiedenartigen
[163] Bedürfnisse magischer Operationen gebildet werden, fehlen, soweit
durch Zaubersprüche noch ersetzbar, und obwohl die drei Korn-
schwestern*) Deohoko oder (s. Morgan) Our Supporter’s gekannt
sein müssen, weil zur Erhaltung des Lebens selbst erforderlich,
auch „Grossvater“**) Heno mit dem Donnerkeil, der bei den
Erntearbeiten die Luft in Gewittern verklärt, so belästigt man sich
doch mit keinem weiteren Cult der Honochenokeh („Invisible Aids“,
die von der Gottheit über die einzelnen Naturgegenstände***), in
jeden derselben gesetzt sind), ausser ihrer dankenden Erwähnung
in den Gebeten.


Anders aber nun mit Hä-ne-go-ate-geh, den die Legende zu
Hä-wen-ne-yu’s jüngerem Bruder macht, der indess auch ohne solch
mythische Schöpfung, als realiter existirend gefühlt wird, in jedem
Augenblick des Lebens, als dieses Lebens Elend und Jammer.
Ihn der, wenn kein Zoroaster in seinem Sohn Oshedar-Mah
einen Wächter gesetzt, überall sich einschleicht, wie Kurrat
der Esthen†), den man wie die Tschuwashen es gegen den
bösen Schaitan von Thore erflehen, gerne gefesselt sähe, wie Hi-
kuleo††) in Bolotu durch Mani und Tangaroa, ihn sucht man nun an
11*
[164] dem unumgänglichen Reinigungsfeste*) zu vertreiben, am besten,
wenn, wie im Jelbola der Wogulen, die Götter herabkommen (um
Neujahr). Bei irokesischem Neujahrsfest**) oder Giyewanousquä-
gowä gingen „disguised in bear skins or buffaloes robes“ (und son-
stigem Fastnachtsscherz) die Festordner (taking corn pounders***)
in their hands) bei den Häusern umher, befehlend: „Clear away
the rubbish, drive out all evil animalsҠ) (s. Morgan). Den Ost-
jaken, die ihre Verehrung an den Gott Innen Nom (da droben)
richten, sind die bösen Lus gefährlich, die sich auch in die Götzen-
bilder verstecken, und unter dem Mordwinen steht dem Gott Paas
oder Pas (bei Ersaner) oder (bei Mokshaner) Skei (Himmel) der
unterirdische Master Pas gegenüber (wie räumlich, auch im feind-
lichen Sinne).


Bei den Sorben in der Lausitz wird das an hoher Stange
befestigte Strohbild††) des Todes (wozu wer die letzte Leiche gehabt
das Hemd liefern muss) im Laufe aus dem Dorf getragen (von
Steinwürfen verfolgt) und an die Grenze des nächsten Dorfes ge-
††)
[165] bracht, hinübergeworfen, worauf die Singenden mit grünen Zweigen
zurückkehren. „Die Jugend des anderen Dorfes aber läuft ihnen
zuweilen nach, und wirft ihnen den Tod wieder zu, so dass es
zeitweis zu Hader kommt“ (s. Schwenck).


Ebenso am Alt-Calabar unter den verschiedenen Dörfern, wenn
man sich die ausgetriebenen Krankheitsgespenster gegenseitig zu-
jagt, oder auf den Nicobaren zwischen den Inseln, wenn die Süh-
nungsböte (aus Jambulos’ Zeit) statt in’s offene Meer an verkehrte
Küsten schwimmen.


Zum Schutz gegen die überall drohenden Uebel lässt sich bei
gewiegter Priesterkenntniss auch die elementare Kraft des Wasser’s,
in Aqua lustralis oder sonst, zur Purification benutzen, doch ist
dieser Sitz des mit Schaitan verwandten Jo bei den Tscheremissen
(s. Georgi) ein bedenklicher*), und die Wotjaken haben in Krank-
heit dem Wu Waschä (erzürnte Wasser) zu opfern.


Vertraulicher ist das Feuer des traulichen Heerdes, dem
Einigungsort hellenischer Familien, zumal es bei den Tschuwashen
auch durch tägliche**) Speisung kirre zu halten, um dann als
mächtiger Agni zu schützen. Bei Wiedererzeugung nach der Feuer-
löschung kommt es besonders auf die Reinheit des Materials an,
und wie den Inkas ein Brennspiegel, dient im Nothfeuer das Holz-
reiben, und dies heilige Feuer, durch Reiben von Hölzer erzeugt,
umtanzten beim Frühlingsfest die Finnen, als Hela-walkia.


Das von Ilmarinen geschlagene, von Wäinämöinen geblitzte
Feuer sprüht aus dem neunten Himmel zum zehnten, dann, als rother
Knäuel in blauem, in das Wasser des Liemo-See’s fallend, in die
Spitze der Seegräser, die in Feuersgluth klagend, vom Schnäpel
††)
[166] verschlungen werden, wie sie dann vom Hecht, dieser durch den
rothen Lachs und er weiter durch den Karpfen, für dessen Fang
zwei Brüder das Boot aushauen und aus Hanf (in der Nacht
gesäet und im Mondschein gepflügt) Netze stricken. Als durch
straffes Anspannen mit Steinen gefangen, steigt zum Aufschlitzen
der schwarze Zwerg (oder Däumling) Uros aus dem Meere, mit
Steinschuhen an den Füssen und Steinhelm auf dem Kopfe und
dann zum Bannen wird nach einem Wisser oder Seher gesucht
(s. Schwenck), mit Analogien, wie in Loki’s benachbarter Sage,
so in der fernen Maui’s u. A. m.


Wenn man beim Herumtragen der Todespuppe dieselbe in
das Fenster gucken lässt, holt im Laufe des Jahres der Tod Jemand
aus dem Hause, wenn nicht durch Geldgabe abgelöst (in der
Lausitz), wie die Popanzen in den afrikanischen Geheimbunden
zum Schrecken dienen.


Für gefährliche Operationen bedarf es priesterlicher Wagehälse,
gleich den Baksa, die bei den Kirgisen den Verkehr mit bösen
Geistern unterhalten (ähnlich den Bixu Macassar’s), oder die Wedin
(oder Wedun) genannten Zauberer, die auch die Himmelsgestirne durch
einen Ubir oder Verwandelten bedrohen mögen, bei den Wotjaken,
denen die Tuna oder Tona ihre Götter befragen und die Ludu-
Tjäss Opfer bringen, wie dem Gott Prowe (s. Helmold) der Mike
(bei den Wagriern). Bei den Kutschinzen fungiren die Kamnö für
die Tus oder Idole, bei den Teleuten die Kam als Priester u. s. w.
Sonst genügen die Familienhäupter, wie bei den Satkatatia ge-
nannten Priestern der Wogulen, und wenn bei den Mordwinen
Priester mangeln, vertreten ihre Stelle „alle guten Männer“ (Atä
genannt). Bei Tschuwashen fungirt statt der Priester oder Tschuk
Toat ein „verständiger alter Mann“ und bei Ermangelung von
Priestern unter den Tscheremissen erwählt sich jede Gemeinde
(für die Opfer) den Kart, als alten klugen Mann von „unbeschol-
tenem Wandel“ mit dem Udschö, als Gehülfen. Für die Ho-nun-
de-ont (keepers of the faith) „suitable persons were selected by
the wise men and matrons out of their respective tribes and ad-
vanced to the office (bei den Irokesen), um (neben ihrem Amt
als Censoren) die periodischen Jahresfeste anzusagen und für die
Ceremonien derselben die Vorbereitungen zu treffen.


Im Grabe liessen die Irokesen der Seele die Möglichkeit
ihren alten Gefährten, den Körper, noch ferner zu besuchen, in
dem in Assam und bei Neger zum Einstecken von Speise und
Trank, auf Madagascar zum Seelenhaschen, dienendem Loch, das
benutzt wird, während die Ingrier oder Ischorken (s. Georgi) die
Speise neben den Todten einscharren, und wenn vergangen, von
ihm gegessen glauben (wie an der Westküste Afrika’s). In Sibirien,
wie auf den Aru, steckte man dem Todten den Mund voll Speise,
denn „Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen“, am
[167] Congo um wickelt man die Leiche, wie der Verwesungsprocess
fortschreitet, mit neuen Tüchern, um sie nicht fortzulassen, wie sie
(in Amerika auch) über Feuer gedörrt wird, und die Mumien standen
in heiliger Kammer der Behausung auf den Darnley, in Central-
Amerika u. s. w., während die Lappen die Skelette am heiligen
Platze lassen (die durch Hunde gefressenen Knochen durch deren
ersetzend). Da sich das Klappergebein wird mit Fleisch bekleiden
mögen, dass das (private) Eigenthum dem Todten zu lassen (mit
Mitbegraben der Waffen, Geräthe u. s. w.) lehrte (bis auf juristische
Spitzfindigkeiten in Abfassung von Testamenten) der Rechtssinn
sowohl, wie die Furcht unheimlicher Rache (die auch das Ver-
brennen feindlicher Beute für die Götter Lua verlangenden Mo-
tive), aber im Uebrigen erklären die Naturvölker, das Fortleben
zu beschreiben, ihre bescheidentliche Unfähigkeit, wie in Betreff
der Schöpfung „da keiner dabei gewesen“ (nach unmassgeblicher
Ansicht der Abiponen*)). Vielleicht weckt**) eine Budintaia (der
Preussen) die Schlafenden für Buddha, dem unter dem Bodhi-
Baum Erwachten, in dem als Budha erneuerten (oder in Ove
[168] der Fijier gebärendem) Mond, das Sinnbild des Fortlebens bei
Eskimo und Hottentotten, die „dem Mond, als ihrem sichtbaren
Gott Ehre anthun“ und „in Betrachtung ihres Eyffer’s, den sie
darbey spühren lassen, viele Millionen Christen beschämen“, sagt
Magister Peter Kolb. Und so der Reden gar viele.


Als manche der im Vorgegangenen behandelten Gesichtspunkte zusam-
menfassend, folgt hier ein am Geographentage*) Berlin’s gehaltener Vortrag:


[[169]]

Meine Herren! Wenn ich Sie um kurzes Gehör bitte für
die Ethnologie und deren Aufgabe, so handelt es sich, wie
kaum erwähnt zu werden braucht, um jene neue Wissen-
schaft, die über uns gekommen ist, wie ein Dieb in der
Nacht, vor deren plötzlichen, fast unvermittelten Ueber-
raschungen, wir fragend verwundert stehen, in der wir sie
zu erkennen glauben, die lang Verheissene, die lang Ge-
suchte: die Wissenschaft von Menschen.


Vor 10 oder 20 Jahren noch kaum bekannt und wenig
genannt, hat sich die Ethnologie, — eng ihrer Schwester
vereint, der Anthropologie, — mit einem Schlage zu einer der
populärsten Wissenschaften gestaltet, getragen von der all-
gemein geographischen Zeitströmung, die wir von unserem
Vorsitzenden ausgeführt hörten. Im Jahre 1869 wurde
die erste Gesellschaft für Anthropologie und Ethnologie
auf deutschem Boden gegründet, jetzt bestehen Dutzende
von Vereinen, in stets wachsender Zahl, damals kaum eine
Sammlung, die mit Berechtigung den Namen einer ethnolo-
gischen hätte beanspruchen können; jetzt bilden und mehren
sich Sammlungen ringsumher, erheben sich selbst bereits
Museen, der neuen Wissenschaft geweiht. Wo der Zeitgeist
mit so durchschallenden Schlagworten redet, so laut und
deutlich das ausspricht was er will, würde es Anmaassung
scheinen, in einem Commentar mitreden zu wollen. Es lässt
sich nur sagen: die Zeit verlangt die Ethnologie, organisch
[170] ist sie herangereift in jahrhundertjährigen Vorstadien, jetzt
aufgebrochen aus schwellenden Knospen, jetzt ist sie da,
steht sie vor uns mit ihren Fragen; uns liegt es ob, die
Antworten dafür zu finden.


Es könnte Wunder nehmen, jetzt erst von einer Wissen-
schaft des Menschen zu sprechen, von ihr, als einer neuen,
Wunder, dass der Mensch, der die ganze Natur durchforscht,
der sorgsam Steine, Pflanzen und Thiere studirt, sich selbst
vergessen haben sollte. Und doch, so ist’s, meine Herren,
so ist es hier, wie mit dem Ei des Columbus: Es versteht
sich von selbst, sobald vom richtigen Ende angesehen. Ehe
ein Studium beginnen kann, muss ihm selbstverständlich sein
Gegenstand zur Hand sein, denn aus Nichts kommt Nichts,
und zum Bauen bedarf es des Materiales, da uns gegenwärtig
Luftschlösser aus Gedankenbildungen gewebt, für unsere
materialistischer gesättigten Ansprüche nicht mehr genügend
substanziell gelten. Die Menschenkunde unserer Tage ver-
langte also zunächst den Menschen, wie er leibt und lebt,
nicht zufrieden länger mit den Menschenschemen, wie in
Gedankenschildereien gemalt. So lange der beschränkte Orbis
terrarum den Gesichtskreis abschloss, sah man wohl Völker
vor sich, Theile des Menschen, aber der Ausblick in die
Menschenwelt konnte sich erst eröffnen, als die kühnen Ent-
decker das Meer des Nebels und des Dunkels durchbrachen,
als die Seefahrten den Globus abrundeten und uns nun von
allen Seiten desselben der Mensch entgegentrat in seiner
Gesammtheit. Damit war indess erst eine erste Möglichkeit
für Entstehung der Ethnologie gegeben, und bei dem vielen
Neuen, das gleichzeitig einstürzte, hatte noch geraume Zeit
zu vergehen, bis sich die Aufmerksamkeit unter den ver-
schiedenartigen Beobachtungsobjecten auf den Menschen als
solchen zu concentriren vermochte. Solch’ thatsächlich reale
Auseröffnung eines Terrain für das Arbeitsfeld war immerhin
erste Vorbedingung, und daran anknüpfend lässt sich sagen,
dass es drei kritische Revolutionsstadien unserer Cultur-
[171] geschichte sind, aus denen, da in ihnen die Wurzeln der
organischen Entwicklung eingebettet liegen, die Ethnologie
jetzt in ihrer Reife hervorgetreten ist.


Zuerst, wie eben genannt, diese geographische Umge-
staltung, die in Verbindung mit der astronomischen, das gäo-
centrische System in ein heliocentrisches verwandelte, den
gesammten Globus in der ganzen Weite seiner Ausdehnung
aufschliessend, und dadurch von allen Seiten sich mehrendes
Material für eine neue Weltanschauung herbeiführte. Dann,
als naturgemäss daraus folgend, die inductive Reform, die
in dem dogmatischen Scholasticismus keine Befriedigung
weiter findend, sich der realistischen Auffassung zuwandte,
und weiterhin die sozialen Bestrebungen unserer Zeit, um die
Wohlfahrt des Einzelnen als Ziel der Gesellschaft, und die
Wohlfahrt der Gesellschaft im gemeinsamen Verbande der
Einzelnen, auf die naturgemässe Lehren vom menschlichen
Dasein zu gründen, unter Betrachtung des Menschen als
Gesellschaftswesen (dem genetischen Princip gemäss: aus dem
Werden erklärt und verstanden). Die Erfolge unserer natur-
wissenschaftlichen Weltanschauung sind vor Allem der In-
ductions-Methode zuzuschreiben. Nachdem dieselbe ihre
Siegesbahn betreten, die sie im allmähligen Fortschritt vom
Anorganischen zum Organischen geführt, — als sie in der
Biologie auch die Physiologie bemeistert, da liess sich vor-
aussehen, dass sie nicht beim Körperlichen stehen bleiben
würde. An die Grenze der Physiologie gelangt, fand sie
sich der Philosophie gegenübergestellt, und dort entbrannte
jetzt der Streit um die Psychologie. Sollte sie fernerhin
den Naturwissenschaften angehören, sollte sie, wie früher,
eine metaphysische Wissenschaft bleiben? Diese Frage,
meine Herren, ist von den Philosophen selbst zuerst gestellt.
Sie wissen, es war Beneke der die Psychologie als Natur-
wissenschaft auszubilden dachte. Ihm ist darin Waitz ge-
folgt in seiner „Psychologie als Naturwissenschaft“, und in
ähnlicher Weise sind die Arbeiten angelegt von Fries,
[172] Apelt u. A. m. Sie alle strebten in gleichem Sinne, sie fühlten
den Zug der Zeit, dass die Psychologie ebenfalls eine Natur-
wissenschaft werden müsste. Der Grund, dass sie gescheitert
sind, lag eben daran, dass ihnen das fehlte, was eine Induc-
tionswissenschaft als unumgänglicher Vorbedingung bedarf,
es fehlte Ihnen das Material. Beneke dachte dies in Selbst-
beobachtungen zu finden, obwohl schon Kant auf die darin
liegende Täuschung hingedeutet hatte; daneben könnte man
dann zurückgehen auf die Seele in der Psychiatrie, auf
pathologische Abweichungen, auf die Entwickelungsstufen der
Kindes-Seele, und auf die Thierseele auch mochten vorsich-
tige Seitenblicke geworfen werden, — aber Alles das war
ein beschränktes Feld. Sobald nun dagegen einmal die Ueber-
zeugung zum Durchbruch gekommen war, dass es sich zu-
nächst überhaupt gar nicht um den Gedanken des
Einzelnen
handele, sondern um den Völkergedan-
ken
, um den Gedanken der Gesellschaft, da plötzlich lag
das Material massenhaft da, in Hülle und Fülle. Es strömte
sogar in solchen Fluthen zu, dass wir uns gewissermaassen
eines „embarras de richesse“ zu erwehren hatten.


Für die Ethnologie ist der Mensch nicht mehr der in-
dividuelle Anthropos, sondern jenes Zoon politikon, das den
Gesellschaftszustand als nothwendige Vorbedingung seiner
Existenz fordert. Das Primäre ist also der Völker-
gedanke
, innerhalb welches sich der Einzelgedanke, als
integrirender Theil, seinen Verhältnisswerthen nach wird
fixiren lassen, und im Völkergedanken reflectirt sich die
ganze Welt geistiger Schöpfung, an den ethnischen Horizont
projicirt.


Diese ist dann allerdings, bei den Einzel-Individuen
wieder, für die Entwicklung zurückzuführen, in der Physio-
logie, auf den körperlichen Habitus, als dem (auch im
Psychischen gespiegelten) Abdruck des Milieu oder der
Monde ambiante, und damit auf die Anthropologie, die fest
gesicherte Stütze der Ethnologie, ohne welche dieselbe
[173] Gefahr liefe, sich in schwankende Phantom-Welten zu ver-
lieren.


Und dieser Gesellschaftsgedanke nun wird uns die
geistigen Schöpfungen, die psychischen Thaten des Mensch-
heitsgeistes vorführen, in den religiösen Vorstellungen, in
den Grundideen rechtlicher Institutionen und in allen Bedin-
gungen des socialen Lebens, wie es sich bald in weit-
greifenden Ergebnissen fühlbar machen muss, — denn welche
Wissenschaft könnte es für den Menschen geben, ohne sich
in der einen oder andern Weise mit der Wissenschaft von
dem Menschen zu berühren?


Die weiten und grossen Horizonte, wie sie unsere kosmo-
politische Weltstellung verlangt, jene geographische Er-
weiterung des Gesichtskreises, wie schon häufig von Klarer-
schauenden und Weiterblickenden zum Schaden unserer
gesellschaftlichen Wohlfahrt bedauernd vermisst, sie werden
durch die Ethnologie, die dem Menschen nächstliegende
Popularisirung der Geographie, am naturgemässesten herbei-
geführt, und zum Besten des Kaufmann, Fabrikanten, Diplo-
maten, Gelehrten realisirt werden, um aus der früher, so zu
sagen, mit Brettern vernagelten Welt continentaler Klein-
staaterei den Ausblick in das Universum aufzuöffnen.


Die Ethnologie gehört dadurch jener Zeitströmung an,
die von der rein philosophisch--logischen Bildung einer
realistischeren Unterrichtsform zustrebt.


Nicht allerdings, wie es manchmal in vielleicht wohl-
gemeintem Eifer geschieht, darf des Classischen hohe Be-
deutung irgendwie geschmälert werden, und am Wenigsten
würde dies der Ethnologie anstehen, die so oft Gelegenheit
hat, für eigene Controlle ihrer, weil allzu jung, noch unstäten
Principien, auf die sorgsamen Detailarbeiten classischer Li-
teratur zurückzukommen und die schwerwiegende Verdichtung
der beiden kleinen Halbinseln abzuschätzen, die so diminutiv
sie extensiv erscheinen mögen, dennoch durch ihre Intensivität
das Uebrige gleichwiegen und in Schatten stellen. In ihnen,
[174] den nächsten Vorläufern der eigenen Civilisation, wird jetzt,
wie früher die maassgebende Unterlage derselben zu gewinnen
sein, und auf ihrem, in minutieusen Gliederungen wohnlich
eingerichteten, Terrain wird gerne stets die Ethnologie ein-
kehren, wenn ermüdet, über die unabsehbaren Weiten eigenen
Gebietes formlos verschwimmenden Anschauungen zu folgen,
oder wenn etwa befähigt, in Erklärung bisher unverstandener
Archaismen, kleine Gegengeschenke darzubringen.


Neben solchem, aus engsten Focus strömenden, Inten-
sitätsglanz verlangt dann freilich räumliche Extensität, bei
statistischen Aufstellungen und Reihen (wie für die Induction)
ebenfalls ihre Berücksichtigung, und wie sehr die sogenannte
Weltgeschichte im Vergleich zu den der Ethnologie zu-
gefallenen Territorien zusammenschrumpfen würde, braucht
nicht hervorgehoben zu werden, weil geographisch Ihnen,
als Geographen, vor Augen liegend. Und in genetischer
Inductionsforschung besitzt ausserdem das Kleinste auch,
seine ihm voll zu gewährende Wichtigkeit, oft im speciellen
Fall eine grössere, als das Grosse.


Dies führt zur Betonung der wissenschaftlichen Bedeu-
tung der Ethnologie, in Einführung des genetischen Princips
in die Menschheitsgeschichte.


Aus dem Werden verstehen wir das Sein, als Gewor-
denes, so auch im Studium des Menschen, um im Rückgang
auf erste Anfangszustände den organischen Wachsthums-
process des Geistes in seinen Elementargesetzen zu enthüllen,
und damit gleichsam der Menschenkunde denjenigen Dienst
zu erweisen, durch welchen neuerdings mit dem Studium
der Kryptogamen die Pflanzenkunde für eine wissenschaft-
liche Botanik umgestaltet ist.


In den Culturvölkern stehen uns die vollendetsten
Schöpfungen der Natur vor Augen, in Pracht und Herrlich-
keit, wie die duftenden Blumen in Schmuckgärten prangend,
von erprobter Nutzbarkeit, gleich den Früchten des Land-
wirths. Die Blumen, sie waren von jeher besungen von
[175] Dichtern, die Früchte von Landwirthen gepflegt, aber dann
erst
, als die Zellentheorie zum ernstlichen Studium der bisher
verachteten und vernachlässigten Kryptogamen führte, hat
man in ihnen das Entwicklungsgesetz erkannt, das es uns
jetzt in der Pflanzenphysiologie ermöglicht, auch die com-
plicirten Gebilde mit dem Auge begreifenden Verständnisses
zu durchschauen. Wie nun, nachdem wir das Zellleben in
durchsichtigen Zoophyten verfolgt, sich daraus für die Agri-
cultur sowohl (in Vorbeugung parasitischer Zerstörungen),
wie für die Medicin (in pathologischer Anatomie) allerlei
Anhaltpunkte ergeben mögen, so aus dem Begriff des Ge-
sellschaftsorganismus im einfachen Naturstamm Aufklärungen
für den eigenen auf höheren Stufengraden.


Wir haben uns somit der Beobachtung der Naturvölker
zuzuwenden, einem systematischen Studium derselben, um
zunächst in diesen einfachen Organismen die Grundgedanken
aller derjenigen Formen zu erkennen, die den Organismus
der Gesellschaft überall zusammenzusetzen haben, ob im
Grossen, ob im Kleinen. Der Vortheil liegt eben darin,
dass, indem wir hinabblicken zu diesen engen Gesellschafts-
gestaltungen, wir dort mit einem Blick, in nuce so zu sagen,
das überschauen, was, wenn wir es bei den Culturvölkern
suchen, in unendlichen Entfernungen auseinanderliegt, zeitlich
und räumlich zerstreut ist, so dass Verirrung nahe droht auf
durchkreuzenden Nebenwegen, und Verwirrung gar manche
und böse, von zufälligen Ornamenten über den Kernpunkt
der Fragen getäuscht. Sobald es uns gelungen, in den Natur
völkern den Gang der Entwicklung zu durch
schauen, haben wir dann gewissermaassen einen
Schlüssel gewonnen, um mit seiner Hülfe auch die
complicirteren Gestaltungen höherer Gebilde auf-
zuschliessen
.


Darin liegt die Bedeutung der Naturvölker für die
Ethnologie, die Zeitanforderung ihres Studiums, ihres ein-
gehenden Verständnisses zum Besten höherer Cultur, und
[176] dieser Aufgabe kann um so besser Rechnung getragen werden,
weil es sich um nichts anders, als verachtete Naturvölker
handelt, noch bis vor Kurzem mit Füssen getreten, wo es
sein konnte, wie niedere Moose und Flechten. Wir mögen
sie also unbehindert analysiren, zerreissen, zerzausen, wir
können sie, ohne weiteren Einspruch, in ihren psychischen
Schöpfungen viviseciren,—wogegen wir uns den, Bewunderung
weckenden, Idealen der Culturvölker nur mit gewisser Scheu
und Ehrfurcht nahen werden, wodurch das Secir-Messer
mitunter vor allzu scharfem Einschnitt zurückschreckt.


Bei den Naturvölkern liegen keine derartigen Bedenken
vor, wir verflüchtigen sie unbekümmert im Schmelztiegel,
bis wir die Spannungsreihe der Elementargedanken klar und
reingesäubert vor uns liegen haben.


Diese Primärgedanken zu gewinnen, das ist
die erste und Hauptaufgabe der Ethnologie
, und
bei ihren Materialansammlungen hat sie zunächst der vor-
aussetzungslos vergleichenden Methode der Annäherungen
zu folgen, ohne sich durch vorgefasste Theorien die Aussicht
einzuengen. Bei richtiger Rechnungsmethode müssen sich
im harmonisch regulirten Naturganzen die Resultate von
selbst ergeben, sobald wir der Gedanken-Elemente sicher
sind.


Als mit Beginn ernstlicher Forschung in der Ethnologie
das darin angesammelte Material sich zu mehren begann,
als es wuchs und wuchs, wurde die Aufmerksamkeit bald ge-
fesselt durch die Gleichartigkeit und Uebereinstimmung der
Vorstellungen, wie sie aus den verschiedensten Gegenden
sich miteinander deckten, unter ihren localen Variationen.
Früher war man durch solche manchmal bei oberflächlicher
Betrachtung getäuscht worden, mit näheren Eindringen liess
sich bald jedoch die nur local bedingte Färbung von dem
überall gleichartig darunter waltenden Gesetze scheiden.
Anfangs war man noch geneigt, wenn frappirt, vom Zufall zu
sprechen, aber ein stets wiederholter Zufall negirt sich selbst
[177] (und obwohl Ausnahmen die Regel bestätigen mögen, würde
Fortdauer der Ausnahmen sich als Regel befestigen). Dann
wunderte man sich über die curiosen Sonderbarkeiten der
Coincidenzen und bald war, wie immer, der „geheime Bautrieb“
bereit, seine Hypothesen aufzustellen, in Uebertragungen und
Künsteleien, monstruöse Völkerbeziehungen schürzend. Dies
war der gefährlichste Feind für den gesunden Fortschritt der
Ethnologie, besonders auf so schlüpfrigem Gebiet, wie das
Psychische, und um ihm vor Allem entgegenzutreten, musste
das Princip völliger Voraussetzungslosigkeit auf das Ent-
schiedenste urgirt werden, vielleicht bis zum Excess hie und
da, in Formlosigkeiten, die von der an wohlgeschulten
Formen gewöhnten Kritik keine Billigung erwarten konnten.
Indess lag hierin eine Lebensfrage für die neue Wissenschaft.
Da wir ein völlig unbekannt fremdes Gebiet betraten, durfte
die freie Umsicht nicht durch vorgefasste Theorien beschränkt
werden, durfte vorläufig selbst kein bestimmtes Ziel vor
Augen stehen, da eben die ersten Landmarken erst abzu-
stecken, um zu erwarten, welche Resultate aus zuneh-
mender Ansammlung der Thatsachen als gültige hervor-
treten würden. Jetzt in Folge des sich theilweis bereits
erschöpfenden Materials haben leitende Gesetze sich von
selbst zusammengeschlossen, und dürfen so, als nicht mit
subjectiver Absicht, sondern rein objectiv (oft wider, oder
doch ohne, eigenen Willen) gewonnen, auf naturgemässe
Begründung Anspruch machen.


Von allen Seiten, aus allen Continenten tritt uns unter
gleichartigen Bedingungen ein gleichartiger Menschengedanke
entgegen, mit eiserner Nothwendigkeit, wie die Pflanze je
nach den Phasen des Wachsthums Zellgänge oder Milch-
gefässe bildet, Blätter hervortreibt, Knospen ansetzt, Blüthen
entfaltet. Allerdings ist unter klimatischen (oder localen)
Variationen anders die Tanne des Nordens, anders die Palme
der Tropen, aber in beiden schafft ein gleiches Wachsthums-
gesetz, das sich für das pflanzliche Ganze auf wissenschaft-
Bastian, Völkergedanke 12
[178] liche Normen zurückführen lässt, und so finden wir den
Griechen unter seinem heiteren Himmel von einer anderen
Götterwelt geistiger Schöpfungen umgeben, als den Scandi-
naver an nebliger Küste, anders die Mythologie des Inder
in wunderbaren Gestaltungen des Urwald, um diesen zu
entsprechen, und so, über weite Meeresflächen treibend, die
des Polynesier. Ueberall aber, wenn den Ablenkungen durch
die auf der Oberfläche schillernden Localfärbungen wider-
stehend, gelangt ein schärferes Vordringen der Analyse zu
gleichartigen Grundvorstellungen, und diese in ihren pri-
mären Elementargedanken, unter dem Gange des einwohnen-
den Entwicklungsgesetzes, festzustellen, für die religiösen
ebensowohl, wie für die rechtlichen und ästhetischen An-
schauungen, — also diese Erforschung der in den gesellschaft-
lichen Denkschöpfungen manifestirten Wachsthumsgesetze
des Menschengeistes: das, wie gesagt, bildet die Aufgaben
der Ethnologie, um mitzuhelfen bei der Begründung einer
Wissenschaft von Menschen. Sie hat die unsichtbare Welt,
die den jedesmalig ethnischen Horizont umzieht, zu recon-
struiren, und da bei den Naturstämmen nicht auf das Rück-
bleiben dauernder Monumente, wie bei den günstiger ausgestat-
teten Culturvölkern gerechnet werden kann, da es sich in der
Mehrzahl der Fälle nur um Eintagsfliegen handelt, die
gehascht werden müssen, wie sie vorüberhuschen, ist keine
Zeit zu verlieren. Sind sie dahin gegangen, in Vernichtung
für immer, so klafft eine unausfüllbare Lücke und in ihr eine
bedenkliche Klippe für künftig erhoffbarer Erfolge, denn als
unerlässliche Vorbedingung ergiebt sich diejenige Vollständig-
keit, wie sie für Richtigstellung der Rechnungen in statisti-
scher Umschau von jeder Induction verlangt werden muss.


Sind Culturvölker allzu früh zu Grunde gegangen, so
bleibt die Aussicht, in späteren Ausgrabungen auf ihre
substanziellen Erzeugnisse zu kommen, und mit solchem
Material, was mangelhaft geblieben, ergänzend auszubauen;
[179] das Naturvolk dagegen, als ephemeres Gebilde, lässt keine
Spur, wenn einmal dahingeschwunden.


Wenn es uns im Laufe der Forschungen gelingen sollte,
die Fäden genetischer Entwicklung in der transparenten
Durchsichtigkeit der Naturstämme zu erspähen, um mit so
erlangtem Zauberspruch das gesellschaftliche Leben der Ge-
schichtsvölker, und demnach auch unser eigenes, zu Selbst-
bekenntnissen zu zwingen, so würden wir dadurch in den
Stand gesetzt sein, den socialen Organismus in naturgemäss
normaler Weise zu überwachen und vor pathologischen Ab-
weichungen zu bewahren, wir würden in der objectiven Be-
trachtung dessen, was der jedesmalige Volksgeist in seinen
Schöpfungen am geographisch-politischen Horizonte proji-
cirt hat, das zu Grunde liegende, das zeugende, Gesetz ver-
stehen, aus Entstandenem ein Entstehen, und in diesem
Falle uns selbst, als Menschen (in der bereits durch alte
Orakel geforderten Selbsterkenntniss).


Und jetzt gerade, wo uns im Contact mit den ethnischen
Welten, das Bewusstsein, oder doch die Ahnung, auftaucht der
Offenbarungen, die hier zu erwarten stehen, da bricht, mit der
Reibung des Contactes selbst, jene Feuersbrunst aus, die sie
vor unsern Augen zerstört, die verheerend dahinrast durch
alle Continente, durch Amerika, Afrika (Asien selbst hier
und da), und unter modernder Gluth leider erloschen schon
in der Weite des Stillen Oceans.


Und wir schauen gleichgültig zu, als ob uns das nichts
anginge, — statt dass ein wilder Aufschrei des Entsetzens
durch alle am Erbtheil der Civilisation Berechtigte hindurch-
stürmen sollte, wenn nicht zum Löschen, wo nicht mehr
zu löschen ist, so doch zum Retten auffordernd, was
sich beut, denn: was hier in wüthender Hast ausgetilgt
wird, das sind der Menschheit geistige Güter, die uns
gehören, uns und unseren Nachkommen, die wir
diesen wenigstens zu bewahren die Pflicht haben
,
12*
[180] wenn wir sie etwa nicht selbst ausnutzen wollen oder
können.


Halbe Erdtheile, ganze Thesauren, angefüllt mit den
in tausendjähriger Geistesarbeit aufgehäuften Schätzen, sie
mag jetzt oft ein Tag mehr oder weniger zerstören*), versenken
für immer in das Reich des Nichts.


Das sind keine Uebertreibungen, meine Herren. Die
Erfahrungen neuerer Reisende, durch die eigenen letztlich
wieder bestätigt, die Jammerberichte, die von allen Seiten
einlaufen, sie machen schaudern, wer sich hineinzudenken
die Mühe nicht scheut. Man fühlt, als ob ein schweres Ver-
gehen auf Jedem laste, der wenn zum Bewusstsein dessen
gelangt, was hier auf dem Spiele steht, unthätig zurückbleibt.


Jedem freilich steht es frei, sich Verantwortlichkeiten zu
entziehen, die unbequem werden könnten. Aber genügt das
[181] Leben, als physische Tretmühle, aus der man sich je eher
je lieber befreite? Ist das Leben des Lebens werth, ohne jene
Ideale, die als aus dem Naturganzen entfaltet, ihre An-
erkennung heischen.


Man spricht vielfach von einem Aussterben der Natur-
völker. Nicht das physische Aussterben, soweit es vorkommt,
fällt ins Gewicht, weil ohnedem von dem allmächtigen Ge-
schichtsgang abhängig, der weder zu hemmen, noch abzu-
wenden ist. Aber das psychische Aussterben, — der Verlust
der ethnischen Originalitäten, ehe sie in Literatur und Museen
für das Studium gesichert sind, — solcher Verlust bedroht
unsere künftigen Inductionsrechnungen mit allerlei Fälschun-
gen, und könnte die Möglichkeit selbst einer Menschenwissen-
schaft in Frage stellen.


Damit dann aber auch die Möglichkeit eines Studiums
des Menschen nach inductiver Methode. Und ob deren
Hülfe, die angeboten scheint, allzu vornehm abzuweisen wäre?


Wir haben gar manches hinzugelernt im Laufe der
Jahrtausende, aber die grossen Geheimnisse des Daseins,
die Räthselfragen eigener Existenz, sie stehen noch vor uns
mit denselben Wunderfragen, wie sie unserer Urväter früheste
am frühen Schöpfungsmorgen angeblickt. So viel im Einzelnen
gelernt und gewonnen, der Kern des Mysterium bleibt un-
berührt, seine Lösung so fern, wie immer.


Und alle Wege, die einzuschlagen waren, sind versucht,
bald in philosophischer Meditation, der Askese ergeben, bald
in religiösem Glauben, voll Glaubensmuth, dann in forschender
Zersetzung der Materie wieder, auch in mystischer Ver-
senkung, schwärmerischer Hingabe, fanatischer Verzweiflung,
— alle und jede sind durchwandert, und alle haben sich mehr
oder weniger als Irrwege ergeben, die uns im Kampf mit der
Materie zwar manch glänzenden Sieg gewährt, aber auf geisti-
gem Terrain, hänselnd und näselnd, stets auf den Fleck
zurückgeführt, von dem der Ausgang genommen, in den
Religionsphilosophien des Wesens nicht minder, wie Indien’s
[182] und China’s, den classischen und den scholastischen Dialecti-
kern, und dem unbestimmten Sehnen des Volksglaubens
überall, in der fünf Continente Jedem.


Noch ein Versuch bleibt übrig, es ist der letzte, auch
der nächstliegende zugleich, doch ein bis dahin unausführ-
barer, weil erst mit der inductiven Wissenschaft vom Menschen
angebahnt, — der Versuch nämlich: uns an den Menschen
selbst zu wenden, ihm selbst die Antwort abzufragen. Und
wer sonst in der Natur könnte besser und berechtigter auf-
klären über das, was ihm am Nächsten liegt, als nächste
und eigene Interessen? Was wir hier suchen, wir werden
es finden, in objectiver Umschau über die Gesammtheit der
Völkergedanken, in einer Erschöpfung der Denkmöglichkeiten,
da damit das Denken an die irdisch erreichbaren Grenzen
seiner Fähigkeiten gelangt ist, und, innerhalb des so gezogenen
Horizontes, in der Harmonie des Kosmos auch die für seine
Schöpfungen harmonischen Gesetze zu finden haben wird.


Das Studium der Naturvölker wird unseren materiellen
Kenntnissen nichts Positives hinzufügen, und sonst der
fremden Culturen keine würde dies ebensowenig gewähren
können, selbst nicht die, in ihrem vollberechtigten Namen
bereits, classische, da die unsrige auf den jetzt naturwissen-
schaftlichen Unterbau sie alle weit überragt. Keines der
Völker der Erde vermag uns etwas zu lehren, wohl aber
können wir, wenn wir es wollen, von ihnen lernen, — lernen
die Entwickelung der Denkgesetze, aus deren Studium in
vorangegangenen Philosophien wir in den bisherigen Wachs-
thumsstadien unserer Civilisation bereits die kräftigste Nah-
rung gesogen. Dafür hat jetzt die Erweiterung zu einer
comparativen Wissenschaft einzutreten, mit den Hülfsmitteln
des genetischen Principes in der Induction.


Da es sich hier um organisches Leben handelt, würde
die Exhaustions-Methode der Denkmöglichkeiten zunächst alles
in irgend einer Form und irgendwo auf der Erde jemals
Gedachte zu registriren haben, und trotz der anfangs im
[183] ungeordneten Wirrwar schreckbar erscheinenden Masse, re-
ducirt sich das Ganze, wie jetzt bereits erkennbar, auf eine
verhältnissmässig sehr geringe Zahl von Typen*). In jedem
[184] solchen Typus liegen dann die Keime, welche des Menschen
geistiger Natur gemäss unbegränzter Fortentwickelung fähig
sind, und hier würden wir eine Erschöpfung dann erreicht
haben, wenn die verschiedenen Formeln in den Möglichkeiten
arithmetischer oder geometrischer Progressionen, für solche
Fortentwickelung in infinitum, herausgerechnet sind.


Möge es uns gelingen, jetzt, in der elften Stunde noch,
die Materialien zu sichern: Die unter dem buntfarbig
verschiedenem Geschiller ethnischer Wandlungen in glänzen-
den Strahlenbüscheln emporgestiegenen Hoffnungssterne des
Menschengeistes, (ehe sie für immer in ewiger Nacht erloschen
sind) — möge es uns gelingen zum Heil unserer Aller, um,
mit Erkenntniss der physiologisch gesunden Wachsthums-
gesetze, die im Ganzen, wie im Einzelnen fühlbaren Schäden
der Volksseele zu heilen, an denen sie stets gekrankt hat, in
einer oder andern Form, je nach dem Genius Epidemicus
der Epoche, wie die Geschichte es lehrt.


Wenn ich mir erlaubt habe, vor Ihnen, meine Herren,
diese wohlbekannten Sachen nochmals zur Sprache zu brin-
gen, so geschah es in dem unruhigen Drängen, dass bei
der noththuenden Eile nichts versäumt werden darf, weshalb
ich auch diese Gelegenheit nicht vorübergehen lassen wollte,
ohne ein Scherflein wenigstens beizutragen, damit die ethno-
logische Zeitfrage baldigst die ihr schuldige Anerkennung
erhalte.


Die Probleme der mit der Ethnologie sich eng ergän-
zende Anthropologie sind ausser Betracht geblieben, weil mit
dem Gewicht voller Autorität von einem Freunde zu be-
handeln, dem sich auf Reisen zugleich die Berührungspunkte
boten.

Appendix A

A. W. Schade’s Buchdruckerei (L. Schade) in Berlin, Stallschreiberstr. 45/46.


[][][]
Notes
*)
Und selbst die fruchtbarste Wissenschaft in eine unfruchtbare zu
verwandeln, mochte es „vertrockneten Botanikern“ gelungen sein (s. Jessen).
„Was in früheren Jahrhunderten ein allgemeines Interesse an den Pflanzen
erregt hatte, ihre vielfache Anwendung in Medicin, Haushalt und Gewerbe,
stand vernachlässigt, und darum kümmerten sich Wenige der Pflanzen-
kundigen. Pflanzensammeln, Pflanzentrocknen, war die Hauptbeschäfti-
gung“ (und allerdings freilich wieder durch „den naturgemässen Ent-
wicklungsgang der Botanik bedingt“).
*)
Je höher, complicirter und mannigfaltiger der Organismus ist, desto
unabhängiger ist seine Individualität von dem erzeugenden Individuum,
desto mehr ist (in der Pflanzenwelt) seine Eigenthümlichkeit eigenes Ver-
dienst, und nicht ererbte Anlage (s. Nägeli).
*)
Nachdem in die Naturphilosophie die inductive Methode eingeführt
sei, würde nach ihr auch die Moralphilosophie zur Ausbildung kommen
(meinte schon Newton).
**)
Wie für die Naturforscher die äussere, so bleibt für die Philo-
sophen die innere Erscheinung die alleinige Quelle aller Wahrheit (nach
Beneke). Der Seelenforscher geht ebenso, wie der Naturforscher, zuvörderst
den Weg der Induction (Aufzählung des Einzelnen), d. h. er sammelt die
einzelnen Thatsachen, stellt sie zur Vergleichung zusammen, und verfährt
also zuerst synthetisch. Dann zerlegt er in Gedanken das so Gefundene,
das immer aus mehr weniger zusammengesetzten, oft sehr verwickelten
Processen besteht, in seine Factoren, und gelangt so auf analytischem
Wege zu den Grundkräften und Grundgesetzen, durch welche die Seelen-
vorgänge bedingt sind (s. Dressler). . Das Eigenthümliche der inductiven
Methode besteht darin, dass man überhaupt zunächst von allen Hypothesen
abstrahirt, kein Princip voraussetzt, sondern von dem unmittelbaren Ge-
wissen, von den einzelnen Thatsachen ausgeht, diese rein und vollständig
auszusondern sucht, nach ihrer neuen Verwandschaft anordnet und ihnen
selbst dann die Gesetze, unter denen sie stehen, die sie, als Bedingung
ihrer Existenz voraussetzen, abfrägt und so rückwärts fortschreitet bis
man zu den höchsten Begriffen und Gesetzen gelangt, bei denen sich eine
weitere Ableitung als unmöglich erweist (s. Schleiden).
*)
Von allen Formen (der Vermögen und Kräfte), welche in der
ausgebildeten Seele wahrzunehmen, hat sich ergeben, dass sie erst durch
eine längere Reihe von dazwischenliegenden Processen erzeugt werden,
indem die Entwickelungen der Seele allgemein menschlich nothwendig
prädeterminirt im Angeborenen, aber nicht präformirt sind (Beneke).
**)
Von den Keimen, brachliegend im Geiste des Menschen („und die
Wurzel des Wortes Mensch bedeutet denken“) wird nie eine Spur irgendwo
als im Menschen, entdeckt werden (s. M. Müller), im règne humain (b. Quatre-
fages).
*)
Das gesellschaftliche Bewusstsein umfasst diejenigen Seelenzustände,
welche den Gesellschaftsgliedern in Folge ihres Wechselverkehrs gemein-
sam sind (Lindner).
*)
Die natürlichen Vorstellungen über das Problem des Pflanzenwachs-
thums (in einer der empirischen Lösung zugänglichen Fassung) sind neuer-
dings erst aus den Untersuchungen über die Entwicklung niederer Pflanzen
hervorgegangen (1864) und ausschliesslich diesen gehören die „ersten Ver-
suche an, das Wachsthum einer Pflanze aus einer nothwendigen und ge-
setzmässigen Folge der Zellbildung nachzuweisen, gleichsam den architec-
tonischen Plan zu zeichnen, nach welchem die Natur bei der Gestaltung
der Pflanzenformen verfährt, und den ganzen Aufbau einer Pflanze schritt-
weis, wie den eines Gebäudes, dessen Pläne und Risse vorliegen, von
Baustein zu Baustein zu verfolgen, zu beschreiben und somit auch zu be-
greifen.“ (Pringsheim). Die Kryptogamenforscher (s. Jessen) suchten „von
dem einfachen leicht verständlichen Bau der einfachsten Gewächse Auf-
klärung für die complicirtere, schwierigere Structur höherer Pflanzen zu
erlangen“.
**)
„Das wahrnehmende Ich bringt sich durch sein wahrnehmendes
Bewusstsein selbst hervor“ (s. Bergmann) als gleichsam ein Svayambhu
also, während bei dem noch nicht zu den Göttern der Meditationshimmel
aufgestiegenem Mensch (auf seiner ihm von Confucius bereits angewiesenen
Erde) das „wahrnehmende Ich“ sich innerhalb der Gesellschaft mit dem
Sichselbstbewusstwerden als integrirender Theil (des, seine eigene Existenz
erst ermöglichenden, Ganzen) wird begnügen müssen.
*)
„Der Trieb der Objectivirung kommt nicht nur dem einzelnen Menschen,
sondern auch der Gesellschaft zu“, als Inbegriff von Individuen (s. Lindner).
„Insofern diese Individuen von einem gemeinschaftlichen Bewusstsein be-
seelt sind, wird auch die von jedem derselben ausgehende Objectivirung
des eigenen Gedankenkreises einen übereinstimmend einheitlichen Character
in sich tragen“ (als sociale Physiognomie).
*)
Der Wahrnehmungsvorgang (Perceptions- wie Apperceptionsprocess)
ist der Grundprocess im gesammten Seelenleben und Erkenntnissvorgange
(s. H. Wolff).
*)
Der Wahrnehmungsvorgang (Perceptions- wie Apperceptionsprocess)
ist der Grundprocess im gesammten Seelenleben und Erkenntnissvorgange
(s. H. Wolff).
**)
„Das wirkliche Denken bewegt sich in Vorstellungen“ (s. Lange)
und (nach Herbart) „existiren die Begriffe als solche nur in der Abstrac-
tion“. Die Allgemeinheit wird durch die angeborene Rechnungsmethode
des Denkens von selbst gewonnen, mit zunehmender Geübtheit vervoll-
kommnet, ob freilich richtig oder unrichtig (was von dem psychischen
Gesundheitszustand abhängig bleibt).
*)
Indem die „Verbreitung der Vorstellungen in der Gesellschaft ein
Hindurchgehen durch viele Privatbewusstsein von Einzelmenschen voraus-
setzt“, folgte (s. Lindner): „dass die Elemente des socialen Bewusstseins
nicht Vorstellungen im psychologischen Sinne, sondern allgemeine Begriffe
oder Ideen sind“.
**)
Die Vorstellung bildet den Inhalt des Bewusstseins oder vielmehr
die Vorstellung ist der Act des Bewusstseins (s. Wundt).
*)
In dem Ganzen jeder Gesellschaft verhalten sich die einzelnen Per-
sonen fast so, wie die Vorstellungen in der Seele des Einzelnen, wenn die
geselligen Verknüpfungen eng genug sind, um den gegenseitigen Einfluss
vollständig zu vermitteln (s. Herbart). L’harmonie convenable entres les
organes, qui agissent les uns sur les autres, est une condition nécessaire
de l’existence de l’être, auquel ils appartiennent (s. Cuvier).
*)
Die vornehmsten Eigenthümlichkeiten des Seelenlebens können da,
wo es sich um Massen handelt, oft sichtbarer hervortreten, während unter-
geordnete Besonderheiten sich ausgleichen und verschwinden. Schon Platon
hofft, auf den Staat und die Gesellschaft hinblickend, in grossen Zügen
das geschrieben zu finden, was die Seele des Einzelnen in kleiner Schrift
in sich enthalte (s. Brentano).
*)
Der öffentliche Gleichgewichtszustand, den wir eben den Staat
(Status) nennen, bildet nur ein meist jämmerliches Compromiss der ver-
schiedenen öffentlichen Interessen, anstatt eine dauernde naturgemässe
Ausgleichung und Versöhnung derselben darzustellen (s. Lindner), wie nur
bei einem Verständniss der organischen Entwickelung eingeleitet werden
kann.
**)
Zu der Anerkennung, „dass der Staat der einheitliche Organismus
des Gesammt-Volkslebens sei, und somit die ihn begreifende und aus-
legende Wissenschaft der Wissenschaft des Einzellebens gegenüberstehe“
kam (s. Mohl) die Erkenntniss, „dass das gemeinschaftliche Leben der
Menschen keineswegs im Staate allein bestehe“, sondern dass zwischen der
Sphäre der einzelnen Persönlichkeiten und der organischen Einheit des
Volkslebens „eine Anzahl von Lebenskreisen in der Mitte liegt“, als Folge
der complicirten Lebensverhältnisse moderner Bildung, für die sich beim
Hinblick auf die einfacheren Anfänge in den Naturvölkern manche Schwierig-
keiten aus dem Thatsächlichen selbst schon auf hellen würden. Auf dem Grund-
gedanken, dass zu unterscheiden sei zwischen der bürgerlichen Gesellschaft
*)
Der Staat ist uranfänglieh (s. Dahlmann). Die organische Ent-
wickelung der Gesellschaft mit all ihren inneren Phasen und äusseren
Schicksalen ist ursprünglich ein Naturwerk, eine geschichtliche Thatsache
(s. Lindner). Der Staat ist ausgestattet mit der Majestät Gottes und ist
die Machtvollkommenheit auf Erden (s. Rossbach). Outre l’école historique,
l’idée du Contrat social compte parmi ses adversaires l’école naturaliste.
Selon cette dernière la société humaine n’est pas une œuvre de la volouté,
mais un produit de la nature, elle n’est pas un contrat, mais un organisme,
elle n’est pas une libre création, mais une évolution nécessaire. Au fond,
l’école historique et l’école naturaliste se ramènent à une seule, l’historien
constate les faits, le naturaliste les explique (s. Fouillée).
**)
und der politischen, erbaut sich die sociale Politik (s. Riehl), um den Be-
griff der Gesellschaft von der des Staates (mit der Bureaukratie) zu trennen.
In Indien beginnt das aufwachsende Beamtenthum der Kayasth-Kaste die
Bramahnen aus ihren politischen Stellungen zu verdrängen. In Beziehung
zum Staatsleben unterscheidet Ricci als gesellschaftliche Kreise (unitá) oder
Einheiten: Patriziat, Stamm, Kaste, Korporation, Lehre, Bezirk, Ge-
meinde.
*)
Die Nation ist Ein Wesen sowohl wie der Einzelne (W. v. Hum-
boldt). Wenn die Individuen von einem Geist bewegt sind, dem kein
Einzelner sich eigen und auch keiner sich fremd fühlt, so mögen sie ihn
ansehen, wie eine Seele, die in ihnen Allem, in ihrer Gesammtheit lebt
(s. Herbart), als beseelte Gesellschaft (oder Volksseele).
*)
Das alt-italische Haus kann gar nicht für sich alleinstehend gedacht
werden, weil es auf rechter Ehe beruht, und noch weniger sich fortpflanzen,
ohne mit andern Häusern in einer weiteren sacralen Gemeinschaft zu stehen
(s. Nissen). So überall in verschiedenen Continenten.
*)
Die Gesetzgebung auf dem Sinai, wo Jehovah als Bräutigam der
Braut entgegenkommt, wird als eine Eheschliessung betrachtet (s. F. Weber),
indem Israel dort volljährig geworden (nach Pesikta) im Bunde ewiger
Treue (mit der Thora das Königreich vom Himmel übernehmend), er-
neuert (nach dem Abfall im Stierwerk) seit den Tagen des Achaschwerosch
(durch Esra).
*)
Auf den Gilbert wurde der Rang durch Reichthum ertheilt. In
Acalan herrschte der Reichste (s. Gomara). Kosi (bei den Beschuanen)
bezeichnet den Häuptling als den Reichen (s. Burchell).
**)
Die Häuptlinge (in Australien) sind „those, who were oldest“
(s. Howitt). In Nicaragua herrschten die Guegues (als Rath der Alten),
wie die Huehue, als Pilli (Häuptlinge) der Chichimeken
***)
Die Cyclopen herrschen über Frauen und Kinder ohne weitere Ver-
sammlungen (bei Homer). Unter den brasilischen Wilden herrscht der
Mann (nach dem Recht des Stärkeren) über das schwächere Geschlecht, und
über den Sohn, so lange dieser noch nicht zum Erstarken herangewachsen.
*)
Damit konnten sich als Präcedenzfälle die Themistes feststellen, die,
im Zeus’ Schoss (bei Homer) ruhend (oder durch Bath-Kol verkündet), später
das Material zur gesetzlichen Durchbildung abgeben, wie aus einem (in
Birma) juristischen Dammathat für den Codex Menu’s. Die Gesetze oder
νομόι (Gesänge) wurden, ehe sie aufgeschrieben waren, gesungen (nach
Aristoteles), wie die carmina (als Gesetzesgesänge) bei den Römern.
**)
Indem „die Philosophen bei allen Abweichungen in Ansehung des
ersten Princips der Sittlichkeit doch in der Bestimmung der einzelnen
Tugenden und Pflichten meist übereinstimmten“ (s. Stäudlin), scheint zu
folgen, dass man entweder „Eines gemeinschaftlich höchsten Princip’s in
der Moral nicht bedarf, oder dass die Philosophen unvermerkt und ohne
deutliches Bewusstsein doch nur durch Ein solches Princip in der Bestim-
mung des Einzelnen geleitet worden sind“ (bei Uebereinstimmung der
verschiedenen Systeme in Aufzählung der ethischen Begriffe).
*)
Bei dem Jahrestribut der (wilden) Maria (oder Madya Gond) „the
officer of the Rayah having beaten a drum outside a village, hides himself,
and then the villagers bring out their tribute to the appointed spot“.
(mit „a singular character for truthfulness and honesty“). Die (um-
herziehenden) Maris are truthful and honest, and so exceedingly timid, that
the whole population of a village will flee on the approach of a stranger
(unter den Gond). The Gonds are among themselves honest, faithfull and
trusthworthy, courageous in some points, und truthful as regards faults they
have committed, (exceptionally faithful and obedient to his employer, so
much so, that he would not hesitate to commit any crime at his order
and sooner, than turn informer, would himself die), nämlich „the really
wild Gonds, who have not become contaminated by contact with spurious
civilisation“ (s. Hislop). Die Dhur Gonds (the lowest of the race) „are so
remarkably simple and honest, even the wildest of the tribes, that they
will fulfill any agreement, which they make, no matter the difficulties in
the way and the personal distress, which they may have to endure (s. Ster-
ring). Their word (bei den Khond) may be wholly relied on, and they
will never desert those, to whom they have promised to adhere, or betray
those, they have engaged to protect (s. Jenkins). Torquemada fand die
Indianer „de tanta simplicidad y pureça de alma, que no saben pecar“, und
die Beichtväter darüber „embaraçados“.
**)
Nothwithstanding their adherence to Hindu usages, they are obliged
occasionally to visit their own deities, and even put cow’s flesh to their
lips, folded in cloth, to ward off evil from their houses (Sherring) die
Gond.
*)
Obwohl Eisen dem Samojeden werthvoller als glänzendstes Gold,
fehlte an dem seit hundert Jahren auf der Tundra gestrandeten Boote
kein Nagel, da es (nach Toitschum) Eigenthum des Sonnenhellen Zaren sei,
und Middendorf weist dabei auf den Hühnerhund bester Rasse hin, der
„unregsam vor dem Wilde steht und bei ärgster Abmagerung zum Aerger
des Jägers nicht dazu zu bringen ist, Wildknochen, nicht mal wenn sie in
Butter gebraten wurden, zu fressen“.
*)
Die Magistrate (οὶ ἐν τέλει) par les offrands, qu’ils font au foyer,
assurent le salut de la cité (s. Coulange).
**)
Themistes (Vielheit in Themis, als Beisitzerin Zeus’) are the
awards themselves, divinely dictated to the judge. Kings are spoken of, as
if they had a store of „Themistes“ ready at hand (isolated jugements). The
only authoritative statement of right or wrong is a judicial sentence, after
the facts, not one presupposing a law, which has been violated, but one which
is breathed for the first time by a higher power into the judge’s mind at the
moment of adjudication (s. Maine). Die Rechtssentenzen des Dhammathat
wurden in Menu’s Gesetzbuch methodisch vereinigt (als Responsa Prudentum).
***)
Auf den Tagesatzungen der Lykier stand den Städten ein nach
der Volkszahl abgestuftes Stimmrecht zu. Bei der von jedem Stamm in
***)
der Zahl der ihm zustehenden Sachem beschickten Versammlung der
Irokesen wurde nach vorheriger Meinungsgleichheit jedes Stammes abge-
stimmt.
*)
In Hecataeus’ Phratrie wurde der gemeinsame Ahn auf das 16. Ge-
schlecht zurückgeführt wie in den meisten Genealogien der Maori. Dionys.
Hal. übersetzt Lar familiaris mit ὁ κατ̕ οἰκίον ἥρως.
**)
Die Australier am Darling zerfallen in Stämme, als Emu, Wild-
Ente, Känguruh. Die Urghi redenden Stämme in Maramoa (in Queensland)
sind nach Wappen getheilt. Die Heirathen reguliren sich nach den Thieren
der Stämme oder Murdoo in Australien (in den Benennungen), unter den
Mudji (oder Totem der Indianer). Bei den Tungusen sind die Abtheilungen
nach Thieren: Pferd, Hund, Rennthier, genannt. Bei Bechuanen meidet
der Stamm das Thier seines Namen’s (nomen oder numen) zu essen. Die
Gebeine wurden bei Cherokesen in einer mit dem Wappen des Geschlechtes
*)
Je nachdem der Schutzgott des mütterlichen oder väterlichen Stamms
beim Abschneiden des Nabelstranges ausgesprochen war, gehörte das Kind
diesem oder jenem (in Mangaia). Der Vater als den Rang des Kindes
bestimmend, ist (auf Yap) regelmässig tättowirt (nicht die Mutter).
**)
Das trauliche Heerdfeuer wurde dann so vertraut, dass sich in
ihm Agni verbergen konnte, um mit den Frauen der heiligen Rishi zu
kosen (im Mahabharata), und in Rom auch entsprang aus solchem Heerdfeuer
ein königlicher Spross.
**)
bezeichneten Lade bestattet. In Wappen treten neben den Thieren emblema-
tische Zeichnungen, wie das Brettspiel (Holub’s) in dem der von Prittwitz mit
der mauretanischen Mohren-Prinzessin. Das schlesische und meissnische Ge-
schlecht von Löben erhielt das Wappen von dem Ahnen aus der deutschen
Leibwache der Mohrenkönigin. Ausser aus den Wappen der Heeres-
abtheilungen (oder dem im frühesten Wildzustand Gegenseitigfressen’s
von den Einzelnländern gewählten Merkzeichen) und aus dem Nutzen der
verschiedenen Thiere, giebt Diodor vom ägyptischen Thierdienst, abgesehen
von der priesterlichen (als geheim gehaltenen) noch folgende Erklärung:
Man sagt, in der Urzeit sei die Zahl der Götter klein gewesen, und die
Menge und Zügellosigkeit der erdgebornen Menschen habe sie überwältigt,
nun haben sie die Gestalt gewisser Thiere angenommen, und sich auf diese
Art gegen die Gewaltthätigkeit jener Wilden gesichert, nachdem sie aber
die Herrschaft über die ganze Welt erlangt, haben sie aus Dankbarkeit
gegen die vormaligen Werkzeuge ihrer Rettung, die Thiergattungen, in
welche sie sich verwandelt hatten, für heilig erklärt“ (s. Wurm).
*)
Laneae effigies Compitalibus noctu dabantur in compita, quod Lares,
quorum is erat dies festus, animae putabantur esse hominum redactae in
numerum deorum (Verrius Flaccus). Sibirische Schamanen lassen sich an
Kreuzwegen begraben, Opfer zu erhalten. In Ceylon bedarf es eines den
Yakseyo von Wessamouni ausgestellten Wurun oder Erlaubnissscheine’s,
für Opfer quälen zu dürfen.
*)
Gegen die von der Unterwelt her wirkenden μιάσμα (μιάμμα et
expositum
βαμμά) der Manen und deren Zorn, bedurfte es des Schutzes
der Reinigungen.
**)
Solche nach Oben vernichtender Abschwächung entgangene Geister
konnten dann zur thatkräftigen Unterstützung der Amakosa (oder Lokrer)
im Kampf herabkommen, mit derartiger Hülfe seiner Ahnen streiten die
Schamanen gegen die Dämone, und wie zu ihnen der Angekok der Eskimo,
reisen die Priester der Lappen nach Jabme-Aimo, um von den Jabmek
(Seelen der Abgeschiedenen) Rath und Auskunft zu erhalten. Stoici negant
quemquam, nisi sapientem, divinum esse posse (Cicero).
*)
Das Thier empfindet die Zukunft voraus, es zeigt in dem, was es
hervorbringt, eine Kunst, einen Verstand, der jede menschliche Production,
besonders des rohen Wilden weit hinter sich zurücklässt, und doch scheint
das Thier nicht nach Ueberlegung und Vernunft, wie der Mensch, zu
handeln. Daher sieht er in ihm gleichsam die Hülle eines Gottes, das Leben
eines Naturgeistes (Richter). Nach den Papagos unterhielten sich früher
Menschen und Thiere in gegenseitig verständlicher Sprache.
*)
Einwohnender Seele schon darum nahe, weil nach dem Volksglauben
das Junge aus dem Munde gebärend.
**)
Der Choctaw stammte vom Hummer, mit dem halben Leib noch
unter der Erde’, descendirend oder ascendirend, die vom Wolf stammenden
Californier haben ihre Schwänze durch die Gewohnheit des Sitzens ver-
*)
Sterculius, Sohn des Faunus, oder Pilumnus (Pithumnus), Sohn des
Picus, führte das Felddüngen ein durch Herakles, der es bei Augeas
gelernt hatte (s. Plinius), als Picumnus (mit eingestecktem Saturnus).
**)
loren und ihre nördlichen Nachbarn gingen, als sie noch Bären waren,
auf zwei Beinen umher, Keulen als Waffen führend. Der aus dem Schnecken-
haus hervorgekrochene Indianer hatte einen längeren Weg der Entwicke-
lung zu durchwandern.
*)
Every native in Australia (at least in the south and west) adopts
some object in nature (an animal, a plant etc.), as his crest (Eyre),
wie im Totem (der Indianer), in Afrika (bei Bechuanen u. s. w.), bei den
Khasya u. A. m.
*)
Die Tasmanier bezeichneten the guardian spirits (of their departed
friends and relations) Warrawah, als „shade, shadow, ghost, apparition“
(s. Milligan). Every near relative becomes a spirit after death, who watches
over the welfare of those who are left behind (bei den Veddah), als Nehya
yakoon (kindred spirits) und besonders werden die bilindoo yakoon (infant
spirits) angerufen (s. Bailey). In Tahiti wachten die Abgeschiedenen über
gutes Benehmen in der Familie, aber die Seelen der Säuglinge werden
leicht gefürchtet, weil sie noch keine Anhänglichkeit erworben hatten. The
spirits of their departed ancestors are their gods (in Tanna), als aremba
(dead man) oder Gott (s. Turner).
*)
Eleasar bei Asarja hatte mächtigen Schutz, als der Zehnte von
Esra (nach Berachoth). Das Verdienst von den Ahnen her kann auch
durch Verehelichung übertragen werden (s. F. Weber). Der Betende beruft
sich auf das Verdienst der Väter (nach Jalkut Schim.).
**)
Nach dem Verdienst der Väter (Sechuth-Abuth), dem man ver-
möge der Juchas (Abstammung) theilhaft wird, lassen die Väter den be-
dürftigen Nachkommen (aus dem Ueberschuss verdienstlicher Handlungen)
etwas von ihren Verdiensten zukommen, denn Israel ist ein Leib, dessen
Glieder unter einander organisch verbunden sind, einander helfen und für
einander eintreten, damit das Ganze seine Bestimmung erfülle (nach dem
Sanhedrin). Ein Israelit leistet für den andern Bürgschaft (s. F. Weber) im
nationalen Eigenthum (wie im Familienbesitz). Das Meer zertheilte sich
vor den Gebeinen des heiligen Joseph (nach Bereschith Rabba). Die
Gerechten, wie durch ihre Fürbitte den Zorn Gottes abwendend, leiden für
ihr Volk und alle Leiden der Patriarchen kamen dem Volke Israel zu
Gute (nach Schemoth rabba). Als Rabbi dreizehn Jahre lang an Zahnweh
litt, ist während dieser Zeit vom Lande Israel keine Gebärerin gestorben
und hat keine Schwangere fehlgeboren (nach Tanchuma). Die Lebenden
erlösen die Todten, und so wird am Versöhnungstage der Todten erwähnt
(wie in Thorat Kohanin gelehrt). Die Märtyrer haben einen Ehrenplatz
im Himmel (nach Baba bathra). Jede Vorschrift hat ihren bestimmten
verhältnissmässigen Lohn, für jede gute That hat Gott ein eigenes Schatz-
haus (nach Schemoth rabba).
*)
Am Eingang jeder Cultur-Epoche steht ihr Prophet und „die
grossen Männer aller Zeiten und aller Fächer haben das gemein, dass sie,
die alltägliche Menge überragend, stets die ersten Strahlen der neu er-
hebenden Tage, in welche sich das Leben der Menschheit theilt, empfangen“
(s. Stein). Obwohl die Gerechtigkeit Noah’s, der nur eine Unze Verdienst
besass (nach Bereschith rabba) nicht ausreichend war, dankte er doch seine
Errettung dem rückwirkenden Verdienst Späterer, von Abraham und Moses
(Jalkut Schim.) durch Anticipation. Die Werke der Frommen (und der
in Gerechtigkeit gleichartigen Zeitgenossen) sind vor Gott aufbewahrt, damit
sie für die Nachkommen sprechen und diesen zu Hülfe kommen (nach
Weyjikro rabba), und so bildet sich dann ein thesaurus Meritorum, oder
eine Reliquienverehrung, wie (nach Jalkut Schim.) bei den Gebeinen des
Jacob (die wie die des Orestes) nicht im fremden Lande zu lassen (weil
sonst die Aegypter hätten erlöst werden können). Joseph’s Sarg wurde mit
der Lade in der Wüste getragen, weil er Alles von der Thora Gebotene
erfüllt hatte. Um Fieber zu heilen, wird Staub von dem Grabe des heiligen
Rab genommen (nach Sanhedrin). Durch Zauberei entsteht Halsleiden (nach
Jer. Schabbath), wie auf Tanna jede Art Krankheit.
*)
Die Seelen heissen die matten oder kraftlosen, als in languorem
projecti (s. Böttcher) bei den Hebräern (als ἀμενηνά κάρηνα).
*)
Der aus dem Grabe hervorkriechende Wurm weist dem Australier
die Richtung an, wo der Todesfeind zu suchen. Der Leichnam empfindet
den Wurm, der an ihm nagt (nach Schabbath) und wurde, um davor
bewahrt zu werden, aus Liebe gefressen, am Orinoco sowohl, wie (zu Darius
Zeit) in Indien (oder auf Sumatra). Der Todesgott Mawet nagte die Todten
(im Scheol), als Wurm (bei dem Indier), und so Nidhöggr (bei Scandi-
naviern), oder der Leichenwurm Madagascar’s.
**)
The Tasmanians imagined that some spiritual agency slipped down
a gum tree at their camp fire at night, crept behind a sleeper, stole his
kidney fat and so occasioned his removal to the land of shades (Bonwick).
***)
Diese mystische Communication steigerte sich in dem Priester,
als Manitou siou oder Wankanwacipi (those knowing divine things and
dreamers of the gods) bei Algonkin und Dacota (s. Brinton).
*)
The medicine songs (bei den Mandan) are kept profound secrets
from those of their own tribe, except those, who have been regularly
initiated into their medicines (mysteries) at an early age and at an exor-
bitant price (s. Catlin). Wie bei den Egbo (am Calabar) spielt auch in
den modernen Geheimbünden bei Erwerbung der höheren Grade das Zahlen
eine Hauptrolle.
**)
A Jossakeed is an inspired prophet, who derives his power
directly from the higher spirits, and not, as the medawin, by instruction
and practice (s. Brinton), als Wato (der Galla) neben dem Lubah, als
opferndem Priester, und dem Kalicha zum Vertreiben der Dämone.
*)
Leaving thought and spirit behind, divesting itself of personality
and individual consicousness the soul by an ecstatic elevation of being might
enter into actual unification or contact (ἅπλωσις, ἀφή) with God and
become absorbed in the Infinite Intelligence, from which it emanated
(s. Rendall) nach Porphyrius, als Schüler des Ammonius Sacas (mit Hin-
deutungen auf Sacamuni).
**)
In wirklichem Sein (des Ding an sich), für irdische Begriffe, im
Gegensatz zu der diese täuschenden Maya. Das Eins in dem κόσμος
νοητός geht durch νοῦς in die Seele über, wogegen die Materie, jedes wirk-
lichen Sein’s beraubt, nur in Negationen aufzufassen ist (bei Plotinus).
*)
Die bei den Eskimo vom Verbieter auferlegten Enthaltungen werden
in den Mokisso freiwillig übernommen, als partielle, die sich dem Indianer
für aussergewöhnliche Communicationen zum allgemeinen Fasten steigern.
Gleich einem Opfer, das Fett und Blut auf den Altar bringt, bewahrt das
Fasten vor dem Feuer des Gehinnom (nach Baba mezia), denn das Fasten
verringert des Menschen Fett und Blut, so dass fastend für die Sünde
geopfert wird (nach Berachoth). Im Dionysos-Cult wird die Sünde durch
Rohessen getilgt, nach Art der Eurytanes (s. Thucydides) oder Oemophagoi
(wie Samojeden in russischer Erklärung, und Eskimo).
**)
I „never saw a god“ war die Antwort der Veddah auf Bayley’s
Erkundigungen über die „Knowledge of a supreme being“, neben („an unde-
fined awe of the nameless spirits, whom they believe to haunt the
darkness“ und) evil demons (s. de Butts). In Herleitung der Weissen von
den Schwarzen die Australier „generally close the argument with the unas-
werable question: If the whites do not come from the blacks, where
could they have sprung from? (Die Chonos sagen „from the moon“).
***)
If a men tumbles out of a tree and breaks his neck, they think
that his life has been charmed away by the Bayala men of anotther tribe
(in Australien).
*)
Bei den Feuerländern „a great black man is supposed to be always
wandering about the woods and mountains, who is certain of knowing
every word and every action, who cannot be escaped, and who influences
the weather according to man’s conduct“ (s. Fitzroy).
**)
Die Tonganer never exult in any feats of bravery they may have
performed, but on the contrary take every opportunity of praising their
adversaries“ (Mariner), wogegen die Fijier die Erzählungen eigener Thaten
übertreiben (the most trifling incident being always greatly magnified). In
Madagascar is no One miserable, if it is in the Power of his neighbour,
to help him (Drury), utmost attention is paid to the patient by the members
and relations of his family (Ellis). Harmony and good conduct seem
generally to have reigned among the members of the same tribe (s. Dove)
in Tasmania (und Liebe zu Kindern, ausser „when sacrificed to the dread
of a famine“).
***)
Bei den Irokesen dagegen erhält Joskeha (nach Bekämpfung seines
Bruders Tawiscara) von der Schildkröte die Kunst des Feueranmachens als
*)
Bei der Schöpfung erwies er sich anfangs ungeschickt, und auf der
Insel die Thierfiguren knetend, hatte er manche derselben wieder zu zer-
stören, bis die richtige Form gefunden war. Doch ging es auch anderswo
so. Gott (der Heilige) schuf Welten und zerstörte sie, bis auf die gegen-
wärtige (nach Bereschith rabba), als die Tholedoth von Himmel und Erde
(nach Schemoth rabba). Naio vollendet den Menschen in Samoa.
**)
Wie Menabosho durch Ausweitung des von der Wasserratte gebrachten
Sandkorn’s die Erde (durch erprobendes Auftreten) festigt, wird sie in Yoruba
von dem aus dem durchlöcherten Sack (der durch das Wasser Watenden)
rillenden Sand gebildet, und als Raho mit seiner Frau über das Meer, von
Samoa nach Rotumah, gewandert, streute er aus seinen Körben die mitge-
brachte Erde umher, so dass die Inseln entstanden. Djemshid lässt (in
Avesta) die Erde auseinandergehen zur Erweiterung für zunehmende Thiere
und Menschen. In der Trauer um Chibiabo (Menabozo’s Bruder), der als
Herrscher der Unterwelt hinabgestiegen, wurden die Mysterien gefeiert, die
***)
τέχνης ἅπασης ὄργανον (bei Aesop). Bei den Mandan trägt die Schild-
kröte die Welt, wie in Vishnu’s Avatara. Zeus als Regengott ertheilte der
Schildkröte die Macht, sich unter Schilder zu verbergen und ihr Haus bei
sich zu tragen (s. Gubernatis). In China trägt sie Schriftzeichen.
*)
Bei Prajapati’s oder Hiranyagarbha’s Nachdenken (im Hariwansa)
„the sound Om issued from him“ (s. Muir), als schöpferisch. Vach
(spach) is in imperishable thing, and the first born of the ceremonial, the
mother of the Vedas and the centre-point of immortality (Taittiriya-Brah-
mana
). Im Sprechen zeugte Visvakarman die Geschöpfe (Satapatha Brah-
mana
).
**)
Gott zieht der Thora nach (wie gleichsam seiner Tochter) und findet
sich, wo die Thora gelernt und studirt wird, in dem Raum (von 4 Ellen)
der Halacha, (nach dem Beraschoth), indem dort das Gesetz studirt wird.
**)
für Zagreus oder Dionysos klagten, zerrissen in ihren Gliedern, wie die in
Siva’s Taumeltanz umhergeschleuderten.
*)
Ahura, als Datar (an der Spitze der Amesha- Cpenta) crée le
monde, comme le crée Varuna, comme le crée Zeus, c’est-à-dire qu’il
l’organise (s. Darmesteter).
**)
Manasa (the Intellectual) formed by a mental effort the varied
creation of living beings (nach dem Mahabharata), zuerst Wasser, Alles
bedenkend (s. Muir), aus dem sich dann allein der Erste Mensch erhält
(bei den Mandan).
***)
Omnis determinatio est negatio (s. Spinoza).
*)
Auf Hawaii, als Lono (oder Rono) in priesterlicher Procession umher-
geführt, und als nach dem Fortgang wiederkehrend in Cook erkannt, wie
Gott Fete von den Fulah in Barth oder australische Seelen in Run-a-ways
(abgebleicht als „white fellows“). Wenn Freyr im Frühjahr auf einem
Wege durch das Land geführt wurde, bereitete man ihm überall Opfer-
mahlzeiten. Nach Umzug auf einem mit Kühen bespannten Wagen, kehrte
Nerthus (nach dem Baden) in den heiligen Hain (castum nemus) zurück,
als weibliche Form Niördr’s (Vater’s Frey’s). Die Bildsäule der Athene
wurde am Jahresfest im Inachus gebadet, mit Abwaschung von Diomede’s
Schild (s. Callimachus). Die Erstlinge des Yamsfest (bei den Aschantie)
wurden im Inachi-Fest auf Tonga geweiht. Das Ambarvalien-Fest der
arvalischen Brüder galt Acca Laurentia als Amme. Wenn man an den
ältesten Panathenäen der Athena Saatkorn in’s Erechtheum oder nach der
Stätte desselben trug, so war Andacht und tiefer Ernst angemessen, denn
Athena’s Pflegling lag in einem todesähnlichen Schlummer (A. Mommsen).
Lautlos wurden überall die Saatfeste gefeiert, und die Maori verbieten
durch Tabu-Zeichen dann an der Vorderseite des Kamara-Feldes vorüber
zu gehen, um nicht die Ehrerbietung zu verletzen.
**)
Zeus (μυλεύς oder δεός ἐπιμύλιος) gilt als Mühlengott (bei Lycophr.),
und die Römer (nach Ovid) verehrten Jovem pistorem. Die Camiräer
feierten ein Mühlenfest (μυλάντεια). Nach Lacedämonier und Messener
hatte Μύλης (zu Alesia) die erste Mühle gebaut. Σπαρταῖος repräsentirt
das Säen, Kronos das Wachsen und Κῦτος das Einärndten (s. Heffter).
Himalia, als Εὔνοστος (die Göttin des Segen’s beim Getreidemahlen) wurde
*)
Zarathustra (in Avesta) ist der Erste, der Gutes gedacht, der
Erste der Gutes geredet, der Erste, der Gutes gehandelt, der erste Priester,
der erste Krieger, der erste Landbauer. Les mots, „Zoroastre est le premier
fidèle“ reviennent à ceux-ci: „Zoroastre est le premier Homme, Zoroastre
est l’Homme d’en haut (s. Darmesteter).
**)
Das All war im Anfang Gewässer, Wasser allein, (Apo ha vai
idam agne salilam evasa). Auf Prajapati’s (Puruscha’s) Wunsch im Wasser
zu entstehen, erhebt sich das Ei (in Satapatha Brahmana).
***)
Drug (Verkörperung des weiblichen Uebel’s (in Buiti-daevo, von
Angra-Mainyus gegen Zarathustra gehetzt, wurde von ihm zurückgeschlagen,
wie Mara’s Angriffe (sowie die Verführungen seiner Töchter) von Buddha.
**)
mit Demeter Sito, als Geberin des Brodes, verehrt (in Syracus). Apollo,
als Wurmtödter (ἱποκτόνος) schützte die den Melius bewohnenden Erythräer
gegen den, den Weinstock verwüstenden, Wurm (und könnte so gegen die
Phylloxera nützen), Apollo Erythibios gegen Mehlthau u. s. w., während
man im Mittelalter Raupen und anderes Ungeziefer im Namen der heiligen
Trinitas fortbannte.
*)
Indra bringt als Falke (im Rigveda) das Soma, und die weisse
Haoma gewährt (im Bundehesh) das ewige Leben. Odhin (als Adler)
raubt den unsterblichen Göttertrank (der Amrita oder Ambrosia). Bei den
(dem Seelenherr Vielona beim Leichenfest opfernden) Polen führt Nyas
(Herr der Seelen) die (zu Gnesen in Vögel verwandelte) Seelen in’s Jenseits.
*)
Als weder Nichtsein noch Sein war (Na asad asid) und in Alles Ein-
gehüllt nur der Einzige athmete, da, in der Dunkelheit entstand zuerst
das Begehr (Kamas) zum Leitungsfaden für die umschlossenen Fähigkeiten
(im Rigveda). Im Anfang war das All nicht seiend (asad vai idam agre asih)
bis zum Athmen (Satapatha Brahmana).
**)
Die grossartigste Gründung, welche die Welt je gesehen, fand Statt
zur Zeit des deshalb der Grosse genannten Constantin, als bei Gründung des
Christenthums auf palästinischen Unterlagen durch Staatsdonationen die ge-
sammte Benefizenz (wie sonst von den Kaisern direct in Stadt-Almosen und
Schenkungen verliehen) in die Hände der Bischöfe (unter Erweiterung der
früher in den Gemeinden von den Diakonen besorgten Verwaltung) gelangte,
um aus den Fonds Xenodochien, Ptochotrophien, Gerokomien, Nosokomien,
Orphanotrophien u. s. w. (s. Burckhardt) zu stiften. Der beste Grundbesitz,
unter dem Vorwand, den Armen zu helfen, wurde angeeignet, und alle
Welt dadurch verarmt, klagt Zosimus, freilich ein „heidnischer Eiferer“
(s. Güldenpenning). Dagegen stellt der heilige Ambrosius (zur Zerstörung
der Synagoge, als Schlupfwinkel des Wahnwitzes und Haus der Gottlosig-
*)
Ce n’est donc pas une parole divine, naturelle et unique, qui a créé
le monde, c’est la parole spontanée de tous les êtres, c’est leur aspiration,
leur désir (Fouillée). Von den Stoikern wurde eine συμπαϑεια φυσεως ge-
setzt, als cognatio concentus consensus naturae (s. Wachsmuth).
**)
keit) einen Grundsatz auf, der seit dieser Zeit der leitende der katholischen
Kirche geblieben (s. Ifland): „die Strenge des Staates muss vor der Er-
gebenheit gegen die Religion zurücktreten“ (Cedat oportet censura devotioni)
und Theodosius, von dessen Kirchenbusse (der „ersten eines Kaisers“),
zeitgenössische und spätere Berichte „mit Freude und Befriedigung erzäh-
len“, glänzt in den Annalen der Geschichte als der „Grosse“. In der
Apoge des Staates dagegen trat an Stelle der Religion die respublica oder
τό κοινόν, aber freilich ist im Leben jedes Staates (s. Polybius) ἄυξησις
ἀκμή, φϑίσις zu erkennen, πολλὰκις γὰρ καὶ γέγονε καί έσται βάρβαρος
ἡ Ἑλλάς (s. Okellos).
*)
Der Menschenstier Gopatishah (von unten bis zum Gürtel Stier,
oben Mensch) wohnt am Meer (nach dem Minokhired). Nach Apollodor
war der Minotaurus Stier bis zu den Schultern herab, wogegen unten
Stier bei Ovid. Zur Zeit Takhma-Urupa’s (im Bundehesh) gelangen auf
dem Rücken des Stiers Çarçaok (oder Hadhayas, von Çaochyant zur Auf-
erstehung geopfert), die Menschen aus Qaniratha nach anderen Kaschvar
(auf dem Bosporos einer Continentverbindung, wie Io).
**)
Slavisches Bog (in schwarzen Melibocus verkehrt). Bei den Phry-
giern, als Erstgeborenen (s. Apulejus — dat cuncta vetustas principium
Phrygibus (s. Claudian), und ägytischer König (bei Herodot) —, die Anna-
kos oder Nannakos bei Iconium (wo Prometheus aus Lehm Menschen ge-
formt) beherrschte, hiess Jupiter Bajaios (Μαζεύς).
***)
Aus dem fragenden Gedanken Yazdan’s (Gottes) entstand in
Ahriman sein Widersacher (nach den Gayomatiern). Als Zrouan (Bakht
oder Farrq) für einen Sohn opfernd, zu zweifeln begann, entstand neben
dem älteren Ormizd im Mutterleibe Ahriman, zuerst durchbrechend (bei
Eznig), und ähnlich auf Mangaia. Bei den Euchiten (unter den Manichäern)
herrschte von den Söhnen des Vaters der Jüngere über die himmlischen,
der Aeltere über die irdischen Dinge (s. Psellus).
*)
Auch in Borneo. Man and the spirits were at first equal (bei den
Land-Dayak) bis „the spirits got the better of man and rubbed charcoal
in his eyes, which made him no longer able to see his foes, except in the
case of some gifted persons, as the priests (s. St. John), indem solchen die
Binde fortgenommen wird, um wieder in die unsichtbare Welt zu blicken.
**)
Die den Brahmanen aufliegende Reinheit schob der Ausübung
ihrer Privilegien einen Riegel vor, indem sie durch Aneignung des dem
Pariah gehörigen Eigenthums selbst verunreinigt sein würden, ja schon wenn
nur von seinem Schatten getroffen.
*)
So oft ein Mensch stirbt, wirft ihm Nurunduri’s Sohn ein Ende des
Stabseil’s zu, an welchem er selbst, als bei der Wanderung nach Westen
zurückgelassen, von seinem Vater nach sich gezogen (bei den Narrinyeri).
Jama hat als Vorangegangener den Weg gezeigt.
**)
Sie drängen so dicht, dass, wie der Fellah kein Wassergefäss aus-
giessen kann, ohne einen Efrit zu beleidigen, stets Gefahr ist, mit dem
Ellenbogen anzustossen, und heisshungrig sind sie, gleich Jenem unter den
„Spirits“ der Dayak, welcher „follows the people to pick up fragments of
food, which have fallen through the open flooring of their houses, and is
heard at night munching away below“ (St. John).
***)
In dem Wald in Siam. Am Calabar suchen unter gegenseitigem
Zutreiben die Dörfer durch Verspätung einander zu betrügen, und wegen
solches Hin- und Hertreiben zwischen den Inseln gerathen dieselben in
Krieg (in der Gruppe der Nicobaren).
Die Erneuerung geschieht, wie im Ueberlebsel des Notfeuer, meist
aus reinem Holz, doch liess sich auf sonniger Hochfläche der Brennspiegel
der Inca benutzen, wie ähnlich bei vestalischem Feuer die Hohlgefässe.
Beim Fest Toxuihmalpilia fand die Erneuerung in Mexico auf dem Hügel
Huixachtla statt. Der Magier reinigte das gewöhnliche Feuer am Aderan-
Feuer und dieses am Behram-Feuer.
*)
„The gods are our allies“, rühren sich die Fijier auf jeder Seite der
Kriegspartheien (wie auch wohl sonst). Als vor der Schlacht jede Cohorte
der Maori eifrig zu ihren Göttern betete, fuhr der geschäftig umhereilende
Häuptling seinen müssig dastehenden Pakeha unter der Frage an, weshalb
er nicht sein „prayer-book“ herausnähme und mithülfe.
*)
Cardea, Limentinus, Limentina, Forculus u. s. w. (in Rom).
**)
Weshalb sich Nähe der Flüsse naheliegend empfahl. Delubra veteres
dicebant templa fontes habentia (Isid.).
***)
Zur Reinigung lässt Kirke (bei Apolloder) am Halse des Mörders
das Opferblut herabfliessen, und nach Abwaschung (mit dem entfernt fort-
zutragenden Wasser) werden Sühnemittel (μειλικτρα) verbrannt, unter
Ausgiessen von νηφαλία, und Anrufung des Zeus Katharsios oder Meilichios
als φυξιος) gegen die Erinnyen.
Nachdem Pausanias sich an Zeus Phyxius zur Befreiung von der
Blutschuld gewandt, begab er sich zu den Geisterbeschwörern von Phigalia
(in Arkadien). Ehe sich für die Griechen die Erinnyen zu Eumeniden
gemildert, mochte es ihnen obliegen, (in den ethnologisch überall be-
kannten Künsten) die dem Mörder aufhockende Seele seines Schlachtopfers
fortzuführen, da die aus Hass oder Liebe verfolgenden Seelen sich gern
*)
Bei gewünschter Diagnose war die Vaterschaft des wahrsagenden
Gottes eine erfolgreiche Reclame für Aesculap. Wem die Medicin zu bitter
schmeckte, konnte das Recept, als Pille, hinunterschlucken (wie in Sene-
gambien) oder im Amulett tragen, gleich dem auf Stein geschnittenen
Namen des Serapis oder (in der Kindheit) die Lunulae und Bullae. Damit
nicht Gräten oder Knöchelchen bei lucullischen Mahlzeiten in der Kehle
stecken blieben, diente ein um den Hals getragener Zettel mit homerischen
Versen (Marc. Emp.), und bequemer noch sind die Sprüche in catonischer
Eleganz für Verrenkungen (luxum si quod est) oder, neben Ἐφέσια
γράμματα, die Homer bereits bekannten ἐπαοιδαί, um Blut der Wunden
zu stillen.
auf den Rücken ausruhen und Huckepack tragen lassen, wie in Congo die
Wittwe die Seele ihres Verklärten auf den Schultern zu tragen hat, bis
durch das heilige Reinigungsbad des Priesters von der Last befreit. So
lange nicht eine Busse im Wehrgeld anerkannt war, oder noch in dem
ἀπενιαυτισμος eine Aussöhnung stattgehabt, lag die Blutrache als Pflicht
auf, da ohne solche überall die Folgen zu fürchten sein würden, nicht nur
persönlich, sondern auch für die übrigen Familienglieder (vielleicht selbst
den ganzen Stamm) in spätern Fällen von Krankheit und Tod. So wurden
(wie bei den Batta) in Guayana die Leichen aus Liebe gegessen, um sie
nicht den Würmern zu überlassen, im ehrenvollen Begräbniss der Kalantier
(bei Herodot) und das verbindet sich wieder mit liebevollster Enthaltung
in der Ahinsa, denn in der begrabenen Leiche würden sich Würmer er-
zeugen, die später, wenn die Nahrung aufgezehrt, den qualvollen Hungers-
tod sterben müssten. Um also diesen solchen zu ersparen, isst man lieber
die Leichen selbst, wozu Buddha als Vorbild dienen kann, wenn er seinen
eigenen Körper dem hungrigen Tiger überlässt. Dergleichen Vorstellungen
lassen sich nicht ohne Weiteres durch Gegenvorstellungen beseitigen, da
Indianer, wie Polynesier sich auf die Besuche im Jenseits berufen, wo
Alles leibhaftig gesehen, nicht nur mit poetischen Augen, wie von unseren
Dante’s. In der naturgesunden Entwickelung des Staatslebens dagegen
stossen sich solche Auswüchse von selbst ab, sei es durch Vorträge, wie
die Römer mit Cartago (oder schon früher die Perser-Könige), sei es durch
einfache Erklärung des Stärkeren, dass es belieben möchte, solch’ scheuss-
liche Gebräuche bei Seite zu lassen oder des Weiteren gewärtig zu sein.
*)
Neben μαγγανεία (in magischer Zauberei) wird γοητεία „auf die
im heulenden Ton ausgesprochenen Beschwörungsformeln“ des Zauberer
(γόης) bezogen, (ψυχαγωγαῖς ὀρϑιάζοντες γόοις), die Götter dienstbar zu
machen (ὑπηρετεῖν) durch ἐπαγωγή (Beschwörung). Die Zauberer (wie
Lucian bemerkt) statt zu den Dämonen zu beten, drohten denselben, ihre
Anrufungen sind keine (bittenden) Gebete (die von der Gnade der Be-
willigung abhängen), sondern Befehle an die Götter (und deshalb directer
zum Ziele führend). Die Tohunga der Maori gebieten den Stürmen, sie
zu beruhigen, wie die ἀνεμοκοιται (in Korinth) oder zu erregen, wie die
Tempestarii in Rom. Solchen und ähnlichen Zauberkünsten, die schädlich
sein können, wird dann, in einem geordneten Gemeinwesen das Handwerk
gelegt, um orthodoxe Tugendhaftigkeit zu bewahren, obwohl auf einigen
Berührungsgebieten die Scheidelinie nicht jedesmal scharf zu ziehen ist.
So wurde in der Kaiserzeit dem für den Staatscult damals noch unent-
behrliche Haruspex verboten sein Gewerbe in Privathäusern auszuüben,
die Schwarzkunst im Allgemeinen aber überhaupt, und schon früher.
Magia ista (nach Apulejus) res est legibus delegata (nach den Zwölftafeln).
Haruspices secreto ac sine testibus consuli vetuit (Tiberius Imp.).
*)
Die Laren (Lases) zu Hülfe und Mars (Mamar) gegen Schlagen
anrufend, assen die fratres arvales (der Dea dia opfernd) beim Festmahl
von den Erstlingen, „et ollas precati sunt et osteis apertis per clivum jac-
taverunt“ beim Fest der Ambarvalien (zu Ehren Acca Laurentia’s, als Amme
des Romulus). Erechtheus, als Autochthon aus fruchtbarer Erde geboren
(bei Homer) und von Athene gepflegt, wurde als Keiner Kind in der
den Töchtern des Cecrops übergebenen Kiste verborgen. Nach Diodor
brachte Erechtheus bei einer Hungersnoth Getreide aus Aegypten nach
Athen, (den eleusinischen Dienst der Demeter einführend). Die Römer
hatten beim Landbau der Helfer genug (s. Becker), so Saturnus, Sator,
Seia, Segetia, Proserpina, Nodotus, Volutina, Patelena, Hostilina, Flora,
Lactans, Lacturnus, Matura, Runcina, Messia, Tutilina, Fornax, Terensis,
Picumnus, Pilumnus, Stercutius, Sterquilinius, Spiniensis, dann Vervactor,
Reparator, Imporcitor, Insitor, Obarator, Occator, Sarritor, Sabruncinator,
Messor, Convector, Conditor, Promitor, dazu Rubigus mit Dea Rubigo
(Bubona, Pales, Puta, Pomona, Epona, Mellonia u. s. w. u. s. w.).
**)
Die Vyrdhen (Beisitzerinnen im Göttergericht) sprechen als Schöpfe-
rinnen das Urtheil, welches als von Ewigkeit und Uranfang an gelegte
Satzung (orlag oder orlegi) jedem Menschen zukomme (s. Mannhardt), als
Gachschepfen (in Oberdeutschland).
*)
The chief Fijian god is believed to have no emotion nor appetite
but hunger, in dunkler Höhle „as a serpent merging into stone“ (giving
no sign of life, but eating).
**)
„Wie er (Zeus) damals erschnappend oder verschlingend die Macht
des erstgeborenen Erikapäos, die Substanz aller Dinge, in seinem hohlen
Bauch hatte“ ein fressender Chronos.
***)
In der Ründung des Ei drinnen bildet sich durch die Vorsehung
des göttlich in ihm eingeschlossenen Geistes ein mannweibliches Wesen,
Phanes bei Orpheus genannt, weil bei seinem Erscheinen das All davon
erglänzte (s. Zoega), wie vom Glanz Lailai’s, bei ihrem Erscheinen in
hawaiischer Kosmogonie (unter Geschlechtswandlungen zum Weiblichen).
„Der Sitz des Phanes ist in den geheimsten Tiefen des Adytum der Nacht,
von ihr allein gesehen“.
*)
Als vom christlichen Gott gesprochen wurde, „every where present,
in plants etc.“, meinte ein Wafura: „Then this God is certainly in your arrak,
for I never feel happier, than when I have drunk plenty of it“ (s. Earle).
**)
Tod wurde allgemein, weil „the children of the first man did not
dig him up again, as one of the gods commanded“, indem dann „all men would
have lived again after a few days interment (in Fiji). Wie in Sibirien
wird auf den Aru-Inseln (s. Kolff) der Mund der Todten mit Speisen voll-
gesteckt, denn „Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen“. Den
zukünftigen Zustand verlachte der Kasya: „Wie es möglich sei, nach
Frage über dem Tode zu leben und den Himmel von der Erde zu erreichen“
(s. Berghaus). Der Baum, der früher dazu gedient, wurde abgehauen, wie
in den mythologischen Ueberlieferungen zu finden (und noch in Australien).
***)
Als erfassbar und unfassbar existirt Brahma in den Formen von
Purusha-rupena und Kala-rupena (nach der Vischnu-purana).
†)
Nachdem die Seele dreimal von den Göttern gegessen (in Tahiti)
„it became a deified or imperishable spirit, might visit the world and inspire
others (s. Ellis). Dem Essen geht das Braten vorher, mit Baumaterial für
anderweitige Höllen. The gods roast the souls (in Fiji). Das Abschaben
der Knochen wird verschiedentlich raffinirt.
*)
Unter den von Kitschi Manito gesandten Midäs wurde es den Od-
jibbewäs zum Gesetz: die Kinder, sowie sie sich dem Mannesalter nähern,
in die Waldeinsamkeit zu führen, und ihnen zu zeigen, wie sie fasten und
ihre Gedanken auf das Höhere leiten müssen, und es ist verheissen, dass
ihnen dann da ein Traum geschickt werden solle, zur Offenbarung ihres
Schicksals, zur Stärkung in ihrem Beruf, zur Widmung und Weihe an die
Gottheit, zum ewigen Andenken und zum guten Omen auf ihren Lebens-
weg (s. Kohl). Wenn sich die Dayak zum Fasten in Communication mit
den Geistern in den Wald zurückziehen, unterbricht der Anblick Jemandes
das Vorhaben, das nach dem Nachhausekommen neu begonnen werden
muss (Brooke).
*)
The Sea-Dayaks have a superstitions dread of eating certain animals,
because they suppose these animals bear a proximity to some of their fore-
fathers, who were begotten by them or begot them (s. Brooke). Wenn in
Analogie zu brahmanischer Absorption der Verehrer von seinem Atua in
Thierform verschlungen wurde, und nun die Vor-Existenzen späterer Wieder-
geburten in den Gestaltungen der Metempsychose ihre Seelenwanderungen
unternahmen, lagen alle Bedingungen vor, um Abstammungen von thierischem
Ahnherr zu stereotypen zu machen.
*)
Die Veddahs „live in pairs and except on some extraordinary occa-
sion never assemble together (s. De Butts). Die Veddahs jagen, „living in
pairs“ (Davey). The Fuegians reside in families (Snow). Die Andamanen
are generally divided into small groups (Mouat).
**)
Wie die Speisevertheilung nach der Jagd, so bestimmt der Brauch
auch „the position which might be occupied by the varions members in
the camp“ (in Australien), und so im römischen Lager die Abtheilungen
(s. Nissen).
*)
Phalereus erkennt in der mitdurchlebten Zeit τὸ τῆς τυχῆς χαλεπον
und ἡ πρό τὸν βίον ἡμῶν ἀναλογία τῆς τυχῆς führt ihn weiter zu Vorher-
sagungen, deren Anzeichen Βοηδ[ὰ]ς ὁ Σιδώνιος (ὁ φιλοσοφος) lehren wollte.
*)
„Society in primitive times“ war nicht: „a collection of individuals“,
sondern „an aggregation of families“ (s. Morgan). „The unit of an ancient
society was the family, of a modern society the individual“ (corporations
never die). In den Pflanzen sind „Zweige als Individuen zu betrachten“,
um den „verwirrten Knoten“ zu durchhauen (Braun).
*)
Das Bewusstsein hat keinen Inhalt, der nicht es selbst wäre, und vom
Inhalt giebt es kein Bewusstsein, das nicht er selbst wäre (s. Bergmann).
**)
Comme rien ne peut exister, s’il ne reunit les conditions, qui
rendent sa existence possible, les différentes parties de chaque être doivent
être coordonnées de manière à rendre possible l’être total (s. Cuvier).
*)
Mythologie im höchsten Sinne des Wortes ist die durch die Sprache
auf die Gedanken ausgeübte Macht, und zwar in jeder nur möglichen
Sphäre geistiger Thätigkeit (s. M. Müller), Sprache „der konkret gewordene
Gedanke“ (Wolff).
**)
As there is an anatomy of the body, so there is an anatomy of the
mind, the physiologist dissects mental phenomena into elementary states
of consciousness, as the anatomist resolves limbs into tissues and tissues
into cells (Huxley).
*)
Il semble que, pour étudier la nature humain, il faudrait observer
dans les enfants les premiers dévéloppements de nos facultés ou se rappeler
ce qui nous est arrivée à nous-mêmes.
**)
Indem der einzig mögliche Ausgangspunkt für die Fortbildung der
allgemeinen Weltansicht die Betrachtung des Menschen ist, so ergiebt sich
„die allgemeine Aufgabe der philosophischen Grundwissenschaft, der Psy-
chologie“ (s. Waitz). Lotze erkennt „die Philosophie der Geschichte als
nothwendige Ergänzung der Psychologie“.
***)
Innerhalb der Philosophie wird das Leben der Seele in der Psy-
chologie von dem Standpunkt der Physik aufgefasst, wogegen das Denken
*)
Δύναμις indefinita, utpote materia, ἐντελέχεια certa et finita, utpote
formam offerens (bei Aristoteles), ἐνέργεια magis ipsum rei actum, ἐντελέ-
χεια statum ex actu exortum significat (s. Trendelenburg).
**)
Als Socialwissenschaft hat die Socialpsychologie (oder politische
Psychologie) die Aufgabe, die Nationalökonomie oder Politik von der psy-
chologischen Seite zu ergänzen (s. Lindner). Bei richtiger Erkenntniss der
„socialpsychologischen Naturgesetze“ lässt sich hoffen, „dass die Versuche,
die sociale Bewegung aufzuhalten oder naturwidrig zu lenken, einer er-
leuchteten Psychologie weichen, und dass sich alsdann auf dem Wege
ruhiger Reform und stetiger Bewegung jener Entwicklungsprocess vollziehen
werde, welcher gegenwärtig auf der Bahn der Revolutionen und Katastro-
phen verderbenbringend einhergeht.“
***)
als Kunst, und das Urtheil der Ethik nach dem Handeln aus freier Ver-
nunftthätigkeit (s. Harms).
*)
Mit Manitu bezeichneten die Indianer, was den Begriff überstieg und
seiner Ursächlichkeit nach nicht zu erkennen war (s. Lahontan). Whatever
they do not understand is the work of a Deota (s. Peal) bei den Naga (und
*)
Gleich den ersten Ursachen in dem κόσμος νοητός, als (transcenden-
tales) ὑπερίων (darüber hinausgehend) heisst das Eine (als Höchstes) τὸ
ἐπέκεινα τοῦ Νοῦ (bei Julian).
**)
In der voraussetzungslosen Annäherungsmethode hat die Kritik manch-
mal (unter von früherher geläufigen Hintergedanken historischer Gedanken-
hausirer) ein Wiederaufleben der Symbolik gewittert, während es gegen-
theils gerade galt diesen gefährlichsten Feind objectiver Forschung zu be-
kämpfen. Wenn nun, um die gegnerische Methode durch factische Belege
*)
so vielfach wiederholt). Kalon (god) means also „anything great or mar-
vellous, anything superlative“ (in Fiji). Im Gegensatz zu Kalon vu (Götter)
sind Kalon yalo „deified mortals“.
*)
Die ganze philosophische Bewegung dreht sich seit unvordenklicher
Zeit um die Begriffe von Grund und Folge, Sein und Werden, Geist und
Materie, Zeit und Raum, Absolut und Relativ (Substanz und Accidenz),
Freiheit und Nothwendigkeit, Gott und Welt u. s. w., und alle Abweichun-
gen der philosophischen Systeme drehen sich nur um die Art und Weise,
wie diese wenigen Begriffe und Namen geordnet und zusammengestellt
werden, um mittelst des daraus entstandenen, einheitlichen Ganzen die
Fülle der gegebenen Verhältnisse zu einer erklärenden Weltanschauung zu
verbinden. Daraus verliert sich aber auch die Gradlinigkeit der gedanken-
mässigen Fortschrittsbewegung gerade auf dem speculativen Gebiete und
macht hier den bedenklichsten Schwankungen Platz, weil alle philosophi-
sche Speculation es mit Denkgebilden zu thun hat, deren Zusammenhang
mit dem eststehenden Begriffe des gewöhnlichen Nachdenkens kaum mehr ein
nothwendiger ist, bezüglich deren also eine Uebereinstimmung der Gedanken
bei verschiedenen Menschen nicht leicht erzielt werden kann“ (s. Lindner),
bei „fehlerloser Aeusserung der logischen Gesetzlichkeit“ (nach Mühry).
**)
ad absurdum zu führen, die daraus resultirenden Absurditäten in eigene
Schuhe geschoben werden, so musste dagegen besonders auf dem Gebiete
der Wortähnlichkeit appellirt werden, um nicht in die Klasse jener wüsten
Etymologienspinner zu fallen, die sich die Ethnologie, um ihre Gesundheit
zu wahren, vor Allen vom Leibe zu halten hat.
*)
Wenn man sagt, dass der Geist der Wissenschaft in unserm Jahr-
hundert ein vergleichender sei, so heisst das eben, dass unsere Forschungen
auf so weiten Grundlagen und Thatsachen begründet sind, als wir eben
erreichen können, dass sie auf den umfassendsten Inductionen beruhen, die der
menschliche Geist fassen kann (M. Müller), als Basis den Planet umspannend.
**)
Wie jeder Theil in der Natur ein Organismus, so ist auch die
Natur als Ganzes ein solcher Organismus, und wie dieses, so auch die
*)
Until we can figure to ourselves with approximate truth the pri-
mitive system of thought, we cannot fully understand primitive conduct,
and rightly to conceive the primitive system of thought, we must compare
the systems found in many societies, helping ourselves by observing its de-
veloped forms, to verify our conclusious respecting its undevelopped forms
(Spencer). Bei der „wide-spread dissatisfaction with existing theories of
jurisprudence“ bemerkt Maine: „it would seem antecedently, that we ought
to commence with the simplest social forms in a state as near as possible
to their rudimentary condition“ (leichter verständlich als „the baffling ent-
anglement of modern social organisation“).
**)
Wissenschaft um die Natur (s. H. Wolff), die Einzelgedanken μερισταί
ψυχάι (im neuplatonischen Sinne) des Ganzen (als Eins).
*)
In den Kräuterbüchern mehrte sich mit den Geographischen Ent-
deckungen die Ansammlung der Beobachtungen und „die Thatsachen der
natürlichen Verwandtschaft drängten sich von selbst und ungesucht den
*)
Beobachtern auf, anfangs als ganz unbestimmte gelegentliche Wahrnehmung,
der man zunächst keinen grossen Werth beilegte“ (s. Sachs), sich dann
aber von Brunfels bis Caspar Bauhin und Lobelius aufmerksamer zu-
wandte, so dass die Erkenntniss der verwandtschaftlichen Gruppirung
im Pflanzenreich deutlicher hervortrat. In der Zwischenzeit musste (im
Anschluss an Caesalpinus’ philosophische Erwägungen über eine systema-
tische Behandlung des Pflanzenreichs), der Uebersichtlichkeit wegen künst-
liche Systeme (nach Merkmalen, deren systematischer Werth a priori be-
stimmt wurde) aushelfen und obwohl Linné sich diesen, von gleichem Ge-
sichtspunkt aus, anschloss, sprach er doch mit Bestimmtheit aus, „dass es
ein natürliches System der Pflanzen gebe“ (nach dem bisherigen Verfahren
nicht charakterisirbar), dass indess „die Regeln, nach denen das wahre und
einzig natürliche System aufgestellt werden müsse, noch unbekannt sind,
und dass erst weitere Forschungen im Stande sein werden, das natürliche
System aufzufinden“ (s. Sachs). Genau das Seitenstück zu der Entwicklung
dieser botanischen Naturwissenschaft, bereitet die der Ethnologie, in welcher
gerade jetzt die Ahnung der Verwandtschaft in der vergleichenden Psy-
chologie erwacht ist, mit der Hoffnung, nach genügender Ansammlung von
Material das „wahre und einzig natürliche System“ zu erlangen. „Die
Wahrnehmung der natürlichen Verwandtschaftsverhältnisse konnte aber
nur aus tausendfältig wiederholter genauer Einzelbeschreibung (nicht aber
aus den Abstractionen der aristotelischen Schule, welche wesentlich auf
oberflächliche Beobachtungen beruhten) gewonnen werden“ und so wird die
Ethnologie in ihren Materialiensammlungen für Einzelnbeobachtungen zu-
nächst noch nicht ermüden dürfen. Der Verstand hat nicht den Objecten,
sondern die Objecte dem Verstand Vorschriften zu geben (s. Sachs) in der
Naturforschung (im Gegensatz zur Scholastik). Und so hat sich auch ge-
schichtlich Alles in organischer Entwicklung gebildet, in Sprache oder Rechts-
wissenschaft oder sonst durchweg. Statt gelegentlich für die Forderung des
Augenblicks ernannter Commissionen (einzelner Fälle) folgten (nach perio-
dischen Quaestores Parricidii und Dummviri Perduellionis) mit der lex
Calpurnia de Repetundis die erste Quaestio perpetua u. dgl. m.
*)
Der „fertigen Wissenschaft“ schaden nicht solche „Quertreibereien“
(nach Lange), wie sie die „werdende Wissenschaft“ fern halten muss, be-
merkt Göring, denn „eine entstehende Wissenschaft experimentirt lediglich
mit ihrer Methode und muss ihren Erfolg abwarten, um über die Brauch-
barkeit entscheiden zu können. „Wenn ich eine natürliche Methode lehren
sollte, müsste ich sie selbst zuvor kennen“ (bemerkt Linné), „aber da wir
alle Schüler sind, müssen wir vom Einzelnen zum Allgemeinen uns hinein-
arbeiten“ (ohne Regel a priori). So scheint in gegenwärtiger Jugend der
Ethnologie noch allzu viel zu lernen, als dass man sich berechtigt fühlen
möchte, jetzt bereits als Lehrer aufzutreten.
**)
Die Fortdauer erstaunlicher Unkenntniss über die elementarsten
Grundthatsachen des menschlichen Daseins auf der Erde bleibt um so be-
*)
Als, eine noch völlige terra incognita gewissermaassen, das Forschungs-
feld der Ethnologie zu betreten war, musste die Induction voraussetzungslos
eintreten, um aus den allmählig sich ansammelnden Thatsachen selbst erst
zu lernen, welche Principien hier zu gelten haben würden, wie gleichsam
erst mit Aneinanderreihung jährlicher Zufügungen aus den Entscheidungen
**)
dauerlicher, weil es sich, in jenen unreifen Vorstellungen, mit denen man
oftmals Fragen, wie z. B. die der Colonialpolitik, der Emigration u. A. m.
behandelt sieht, um das Wohl und Wehe hunderttausender Mitbürger
und um Millionen aus dem Gesellschaftsvermögen handeln mag.
*)
Marriage contracts, as well as all religious ceremonies, are entirely
dispensed with, and the assorted pair are free to live together, whilst they
choose or separate at pleasure and convenience; the enfant accompanies its
*)
des Praetor peregrinus im Edictum Perpetuum (bis auf Salvianus Julianus)
sich später die Grundzüge eines Jus naturale feststellen liessen.
*)
The old men, who get the best food and held the franchise of the
tribe in their hands, managed to secure an extra supply of the prettiest
girls (in Tasmania).
**)
Kehrt bei den Kurnai der Entführer in den Stamm zurück, so hat
er mit den Verwandten seiner Frau zu streiten, und vermeidet deren Mutter.
Da die Frauen meist aus andern Stämmen geraubt waren (in Tasmania),
the exogamous rule could still be observed, when a mariage took place
coithin the tribe (Bonwick). Die Veddah never marry out of their race
(s. Tennent). In Madagascar heirathen die nächsten Verwandten, auch
Bruder und Schwester, wenn nicht von derselben Mutter (s. Drury). Unter
den (neben Koli, als Eingeborene von Guzerat) betrachteten Bheel (mit
den Baria und Kant an der Spitze) heirathen die Stämme untereinander,
einige Häuptlinge aber sind „somewhat restricted in their selections, and
can only intermarry with certain families“.
***)
Bei den Maori waren die Mädchen noa, im allgemeinen Eigenthum,
bis voo den Verwandten einem Mann in Tabu gegeben (s. Taylor). Auf
den Marquesas gehören Cicisbeo zur Familie.
*)
mother to her next abode, but the grown up children remain with the
father (s. Graham) unter den Nahal (der Bheel). After puberty the females
have indiscriminate intercourse, save with their own fathers, until they are
chosen or allotted as wives (in den Andamanen). Brothers may have
connection with their sisters, until they are married (Owen).
*)
Manche der Agri unter den Kunbi (bei Bombay) „have 2 or 3
wives apiece, whom they marry chiefly for the help they render in culti-
vating the land (s. Sherring). Bei den Chunchus ist zweifache Ehe Vor-
recht des Häuptlings (als Privileg seines Ranges). Bei den Germanen war
die Ehe monogamisch, indem mehrere Frauen nur des Ranges wegen sich
fanden (nach Tacitus).
**)
After childbirth, husband and wife keep apart for three, even four
years, so that no other baby may interfere with the time considered ne-
cessary for suckling children, in order to make them healthy and strong
(in Fiji), und daher Polygamie (s. Seemann). In Afrika gilt gleiche Ent-
haltung (auch bei der Menstruation). In Banta sagen sie, „es müsse
*)
Bei Tibetern heirathen verschiedene Brüder eine Frau und bei
den Nairs verschiedene Männer ohne Verwandtschaft. Bei den Namburi-
Brahmanen darf nur der älteste Bruder heirathen (um den Grundbesitz
zusammenzuhalten), während die jüngeren auf freien Verkehr hingewiesen
sind, besonders mit Nair-Mädchen (die verschiedene Liebhaber gleichzeitig
unterhalten mögen). Wie in Ceylon (meist unter Brüdern) besteht Polyan-
drie in Kashmir, Tibet, sowie den Sivalik-Bergen, dann in Sylhet und
Kachar, unter den Coorg von Mysore, den Toda der Neilgherry, sowie den
Nairs u. s. w. Bei den Veddah wurde früher die jüngere Schwester ge-
heirathet, und dies galt, als „the proper marriage“, während die Heirath
mit der älteren Schwester verboten war (s. Bailey). Wer bei den Crows
die älteste Tochter heirathet, hat ein Anrecht auf alle Schwestern.
**)
Dabei ergaben sich, oft im weitern Zutritt priesterlicher Weihen,
Bräuche, wie der Confarreatio, oder das Connubium (nuptiae), neben dem
**)
der Mann, wenn sein Weib schwanger, keine Gemeinschaft mit ihr pflegen,
weil solches fleischlich“ (Pinto).
*)
Zu Memrumos und Hypsuranios Zeit wurden die Kinder nach der
Mutter genannt (bei Philo). In Madagascar folgen die Kinder der Mutter
(s. Ellis), und dies wiederholt in langen Reihen durch die verschiedenen
Continente. Das Kind folgt der „ärgeren Hand“ (um den Adel rein zu
halten). Throughout the patriarchal legends of the Hebrews descent in
the female line is an important factor in the purity of blood (s. Finton).
An den Avunculus (von Avus) in der auch bei Germanen (s. Tacitus)
geltenden Bedeutung, schliesst sich dann das Neffenrecht, als Vasu auf Fiji,
in der Neffenfolge bei den Murri-Mukkatti unter den Chongan (in Cochin)
und vielfach sonst.
**)
Die nahen Verwandtschaftsbeziehungen, innerhalb welcher auf Mada-
gascar geheirathet wird, führten in der Königsfamilie mitunter zu den
nächsten (sonst noch bekannter Geschwisterehen).
**)
Usus (concubinatus, contubernium u. s. w. im conjugium), während, wie
Raptus die archaistische Form der Eheschliessung, coemptio die gewöhn-
lich durchgehende ist, und wenn dem Jüngling noch das Vermögen fehlt,
den vollen Preis zu zahlen, mag es in Raten geschehen durch die dem
Schwiegervater geleisteten Dienste, wie bei den Hebräern oder in Sumatra,
und vielfach sonst. Bei den Naga dient die Braut eine Zeitlang dem Vater
des Bräutigams.
*)
Die Stemmata enthielten neben der Familie in absteigender Linie
die Seitenverwandte, als Schwertmagen oder Agnati (väterlicherseits) und der
Spilmagen oder cognati (mütterlicherseits). Nach Rosin drückt Spillmach
den Begriff der durchweg durch Weiber verwandten Weiber aus, im Gegen-
satz zu Svertmach (der durchweg durch Männer verwandten Männer).
**)
Die Griechen bewahrten bei ihrem Eponymus, als Geschlechtsvater,
den Namen der Mutter, durch einen Gott geschwängert (wie Chione den
Eumolpus der Eumolpiden aus Neptun gebar).
***)
Rechtlich wird die Primogenitur besonders unter Verhältnissen,
wie sie bei den Beneficien vorlagen, befestigt. Das Vermögen wird beim
Tode des Vaters getheilt, doch kann der Vater beliebig einen Sohn bevor-
zugen (bei den Jakuten). Der Bräutigam erhält von seinem Vater einen
Theil von dessen Jagdgrund und von dem Vater der Braut einen Bogen
(bei den Veddah).
†)
Cleisthenes in Argos änderte die Namen der dorischen Stämme
(zu Sicyon) in Hyatae (Eber), Oneatae (Esel), Choeratae (Schwein).
*)
Die Jaga-Bhats wandern bei den Rajputen-Stämmen (für Heirathen,
Genealogienführung u. s. w.), während die Birm-Bhats (Brahma-Bhat oder
Badi) in den Städten wohnen (und gemiethet werden) unter den Bhat
(Dasaundhi oder Bharata) am Ganges (unter den Charon-Bhat in Rajpu-
tana). Und so in Polynesien.
**)
Ist der Knabe oder Wot-wotti durch Tut nurring (im Walde) zur
Jerra-eil aufgestiegen, campiren alle Jünglinge (brewit) der Ceremonie
fortan als Brüder zusammen (bei den Kurnai).
*)
Unter den Kurnai, die von dem Vogelpaar Yeerung (Stipiturus
Malachurus) oder Djeetgun (Malurus Cyaneus) stammen, betrachten die
Männer die Yeerung-Vögel als Brüder, die Frauen die Djeetgun-Vögel
als Schwestern. Die Söhne folgen dem Vater als Yeerung, die Töchter der
Mutter als Djeetgun. Die Männer rächen den Tod der Yeerung-Vögel, als
ihrer Brüder an den Frauen, die Frauen die der Djeetgun-Vögel, als ihrer
Schwestern, an den Männern (s. Howitt).
**)
Das würde zugleich auf allegorische Zeugungen aus zwei Väter
führen, wie auch in Polynesien bei Tane und Tangaroa oder sonst.
*)
Wenn bei den Chaubi-Brahmanen (in Mathura) ein Mädchen einen
Jüngling aus anderer Familie heirathen würde, muss diese der Familie
jener ein Mädchen zur Ehe zurückgeben. Auch beim Kauf der Frau
bewahrt der Stamm vielfach sein Antheilsrecht, und bei den Germanen
musste bei Bestrafung derselben für Ehebruch ihre eigenen Verwandten
zugezogen werden. Im Muri der Maori straft der Stamm der Frau deren
Gatten für ihm zugeschriebenen Verschuldungen. Die in der Kindheit
dem Manne bereits angetraute Frau ging ganz in seinen Familienkreis
über in Tasmanien (s. Lloyd). In Rom durch capitis deminutio.
**)
Amita (mit patruus, als Onkel) ist die Tante väterlicherseits, wie
Matertera (mater altera) mütterlicherseits mit dem Avunculus oder kleinem
Grossvater (avus), auch bei Germanen.
***)
In sechs Stämmen (unter Zweitheilung) acht Klassen, wovon die
Frauen als Gattin (Goleer) oder Schwester gelte, wie z. B. der Kabbi die
Ipota als jene, die Kapota als diese betrachtet.
†)
Da die Namburi-Mädchen (in Malabar) keinen Mann (ausser Vater
und Gatte) sehen dürfen, werden sie auch von den Brüdern getrennt. Alle
männlichen Glieder in der Familie des Zamorin (Tamuri-Rajah) heissen
Tamburan, alle weiblichen Tamburetti (s. Buchanan).
*)
Die Pallivala (der Kanaujiya Brahmanen) are excedingly strict
in matters of caste (in Gujerat). They do not drink the water of their
own daughters or of any persons not belonging to their own castes. La
famille antique est une association réligieuse plus encore qu’une association
de nature (Coulange). Das italienische Haus wurde durch die Ehe negirt
(s. Nissen). Auf dem Hause beruht das Geschlecht, d. h. die Gemeinschaft
der Nachkommen desselben Stammvaters, und von dem Geschlecht ist bei
den Griechen, wie bei den Italikern „das staatliche Dasein“ ausgegangen
s. Mommsen). Die (griechische) Familie ruht im ο̃ἰκος.
*)
Bei den schottischen Clan folgten die Kinder in der männlichen
Linie, während die männlichen Mitglieder blieben, die der weiblichen in
der Clan des Vaters traten.
**)
All the sons together with their wives and families are in subordi-
nation to the father and obey his authority. They possess no property of their
own (bei Khonds). A la mort de l’ancêtre commun le régime de la puis-
sance paternelle absolue disparaissait et les descendants recouvraient leur
liberté, quant à leurs biens et à leur personnes (in Annam), während die
Verpflichtung zum Ahnen-Cultus auf Einen überging, der dann als Haupt
*)
The popular notion is that the Village landholders are all descended
from one or more individuals, who settled the Village (in Indien) neben den
später Hinzugekommenen (s. Elphinstone). Im Wappen erhält sich aus
der Abstammung mythische Thierform. Der Schwur bei den Thieren
(s. Sosicrates) fand sich als Eid des Rhadamanthys, während später bei
den Göttern geschworen wurde. In den Rechtsbestimmungen des Wehr-
gelds „the citizen depends for protection not on the Law of Crime, but
on the Law of tort“ (s. Maine).
**)
The earliest and most extensively employed of legal fictions was
that which permitted family relations to be created artificially (Maine).
Nach Pollux war es nicht nothwendig, dass zwischen allen Gliedern des
Geschlechts in Athen Verwandtschaft bestand. So wurde der Sklave in
Athen durch Wasserbegiessen am Heerde und Zusammenessen in die Fa-
milie aufgenommen. Der durch Adoption in die römische Familie aufge-
nommene Fremde hatte unter den Agnaten den Vorrang vor den Cognaten.
Die bedeutsamste Umwälzung erkennt Maine darin, als zu der „assumption,
that kinship of blood is the sole possible ground of community in political
functions“ (mit den „legal fictions“, which permitted „family relations to be
created artificially“) das Princip von „local contiguity“ (as the condition of
community in political functions“) hinzutrat (as the basis of common poli-
tical action).
***)
Die alten Gentilverbindungen gingen später in die Form der So-
dalitia über, ohne dass die Mitgliederschaft mehr an eine bestimmte
Gens gebunden war, wie bei den Luperci (s. Marquardt) u. A. m.
**)
betrachtet wurde (s. Luro), als Truong Toc (Haupt der Verwandtschaft)
oder Ton Truong (Haupt der Familie). Wie Aelteste und Tojonen (Häupt-
linge) hat der Vater unbedingte Macht (bei Samojeden und Jakuten).
*)
Bei Ankunft auf der Begräbnissstätte wird den Geistern früherer
Todten zugerufen: dies ist der Eine, den ihr bekommt, aber ihr dürft seinen
Hinterbliebenen, Enkeln oder Brüdern, nicht nachstellen (bei den Tonala).
Bei den Sakalava wird den Todten die Ankunft eines Verwandten ange-
zeigt, um ihn freundlich zu empfangen (auf Madagascar). Die Spiele bei
der Leichenfeier der Ikongo bestehen besonders in Ringkämpfen und Speer-
werfen (s. Sibree), in Analogie zu (etruskischen) Gladiatorenspielen (oder
Agonen).
**)
Omnes homines natura aequales sunt, galt vor (römischem) Gericht
(zur Zeit Antonin’s), und konnte dann Ludwig’s Decret veranlassen, wonach,
da alle Menschen von Natur frei geboren, frühere Missgriffe, durch Be-
freiung der Leibeigenen, wieder gut zu machen, während Rousseau’s philo-
sophische Conception sich auf der Union freiem Boden verwirklichen sollte,
trotz der Farbenscheidungen. Mit Status (im Uebergang zum Contract)
wird der φυσει gegebene Zustand der Familienbedingungen bezeichnet.
***)
In Agrigent wurden die Hierothyten, denen die Jahresberechnung
oblag, auf Staatskosten gespeist. In Syracus wurden die Jahre nach dem
ἀμφίβολος, als ἱέρεύς des Zeus, gezählt. Neben dem Magistrat (unter Vor-
sitz des Basileus) sowie der βουλή und der ἀγορά, bildeten die fünf ὅσιοι ein
priesterliches Collegium in Delphi. Zu Seiten des Königs (in Sparta) stan-
den die Pythier oder Poitheer zur (priesterlichen) Vermittlung mit Delphi.
Die Eteobutaden verwalteten das Oberpriesterthum im Dienst der Athene
Polias (und des Erechtheus).
*)
Dem Opferkönig lagen die kalendarischen Opfer ob (in Rom). Das
Lustrum (von luo) diente zu reinigenden Sühnen. Wie der Basileus (Archon
Basileus) verrichtete auch seine Gattin, die Basilissa, geheime Opfer in
Gemeinschaft mit den Priesterinnen (in Athen). Die Priester des Kronos
in Olympia hiessen Basilai (s. Pausanias). Ῥωμαίοις πάλαι κατ̕ ἀρετὴν
ἧσαν οἱ βασιλέες (Appian). Die Asiarchen (mit bleibendem Titel unter
wechselndem Amt) bildeten als Sacerdotales in den Provinzialstädten einen
angesehenen Stamm (mit Immunität).
**)
In Folge von Verarmung verlor der Raja der Dikshit (-Rajputen)
in Parenda die Ehre des Tilak, da das Fest für Raja und Brahmanen nicht
bezahlt werden konnte. If a chief is unable from proverty or other causes
to exercise the customary hospitality, he at once loses his prestige (mit
dem Stamm und Familienhäuptern) unter den Beluchen (s. Minchin). Nur
durch Festspiele aus eigenen Mitteln zu bestreiten, konnte (in Rom) die
Aedilität erlangt werden, als erste Stufe zum Amtsadel (worin die sena-
torischen Familien nicht nach Geschlechtsahnen, sondern nach Amtsehren
zählten). Die Aedilen hatten gegen Zauberei einzuschreiten, wie als Furius
Cresinus beschuldigt wurde, ceu fruges alienas pelliceret veneficiis (s. Plin.).
***)
Among the Australians the elder of the tribe is generally the chief
(Sturt). Among the Sea-dayaks the chief of several clans is alone entitled
to the dignity of an Orang Kaya (Head chief), and the head of a subor-
dinate house is termed Tuah (old man), a title, which he shares with the
seniors of his own people (Boyle). Bei den Land-Dyaks finden sich zwei
Orang Kayas, the elder having the pre-eminence (s. Low). Die Idaans (in
Borneo) follow the councils of the old man, to whom they are related
(s. St. John). Senatores a senectute dici, satis constat (s. Festus). Senato-
res a pietate patres (Aurel. Vict). In der legis actio sacramenti (s. Gajus)
wird die Entscheidung des Praetor (vir pietate gravis) zwischen zwei Strei-
tenden symbolisirt (nach Maine).
*)
Die Joshtero genannten Beamten der Siga (oder Versammlungen)
in den Dörfern (am Bawanji) are chosen for their wisdom (s. Drew). There
is no superiority of one over another, among the Fuegians, except that
acquired gradually by age, sagacity and daring conduct (Fitzroy).
**)
Die den Rath der 30 Stammeshäupter (nach dorischer Verfassung
der Spartaner) ergänzenden Volksversammlungen wurde aus Sechzigjährigen
besetzt. Bei den Mexikanern war den Sechzigjährigen, wie der Müssiggang,
auch die Berauschung gestattet.
***)
Zeus (bei Homer) „is not a law-maker, but a judge“ (s. Grote) in
den Themistes (separate, isolated judgments) auf Themis oder (s. Maine)
Dike bezogen, vor dem νόμος (als Codex), anfangs „in gremio magistra-
tuum“ (sonst im Schosse Zeus’).
†)
Among the Sakarran Dayaks there is a war-chief, in addition to
the ordinary chief (Low) u. dgl. m.
††)
Nach Vincentius Bellovacensis stammten die Franken von Franco
(Sohn Hector’s). Die Eumolpiden verehrten Eumolpus, als Ahn, wie Buselus
bei Buseliden, Cecrops bei Amynandriden (in Athen). Cacculus wurde von
den Caeciliern, Cloelus von den Cloeliern, Clausus von den Claudiern als
Ahn verehrt. There are several animals regarded as sacred by the Sea-
Dayaks (St. Johne). Seelen der Vorfahren gehen in Schlangen über bei
den Dayak (und so bei Zulu).
*)
In passing from the East to the West, theological speculations had
passed from a climate of Greek metaphisics to a climate of Roman law
(s. Maine), indem an die Stelle speculativer Subtilitäten über die Natur der
Gottheit Fragen über die Sünde in Beziehung zum freien Willen heran-
traten. Die ethischen Grundsätze fielen, nach Ausscheidung theologischer
Autoritäten (spanischer) Casuistiker (durch Pascal) in der Reformation auf
römische Gesetzesbestimmungen zurück (zum Naturrechte erweitert), bis
von der Metaphysik (seit Kant) beansprucht. Obligatio war (in Rom) juris
vinculum, quo necessitate adstringimur alicujus solvendae rei (durch Pactum
zum Contract, von Conventio her unter Stipulationen). Omne quod geri-
tur per aes et libram war ein Nexum in Rom, wie dadurch auch Eigen-
thum die Hände wechselte (bei Mancipatio), in Gegenwart des Libripens,
nach Art des abgewogenen Geldes jüdischer Säckel, (oder in Birma).
**)
Durch Stütze der französischen Juristen (auf der in den italieni-
schen Universitäten ausgebildeten Wissenschaft) begründeten die Könige
aus den Häusern Capet und Valois ihre Macht, wogegen die deutschen
Kaiser im Widerstreit mit römischer Kirche geschwächt wurden. Gegen-
über dem Staat, als Ausdruck der (theologisch als Göttliches aufgefassten)
Naturschöpfung, lassen sich die religiösen Partheistellungen mehr oder we-
niger direct auf jedesmaliges Menschenwerk zurückführen. Cum autem
omnia officia a principiis naturae (τὰ πρῶτα κατὰ φύσιν) proficiscantur
schliesst Cicero weiter, und könnte zum Einstimmen kommen (s. Diog. L.):
φὺσει τε τὸ δίκαιον εἶναι καὶ μὴ ϑέσει.
***)
In internationalen Beziehungen wurde der Fels des Grossen Geistes
zu neutralem Gebiete, von dem, unter dem dortigen Gottesfrieden, alle In-
dianerstämme den rothen Pfeifenthon holen mussten. Die als Farbstoff
(sowie Mittel gegen Gift und Schlangenbisse) dienende Terra Lemnia oder
sigillata (μολεος) wurde alljährlich durch die Priester vom Berg Moschylus
abgeholt und mit dem Bildnisse der Göttin versehen, im Handel nach allen
Seiten hin verschickt (nach Galenus). Die Arafuras (s. Kolff) without hope
*)
The Rock Veddahs are divided into small clans or families, associated
for relationship (mit Grenzen im Walde). Each party has a headman, the
most energetic senior of the tribe, but who exercises no sort of authority
beyond distributing at a particular season the honey captured by the
various members of the clan (s. Tennent). Die Häuptlinge (der Forest-
Veddahs) apportion a particular jungle as hunting ground for a certain
number of individuals or families upon which no other members of the
tribe will attempt to incroach (Sirr).
**)
The Tasmanians seemed to prefer tall and powerful men as chiefs
(Lloyd), the place of command was yielded up to the bully of the tribe
(Dove). Die Häuptlinge (der Andamanen) are always young or middle-
aged men (St. John).
***)
Each member is esteemed by the rest only according to his dex-
terity in throwing or evading a spear (in Australien). Bei der Prüfung
des Königs in Tonga „three spears are thrown at him, which he must ward
off“ (Martin). The ability to climb up a large pole, well greased, is a ne-
cessary qualification of a fighting chief among the Sea-dayaks (Low). Bei
***)
or reward, or fear of punishment after death, live in such peace and bro-
therly love with one another (unter den Papua), they recognize the right
of property in the fullest sense of the word, without there being any
authority among them, than the decisions of their elders, according to
the custom of their forefathers (bei Earle).
*)
Iwi ist allgemeiner Name für Stamm von dem Kukane oder (in
embryonaler Entstehung) dem Stammvater, dessen Söhne jeder Haupt eines
Hapu werden, während die noch nicht organisirte Familie einen Warau bildet
(bei den Maori). „Was hier φυλὴ, tribus, genannt wird, kommt anderswo
auch unter dem Namen φρατρία oder γένος vor, weil sie nach einem und
demselben Prinzip der Eintheilung geschieden sind, die Species für das
Genus.“ Sodales sunt qui ejusdem collegii sunt, quos graeci ἑταιρἰαν
vocaut (Gajus). Auf der Insel Fehmarn heisst ein Geschlecht eine Vetter-
schaft, die Familien heissen Klüfte (Niebuhr). Als Οἰκηε̃ς oder Οἰκέται
traten die Sklaven (δμῶες oder δοῦλοι) in die Familie ein (neben ϑῆτες oder
abhängig Freien), unter dem ὄρχαμος ἀνδρῶν (wie Handwerker unter dem
ἐπίτροπος). Im Hause geboren, heissen die Sklaven ὀκογενε̃ις oder (οἰκο-
τροφεῖς) οἰκότριβες (Sklavinnen als σηκίδες), chia shen-tzu in China.
***)
Rivalität für die Candidatur des Häuptlings wird derjenige gewählt, der den
ersten Kopf bringt (bei den Dayak).
*)
Bei den römischen Eroberungen wurde der ager publicus (qui ex
hostibus captus est) den Colonen (unter gemeinsamer Viehweide) assignirt
(unter Abzug des Tempelbesitzes), die Possessionen dagegen (auf Wüsteneien)
concedirt (ἐν τοσῷδε). Der den Unterworfenen gelassene Boden blieb
denselben nur zum Usus fructus (quia in eo solo dominium populi Romani
est vel Caesaris). Jeder Sklave hatte (bei den Römern) sein eigenes Ge-
schäft, damit nicht (im Versehen verschiedener), als Zeichen schlechten Ge-
schmacks (s. Cicero) „servi sordidati ministrant“ (idem coquus, idem atriensis).
**)
In dem Gravelkind genannter Besitz (in England) ging das Land
auf alle Kinder gemeinsam über (s. Lingard). Bei den Tataren erbt der
jüngste Sohn, als im Hause bleibend, während die älteren, wenn sie auf-
wachsen, mit ihren Heerden fortziehen (s. Duhalde), und so blieb nur Einer
bei den Normannen (nach Willelmus Gemmeticensis).
*)
Neben dem (erblichen) Adel der Andrianen bildete Radama II.
durch Ehrenauszeichnungen (Voninahitra) die Rangstufen eines militärischen
Adels (bei den Howa). Die mit Kronländereien belehnten Tecpantlaca unter
der Tecuhtli waren dafür zu Diensten verpflichtet (bei den Azteken).
**)
Die Besitzrechte des Feudalismus (in Beziehung zur Emphyteusis
aus den Latifundien) war durch römische Unterscheidung zwischen quiritischem
und bonitarischem Eigenthum (vor der durch Justinian hergestellten Einheit)
beeinflusst, und in den Besitznahmen durch Eroberung erhielten ursprüng-
liche Bedeutungen der Possessio wieder ihre Kraft (wie bei australischer
Colonisirung zeitweis in den Squatter), in der Modification der agri vecti-
gales (mit coloni medietarii der Meyereien) zu agri limitrophi (militärisch
zu schützender Grenze).
***)
Bei Hindu, „if the eldest son fails, his eldest son has precedence
not only over brothers, but over uncles“. Die celtischen Clan „confer the
chieftainship on the eldest surviving male of the first generation“ („failing
the eldest son, his next brother succeeds in priority to all grandsons“). In
*)
A Corporation aggregate is a true Corporation, but a Corporation
sole is an individual, who is invested by a fiction with the qualities of a
Corporation (as „the king or the parson of a parish“); the capacity of
office is here considered apart from the particular person, who from time
to time may occupy it (s. Maine), wie bei den Sachem der Irokesen.
**)
Beim Ueberblick der verschiedenen Einrichtungen in Indien, Russ-
land, Croatien u. s. w., darf man nicht „insist that those different forms
***)
India „the widow of a Hindoo sovereign governs in the name of her infant
son“, wie die Succession zum französischen Thron, „preferred the queen-
mother to all other claimants for the Regency, at the same time, that it
rigorously excluded all females from the throne“ (s. Morgan). So auch des
Königs Schwester in Afrika (den Congoländern und sonst).
**)
of the Village Community represent distinct stages in a process of trans-
mutation, which has been every where accomplished in the same manner
(s. Maine), indem obwohl eine organische Gesetzlichkeit erkennbar, sich die-
selbe doch in den verschiedenen Localitäten nach dortigen Bedingungen
entsprechend modificirt; und ebenso in den Wohnungen, wo sich Ent-
wickelungen aus dem Zelt, von Holz- zu Steinbauten u. s. w. verfolgen
lassen, können die Realisirungen sämmtlicher Zwischenglieder nicht jedes-
mal de facto gelten, weil im besonderen Falle oft schon klimatisch als
solche bedingt (wie in gleicher Weise für Naturproduktion im Pflanzen-
oder Thierreich gültig). „One kind or sort of property is placed on a
lower footing of dignity than the others, but at the same time is relieved
from the fetters which antiquity has imposed on them“, und die Gründe
solcher Classificationen „vainly sought in the philosophy of the law“
(s. Maine), „belong not to its philosophy, but to its history“, indem schon
wegen „the stubbornness, with which Ancient Law adheres to its classifi-
cations“ (little able to conceive a general rule apart from the particular
applications of it with which they are practically familiar) fernere Be-
stimmungen, wie sie neu hinzutreten, dementsprechend beigefügt werden.
Erst an kritischen Wendepunkten erlangt man dann beim Hinaustreten
aus der Masse der angehäuften Thatsachen, innerhalb welcher sich vor
Bäumen der Wald nicht sehen liess, einen allgemeinen Ueberblick für neue
den gegebenen Verhältnissen entsprechende Eintheilungen. Auch solche
Fragen, als „what where the motives, which originally prompted men to
hold together in the family union“? (wie über die Abtrennung des Privat-
eigenthums) jurisprudence (s. Maine) „is not competent to give a reply“,
weil in der organischen Entwicklung selbst bereits liegend.
*)
Bei Entstehung des besonderen Besitzes aus dem allgemeinen „Whoe-
ver was in the occupation of any determined spot of it, for rest, for shade
or the like, acquired for the time a sort of ownership“ (s. Blackstone), und
dieses temporäre Anrecht wurde bei polynesischen Ariki bereits ein perma-
nentes, wie sonst (unter Savigny’s Bestimmungen) nach Ausgleich durch Recht
des Stärkeren (im jus von jubeo), oder in Verwachsung mit dem Eigenthum
(s. Leo), um auch für dieses Busse zu fordern (bei Germanen). La pro-
priété des objets extérieurs ou la propriété réelle n’est qu’une suite et
comme une extension de la propriété personelle; l’air, que nous respirons,
l’eau que nous buvons, le fruit, que nous mangeons, se transforment en
notre propre substance, par l’effet d’un travail involontaire ou volontaire
de notre corps (s. Sieyés). Dann (s. Glinka) la distinction en biens meubles
et immeubles (l’existence de l’homme se manifeste par le mouvement).
**)
Die praesumptiven Rechte des ersten Entdeckers und die daraus fol-
genden Kriege gaben der von Alexander VI. gezogenen Theilungslinie selbst in
Bentham’s juristischen Augen eine Empfehlung und (wie Maine zufügt) „gro-
tesque as his praises may appear at first sight, it may be doubted, whether
the arrangement of Pope Alexander is absurder in principle, than the rule of
Public law which gave half a continent to the monarch, whose servants
had fulfilled the conditions required by Roman jurisprudence for the acqui-
sition of property in a valuable object, which could be covered by the
hand (und so, nach juristischen, blutige Kriege mit den Maoris in
neuester Zeit). The history of roman property law is the history of the
assimilation of res mancipi to res nec mancipi“ (s. Maine). Christliche
Bedenken (bei C. A. Schmidt) fürchten giftige Impfstoffe beim Aufpfropfen
auf fremden Stamm.
*)
Die Maxime: „Nemo in communione potest invitus detineri“ gilt in
West-Europa, „but in India this order of ideas is reversed“ und daraus
fliessenden Missverständnissen (zwischen jus personarum und jus rerum) sind
zuzuschreiben (bei europäischen Beamten) „some of the most formidable
miscarriages of Anglo-Indian administration (s. Maine), wobei (wie bei-
fügbar ist) es sich um das Wohl und Wehe von Millionen handelt, wie
um das von Millionen, oder doch Hunderttausenden bei den (durch geographi-
sche oder historische Unkenntniss) abortiv unreifen Projecten der Coloni-
sationspolitiker in der Auswanderungsfrage (und um Millionen aus der
Schatzkammer des Gemeinwesens leicht genug obendrein). Ancient law
(s. Maine) knows next to nothing of individuals (concerned not with indi-
viduals, but with families, not with single human beings, but with groups).
Im Wesen der (inductiven) Forschungsmethode liegt es, dass „ihre allgemeinen
Ergebnisse einer beständigen Schwankung und Verbesserung unterworfen
sind“ (Sachs). Und bei gesundem Organismus geht dann die Entwicklung
ununterbrochen fort.
*)
In den „leges barbarorum“ war das Bewusstsein dieses Zusammen-
hanges noch lebendiger; indem sie nun aber mit den secundären Stadien
eines unter verschiedenen Geschichtsaspecten heraufgewachsenen Corpus
zu vereinbaren waren, konnten jene Incongruenzen nicht ausbleiben, die
bekannt sind, obwohl das Vortheilhafte in der „Aneignung der Früchte
der Rechtslebenarbeit eines höher gebildeten Volkes“ (s. Röder) für den
Gesammtgang der Culturgeschichte zu Tage liegt.
*)
Wer von dem Wato, als heiligem Seher, auf dem Berg Dalacha
geschützt wird, kann ungestört durch die Galla-Stämme reisen (s. Harris).
Neben dem (unter Anrufung Wak’s) den Göttern Ogli und Ateti opfernden
Lubach, exorcisirt der Kalicha durch Peitschenknallen (wie in Tirol). Die
dem Festpriester (ἱερωμενος) Ἀγητής beim Fest der Κάρνεια (für Apollo
Carneus) zugegebenen Gehülfen (als Carneates) durften sich während des
Amtes nicht verehlichen, zur Sühne der Pest wegen Tödtung des Seher
Carnus (wie der chinesische Kaiser büssend Landplagen sühnt). Als Rechts-
grundsatz des Rhadamanthys findet sich das jus talionis (bei Aristoteles).
In der Stadt liess Minos das Gesetz des Rhadamanthys bewahren, im
übrigen Kreta durch Talos, der dreimal jährlich die Ortschaften durchzog
für Ausübung der auf Erztafeln mitgetragenen Gesetze (s. Hoeckh).
**)
Die Schwemme (aus Feuchtigkeit) wachsen am meisten, „wenn es
dondern oder regnen will“ (nach Aquinas Ponto). Die Tubera haben „mit
dem Himmel etwas Vereinigung“ (s. Bock). Auf diese weiss redet auch
*)
Für die (erblich) constant genommene Pflanzenform hat der
Begriff der Metamorphose (als normale oder aufsteigende) „nur eine bild-
liche Bedeutung, man überträgt die von dem Verstand vollzogene Abstraction
auf das Object selbst, indem man dieser eine Metamorphose zuschreibt, die
sich im Grunde genommen nur in unserm Begriff vollzogen hat“ (in Göthe’s
naturphilosophischer Auffassung einer idealen Grundform) wenn nicht anzu-
nehmen, „dass bei den Vorfahren der uns vorliegenden Pflanzenform die
Staubfäden gewöhnliche Blätter waren u. s. w.“ (Sachs), wodurch sich die
Descendenz dann von selbst widerlegte, da mit den Staubfäden als gewöhn-
lichen Blätter sich die Existenzbedingungen der Pflanzen dadurch aufheben
würden. „Rohe ungeklärte Sinneseindrücke wurden ebenso wie gelegent-
liche Einfälle, als Ideen, als Prinzipien betrachtet“ (in der naturphiloso-
phischen Fortbildung der Metamorphosenlehre), „indem man die höchsten
Abstractionen mit der nachlässigsten und rohesten Empirie zum Theil
mit ganz unrichtigen Beobachtungen verband“. Bei dem Fliessenden
der Erscheinungen in der Natur (und im Besondern im organischen Leben
für die Entwicklungsgeschichte) bezeichnete Nägeli „das natürliche System
als ein Fachwerk von Begriffen“ (s. Sachs), gegenüber den platonischen
Ideen (bei den Systematikern der idealistischen Schule).
**)
Porphyrius und spricht: „Der Götter Kinder heissen Fungi und Tubera,
darumb das sie on samen und nit wie andere leut geboren werden“.
*)
Bei Feststellung allgemein gültig durchgehender Fundamentalgesetze,
als erblich dem Rassentypus einwohnend, wird kritische Sichtung verlangt,
*)
Ueber Etymologien hat man sich zu verständigen innerhalb einer
abgeschlossenen Theilwissenschaft, die der Principien ihrer eigenen Forschung
bereits sicher zu werden beginnt, sie stehen also nur solchen Fachmännern
zu, die das jedesmalige Feld ihrer Studien vollkommen beherrschen, und
deshalb dort als Meister zu sprechen berechtigt sind. Ohne Stütze der-
artiger Autoritäten würde die Ethnologie, die bei allen Sprachen der Erde
*)
um nicht durch simulirte Aehnlichkeiten der unter den, zu den geographischen
hinzutretenden, Geschichtsbedingungen erworbenen Erscheinungen getäuscht
zu werden, wie die Zoologie, (für die richtige Verwandtschaft) die vererbten
Charactere von den durch Anpassung erworbenen scheidet, und (s. Semper)
so wenig die Flossen der Wale von denen der Fische abgeleitet werden
können, die Flügel der Vögel von denen der fliegenden Fische. Functionell
entsprechen die Lungen der Wirbelthiere denen der Schnecken und Krebse,
„welche durch seitliche Faltungen der äusseren Haut entstehen“ (nicht mit
dem Darmkanal zusammenhängend), morphologisch der Schwimmblase der
Fische und sie doch „athmen vielmehr mit ihren Kiemen“. Wie hier, ist
auf „natürliche Existenzbedingungen“ auch bei den ethnologischen Orga-
nismen zurückzugehen.
*)
Das aus musivischer Zusammenfügung von Steinchen (durch mög-
lichst vollständige Herbeischaffung der geringfügigsten Details) „hergestellte
Mosaik ist bunt und das Muster schwer zu entdecken, wenn aber bei auf-
merksamer Beobachtung der diesem buntscheckigen Gefüge zu Grunde lie-
gende Plan sich als jener allgemeine Charakter der semitischen Religion
herausstellen sollte, so wäre mit diesen kleinen Dingen der Religions-
geschichte überhaupt, auch der Entstehungsgeschichte der alttestament-
lichen Religion ein Dienst geleistet“ (s. Baudissin). So in der Ethnologie
auf ihren verschiedenen Arealen, und alle diese wieder in gegenseitigen
Beziehungen mit einander, zum allgemeinen Abschluss.
*)
hospitiren geht, auf eigene Hand keine Etymologie wagen dürfen, sie stellt
indess den Anforderungen ihrer comparativen Methode gemäss, Aehnlichkeiten
zusammen, wo sie sich finden, für objective Constatirung, wie pflichtgemäss
zu geschehen. Wenn darin einem an die Perspective nicht gewohntem
Auge, Mancherlei barock erscheint, wäre die Schuld nicht dem Autor zu
belasten, und sofern auf die Natur geschoben, müsste altkluges Besserwissen
sich mit dieser abfinden, (etwa auch die epikuräische Frage über die Schöpfung
beantwortend: Quae machinae, qui ministri tanti muneris fuerunt?)
*)
Wer noch an der Wiege unserer jungen Wissenschaft gestanden,
und all’ die Schwierigkeiten mit durchlebte, unter deren Gefahren die
schwache Kindheit bedroht wurde, der freut sich des kräftigen Schwunges,
den die Entwicklung jetzt genommen, und des gesunden Fortschrittes.
Manch’ junge Herrchen freilich, die seitdem an des Dichters Recensenten-Ross
emporgeklettert, sind altvätrischer Weisheit voll, und strenge Präceptoren,
mahnend und warnend, auch böswillig drohend, wenn die bequemen Esels-
brücken, die doch so oftmals ernstlichst angerathen, nun nicht bald ge-
baut werden sollten. Wer jetzt bereits, kaum an der Schwelle eines un-
übersehbaren Arbeitsfeldes angelangt, im Vertrauen auf individuelle Hirn-
arbeit den grossen Plan des Weltganzen zu reconstruiren wagt, dessen
Muth ist beneidenswerth, aber nicht Jedem beschieden. Die Nachwelt
indess wird es wenig kümmern, welche Vermuthungen wir gehegt haben,
über Dinge, die kaum unter den schwankend ersten Schattenumrissen in
unsern Augen auftauchten. Sie wird vor Allem das objectiv reine und
unverfälschte Rohmaterial verlangen, soweit jetzt noch (und später nicht
mehr
) zugänglich, um es in der Umschau eines weiteren Gesichtskreises,
der dann zu Gebote stehen wird, richtig zu verwerthen. Zunächst also
eine topographische Aufnahme des Terrains, dann Eins-nach-dem-Andern,
und wer dabei mehr verlangt, als innerhalb des Sonnenumlaufs in 24 Stun-
den zu geschehen, der ist willkommen, wenn er etwa Josua’s Kunst von
den Maui oder andern Schlingenfängern gelernt hat. Die Ethnologie ist augen-
blicklich noch so sehr eine Wissenschaft brennendster Fragen, dass, wer nicht
in der einen oder andern Weise für seinen Beitrag activ gedient, sich zum
Commandiren kaum herandrängen sollte. Im Uebrigen würde, wenn die Zeit
bereits gekommen oder gegeben wäre, gerne dem dringenden Wunsche
nach Detailvertiefung gefolgt werden, und weiter folgender Erleichte-
rungen für den Leser. So lange indess die Arbeiten unter oft wiederholter
*)
Dass in Benutzung der Quellen, soweit auf anerkannte Autoritäten
zurückgegriffen wird, die secundären überwiegen müssen, ergiebt sich von
selbst, da sie schon dem classischen Gelehrten beim Anstreifen des ganz
benachbarten Feldes der orientalischen Literatur zuzugestehen, und es eine
allzu ungeheuerliche Anforderung wäre, wenn die Ethnologie bei all’ den
verschiedenen Literaturkreisen, nicht Asien’s allein, sondern in noch
4 ganzen Continenten ausserdem, in sämmtlichen schriftlichen oder schrift-
losen Traditionen des Erdball’s nur durch eigenes Selbststudium erschöpfte
Originale benutzen dürfte. Auch ist auf diesen geographisch vergleichenden
Arbeitsfeldern, weil universellen, Theilung der Arbeit als zu Recht be-
stehend längst anerkannt, von den Autoritäten in Specialfällen und für
dieselben.
**)
Observation, expérimentation, telle est actuellement la devise de la
science médicale (s. Perret). Philosopher, c’est doctriner, or nous n’avons
pas le temps de cela, quand le malade nous réclame (und in der Ethno-
logie, wenn das Material vor unseren Augen zu Grunde geht, ohne rasches
Zugreifen und Ansammeln durch den dazu Berufenen). Generally speaking
*)
Unterbrechung (mit langjähriger Entfernung von literarischen Hilfsquellen)
geführt werden müssen, liegt in gewisser Unbestimmtheit der Citationen der
Gewinn eigener Controle unter den Augen des Sachkenners, für den die
Anhalte zur Verificirung (oder Rectificirung) genügend sein werden. Da
nur die Skizzenumrisse von Entwürfen geliefert werden, ist neues Durch-
arbeiten gewinnreicher, als allzu ängstlich gleiche Bahn nachzutreten.
Ohnedem kreuzen sich in der Ethnologie die Wege stets nach allen Seiten,
und manchmal entsteht der Schein von Verwirrung für den, der gerade
einer Richtung nur in seinem Gedankengange folgend, die Wegweiser nach
andern Seiten hin übersieht, die in der Citation für allseitige Erwägung
liegen sollten, oft zugleich mit Rückweis oder Anschluss an früher bereits
Behandeltes. Je unermesslicher die Masse des Stoffes wächst, desto mehr
ist das Gedruckte auf möglichst kurze Winke zusammenzudrängen, wie für
den genügend, der zwischen den Zeilen zu lesen versteht. Wo die Fol-
gerungen klar zu Tage liegen, erhöht es dann die Befriedigung des denkenden
Lesers, sie selbst zu ziehen, und ohne Denken kein Gedeihen für eine
Wissenschaft, in der wir noch Alle mehr zu lernen, als zu lehren haben.
*)
Le progrès prochain de l’humanité consistera dans le développement
de plus en plus considérable de la raison pratique en politique (s. de Glinka).
**)
it is necessary (bemerkt Sproat) to view with suspicion any very regular
account given by travellers of the religion of savages (1866). A traveller
must have lived for year, among savages, really as one of themselves,
before his opinion as to their mental and spiritual condition is of any value
at all (im besonderen Bezug auf die Aht). So fehlen leider vielfach
schon die Vorbedingungen der Möglichkeit, rein ungetrübtes Material über-
haupt zu gewinnen.
*)
Broussais avait tiré son systéme de sa fournaise cérébrale, avant
d’observer les faits, et bon gré malgré, tout avait du se plier aux exigences
de la théorie. C’est là et ce sera toujours le sort reservé à ces impatients
avides, créateurs d’une idée, qu’ils regardent commes les colonnes d’Hercule
de l’entendement, comme si les courts instants de la vie suffisaient à soulever
le voile, qui cache la vie éternelle (Perret).
**)
Dann spricht selbst das Widersinnigste zu ihren Gunsten. Stahl
fand in der Gewichtszunahme geglühter Metalle eine Bestätigung seiner
Theorie, da das Phlogiston, welches leichter als die Luft sei, und (also die
Körper hebe) verloren gegangen, während man meinen sollte (s. Wagner),
„dass, wenn sich Stahl bei seinen Versuchen der Waage bedient hätte, er
sogleich von der Unrichtigkeit seiner Ansichten überzeugt worden sein
müsste“, durch die Waage, von Lavoisier als Symbol der Chemie proclamirt.
*)
Die Zuchtlehre Darwins ist „die kurzsichtigste, niedrigdummste und
brutalste, die möglich, und noch weit armseliger, als die von den zusam-
mengewürfelten Atomen, mit der ein moderner Possenreisser und Fälscher
bei uns sich interessant zu machen gesucht hat“ (K. F. Schimper). Wenn
indess jüngere Bewunderer im Feuer der Begeisterung zu Uebertreibungen
fortgerissen wurden, dürfen diese keinenfalls dem grossen Reformator zur
Last gelegt werden, dessen ganzes Leben, auf Reisen und im Studirzimmer,
dem vorschwebenden Ziele gewidmet war. Τῷ γὰρ πονο̃υντι χὠ ϑεὸς συλ-
λάμβανει.
*)
Die Fortpflanzung der Pflanze beruht darauf, dass sie eine spe-
cifisch ähnliche zeugt (nach Jungius), und Erlaubniss von Variationen über
erlaubte Variationsweite hinaus, müsste damit vim afferre vitae suae (im
Selbstmord).
**)
Wie weit wir (unter festgehaltener Deutlichkeit des Gedankenkreis)
in der Entstehung der Materie (des anorganisch Vorhandenem) zurückzu-
schreiten suchen, wir würden stets ein Letztes, als Gegebenes (wie in
der Mathematik) zu setzen haben, sei es in Atomen eines mechanischen
Nebeneinander, sei es in chemischem Hervorwickeln aus nebligen Horizonten.
In Evolution der Welt aus solcher Materie, als vorläufig anfangloser, lässt
sich ein bestimmter Anfang dann für das Leben (im Organischen) fixiren,
nämlich (nach scheidend anordnenden Verwandtschaften elementarer Kräfte)
der, Leben ermöglichende, Moment richtiger Wechselbeziehung zwischen
Tellurischen und Solarischen, indem nach der einen Seite Uebermaass des
Kalten, nach der andern Uebermaass der Wärme desjenigen unmöglich
machen würde, was, nach irdischen Verhältnissen, vom Menschen als Leben
verstanden wird. Dieses Leben, als (im Gegensatz zum Anorganischen)
innerlich bewegt (in Entwicklung und Zerfall) zeigt (bald directe, bald in-
directe) Beziehung zu dem Wechsel von Tag und Nacht, im Umlauf der
Sonne (für Jahrespflanzen) oder denen des Mondes. Als höchste Blüthe
des Lebens befreit sich das Geistige durch seine, Ahnungen eines
anfangslos Unendlichen und Ewigen ermöglichende, Gedanken von den
Schranken in Raum in Zeit. In dem mythologisch vergleichenden Studium
der Ethnologie erlangen wir einen erschöpfenden Ueberblick über alle
(in buntester Mannigfaltigkeit spielenden) Möglichkeiten einer Schöpfungs-
erklärung, ohne je (wie durch die Denkgesetze verboten) über einen
provisorisch ersten Anfang hinausgelangend, der meist durch Suppo-
nirung eines jenseitigen (oder ausserweltlichen) Gottes, (der bei weiter-
gehender Reflexion sich selbst wieder aufs Neue, als das nur letzte End-
glied unabsehbarer Vorreihen ergeben würde), verdeckt, oder sonst, mit
Wiederholung stetiger Auswicklungen des Späteren und Früheren, im Kreise
herumgeführt wird. Da unsere wissenschaftlichen Systeme erst innerhalb
**)
des Planetensystems, und auch hier (für Reihen deutlich erkennbarer That-
sachen) nur für die Sonderbeziehungen der Erde allein einigermaassen ge-
klärt sind, hat die Induction selbstverständlich (sobald das Gebiet der
reinen Mathematik verlassen ist) schon deshalb stillstehend anzuhalten,
weil die für das Planetare bis jetzt bereits vermuthbaren Anfänge des An-
fangs in anderen Theilen der Sternenwelt liegen, und so für schärfere De-
tailbetrachtung ausserhalb des Gesichtskreises bleiben (und selbst bei ihrer
Zulässigkeit, aus diesen Anfängen des Anfangs dann nur zu neuen Anfängen
weiter zu führen hätten). Der Lösung des Lebensräthsels im Sein, wird
(der im All’ angewiesenen Stellung gemäss) der auf einen Einblick in die
relativen Beziehungen des Werden’s beschränkte Mensch nie durch raum-
zeitliche Betrachtungen (um die Speculationen aus denselben in das Un-
endlich-Ewige überzuführen) näher zu kommen vermögen, sondern die
einzige Handhabe kann erst psychologisch (durch Vervollkommnung ethno-
logischer Induction auf physiologischer Grundlage) geboten sein, im mo-
mentan enthüllten Contact der, (in Wechselwirkung des Innern und Aeussern),
im sprachlichen Austausch der Gesellschaft, Gedanken zeugenden Kräfte,
unter dem Bann unabänderlich fester Naturgesetze. Da für das Leben ein
(wenigstens secundärer) Anfang, der seine Wurzeln in der (primär zunächst
anfangslosen) Materie (vor geordneter Wechselwirkung im Gleichgewicht
der Kräfte) verbirgt, herstellbar ist, so lässt sich derselbe auch für den
Geist, das Product des Lebens, gewinnen, obwohl (bei unvollkommener
Uebersicht möglicher Combinationen in jeder Zahl) keine logische Noth-
wendigkeit vorliegt, solchen Anfang a priori als einmaligen zu setzen, da
scheinbar gewonnene Vereinfachung nur an der Oberfläche täuscht (in
der mit dem Anfang selbst verschwindenden Maya). Weder über das
Wie, das Wann oder Wo im Anfang des Lebens ist derartige Aussage
zulässig, die unter der von der Methode der Induction verlangten Schärfe
die Probe bestehen würde, und vorläufig ist genug damit geschehen, ein
grosser Schritt vorwärts bereits, wenn sich der Anfang selbst (als bei dem
Gegensatz von Sonne und Erde secundär unabhängiger) proclamiren liesse,
da wegen der ununterbrochenen Aufeinanderfolge der hierbei waltenden Gesetze
bis zum Geistigen, bei der in diesem dann gegebenen Begriffsmöglichkeit,
die Aussicht eröffnet ist, Anfangsgesetze (und wenn secundäre, weiterhin
auch primäre) im Fortgang der Studien zu verstehen. Immerhin lässt sich
die Ableitung gewinnen, dass bei ausgeschlossener Umkehr in’s Nichtsein,
der Gedanke, nachdem erzeugt, einer Vernichtung (auch relativ genommen)
bereits dadurch entzogen ist, weil im Bewusstsein, bei organischem Zusam-
*)
Die wichtigsten Fragen der Bildungsgeschichte der Menschheit
knüpfen sich an die Ideen von Abstammung, Gemeinschaft der Sprache,
Unwandelbarkeit in einer ursprünglichen Richtung des
Geistes und des Gemüths
(A. v. Humboldt), im „genetischen Geist
und Charakter eines Volkes“ (s. Herder). Aus ethnischen Wurzeln wird
der Völkergedanke entspriessen. — So ungeordnet die Materialien auch,
als nach einander angesammelt, vorläufig zusammengehäuft sein mögen,
so müssen sie doch, wenn richtig der Natur entnommen, aus eigenen
Wahlverwandtschaften, (wie in chemischer Mutterlauge) lebenskräftige
Produkte schliesslich hervorkrystallisiren lassen, und welche sich nicht als
solche beweisen, üben damit eben an sich selbst die zuverlässigste Con-
trolle. Unbequem Alles das für diejenigen, die mit fertigen Gedanken ge-
füttert sein wollen, aber ein Hochgenuss für die Gourmands im Denken,
die sie kennen die Freude, mit Selbstschöpfungen überrascht zu werden.
In der Statistik bedarf es einer steten Beachtung und Würdigung des
grossen und allgemeinen Zusammenhanges (nach Wappäus). „Fehlt die Be-
trachtung dagegen, fasst man die Erscheinungen in ihrer Vereinzelung auf
und fängt man, nachdem man sie blos vereinzelt dargelegt und analysirt
hat, dann schon an zu generalisiren, eine Theorie oder Gesetze aufzustellen,
so rächt sich dies unfehlbar durch die alsbald sich herausstellende Werth-
losigkeit, ja offenbare Absurdität des Endresultates einer solchen einseitigen
statistischen Untersuchung“ (s. Gandil). So ist in allen auf Statistik basi-
renden Wissenschaften vorher der peripheische Abschluss zu gewinnen, ehe
ein Maassstab für die Eintheilung gegeben sein kann, obwohl sich bereits
im allmähligen Zusammentragen des ausfüllenden Inhalt’s die Berührungs-
punkte des Zusammengehörigen überall lebendig aufdrängen.
**)
Καὶ πρότερον δέ τῇ φύσει πόλις ἢ οἰκία καὶ ἕκαστος ἡμῶν έστι,
τὸ γὰρ ὅλον πρότερον ἀναγκαῖον εἶναι τοῦ μέρους (Aristoteles). Bei den
**)
menhang des individuellen Bestehens in der Harmonie des Kosmos, diesen
Gesetzen inhärirend, wobei zugleich der eigene Vortheil (des Selbstinter-
esses schon) die gesunde, also gut erprobte, Entwicklung des Gedankens
in jedesmaliger Lebenssphäre fordern muss.
*)
Mit der Wissenschaft Zauberstab bleibt jenes Dunkel des Unbe-
kannten zu bezwingen, das polynesische Kosmologien bereits mehr und
mehr vor dem in der Schöpfung aufglänzenden Lichte zurückweichen lassen.
Omnibus enim innatum est, et in animo quasi insculptum, esse deos
(s. Cicero), wogegen (für die Buddhisten) die Wesen und Welten vom Nicht-
Anfang her in der Umwälzung des Entstehens und Vergehens begriffen,
und (nach der Sautrantika) die Welt als anfangslose zu setzen (bei „wahrer
Erkenntniss“). Deum se arbitrari esse animam mundi, quem Graeci vocant
κόσμον, et hune ipsum mun dumesse deum (Varro bei August.). Im προάρχη
und προπάτωρ gilt (gnostischer) Βυϑος als αἰών τέλειος, doch bei Epi-
menides schaffen αἰών und φύσις, die Kinder des Zeus. Εῖς δὲ ὢν πολυῴ-
νομος ἐστί (Aristoteles). Sic vario cunctus te nomine convocat orbis
(deorum dearumque facies uniformis für Isis), und dann Nana’s entmannter
Sohn, τῇ φρυγίᾳ γλώσσῃ ὁ Ζεύς (bei Psellus). Mieux vaut une bonne
légende, qu’une mauvaise explication scientifique (Lenthéric). In mytho-
logischer Phantasienwelt träumt der Geist die Vorstadien des Denken’s,
das bereits aus mancher der in phantasmagorischen Umrissen mit Farben-
tönen verklärten Wolke Blitze künftiger Wahrheiten hervorschiessen mag,
**)
Vorstellungen verschwindet der Einzelgedanke im Völkergedanken der
Gesellschaft, wie sich für das Gemeindewesen die „Volonté de tous“ in
„Volonté générale“ abzugleichen hat (im consensus gentium). Les idées
générales ne peuvent s’introduire dans l’esprit, qu’à l’aide des mots et
l’entendement ne les saisit que par des propositions. C’est une des raisons
pourquoi les animaux ne sauraient se former de telles idées ni jamais
acquérir la perfectabilité qui en depend (s. Rousseau). Die menschlicher
Wesenheit entsprechende Vorstellung, als auf sämmtlichen Sinnesauffassungen
basirend, setzt dann im Gehör zugleich das Verständniss des Gehörten voraus
(im sprachlichen Austausch).
*)
oder in fernem Wetterleuchten ahnungsvoll aufdämmern, wenn die Morgen-
röthe heraufzieht. Unter νοῦς (neben ὄρεξις) fasst Aristoteles die Phantasie
„mit den höchsten Verstandesbethätigungen“ zusammen (s. Brentano) und
in der Imagination als magische Kraft des Geistes (bei Baader) trägt
die „Götterkraft der Phantasie“ über jede Gewalt und jede Beschränkung
hinaus (nach Schleiermacher). Zu unterscheiden sind „Qualität, Quantität
und Maass der Phantasie“, deren Unterschiede „nicht blos auf dem ästhe-
tischen Gebiete zu suchen sind, sondern in jedem Gebiete des Geistes sich
geltend machen und selbst in der Speculation auftauchen“ (s. Rosenkranz).
Die bei Mendelssohn (als Erkenntnissvermögen, Empfindungs- oder Billi-
gungsvermögen und Begehrungsvermögen) unterschiedenen Seelenvermögen
(das Erkenntnissvermögen, das Gefühl für Lust und Unlust und das
Begehrungsvermögen) lassen sich (nach Kant) „nicht ferner aus einem
gemeinschaftlichen Grunde ableiten“. In der Seele „als Substrat Ein
räumlich untheilbares Wesen“ genommen, erscheinen die psychischen Phäno-
mene als „seine Thätigkeiten oder Zustände“ (s. Waitz). Der Contact mit
der Aussenwelt regt im psychisch wogenden Meer die Gefühle von Lust
und Unlust an, widerstreitend und umherschwankend, um auf die durch
die Reize angeregten Fragen eine Antwort zu finden, wie dann in deutlichen
Vorstellungen gegeben, und obwohl, in der Zwischenzeit schon, ein tempo-
räres Ueberwiegen nach einer oder andern Seite den Willen dahin determi-
niren mag, bedingt sich doch die Richtigkeit des Denken’s eben darin, das
Ganze möglichst in der Schwebe zu halten, bis sich ein gesetzmässiger
Zustand der Abgleichung hergestellt hat.
*)
Wenn man aus Anlass nicht zu beantwortender Fragen, das Dogma
der Erkenntnissgrenze ohne Weiteres proclamirt, so ist das immer ein
vorschneller Schritt (s. Rehmke). Auf neugestellte Fragen neue Antwort,
ὁ καρπὸς τοῦ πνευματος (Gal.) in Verjüngung veredelbar.
**)
Wie die Formen unseres logischen und mathematischen Denken’s
uns einerseits ewige Wahrheiten offenbaren, andererseits aber auch Er-
kenntnissprincipien sind, durch deren Entwicklung und Anwendung wir
die in der Natur vorhandene gesetzliche Ordnung entdecken, so führen uns
die ethischen Ideen, deren Gehalt an und für sich das unvergänglich
Werthvolle ist, auf den Gedanken einer noch andern und höheren Ordnung
der Dinge, einer auf die Verwirklichung des Guten abzielenden moralischen
Weltordnung (s. Drobisch). Dafür: la statistique morale et les principes
qui doivent en former la base (bei Quetelet), wenn wir soweit kommen
(in der Théorie des probabilités).
***)
Am starrsten klebt an solchem Fortbestand die im westlichen
Urtheil als windigste und (atheistisch) gottlos erklärte Religion des Osten’s,
das Teufelswerk des „Affen-Gottes“ oder (bei den Kapuzinern) des
ketzerischen Schreckgespenstes Manes. Durch den Schall von 84,000 Pauken
werden die Wesen für die Epiphanie auf dem Uccadhvaja genannten
Vimana (in der Lalita Vistara) zusammenberufen, und auch alle Schöpfungs-
vorgänge bereits, in der Vivattatthahi-kappa, verlaufen wie immer, je nach dem
Vordringen früherer Zerstörung in die Rupa-Terrassen, vor einer grösseren
oder geringeren Menge von Zeugen. Unsere Weltweisen allerdings, da sie
schwarz sehen, wo die buddhistischen weiss meinen, und umgekehrt, da sie
ja hören, wo die buddhistischen nein sagen wollten, und umgekehrt, haben
in den Erklärungen des Nirvana vorgezogen „cacumen radicis loco ponere“,
***)
aber auch in solch unbehaglicher Stellung soviel Behagen an dieser Kehr-
seite der Triratna genommen, dass, seit Schopenhauer’s Revindication, die
Literatur darüber, die verschiedenen Auflagen eingeschlossen, zur ansehn-
lichen Bibliothek angeschwollen ist. Auch gehören manche Werth-
stücke dazu, welche die im Dreikorb enthaltenen überwiegen, darunter eine
treffliche Geschichtsdarstellung, aber selbst der gelehrte Verfasser dieser
kommt am Ende seines Bandes dennoch zu dem Schluss, dass die „letzten
Gründe“ der Theorie, also die eigentliche Grundlage des Ganzen, vom
Menschenverstande nicht begriffen werden können und es also „überflüssig“
wäre, auf „Erklärungen der Nidana einzugehen“. Wenn so bei einem, in
seiner Art mit strengster Logik durchgearbeiteten System, ein System
zugleich, das in umfassenden Schriftstücken (Kameelladungen voll, wie
Baron Schilling weiss, und der Tandjur allein in 225 Folianten à 4—5 Pfund)
einem methodischen Gelehrtenstudium zu Gebote steht (ein wahres Eldorado
dafür, möchte man sagen), wenn so unter diesen verhältnissmässig günstigsten
Umständen, sich die Schwierigkeit erweist für den unter anderem Ge-
dankengang aufgezogenen Geist in einem fremden heimisch zu werden,
was ist dann für die disjecta membra zu hoffen, die uns fetzenweis durch
Reisende, als beiläufige Wegesfunde unter schriftlosen Naturstämmen
überbracht werden, Gefälligkeiten, die dankbar entgegenzunehmen sind,
aber vom Pontifex Mucius Scaevola vielfach wohl unter sein „Genus
nugatorium“ verwiesen wären. Graecos teletas ac mysteria taciturnitate
parietibusque clausisse „Varro dicit“, und hätte dies noch von vielen anderen
Stämmen sagen können, wenn damals schon entdeckt. Bis zu einer
wissenschaftlichen Ansprüchen genügenden Behandlung, wird also die Ethno-
logie noch einige Geduld üben müssen. „Auf den Gedanken, Weltgeschichte
zu schreiben, wird der kunstsinnigste Historiker am spätesten verfallen“,
(sagt, als Meister auf diesem Gebiete, Gervinus), aber „dass man schon
früher universalhistorische Werke schrieb und jetzt schreibt, war und ist
dennoch nothwendig“ fügt ebenso richtig Fallati hinzu. Und so soll gegen
die jetzt bereits hervortretenden Versuche zu ethnologischen Lehrbüchern
oder Handbüchern um so weniger geeifert sein, weil dieselben in Anregung
weiteren Interesses an einem dafür nützenden Zwecke mithelfen. Zunächst,
oder wenigstens gleichzeitig doch, gilt es, sich mit Thatsachen zu nähren,
denn „Gedanken ohne Anschauungen sind leer“ (Kant). Also das monotone
Ceterum censeo: sammlet das Material, ehe das letzte verschwindet.
*)
Die Kamschadalen belächeln, bei den Missgriffen in der Natur, die
Sancta simplicitas ihres Biedermannes Kuka, als einfältigen Gott, und die
Weisheit wächst erst mit der Köpfezahl her, in mystischen Zahlen von
4, von 7, von 9 vermehrt, bis in Rugiwit wieder unter einen Hut gebracht,
wenn nicht bereits in Dreifaltigkeit entfaltet (auch drei Köpfe in einander
geschoben in Notre Dame zu Chalons). Janus belauscht mit zwei Köpfen
des Ein- und Ausgangs die neckische Nymphe (Carna oder Cardea), an
der Thürangel drehend, um sie zu haschen, wie Brahma seine nach den
Cardinalpunkten gerichteten Köpfe wachsen die Reize seiner lüsternen
Schöpfung zu beäugeln, und wie hier ein Ansatz zu vedantischer Philo-
sophie gegeben, so in dem Verborgensein Carna’s (von carno) die Macht über
die Eingeweide, gleich denen im Topf der Canopen unter ägyptischen Göt-
tinnen. Daneben dann limen, was die Neuvermählte nicht berühren durfte,
terram Vestam, quod in Mundo stet sola, um die Jungfräulichkeit (Vestae
id est castissimo numini consecratam) zu heiligen. Aus dem im ἄγνωτον
σκότος einer orphischen Nacht (bei Eudemos) die Atua fanau Po umhüllendem
Dunkel strahlt in Polynesien das von Tane (wie im Kalevala von Kave-
Ukko oder Wäinämöinen) ersehnte Licht, und aus dem engen Mutterschoss
führen Lucetius (im Oskischen) und Lucetia, als Jupiter (diespiter unter dii
minuti) und Juno (Lucina) den Menschen zum Tageslicht. Tod droht dann
wieder durch die Pestpfeile leuchtenden Gottes (bei Homer) im Zorn gegen
Niobe seiner Schwester vereint, und bei den Serben senden die Wilen aus
der Luft tödtliche Geschosse auf die Menschen. Wenn die Wile im Walde
ruft, lautet es klappernd, wie das Hacken des Spechtes, und mit Picus ist
in Canens die Waldesstimme vermählt (wie später Pomona). Dem Gott
Ajus Locutius wurde als nächtliche Stimme ein Tempel erbaut.
*)
Ueberall tritt uns der Mensch in der Gesellschaft entgegen, im
Grossen und im Kleinen, und so auch in den Vereinen der Gesellschaften,
deren einer an ihrem 50jährigen Stiftungsfeste die folgende Ansprache
gewidmet war: „Jenes älteste unter den Culturvölkern der Erde, das der
Piramiden-Erbauer an den Gestaden des Nil, das unter den zu Denkmalen
aufgerichteten Mausoleen seiner Todten wohnte, hatte aus väterlicher
Tradition einen altgeheiligten Brauch überkommen, um in der Fülle des
Lebens das Bild irdischer Hinfälligkeit zurückzurufen. Bei der Vereinigung
zu festlichen Gelagen, kreiste ein Skelett von Hand zu Hand, unter dem
Jubel froher Gesänge klapperte das dürre Todtengebein, aus dem Geflitter
buntfarbigen Schmuckes grinzte ein nackter Todtenschädel hervor. —
Eines solch künstlichen Memento mori bedürfen nicht wir an dem heutigen
Tage, wo derartige Mahnung fühlbar und greifbar in uns lebt, wo sie, in
der Veranlassung zu diesem Feste selbst, sichtbar vor Augen steht, wo
sie mit jedem Gedanken der Erinnerung an das Ohr schlägt, laut und
gebietend. — Eine Gesellschaft stehen wir da, aus fünfzigjährigem Bestande,
aufgewachsen auf dem Schutt untergegangener Generationen, die uns er-
nährt und gepflegt haben, zurückschauend auf eine lange Reihe von Gräbern,
von Schädeln, von Todten. Aber diese Todten, sie sind nicht gestorben,
diese vermodernden Schädel, sie zeitigten die Gedanken, die in uns wirken
und wallen, diese Gräber, sie glänzen im Ruhmesschmuck Alles dessen,
was eine dankbare Mitwelt und Nachwelt, des Herrlichsten und Schönsten
an Ehrengaben zu verleihen vermag. — Die Gesellschaft überdauert das
Vergängliche, dem der Einzelse verfällt, der Einzelne kommt und geht,
er entsteht, er lebt, er vergeht. Er würde vergehen ohne die Gesellschaft,
ohne jene einigende Geistergemeinschaft, die mit den wogenden Gedanken
der Vergangenheit geschwellt, im Strom der Geschichte dahinbraust und
schäumend im Gischt die Schranken umbrandet, die es noch fortzuräumen
gilt, um dem Fortschritt des Wissens freie Bahn zu schaffen. — Was die
Geschichte im Grossen und Ganzen, die Geschichte jeder Gesellschaft
spiegelt es im Kleinen. Während der Einzelne altert, und nach flüchtiger
Spur dahinsinkt, treibt die Gesellschaft ein stets verjüngender Schoss,
jünger je älter sie wird, und stets erneut, im Zutritt jugendlich frischer
Kräfte, in denen die Vergangenheit fortlebt. Zeugend und schaffend
*)
spriessen an ihnen neu die Ideen der Vorangegangenen, und die von den
Vätern des Studiums angepflanzten Keime reifen dann zu jenen Früchten,
welche die Wissenschaft erntet. — So aus anfänglich schwachem Kreis,
emporgewachsen mit der Geschichte der Geographie, breitet sich unsere
Gesellschaft ein weitschattiger Baum, der seine Zweige erstreckt, durch
alle Zonen, durch alle Meere, durch alle Continente und Länder. — Braucht
es eines weiteren Wortes? Sehen wir sie doch um uns die geographischen
Gesellschaften, die an der uns gemeinsam gestellten Aufgabe, an einer
Fundamentalwissenschaft inductiver Forschung, zusammenzuarbeiten be-
rufen sind“ u. s. w. Die Gesellschaftswissenschaft geht von dem Princip
aus, „dass die Gattung allein der Gegenstand der Forschung sein kann
und die Einzelnen ihr untergeordnet sind“ (s. Petsche). Die Gesell-
schaften sind ein Kind der Zeit, die geographischen, wie die ethnologi-
schen oder anthropologischen. Die Kenntniss und Bearbeitung der ausser-
europäischen Sprachen „gestaltet sich jetzt zu einem eigenthümlichen Lite-
raturkreis von sehr beträchtlichem, immer wachsenden Umfang“ (1838).
„Der Stoff zu dieser allumfassenden Sprachkunde der Völker des Erdbodens
hat sich auf das mannigfaltigste vermehrt und wächst allmählig zu einem
Reichthum an, dessen mächtig zu werden, die Kräfte des Einzelnen über-
steigt, nur von gelehrten Vereinen, die durch die Regierung freigebig
unterstützt und von ihren Bestrebungen nach richtigen Grundsätzen ge-
leitet werden, ist eine, wenigstens theilweis gelungene Verarbeitung und
wissenschaftliche Anordnung desselben zu erwarten“ (Wachler). Dasselbe
gilt seitdem für ethnologische Museen.
*)
Im Gegensatz zu der staatlichen Gesellschaftsorganisation, als auf
der Natur (und diese, als Grund des Seins betrachtet, somit in der
Gottheit) begründet (mit dem Ausdruck menschlicher Wesenheit im Ge-
sellschaftszustande) ergiebt sich, solcher Schöpfung gegenüber, die Religion
als Menschenwerk, und insofern allerdings mit ihren Wurzeln gleichfalls
in die Natur (oder das Göttliche) eingeschlagen, aber erst secundär mani-
festirt, und durch den Willen hindurchgehend, demnach dessen individuellen
Schwankungen ausgesetzt. Der Mensch freilich veredelt die Natur
für seine Auffassung (in Fruchtbäumen, Rassethieren u. s. w.) nach be-
sonderen Geschmacksrichtungen, deren Ablenkungen, wenn zulange in gleicher
Linie fortgesetzt, mit allmähliger Abschwächung in Selbstvernichtung
verlaufen müssen, wenn nicht aus ursprünglichem Stamm (dem directen
Ausdruck der Natur) aufgefrischt. Je mehr im Uebrigen wir uns abmühen
wollten, über Dinge, die nach dem naturwissenschaftlichen Einblick in das
heliocentrische Weltsystem mit zwingender Nothwendigkeit ausserhalb der
Relationsverhältnisse des Denkens fallen müssen, in diese einzuzwängen, desto
kläglich-jämmerlicher müssten die Resultate ausfallen, und so in der That,
wie ethnologische Umschau lehrt, zeigt sich kein anderer Ideenkreis auf
der Erde (der des niederen Fetischanbeters am wenigsten) so zerfetzt und
zerrissen, wie der unsrige, der höchste unter Allen, in Folge der zwischen
Glauben und Wissen gähnenden Kluft (bis neue Einheit gefunden).
**)
„Der Existenz eines Menschen macht das Sterben, der eines Viehs,
das Schlachten ein Ende, die Vernichtung ist Alles Loos. Glücklich ist
daher derjenige zu preisen, welcher in Folge hoher Gelehrsamkeit oder
anderer Tugenden, von der Bühne des Dasein’s abgehend, einen mit Ruhm
gekrönten Namen für die Ewigkeit hinterlässt, er erfreut sich der Fort-
**)
dauer im liebevollen Andenken“ (Rablis Meïr). Damit begeisterten sich auch
die Maori oder (s. Turner) Neu-Caledonier wenn sie um Futter für die
Cannibalenfeste kämpften, und die Neu-Caledonier höhnten es (1845) als
ein „parcel of lies“, was die Weissen erzählt: „Rotten flesh and bones live
again“. „Bei den gebildetsten Völkern trifft man auf Gebräuche und
Anordnungen, welche der Verachtung des unwissendsten Wilden werth
sind“ (Graberg von Hemsö). Nur in seinen populären Schriften brachte
Maimonides die von den Talmudgläubigen verketzerte Unsterblichkeitslehre
zum Vortrag, und im More Nebuchim, „für einen engeren Leserkreis“
geschrieben, „erklärte er ausschliesslich nur die einzelnen Gedanken und
Ideen, abgesondert und abgezogen von der subjectiven Denkkraft der Seele,
welche sie im Leben gezeugt, und zwar nur die der höheren Gelehrten
und Weisen, die durch Erhabenheit und Wahrheit eine objective Realität
erlangt haben, d. h. zu für sich bestehenden, ewigen Wahrheiten geworden
sind, für unsterblich“ (s. Simchowitz). Philosophische Aristokratie wäre
nicht viel besser, als clericale Arroganz. Nicht auf die Evolutionsweite
abstruser Gelehrsamkeit kommt es an, sondern auf das harmonisch gesunde
Gleichgewicht im Denkorganismus, das im kleinen und engen Kreise
erreichbarer oft, als im grössten. Daneben allerdings waltet der Wachsthums-
trieb, der nicht zu hemmen (und, um die Gesundheit vor Schädigung zu
bewahren, auch nicht gehemmt werden darf), im Geiste dahinstrebend, die
Aussenwelt im Wissen zu absorbiren. So gross dann der Abstand im
Wissen relativ auch erscheinen mag, zwischen den Klassen der Zusammen-
gesellten, er bleibt ein Minimum im Universum, dem noch nicht Gewussten
gegenüber. Dem einwohnenden Streben hat Jeder zu folgen, aber innerhalb
harmonischer Gleichgewichtsgesetze, deren bedachtloses Ueberschreiten im
scheinbaren Fortschritt, zur Selbstzersetzung führen würde (wie stets bei
krankhaften Störungen des Organischen). So gilt der Wahlspruch: Klar
und wahr mit sich selbst! sei es im kleineren oder kleinsten Kreise, sei es
im grösseren (je nach dem Maass der Kräfte).
*)
In den Disputationen unter den Sung verwerfen die Confucianisten
die Vorspiegelungen von Himmel und Hölle, da die Uebung des Guten
aus dem Pflichtgefühl hervortreiben müsse, wogegen die Buddhisten den
Hoffnungsanker in der Zukunft nicht fahren lassen wollten. Da dieser jedoch
in eschatologischen Ausmalungen der Phantasie, die ausserhalb der Be-
meisterungen durch verständliches Denken fallen, keinen zuverlässigen Halt
finden dürfte, hat er im Bewusstsein eigenen Selbstinteresses zu haften,
in der Ueberzeugung, dass geistige Gesundheit, als in sich harmonisch,
mit den allgemeinen Harmonien des rings umrauschenden Sphärengesang’s
im Einklang bleiben wird, im jeglichen Daseins-Momente, für den die Zeit,
als planetarische Kategorien-Auffassung, sich annullirt (wie das Räumliche
im Psychischen an sich).
**)
Die Schöpfung der vergänglichen (als dritten) Welt oder Savalo-
kadhatu geht aus von der zweiten, im zweiten Dhyana beginnend und im
ersten (dem Sitz der Brahma parichadyas, der Brahma purohitas und der
Mahabrahmas) seine Vollendung erhaltend, (aus Brahma’s Logos). Die in
Hinwendung zum Nam-dhamma befreiten Gedanken, stossen bei Neu-Ord-
nung der Dhatu, in der Gravitation der Rupa nach abwärts, auf die
gröberen Elemente und versinken wiederum, durch Ate bethört, in’s Dunkel
der Awidya. Freilich lassen sich die Megga weiter verfolgen bis zum
vierten oder fünften Dhyana, an die Gestade des zur Vollkommenheit
führenden Thoda-Stromes, aber vor dem Nirvriti kein Heil, denn selbst
über den Akanishta-Himmel hinaus, in die Arupa-Höhen sogar, verfolgt
die Kharma oder Kamma (während im energischeren Sinne der Hellenen
Ζεῦς πατήρ der πρέσβα Διός ϑυγάτηρ seine strafende Hand fühlen liess,
als τούς ϑεούς έπινίσσεται ἄτη, und über ihr Grab des heiligen Ilium ge-
baut wurde, das freilich seinem Schicksal nicht entging). Als Buddha die
ersten seiner Erlösungsworte den frommen Büsserpaare Vaisali’s zu Gute
kommen lassen wollte, hörte er zu seinem Bedauern, von ihrem gerade
am Tage zuvor erfolgten Tode, erkennend, dass sie nach der Arupa-Welt
**)
abgeschieden seien, „the life of the inhabitants of which extends over
84,000 great Kalpas“ (s. Beal), jede Mahakalpa (nach Remusat) zu 100 Qua-
drillionen Jahren gerechnet (obwohl dies bereits für ein Asankhya zu niedrig
gilt, und von solcher erst noch viere zu rechnen wären). Kraft seiner
so eben erlangten Allwissenheit erkannte Buddha weiter, dass nach Ab-
solvirung dieser Seeligkeitsperiode Udraka Ramaputra als Flederhund
(Pteropus javanicus) wiedergeboren werden würde, und, wenn diese Existenz
vorbei, in der Hölle, wogegen Alara Kalama, nachdem er 63,000 Maha-
kalpas die Seeligkeit der Arupa-Welten genossen, als König zur Erde
zurückzukehren habe, um nach Beendigung dieser Laufbahn, gleichfalls in
die Hölle zu stürzen. „Alas! alas! would that Alara had survived that he
might have heard the saving words of my law! alas! alas!“ So ist mit
jeder Minute hauszuhalten, da der Unterschied zwischen heute und morgen
der einer Ewigkeit sein möchte. Das, in Ersparung rhetorischen Com-
mentar’s, demonstriren ad oculos in den Sammlungen der Ethnologie einige
der im letzten Augenblick geglückten Rettungen, die freilich, so erfreulich
sie ihrerseits auch sind, gleichzeitig doch mit tiefstem Bedauern füllen
über das Viele, was unwiederbringlich bereits verloren gegangen und nie
wieder gewonnen werden kann, so lange diesmal die Erde sich dreht.
*)
Un homme ne doit avoir q’une femme, comme une femme ne doit avoir
qu’un homme; cette loi est celle de la nature (Buffon).
**)
Good for the heathen of so sterile country (nach mährischen Brüdern)
in Tibet (s. Witson). „They club together as merchants do in trade“ (Bogle).
***)
If there be 4 or 5 brothers and one of them, being old enough, gets married,
his wife claims all the other brothers as her husbands, and as they successively
attain manhood, she consorts with them, or if the wife has one or more younger
sisters, they in turn, on attaining a marriageable age, become the wives of
their sister’s husband or husbands, and thus in a family of several brothers,
there may be, according to circumstances, only one wife for them, all or many,
but, one or more, they all live under one roof, and cohabit promiscuously
(s. Shortt). A Nair may be one in several combinations of husbands, that is,
he may have any number of wives (s. Mc. Lennan).
†)
No man of that country would on any consideration take to wife a
girl, who was a maid (s. Yule).
*)
In Cuba, Nicaragua and among the Caribs and Tupis the bride yielded
herself first to another, lest her husband should come to some ill-luck by
exerising a priority of possession (s. Brinton), wie ähnlich in Aracan, Congo u. s. w.
Bei der Syndasmian or pairing family (in Amerika) several of them were usually
found in one house forming a communal household in which the principle of
communism in living was practised (Morgan). Mädchen werden bei der Geburt
Einem der Anwesenden verlobt und in dessen Haus auferzogen (in Neu-Caledonien).
*)
Die Frauen (der Haidah) cohabit almost promiscously with their own
tribe, though rarely with other tribes (Poole). Nondum matrimonia contrahunt
non incestus vitant (Giraldus), Wilde Irish, id est silvestres Hiberni vocantur
(Camden). Uxores habent deni duodenique inter se communes (Caesar) die
Britten mit Belgae oder (bei Auson.) Bolgae, als Volcae (bei Caesar) an
der Küste mit Venta Belgarum (im Antoninischen Itinerar). Unter den Chippe-
wyan ist es Brauch „for the men to wrestle for any woman, to whom they were
attached“ (s. Hearne) und bei Buhmans nimmt der Stärkere die Frau des
Schwächeren (nach Lichtenstein). Die Arhai-Ghar (two and a half houses) oder
(in Khuni, Murowtreh, Seth und Kapoor zerfallend) die Lahoreen, an der Spitze
der Bhunjaees (unter der Khatris) do not marry either into the house of their
father or any one of the houses of their mother with whom she has the most
distant connexion, which, speaking in round numbers, bars half of the mother’s
house. Out of the four Lahoreen houses, therefore, a Lahoreen girl has only
two and a half houses out of which to obtain a husband, and she may not
be given to any Khatri of the Char Ghar or other inferior tribe. A Lahoreen
boy, in like manner, has among Lahoreens only two and a half houses out
of which to choose a wife, but he is at liberty to receive a wife from any
inferior tribe, because that is merely a condescension. The Char Ghar, in the
same way, receive daughters from the Barah Garh, but do not give them, and
the Barah Garh occupy the same relative position, with the mass of the un-
classed Bhunjaees (s. Edwardes).
*)
Nempe patrem sequuntur liberi (Camilejus) in römischer Gens (s. Livius).
Mulier est [f]inis familiae. Bei den Ojibwas hat die Erbfolge in der männlichen
Linie gewechselt, wogegen sie bei ihren Verwandten (Delawaren und Mohegan)
in der weiblichen verblieben ist. Obwohl indess bei den Ojibwas Nachfolge in
die männliche Linie geändert war, folgte die Erbschaft in der weiblichen.
Unter den Wuzeree wählt das Mädchen den Gatten, unter Zusendung einer
Haarnadel. Bei den Bantu-Stämmen wurde die Neigung der Mädchen berück-
sichtigt. Bei den Germanen brachte der Mann die Morgengabe, ein Schild,
Speer, Schwert, Pferd (zur Vertheidigung, wie bei Alfuren). Unter den Li-
gurern wurde der Gatte vom Mädchen gewählt. Bei den Iberern erbten die
Töchter (nach Strabo). Bei Iberern und Ligurern entschieden die Frauen in
den Rathsversammlungen (s. Plutarch). Usually the female portion rules the
house (s. Wright) unter den Familien des Langhauses, bei den Irokesen
(wie in Sumatra). Unter gemeinsamen Frauen maxime fratres cum fratribus
parentes cum liberis (s. Caesar) bei den Britanniern. Neben der besonderen
Frau waren die Frauen gemeinsam bei den Massageten (nach Herodot).
Die Stämme in Venezuela lebten in gemeinsamer Ehe (nach Herrera). In
Nord-Amerika gab die Heirath der ältesten Schwester das Recht auf alle
(und ähnlich bei Todas). Garamantes matrimonium exsortes passim cum
feminis degunt (Plinius). Die Auseer mischten sich ohne Ehe (nach Herodot).
Die Celten Irlands lebten in wilder Ehe nächster Verwandtschaft (Strabo).
In the Timaeus of Plato (des Idealstaates) his five grades of relations ore
precisely the same as the Hawaiian der „consanguine family“, im Uebergang
zum System der „Punaluan family“ (s. Morgan). Die Frauen der in Bezeichnung
von Punalua (Freund) zu einander Stehenden waren gemeinsam (in Hawaii).
Die Bramanische Ehe dauert bis zu der Geburt des Sohnes, oder bis der Sohn
des Sohnes gesehen wird. The members of the same tribe do not intermarry,
but members of different tribes do. Boys of twelve years of age are married
to girls of 15 or 16 (bei den Khond). Bei der Hochzeit „the principals in the
scene are raised by an uncle of each upon his shoulders, and borne through the
dance“, dann folgt ein Scheinkampf der Freunde der Braut gegen die des Bräut-
gams (um die Entführung zu hindern). Bei den Kolam Gond wird das Mädchen
entführt (zur Ehe).
*)
Jeder Thum der Magar (mit Kreuzheirathen nach Aussen) stammt
von einem männlichen Ahn (in männlicher Linie). The social organization
among the Khonds is strictly patriarchal. All the sons, together with their
wives and families, are in subordination to the father and obey his authority.
They possess no property of their own, and all that they may acquire by labour
or in any other way, belongs to the father. Their common mother prepares the
food for all. A village consists of a number of families under the headship of
an hereditary patriarch. A cluster of villages will have another head. Several
clusters form a tribe, which is under the guidance of a petty chief. And all the
tribes in a given tract are grouped together, and are governed by a superior
chief, who is styled Khonro ar Bisaye (s. Sherring). Gajus fand Analogien zu
der patria potestas (als römisch) unter den Galatern. Canut verbot den Frauen-
kauf in England. Der (sabinische) Raptus (wie von den Benjamiten in Ghiloh
geübt), wurde in Sparta (nach Plutarch) simulirtt (und so in Wales).
**)
Unter Cecrops wurden die Unilateres (nur der Mutter) in Bilateres (mit
Vater und Mutter) übergeführt (s. Bachofen). Bei den von Sarpedon aus Creta zur
Vertreibung der Solymer geführten Lycier folgte das Kind der Mutter (wie bei
Etrusker). Die Frauen bei den Griechen durften die Gynaeconitis nur mit Er-
laubniss des Ehemannes verlassen. Die Töchter Zelophedad’s (im Stamme Jo-
seph’s) wurden (nach Moses Bestimmung) ihren väterlichen Vettern verheirathet,
*)
Neben den Chilcat oder Chilcoot (der Thlinkiten) bestehen die an die
Azan grenzenden Alitscher (Menschen) aus den Stämmen der Tageh (an der Küste)
Kfukha, Kluhtane, Natiätsin, Tahtlin und Tahho, als (gemischte) Pamphyloi wie
vielfach. The gens in its origin is older, than the monogamian family, older
than the syndasmian and substantially contemperaneous with the punuluan
(s. Morgan). Every family in the archaic, as well, as in the later period, was
partly within and partly without the gens, because husband and wife must be-
long to different gentes (the gens entered entire into the phratry, the phratry
entered entire into the tribe and the tribe entered into the nation, but the
family could not enter entire into the gens, because husband and wife must
belong to different gentes). Die Phrara (Phratrie) der Albanier entspräche der
(sanscritischen) ganas (gens), die irische Sept der Sippe. Die römische Familie
(als οἶκος) begriff die ἀνδρας. Die Villeins in Frankreich bildeten eine Haus-
gemeinschaft (wie sonst auch in Langhäuser). All the members of one gens or
even of one phratry believed themselves to be sprung, not indeed from the same
grandfather or great grandfather but from the same divine or heroic ancestor
(s. Grote), im Rückgang auf Götter mit heiligen Thieren, (die, wenn dann in
dem Toten der Wappen getragen, zugleich die Anrufung der Ahnen für heroische
Hülfen erleichtern). Dii Penates et viales (animae humanae), qui appellantur
**)
damit nicht, wenn sie in einen fremden Stamm heiratheten, das Eigenthum in
der Erbschaft dem eigenen Stamm verloren ginge. Die Erbtöchter (ἐπικλήρες)
hatten die nächsten Verwandten unter die Agnaten zu heirathen (nach Solon).
Bei den Kunnuvan in Coimbatore wird die Erbtochter mit einem männlichen
Kinde (oder einen Theil des Wohnhauses) vermählt, unter der Erlaubniss mit den
Kastengenossen frei zu verkehren, und auf das geborene Kind geht der (Grund-
besitz über). Von den drei Formen der Ehe, wodurch die Frau in manum viri
übergehend, unter die patria potestas des Ehemanns fiel, als seine Tochter,
wurde usus (neben confareatio und coemptio) derartig (unter den Antoninen)
modificirt, dass die Frau, ihre Familienrechte bewahrend (unter dem Schutz
eigener Verwandter) dem Ehemanne nur für zeitweisen Gebrauch übergeben war,
(also kaum gebunden, bis zur Einführung der christlichen Ehe). Die Sklaven wurden
(bei den Griechen) in die Familie aufgenommen, verblieben aber immer unter
der Macht der Vorgesetzten (zunächst der väterlichen), während der Sohn (wie
in Rom) mit der Mündigkeit frei wurde (weil dann selbst für Bildung einer
Familie fähig), und ähnlich erlangte (in Polynesien) nur der Ariki als Aeltester
in directer Abstammung, die mit dem Haupt verbundenen Würden, als den
übrigen Gliedern der eigentlichen Familie vorstehend, während die Sklaven völlig
rechtlos blieben (im celtischen Clan dagegen durch Fiction zugesellt wurden).
Unter den Maori verfielen die priesterköniglichen Schemen ihrem gewöhnlichen
Auflösungsprocess unter den Rangitira. Auf Niue hatte der Höchste so oft bei
Misswachs seine Verantwortlichkeit für die Ernte mit dem Leben zahlen müssen,
dass sich Keiner mehr zur Annahme der Würde bereit fand, und die Familien-
häupter seitdem im gemeinsamen Rath die Regierung führten (s. Turner).
*)
La divinité intérieure (ἑστία δέσποινα oder Lar familiaris) est au-dessus
du père lui-même. The Roman family (s. Mackenzie) was a collection of in-
dividuals recognising the power of a single chief. Whoever was under this
power was within the family, and this applied to all persons brought under
power by adoption. Whoever was freed from this power by emancipation or
change of status, though he might be a child or descendant of the common
ancestor, ceased to belong to the family (in der Verwandtschaft als Agnaten unter
der väterlichen Gewalt). Bei den Griechen trat im Alter der Vater vor dem
Sohn zurück (wie Laertes vor Ulysses), aber in Rom galt die Patria potestas
unbedingt im Privatgesetz, obwohl vom jus publicum (zum Besten der Staats-
gewalt) abgeschnitten. The family (als „the type of an archaic society“) is not
exactly the family as understood by a modern (s. Morgan), oder unter den
Naturvölkern.
*)
animales (s. Servius). Auf ältester Darstellung der Trinität (in der Basilica
S. Felice zu Nola) fand sich Gott Vater zwischen dem Sohn als Lamm und
dem heiligen Geist, als Taube (400 p. d.). Das Kloster Schönthal wurde an
der Stelle gebaut, wo die Madonna auf einem von Löwen und Lamm gezogenen
Wagen zum Himmel fuhr (s. Schwab), während für Aphrodite Tauben angespannt
werden. Aus des heiligen Procopius’ Scheiterhaufen flog eine Taube zum Himmel.
Der Ochs ist (nach Gaume) das Symbol „der himmlischen Ackersleute“, der
(persische) Urstier (als Ackerbaustier auch in China geschätzt) trägt (Siwa’s)
göttliches Zeichen (wie Apis auf der Stirn) und bei Demeter’s Festen wurden
Stierkämpfe abgehalten. Taurii appellabantur ludi in honorem deorum inferorum
facti (equi circum metus currunt).
*)
Die Plebejer hatten unter den Patriciern einen προστάτης, als Patron,
zu wählen. Nachdem die grosse Masse der Plebejer unter Servius zu Cives er-
hoben, standen die unter den Patriciern verbliebenen Clienten bei eintretenden
Differenzen gegenüber. In den Comitia centuriata hatten die militarischen An-
forderungen des Gemeinwesens, als dringendste den Durchschlag gegeben. Dem
Populo plebique Romanae (populo plebeique in marcianischen Weissagungen)
günstig zu sein, werden die Gottheiten angerufen (s. Cicero). Augurium et
petitur et certis avibus ostenditur, auspicium qualibet avi demonstratur et non
petitur (Servius), so dass die Auspicien von jedem, auch privatim, zu nehmen
waren (wie in den auspices nuptiarum), wogegen die Auguren ihre Geheim-
wissenschaft besassen (im collegium), mit Numa, während Rom nach auspicato
gegründet war, doch: Principio hujus urbis parens Romulus non solum auspi-
cato urbem condidisse, sed ipse etiam augur fuisse traditur (Cicero). Als Arten
der Auspicien wurde ex coelo, ex avibus, ex tripudiis, ex quadrupedibus, ex diris
unterschieden. Das Posimerium, (ubi pontifices auspicabantur) entsprach dem augu-
raculum ex arce (der Auguren). Θεοὶ δυνατοί, divi qui potes (der Auguren).
**)
Rom bevölkerte sich als freigeöffnete Zufluchtsstätte aus der Umgebung.
In 1467 „Paris que la royauté veut repeupler, est proclamé officiellement lieu
de refuge pour les fugitifs, qui ne sont pas coupables du crime de lèse-majesté“
(s. Rosières). Seit Cleisthenes zerfiel der (in Tritthyen und Naukrarien) getheilte
Stamm in Trithyen und Demen. Die von Cleisthenes eingerichteten Demen unter
dem δήμαρχος wurden (zu zehn) im φῦλον τοπικόν verbunden mit dem φῦλαρχος
über die Reiter, dem ταξίαρχος über die Fusssoldaten und dem στρατηγός, als
allgemeinem Heerführer, sowie dem τριήραρχος über die Schiffe. Statt der
Phytaliden, Kodriden, Hesychiden, Butaden u. s. w. (von Phytalus, Kodrus,
Hesychus, Butes) wurden (seit Kleisthenes) die Namen der Deme zugefügt.
Durch Landvertheilung wurden die tribus rusticae gebildet (in Rom). Urbs ser-
vata est, ut esset aliqua aratorum sedes (Livius). Nach dem localen Wohnort
wurden die comitia tributa zusammenberufen (die städtische Modification der
Demen in Attica). Dii topici, id est locales, ad alias regiones nunquam tran-
*)
Die Mitglieder des Senats (ex optimatibus) nannte man (s. Cicero) patres
(partriciosque eorum liberos). Neben dem τοῦς ἐν τῇ κρείττονι πατέρας
(τοὺς ἐπιφανεῖς κατά γένος καὶ δἰ ἀρετὴν ἐπαινουμένους καὶ χρήμασιν), als
εὐπατρίδας stellt Dionys. die πληβείους (δημοτικούς). Romulus (nach Fulvius
Nobilior) populum in majores junioresque divisit, ut altera pars consilio, altera
armis rempublicam tueretur (Saturn.). Schutzgötter der Equites waren (in den
Reitern Castor und Pollux) die Castoren, zusammengesellt (Träger der φῄμη)
Kane und Kanaloa in Hawaii, oder andere Götter anderswo.
**)
Pater patrimus dicebatur apud antiquos, qui cum jam ipse pater esset,
habebat etiamtum patrem (s. Paulus). Matrimes ac patrimes dicuntur, quibus
matres et patres adhuc vivunt (wie bei Camilli und Camillae).
***)
Unter den Audihya (der Brahmanen in Guzerat) the Kunbigors are
priests to the Kunbis, the Mochigors to the Mochis or workers in leather, the
Darjigors to the Darjis or tailors, the Grandhrapagors to players, the Koligors
to the Koli tribes, the Marwbri Audiyas to the Marwari, the Kacchi Audiyas
to the Kachhis (Sherring). Embleme erhielten sich unter den Gilden, auch
im Fass. Die Amphora der Bona dea wurde im Tempel verehrt (wie orakelnder
Topf in Senegambien). Am Inachifest in Tonga wurde in der jungen Frucht
geschwelgt, wie beim Yamsfest der Aschanti, und „nunc posito pascitur umbra
cibo“ (Ovid), wenn der Lar begierig von den Erstlingen kostet. Wie der Kuchen
der Inca von den Sonnenjungfrauen wurde die Mola salsa von den Vestalinnen
geopfert für die Lupercalienopfer (sowie beim Opfer der Ops Consivia). Dies
tubulustrium appellatur, quod eo die in atrio sutorio sacrorum tuba lustrantur
(agna tubae tustratur, quos tubos appellant, quod genus ex Arcadia Pollanteo
translatum) der Tubicines (saccerdates viri speciosi) an der Tabulustria.
†)
Die Mohawk, Onondoga, Seneca galten als Väter, die Oneida und Ca-
yuga als Söhne (bei den Irokesen). Die Ojibwä waren ältere Brüder, die Po-
tawattamie jüngere Brüder, die Otawa Zwischenbrüder (wie jüngere Luceres).
**)
seunt (s. Servius). So kehren die Penaten Lavinium’s aus Abba dahin zurück
(gleichsam am Boden wurzelnd. wie schlangenartiger Genius).
*)
A Naples chaque quartier a sa Madone, le lazzorone s’agenouille devant
celle de sa rue, et il insulte celle de la rue d’à côté, il n’est pas rare de voir
deux facchini se quereller et se battre à coups de couteau pour les mérites de
leurs deux Madones.
**)
Famuli origo ab Oscis dependet, apud quos servus Famul nominatur unde
familia vocata (Festus). Hiu bezeichnet Familie und Knechtschaft im Alt-
deutschen (nach Leo). Die Strafe der Verbannung (Potok) traf mit den Eltern
die Kinder (in Russland).
*)
Der bei dem Säuberungsfest aus dem Tempel der Vesta fortgetragene
Unrath wurde durch die Porta stercoraria verschlossen (s. Festus), wenn nicht
in die Tiber geworfen (zum Fortschwemmen). Das wäre ein Platz (per clivum
Capitolinum) für anthropologische Lumpensammler, die schon so manch kost-
bares Kleinod aus archäologisch verachtetem Schutt gerettet, aus ärmlichen
Kjökkenmödding selbst. Lockender noch nach den Pignora imperii Romani zu
suchen, vielleicht fände sich in vejischer Quadriga eine Vermehrung der Bronzewagen.
**)
Et sciendum, si quid in caerimoniis non fuerit observatum, piaculum
admitti (wie auch Entheiligung von Feiertagen, durch den Pontifex ausserdem
durch Geldbusse gestraft). In Rom entstand aus der Aequitas das prätorianische
Recht (s. Hugo). Deorum manium jura sancta sunt (s. Cicero). Creditum est,
insepultos non ante ad inferos redigi, quam justa perceperint (s. Tertullian).
Exverrae sunt purgatio quaedam domus, ex qua mortuus ad sepulturam feren-
dus est, quae fit per verriatorem, certo genere scoparum adhibito, ab extra
verrendo dictarum (s. Plautus), und Weiterführung der hierauf bezüglichen Vor-
stellungen in Congo.
***)
Axamenta dicebantur carmina Saliaria (Paulus) in Verehrung des Janus
(s. Varro), als duonus cerus (bonus creator). Mamurius Veturius, der die dem
vom Himmel gefallenen Ancile ähnlichen Schilder (um den Diebstahl des ἱεροφυ-
λάκιον) zu hindern verfertigt, wurde bei den Tänzen der Salier verjagt (eingeführt
von „Morrio, rege Vejentanorum“). Februare positum pro purgare (Nonius)
beim Regifugium (im Febrnar). Das Schild des Gottes Perowit oder Gerowit (in
Havelberg und Wolgast) wurde zum Sieg vorangetragen. Die Bilder der Mar-
zanae und Zievoniae, wurden an Stangen umhergetragen, in Wasser geworfen,
von den Slawen in Meissen (s. Schneider). Der Lorbeer, als immergrün, wurde
zu Sühnungen (suffitiones) verwandt (auch der Soldaten von dem in der Schlacht
vergossenen Blut). Als die Götter des Staats (dii populi romani) wurden
(ausserhalb der patricischen Gemeinde mit ihrem jus sacrorum) die capito-
linischen Götter (Jupiter, Juno, Minerva) verehrt, und später fanden sich auf
dem Capitol, als curia deorum (b. Tert.) omnium deorum simulacra (s. Ser-
vius). Jupiter enim sine contubernio conjugis filiaeque coli non solet (Lact.).
Anfangs würde es nefas gegolten haben, einen gentilicischen Cult erlöschen
zu lassen (da dadurch göttliche Hülfe der Gesammtheit entfallen) und den
Familien wurde selbst vom Staate in popularia sacra (s. Festus) die Ver-
ehrung bestimmter Götter zugetheilt, später aber ging der Begriff der Gentilen,
als besondern Göttern zugewandt, den öffentlich anerkannten gegenüber in den
des heidnischen über (bei Consolidirung monotheistischer Eifersucht) und damit
fiel dann auch das particularistisch den Pagi gehörige zusammen, in den sacra
paganorum (wie die „lustratio paganorum“ unter den „sacra popularia“). Die curu-
lischen Aemter verliehen das Recht, im jus imaginum, zur Aufstellung der
Wachsmasken (cerae) vom princeps nobilitatis oder auctor generis (s. Cicero)
her „cum titulis suis“ (Val. Max.), wie die Moko bei Maori im Whare-runanga.
*)
Beim Opfermahl (am Erntefest des Swantowit) „galt es für fromm, die
Nüchternheit zu verletzen und für ein Unrecht sie zu bewahren“ (s. Schwenck),
und so überall unter Verknüpfung orgiastischer Ceremonien mit Geheimgebräuchen
der Ackerbaugötter.
**)
Wie die Abor heilige Bäume abhauen, um die Rückgabe geraubter
Kleider zu erzwingen, so schälten die Preussen (s. Lasicz) von ihren heiligen
Bäumen die Rinde ab, um sich für den Tod von Gänsen und Hühnern zu rächen.
***)
Heinrich VI. (von England) verlangte von den Priestern, die Brod
und Wein in Christi Leib und Blut zu verwandeln vermöchten, auch unedles
Metall in Gold zu verwandeln, während der Geldnoth, da dies ihnen doch noch
leichter sein müsse (J. R. Wagner). Am Himmel pflegen die Heiligen mehr zu
vermögen als auf der Erde. Der Prophet, der den Mond zertheilt, hatte dem
Berg doch nachzugeben.
†)
Unter den Clan der Gond (mit der königlichen Familie aus den Raj
Gonds von Chanda in 4 Clans) the worshippers of seven deities may intermarry
with those who worship five and four deities, but the worshippers of six,
five, four deities being regarded as one, may not intermarry (s. Sterring). Die
Clan der Naik oder Dhurwe Gonds wurden nach der Zahl der verehrten Götter
unterschieden (7, 6, 5, 4) und so bei Mexicaner (nach den Grabbeigaben).
Frau und Mann opfern getrennt (auf den Carolinen).
††)
Nach Aristoteles beruhte das heroische Königthum auf dem Volkswillen,
wogegen ἐκ δε Διός βασιλῆες (bei Callimachus). Der Interrex berieth sich mit
dem Senat über den vom Volk zu erwählenden König (in Rom). Beim Losen
für die Beamten wurde (nach Plato) die Wahl der Gottheit überlassen. Pa-
tricii, quum sine curuli magistratu respublica esset, coire et interregem creavere
*)
στρατηγὸς γὰρ ἧν καὶ δικαστὴς ὁ βασιλεὺς καὶ τῶν πρός ϑεοὺς κύριος
(s. Aristoteles). Der Archon Eponymus regelte die Stammes-Angelegenheiten,
der Archon Basileus die religiösen, der Polemarch die kriegerische, (und daneben
fungirten 6 Thesmotheten in Athen). Beim Auszug des spartanischen Heeres nahm
der Pyrphoros genannte Priester Feuer von dem Alter, worauf der König dem Zeus
Agetor geopfert hatte, um es voranzutragen. Ausziehende Colonisten (in Hellas)
nahmen von dem Feuer der Heimath mit sich. Die Perigorod genannten Colonien
in Russland galten als Filialen der Mutterstadt.
**)
Im Rex sacrificulus weisen verwandte Züge nach den Ariki. Als Silvius
die ihm von der Mutter her zustehende Herrschaft übertragen wurde, erhielt
Julus (ältester Sohn des Askanius) die Macht heiliger Würde (nach Dionys).
††)
(s. Livius). The head and frequently the whole person of a New-Zealand chief
is strictly tapu (s. Angas). The king, Tui-Tokelau, is high priest as well (in
Tokelau), their great god is called Tui-Tokelau (s. Turner). The god and the
king were generally supposed to share the authority over the mass of mankind
between them (in Tahiti). The office of high priest was frequently sustained by
the king (s. Ellis). Neben „the eldest man“ (in Autorität), the doctor of a
tribe had the most influence (unter den Feuerländern) and „gave advice“
(s. Fitzroy). Das Common-law (im Gegensatz zum Statute-law) entstand aus
Gewohnheit (in England), wie überall zur Deckung fortschreitender Verän-
derungen nöthig (und Vorbereitungen zum Naturrecht lagen im Fetialrecht). Die
Clarigatio wurde an der Grenze vollzogen, auf Sumba gegenseitige Aus-
einandersetzung vor der Schlacht (in troischer Fehde vor dem Zweikampf).
*)
The earth and all things therein were the general property of mankind
from the immediate gift of the Creator (nach Blackstone). Das Studium lucri
(Lust nach Gewinn) führte zum Eigenthum und damit zu den Bestimmungen
über Erbschaft. Die Batellah (in Guzerat), als Landbauer (assisted by their
**)
Ἰούλω δὲ ἀντι τῆς βασιλέιας ἱερά τις ἐξουσία προςετέδη και τιμὴ (in
den Juliern fortgepflanzt). „Der Eroberer Tullus ist der alten Satzungen der
Religion unkundig, vernachlässigte sie, erscheint als Feind der Götter. Sein
Nachfolger (mit welchem ein hohes politisches Leben seinen Anfang nimmt)
macht sich und das Königthum freier von den Obliegenheiten der Religion,
indem er einen nicht geringen Theil seiner geistigen Functionen dazu berech-
tigten Stellvertretern übergiebt“ (s. Ambrosch). Wie neben dem Rex, für das
Wohl des Staates betend (nach Brauch China’s), verblieb auch bei dem Conclave
der Cultus dem Flamen dialis, mit der Vorsicht der Brahmanen unter Pariah, Be-
gegnenden durch die Commetacula genannte Virga fernhaltend. Während für
die Collegien (wie dem der Arvalen) die von flare oder anblasen (des Feuers)
erklärten Flamines oder Opferpriester jährlich wechselten, waren sie für die
Pontifices lebenslänglich. Symbol der Pontifices war das Simpulum genannte
Schöpfgefäss. Vom Opferkönig und (priesterlichem) Flamen erhielten die Pontificen
die Reinigungsmittel (quis veteri lingua Februa nomen erat). Mit Kodrus endet
das Königsgeschlecht weiser Nestoren (in reinigenden Neleïden im Sohn erneut).
*)
Bei den Germanen wurde das Ackerland jährlich von den Häuptlingen
vertheilt, während das Weideland im gemeinsamen Besitz stand (nach Caesar).
Bei den Alemannen hiess der Zent (im Gau oder Pagus) huntari. Der Gau
(Pagus) schloss die Mark (Markgenossenschaften) ein. Neben den Altepetlalli
oder Gemeindeländereien fanden sich Ländereien (in den Dörfern der Azteken),
die dem Verwandtenältesten gehörten, oder auf seinen Sohn übergingen, aber
nicht persönlich veräussert werden konnten (s. Clavigoro). Bei den Laguna-
Pueblo-Indianer folgt Eigenthum in der Linie der Mutter und das Land ist
gemeinsam, ohne dasjenige, welches persönlich in Anbau genommen ist, oder
dann an ein anderes Mitglied der Gemeinde verkauft werden kann (s. Gorman).
Bei den Moqui geht beim Tode der Frau der Besitz auf deren Verwandte über,
die dem Mann nur sein persönliches Eigenthum lassen (s. Powell).
**)
Quid sunt regna nisi magna latrocinia (St. Auguste). Dem Stärkeren
gehört die Welt, erklären die Gallier den Etruskern. Omnia fortiorum virorum
esse (s. Livius). Die Antrustionen (in trustis dominica) waren in die nächste
Umgebung des Königs, gewissermassen in seine Familie aufgenommen, als
Hofstaat (s. Roth). Die Velama in the Telugudistricts (den Vellalars in den
Tamil-districten entsprechend) held formerly a military tenure (s. Cornish).
*)
Halees or hereditary „servants“) dispute an usurped right or the doubtful possession
of a field or a tree bis zum Tode (in Processen). Res nullius wurde durch
Occupatio erworben. Das durch heilige Furche (Sita in Indien) umzogene
Eigenthum durfte bei (etruskischen) Städtegründungen nicht überschritten werden.
Dem Gott Smik (Semik) Perlevenu war die erste Furche des Pfluges geweiht und
diese während des Jahres nicht zu überschreiten, war heiliges Verbot (bei den
Samogitiern). Deus Rediculus an der Porta Capena schützt als Tutanus.
*)
Nach altem Brauch nahmen an der Feldschlacht bestimmte Städte jedes-
malige Stellung in Mua-au (Vorhut), Lotoala (Hauptcorps) und Muriau (Rück-
halt). Die Rotten unterscheiden sich durch ihre Zeichen. Vor dem Kampfe
verhöhnten sich die Gegner (mit homerischen Epitheten). Frauen gingen wäh-
rend der Kriege ungestört auf Botschaften hin und her.
**)
Vergobretum appellant Aedui qui creatur annuus (s. Caesar). Die
(blonden) Adligen der Equites herrschten in Gallien über die Obaerati. Ipsorum
linguae Celtae, nostra Galli appellabantur (s. Caesar) als Galatier (oder Kelten).
Ombros Gallorum veterem propaginem esse Marcus Antonius refert (s. Servius).
Saxones lingua sua exterum quendam Wallum vocant et gentes sibi extraneas
Walenses vocant (s. Giraldus). Nach Eroberung Britanniens durch die Anglo-
Sachsen wurden dann die in Irland Einfallenden wieder „designés vaguement
sous le nom de Galls, qui signifiait étrangers; ce furent surtout des Danois“
(s. Valroger), in Deutschland dann die Wälschen Italien’s, wieder von den Ein-
fallenden benannt. Die Walliser (in Wales) leiteten sich aus Defrobani und
Gwlad y Haf (Sonnenland), wo Menw (der erste Mensch) die drei heiligen
Buchstaben niederschrieb (s. E. Williams). Die irischen Traditionen wurden von
den Seanchaidhe (Shanchie) bewahrt, neben den Fileh als Dichter und Ollam
als Gelehrten (fürstliche Barden). Im Unterschied vom Kymrischen bezeichnet
Galisch den Dialect Irland; sacram sic insulam dixere prisci (Fest. Avien).
Hibernia a Scotorum gentibus colitur (Isidor) neben den Picten (Caledonien’s).
Rutilae Caledoniam habitantium comae, magni artus germanicam originem ad-
severant (Tacitus). Unter Reuda zogen die Scoti (als Dalreudini) von Irland
nach Schottland in Gaidhealach, l’Écosse montagneuse (s. Steub), und gründeten
(nach Niedermetzelung der Picten durch König Alpinus) monarchiam totius
Albaniae. Omnes altitudines montium licet a Gallis Alpes vocantur (Servius)
und weisse Langstadt (bei Dionys.) auf Mons Albanus. Appianus in Illyricis
Cimbros Celtas (Spener). He is a Kemper Old Man (Senex vegetus est). Les
Gaals fugitifs venus en Irland sur un vaisseau phénicien (in a ship of Feneid)
s’allient aux Danans (s. Steub). Hibernos veteres Fenios dictos (O’Connor).
*)
In der Schlachtstellung traten die Familiae et propinquitates (bei den
Germanen) zusammen (nach Tacitus).
**)
Für den Cult im Sacellum erwählten die Curiales der Curia den Priester
(Curio) mit Gehülfen (flamen curialis) in den Versammlungen (comitia curiata).
Nach Dionysius waren die curiones (φρατριαρχοι oder λοχαγοι) der Curie
(φρατρα) oder Bande (λογος) militärische Befehlshaber. Heilige Spiele waren
mit einem epulum verbunden (s. Friedländer), und beim epulum Jovis wurden, neben
dem lectus, für Juno und Minerva sellae (s. Vat. M.) hinzugesetzt.
***)
Populum in quatuor tribus distribuit (Servius). Lemonia tribus a pago
Lemonia appellata (s. Paul. Diac.). Die Bezeichnung des Tota (τὸ κοινόν)
als Ganzes (im Umbrischen) trat für Tribus in der Respublica (der Römer)
zurück (s. Mommsen). Quadrifariam urbe divisa regionibusque collibus qui habita-
bantur partes eas tribus appellavit (Livius). Die Patria potestas erstreckte sich
nicht auf das jus publicum, indem darauf bezüglich der filius familias volle
Freiheit besass. The father was entitled to take the whole of the sons acqui-
sitions (in Rom). Die germanischen Einwanderer in das römische Reich er-
kannten die Mund, als Autorität des patriarchalischen Häuptlings, seit Caracalla
allen Unterthanen die römische Bürgerschaft ertheilte (von mandare).
†)
Die den Brockmer-Richtern (bei den Friesen) zur Seite stehenden Tales-
männern entsprechen (s. Von Wicht) den Sagibaronibus der Franken oder Sake-
mannen der Angelsachsen (als Nomophylacibus). Das Hauscommunionssystem
(als naturwüchsiges) wurzelte tief in dem Wesen der slavischen Familie und
*)
Die Irokesen empfahlen (1755) „a union of the colonies similar to their
own (s. Morgan), und wie im physischen Habitus des Yankee, wie im Spiritis-
mus, liesse sich auch in der grossen Union der Nachschimmer eines Abglanzes
erkennen aus dem ethnischen Horizonte der geographischen Provinz, innerhalb
welcher sie aufgewachsen. So (nach Scapov) Einfluss des eingeborenen Typus
auf die Russen in Sibirien. Von den Dakota abgezweigt, zogen (von jenseits
des Missisippi) die Irokesen über den San Ontario zum Hudson, die eingebo-
renen Algonkin vertreibend. Der Bund wuchs gleich einem Rom hervor.
**)
Die Irokesen feierten sechs Jahresfeste. Zehn Tage lang wurde bei dem
Leichenfest der Irokesen geklagt, unter Anzündung von Feuer auf dem Grabe,
bis die Seele den Himmel erreicht, und damit das Fest beschlossen war. An-
reden geschahen bei den Irokesen nach der Verwandschaft (in Stufen), oder
sonst als Freunde. Im Tamil werden die Jüngeren nach dem Grade der Ver-
wandtschaft angeredet, die Aelteren nach der Abstammung oder dem persön-
lichen Namen. Bei den Chinesen ist die Bezeichnung als älterer oder jüngerer
Bruder gewöhnlich. Neben frère und soeur findet sich puné und cadette für
jüngeren Bruder, ainée und cadette für ältere und jüngere Schwester (im Fran-
zösischen). Les parents du mari ou de la femme ne peuvent se mêler ensemble
par des marriages (nach Hiuenthsang) in Indien (s. Julien).
†)
dem psychologischen Character der südslavischen Völkerschaften (s. Utiešenovič).
Omnia erant eis communia (bei den Slaven) mit ältester Person, als Verwalter
„da das Gesammtvermögen ein gemeinschaftliches war, so ernannte die Familie
aus ihrer Mitte einen Verwalter desselben, welcher das Haupt der Familie dar-
stellend, in derselben herrscht und die vorkommenden Streitigkeiten schlichtet“
(s. Hube).
*)
Die Nation (populus) oder der Bund der Irokesen zerfiel in fünf Völker
(Stämme) oder (Geschlechter) Sippschaften (Seneca, Cayuga, Onondoga, Oneida,
Mohawk), als Phylen oder Tribus, und jedes Stammesvolk in 3 bis 8 Gentes
(Sippen oder Geschlechter), wobei diese sich dann in Sippen oder Banden
(Phratrien) theilten, z. B. bei den Seneca in die Sippe des Bär, Wolf, Biber
oder Schildkröte und in die Sippe des Reh, Schnepfe, Reiher und Habicht.
Die Phratrien (als Abzweigungen der beiden ursprünglichen Geschlechter Wolf
und Reh) wurden verwandt betrachtet, und so heiratheten die Geschtechter jeder
Phratrie anfangs nicht unter sich, sondern mit Geschlechtern der anderen Phratrie.
Der Bund der Irokesen als Populus gefasst, enthielt 5 (später 6) Phylen oder
Tribus, jede dieser zwei Phratrien oder Curien, und in solchen unterscheiden sich
die gentes durch das Totem-Zeichen.
*)
Julian’s, des Apostaten, religiöse Pflichten begriffen φιλανϑρωπια (den
Armen zu helfen), ἀσκησις (Enthaltsamkeit), und σῶφροσυνη (moralische Ge-
setzesbeobachtung in Uebereinstimmung mit den göttlichen Lehren). Service of
the Gods and the laws are coupled together as equally essential to true morality
(s. Rendall). Die Chinesen (als Buddhisten) „see in every attack of sickners
and in other misfortunes, a close connection with sin (tsui), they hold, that
sin is the cause of suffering“ (Edkins). That which is cut by kusala is Klesha,
evil desire, or the cleaving to existence. Akusala is the opposite of kusala.
That which is neither Kusala nor akusala is Awyakrata (s. Hardy) in Buddhis-
mus (Ceylon’s).
*)
Aeusserlich freilich fehlten die Vorschriften brahmanischer Waschungen,
doch wuschen die Indianer Florida’s dafür die Eingeweide, wie auch am Napo
durch Vomitive, und ebenso die Haidah, die Seewasser tranken, „washing them-
selves inside out“ (s. Poole).
**)
Before each of their periodical religious festivals, there is made a ge-
neral and public confession of sins (mit weissen Wampum’s in der Hand) bei
den Irokesen (s. Morgan), und das Fest Otädenoneneonawata öffnete mit dem
Sanundathawata (meeting for repentance). So beichteten die Azteken, und
Aeakos betet für das Unglück seines Landes (in Afrika).
***)
Nullis occupationibus est implicatus, nulla opera molitur (s. Cicero) und
„hunc deum rite beatum“ beneiden die Eweer in Mawe und ihre Nachbarn in
den Synonymen. Die Lappen dagegen versuchen Opfer für Jabmiakka (der
Todesmutter) in Jabmiaimo, damit sie das Leben nicht fortnehmen möchte, die
Kamschadalen belächeln gutmüthig die Missgriffe ihres Gottes, die ihr Scharf-
sinn in den Natur-Einrichtungen aufgefunden hat, und die Wogulen meinen
den (bösen) Kul verachten zu können. Wenn (bei sonst für einen Kranken
vergebens gesuchter Hülfe) die Schamanen (der Samojeden) ihre Geister oder
Tadebjo bitten, bei Num selbst zu flehen, entschuldigen sich diese mit der
Unmöglichkeit, denn „er ist weit von hier“ (s. Castrén). Am Feste von Vesta’s
Neufeuerzündung „et publice et privatim ad Annam Perennam sacrificatum itur,
at annare perennareque commode liceat“ (Macrob). Anna Perenna hatte Zeus
die erste Speise gereicht (unter den Töchtern der Atlas).
†)
Von dem (höchsten) Himmelsgott Toruim oder Tuurum verfertigen die
ugrischen Ostjaken (s. Erman) kein Bild, wohl aber von seinem Günstling
Oertik, von Long (dem Schutzherr der Künstler), vom bösen Jelan, von Meik
(dem irreführenden Waldgott) u. s. w. Bei den (sibirischen Tartaren) erscheinen
die Aina als Menschen nicht nur, sondern auch in Thierformen (als Bären,
Schlangen, Füchse, Schwäne u. s. w.), und so geehrt (s. Castrén), wie im
Totem der Indianer (mit Nachbildungen noch auf dem Grabespfahl). Nach
Varro (b. Aug.) hatten die Römer ihre Götter (bis auf Tarquinius) ohne Bilder
verehrt (s. Ambrosch). Umbras nescio quas incorporales inanimales et nomina
de rebus efflagitant deosque sanciunt (die Römer) neben den Bildern (Tertullian).
Pontifices (b. Aug.) quattuor diis faciunt rem divinam, Telluri, Tellumoni, Altori,
Rusori, in Plato’s Kosmos (ζῶον ἔμψυχον ἔννουν τε).
*)
Die Dreiheit der Ilman impyet ihanat (liebliche Jungfrauen der Luft)
war von Ukko aus seinen Knien hervorgerieben (bei den Finnen). Trismegistus
lehrt facere deos (bei August.), und dann folgen Rivalitäten, wie sich der capi-
tolinische Jupiter über die Verminderung der Verehrer (und ihrer Opfergaben)
beklagt (Tonantem pro janitore ei oppositum). Als τριτογενή tritt Athene zu
Zeus und Here (nach G. Herrmann), mit Stühlen zum Sitz (neben dem Ruhebett).
**)
Mit Pergubios (Gott der Früchte und Ernte) oder (bei Tscheremissen)
Pürükscha (Pugurscha Juma oder Kudortscha Juma) sich berührend, hiess Perkun
der Preussen oder (in Nowgorod) Perun (mit Blitzstein in Swastica) Wezzais
tehws, Altvater, bei den Letten. Bei den Finnen hat Jumala (nach Lencquist)
die Bezeichnung der Gottheit im Allgemeinen, obwohl auch wieder (als Jumala
ilma der Luft oder des Wetters) in besonderen Beziehungen (wie zu Ukko)
gesetzt (s. Castrén) bis zur bildlichen Darstellung (in Olaf’s Zeit) — en i
gardhin stendr god Bjarma, er heitir Jomale —, wie auch bei den Samojeden
der allgemein umbreitende Himmel die für sie wichtigste Personification des
Heerdenhüters in Jilibeambaertze annehmen mag, oder für Ackerbauer Saturnus
(et ops, als Caelum et terra) und Tengri (bei Mongolen) den Inbegriff der „Esprits,
génies terrestres et célestes, bons et mauvais“ (s. Kowalewski).
***)
Bei den Lappen stand jeder Gegenstand unter dem Schutze eines
Haldde und beim Zeltaufschlagen wurde dem des Ortes geopfert. Der Genius
loci wurzelt im Boden, als Schlange. Stryjkowski beschreibt Potrympum, larem
sive unum ex diis penatibus (bei Murini), als längsgewundene Schlange (neben
dem Idol des Perkun).
†)
Die ihn durch Geprügel und Räuchern vertrieben, wenn Viehsterben,
oder gar Unglücksfälle in der Familie seine Anwesenheit im Dorfe verdächtig
machen. Bei den Slawen steht dem Dobrebog (s. Reinesius) als gutem, der
böse (sleho) gegenüber.
††)
Gleich einem Nachzehrer, dem in der Mark das Genick gebrochen wird,
zog er die Erstgeburten aus Tonga an sich, und auf dem vom Ersten Menschen
*)
Bei Anfang des Pflügens feiern die Tschuwaschen das Reinigungsfest
der Keremet, für Keremet Asch (der Vater), Keremet Amscha (die Mutter) und
Keremet Uewli (der Sohn).
**)
Die sechs Religionsfeste (der Irokesen) waren durch das Jahr vertheilt,
und ihnen gemäss auch die 32 Tänze, unter denen beim Todtentanz (oder Okewä
der Frauen) die Abgeschiedenen sich einmischten, wie die Krankheitsgespenster in
dem letzten der Toltekenfürsten. Kascej (mit Leier in goldener Wohnung)
holt als Skelett junge Mädchen fort (bei den Russen) zum Tode (s. Kayssarow),
zu dem „in schwarze Nacht“ Morana (bei den Czechen) einsingt. Gute Seelen
gelangen nach Tschemherda (Land der Zufriedenheit), während Böse als Skelette
in Einöden umherirren (bei den Tschuwaschen), wie in Ceylon die Preta’s (von
Hunger gequält).
***)
Jaga Baba, als Skelett mit Knochenfüssen (s. Popow), zerstampft mit
Eisenkeulen im Mörser (bei den Slawen).
†)
Bei Ausbruch einer Seuche (unter den Wotjaken) wird (nach dem
Opfer eines schwarzen Schafes) ein im Dorf getödteter Hund oder Katze (für
das Orwas genannte Opfer) nach dem Fluss geschleppt, und dort mit Strick und
Prügel liegen gelassen (s. Schwenck). Sonst wird der Sündenbock in die Wüste
getrieben.
††)
In Böhmen wird der Strohmann des Todes im Flusse weggeschwemmt
(zum Ersäufen), ebenso (s. Hageck) am Rhein und der Donau, in Görlitz u. s. w.
Die Slawen trugen Marzana aus, damit im Sommer Zievonia’s Reich begann, aber
von christlicher Zeit wurden am Sonntag Lätare beide in’s Wasser geworfen
(s. Schwenck). Die Mäuse, deren generatio (s. Plinius) „lambendo constare, non
coitu, dicitur“, vertreibt, als norwegische Lemminge, der Exorcismus im Sacer-
††)
gewanderten Pfade müssen die Anderen folgen, auch ohne Yama’s Netze wohl,
oder den von Nurunduri’s Sohn in Australien geworfenen Strick. Von den drei
Heilrätinnen verfertigt Held ein Seil, womit sie den Menschen bindet und unter
Hülfe der beiden Schwestern an sich zieht (in Baiern). „Der Ring der Anangke,
als Adrastea oder Tyche (Fortuna oder Nemesis) ist Merkmal der Göttin, die
das Loos des Sterblichen dreht.“ Αἰων (χρόνου παῖς) ist der Genosse der
Moira (bei Euripides). Zu Pluto, als Rusor kehrt Alles zurück, ἔστι γάρ ἑιμαρ-
μένη πάντως (s. Heraklit).
*)
Neben den bösen Wassergöttern (Wesi-Hiisii, Turso oder Tursas, Wet-
chinen) fanden sich die den Fischfang schützenden (zum Kreise Ahti’s ge-
hörig u. s. w.) bei den Finnen (s. Castrén). Bei den Tungusen lebt im Wasser
der Buni (Dämon) Garan, der die Fische an den Strand treibt, aber auch Böte
umstürzt (wie seine caribischen Vettern).
**)
Jährlich bei den Esthen, die einmal nur dem geheiligten Heerde in
der Waschküche Speisen in die Asche werfen (s. Hollmann). Wenn reichlicher
gespeist, mit fetten Oelen, wie Agni, liessen sich auch Gegendienste erwarten.
Tarquinio Prisco regnante tradunt repente in foco ejus comparuisse genitale
e cinere masculini sexus eamque, quae insiderat ibi, Tanaquilis reginae ancillam
Ocrisiam captivam consurrexisse gravidam (s. Plinius). Mulciber Vulcanus a
molliendo scilicet ferro dictus (Festus). Nur zum heiligen Gebrauch durfte
Feuer aus der Flaminia herausgebracht werden (nach Gellius). Am Heerde der
Vesta opferte der Staat (an den Fornacalia oder Fordicidia).
††)
dotale Romanum (vos pestiferos vermes, mures, aves aut aninalia alia), wie sonst
Apollo Sminthius (auch in Aegypten), der dem polnischen Popel hätte helfen
können oder dem Bischof im Bingerloch. Und so die Hexe als Mausschlägerin
(s. Grimm), dass „die Thiere aus dem Pott springen“. Um den Kopf des im
October geopferten Pferdes wurde gestritten „inter Suburanenses et Sacravienses,
ut hi in regiae pariete, illi ad turrim Mamiliam id figerent“ (Festus). Und
so unter verschiedenen Symbolen von Aegypten bis Indien.
*)
Die bereits den Weg alles Fleisches gegangen und auf der Erde nicht
mehr sind, (— was nicht zu ändern gewesen) —, leider aber auch nicht im
Ethnologischen Museum, — was zu bedauern und zu bereuen (mit hoffentlich
dem Vorsatz ernstlicher Besserung). Und neben trauerndem Rückblick auf uner-
setzliche Verluste steigen die Ansprüche der mit der wachsenden Masse der neuen
Thatsachen immer drängenderen Detailarbeiten in der Ethnologie. „Der Formen-
reichthum der Thallophyten erwies sich so gross, dass zahlreiche Botaniker ihre
Thätigkeit ihnen allein zuwandte, manche sogar nur die Algen, andere nur die
Pilze oder Flechten sammelten“ (mit Tausenden von Diagnosen dicke Bände
füllend), und obwohl „tiefere Einsicht“ damit nicht gewonnen (bis zum
Jahre 1850), war doch „für die Kryptogamenkunde in ähnlicher Weise eine
empirische Basis geschaffen, wie durch die „Kräuterbücher im XVII. Jahrhundert
für die Phanerogamen“ (s. Sachs). Als darauf mit den Schwärmesporen der
Algen in der „Thierwerdung der Pflanzen“ die Grenzregulirungen durch einander
zu laufen drohten, lieferte das Dogma von der Constanz der Species „gute
Dienste“ der Wissenschaft, bis dann Pringsheim’s „characteristische Gruppen“
(in Erforschung sexueller Vorgänge) „sich wie Inseln aus dem Chaos noch un-
erforschter Formen erhoben“, und auf dem dunkelsten Räthselgebiete der Myko-
logie, wo „es galt mit der äussersten Umsicht und Vorsicht der Wissenschaft
Schritt für Schritt neues Terrain zu gewinnen“ de Bary die Entwicklungsstufen
der niederen Pilze verfolgte. „Wie bei den Algen lässt es sich auch hier noch
nicht absehen, zu welchen Resultaten schliesslich die Untersuchungen führen
werden“ (1875). Also zunächst voraussetzungslos (auch in der Ethnologie).
**)
Für den Schutz der Nationalität, wenn diese erwacht, im Bewusstsein
des staatlichen Gemeinwesens, auf der Vestalinnen Frage: „Vigilasne rex?
Vigila!“ und Vigila Mars (vigila, Hennil, vigila, der Vandalen), indem „Is qui
belli susceperat curam“ die Schilder bewegt und die Speere schüttelt, im
Tempel der Regia bei drohender Gefahr. Die Dhari oder Jangar (in Bombay)
„sing early in the morning, and awaken the Rajah, the god and the Brahmans“
(s. Sherring). Im Gebet auf dem Morai wird zuerst Roo erweckt (Gott des
Morgens), dann Tane, Tau, Tuaratai u. s. w. (in Nukahiva).
*)
Die hiermit eingeleiteten Versammlungen gehen auf das Stiftungsfest
der Gesellschaft für Erdkunde zurück, wo die Erweiterung des in der afrika-
nischen Gesellschaft geschlossenen Vereines zu einer allgemein geographischen
in Anregung kam in einer (an das in der Eröffnungsrede entrollte Bild der
Zeitgeschichte aus 50jährigem Bestande angeschlossenen) Ansprache:
„Wir stehen hier (wie es von unserem Vorsitzenden ausgeführt), inner-
halb einer naturgemäss organischen Entwickelung, die im Kleinen nur, im
engeren Maassstab gewissermaassen, dasjenige reflectirt, was in grossen und
mächtigen Umrissen, in deutlich lesbaren Schriftzügen an dem Gesichtskreis
unserer Gegenwart abgezeichnet steht.
Diese Gegenwart, in der uns so manche der von altersher lieb gewordenen
Ideale verloren gegangen sind, sie hat uns dagegen mit einer neuen Hoffnung
beschenkt, hat eine Hoffnung eröffnet, schöner und dauernderer, als je eine
andere: mit der grossen Zukunft, die sich unserm Volke zu eröffnen beginnt.
Wunderbar drängt es zu Blüthen ringsum in der Fülle der Zeit, denn wie
in allen Schöpfungen der Natur walten ewig’ unabänderliche Gesetze auch in
der Geschichte, in der wir leben, weben und sind, — in jener Geschichte, die,
wenn die Zeit der Reife gekommen ist, die langverheissenen Männer der That,
die in dankbaren Huldigungen verehrten Heroen der Mitwelt, ins Dasein ruft,
und in ihren unsterblichen Namen das bisher umdüsternde Gewölk in strahlenden
Leitungssternen durchbricht.
Als jener glänzende Morgen tagte, als der sehnlichst begrüsste Hoffnungs-
schein nationaler Einigung an dem Horizonte unseres Volkes heraufzog, als wir
geeinigt standen, ein Volk der Brüder, da verbrüderten sich auch die geo-
graphischen Vereine Deutschlands und aus der früheren Zersplitterung wuchs
eine gemeinsame Gesellschaft hervor. Diese Eine und gemeinsame Gesellschaft,
die Frucht des geeinigten Vaterlandes, sie tragen fortan den Namen einer
geographischen Gesellschaft Deutschlands. So vereinigt werden wir dann im
internationalen Verbande wirken, zusammen unter den grossen Gesellschaften
Europas, denen Frankreichs, Englands, Russlands und den neuerdings hinzu-
getretenen von den verschiedenen Ländern“.
Von dem, was die demgemäss Versammelten zu pflanzen suchten, zeigen
sich jetzt erst Sprossen, die vielleicht noch zu ihrer vollen Tragweite auswachsen
werden, um auf der allgemein umfassenden Grundlage der Geographie dann im
Besondern auch der Ethnologie zu Gute zu kommen, gefördert durch derartige
Organisationen, wie sie Leibnitz’ umfassender Blick für die vergleichende Lin-
guistik vorbereitete, (die wichtigste Hülfswissenschaft der Ethnologie). Hierfür
wird der erste Neubau eines Museums für Ethnologie den natürlichen Mittelpunkt
bieten. Zunächst war die Energie zu concentriren auf die Ausentdeckung des
noch völlig Unbekannten (wie in Afrika), zur Einordnung; dann ist der allge-
meine Ueberblick zu fördern.
*)
Eine brennendste Zeitfrage allerdings! Es brennt in allen Ecken
und Enden der ethnologischen Welt, brennt hell, lichterloh, in vollster
Brunst, es brennt ringsum, Gross Feuer! und Niemand regt eine Hand.
Die Autopsien der von 1850—1880 periodisch wiederholten Reisen liefern
die gewaltsam zwingendsten Ueberzeugungen des in schreckbar steigenden
Progressionen fortschreitenden Verderbens. Wenn indess ihnen, als sub-
jectiven Eindrücken nicht zu trauen, so sei auf die Acten des ältesten der
ethnologischen Museen verwiesen, mit ihren Belegen in Zahlen und That-
sachen, die prophetische Rechenkunst erleichtern, auch dem nüchternsten
Kopf, (ohne oratorische Ueberredungskünste). Wer hier zu widerlegen ver-
mag, mich eines Besseren zu belehren, der ist willkommen, und um so
freudiger sei ihm ein Dank, wenn befreiend von folternder Angst, über
unausbleiblich verlorenen Documentenschätzen, die Heiligthümer der Mensch-
heitsgeschichte, — verloren unwiederbringlich, auf immer, so lange der
Erdplanet sich drehen wird (in diesmaliger Schöpfungskalpe wenigstens).
An Ungläubigen oder Altersgläubigen wird es, wie immer, nicht fehlen,
aber: „sie dreht sich doch“, e pure si muove (auch nach meiner unmaass-
geblichen Meinung) und: es brennt überall (für die Ethnologie und ihre
Völkergedanken). Wunderbar überraschendste Entdeckungen ruhen im
Schosse der Zukunft. Sie sind uns gewiss, wenn wir uns darum mühen
wollen, sie sind verloren für immer, wenn jetzt im kritischen Moment des
Wendepunktes die Gleichgültigkeit fortdauert.
*)
Mit diesen Typen ist in der Seelenwelt (einer ethnischen Psychologie
oder Anthropologie) das System herzustellen in seinen Ordnungen, Familien,
Gattungen, wie in jeder anderen Naturwissenschaft mit deren Sammlungen
(welche sich für schriftlose Völker auf die ethnologischen reduciren), und
das Material kann hier, der Natur der Sache nach, natürlich aus der Natur
nur, durch objective Beobachtung, erlangt werden. Indem nun die Museen
dieses Material in alljährlich steigende Progressionen vor den Augen ver-
schwinden sehen (unter dem unabänderlich nothwendigen Gang eiserner
Naturgesetze in der Geschichte), auf der anderen Seite aber die Zahl der
Concurrenten, die sich um die letzten (und mit weiterer Entfernung in der
Originalität beständig verschlechterten) Reste streiten werden, zunehmend
und (je mehr das Bewusstsein der hohen Culturfragen, die hier auf dem
Spiele stehen, bei allen Nationen erwacht) zunehmender steigt, so sollte
die Wahl, ob mit verhältnissmässig noch mässiger Summe gut und billig
(soweit es nicht etwa jetzt bereits dafür vielfach zu spät ist) oder später
schlecht und theuer, mit kolossalen Summen (wenn überhaupt noch Etwas
dafür zu haben sein wird), zu kaufen, in verständiger Staatsökonomie nicht
schwer fallen, und also: caveant consules, ne respublica detrimentum capiat
(zunächst betreffs der eigenen, wofür betraut). Diese Verhältnisse sind
so durchsichtig klar, dass sie Keinem, der sich zum Hineindenken geringste
Mühe giebt, undeutlich bleiben können, sie basiren so sehr auf elementarsten
Rechnungsoperationen, dass sich auch dem Ungeübtesten leicht das richtige
Resultat ergiebt, ja sie sind, möchte man sagen, zu klar, so klar, um
als transparent übersehen zu werden
, weil man durch sie, als
selbstverständliche, hindurchsieht. Dies geschieht stets, wenn wir, wie hier,
mitten drinnen stehen in einer Entwicklungsperiode, in welcher wir während
der eigenen Generation selbst erst hineingewachsen sind. Erst nachdem
bestimmte Phasen abgelaufen sind, erkennt man beim Rückblick auf die
Periode der Vergangenheit ihren Zusammenhang, dann aber auch zu spät
die Verluste, welche durch frühere Vernachlässigung zum zweiten Male
nicht gut zu machen sind. In der Ethnologie stehen wir augenblicklich
an einem kritischen Wendepunkte, wir besitzen bereits aus kurzer Vor-
geschichte genügende Belege, um zu verstehen, wie noch jetzt leitend ein-
zugreifen, während wir, wenn uns diese letzte Handhabe entgeht, willenlos
und widerstandslos werden fortgeschwemmt werden von den Fluthen der
Zeit, die dann die ethnologische Welt für immer in die Nacht des Nicht-
sein begraben muss.
Notes
1).
2).
3).
4).
5).
6).
7).
8).
9).
10).
11).
12).
13).
14).
15).
16).
17).
18).
19).
20).
21).
22).
23).
24).
25).
26).
1).
When the complicated structures of Egypt, Greece and Rome are
brought under comparison with the simple and unpretending scheme of
theology of the children of the forest, there is found reason to marvel at
the superior acuteness and profundity of the Indian intellect (s. Morgan)
bei den Irokesen (with no tablet on which to write the history of passing
generations, save the heart of man). Leider wird der mehr und mehr
unersetzliche Mangel an Material den Forschungen hier eine, wie zu fürchten,
unübersteigliche Barriere vorschieben. The people are extremely un-
willing tho speak of what is mysterions or akin to the spiritual in their
ideas (s. Sproat). They generally begin by saying, that no white man is
able to understand the mysteries of which they will speak. „You know
nothing about such things, only old Indians can appreciate them“ is a
common remark. And in nine cases out of ten, so many lies and mis-
statements are mixed up with the account, either directly for the purpose
of mystifying the inquirer or owing to the unenlighthened confusion
of the savage in thinking upon religious subjects, that little reliance
can he placed upon it (unter den Aht). Siehe auch: Heilige Sage der
Polynesier S. 9 ff., und andere Erfahrungen.
2).
Aus dem ewigen Grundgedanken alles Rechts“ oder (bei Schmidt)
dem „Geist des Rechts überhaupt“, als „Grundlage und Quelle aller Rechts-
[XIX] gestaltungen der Griechen und Römer, sowie sämmtlicher anderer Völker“
erklären sich „deren häufig überraschende Aehnlichkeiten, wo nicht Ueber-
einstimmungen“, obwohl die Strahlen im „Durchgang durch das Mittel des
germanischen und römischen Geistes eine verschiedene Brechung und Färbung
erfahren“ (s. Röder). Die ethnische Psychologie hat hier ihre Kriterien
festzustellen, wie in den andern Naturwissenschaften. Die Aehnlichkeiten
und Unähnlichkeiten der Formen, aus denen das Wesen (substantia) der
Pflanzen besteht, sind für die Gründe der Eintheilung zu suchen (nach
Caesalpinus), nicht diese in den zufällig hinzukommenden Dingen (quae
accidunt ipsis). Die Psychologie (im Mittelpunkt aller Wissenschaften) als
Geschichte von dem Leben der Seele (bei Hugo von St. Victor) hat die
Entwicklungsstufen darzustellen, welche zu durchlaufen sind (s. Harms),
und zwar für den Völkergedanken (in der Volksseele).
3).
Vom praktischen Gesichtspunkt aus würde es weniger auf die Gleich-
artigkeit der Menschengedanken, als auf ihre Verschiedenheit ankommen
für Erklärung und weitere Nutzbarziehung aus derselben. Zunächst indess
werden, (unbeengt in freier Umschau durch Hinrichtung auf bestimmte
Ziele), die Thatsachen als solche überall entgegenzunehmen und zu beob-
achten sein. Die Chemie war ihrer selbst Willen, als inductive Wissen-
schaft zu betreiben, ehe sich ihre (dann immer reichlicher fliessenden
Hülfen) für praktische Verwendungen benutzen liessen. In vorläufig nöthiger
Arbeitstheilung, ehe (nach Feststellung der Grundsätze im jedesmal eigenem
Kreis) gefahrlos wieder Berührungspunkte zur Herstellung verbindender
Einheit gesucht werden können, ist es oft angezeigt, Grenzen möglichst
scharf zu markiren (um auf verschwimmenden Uebergangsgebieten nicht zu
gleiten), und den ersten Ausgangspunkt der Forschung entfernt zu nehmen,
um aus ihm dann allmählig wieder (mit Materialien für umfassendere
Wappnung, je weiter der Weg) auf den Kreuzungspunkt zurückzuarbeiten,
vor Allem aber die (noch elementaren) Relationsrechnungen nicht zu ver-
wirren durch Mithineinziehung incommensurabler Grösse, im Anschluss an
Absolutes im Anfang oder Ende, für den Ursprung. Verbindende Einheit
kann je nach dem Niveau der Ueberschau gewonnen werden, für sämmt-
liche Pflanzen in der Urpflanze fingirbar oder in jeder Species schon durch
das Centrum gegeben, um welches die Varietäten schwanken. Bei Auf-
stellung eines Règne humain, als psychisches oder geistiges (im Social-
verbande) liesse sich das gesammte Pflanzenreich in Parallele setzen, (die
Naturstämme mit Kryptogamen, die Culturvölker mit Phanerogamen,
neben anderen Vergleichungen), oder bei Wahl einer bestimmten Art (bei
Herabkommen bis auf Detailbetrachtung einzelner Rassen) könnte z. B. die
hochstämmige Eiche den Glanz der Geschichte, die Zwergeiche oder andere
ein in dieser verkrüppeltes Geschlecht andeuten u. dergl. m. Immer wird
bei solchen Bildern, wenn wie in der Ethnologie die ganze Erde zu um-
b*
[XX] fassen, die erste Peripherie eine weit gezogene sein müssen, um auch für
die Unterabtheilungen noch gleichwerthige Seitenstücke zu finden. Wie
aber immer, ob so oder so, jedenfalls hat als unbedingter der Grundsatz
völliger Voraussetzungslosigkeit zu gelten, bei diesem ersten Beginn der
Forschung auf einem noch durchaus fremden Terrain. Zunächst kann keine
andere Aufgabe vorliegen, als die überall erste der Induction, die erste
und für wissenschaftlich gesicherten Aufbau unumgängliche: das thatsäch-
liche Material zu sammeln und deutlich vor Augen zu stellen. Dann frisch
hinein an die Arbeit, und in der Arbeit selbst wird aus harmonischen
Verwandtschaftsgesetzen sich klären, was wir arbeiten, und wozu? Aus
der Natur selbst werden sich die gestellten Fragen so beantworten, wie
sie der, mit den aus eigener Qual erzwungenen Deutungen nicht länger
befriedigte, Geist schon seit lange ersehnte.
4).
„The tone of thought common among us, all our hopes, fears and
speculations would be materially affected, if we had vividly before us
the relation of the progressive races to the totality of human life“, denn
unsere Civilisation (of Western Europe) „is a rare exception in the history
of the world“ (s. Maine). Und im unaufhaltsam gesteigerten Wachsen der
Incongruenz findet sich die Ausnahme auf dem Weg zur Regel.
5).
Eine theoretische Ansicht in der Naturwissenschaft ist niemals an
sich selbst wahr, sie ist nur wahr für die Zeit, in der sie sich geltend
macht (Liebig), so lange sie sich mit der Kenntniss der Thatsachen deckt,
diese eben deckend.
6).
Und so auch für naturwissenschaftliche Psychologie keine Hülfe,
noch Aussicht ohne vorheriges Sammeln, was trotz aller Einwendungen
verehrlicher Kritiker nun einmal nicht erspart werden kann, und gerade in
der Ethnologie dringendster Noth sich am dringendsten aufdrängt. So
drängend, dass kein Drängen im Uebermaass der Hyperbeln schaden kann,
und es deshalb auch gerne hinzunehmen, wenn ad verbum und ad literam
genommen, im Staunen der durch Eulenspiegeleien gleichsam Genarrten über
das Aufhäufen psychischer „Rohstoffe“, für sicannische oder madegassische
Seelenflicker etwa brauchbar. Wer in den Tabulae Petri Mosellani de schema-
tibus et tropis den Index figurarum (auf 4 Seiten) zu lang findet, möge beachten,
dass „die Allegorie von dem wörtlichen Ausdrucke, ihrer Natur nach, weit ent-
fernt sein kann“, so dass die Erklärung nicht immer „gegeben, sondern oft
dem eigenen Nachdenken des Lesers überlassen werden“ (Blair), statt „s’attacher
servilement au sens littéral des mots“ (s. Quitard). Allegoria autem ad
multiplices ambiguitates se extendit (Camerarius), und so ist Manches in
den Kauf zu nehmen, ohne volles Recht darüber zu klagen. Die für eine
psychologische Naturwissenschaft vielfach aus den chemischen herange-
zogenen Vergleiche hätten indess darauf führen mögen, dass die in der
Ethnologie gesammelten „Rohstoffe“ um so unbekümmerter (wenn die Noth
[XXI] kein weiteres Bekümmern erlaubt) durcheinander geworfen werden mögen,
weil sie als lebendige ihren eigenen Mund und Stimme besitzen, den ihnen
zukommenden Platz anzuzeigen, lebendige Beinchen auch, sich selbst dahin
zu stellen, wenn ihre Zeit gekommen ist. In den inductiven Wissenschaften
haben wir auf die Lehren der Natur zu warten, die, wenn das Sammeln
ohne Falsch und ehrlich war, nicht ausbleiben können, und dann zuver-
lässigere Resultate ergeben, als die voreilig mit der Weisheitsbrille aus-
gespäheten. Mit solcher erhalten wir allzuleicht in loser Verbindung gewaltsam
zusammengezwängter Elementargruppen derartige Detonationsstoffe, wie
sie in den Explosionen der Modetheorien verpuffen, während es erst viel-
facher Analysen und Prüfungen bedarf, um im Gang der Untersuchungen
für die Elemente die richtigen Aequivalente ihrer Verwandtschaftsverhält-
nisse festzustellen, um dauernde Verbindungen zu schaffen. Was objectiv
aus der Gesetzlichkeit gewonnen, wird dann durch diese selbst verbürgt.
Es mag passiren (sofern Jean Paul nicht scherzt), dass man „ein Buch
nicht einmal recensiren, geschweige denn lesen“ kann, wenn aber recensirt,
lassen sich die Weherufe über Einführung des Sammelprincips in die
Völkerkunde mit der Betrachtung ersparen, dass sie auf einer Principien-
frage abprallen müsse, mit welcher das Ganze steht oder fällt. Wer im
Uebrigen die Waffe zu kreuzen wünscht, dem liegt der Handschuh auf
dem Gebiet der Völkergedanken für die naturwissenschaftliche Durchbildung
der Psychologie und im Laufe eines Vierteljahrhunderts ziemlich, seit den
ersten meiner Schriften (und alle folgenden hindurch) haben sich aus dem
„Rohmaterial“ objectiv damit eingeführte (und so factisch gegebene), Verar-
beitungen desselben bereits genugsam aufgespeichert, um im Für oder Wider
zu dienen. Und im letztern besonders, im Wechselaustausch streitender
Ansichten, könnten die Complicationen der Zeitaufgabe weitere Klärung
gewinnen. Das Zusammenschleppen wird schwer genug, wenn das Tem-
perament zur εὐοργησία und ruhiger Verarbeitung in der Studierstube neigt.
Statt also mit Vorwürfen, dass die Rohmaterialien schon allgemeiner Mit-
benutzung überlassen sind, die Zeit zu verlieren, thäte man besser, eine
Hand zu leihen, denn jede Minute ist kostbar.
7).
Die Phytotomie begann deutlicher aufzuhellen, als Moldenhawer, statt
der Dicotyledonen, für seine Beobachtung die einfacheren Monocotyledonen
wählte, und der Fortschritt in der Zoologie beschleunigte sich mit der auf
die Wirbellosen hingelenkten, und stets verschärften Aufmerksamkeit. Und
dieser Fortschritt wird, durch die Induction gesichert, ein stetiger, im
Gegensatz zu Sprüngen und Gesprühe der Geniestreiche. C’est le privilege
du vrai génie et surtout du génie, qui ouvre une carrière, de faire des
grandes fautes (s. Voltaire). Gewiss, ohne das wird es nicht bleiben, aber
wenn möglich, nicht mehr als nöthig, und wenigstens kein Patent darauf
nehmen.
8).
Der Universalität allerdings entbehrend, gleich den durch Caesar
und Theodosius, sowie durch Omar untergegangenen Büchersammlungen aber
seit Wiederanfachung benedictinischen Geistes, durch den zwölften gleich-
namiger Päpste, bis zur Herstellung der maurischen Congregation fort-
schreitend. So mancher Schätze Rettung ist den Bibliophilen zu danken,
(besonders wenn unter königlicher Huld, wie der Matthias Corvinus’, ge-
deihend), dass man die Bibliomanen in den Kauf nehmen mag, selbst wenn
bis zu den Preisen eines Roxburgh-Club’s sich versteigend oder wenn
(1717) „librorum copia nimia ad misocosmiam ducit (Schweder). „Eine
[ausgewählte] Büchersammlung ist und bleibt der Brautschatz des Geistes
und Gemüths, Bücher sind immer noch die wohlfeilsten Lehr- und Freuden-
meister, und der wahre Paraklet hienieden für Millionen bessere Menschen.
Je älter man wird, desto lieber geht man mit den Todten um“ (K. J. Weber).
Freilich giebt es auch sauertöpfische, unter diesen „Spirits“ in der Höhle
des arabischen Magier, und man kennt die von Washington Irving be-
schriebene Scene, wenn „the old authors [the portraits about the walls
became animated] descended with fury in their eyes, to claim their rifled
property“. Unsere Ansichten über geistiges Eigenthum werden sich frei-
sinniger gestalten, wenn nicht für Monopole oder privilegirte Patente, sondern
zu allgemeiner Benutzung für Jedes Beste veröffentlicht wird, und der
historischen Rechten geschuldete Zoll im Quellennachweise, wie für das Ge-
druckte, auch für das Herausgelesene geziemend abgetragen wird. In
ethnologischer Literatur im Speciellen handelt es sich im gegenwärtigen
Stadium noch um gemeinsames Zusammenarbeiten, in gegenseitiger Be-
rathung und Ueberlegung zum Besten der neuen Wissenschaft. Utrum
liceat jurare in verba magistri (des Aristoteles) frägt Campanella (statt
selbstständig die Natur zu erforschen).
9).
Die neugestaltende Behandlung der griechischen Geschichte nahm
von der Akademie der Inschriften (1717) ihren Ausgang, und die Refor-
matoren der römischen stehen der eigenen Generation noch nicht fern. Der
Wendepunkt für unsere Geschichtsanschauung datirt nicht gerade sehr alt.
„Die Vergleichung des Zustandes der historischen Thätigkeit in Beziehung
auf Griechenland und Rom vor 1750 mit dem heutigen lehrt, dass besonders
für diesen Theil des Geschichtsstudiums eine neue Zeit angebrochen ist,
fruchtbar an wichtigen Ergebnissen und erfreulichen Erwartungen“
(s. Wachler), gepflegt in philologischen Schulen der Niederlande (mit
Hemsterhuis u. s. w.) und Deutschland (durch Gesner und Ernesti) mit
Heyne im Kranze gefeierter Koryphäen (1833).
10).
Halbwegs zum Himmel nach den Pilgern des Lo-Yang Tempel
(s. Beal), und der Platz, wo fromme Pilger des Westens die Engel im Him-
mel bereits singen hörten, ist auch nicht fern.
11).
Wie sehr der in bestimmten Dörfern des Spreewaldes (wie Leipe,
[XXIII] Schleife etc.) hervortretende Localtypus innerhalb dieser an sich nicht all-
zugrossen Conclave wieder seine Specialbehandlung verlangen wird, kommt
bei maassgebenden Sachkennern immer mehr zur Ueberzeugung, da hier,
wie bei Ausgrabungen, Vertiefung erheischt wird, bis der Mutterboden
erreicht, weil vorher eben noch kein fester Boden unter den Füssen.
12).
Aborigines appellati sunt, quod errantes convenerint in agrum, qui
nunc est populi Romani (s. Festus) oder Aberrigines (als Pelasger).
13).
Varro (bei Servius) Dardanum refert, deos Penates ex Samothrace
in Phrygiam et Aenean ex Troia in Haliam tulisse (als Apollo und Neptun
bei Nigidius). Samothraces horum Penatium antistites Saios (suos) voca-
bant, qui postea a Romanis Salii appellati sunt, hi enim sacra Penatium
curabant (Servius). Strabo identificirt die Saiier (mit dem Heros Saion)
oder Sapaier und die Sintier, während in Thracien τῆς Αἴνου δε πλησίον
ἐστίν ὁ ποταμός Ἕβρος mit αἱ Ὀρφέως δρύες oder Ζηρύνϑιον ἄντρον in
sibyllinischen Verschlingungen, und Aeneas’ Bund (bei Lycophron) mit
Odysseus (zu nordischen Gestaden weiterwandernd). Und dann in Jung-
mann’s Identificirung der Winden (oder Wenden) mit Hindu (oder Indier)
zu Biesters Ausruf: „die Sache wird widerlich, zu Ende geeilt“, weil fröhlich
fort in die Symbolik, (mit Hülfe der vom ägyptischen König bereits in
Phrygien gesuchten Ursprache), unter eiligstem Ueberspringen jener (im
schrittweisen Vorgehen Eile aus- und umständliche Präliminarien dagegen
ein-schliessenden) Detaillirungen, bis auf Friedhöfe und ausklingende Sagen
wendischer Dörfer, als nächstliegenden zunächst, und ferneren ferner, sowie
noch bis auf individuelle Schwankungen hinab, für das Durchschnittsmaass
(unter Rechnung mit gleichwerthigen Verhältnisszahlen). So ergiebt sich auch
in den Museen die Verbindung der prähistorischen Sammlungen mit den
ethnologischen, unter gegenseitig einander ergänzenden Aufhellungen. Dabei
mag älteren Wissenszweigen geschuldete Hülfe mitunter abgetragen werden,
wenn sich in einfacherer Umgebung Pfade finden lassen für manches Lope-
ro-hunt, wie in dem von Ariki gewährten Schlüssel für die Aeneaden (und
τὸ πολλαχῇ λέγεσδαι τε καί δέικνυσδαι τάφους Αἰνείου) seit Trennung der
Linie von Assarakus her bis auf Askanius (mit Anschluss an phrygische
Vorbilder heimischen Flussgottes) und dem italischen Abbild in Julus
(Silvius Neffen), wiedergespiegelt noch in den Caesaren.
14).
L’histoire des querelles médicales de 1811 à 1840 suffirait à l’im-
pression de quelques in quarto bien compactes. Qu’est-il resté de tout
cela? Une sorte ruine fait pour décourager les plus intrépides doctrinaires
(Perret). Que faut- il pour que l’édifice soit solide: deux choses: l’obser-
vation et l’expérimentation (in der naturwissenschaftlichen Schule). Die
Bewunderung pflegt in den Aussenstehenden zu wachsen, während man
intra fanum den Hergang, bei gebührender Anerkennung wissenschaftlicher
Verdienste, in seiner Natürlichkeit versteht. So in der Medicin, wenn
[XXIV] Wunder-Curen auch solchen aufgedrängt werden, in derem nüchternen
Vorstand der Charlatanismus vertrocknen würde, wenn er überhaupt in
Gedanken kommen könnte. Wenn die Auguren sich begegneten, mochten sie
nicht so sehr über sich lächeln, als über die Glaubensseeligkeit, die ihnen
entgegen getragen wurde.
15).
Boyle hatte bereits die Freude zu beobachten, novissimis annis
Chymiam coeptam esse, uti meretur, a viris doctis, qui primo eam spreve-
rant, excoli (1661) obwohl noch Ende des nächsten Jahrhunderts, „la révo-
lution, qui placerait la chymie dans le rang, qu’elle mérite“ beschleunigt
gewünscht wurde (bei Venel). Doch „Rien ne se sait sans le temps“ (im
französischen Sprichwort), und mit Virya erlangt der das Meer auslöffelnde
Buddhist sein Mani zurück.
16).
Megerlin’s Ideen von göttlicher Weltregierung in der Geschichte
(1683) fanden in Bossuet einen beredten Advokaten, wie ferner bei Schlözer
(„beseelt vom frommen Glauben an göttliche Weltordnung und mensch-
liche Bestimmung“), und getrieben von begeistertem Streben, höhere Sitt-
lichkeit und bürgerliche Kräfte und Tüchtigkeit in gesellschaftlichem
Zustande durch Befruchtung des Geistes mit geschichtlichen Erinnerungen
und anschaubaren Belehrungen zu fördern“ (bei Joh. Müller) in der Welt-
geschichte, während in Mylaeus’ consilium historiae universalis scribendae
(1584) bereits Vorarbeiten (oder Vorgedanken) geliefert waren für die unter
Versuchen zu Encyclopädien (seit Coronelli 1700) mit Meiners deutlich
kennbarer hervortretende Geschichte der Menschheit (die in der Ethno-
logie jetzt eine naturwissenschaftliche Basis zu suchen hat). „Weltgeschichte
hebt aus dem Vorrath der Universalhistorie bloss die Weltbegebenheiten,
d. h. diejenigen aus, welche auf den Zustand der Erde und Menschheit
von bedeutendem (mittelbaren oder unmittelbaren) Einfluss waren, und
sucht durch die systematische Verknüpfung derselben zu einem Ganzen
eben jenen Zustand zu erklären“ (s. Rotteck). Nicht auf dem vom Winde
des Augenblickes zugewehten Hypothesen darf das Wissensgebäude erhoben
werden, sondern das Ausmauern erst beginnen, nachdem ein gut funda-
mentirtes Gerüst thatsächlichen Materiales festgestellt ist. Für allgemein
vergleichende Geschichtswissenschaft erscheint das Wesentliche: „dass ein
systematischer Kopf mit ausgebreitetem Wissen bei allen Völkern, in allen
Zeiten, auf allen menschlichen Lebensgebieten heimisch, seine Kenntnisse
unter dem Gesichtspunkt der Causalität zu ordnen unternähme“ (Scherer),
ein Kopf mit 100 Händen (im russischen Sprichwort).
17).
Since the exhumation of the buried cities of Assyria by Mons.
Botta and Mr. Layard nothing has occurred so startling or which has thrown
so much light on Eastern art, as the discovery of the ruined cities of
Cambodia (s. Fergusson). Rasch stieg der Enthusiasmus zu Kopf; dass
in Indien nichts vergleichbares sei, war bald erkannt, aber nicht genug,
[XXV] um dieses jüngste Wunder der Welt allen voran zu stellen. It may be
doubted, whether there is anything in the whole world more wonderful in
its way, than the magnificent temple of Angkor Vath (s. Keane). So in
der Nachbarschaft des angrenzenden Djampa (Regnum nomine Zampa)
Odericus: Breviter hoc palacium est dicius et pulcrius aliquo quod hodie
sit in mundo, auf Java, „and the Kyng of that Contree hathe a Paleys
fulle noble and fulle marveyllous and more riche than any in the world“
(Maundevile) in Java gleichfalls mit seinen, die Kambodischen des Festlandes
rückstrahlenden, Monumenten im Inselmeer, ein Cambalu, wo St. Thomas
„ingenti Populorum multitudini“ predigt (s. Georgi), in Sciam-phala
(Siam’s).
18).
Bei Kublai Khan’s Eroberung wird Sri Rama als Herrscher ge-
nannt (im Tarikh-i-Wassaf) 1292 (s. d’Ohsson). Der wunderbaren Be-
sehreibung des chinesischen Gesandten (bei Rémusat) über diese, in die,
bis sumatranisches Klein-Java nachklingenden, Alexandersagen (bei Riba
deneyra) verflochtenen Bauwerke eines Mul-Java (bei Ibn Bathuta) mit
dem Hafen Kumara (der Khmer), entspricht das Staunen des Mönchs (1318)
über das, was er in Java sah, Marignola’s in Saba oder (nach Meinert)
Java, wo früh die Vorgeschichte Tritrarashtsa mit einer Prinzessin
Kambodia’s vermählt, und bei Browiyaya’s Gründung von Mendang Kamulan
in Aru Bandan bereits ein Fürst der Molukken hinzutritt, aus dem von
Kolandiophonten schon (wie später von Weltumsegler) gesuchtem Ausgangs-
thor der Schiffersagen, mit denen der Name Ava-iki oder Savaii durch
das stille Weltmeer getragen wird, bis ausklingend in Hawaii, in jenem
neuen Völkerwirbel, wo aus dem Untergang japanischer Yonken, die unter
König Kamaloohua in Maui (s. Fornander) gestrandete in dortigen Chro-
niken sich erhalten hat. Die Hawaiier sprachen aus der Vorzeit ihrer Wander-
sagen von grossen Canoes mit Oberdeck und allen Vorrichtungen für lange
Schiff fahrt, und Procop sah in Rom das aus einem Stück gefertigte Reise-
schiff der Monere, worin Aeneas angelandet (gefeiert, wie das Arawa-
Canoe der Maori).
19).
Les Archéologues anglais placent les œuvres de l’ancien Cambodge
bien au-dessus de celles de l’Inde. L’art Khmer, en effet, résume en même
temps, qu’il les surpasse les arts de toutes les contrées dont le Cambodge
occupe géographiquement le centre. En France, c’est donc surtout de la
collection Khmer que devront se grouper plus tard tous les monuments
d’archéologie de l’extrême Orient (Delaporte). Zunächst durch die orien-
talischen Studien aus seiner Einengung befreit, wird sich der Geschichts-
blick jetzt in der Ethnologie über alle Weiten des Erdenrunds verbreiten.
20).
In der Sprache zieht das Denken das Facit aus seinen psycholo-
gischen Rechnungsoperationen, und sobald wir also die Ziffernwerthe (wie
in den verschiedenen Rasseneigenthümlichkeiten für die Zahlen ange-
b**
[XXVI] nommen) kennen sollten, möchten wir dadurch in Stand gesetzt werden,
die Einzel-Resultate nachzurechnen, um sie durch einen Calculus
ratiocinator (bei Leibnitz) für das im Allgemeinmenschlichen Gültige
controllirend zu rectificiren, zum Besten des jedesmaligen Gesellschafts-
kreises.
21).
Les données élémentaires (in der Statistik) doivent être essentiellement
exprimées par les termes numériques, puisque c’est seulement ainsi qu’on
peut fair emploi du calcul (s. Dufau), denn „man will rechnen“ (s. Jonák).
Plus le nombre des individus, que l’on observe est grand, plus les parti-
cularités individuelles, soit physiques, soit morales, soit intellectuelles,
s’effacent et laissent prédominer la série des faits généraux en vertu des-
quels la société existe et se conserve (Quetelet). Ein wirklich bewiesenes
Causalitätsverhältniss ist für jede nicht ganz träumerische Anschauung
geschichtlicher Ereignisse das Hauptelement in dem Nachweis der Gesetz-
mässigkeit, der eigentliche Hauptschritt zu ihm (s. Kries).
22).
Neben ihrer realen Seite (in der Entwicklung der Gesellschaft)
begreift die Statistik die „Entfaltung des Menschengeistes in idealer Rich-
tung, welche die ästhetische, intellectuelle, moralische und religiöse Cultur
erzeugt“, als „Théorie de l’étude des lois, d’après lesquelles se développent
les faits sociaux“, in Statistik (bei Dufau). Realisatio finis civilis est per
eulturam conditionata (s. Kolbay).
23).
ὅτι Σμβύλλας χρησμὰς ἐφάσκετο Καπιτώλιον Κεφάλειον ἕσεσϑαί
τῆς οἰκουμένης μέχρι τῆς τo͂υ κόσμου καταλύσεως (s. Planud). Nach dem
Brande des Capitol bedurfte es der Reisen viele bis zum Niederlegen im
Tempel des palatinischen Apollo (und oft ist Vieles durch Verspätung un-
rettbar verloren).
24).
In Sibyllinis ex primo versu cujusque sententiae primis litteris illius
sententiae carmen omne praetexitur (Cicero). Futura praedicta notis litte-
rarum, ut per unam litteram significet aliquid (für die Quindecemvirn).
Mit der Vergangenheit belastet, geht das Gegenwärtige schwanger mit der
Zukunft (Leibnitz), und so bebt oft in ahnenden Vorschauern der mit den
Zeitideen emporwachsende Geist.
25).
Wie früher, auch im Buddhismus fehlend, wo Rupa zwar die
Mahabutarup einschliesst, aber sonst Aristotele’s εἰδος entspricht (und Nama
dann der ἐντελεχεια). Im Gegensatz zu nichtiger Maya wird Nirwana ein
Nicht, statt des Nichts, in Erfüllung des Dhamma, mit den Kräften des
moralischen Weltgesetzes auch das physische durchdringend.
26).
Auf numerische Zahl, auf Vielheit kommt es zunächst nicht an,
sondern auf den Gedanken, als solchen, der ob von Millionen, Hundert-
tausenden, oder Tausenden, und Hunderten nur gleichmässig gedacht, der-
selbe bleibt, aber dennoch, wenn räumlich auf der Erdfläche einen grossen
Abschnitt gleichmässig deckend, hierfür bei statistischen Ueberblick zu be-
[XXVII] rücksichtigen wäre. Die mächtigst leitenden Gedanken in der Weltgeschichte
ruhten nur auf einer jetzt auf 1½ Millionen (und in der Blüthezeit viel-
leicht das Drei- oder Vierfache) anzuschlagende Bevölkerung, und haben
bewiesen, wie weit bereits eine Oberfläche von kaum 2000 Quadratmetern
übergreifen kann. Wie also bei jenen ungeheuren Massen-Ausdehnungen,
um welche es sich in der Ethnologie zu handeln hat. Der Felder zu be-
bauen sind viele und weiteste, das Werk, das vor uns liegt, ist ein uner-
messlich grosses, die Zahl der Arbeiter dagegen eine leider kleinste noch.
Und doch drängt die Zeit bei der heranziehenden Nacht des Versinken’s
und Vergessen’s, in der dann Keiner mehr wirken könnte.

Dieses Werk ist gemeinfrei.


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Kolimo+

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TextGrid Repository (2025). Collection 3. Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen und seine Begründung auf ethnologische Sammlungen. Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen und seine Begründung auf ethnologische Sammlungen. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). Kolimo+. https://hdl.handle.net/21.11113/4bq56.0